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Sag Chef zu Dir ... oder etwa nicht?

Vom Rätseln über „Investivlöhne“


Catwalk

Z um Jahresausklang wurde hierzulande


noch einmal reichlich Verwirrung ge-
stiftet. Da ist die große Koalition schon in
che Mitte der 1990er Jahre herumgespro-
chen haben. Damals war es üblich, Aktien
an Angestellte auszugeben. Alle Beteilig-
zu mehr Firmenloyalität führen. Wer be-
streikt schon ein Unternehmen, das ihm
selbst gehört? Und das nun, so tagträu-
Sachen Gesundheitsreform konfus genug, ten glaubten, davon nur profitieren zu men nicht wenige PolitikerInnen, würde
wird Bundespräsident Köhler in den Me- können. Die Chefs hatten loyale Mitarbei- den Standort Deutschland stärken und
dien als „Rebell“ gefeiert, und macht ein terInnen, die sich mit ihnen und der Fir- schließlich gar den Patriotismus fördern. (Dank an Adi F. in Melbourne)
Wort die Runde, mit dem viele erstmal we- ma verbunden fühlten und einen verhält- Supi.
nig anzufangen wußten: „Investivlohn“. nismäßig geringen Grundlohn kosteten. Was aber hätten Arbeiterinnen und Ar-
H20318 30. JG NR. 179
Ganz genau so, und nicht etwa „Intensiv- Die Beschäftigten wiederum wähnten sich beiter vom Investivlohn? Außer dem frag-
Januar/Februar 2007 1,50 EURO lohn“, wie nicht nur die Tagesschau auf ih- als Nutznießer aufstrebender, zukunfts- würdigen Nervenkitzel, nie so recht zu
rer Internetseite behauptete. orientierter Jungunternehmen und wissen, wie hoch der nächste Lohn aus- 30 Jahre FAU!
Inhalt Bei der in Parteien, Gewerkschaften dank der Aktienanteile fällt, nicht unbedingt viel. Die wenigen Im Februar 2007 wird die FAU 30
und in der Presse vorgetragenen Debatte quasi schon selbst als ähnlichen solcher Modelle, die es dafür Jahre alt und ist damit die
Betrieb und Gesellschaft geht es jedoch keineswegs um eine etwai- Geschäftsleute. Klar, bisher in Deutschland gibt, täuschen älteste libertäre Organisation in
Strategie der Nische . . . . . . . . . . . . . . .3 ge Intensivierung von Gehältern, worun- daß der gewerk- meist. Bei Siemens, Daimler, der BRD. Am 12./13.2.1977
Solidarische Ökonomie zwischen Hoffnung ter man ja naiv allgemeine Lohnerhöhun- schaftliche Orga- BMW oder aber SAP han- kamen Delegierte von acht
und Illusion gen verstehen könnte, sondern vielmehr nisierungsgrad delt es sich in der Regel anarcho-syndikalistischen
Die Ruhe vor dem Sturm? . . . . . . . . . . .4 um Modelle, denen zufolge ArbeiterInnen hier eher um gesuchte Fachkräf- Gruppen mit insgesamt ca. 40
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie vor der dazu genötig werden sollen, einen Teil ih- schwach te, die eine besonders Mitgliedern zu einem ersten
Umsetzung res Lohnes zu investieren — nämlich in ausfiel. gute Ausgangslage auf bundesweiten Treffen in Köln
die Firma ihres Arbeitgebers. Sprich, nicht Groß dem Arbeitsmarkt haben und zusammen und gründeten die
Das Geschäft mit der Krankheit . . . . . . . . . . .4
mehr die ganze Summe, sondern nur noch war die mittels güstiger Konditio- „Initiative für den Wiederaufbau
Zur Arbeitssituation der Pflege in den Amper Kli-
90% oder 85% des Lohnes landen als Aus- nen gelockt bzw. gebunden wer- der FAU(D)“. Auf dem zweiten
niken Dachau
zahlung auf dem Girokonto der Beschäf- den sollen. Anders sieht es da bei- Nationaltreffen in Köln am
Kein Rausch ohne Kater . . . . . . . . . . . .5 tigten, der Rest wird in Form von Aktien, spielsweise schon beim Versiche- 8./9.10.1977 wurde „Initiative
Das Existenzgeld als neoliberale Mogel- Anleihen oder dergleichen „angelegt“ — rungsunternehmen Allianz aus, wo für Freie Arbeiter Union“ (I-FAU) als
packung oder, anderen hübschen Ideen entspre- bestimmte Angestellte das Grundgehalt vorläufiger Name der
Grenzen einreißen, um neue zu errichten . . . .6 chend, der womöglich finanzklammen massiv gedrückt wurde zugunsten von ho- Organisation beschlossen und
Die neue „Bleiberechtsregelung“ der Firma gar als Darlehen zur Verfügung hen Provisionsanteilen. Und das könnte, eine Gründungserklärung
Innenministerkonferenz gestellt, mit der Aussicht, Zinsen so befürchten ExpertInnen, bei einem ge- verabschiedet.
zu kassieren. Na, immerhin et- nerell eingeführten Investivlohn heraus-
Diskussion was. kommen: Eine besondere Art des Kombi-
Wo die Wege sich kreuzen... . . . . . . . . .7 Bundesrenegat Köhler, der dann lohns, bei dem nicht der Staat, sondern
Eine Erwiderung auf René Talbot per Interview den Investivlohn ins der Kat- die Beschäftigten ihre eigenen Löhne be-
Gespräch brachte, sieht darin „mehr Ver- zenjam- zuschussen.
Zeitlupe
teilungsgerechtigkeit“. Schließlich seien mer, als sich Vor allem aber liefen Investivlöhne auf
Wer ist hier der Boss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 die Einkünfte aus Kapitalvermögen in den das so perfekt ge- eine verschärfte Auseinanderdividierung Auf den Geschmack ge-
Kaum sonst wo auf der Welt sind Konzepte letzten Jahren schneller gewachsen als die dachte Mo- dell als Pilotspiel der Arbeiter und Arbeiterinnen hinaus; Or- kommen ...
selbstverwalteter Betriebe so weit entwik- Löhne. Es sei nur recht und billig, die Mit- entpuppte. Froh könnten andererseits jene ganisierung und gewerkschaftliche Kämp- Im Dezember 2006 ist das Buch
kelt wie in San Fransisco — mit unter- arbeiterInnen auch am Firmengewinn zu sein, welche nicht auch noch Pech mit der fe würden enorm erschwert. Die Stärke der „Sechs Monate Streik bei Gate
schiedlichen Erfahrungen. beteiligen. Mittels Investivlöhnen. Am be- juristischen Organisationsform „ihrer“ Fir- Arbeiterklasse lag denn auch noch nie in Gourmet“ von den Flying Pickets
sten gleich per Gesetz. ma hatten, und dank der Geschäftsantei- ihrer Zerrüttetheit begründet. Genau die- (Hrsg.) erschienen. Es fasst die
Globales
Nun sind Investivlöhne nicht dasglei- le nun auch noch auf einem Berg Schul- se aber hätte ein wie auch immer geregel- Erfahrungen der Streiks bei Gate
Eine verrückte Idee . . . . . . . . . . . . . . . . .9 che wie Gewinnbeteiligungen. Dafür muß den saßen. ter Investivlohn zur Folge. Gourmet in London-Heathrow
Schweden: SAC ruft 2,5 Millionen Arbeiter die Firma erst einmal Gewinne erzielen. Auch wenn letzteres so erstmal noch Lassen wir uns nicht in die Irre führen. und Düsseldorf zusammen.
zum Generalstreik auf Ansonsten kann die Geschichte recht un- nicht zu befürchten ist, wäre ein Investiv- So wenig Rebellen Bundesverdienstkreuze ISBN 3-935936-54-0, 264 S., für
Spontaner Streik bei Volkswagen .10 angenehm werden. Je nach Modell könn- lohn so oder so mit neuen Risiken ver- verteilen, ersetzen Investivlöhne die gu- 12,00 Euro zu bestellen bei
Arbeitskämpfe in der Automobilindu- ten solche am Unternehmen beteiligte Be- bunden, die auf die Beschäftigten abge- ten, alten Gewerkschaftsdiszplinen wie Syndikat-A
strie schäftigte schnell mit leeren Händen da- wälzt werden. Gerade davon versprechen Lohnerhöhung, Arbeitszeitverkürzung
US-Army: Mit Taft-Hartley gegen Arbeiter . . . .10 stehen; Aktien können bekannterweise sich Regierung und Kapital motiviertere und Verbesserung der Arbeitsbedingun-
Alle Räder stehen still, wenn Dein rasch an Wert verlieren, zumal, wenn sie ArbeiterInnen. Indem ihr Einkommen vom gen. Die Wahrheit liegt eben nicht in der
starker Arm es will frei gehandelt werden. Und wie es um An- Firmengewinn abhängig gemacht wird, New Economy und ihrer frisch klingenden
Alter Wein in neuen Schläuchen . . . .11 teile an Firmen bestellt ist, die Bankrott soll sichergestellt werden, daß sie sich wie Begrifflichkeit, sondern ist ganz „old
Italien hat zwar nunmehr eine neue Re- gehen und folglich keinen müden Heller von selbst in die Arbeit reinknien, weil das school“. Und das bedeutet Klassenkampf. Kauf Dich glücklich
gierung, doch die Politik des Sozialab- mehr taugen, sollte sich spätestens seit ja auch in ihrem eigenen Interesse ist. „Klassenkampf im Weltmaßstab:
baus bleibt die gleiche dem großen Firmensterben in der IT-Bran- Selbstredend würde das dann wiederum Matthias Seiffert Faustregel gegen
Standortkonkurrenz und
Die Masken sind gefallen . . . . . . . . . . . . . . . .12
Klassenspaltung“, so lautet der
Griechenland: Vergewaltigung im Paradies
Hauptartikel dieser Broschüre.
Hintergrund
MWR: The sexiest rebellion ever . . . . . . . . .12-13
Über die Selbstorganisation eines Hau-
Lohnarbeit als Stippvisite Er führt die bisherigen
Untersuchungen zu
„Syndikalismus — Geschichte
Fehlanzeige bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau und Perspektiven“ weiter in die
fens ungebildeter, fauler, betrunkener
Zukunft einer globalen
Taugenichtse und die Rolle des Internets
dabei

Kultur
D ie Entwicklung zur Gleichberechti-
gung von Frau und Mann stockt. Im-
mer noch ist die Diskriminierung nach
schlechtliche Parität. Oberflächlich be-
trachtet ließe sich aus dieser Entwick-
lung die Hoffnung nähren, Gleichberech-
fig ein unternehmerisches Risiko, denn
in einem Alter, in dem Karriere z.B. durch
Weiterqualifikation in den Unternehmen
Weltordnung und der damit
nötigen internationalen
Organisierung der
Ein Denkmal für Louis Lingg (2) . . . . . . . . . . .14 dem biologischen Geschlecht auf dem Ar- tigung am Arbeitsmarkt ergäbe sich spä- gefördert wird, kann man sich bei Frau ArbeiterInnenklasse.
„Die Bombe“ — Frank Harris' Klassiker beitsmarkt üblich. Rund 23% weniger testens mit dem vollständigen Eintritt nie sicher sein, ob sie sich am Ende nicht Unterfüttert wird dieser Artikel
über die Haymarket-Affäre wiedergele- Bruttolohn erhalten Frauen im Vergleich dieser Generation ins Erwerbsleben. Da- doch für Kind und Kegel entscheidet, ihre mit historischen Beiträgen zu
sen zu Männern. Das geht aus dem ersten von gegen sprechen allerdings zu viele Fakto- Flexibilität einbüßt und sich berufliche der FAUD: ihrer Organisation,
der Bundesregierung in Auftrag gegebe- ren: Qualifikationsmaßnahmen in den Augen ihrer Stellung zu Betriebsräten,
UPTHEREPUBLIC . . . . . . . . . . . . . . . .15
nen Datenreport zur Gleichstellung von Die Ausbildungswahl fällt nach wie der Entscheider als Fehlinvestitionen er- Kollektivverträgen und
Literatur und Medien im Spanischen
Männern und Frauen hervor. Verglichen vor stark geschlechtsspezifisch aus. So weisen. Hinzu kommen uralte Vorurteile Streikkassen und ihrer
Krieg (1936-1939)
wurden die Gehälter bei angenommener hat sich an der Wertschätzung im ökono- und Rollenmuster, die dazu führen, dass Einstellung zur Frage der
gleicher Arbeitszeit. mischen Sinne für klassische „Frauenar- Frauen in vielen Berufen weniger Lei- Anwendung revolutionärer
Damit bildet Deutschland in einem beit“ (z.B. Kranken- oder Altenpflege) bis stung und Belastbarkeit zugetraut wird. Gewalt.
Ranking mit anderen europäischen Län- heute nichts geändert; sie wird ver- Gesellschaftlich tief (abgrundtief!)
Deutsche Post AG · PVSt · »Entgelt bezahlt« · VKZ H20318
Direkte Aktion · Kornstr. 28-30 · 30167 Hannover

dern im Bezug auf Lohndiskriminierung gleichsweise schlecht bezahlt, beruf- verwurzelte Rollenmuster und eine tra-
das traurige Schlusslicht (vgl. Grafik auf licher Aufstieg und damit steigende Ver- dierte Sicht auf die Familie sind letzt-
Seite 4). Nachdem in den letzten 50 Jah- dienstmöglichkeiten sind nicht vorgese- endlich verantwortlich dafür, dass in
ren die Lohnkluft langsam abnahm, ist hen. Deutschland immer noch das klassische
dieser Prozess nun zum Stillstand ge- Frauen gelten als weniger produktiv, Ernährermodell dominiert. Sie erklären
kommen. In Ostdeutschland hat sogar denn sie unterbrechen ihre Erwerbstätig- auch, warum sog. Frauenberufe schlecht
eine gegenläufige Entwicklung begon- keit häufig für Jahre, meist zu Gunsten entlohnt werden. So waren z.B. soziale
nen, die ein erneutes Auseinandersche- der Erziehung ihrer Kinder. In der Folge Berufe, als sie zu Beginn des 20. Jahr-
ren der Einkommen von Frau und Mann wird ihnen auf Grund mangelnder beruf- hunderts professionalisiert wurden und
zur Folge hat. licher Erfahrung weniger Leistungsver- sich damit weg vom Ehrenamt entwickel-
Immerhin ergab sich im Bezug auf mögen unterstellt. Berufserfahrung in ten, nie als Ernährerberufe konzipiert. Es
das Bildungsniveau inzwischen eine er- Form kontinuierlicher Vollerwerbstätig- waren Berufe für Frauen, bis sie durch
freuliche Wende. 40,6% der Frauen bis 30 keit hingegen wird belohnt – ein Vorteil Heirat dem Ruf nach Heim und Herd folg-
Jahre hatten im Jahr 2004 Abitur, bei den für die Gehaltsschecks der Männer. ten.
Männern waren es lediglich 37,8%. Auch Es sind mehrheitlich Männer, die über 45 Seiten, DIN A 5, Preis: 2,50
unter den Hochschulabsolventen und die berufliche Karriere von Frauen ent- Fortsetzung auf Seite 4 Euro, zu bestellen über FAU-MAT:
-absolventinnen herrscht inzwischen ge- scheiden. Für sie sind Frauen jedoch häu- fau-mat@gmx.de
Seite 2 Nr. 179 Intro Januar/Februar 2007

FAU-TTicker
+++ die FAU Bremen sammelt weiterhin
Interessierte für eine FAU-Initiative in
Oldenburg und beteiligt sich außerdem am
lokalen Chef-Duzen-Stammtisch. Bei
Interesse: fauhb@fau.org +++ die Bremer
OG hat auch eine neue Broschüre
J ahreswechsel sind ja immer ein beliebter Anlass, Bilanz zu ziehen. Was also hat uns das letze Jahr gebracht, was ist im neu-
en zu erwarten?

