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DS 01/09 89
Übergänge und Richtlinien
Beim Reiten sind diese Funktionen für das Pferd ebenso relevant. Generell wird ein Pferd
stärker belastet als nötig, wenn z.B. der Übergang vom Galopp zum Trab so geritten wird,
dass das Pferd auf die Vorhand fällt, die Geschlossenheit des Pferdes also nicht aufrecht
erhalten wird. Die Hinterhand muss beim Übergang aktiv sein, sie muss nach vorne un-
ter den Schwerpunkt treten, um das Pferd nicht „auseinanderfallen“ zu lassen.
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Der Pferdekörper wird negativ belastet, wenn ein Pferd von Gangart zu Gangart, bei
Übergängen innerhalb einer Gangart, durch Veränderung des Gangmaßes oder auch
von Lektion zu Lektion vorrangig durch zu starke Zügelhilfen zu Übergängen veranlasst
wird, anstatt durch das feinfühlige Zusammenwirken aller Hilfen.
Korrekte Übergänge müssen aus der Sicht der Bewegungslehre daher folgende Krite-
rien erfüllen: Das Gleichgewicht, also die Bewegungsübertragung innerhalb des Pferdes
von hinten nach vorne und zurück, muss ebenso erhalten bleiben wie der Bewegungs-
rhythmus und der Bewegungsfluss. Dazu gehört auch, dass die weiche, kontinuierliche
Abfolge der Pferdebewegungen erhalten bleibt, ohne „eckige“ Teilbewegungen. Für den
Betrachter ergibt sich dann ein harmonisches Bild, die Bewegungen sind weich und flie-
ßend. Das dient auch der Pferdegesundheit, denn so werden Bewegungsprobleme oder
Krankheiten verhindert.
sein, dass „Übergänge“ für den Reiter und Ausbilder etwas Selbstverständliches sind, das
man nicht mehr erklären muss. Doch wenn man die Beschreibungen der reiterlichen Be-
wegungsabläufe genauer unter die Lupe nimmt, so scheinen die muskulären Vorgänge
beim Reiter nicht genügend in das Bewusstsein der Ausbilder geraten zu sein.
An dieser Stelle zeigt sich eine Lücke. Sie verdeutlicht, dass das Pferd zu stark im Fokus
der Ausbildung steht. Die Richtlinien tun so, als ob der Reiter ohne Probleme seine Be-
wegungsabläufe auf das Pferd übertragen könne, um es zu den in der Reitlehre gefor-
derten Lektionen zu veranlassen.
Beim Reiten ist dieser Transfer noch schwieriger, weil es keine strukturell identischen
Techniken oder Situationen im täglichen Leben und Sport gibt, die es dem Reiter ermög-
lichen, auf diese Bewegungsmuster zurückzugreifen. Reitbewegungen sind einmalig.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle die Passagen aus den Richtlinien, in denen es um
Übergänge geht, aus der Sicht der Bewegungslehre einmal genauer unter die Lupe neh-
men.
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Fotos sind immer nur Momentaufnahmen - und zeigen manchmal ein ungünstigeres Bild als die Realität.
Der ausgeprägte Unterhals und die tiefe Hand sprechen hier jedoch nicht nur für einen ungünstigen Moment...
Foto: Bärbel Schnell.
Fundstelle 1: Gewichtshilfen
„Die beidseitig belastenden Gewichtshilfen müssen immer dann eingesetzt werden,
wenn es gilt, die Hinterbeine des Pferdes besonders zu aktivieren, z.B. bei allen halben
und ganzen Paraden und somit auch bei allen Übergängen….
Dazu ist ein verstärktes „Kreuzanspannen“ notwendig. Dies bedeutet, dass der Reiter für
einen kurzen Moment die Phase des Anspannens der Bauch- und tiefen Rückenmusku-
latur verstärkt, wenn nötig auch für einige hintereinander folgende Schritte, Tritte oder
Sprünge“ (S. 71/72).
„Ohne die kurzen Impulse dieser intensiven Gewichtshilfe würden zum Beispiel Paraden,
also die Vorbereitungen zu Übergängen und Lektionen, zu sehr über die Zügelhilfen er-
folgen“ (S. 72).
Es werden Gewichtshilfen thematisiert, die mit halben und ganzen Paraden in einen Kon-
text gebracht werden, ohne jedoch an dieser Stelle zu erläutern, wie Gewichts-, Schen-
kel- und Zügelhilfen koordiniert werden sollen. Diese unterschiedlichen Hilfen stehen
zwar als isolierte Elemente im „Band 1 der Richtlinien für Reiten und Fahren“, doch dem
Leser werden sie nicht in ihren Abläufen erklärt. In diesem Kapitel wird lediglich der Be-
zug zu den Zügelhilfen hergestellt, die ein Problem bei Übergängen des Pferdes werden
können, wenn sie zu dominant sind.
Die Bewegungsabläufe der Gewichtshilfen werden so erklärt, dass der Reiter ein
„Kreuzanspannen“ erzeugen soll. Das heißt im Sinne der Richtlinien, dass er das Be-
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Generell muss der Reiter aufrecht sitzen, um die Gewichtshilfen ständig anwenden
zu können. Durch einen aufrechten Sitz überträgt der Reiter das Gewicht seines Ober-
körpers über die Sitzbeinhöcker in den Sattel und somit auf den Pferderücken.