Eines der bedeutendsten Ereignisse 2006 war sicherlich die Fußball-Weltmeisterschaft, die wieder einmal in Deutschland ausge-
richtet wurde. (War Deutschland eigentlich schon wieder an der Reihe, oder haben „wir“ uns vorgedrängelt?) Auf jeden Fall muss man
herausgegeben: „Anarcho-Syndikalismus in anerkennen, dass die deutsche Nation die Gelegenheit für eine perfekte Inszenierung ihrer selbst genutzt hat. Vor allem die Massens-
Ostpreußen“, zu beziehen über FAU-MAT zenen waren wirklich gelungen. Das Volk volkte brav der Regie von Politik und Medien und spielte begeistert mit. Und so wurde aller-
oder herunterzuladen unter www.fau- hand erreicht: Die Nationalflagge ist endlich wieder zum ganz alltäglichen Anblick geworden. Und man darf sich wieder trauen zu sa-
bremen.tk +++ der Termin des offenen gen: „Ich bin stolz auf mein Land.“ Das war ja anscheinend vielen schon immer ein dringendes Bedürfnis. Und während das Volk, be-
Treffens bzw. des Café Libertaire der OG dröhnt von der gesamtnationalen Freude, einmal alle Bedrängnisse des Alltags vergaß, war die Politik nicht untätig und nutzte die
Münster ändert sich ab Januar +++ vom 26.- günstige Gelegenheit.
28. Januar 2007 findet das nächste Treffen
des Ya-Basta-Netz in Tübingen statt, zu dem So ist zum Beispiel das Ladenschlussgesetz auf einmal vom Tisch. Bald zwei Jahrzehnte nach der Einführung des „langen Don-
alle Interessierten herzlich eingeladen sind. nerstag“ und viele dünn geschnittene Salamischeiben später war es doch überraschend, wie schnell und unproblematisch das über die
Anmeldung unter yabasta-tuebingen@no- Bühne ging. Und so wurde uns als Konsumenten die Freiheit geschenkt, einkaufen zu gehen, wann immer wir wollen. Wer jetzt aber
log.org, Infos unter http://www.ya-basta- glaubt, der Politik gehe es darum, der Einwohnerschaft ihres Landes das Leben so bequem wie möglich zu gestalten, irrt sich gewal-
netz.de.vu +++ aufgrund Zeit- und akuten tig: Selbst die alleinerziehende Mutter kann jetzt auch nach der Spätschicht noch schnell einkaufen und hat somit keinen Grund mehr,
Mitgliedermangels löste sich die FAU sich über schlechte Arbeitszeiten zu beklagen. Und überhaupt: Was man von den Beschäftigten im Einzelhandel verlangen kann, kön-
Konstanz am 11.12.06 auf +++ die OG nen auch die anderen nicht mehr verweigern.
Marburg in Gründung traf sich erstmals am
9.12.06. Die Schwerpunkte der Arbeit des Dass uns allen zwei Jahre Rentenbezug geklaut werden, ist anscheinend auch schon beschlossene Sache. An sich war es ja schon
geplanten Allgemeinen Syndikats liegen zur eine Frechheit, die Renten zu besteuern, aber man kann ja immer noch einen draufsetzen. Und nach der Erhöhung der Umsatzsteuer
Zeit im Bildungs- und Erwerbslosenbereich. haben nicht nur die Rentner nichts mehr zu lachen.
Das nächstes Treffen findet am 6.1.07
gegen 13 Uhr im „Cafe am Grün“ statt, dazu Dass der Druck auf die Arbeitslosen weiter erhöht wurde und weiterhin wird, ist schon selbstverständlich geworden. Das gleiche
sind alle Interessierten herzlich eingeladen gilt für den Abbau der klassischen Bürgerrechte auf dem Weg zum perfekten Überwachungsstaat. In technischer Hinsicht haben wir
+++ die Regionalkoordination West liegt George Orwells „1984“ ja schon weit zurückgelassen. Der „internationale Terrorismus“ tut als Vorwand beste Dienste. Und auch das hat
jetzt in den Händen der FAU Düsseldorf. Das das letzte Jahr gebracht: Wir haben alle schon angefangen, uns an den Gedanken zu gewöhnen, potentielle Opfer von Anschlägen zu
nächste Regionaltreffen wird am 14.4.07 in sein. Und dass wir für die Ordnungspolitik dieser bedeutenden Nation, die „ihre Verantwortung nicht ignorieren kann“ (man könnte
Dortmund stattfinden +++ Die OG auch sagen: die ihre Möglichkeiten nicht ungenutzt lassen will), von deren Opfern
Düsseldorf ist online wieder unter www.fau- haftbar gemacht werden, spricht natürlich nicht gegen die Nation oder die Politi-
duesseldorf.org zu erreichen +++ tik, die sie betreibt ...

Kurz gesagt: Alles bleibt besser!


Holger (Layout)

GenossInnen der USI und der FAU im Gespräch auf dem IAA-
Kongress (siehe Seite 9)

Syndikate, Ortsgruppen und Kontakte der freien arbeiter/innen-Union (FAU-IAA)


Region Nord Café Libertaire, mit Vortrag, Film etc.: jeden 2. und 4. Mi. Gießen/Wetzlar FAU-Ortsgruppe und Bildungssyndikat, c/o „Infoladen
Bremen . . . . . FAU-IAA Lokalföderation Bremen, Postfach 10 56 74, im Monat 20.00 Uhr im Don Quijote, Scharnhorststr. 57 Gießen“, Alter Wetzlarer Weg 44, 35392 Gießen,
28056 Bremen, fauhb@fau.org, www.fau-bremen.tk, faugi@arcor.de, faugi@fau.org, www.ak44de.vu, jeden
www.bremer-aktion.tk, Tel. (0162) 38 29 46 7 Region Ost Mo. 19.00 Uhr Treffen des Allgemeinen Syndikats und des
Syndikat der Lohnabhängigen und Erwerbslosen (SLE- Altenburg . . . . fauabg@fau.org Bildungssyndikats, jeden 2. Mi. ab 21.00 Uhr
FAU), sle-hb@fau.org, c/o FAU Bremen Berlin . . . . . . Straßburger Str. 38, 10405 Berlin, faub@fau.org,Tel.: Kneipenabend / Cafè Sabotage — offener Abend für alle
Bielefeld . . . . c/o „Umweltzentrum“,August-Bebel-Str. 16,33602 (030) 287 008 04, www.fau.org/ortsgruppen/berlin, Interessierten bei Musik und Bier im „Infoladen Gießen“
Bielefeld, Treffen jeden 2. und 4. Di. im Monat, 19.30 offenes Büro dienstags 16.00 - 20.00 Uhr (ab Februar: Lich . . . . . . . . FAU-Ortsgruppe, Postfach 1215, 35420 Lich,
Uhr, faubi@fau.org, www.fau-bielefeld.de.vu freitags) fauli@fau.org
Flensburg . . . . c/o Infocafé, Hafermarkt 6, 24943 Flensburg Allgemeines Syndikat, 2. und 4. Mi. im Monat 19.00 Uhr, Mainz . . . . . . . Kontakt über Frankfurt/M.
Hamburg . . . . FAU-IAA Hamburg, Fettstraße 23, 20357 Hamburg. Bildungssyndikat, 1. und 3. Mi. im Monat 20.00 Uhr, München . . . . Schwanthaler Str. 139 (Rg), 80339 München, (0173) 40 48
Offenes Treffen jeden Fr., 19.00 Uhr, fauhh@fau.org, Tel. bsy-b@fau.org 195, faum@fau.org, www.faum.de
(040) 43 22 124 Kultursyndikat, 1. und 3. Do. im Monat 20.00 Uhr, Allgemeines Münchner Syndikat Erwerbsloser und
Hannover . . . . UJZ Korn, Kornstraße 28-30, 30167 Hannover. Treffen ksy-b@fau.org Lohnabhängiger (A.M.S.E.L), jeden Do. ab 19.31 Uhr in der
jeden Di. 21.00 Uhr, letzten Di. im Monat offener Abend GNLL Berlin-Brandenburg, Treffen jeden letzten Do. im Schwanthalerstraße 139 (Rg), www.fau-amsel.info.ms,
ab 20.00 Uhr, fauh@fau.org, Tiermedizinisches Syndikat, Monat 20.00 Uhr, faugrs@fau.org kontakt@fau-amsel.tk, (0179) 72 06 614
tiermedizin@fau.org FAU-Tresen jeden 1. und 3. Do. ab 21.00 Uhr im Subversiv, Neustadt/W. . . FAU-Ortsgruppe, Postfach 2066, 76829 Landau,
Kiel . . . . . . . . Kontakt über OG Hamburg Brunnenstr.7 /2.HH, Berlin-Mitte, U8 Rosenthaler Platz faunw@fau.org
Lübeck . . . . . . Kontakt über OG Hamburg Dresden . . . . . FAU Dresden, c/o Stadtteilladen, Rudolfstr. 7, 01097 Nürnberg. . . . . fnbg@gmx.de
Osnabrück . . . FAU-IAA Osnabrück, Postfach 1925, 49009 Osnabrück, Dresden, offen: freitags 16.00 - 20.00 Uhr, Tübingen . . . . c/o Infoladen „Grenzenlos“, Schellingstr. 6, 72072
Treffen: jeden Mo. 20:00 Uhr im Café „Mano Negra“, Alte fau-dd@gnuviech.info Tübingen
Münze 12, fauos@fau.org Frankfurt/O. . FAU-IAA, c/o Backdoor, Rosa-Luxemburg-Str. 24, 15230 Wiesbaden . . . GNLL-KONTAKT, über Frankfurt/Main
Frankfurt/Oder, fauff@fau.org, www.fau-ffo.de.vu
Region West Göttingen . . . FAU-IAA Göttingen, c/o Buchladen „Rote Straße“, Schweiz
Bochum . . . . . Kontakt über FAU Dortmund, faudo@fau.org, öffentliches Nikolaikirchhof 7, 37073 Göttingen FAU-CH . . . . . . Postfach 580, CH-8037 Zürich
Treffen: Jeden dritten Do. im Monat ab 19.00 Uhr Gransee . . . . . FAU-IAA Ortsgruppe und GNLL/FAU Landwirtschaft Berlin- Bern . . . . . . . FAU Bern, Quartiergasse 17, CH-3013 Bern,
Thekenabend im Sozialen Zentrum Bochum, Rottstr. 31 Brandenburg, faugrs@fau.org, c/o Th. Beckmann, bern@fauch.ch
Bonn . . . . . . . FAU-OG Bonn, Wolfstraße 10 (Hinterhaus), 53111 Bonn- Dorfstr. 13, 16775 Wolfsruh
Altstadt, Tel.: (0228) 90 93 171, E-Mail: faubn@fau.org, Halle/Saale . . . c/o Infoladen Glimpflich, Ludwigstr. 37, 06110 Bundesweite Branchen-Koordinationen
www.fau-bonn.de, OG-Treffen jeden Mi. 20.30 Uhr Halle/Saale, ebenfalls GNLL-KONTAKT Bildungssyndikate:
Dortmund . . . . c/o „Langer August“, Braunschweiger Str.22, 44145 Leipzig . . . . . . c/o „Libelle“, Kolonnadenstr. 19, 04109 Leipzig. bsy-public-info@list.fau.org, www.bildungssyndikat.de
Dortmund, Tel. : (0231) 86 30 105 (Anrufbeantworter), Präsenzzeit: mittwochs 17.00 - 18.00 Uhr, GNLL/FAU Landwirtschaft:
Fax: (0231) 86 30 101, faudo@fau.org leipzig@fau.org Berlin-Brandenburg, über Gransee, gnll@fau.org
Duisburg . . . . FAU Duisburg Lokalföderation, Querstr.38, 47178 Magdeburg . . . FAU Magdeburg, faumd@fau.org, c/o „Blaue Welt GNLL/FAU Naturkostindustrie: über Hamburg
Duisburg, Schwarz-Roter Stammtisch: Jeden ersten Sa. im Archiv“, Thiemstrasse 13, 39104 Magdeburg
Monat um 20.00 Uhr im „Bürgerhof“, Sternbuschweg 97, Potsdam . . . . FAU Potsdam, Hermann-Elflein-Straße 32, 14467 Potsdam, Regionalkoordinationen
47057 Duisburg, Info-Telefon und SMS: (0179) 325 86 48, Tel.: (0176) 29 55 01 00, faupdm@fau.org, Nord: Hamburg | West: Düsseldorf (reko-west@fau.org) | Ost: Magdeburg |
faudu@fau.org, www.fau-duisburg.tk www.fau.org/ortsgruppen/potsdam, Treffen des ASy Süd: Frankfurt/M.
Düsseldorf . . . FAU Düsseldorf, Allgemeines Syndikat, Postfach 10 24 jeden 2. und 4. Mi. 18.00 Uhr, Präsenszeiten jeden
04, 40015 Düsseldorf, faud@fau.org, Fax: (01212) 5 110 Donnerstag 16-19 Uhr, FAU-Tresen jeden 2. und 4. Do. ab Geschäftskommission der FAU-IAA
29 174, Fon/SMS: (0179) 32 586 48, 19.00 Uhr in der OLGA, Charlottenstraße 28 in Potsdam Freie ArbeiterInnen Union/IAA, Postfach 2043, 30020 Hannover, Germany,
www.fau.org/ortsgruppen/duesseldorf oder geko@fau.org
www.free.de/asti Region Süd Internationales Sekretariat der FAU-IAA
Krefeld . . . . . (02151) 39 42 70 Aschaffenburg Kontakt über Frankfurt/M. Freie ArbeiterInnen Union/IAA, Postfach 2043, 30020 Hannover, Germany,
Moers . . . . . . c/o „Barrikade“, Bismarckstr. 41a, 47443 Moers, Dachau . . . . . Kontakt über München is@fau.org
faumo@fau.org Dreieich . . . . . Kontakt über Frankfurt/M.
Münster . . . . . FAU Münster, c/o Emma-Goldman-Zentrum, Dahlweg 64, Frankfurt/M. . c/o DFG/VK, Mühlgasse 13, 60486 Frankfurt/Main, Internationale Arbeiter/Innen-Assoziation (IAA)
48153 Münster, faums@fau.org, sonntags 19.00 Uhr, fauffm@fau.org IAA/IWA/AIT-Sekretariat, Box 1977, Vika 0121, N - Oslo (Norge),
www.fau.org/ortsgruppen/muenster, offenes Treffen: Freiburg . . . . . FAU-Ortsgruppe, c/o Infoladen Freiburg KTS, Baslerstr. secretariado@iwa-ait.org, www.iwa-ait.org
jeden 1. und 3. Mi. im Monat 20.00 Uhr im Dahlweg 64, 103, 79100 Freiburg, faufr@fau.org, Treffen jeden Mi.
gegen 20.00 Uhr im autonomen Zentrum KTS
Januar/Februar 2007 Betrieb und Gesellschaft Nr. 179 Seite 3

Strategie der Nische


Spektrums steht weniger die Funktion als
kapitalistischer Lückenbüßer im Vorder-
grund als Konzepte der ökonomischen Be-
freiung. Von revolutionär mag man zwar BERLIN
nicht sprechen, so doch aber vom emanzi- (Wenn nicht anders angegeben:
Solidarische Ökonomie zwischen Hoffnung und Illusion pativen oder transformatorischen Potential. FAU-Lokal, Straßburger Str. 38)
Und wenn von Arbeiterselbstverwaltung,

E s scheint der Impuls nicht auszusterben,


dass sich Menschen auf die Suche nach
einer Welt jenseits des Kapitalismus ma-
den zweiten Blick allerdings scheint gerade
in dieser Unklarheit das aufblühende Inter-
esse am Thema begründet zu sein. Denn in
und dergleichen. Gerade aber letztere Ty-
pen, welche die mit Abstand größte Gruppe
in diesem Spektrum bilden, werfen ein selt-
Dezentralität, Basisdemokratie, Solidarität
und Gleichberechtigung die Rede ist, dann
fallen damit Schlagwörter, die dem Vokabu-
Fr. 12. Jan, 20.00 Uhr
Vortrag: Betriebe in
Arbeiterhand
chen. Dass der Weg dabei oftmals im Kreis mancher Hinsicht handelt es sich um auf- sames Licht auf die Angelegenheit. lar des Syndikalismus nicht unbedingt Welche Perspektiven bieten sich
verläuft, muss wohl in Kauf genommen wer- gewärmten Kaffee, teilweise recht wider- Denn Genossenschaften, Gesellschaften fremd sind. Ohne Frage, was dabei im Gro- der Selbstverwaltung im
den. Das legt zumindest der Eindruck nahe, sprüchlicher Art, der da in den funkelnden auf Gegenseitigkeit sowie Vereine und Stif- ben angestrebt wird, ist eine Ökonomie jen- Kapitalismus?
den der neuerliche Aufbruch im Zu- Kelch der Solidarischen Ökonomie einge- tungen haben, wie Geschichte und Gegen- seits der privatkapitalistischen wie auch
sammenhang mit dem Thema Solidarische schüttet wurde und nun vielen wie ein Hoff- wart zeigen, oftmals ein ver- staatskommunisti- Fr. 26. Jan., 20.00 Uhr
Ökonomie erweckt. nungsschimmer erscheint. schrobenes Verständnis von schen Ordnung. Es Lesung: Kolumne Durruti
In diesem Zusammenhang fand am letz- Solidarität – nicht selten ste- drängt sich der Ver- Markus Liske, Spider u.a. lesen
ten November-Wochenende in Berlin der hen sie für das Gegenteil.
„Die Diskussion um dacht auf, dass man aus den gesammelten Beiträgen
Neue Soziale Marktwirtschaft –
Kongress zu „Solidarischer Ökonomie im
mal anders
Viele davon sind meist selbst Strategien zur sich auch hier auf der DA-Rubrik
globalisierten Kapitalismus“ statt. Mit sei- nichts anderes als manage- die Suche nach dem
nen 1.400 Teilnehmern offenbarte der Kon- Wenn von „Solidarischer Ökonomie“ die riell geführte Unternehmen. Überwindung des berüchtigten „Drit- Fr. 9. Feb., 20.00 Uhr
gress ein überraschend hohes Interesse an Rede ist, wird damit i.d.R. vage ein Spek- Selbst in der EU haben einige Kapitalismus steht ten Weg“ gemacht Kulturabend: Alias Traven
Regierungen an ihnen einen hat. Filme, Texte und Musik von und
Narren gefressen. Als Econo- wieder bei Null.“ Und hierin be- über den Schriftsteller und
mie Sociale, die weitestge- steht sowohl das Er- Anarchisten B. Traven
hend deckungsgleich mit freuliche als auch
dem Konzept vom Dritten Sektor ist, werden das Tragische zugleich. Denn wie richtig Do. 18 Jan., 25. Jan. und 1.
deren marktgängige Potentiale zunehmend und wichtig auch diese Suche ist, es ist der Feb., immer 20.00 Uhr
für einen europäischen „Markt ohne Gren- ewige Versuch, das Rad neu zu erfinden. Im Offene Uni Berlins, Haus 20,
zen“ nutzbar zu machen versucht. Vor allem Glauben, etwas „Neues“ zu wagen, steht die HU-Campus Nord, Philippstr. 13
im Zuge der weiteren Ökonomisierung der Diskussion um Strategien zur Überwindung Pauken auf den Barrikaden
Sozialpolitik sind in diesem Bereich die des Kapitalismus wieder bei Null. Die vor- Veranstaltungsreihe des
Übergänge zum Markt oftmals fließend. herrschenden Vorstellungen diesbezüglich Bildungssyndikats Berlin zu
Eben diesen Bereich scheinen nun die erinnern zumindest gewaltig an die ge- Geschichte, Theorie und Praxis
„Solidarökonomen“ entdeckt zu haben. scheiterten Ideen der alternativökonomi- studentischer Proteste
Zwar stehen diese einer Ökonomisierung schen Bewegung.
dieses Bereichs unter neoliberalen Vorzei- Denn sicherlich ist es notwendig, die BIELEFELD
chen ablehnend gegenüber, doch auch sie Strategien der jeweiligen Zeit anzupassen. Mo. 29. Jan., 20.00 Uhr
sehen hier einen Hoffnungsträger für Ar- Und ebenso ist es gewiss, dass der Aufbau Café Parlando, Bremer Str. 59
beitsplätze und soziale Sicherung, wo der von selbstverwalteten Strukturen jederzeit Autonomie oder Barbarei
Kapitalismus immer mehr Lücken klaffen gefördert werden muss. Solche Strukturen Die politische Philosophie von
lässt. Tatsächlich förderte der Kongress spielen eine wichtige emanzipatorische Rol- Cornelius Castoriadis.
auch haufenweise Appelle an die Regierun- le, insofern als dass sie persönlichkeitsent- Veranstaltung mit Harald Wolf
gen zu Tage, doch bitte die Rahmenbedin- faltend und als illustrative Beispiele dienen
den Fragen alternativen Wirtschaftens. Ge- trum alternativen Wirtschaftens umschrie- gungen zu können. Nur darf man sich eben MAGDEBURG
tragen und unterstützt wurde er von einem ben, in dem es nicht zu unrecht gewisse schaffen, die nicht der Illusion hingeben, dass (BUND, Olvenstedter Str. 10,
breiten Spektrum: von Attac zum Weltladen,
von der Café-Libertad-Kooperative bis zur
interne Abgrenzungsstreitigkeiten gibt. Ge-
meinwesen- und Genossenschaftsökonomie
für eine Föde-
rung dieses
„Der Kapitalismus sich mit ihnen als Mittel der Kapi-
talismus „ablösen“ oder gar inner-
Magdeburg-Stadtfeld)

AG Bäuerliche Landwirtschaft; sogar der finden sich in der Auflistung ebenso wie Wirtschaftsbe- verträgt nicht nur lich zersetzen ließe. Dafür verträgt Fr. 12. Jan., 19.00 Uhr
DGB Berlin-Brandenburg war mit von der die lokale Ökonomie oder gar die Economie reiches nötig dieser nicht nur zuviele Nischen, Heute bleibt die Kantine kalt!
Partie. Auf über 100 Veran- Sociale (hierzulande seien.
zuviele Nischen, oftmals weiß er sich dieser dann Der Flüchtlingswiderstand im
staltungen, zu denen Ver- eher und irrtümlich Und so oftmals weiß er sich auch zu bemächtigen, wenn sie Abschiebelager Blankenburg.
treterInnen von Projekten als „Solidarwirt- scheint der Ein- sich zu „lohnenden Marktsegmen- Vortrag und Diskussion mit der
aus der ganzen Welt geladen „Hier wird schaft“ bekannt). Ge- druck dann dieser dann auch zu ten“ ausgewachsen haben. Zer- Antirassismusinitiative
waren, wurden die unter- eigentlich etwas rade am Einbezug der auch nicht ab- bemächtigen.“ setzt wird in der Nische oftmals Oldenburg
schiedlichsten Fragen erör- letzteren Gattung wird wegig, dass man selbst, sei es, weil man sich
tert. Neben Berichten von aufgekocht, was sich deutlich, weshalb die hier eigentlich seine eigene Prekarität schafft, sei Fr. 19. Jan., 19.00 Uhr
selbstverwalteten Betrieben Kongressveranstalte- – wenn auch in modifizierter Form – ledig- es, weil man inmitten der umgebenden Gate Gourmet: Auf den
in Südamerika wurde eben-
von seiner rInnen von einem gro- lich etwas aufgekocht wird, was sich von Mauern selbst zum Pseudo-Unternehmen Geschmack gekommen
so über rechtliche Probleme Wesensart her ßen Wirtschaftsektor seiner Wesensart her Soziale Marktwirt- degeneriert. Buchvorstellung zu dem
von Genossenschaften in „auch in Deutschland“ schaft nennt. Zu guter Letzt wird uns nur ein Kampf, längsten Arbeitskampf der
Deutschland aufgeklärt. Soziale zu sprechen wagen. der sich an der Realität der Masse der Lohn- jüngeren dt. Geschichte
Auf den ersten Blick Marktwirtschaft Im Zusammenhang
Insel oder Alternative oder ...
abhängigen ausrichtet, die gewünschten Er-
überraschen der breite des Kongresses war folge bringen – denn mal ehrlich, wer be- Fr. 9. Feb., 19.00 Uhr
Unterstützerkreis und die nennt.“ deshalb auch von Diese Tendenz scheint andererseits mit ei- findet sich in der luxuriösen Lage (bzw. in Agit 883 — Bewegung, Revolte,
hohe Beteiligung umso selbstverwalteten Be- nem Anspruch zu kollidieren, der von nicht dem Umfeld), seine Zeit und Habe in den Underground in Westberlin
mehr, als dass wohl nur we- trieben, Tauschrin- wenigen Beiteiligten des Kongresses mitge- Aufbau eigener Betriebe investieren zu kön- 1969-72. Buchvorstellung mit
nige ein klares Konzept mit „Solidarischer gen, fairem Handel, Wohnprojekten genau- tragen wurde, nämlich jenseits kapitalisti- nen? Markus Mohr und Hartmut
Ökonomie“ verbinden – geschweige eine so die Rede wie von „alten und neuen“ Ge- scher Verhältnisse „offensiv eine andere Rübner
einheitliche Vorstellung davon haben. Auf nossenschaften, sozialen Unternehmungen Ökonomie auszubauen“. Für diesen Teil des Holger Marcks
MÜNCHEN
Sa. 13. Jan., 20.00 Uhr
Kafe Marat, Thalkirchner Str. 104
Kolumne Durruti FAU-Solikonzert mit den RAW
DEAL und MISSBRAUCH (Punk)
Als Erwerbslose hab ich ja bislang noch keine gende Worte: „Große Zukunft … Standort … Wachstum … Sozialvertrag … humanistische sowie einer Reggaeband
Vision gehabt. Ich krepelte so vor mich hin. Bis Moral der Unternehmensspitze.“ Ganz klar: Man entdeckte bei mir wieder die Vorzüge des
zu meinem Versuch, mit Einstiegsgeld des Job- Jenseits. Nach der schmählichen Schwächung der katholischen Religion hierzulande ist MÜNSTER
centers zur Unternehmerin zu werden (um zu- der Glaube wiedererstanden, halleluja! Ich übernahm somit eine wahrhaft geistliche Ver- (Interkulturelles Zentrum „Don
mindest für einige Zeit diese braunen Briefe antwortung und gründete für meine Beschäftigten den Benediktinerorden Zur Goldenen Quijote“, Scharnhorststr. 57)
vom JC nicht mehr zu bekommen). Die Sach- Geißel.
bearbeiterin fragte: Was ist Ihre Vision? Ich Denn die Vision zeichnet sich dadurch aus, dass sie der gegenwärtigen Wirklichkeit der Mi 10. Jan., 20.00 Uhr
wusste nicht recht. Ich entschied mich für den Beschäftigten gänzlich widerspricht – dabei wird Mystik erzeugt. Sieh nicht auf Deine Mit- Film: Durruti in der
Hüpfburgen-Verleih. Etwas anderes läuft ja beschäftigten, sieh nach oben, nach oben! Du siehst nichts? Wunderbar, das ist der Be- spanischen Revolution
nicht. weis für die geistige Reinheit der Vision! Übe Dich in Geduld, und die Vision wird es Dir Dokumentarilm von Paco Rios
Nun hatte ich diese Sache etwas ratlos angefangen, aber mit der Zeit vollzog sich eine selt- später lohnen. Ich räum’ jetzt schon mal kräftig ab. und Abel Paz
same Wandlung (es war zur Vollmond-Zeit). Ich mutierte geistig zur Unternehmerin. Ich Mein Unternehmen „Jump Inn – Globaler Hüpfburgenverleih“ lief eigentlich recht gut; nur
begann, „die Vision“ zu verstehen, die Vision als solche. Ich erkannte, dass sie eine geni- etliche renitente Leute in der Belegschaft machten mir zu schaffen. Außerdem fanden mei- Mi. 24. Jan., 20.00 Uhr
ale Lösung für die Tücken der sozialen Wirklichkeit darstellte. Erziehung, Transport, Kran- ne Hüpfburgen-Pächter in Ghana wenig Kundschaft, und die Dinger standen etwas trist Café Libertaire: Eine kleine
kenpflege, verarbeitendes Gewerbe und die ArbeiterInnen als solche – über all dem lag auf dem karstigen Boden herum. Diesen Anblick fand ich selbst so unsinnig, dass ich zu Streikgeschichte
plötzlich so ein Grauschleier. Du willst einen gesicherten Arbeitsplatz bei mir, Weih- den renitenten ArbeiterInnen meines Unternehmens überlief, in den Klassenkampf mit- Streik als strukturelle
nachtsgeld? Du Erdenwurm – Dir fehlt der Sinn für Höheres. Du willst keine unbezahlte einstieg und die Chefetage in meiner Person hinauswarf. Nach gelungener Revolte haben ArbeiterInnenmacht. Info und
Mehrarbeit leisten und zeigst auf mein Chefgehalt? Kannst Du eigentlich nur an Geld den- wir das Unternehmen ins Kollektiv verwandelt und sind dabei, die Ideen und Strukturen Diskussion
ken? Und was ist mit der Vision? der Produktion gründlich zu überarbeiten.
Ich erkannte, dass es ganz wichtig für die Beschäftigten wäre, an meine Vision zu glau- Das Klima im Betrieb hat sich geändert. Beten für Solidarität, Tischerücken für ein Chef- Mi. 28. Feb., 20.00 Uhr
ben – das würde ihnen bei der Mühsal ihres Daseins Erquickung verschaffen. Und ehrlich: gespräch – das ist doch ein Leben wie in der Gruft. Lasst frische Luft rein, GenossInnen. Café Libertaire: Widerstand
Haben wir nicht alle heutzutage wieder ganz stark das Bedürfnis, an etwas zu glauben? weltweit
Ich verdeutlichte den Leuten also meine Vision und verwendete hierfür unter anderem fol- Birgit Eine kleine virtuelle Weltreise
Seite 4 Nr. 179 Betrieb und Gesellschaft Januar/Februar 2007