Diese grundsätzliche Haltung (Position des Oberkörpers) ist wichtiger als das kurz-
fristige Kreuzanspannen, weil durch die optimale Stellung des Oberkörpers das
Gewicht des Reiters ständig treibend wirkt. Der Reiter muss jedoch wissen, wie er sich
aufzurichten hat.
Falsch sind folgende Anweisungen, die immer noch während des Unterrichts zu hören
sind: Schulterblätter zurück und Brustkorb raus. Denn so wird der Reiter vom Oberkör-
per bis zu den Fußspitzen hin fest und kann nicht mehr in den Bewegungen des Pferdes
mitgehen.
Richtig ist das folgende Vorgehen: Aufrichten darf sich der Reiter ausschließlich dadurch,
dass er die Stellung seines Beckens verändert. Es muss in die so genannte neutrale Stel-
lung gebracht werden, sodass es leicht nach vorne geneigt ist. Dadurch entsteht inner-
halb der gesamten Wirbelsäule die doppelt geschwungene S-Form. Damit können die
schwingenden Bewegungen durch den gesamten Reiterkörper fließen. Das Becken darf
also niemals starr in einer Position verharren, sondern muss sich den Pferdebewegungen
anpassen, sich flexibel dreidimensional bewegen können.
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Fundstelle 2: Zügelhilfen
„Nachgebende und annehmende Zügelhilfen finden ihre Anwendung immer in Verbin-
dung mit entsprechenden Gewichts- und Schenkelhilfen, z.B.:
– bei allen halben Paraden, also Übergängen von einer Gangart in die andere oder
innerhalb einer Gangart,
- bei ganzen Paraden,…“ (S. 78)
An dieser Stelle erfolgen Verbindungen der Hilfen untereinander, ohne dass jedoch der
Zusammenhang genau formuliert würde. Es fehlen eindeutige Hinweise für die Bewe-
gungsabläufe des Reiters. In der täglichen Praxis ist immer wieder zu erkennen, dass die
Zügelhilfen hart und dominant erfolgen, weil die Reiter sie nicht fein genug aus dem
Handgelenk heraus geben können. Viele Reiter ziehen die Zügel aus dem Unterarm he-
raus in Richtung Becken und wirken so kräftig und rückwärts mit den Zügeln ein.
Grundsätzlich muss der Reiter seine Daumen dachförmig auf dem Zeigefinger platzieren
können. Liegt der Daumen flach auf und wird zusätzlich auf den Zeigefinger gepresst,
damit die Zügel nicht durchrutschen, dann wird das gesamte Handgelenk fixiert und die
Hilfen kommen im Pferdemaul hart an.
Wenn der Daumen aber dachförmig auf den Zeigefinger gelegt wird, kann das Handge-
lenk ein- und ausgedreht werden, das heißt die Knöchel der Hand können rhythmisch in
Richtung Innenseite oder Außenseite des Unterarmes fließend bewegt werden.
Pferd vermehrt getrieben, da es sonst, anstatt mit der Hinterhand unterzutreten, auf die
Vorhand kommt und sich möglicherweise auf den Zügel legt.“ (S. 101)
Dieser Funktionsablauf mag ja korrekt beschrieben sein, doch wer von den Reitern kann
diese Bewegungszusammenhänge so einfach koordiniert umsetzen? Der Reiter muss
sich also aufrichten, wie es im Kapitel zu den Gewichtshilfen beschrieben wurde. Die-
se Aufrichtung ist ebenfalls für die Schenkeleinwirkung wichtig, weil die Beckenstellung
gleichzeitig die Lage der Schenkel beeinflusst.
Die Fußspitzen müssen leicht nach außen zeigen, damit die Treibemuskulatur (hinterer
Teil der Oberschenkelmuskeln – Kniebeuger) wirken kann. Wenn diese Muskeln nicht
korrekt eingesetzt werden, der Reiter durch nach innen geneigte Fußspitzen mehr mit
den Adduktoren treibt, dann blockiert er sich im Becken und das Pferd im Rücken. Damit
kann er den Bewegungen des Pferdes nicht mehr folgen. Durch ein blockiertes Becken
entstehen automatisch Handfehler, die das Pferd im Maul stören und eben nicht zu einer
Dehnung und Rahmenerweiterung führen.
Bei der Erklärung der Parade tauchen ähnliche defizitäre Beschreibungen wie bei den
bereits beschriebenen Passagen zu den Übergängen auf, nur dass an dieser Stelle im po-
sitiven Sinne das Zusammenwirken aller Hilfen (Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen)
betont wird. Doch nur durch ihre Beschreibung ist eine Umsetzung noch nicht gewähr-
leistet.
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Fazit:
Insgesamt fällt auf, dass in den Richtli-
nien nur äußere Abläufe genannt, die
funktionalen Zusammenhänge beim
Reiter jedoch weitestgehend nicht be-
schrieben werden. Die entsprechende
Hilfengebung und ihre Koordination
sind mehr zu erahnen als zu erfassen. Es
entsteht also kein Gesamtbild dessen,
was der Reiter mit seinem Körper in Ko-
ordination mit den Pferdebewegungen
zu vollziehen hat. Durch die Darstel-
lung in den einzelnen voneinander ge-
trennten Kapiteln wird weder die funda-
mentale Bedeutung der Hilfen noch die
Komplexität ihrer Anwendung transpa-
rent. Vielleicht mag darin ein Grund lie-
gen, dass Übergänge oft schlecht gerit-
ten werden und somit viele Pferde we-
der losgelassen noch durchlässig ge-
hen.
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