Die Ruhe vor dem Sturm? Bildung &


Die EU-Dienstleistungsrichtlinie vor der Umsetzung Widerstand

Zahlen, bitte!
A m 15. November wurde sie endlich vom Eu-
ropäischen Parlament verabschiedet, die
sog. Bolkestein-Richtlinie. Eigentlich sang- und
für ein Unternehmen die Gesetze des Landes
gelten, in dem es seinen Sitz hat. Dies hätte
höchstwahrscheinlich zu einem rapiden Anstieg
hältnismäßig sein und der Sicherheit, Gesund-
heit, dem Umweltschutz oder der öffentlichen
Ordnung dienen. Ausgenommen sind Gesund-
Boykottkampagne gegen Studienge-
bühren kommt ins Rollen

klanglos nach all dem Trubel, den sie ursprüng- von Briefkastenfirmen in Ländern wie Litauen heitsdienstleistungen, aber nur solche, die nur Die bundesweite Kampagne „Boykott für Bil-
Frauen in Voll- lich mal ausgelöst hat. Im Februar noch de- oder Portugal geführt. In diesen Ländern gibt es von reglementierten Gesundheitsberufen er- dung“ nimmt langsam Gestalt an. An vielen Uni-
zeit monstrierten mehrere tausend Gewerkschafter kaum Arbeitnehmerschutzrechte und Tarifver- bracht werden dürfen. Gemeint sind damit fast versitäten sprachen sich Vollversammlungen der
Zwischen 1991 und 2004 zusammen mit Attac und anderen Verbänden in träge, dafür lange Arbeitszeiten und niedrige ausschließlich Ärzte und Heilpraktiker. Bei fast Studierenden dafür aus, die Studiengebühren
verringerte sich die Anzahl Straßburg und anderen europäischen Städten Löhne. Firmen sind dort schnell gegründet, und allen Berufen im Gesundheitswesen ist nämlich für das Sommersemester 2007 nicht an die Uni,
vollzeitbeschäftigter Frauen gegen den Entwurf der Richtlinie. Unbeein- schon werden in Deutschland, Italien oder nur die Berufsbezeichnung (z.B. „Krankenpfle- sondern auf ein Treuhandkonto zu überweisen.
um 1,6 Mio. druckt von diesen massiven Protesten nahm das Frankreich Leute angeworben, die zu den be- ger“) geschützt, nicht aber die Ausübung be- Abgelehnt wurde der Boykott nur in Göttingen.
Europaparlament Ende Februar den Entwurf mit sagten miserablen Bedingungen des „Heimat- stimmter Tätigkeiten. Dort stimmten rund 13% der Studierenden für
Frauen in Teilzeit leichten Änderungen an. Ohne dass dies öf- Auch die Ausnahme der „nationalen Bil- den Boykott (Wahlbeteiligung 17%). 15% wären
Die Anzahl fentlich groß wahrgenommen wurde, stimmte dungssysteme“ besagt wenig, die Erwachse- notwendig gewesen. Das „Basisdemokratische
teilzeitbeschäftigter Frauen im Juli auch der Ministerrat für Wettbewerb zu. nenbildung, Volkshochschulen und ähnliche Bündnis“ warf dem konservativen AstA vor, im
dagegen stieg im selben Von der Öffentlichkeit ebenfalls unbemerkt wur- Einrichtungen zählen hierzu nämlich nicht. „So- Vorfeld widersprüchliche Informationen ver-
Zeitraum um 1,8 Mio. an. de sie schließlich am 15. November endgültig zialdienstleistungen“ bilden ebenfalls eine Aus- breitet und wenig Engagement für die von ihm
angenommen. Die Mitgliedsstaaten müssen nun nahme, aber nur im Zusammenhang mit Sozial- organisierte Urabstimmung gezeigt zu haben.
Frauen und Mini- innerhalb von drei Jahren die Regelungen in wohnungen, Kinderbetreuung und Unterstüt- In Bonn stimmte eine Vollversammlung zwar
Jobs nationales Recht umsetzen. zung bedürftiger Personen. Desgleichen für einen Boykott, der linke AstA weigert sich
2006 waren in den insges. Ziel der Richtlinie ist es, so ein Informa- „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaft- allerdings, diesen Beschluss umzusetzen. Das
6,8 Mio. Mini-Jobs zu drei tionsbrief der SPD-Bundestagsfraktion, „alle in lichen Interesse“. Zeitarbeit ist ebenfalls nicht Risiko für die Studierenden sei zu hoch. Nun
Vierteln Frauen tätig. der EU noch bestehenden Hindernisse im grenz- grundsätzlich ausgenommen, sondern nur die wird ein Netzwerk aus Basisgruppen die Orga-
überschreitenden Dienstleistungsverkehr zu be- „Dienstleistung von Zeitarbeitsagenturen“. nisation der Kampagne übenehmen, ohne
Flucht vor häus- seitigen, damit in der EU ansässige Unterneh- Wie diese wenigen Beispiele zeigen (die AStA-Gelder. (FW)
licher Gewalt men ihre Dienstleistungen gemeinschaftsweit Richtlinie umfasst insg. 115 Seiten), dienen
Ca. 45.000 Frauen und deren anbieten und erbringen können, ohne zusätzli- sämtliche Vorschriften fast ausschließlich der
Kinder flüchten weiterhin pro che Anforderungen des jeweiligen Mitglieds- Deregulierung des Dienstleistungssektors in
Rote Karte für Stratmann
Jahr in bundesdeutsche staates erfüllen zu müssen.“ Schöner kann der ganz Europa. Vorschriften sollen so aufgeweicht Am 15.12. wollte der niedersächsische Wissen-
Frauenhäuser. Sachverhalt kaum beschrieben werden. Es geht werden, dass sie den Unternehmen möglichst schaftsminister eine Eröffnungsrede auf einer
also darum, das Anbieten von Dienstleistungen viel Spielraum lassen, die Rechte von Arbeit- Veranstaltung des Fachbereichs Kunst der Uni-
Frauen als Ge- in allen europäischen Staaten zu erleichtern. landes“ der Firma schuften dürfen. Dies war ei- nehmern möglichst weit einschränken und un- versität Osnabrück halten. Über 100 Studieren-
waltopfer von Was von den potenziellen Anbietern als Hinder- ner der Hauptkritikpunkte der Gewerkschaften. lauterem Wettbewerb bis hin zum Betrug Tür de fanden sich deshalb vor dem Kunstgebäude
Partnern nis angesehen wird, liegt auf der Hand. Zu hohe Über gute Kontakte zu den jeweiligen soziali- und Tor öffnen. Dass genau dies gewollt ist, ist ein, um die Veranstaltung vor dem ungebetenen
Mind. jede vierte Frau im Löhne, zu viel Arbeitnehmerrechte, zu viele Be- stischen und sozialdemokratischen Parteien der mehr als offensichtlich. Ziel und Zweck der Provokateur zu schützen. Hierzu hatte im Vor-
Alter von 16 bis 85 Jahren stimmungen, die die Sicherheit und die Ge- einzelnen Mitgliedsstaaten wurde eine Ände- Dienstleistungsrichtlinie ist es, die Grundlage feld das Bildungssyndikat der FAU Osnabrück
mit Beziehungserfahrung hat sundheit der Arbeitnehmer schützen sollen. Das rung dieser Regelung durchgesetzt. Es soll nun dafür zu schaffen, dass Unternehmen sich in aufgerufen. Und tatsächlich sollte es Stratmann
körperliche oder sexuelle alles kostet zu viel Geld und zu viel Zeit, ver- das Arbeits- und das Tarifrecht des jeweiligen ganz Europa ohne Beschränkungen entfalten trotz polizeilicher Hilfe nicht gelingen, die ge-
Übergriffe durch Partner ein- hindert damit Wettbewerb und muss daher be- „Ziellandes“ gelten, des Landes also, in dem die können. Die Umsetzung in nationales Recht schlossenen Ketten der Protestierenden zu
oder mehrmals erlitten. seitigt werden. Darum geht es eigentlich – von Dienstleistung erbracht wird. wird bis 2009 erfolgen. Dann geht es erst rich- durchbrechen, um das Gebäude zu betreten.
Anfang an. In fast allen Bereichen dürfen Anforderun- tig los. Auf sein Angebot einer späteren Diskussion
Weihnacht und Ursprünglich war im Entwurf das sog. „Her- gen an Dienstleister aus anderen EU-Ländern wurde von den Studierenden keinerlei Wert ge-
kein Ende kunftslandprinzip“ vorgesehen, was meint, dass aber nicht diskriminierend wirken, müssen ver- -bully- legt. Zu gut war ihnen seine Aussage: „500 Euro
Mit Weihnachten 2006 musste sind nicht genug!“ noch in Erinnerung. Nach
das christl. Fest der Geburt etwa einer halben Stunde gab der sichtlich ent-
Jesu (erstmals 354) zum
1653. Mal ertragen werden.
Häusliche Konflikte nehmen
Das Geschäft mit der Krankheit mutigte Minister auf und folgte der freund-
lichen Empfehlung: „Hau ab!“. (BsyOs)

um diesen Zeitraum Zur Arbeitssituation der Pflege in den Amper Kliniken Dachau
besonders zu.
Wer im Glashaus sitzt ...

B ei der Übernahme der Kliniken in Dachau


und Indersdorf 2005 wurde den Mitarbei-
terInnen durch den Konzern Rhön AG und den
Doch kein Grund zur Besorgnis! Nach ihrem Ab-
schluss werden sie sowieso nicht übernommen.
Gleichzeitig vermehren sich durch den na-
Gegenseite nun angestrebt, durch Einsparun-
gen und Kürzungen zu Lasten der Beschäftigten
eine zusätzliche Kostensenkung herbeizufüh-
Kultusministerkonferenzen (KMK) stehen be-
kanntermaßen nicht gerade für Treffen, auf de-
nen für die Freiheit der SchülerInnen geplant
damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden H.J. hezu als Fließbandarbeit zu bezeichnenden Ar- ren. Diese Liste der Missstände ließe sich noch und getüftelt wird. Vielmehr stehen sie für wei-
Christmann mehrmals versichert: „Alles wird beitsalltag die Überlastungsausfälle. Die kran- endlos fortsetzten. tere Veränderungen im Bildungswesen, mit de-
bleiben, wie es ist“ bzw. „es wird zu keinem Stel- ken KollegInnen müssen vom Rest des Teams Der moderne Anstrich der Amper Kliniken nen die Schule fit gemacht werden soll, ihren
lenabbau kommen“. kompensiert werden, was sich wiederum in mas- AG soll nach außen hin den kompromisslosen, Zweck als Selektions-, Kontroll- und Diszipli-
Fakt aber ist, seit der Privatisierung der Kli- siven Überstundenzahlen manifestiert. Das Per- die Bedürfnisse des Personals ignorierenden nierungsorgan im Sinne der Herrschenden
niken haben sich die Arbeitsbedingungen stetig sonal ist merklich demoralisiert. In dem Be- Führungsstil verdecken. Dies kommt einer Ver- möglichst effektiv gerecht zu werden. Das jüng-
verschlechtert: wusstsein, nur als Puffer für Einsparungen wahr- höhnung eben jener gleich, die mit ihrer Ar- ste Produkt der KMK bestätigt dies vortrefflich.
Mittlerweile muss jede/r Beschäftigte mit genommen zu werden und ständig vor neue voll- beitskraft die Klinik trotz existenzieller Mängel Alle SchülerInnen sollen künftig, mit einer
einem befristeten Arbeitsvertrag um eine Ver- endete Tatsachen gestellt zu werden, wird allen am Laufen halten. Die Forderungen nach einer Identifikationsnummer ausgestattet, in einer
längerung ernsthaft bangen. In der Pflege wur- immer deutlicher, dass man ihnen ihr Recht auf menschenwürdigen Pflege sind schon lange im sog. Schülerdatenbank erfasst werden. Soziale
den auf jeder Station bereits Stellen gestrichen. freie Meinungsäußerung kategorisch abspricht. Gelächter der Prozessoptimierer und Kostenein- Herkunft sowie der komplette Bildungsverlauf
Und das zu einem Zeitpunkt, an dem das Perso- Um diesen Zustand aufrechtzuerhalten, wird sparer verhallt … bis es knallt! sollen dadurch zentral abrufbar werden. Auch
nal durch hohe Belegungszahlen am Limit und sich bemüht, kritische Stimmen im Keim zu er- wenn es bis jetzt von offizieller Seite verneint
Anzeige immer öfter darüber arbeitet. Da seit September sticken. So wurden z.B. Instanzen der Mitarbei- SANITA / FAU Dachau wird, wäre es in Zukunft möglich, sämtliche
keine Zivildienstleistenden mehr beschäftigt terInnen, wie der Betriebsrat und die sog. Ar- Vorgänge in der Schule vollautomatisch zu ver-
werden, müssen nun sogar Krankentransporte beitnehmervertretung im Aufsichtsrat, von Lei- Das Syndikat für Gesundheits- und medizinische arbeiten und miteinander zu verknüpfen. Fra-
vom Pflegepersonal vorgenommen werden. Die- tungspersonen zu unterwandern versucht – bei Berufe (SANITA) der Lokalföderation München gen, wer die Daten wann und warum abrufen
se Überlastungssituation hat dazu geführt, dass zweiter Vertretung gar mit Erfolg. wehrt sich zurzeit gegen den Stellenabbau bei kann, sowie einige weitere Punkte werden noch
letztlich Auszubildende oft nur für einfache Ar- Damit ist das Ende der Fahnenstange noch den Amper Kliniken und die dortige Entrech- diskutiert. Interessante Möglichkeiten, die sich
beiten „benutzt“ werden, so dass eine praktische lange nicht erreicht: In den laufenden Verhand- tung am Arbeitsplatz. Kontakt: da ergeben, die Schule flott für die gläserne
Ausbildung faktisch nicht mehr stattfindet. lungen um einen Haustarifvertrag wird von der faudah@fau.org. Zukunft zu machen. (Lila)

Fortsetzung „Lohnarbeit als Stippvisite“ Interessen folgen und verantwortlich gemacht tivklagerecht, dass sich auch auf Ge-
von Seite 1 werden für das vom Aussterben bedrohte „deut- werkschaften bezog, gestrichen wurde
sche Volk“, sondern eine genauso rückständige (siehe §§§-Dschungel auf Seite 5).
Von 1991 bis heute hat sich die Zahl der er- Gesetzgebung durchdrungen, die beispielsweise Glücklicherweise ermöglicht ge-
werbstätigen Frauen zwar um 1,6 Mio. erhöht, durch das Ehegattensplitting das Ja zur Ehe und werkschaftliche Organisierung weitere
jedoch nur, weil gleichzeitig 1,8 Mio. Frauen in alleinverdienende Ehemänner subventioniert, und schlagkräftigere Maßnahmen als
Teilzeit arbeiten. Insbesondere bei Frauen mit dazuverdienende Ehefrauen hingegen abstraft die der Klage. Sie ermöglicht fernab von
Kindern nimmt die Erwerbstätigkeit ab, wohin- und ein Festhalten am alten Familienmodell na- Staat und Politik einen Kampf für eman-
gegen sie bei Männern, sobald Kinder im Haus hezu beschwört. zipatorische Prozesse, der allerdings so-
sind, steigt. So gilt mehrheitlich die alte Tradi- Angesichts gesellschaftlich derart tief ver- wohl von Männern als auch von Frauen
tion: Die Frau steigt tendenziell aus dem Job wurzelter Diskriminierung von Frauen handelt geführt werden muss. Profiteure eines
aus und kümmert sich um die Kinder, der Mann es sich bei dem unlängst verabschiedeten AGG solchen erfolgreichen Kampfes wären im
verdient das Geld. (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz), das Endeffekt beide Geschlechter: Frauen
u.a. die Schlechterstellung auf Grund des biolo- könnten an ökonomischer Eigenstän-
gischen Geschlechts untersagt, wohl kaum um digkeit gewinnen, und Männer wären
Placebo per Gesetz ein geeignetes Instrument zur Bekämpfung von nicht mehr zwangsläufig verdammt zur
Von diesem rückständigen Rollenverständnis ist Diskriminierung. Das AGG ist eine Farce, die das Vollzeitbeschäftigung.
nicht nur der gesellschaftliche Diskurs um deut- Papier, auf dem es geschrieben steht, nicht wert
sche Rabenmütter, die egoistisch allein ihren ist, zumal das ursprünglich vorgesehene Kollek- Kerstin S. (FAU FfM)
Januar/Februar 2007 Betrieb und Gesellschaft Nr. 179 Seite 5

Kein Rausch ohne Kater


§§§-Dschungel

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)


Das Existenzgeld als neoliberale Mogelpackung
Die Ausgangslage

E in Modebegriff hat in diesen Wochen in al- Denn was würde nun passieren, wenn der attraktiv zu bleiben. Denn mit einem Sy- Die Bundesrepublik hatte durch die nicht ausreichende Umsetzung von EG-Richtli-
len politischen Lagern Konjunktur: das Staat die Garantenpflicht für die armutsfeste stemwechsel würde Deutschland zu einem In- nien zur Gleichbehandlung Vertragsverletzungen begangen. Ihr drohten dadurch
Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Existenzsicherung aller Bürgerinnen und vestitionsparadies. Kein Unternehmen, das Zwangsgelder in unbegrenzter Höhe. Um das abzuwenden, war es unumgänglich,
Auf einmal scheinen sich alle einig. Der Bürger übernehmen würde? Die Löhne wür- heute die Arbeitsplätze ins Ausland verlegt, dass sie einen Gesetzesentwurf vorlegte. Von Einsicht kann somit keine Rede sein.
Ministerpräsident von Thüringen, Althaus, den vermutlich entsprechend gekürzt. Sie würde das noch machen, weil man nirgends Das Ziel des Gesetzes ist wie folgt in § 1 AGG definiert: „Ziel des Gesetzes ist, Be-
hat das solidarische wären dann ja nur so produktiv arbeiten kann wie in Deutsch- nachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des
Bürgergeld für alle als noch „Zuverdienst“ land, mit den Menschen, mit dem Know How, Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder
eine der Antworten auf zum BGE. Es gäbe mit der Infrastruktur.“ Ein Paradies für die der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“.
die sogenannte Krise „Wer nicht arbeiten will, überhaupt keine Be- Konzerne wäre also ein Land mit seinem Mo- In dem folgenden, kurzen Überblick geht es nicht um die grundsätzliche Problematik
der Arbeitsgesellschaft soll auch nicht essen. Allein gründung mehr da- dell des Grundeinkommens. Das hindert die von Diskriminierung, sondern ausschließlich um arbeitsrechtliche Gesichtspunkte,
in die Diskussion ge- für, warum Arbeitge- Vorbereiter eines Kongresses zum Grundein- die einer Kritik bedürfen.
bracht. Der Drogerist
dass diese Parole ber existenzsichern- kommen, der Mitte Dezember in Berlin statt-
Götz Werner, der von wahlweise der Bibel, Bebel de Mindestlöhne be- fand, allerdings nicht, eben jenen Götz Wer- Keine Gleichbehandlung bei der Kündigung?
betrieblicher Interes- oder Lenin zugeschrieben zahlen sollten. Dafür ner als Stargast einzuladen. Schon bei § 2 (Anwendungsbereich) geht es unter Absatz 4 los mit fragwürdigen In-
senvertretung in seiner ist ja dann der Staat halten. Auf Wunsch des Bundesrats ist § 2 Abs. 4 AGG wie folgt gefasst worden:
Firma nichts hält, wird wird, zeigt, wie tief das zuständig. Und was „(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen
Mal nüchtern betrachtet
plötzlich vom Außen- Ressentiment sitzt.“ würde dabei heraus- und besonderen Kündigungsschutz.“
seiter, den mal gerne kommen? Kombilohn Der Kunstprofessor Wolfgang Engler dagegen Anmerkung:
mal in eine Talkshow für alle Beschäftigten sprach in einem Interview mit der Tageszei- Eine Einschränkung dieses Schutzes ist europarechtlich unzulässig. Nach Art. 3 Abs. 1
einlud, um ihr einen Hauch von Exotik zu ge- wäre gewissermaßen die logische Folge. Der tung deutlicher als sonst jemand aus, warum gilt die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 für alle Personen in öffent-
ben, zum vielgefragten Gesprächspartner. In- Arbeitgeber bräuchte ja nur noch den Teil des das Existenzgeld auf einmal so im Trend ist: lichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf „... c)
tellektuelle Kritiker der Arbeitsgesellschaft, Lohnes zu bezahlen, der über das Existenz- „Heute steht das Recht auf Arbeit zwar die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedin-
wie der Buchautor Wolfgang Engler, sehen minimum hinausgeht. Das kann man wollen nicht in der Verfassung, de facto besteht aber gungen und des Arbeitsentgelts“.
sich ebenso bestätigt wie grüne Arbeits- oder auch nicht. Aber das würde die faktische eine Pflicht zur Arbeit. Das ist ein Wider-
marktpolitiker, die natürlich darauf hinwei- Wirkung auf das Lohnsystem sein, wenn die spruch, den man auf zweierlei Arten lösen Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschau-
sen, dass sie Pioniere dieser kann: Man kann die Ökonomie ung
Idee seien. Da verschmerzen sie revolutionieren und die Produk- Aber auch § 9 AGG lässt da einiges an zukünftigen Problembereichen erahnen:
es schon, dass sie in der ak- tionsmittel verstaatlichen — was „(1) Ungeachtet des § 8 [Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher
tuellen Diskussion höchstens in wohl niemand will. Oder wir füh- Anforderungen] ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der
Fußnoten erwähnt werden. ren das Bedingungslose Grund- Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen
Natürlich melden sich auch einkommen ein und beseitigen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Verei-
KritikerInnen des Existenzgel- die faktische Arbeitspflicht.“ nigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschau-
des vehement zu Wort. Sie sind Der gutbezahlte Kunstpro- ung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Welt-
meist in den beiden sozialde- fessor kann der Idee einer Revo- anschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsge-
mokratischen Parteien SPD und lutionierung der Ökonomie meinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach
Linkspartei sowie den Gewerk- nichts abgewinnen und schließt der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.“
schaftsspitzen angesiedelt. Ihre von sich gleich auf alle. Doch Anmerkung:
Stellungnahmen sind oft nicht eine antikapitalistische Per- Dies trifft u.a. Ärzte, Krankenschwestern, sonstiges Pflegepersonal, Lehrer, Erzieher und
weit entfernt vom ressenti- spektive müsste gerade hier an- Mitarbeitende in kirchlichen oder weltanschaulichen Vereinen, karitativen Organisa-
mentgeladenen Ausspruch, setzen. Sie sollte weder den tionen.
dass wer nicht arbeiten will, Schalmeienklängen der neolibe- Wenn jedoch die Zugehörigkeit zu einer Religion oder Weltanschauung keine wesentli-
auch nicht essen solle. Allein ralen Existenzgeldbefürworte- che Voraussetzung für die Tätigkeit ist, kann der Rechtfertigungsgrund aus § 9 AGG
dass diese Parole wahlweise der rInnen noch den reformisti- nicht eingreifen. Wie die Gerichte Fälle dieser Art entscheiden werden, bleibt abzuwar-
Bibel, Bebel oder Lenin zuge- schen ArbeitsethikerInnen der ten.
schrieben wird, zeigt, wie tief Sozialdemokratie, gleich wel-
das Ressentiment sitzt. cher Couleur, auf den Leim ge- Klagerecht von Betriebsrat und Gewerkschaften
Doch aus den reaktionären hen. Die Alternative dazu ist die Im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens verlangte der Bundestag, dass das zusätz-
Argumenten der Existenzgeld- Organisierung des Kampfes der liche „Klagerecht“ des Betriebsrats oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft
KritikerInnen sollten wir nicht Lohnabhängigen, Studierenden in § 17 Abs. 2 AGG ersatzlos zu streichen sei.
schließen, dass das Konzept zu und Erwerbslosen für ihre For- Welch Geistes Kind aber Beamten und Politiker sind, lässt sich an folgender Forde-
verteidigen sei. Dazu ist zunächst einmal Zuständigkeit für die Existenzsicherung der derungen nach einem schönen Leben. Dem rung aufzeigen:
eine Begriffsklärung nötig. Denn hinter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer — und Kampf um den Mindestlohn gebührt dabei Es müsse jede „Klage“ des Betriebsrats unzulässig sein, „die sich gegen ein Unter-
unterschiedlichen Begriffen wie negative Ein- damit gleichsam ein Teil der Lohnzahlungs- eine Schlüsselstellung. nehmen richtet, für das das Betriebsverfassungsgesetz wegen zu geringer Beschäf-
kommenssteuer, Bürgergeld und Grundein- pflicht — vom Arbeitgeber auf den Staat über- Jüngste Untersuchungen kommen immer tigtenzahl nicht gilt“. Eine geistige Höchstleistung! Wo das Betriebsverfassungsge-
kommen stehen durchaus nicht die gleichen geht, d.h. auf die SteuerzahlerInnen. wieder zu dem Schluss, dass selbst ein Voll- setz nicht gilt (in Betrieben mit weniger als fünf Beschäftigten) gibt es sowieso kei-
Konzepte, wie eine Existenzgeldkonferenz im Das gleiche passiert bei allen Lohner- zeitjob immer weniger vor Armut schützt. ne Betriebsräte.
Jahr 1999 schon herausgearbeitet hat. Den satzleistungen der So- Stundenlöhne von Durchgesetzt hat sich nun folgende gesetzliche Regelung in § 17 AGG (Soziale Ver-
unterschiedlichen Modellen ist dreierlei ge- zialversicherungen, vier Euro und weniger antwortung der Beteiligten):
meinsam: also bei der Rente, sind keine Seltenheit. „(1) Tarifvertragsparteien, Arbeitgeber, Beschäftigte und deren Vertretungen sind
1. Es soll vom Staat an sämtliche Bürgerinnen beim Arbeitslosengeld „Eine antikapitalistische Der Kampf um einen aufgefordert, im Rahmen ihrer Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten an der Ver-
und Bürgern ausgezahlt werden, vom Ärm- I oder beim Kranken- Perspektive sollte weder Mindestlohn kann wirklichung des in § 1 genannten Ziels mitzuwirken.
sten bis zum Reichsten; und zwar geld. Soweit sie nicht
2. ohne Bedürftigkeitsprüfung — also ohne gleich ganz abge-
den Schalmeienklängen der aber nur dann eman- (2) In Betrieben, in denen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Betriebs-
zipatorischen Gehalt verfassungsgesetzes vorliegen, können bei einem groben Verstoß des Arbeitgebers
zu fragen, ob es als Schutz vor Armut benö- schafft werden sollen, neoliberalen entfalten, wenn er gegen Vorschriften aus diesem Abschnitt der Betriebsrat oder eine im Betrieb ver-
tigt wird oder ob ausreichendes Einkommen werden alle Ansprüche Existenzgeldbefür- nicht den Parteibüro- tretene Gewerkschaft unter der Voraussetzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 des Betriebs-
oder Vermögen vorhanden ist; sowie unterhalb des Grund- kraten à la Müntefe- verfassungsgesetzes die dort genannten Rechte gerichtlich geltend machen; § 23
3. ohne Arbeitszwang — man soll also auch einkommens überflüs- worterInnen noch den ring und Co. überlas- Abs. 3 Satz 2 bis 5 des Betriebsverfassungsgesetzes gilt entsprechend. Mit dem An-
sagen können: ich will keine Lohnarbeit, mir sig. Die Sozialversiche- reformistischen sen wird, sondern auf trag dürfen nicht Ansprüche des Benachteiligten geltend gemacht werden.“
reicht das BGE. rung schrumpft bei Straße und in den Anmerkung:
den Lohnersatzleistun-
ArbeitsethikerInnen der der Betrieben ausgetra- Auch nach altem Recht und dem Entwurf war weder dem Betriebsrat noch der Gewerk-
gen auf eine „auf- Sozialdemokratie auf den gen wird. Mal sehen, schaft das Recht eingeräumt, im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren für Betriebsan-
Hartz für Alle? stockende Zusatzversi- Leim gehen.“ wie der sogenannte gehörige Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche einzuklagen (Verbandskla-
Doch die Unterschiede beginnen schon, wenn cherung“. Existenzgeld Querdenker Götz Wer- gerecht). Mit dem letzten Satz wird noch einmal deutlich, dass nur im individuellen
es um die Höhe des Existenzgeldes geht. Zu- zur Rettung des Kapi- ner reagiert, wenn die Rechtsstreit Ansprüche geltend gemacht werden können. Darin liegt aber auch das Pro-
gespitzt formuliert, läuft es auf die Alterna- talismus, möchte man meinen. MalocherInnen seiner Drogeriekette die Lä- blem.
tive hinaus, ob das Grundeinkommen „Hartz Nur so ist es zu erklären, dass CDU-nahe den besetzen.
IV für alle“ ist oder ob die Menschen davon Studien zu dem Schluss kommen, dass der Peter Nowak Thersites
wirklich leben können. Das ist der Unter- Staat erheblich sparen würde,
schied ums Ganze. Wenn Jobber- und Er- wenn das von Althaus favori-
werbslosengruppen von einem „ausreichen- sierte Bürgergeldmodell ver- syndikat-a medienvertrieb · bismarckstraße 41a · d-47443 moers · fon & fax 0 28 41 53 73 16 · www.syndikat-a.de
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reden und die Bundesarbeitsgemeinschaft abgeschafft würden. Selbst der Anarchismus auf Kuba ür das Ende der Lohnarbeit
Geschichte einer Bewegung Büchern, Broschüren,
der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisa- in dieser Frage viel vorsichti- SyndiKal soll eine tägliche Hilfestel-
tionen diesbezüglich nicht nur konkrete Zah- ger argumentierende Götz Wer-
Ein gern verschwiegener Tonträgern und lung für alle sein, die sich im Betrieb

len nennen, sondern auch ihre Vorschläge ner antwortete in der Wochen-
schwarz-roter Faden zieht sich
durch die Geschichte Kubas. mehr... und im Stadtteil gegen den sozialen
Angriff und die tödliche Normalität
Frank Fernández hat mit seinem des Kapitals und seines politischen
präzisieren, indem ein Existenzgeld für alle zeitung Freitag auf die Frage, Buch diese Geschichte neu Neben unserer eigenen Verlags- Systems zur Wehr setzen. SyndiKal
aufgerollt. Er zeichnet ein Bild produktion (auch für Wiederver- wird neben Hintergründigem zu
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Seite 6 Nr. 179 Betrieb und Gesellschaft Januar/Februar 2007

Grenzen einreißen, um
beiterInnen leichter zu erpressen als andere.
Anzeige Von ihrer ökonomischen Situation her stehen
sie solange nicht besser da als „Illegale“, bis
sie Ansprüche auf ALG I erworben haben; le-

neue zu errichten
diglich eine Polizeikontrolle hat für sie nicht
mehr solch existenzielle Folgen. An dieser
Stelle sei bemerkt: Schätzungsweise bis zu 1,5
Millionen Menschen leben und malochen „il-
Die neue „Bleiberechtsregelung“ der Innenministerkonferenz legal“ in der BRD (Stand: 2000) — die Krimi-
nalisierung von ArbeiterInnen, die einfach nur

A bschiebung ist Folter, Abschiebung ist


Mord — Bleiberecht für alle, jetzt sofort!“,
so lautet ein Slogan migrationspolitischer Ini-
wen! Der wesentliche Knackpunkt der Neure-
gelung besteht darin, dass die Betroffenen von
Sozialleistungen ausgeschlossen werden — in
gerlohn und Trockenbrot, die übrigen haben
bis 30. September 2007 Zeit, sich einen „Ar-
beitgeber“ zu suchen. Nach zwei Jahren wird
normal leben wollen, hält an, weil es für die
allermeisten keine Möglichkeit des legalen
Aufenthalts gibt. Das „Bleiberecht“ steht nur
tiativen, der schon einige Jahre auf dem Buk- einigen Bundesländern müssen die Betroffe- dann neu geprüft, ob die Kriterien „wirt- für einen Bruchteil der MigrantInnen in Aus-
kel hat. Ende 2006 scheint sich ein Durch- nen (wie ALG II-BezieherInnen) eine Einglie- schaftlicher und sozialer Integration“ weiter- sicht — der Beschluss der Innenministerkon-
bruch abzuzeichnen, zumindest wenn man of- derungsvereinbarung unterzeichnen. Nur wer hin gegeben sind — die Betroffenen müssen ferenz muss angesichts dieser Relation als
fiziellen Verlautbarungen Glauben schenken seinen Unterhalt selbständig bestreitet, hat sich auf Wohl und Wehe dem Urteil des Ver- Verweigerung des Bleiberechts bezeichnet
mag: Am 17. November beschloss die Innen- Aus- waltungsapparates aussetzen, wobei bedin- werden. Zumal für die übrigen „Geduldeten“
ministerkonferenz der Länder eine sog. „Blei- sicht gungsloser Gehorsam ein weiteres Zugangs- angekündigt ist, dass ihr Aufenthalt „konse-
berechtsregelung“, um kriterium darstellt. quent beendet werden“ müsse.
„ab sofort“ „Klarheit“, ja Mit dem klaren Ziel vor Augen, „Zuwande-
Rechtssicherheit für rung in die Sozialsysteme“ zu vermeiden, wer-
langjährig geduldete Mi-
Vom Regen in den mit der Bleiberechtsregelung die Rah-
Flüchtlingswiderstand grantInnen zu schaffen.
die Traufe? menbedingungen der Schattenwirtschaft für
geht weiter Damit, könnte man Wenigstens eine Grenze haben die Innenmini- Teile des offiziellen Arbeitsmarktes legalisiert.
Nachdem dem der am 4. Oktober meinen, ist nun auch die Bundesrepublik in ster niedergerissen: Die Vorrangprüfung für Dabei gehen die Minister soweit, dass Nicht-Er-
begonnene Flüchtlingsstreik im der EUropäischen Normalität angekommen: den Zugang zum Arbeitsmarkt entfällt. Bisher werbsfähige (Kranke, Alte) vollends privat ver-
Lager Blankenburg nahe Real existierende grenzüberschreitende Mi- haben „Geduldete“ die allerdreckigsten, un- sorgt oder aber ausgewiesen werden. Wir erle-
Oldenburg, Teil der Zentralen gration trotz aller Restriktionsbestrebungen qualifizierten Arbeiten übernehmen müssen, ben also keinen „humanitären Fortschritt“,
Aufnahme- und als Faktum anzuerkennen und das Damokles- die Arbeitsbedingungen spotten jeder Be- auch keinen „ersten Schritt“, wie einige Sozi-
Ausländerbehörde (ZAAB) schwert der Abschiebung aus dem Nacken schreibung — gleichzeitig ist es aufgrund der alverbände trotz aller Kritik meinten, sondern
Oldenburg, am 31. Oktober zehntausender MigrantInnen zu nehmen, das Verunsicherung unter diesen ArbeiterInnen eine Segregation, die Verfestigung einer Dis-
vorläufig beendet wurde, traten am seidenen Faden technischer oder humani- sehr schwierig, auch nur Informationen zu er- kriminierung auf dem Arbeitsmarkt, die wohl
vom 21. November bis zum 3. tärer Probleme bei der Ausweisung hängt. Dem langen und publik zu machen. Als Tagelöhner nur von kollektiven Kämpfen am Arbeitsplatz
Dezember auch einige ist freilich nicht so. Das „gesicherte Aufent- sichern „Geduldete“ z.B. den BILD-Straßen- wird geschlossen werden können. Mit dem
Flüchtlinge im Abschiebelager haltsrecht“ für knapp 200.000 Menschen, die verkauf in Leipzig ab: Bei jedem Wetter stehen Heraustreten aus der Unsichtbarkeit sind —
Bramsche-Hesepe bei Osnabrück hier mit einem Pass-Ersatz unterster Klasse ihr sie des nachts ohne Schutzkleidung auf der für „Geduldete“ wie „Illegale“ — nach wie vor
(einer Außenstelle der ZAAB Dasein fristen, ist nichts anderes als eine Dul- Straße; als Sonderselbständige bei einem Sub- erhebliche Risiken verbunden; aber so wie es
Oldenburg) in einen dung XL: Statt bisher sechs Monate gilt sie unternehmen angestellt ist der eigentliche Ar- jetzt ist, kann es nicht bleiben, das ist kein Le-
Kantinenstreik. Auch hier wurde nun maximal zwei Jahre. Die Hoffnungen in beitgeber von jeglicher Pflicht befreit; auf Pro- ben.
der Kampf der den Communities der Exilierten mögen groß visionsbasis liegt der Stundenlohn bei nicht
LagerbewohnerInnen von sein, die Zumutungen der Staatsmacht sind mehr als drei Euro; wer krank wird, besorgt André Eisenstein (FAU Leipzig)
Demonstrationen und Aktionen größer. selbst eine Aushilfe, um den eigenen Job nicht
wie z.B. einer Torblockade und Zunächst einmal handelt es sich nicht um zu gefährden ... Diese prekären, von Willkür Ausführliche Informationen zum „Bleiberecht“
der nächtlichen Demontage eine Regularisierung der Migration, sondern dominierten Arbeitsbedingungen wirken in z.B. auf der Seite www.fluechtlingsrat-ber-
eines Teil des Lagerzauns um eine Stichtagsregelung, die als einmalige höchstem Maße einschüchternd, umso mehr lin.de
begleitet. In beiden Fällen konzipiert ist. Wer zwei Jahre hier leben will als sie von rechtlicher Unsicherheit und (auch
wurden Forderungen erhoben, ohne die ständige Furcht, gewaltsam außer sprachlicher) Unkenntnis begleitet werden. In Siehe auch:
die u.a. die Aushändigung von Landes gebracht zu werden, muss diesen Zu- den Bereichen Haushaltshilfe, Gastronomie „Die Grenze im Inneren. Interview mit einem
Bargeld (vor allem zur eigenen stand mindestens sechs Jahre ertragen haben und Reinigungsgewerbe sieht es sicherlich Migranten über Leben und Arbeit in der Illega-
Essenszubereitung), eine — dies trifft auf nicht mehr als ein Drittel zu. nicht anders aus. Es ist jedoch äußerst frag- lität“, in: DA 177, Sept./Okt. 2006.
angemessene medizinische Letztlich werden schätzungsweise nur zehn bis lich, ob sich allein durch den freien Zugang „Siamo tutti Clandestini! Das EU-Migrationsre-
Versorgung, eine menschliche 25 Prozent der „Geduldeten“ in Genuss des Mi- auf Bleiberecht — zu diesem Zwecke können zum Arbeitsmarkt an dieser Lage irgendetwas gime als Laboratorium der Entrechtung“ in: DA
Behandlung durch das nisterialerlasses kommen. Damit habe man nach dem Willen der Innenminister auch meh- ändert — weil das Aufenthaltsrecht an den Ar- 178, Nov./Dez. 2006
Lagerpersonal und – schon „viel Gutes getan“, so der Berliner rere Beschäftigungsverhältnisse dienen. Der- beitsplatz gekoppelt und ein Bezug von Sozi- Literaturhinweis: B. Traven, „Das Totenschiff“
weitergehend – die Innensenator Körting (SPD); fragt sich nur für zeit stehen ca. 20.000 der Betroffenen in Hun- alleistungen ausgeschlossen ist, sind diese Ar- (orig. 1926)
Unterbringung in eigenen
Wohnungen zum Ziel haben.
Auch wenn die Streiks
eingestellt wurden, gehen die Aktuelle Überwachungs- 3. Der Geheimagent informiert die Polizi- Seiten strikt gemieden hast. Bald kann es eine Firewall. Benutzt Antivirussoftware.
Proteste weiter und werden die trends stin — über die Verdächtige, ihr Bankkon- sein, dass Internetanbieter auf richterliche Verschlüsselt und verbergt Eure Daten. Hal-
Organisierungsprozesse to und Telefon sowie über ihren Chef, Ver- Anweisung gezwungen werden, Deinen Da- tet Euer System immer aktuell. Untersucht
vorangetrieben, um den Hier ein paar Infos zu den neuesten mieter, Vereine usw. Diese Kontakte gera- tenverkehr durch einen Staatsserver zu lei- Eure Maschine regelmäßig nach Schadsoft-
politischen Druck zu erhöhen. staatlichen Überwachungsmöglich- ten dadurch auch in Verdacht. ten, der Deinen Rechner knacken soll. ware. Vermeidet Windows. Warum? Weil so
Da gerade das Land keiten – und ein paar simple Eine richterliche Entscheidung über die Denkbar ist auch, dass die großen Provider viele Windows benutzen. Es gibt keine Tro-
Niedersachsen eine Vorreiterolle Orientierungspunkte, wie Du dich und Weitergabe der Daten ist nicht nötig, für Hintertüren in ihre (überflüssige) Zu- janer und Rootkits, die auf allen Systemen
bei der Lagerunterbringung vor allem Deine GenossInnen nicht in Verfassungsfragen genügt sachbearbeiteri- gangssoftware einbauen. funktionieren. Deshalb konzentrieren sich
spielt und für eine bundesweite Gefahr bringst. sches Ermessen. Aber: Wenn Dein Rechner wirkungsvoll ge- die Hersteller auf das verbreitetste System.
Übernahme des strengen schützt ist, dann hat auch der Staatsserver Der Staat wird es nicht anders machen.
niedersächsischen Modells wirbt, Die Anti-Terror-Datei ... ... und staatliche Rootkits keine Chance, bei Dir einzubrechen. Das Bei den hohen Kosten erwartet nicht nur
ist der Widerstand in ganze wäre also ein populistisches Windei, die Presse schnelle Erfolge. Diese können
Blankenburg und Bramsche- Auch 2006 hielt der Trend zur Verwischung Rootkits sind Programme, die eine Fern- wenn nicht damit zu rechnen wäre, dass schnell erzielt werden, wenn GenossInnen
Hesepe umso wichtiger. demokratischer Trennlinien an. Die Anti- steuerung Deines Rechner durch Dritte er- unvorsichtige/unwissende GenossInnen mit dem verbreitetsten Betriebssystem un-
Unterstützt den Terror-Datei ist eine gemeinsame Daten- möglichen, ohne dass Du es merkst. Davor weiterhin mit unsicheren Rechnern durchs gesichert durchs Netz schlingern.
Flüchtlingswiderstand! Macht bank der 37 deutschen Polizei-, Zoll- und kannst Du Deinen Rechner schützen. Internet browsen.
mit bei Aktionen oder spendet. Geheimdienstbehörden. Als Feigenblatt für Die heimliche Online-Durchsuchung Lasst es mich so erklären: Wenn Ihr Martin Hauptmann (FAU FfM)
Spendenkonto: Arbeitskreis die in der freiheitlich-demokratischen von Festplatten durch Strafverfolger und Autofahren lernt, übt Ihr nicht nur schal-
Dritte Welt e.V., Kto-Nr: 015 131 Grundordnung verankerte Trennung von Verfassungsschutz ist bald erlaubt, der Etat ten, lenken und Gas geben, sondern auch Die Bundesregierung plant ein Gesetz, nach
337, BLZ: 280 501 00, LZO, Geheimdiensten und Polizei dient die „ver- dafür beträgt 132 Mio. Euro. Wie das genau blinken, blicken und bremsen. Wenn Ihr dem sämtliche Telefonate, E-Mails, Inter-
Verwendungszweck: deckte Speicherung“. Das funktioniert so: funktionieren soll, ist schleierhaft. Computer braucht, solltet Ihr Euch heut- netverbindungen usw. protokolliert werden
Aktionstage. 1. Eine Polizistin befragt den Index der Klar: Der Staat hat bessere Möglichkeiten zutage nicht nur mit Office, E-Mail und sollen, völlig unabhängig von einem kon-
Weitere und aktuelle Infos unter: Anti-Terror-Datei nach einem Verdächtigen. als sonstwer, Dir Rootkits unterzujubeln. Surfen beschäftigen. Auch wenn es keinen kreten Verdacht auf eine Straftat. Dagegen
www.nolager.de 2. Der für den Verdächtigen zuständige Bislang konntest Du halbwegs sicher sur- Spaß macht und Ihr nur so wenig wie nö- wird eine Verfassungsbeschwerde vorberei-
Spion wird über die Anfrage benachrich- fen, wenn Du nur Deinen E-Mail-Provider tig mit dem Rechner machen wollt – be- tet. Eine Beteiligung daran ist möglich:
tigt. übers Internet besucht und zwielichtige schäftigt Euch mit der Technik! Verwendet www.vorratsdatenspeicherung.de

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direkte aktion 171

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6 Ausgaben / 1 Jahr (Euro 9,–) nung, auf der eure Kundennummer vermerkt ist
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Januar/Februar 2007 Diskussion Nr. 179 Seite 7

Wo die Wege sich kreuzen... Eine Erwiderung auf René Talbot

it Interesse haben wir(1) das Interview


M mit René Talbot in der DA 178 gelesen.
Wir konnten dabei viele Übereinstimmungen
wenig nur auf die protestantische Arbeitse-
thik zurückführen; die Ursachen einer sol-
chen Krise sind weitaus vielfältiger. In einer
Hier sind Betroffene weitaus weniger in der
Außenseiterposition, sondern gehören zur
„Normalität“.
umsatteln und in die Psychiatrie gehen, um
dann 30 Jahre bis zur Rente nach Muster X
zu arbeiten. Die Beschäftigten haben heute
feststellen. Das gilt v.a. für die Darstellung Depression steckt Aggression, nicht nur ge- Vergleiche, wie sie René Talbot mit dem andere Erwerbsbiographien, arbeiten dort Anmerkungen:
der Notwendigkeit einer Selbstorganisierung gen sich selbst, sondern auch gegen andere Zitat von Thomas Szasz anstellt, verbieten nicht mehr, weil sie nichts Besseres gefun- (1) Psychiatrieerfahrene (mit
von Psychiatrieerfahrenen, aber auch dem (im Extremfalle bis zum, fälschlich so be- sich hingegen von selbst, wenn er die heu- den haben oder weil schon die halbe Familie Zwangsbehandlung),
Stellenwert, den er Vorsorgevollmachten und zeichneten, „erweiterten Suizid“). Die Dia- tige Funktion der Psychiatrie mit der indu- seit Generationen dort arbeitet. Sie richten Angehörige, FreundInnen,
Patientenverfügungen beimisst. Zu einigen gnostizierung einer Krankheit, die an be- striellen Vernichtung der Jüdinnen und Ju- sich nicht ein. Die meisten kommen aus so- (ehem.) LebenspartnerInnen,
Kernaussagen haben wir hingegen eine völ- stimmten, übereinstimmenden Merkmalen den in Nazi-Deutschland vergleicht. Die Ver- matischen Krankenhäusern oder Pflegeein- Bekannte und Beschäftigte in
lig andere Sichtweise. festgemacht wird, stellt sicherlich eine Ver- brechen der Nazis werden durch derartige richtungen, sind qualifiziert, bringen Offen- der Psychiatrie bzw. mit
In der Vergangenheit waren wir häufiger einfachung persönlicher und individuell Relativierungen verharmlost! Hinter der heit und Initiativgeist, neue Wege auszu- Anbindung; i.d.R. Einnahme
damit konfrontiert, uns innerhalb der eige- ganz unterschiedlich ausgeprägter Probleme Stigmatisierung als „Jude“ stand der Ver- probieren, mit. Tradierte Strukturen sind ih- mehrerer Rollen.
nen Organisation, in unserem organisatori- dar. Andererseits gibt es klare und überein- nichtungswille, nicht die bloße Ausgren- nen ein Gräuel. Viele ÄrztInnen, die wir ken- (2) Entwicklung einer
schen Umfeld, aber auch unseren jeweiligen nengelernt haben, sind heute mit antipsy- paranoiden Schizophrenie.
Lebensbereichen mit Verhaltensweisen von chiatrischen Positionen vertraut, die Bewe- (3) Psychisch Erkrankte sind
Menschen auseinandersetzen zu müssen, die gung ist nicht spurlos an ihnen vorüber ge- laut Statistik insgesamt nicht
uns auf schwerwiegende Art und Weise vor gangen. Vieles läuft heute unkonventionell, gewalttätiger als die
Grenzen stellten. Seit drei Jahren beschäfti- problemorientierter und geht weg von Stan- Durchschnittsbevölkerung (3%
gen wir uns deshalb intensiv mit der Proble- dardherangehensweisen vergangener Tage Anteil an Gewalttaten),
matik, wie eine Gesellschaft unseren Vor- (9). allerdings bei Differenzierung
stellungen nach mit verschiedensten Kon- nach Erkrankungen: über 50%
fliktfeldern umgehen sollte. Einen Teil davon der durch psychisch Erkrankte
macht genau der Bereich aus, den René Tal-
Ausblick begangenen Gewalttaten
bot anspricht. Eine Tendenz, die wir seit einigen Jahren entfallen auf Menschen mit
Zentral bleiben für uns als Gewerkschaft feststellen, ist nicht das Weglaufen vor, son- Schizophrenie (haben 10faches
dennoch zwei Ansatzpunkte: Zum einen ver- dern die Flucht in die Psychiatrie! Durch das Risiko zur Begehung von
suchen wir, die Selbstorganisierung der Be- Zurückfahren öffentlicher Mittel, z.B. für Gewalttaten im Vergleich zur
schäftigten in der Psychiatrie voranzutrei- Frauenhäuser und Anlaufstellen für Nicht- Gesamtbevölkerung, v.a. Männer
ben, organisieren sich KollegInnen bei uns. sesshafte, Arbeitsmarktgesetze (Hartz) und von 20 bis 40 J. mit
Auf der anderen Seite geht es uns um die Gesundheitsreformen, aber auch dem rigi- systematisierten Wahn und
Frage des staatlichen Zugriffs auf Menschen. den staatlichen Kurs gegen Flüchtlinge, langer Krankheitsdauer ohne
Eine Selbstorganisierung Psychiatrieerfah- drängen viele in die Psychiatrie, aus Angst Behandlung).
rener können wir nur begrüßen und unter- vor Abschiebung, vor gewalttätigen Ange- (4) Ausnahme:
stützen. Konflikte zwischen diesen Gruppen hörigen bzw. Zwangsheirat, vor Hunger und gesellschaftlicher
sind aufgrund unterschiedlicher Sichtwei- stimmende Merkmale. Leidensdruck wird, zung. Im Gegensatz dazu werden Menschen Kälte. Darauf müssen wir Antworten finden, Leistungsdruck.
sen und Rollen, die sie in der Institution egal, um welche Krise es sich handelt, deut- in der heutigen Psychiatrie behandelt, um in womit wir wieder bei den gesellschaftlichen (5) Basis: Landesgesetze
einnehmen, erstmal zwangsläufig. Ein Aus- lich von den Betroffenen artikuliert. Und in diese Leistungsgesellschaft wieder integriert Ursachen wären. (PsychKG & MRV-Gesetz), im
spielen gegeneinander, worauf Talbots Pole- einem solchen Falle brauchen Menschen Hil- zu werden. Stigmatisierungen haben also Wir versuchen deshalb, solidarische Ländervergleich gravierende
mik abzielt, zerstört und verhindert hinge- fe und Unterstützung. unterschiedliche Konsequenzen; das muss Strukturen zu entwickeln, die Menschen mit Unterschiede; unterschiedliche
gen die Möglichkeit, eine notwendige Aus- Menschen sind nicht nur Opfer, sondern mitgedacht werden, bevor jemand derartige ihren Problemen auffangen, die genannten Entscheidungen von Gerichten,
einandersetzung zu führen. immer auch Handelnde, mitunter gar Täte- Vergleiche anstellt. Ursachen aufheben. Wir halten die Psychia- Strukturen und Leitlinien in
rInnen(3). Eifersuchtswahn, das Ausleben trie in ihrer Größenordnung schlichtweg für einzelnen Kliniken.
von Verschwörungstheorien, Gewalttaten ge- ungeeignet, da sie den Menschen mit ihren (6) Zwangseinweisungen sind
Ganz normal gen andere und sexuelle Gewalt gegenüber
Abgeschottet? unterschiedlichen Problemen nicht gerecht bundesweit unterschiedlich: 1-
In erster Linie sehen wir in der Zwangspsy- Frauen und Kindern sind Realität. Deshalb Eine permanente Verwendung von Begriffen wird und sich neue auftürmen. Dennoch 30% der Aufnahmen; häufigste
chiatrie kein politisches Problem, sondern müssen wir die Ursachen in der Gesellschaft wie Zwangspsychiatrie oder gar die Diffa- kommen Anlaufstellen, die Entlastung und Einweisungsdiagnose: akute
ein gesellschaftliches. Es ist auch erstmal bekämpfen, in der Gewaltverhältnisse imma- mierung von Beschäftigten als „Folter- Schutz für Betroffene und ihr Umfeld gleich- Schizophrenie.
nicht von Belang, wie Einzelne zu Krank- nent sind. Gerade die Darstellung der ge- knechte“ impliziert, dass die Psychiatrie ein ermaßen bieten, auch in unseren gesell- (7) Fixierungen bei etwa 1-7%
heitsdiagnosen oder Psychopharmaka ste- sellschaftlichen Zusammenhänge, die zur Ort ist, der abgeschottet von der Außenwelt schaftlichen Vorstellungen vor. aller Aufnahmen; Zahl der
hen. Tatsache ist, dass Menschen in Lebens- Entstehung schwerwiegender Probleme in existiert, in dem Willkür, Sadismus und Sinn machen für uns in erster Linie aber Zwangsmedikationen in etwa
krisen geraten können, die mehr oder min- der Auseinandersetzung mit gesellschaft- Freude an der Gewalt herrschen. Das ergibt nur wohnortnahe Lösungen, die Menschen gleich bzw. darunter.
der stark ausgeprägt sind. Jede/r mag über lichen Strukturen, z.B. in der Familie, in ein völlig verqueres Bild. Es gibt keinen an- nicht aus ihrer Umgebung herausreißen, (8) Das Bundesministerium der
ganz unterschiedliche Kompensationsme- Partnerbeziehungen, mit Schule, Beruf, Re- deren Bereich im Gesundheitssystem, der sondern ihnen unter den Bedingungen di- Justiz wirbt selbst für PV und
chanismen verfügen. Entscheidend ist, ob, ligion, Armut, Isolation und sozialer Aus- dermaßen stark im Blickpunkt der Öffent- rekt zur Seite stehen, mit denen sie sich aus- VoVo, nicht unbedingt aus
zu welchem Zeitpunkt und wie ein Mensch grenzung, führen, haben wir im Interview lichkeit steht. einandersetzen müssen und die zu Proble- humanistischen, sondern auch
aufgefangen wird und es von der Person an- vermisst(4). In der Grauzone befinden sich hingegen men führen(10). Als positiv empfinden wir ökonomischen Erwägungen
genommen wird, sobald sich Probleme auf- alle übrigen Bereiche des Gesundheitssy- jetzt schon den verstärkten Ausbau von Fa- (Betreuungsboom nach
türmen, sich eine Krise anbahnt oder be- stems, in denen ebenso Zwangsmaßnahmen milientherapien, einer Form, die die Ange- Einführung des neuen
steht. Da liegt der Knackpunkt. wie lebenserhaltende Maßnahmen oder etwa hörigen mit einbezieht, die vor der Einwei- Betreuungsrechts 1992); Staat
Eigene Anteile am Hineinmanövrieren in Freiheitseinschränkungen durch Bettgitter sung mit den PatientInnen zusammengelebt versucht, ihre Einrichtung aus
Krisen können nicht einfach ausgeblendet bzw. Fixierung ausgeübt werden, egal ob im haben. Dies macht Sinn, da hier der eigent- Kostengründen wieder
werden. Meistens kommt da viel zusammen: Rettungsdienst, in somatischen Kranken- liche „Drehtüreffekt“ der Psychiatrie ent- einzudämmen.
wenn sich Entwicklungen zuspitzen, wenn häusern oder in Pflegeheimen. Die Empfeh- steht: Die Menschen werden sonst in ihr al- (9) Nach Privatisierungen
sich der Blick für die Dinge verengt, wenn lung von René Talbot, sich als „Menschen- tes Umfeld entlassen, mit all den ungelösten regelmäßig Rückentwicklungen;
die Gedanken über einem Problem kreisen, rechts-Achtsame“ dem psychiatrischen Sy- Problemen und der Destruktivität von (ge- Tendenzen gehen schnell in
wenn Zusammenhänge hergestellt werden, stem „ganz einfach durch die Versetzung auf sellschaftlichen) Bedingungen, die zu den Richtung Verwahr-Psychiatrie; es
die so nicht existieren, wenn Menschen an- eine nichtpsychiatrische Station“ entziehen Problemen und zur Einweisung geführt ha- wird nicht auf Beziehungsarbeit
fangen, ihr Umfeld offenbar grundlos anzu- zu können, ist deshalb denkbar ungeeignet. ben. gesetzt, sondern auf die
feinden, sichtliche Qualen ausstehen und Nicht in allen Psychiatrien, die wir ken- Ebenso sinnvoll empfinden wir die Schu- Gewährleistung von
verängstigt wirken, ohne für Außenstehen- nen, haben Veränderungen in gleichem Aus- lung der PatientInnen zu ihren Erkrankun- Funktionsabläufen; Folge davon:
de ersichtliche Gründe auf etwas einreden, maße stattgefunden. Noch viel weniger fin- gen, damit sie Frühwarnsignale erkennen Steigerung der Dosierungen von
es anschreien, sich Kopfhörer aufzusetzen den sich überall die gleichen Ausgangsbe- und eigenverantwortlich gegensteuern kön- Psychopharmaka zu beobachten;
und doch nicht gegen die Stimme ankom- dingungen, gerade auch was die eigentliche nen. Zusammensetzung des Personals
men, die zu ihnen spricht, die sie be- Zwangspsychiatrie betrifft(5). Dennoch kön- Am Ende stehen wir aber dann doch vor ändert sich (billigere, weniger
schimpft, erniedrigt, von ihnen Dinge ver- nen zumindest Tendenzen klar benannt wer- der Frage, wie sich eine Gesellschaft dazu qualifizierte Beschäftigte bei
langt, sie bedroht(2). Ist das real? – Ja, für den: verhält, wenn Menschen aus einer Krise her- sinkendem Personalschlüssel).
diejenigen, die es erleben, natürlich. Und Die Mehrzahl der Menschen begibt sich aus andere angreifen und darin fortfahren, (10) Die heutige Psychiatrie
für Außenstehende? – Wirkt es bestenfalls freiwillig in Behandlung, nur ein Bruchteil weil Worte nicht mehr zu ihnen vordringen, konzentriert sich aus
sonderlich und fremd. Die Ausgrenzungsfunktion der Stigmati- wird geschlossen untergebracht(6) und da- sie die Kontrolle über sich und ihre Hand- kapitalistisch-rationellen
Was aber, wenn dieser Mensch andere als sierung „psychisch krank“ hat er dagegen von wiederum zwangsbehandelt(7). Richte- lungen völlig verloren haben und jedwedes Erwägungen in Großkliniken: Es
Bedrohung wahrnimmt, sie nicht nur an- klar benannt. Ängste vor einer wie auch im- rInnen stimmen bei weitem nicht mehr allen Eingreifen vergeblich ist. Spätestens hier ist billiger, Fachpersonal und
feindet, sich aus Angst in die Enge gedrängt mer gearteten „Andersartigkeit“ und uner- von ÄrztInnen beantragten Zwangsmaßnah- stoßen auch alle uns bisher bekannten Po- PatientInnen an einem Ort zu
fühlt und meint, er müsse sie abwehren, sie klärlichen Veränderungen im Verhalten spie- men zu. Immer mehr Psychiatrieerfahrene sitionen aus der Antipsychiatrie an ihre konzentrieren.
angreifen? Ist das „nerviges“ Verhalten, wie len unserer Ansicht nach dabei aber eine nutzen zudem Vorsorgevollmachten(8) und Grenze.
sich René Talbot ausdrückt? Spätestens dann weitaus größere Rolle als das Herausbrechen können so Einfluss auf ihre Behandlung FAU Lokalföderation Hannover
sind andere Menschen mit betroffen. Und der Betroffenen aus dem gesellschaftlichen nehmen, treffen Behandlungsvereinbarun-
damit muss in jeder Gesellschaft umgegan- Leistungswahn. Das zeigt sich nicht zuletzt gen. Eine Dokumentation der bisherigen Diskus-
gen werden. im Niveau von Akzeptanz und Wertschätzung Auch die Zusammensetzung des Perso- sion um die Psychiatrie-Problematik und fol-
Die „Notwendigkeit“ der Diagnostizie- in Orten, in denen es den Psychiatrien ge- nals hat sich heute vielerorts grundlegend gende Beiträge sind demnächst zu finden
rung einer Depression würden wir ebenso lungen ist, sich der Bevölkerung zu öffnen. gewandelt, es sind keine Fleischer mehr, die auf einer Unterseite auf www.fau.org.
Seite 8 Nr. 179 Zeitlupe Januar/Februar 2007

Wer ist hier der Boss? Kaum sonst wo auf der Welt sind Konzepte selbstverwalteter Betriebe so weit entwickelt wie in San Francisco
— mit unterschiedlichen Erfahrungen

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S an Francisco war schon immer ein bißchen
anders als der Rest der Welt. So gilt der Bal-
lungsraum in Nordkalifornien nicht nur als
gen, die sie anbieten.
Die Bandbreite reicht von Buchhandlun-
gen, Fahrradgeschäften, Bioläden, Restau-
schlicht um die Förderung alternativer Job-
möglichkeiten ohne Chefgängelung, Entfrem-
dung vom Produkt und größtmöglicher Mitbe-
sahen den Preis der Freiheit in harter Arbeit bei
schlechter Bezahlung“, bringt Curl seine jahr-
zehntelange Erfahrungen in selbstverwalteten
Hauptstadt der Homosexuellenbewegung, rants über Galerien, Möbelhersteller, Bäcke- stimmung in allen den Betrieb betreffenden Betrieben im Großraum San Francisco auf den
sondern auch als Zentrum linker Ideen und al- reien, Pizzerien bishin zu Kurierdiensten und Angelegenheiten. „Workplace Democracy“ Punkt.
ternativer Lebensformen. Ach, und bevor ich Holzarbeitern. Dabei zählt kein Betrieb mehr heißt denn auch das Ziel, dem sich NoBAWC NoBAWC gehören aber auch Kollektivbe-
es vergesse: Wer cool sein will, sage niemals als 200 Mitglieder. Neben dem anarchistischen verschrieben hat. Das klingt nicht unbedingt triebe an, die einen klassenkämpferischen An-
„Frisco“, das tun nämlich nur Touristen. Rich- Buchladen und Verlag „AK Press“ gehört „Lusty revolutionär. Und das hat seinen Grund. satz verfolgen. Dazu gehört etwa „National
tig heißt die Stadt „Sanfran“, Betonung auf Lady“ zu den prominentesten Mitgliedern von Vereinfacht gesagt trennen sich selbstver- Home Cleaning Professionals“, ein selbstver-
der ersten Silbe. Nur so am Rande. NoBAWC. Bei letzterem handelt es sich um waltete Betriebe in der Bay Area in zwei Grup- walteter Betrieb, der sich ausdrücklich auf
nichts weniger als um die einzige Peepshow pen, entsprechend ihrer rechtlichen Stellung. Frauen lateinamerikanischer Herkunft kon-
der Welt, die kollektiv betrieben wird. Auf der einen Seite gibt es die „Arbeiter-Ko- zentriert, um die „ökonomische und soziale
Sanfran Die selbstverwaltete Klinik in Berkeley, die operativen“. Die ArbeiterInnen halten persön- Gleichstellung von lateinamerikanischen Ein-
Versuche, selbstverwaltete Betriebe aufzubau- wanderInnen“ zu gewährleisten. Neben einer
en, haben hier eine besonders lange Geschich- halbwegs fairen Bezahlung gilt dem Betrieb
te. Sie reichen bis zum Anfang des 19. Jahr- die Verwendung von gesundheitlich und öko-
hunderts zurück. Die Arbeiterbewegung in der logisch verträglichen Substanzen als wichti-
„Bay Area“, wie der Großraum rund um die drei ges Anliegen. Für uns mag das befremdlich
Großstädte San Francisco, Berkeley und Oak- klingen, erklärt sich aber leicht aus einem Pro-
land genannt wird, ist traditionell militant und jekt, das von Betroffenen selbst und nicht von
revolutionär eingestellt. Und Kollektivbetriebe Gutmenschen mit schönen Ideen angestoßen
hat es seitdem immer wieder gegeben. Bei den wurde. Hier geht es in erster Linie darum, bes-
meisten der großen, teilweise bis heute legen- sere Arbeitsbedingungen für Lohnabhängige
dären und leider oft auch blutigen Streiks und zu schaffen. In diesem Fall mittels eines selbst-
Arbeitskämpfen haben selbstverwaltete Be- verwalteten Betriebs und nicht über die Ge-
triebe hier immer eine Rolle gespielt. Es gehört werkschaft. Und doch spielt die Gewerkschaft
eben zum Konzept des revolutionären Syndi- bei NoBAWC ein gewichtige Rolle.
kalismus, nicht nur auf Streiks, direkte Aktion Neben diversen Betrieben mit hohem ge-
und Sabotage zu setzen, sondern den „Betrieb werkschaftlichen Organisationsgrad ist die lo-
in Arbeiterhand“ ebenso als Element des revo- u.a. kostenlose Zahnbehandlungen für Men- liche, individuelle Anteile am Betrieb, der von kale Gruppe der IWW selbst Mitglied von No-
lutionären Klassenkampfs zu verstehen. Schon schen ohne Krankenversicherung anbietet, einem gewählten Vorstand, Aufsichtsrat bzw. BWAC. Was auf den ersten Blick verwirrt, ist
in den 1930ern gab es in Sanfran über 50 verdeutlicht einen wesentlichen Gesichtspunkt Management geleitet wird. Dem gegenüber ste- nur die Konsequenz eines logischen Konzepts.
selbstverwaltete Betriebe. Auf dem Höhepunkt der Problematik rund um die Frage selbstver- hen „Kollektivbetriebe“ ohne Vorstand. Hier Dank des Engagement der IWW orientieren sich
der Bewegung, um 1980, waren es mehr als walteter Betriebe. Die Klinik arbeitet nicht pro- gibt es kein persönliches Anteilseigentum, die in NoBWAWC zusammemngeschlossenen
150. Ansätze, selbstverwaltete Betriebe zu- fitabel. Das kann und soll auch nicht so sein. sondern das Unternehmen gehört abstrakt den Betriebe an gewerkschaftlichen Standards, wie
sammenzuschließen und zu organisieren, fin- Ähnlich, wie andere Ärzte sich im Urlaub auf dort Arbeitenden als ganzes kollektiv. Mindestlöhnen und Krankenversicherung (in
den sich seit Ende der 1960er. Und das in Grö- eigene Kosten in asiatischen oder afrikani- Zwiespältig wie die grundsätzliche Ein- den USA nicht selbstverständlich).
ßenordnungen, von denen deutsche autonome schen Ländern engagieren, bringen sich hier schätzung gestaltet sich auch das Verhältnis Auch nach mehr als 30 Jahren Erfahrung
makrobiotisch-vegane-Lebensentwurf-Rück- Ärzte unentgeltlich ein. Die dritte Welt vor der von Gewerkschaften zum NoBAWC. Auch in
zugsgebiete nur verschämt träumen können. Haustür, sozusagen. dieser Frage ist es eine Angelegenheit des
Schon Mitte der 70er Jahre war die Dichte an Vergleicht man NoBAWC von heute mit sei- Standpunktes. Und das hat etwas zu tun mit
selbstverwalteten Betrieben so hoch, daß ei- nem Vorgängermodell von vor zehn Jahren, so der Klasse, aus der man kommt.
nige AktivistInnen anfingen, von mehr zu fällt auf, daß das Projekt enorm geschrumpft
träumen, nämlich von einem Verbund selbst- ist. Es fehlen nicht nur zahlreiche Buchläden,
verwalteter Betriebe als Keimzelle einer neuen, Imbisse, Kurierdienste, Taxiunternehmen, Ga-
Kapital und Revolution
besseren Gesellschaft. Daß man den Kapita- lerien und Speditionen, sondern auch Thea- Wie John Curl, sowohl Mitglied der syndikali-
lismus aushebeln könnte, vielleicht mit einer ter, Kinos, eine Grundschule, eine High School stischen IWW als auch Veteran der Selbstver-
eigenen, internen Währung. Solche Ideen sowie ein College (und das sind nur Beispiele). waltungsbewegung in Sanfran, erklärt, reicht
scheiterten. Geblieben ist ein neues Projekt, Was all diese Projekte gemein hatten bzw. ha- es nicht, „den Boss zu feuern. Wir müssen die
das sowohl kämpferischer als auch nüchterner ben, ist eine gute, vielleicht sogar schöne Idee ganze Kapitalistenklasse abschaffen, denn sie in selbstverwalteten Betrieben wünscht sich
ausgerichtet ist als seine Vorgänger: NoBAWC. mit dem Haken, daß man am Ende gar kein bestimmt die Regeln des Marktes“. Und diese John Curl noch immer keinen Chef. Vielmehr
oder nur ein symbolisches Gehalt ausgezahlt Regeln gelten auch für Betriebe mit intern de- schätzt er es sehr, gemeinsam mit seinen Kol-
bekommt. Beim Geld hört eben nicht nur die mokratischer Struktur. Auch sie sind gezwun- legInnen bestimmen zu können, wie die Möbel
Fire Your Boss Freundschaft auf. Es markiert, ob wir wollen gen, ökonomisch mitzuhalten, wollen sie nicht aussehen, die sie schreinern, woher das Holz
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An die 40 Betriebe sind heute im „Network of oder nicht, die Grenze zwischen Traum und pleite gehen. Das setzt Grenzen, z.B. auch bei kommt, aus dem sie Tische und Stühle schnit-
Bay Area Cooperatives“, kurz NoBAWC zu- Wirklichkeit. Löhnen. Die Bereitschaft, zu niedrigeren Löh- zen, und wem sie die Produkte zu welchem
sammengeschlossen. Ausgesprochen klingt nen als in der Branche üblich zu arbeiten, ist Preis feilbieten. Für eine freie Gesellschaft
das Kürzel wie „no boss“ — dieser Slogan ist bei selbstverwalteten Betrieben erfahrungsge- aber, das ist ihm schon lange klar, braucht es
Programm. Gemeinsamer Nenner der hier or-
Ökonomische Realität mäß hoch. Durch dieses als „Selbstausbeu- mehr als die Solidarität seiner KollegInnen.
ganisierten Betriebe ist die Abwesenheit von Das heutige Netzwerk NoBAWC legt denn auch tung“ bekannte Phänomen schaden solche Be- Dafür braucht es die ganze Klasse.
Chefs. Die wirtschaftlichen und juristischen seinen Schwerpunkt auf wirtschaftlich funk- triebe KollegInnen in der eigenen Branche,
Organisationsformen sind dagegen beinahe so tionierende Unternehmen, die den ArbeiterIn- weil sie durch Konkurrenz und Lohndumping Matthias Seiffert
vielfältig wie die Produkte und Dienstleistun- nen selbst gehören. Es geht bei NoBAWC Druck auf die eigene Branche ausüben. „Viele

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Bismarckring 27 Österreich: Infoladen Bregenz, JUZ Between, Bahnhofstr. 47, Bregenz/Vorarlberg Schweiz: Infoladen ROMP, Steinerstr. 17, Luzern
Januar/Februar 2007 Globales Nr. 179 Seite 9

verbietet. Ein politischer Streik hebt kurzfri-

Eine verrückte Idee


stig die Friedenspflicht der beteiligten Par-
teien auf. Nur Angestellte im Öffentlichen
Dienst dürfen nicht streiken. 2003 hat das Schwedisches Parlament
Arbeitsgericht ein wichtiges Urteil gespro- beschließt Kürzungen
Schweden: SAC ruft 2,5 Millionen Arbeiter zum Generalstreik auf chen, durch welches das Streikrecht allge- bei der Arbeitslosenver-
mein und insbesondere für die SAC ausge- sicherung

D iesmal hatten die konservativen Parteien


in Schweden alles richtig gemacht.
Schon vor der Wahl zum Parlament im Sep-
nun der Tagessatz des Arbeitslosengeldes um
mehr als 10%. Dies führt dazu, dass es sich
für immer weniger Arbeiter überhaupt lohnt,
gentlich die Gewerkschaft sind. Die SAC ist
nur die Föderation der verschiedenen LS,
Anm. d. Red.] geschickt. Ich habe zugese-
weitet wurde. Aber klar, die Idee mit dem
Generalstreik war natürlich ein bisschen ver-
rückt. Andererseits wäre es sonst nie so ein
Am 21. Dezember, einen Tag
später als geplant, beschloss das
schwedische Parlament
tember hatten die vier Koalitionsparteien in eine Arbeitslosenkasse einzuzahlen. hen, dass Flugblätter und Infomaterial ge- großes Ereignis geworden. Keinen Menschen Kürzungen bei der
Centerpartiet (Bauernpartei), Folkpartiet In der LO (Landsorganisationen — ent- druckt wurden und habe auch die Anmel- hätte es bewegt, wenn nur unsere 7.000 Mit- Arbeitslosenversicherung und
(Liberale), Kristdemokraterna (Christdemo- spricht dem DGB) haben schon jetzt einige dung für den Streik eingereicht. glieder gestreikt hätten. Aber 2,5 Millionen einen erhöhten
kraten) und Moderaterna (Konservative) laut große Gewerkschaften Zusatzversicherungen - Wisst Ihr schon, wie viele SAC-Mitglie- … Da haben wir es schon geschafft, etwas Versicherungsbeitrag.
und deutlich erklärt, wie Schweden besser angeboten, und der Trend weist deutlich in der überhaupt in den Streik getreten sind? loszutreten. Damit ist der Klassenkampf,
zu führen sei: durch niedrigere Steuern, Kür- diese Richtung. Natürlich ist es genau das, So genau wissen wir es nicht. Die LS - Und wie haben die Leute reagiert? auch von oben, offen angesagt.
zungen im Kultur- und Pflegebereich, er- was die konservativen Parteien wollen. Denn müssen sich nicht zurückmelden, aber wir Die Aktivisten, die draußen auf der Stra- Die einzige Rücknahme der
höhte Beiträge für die Arbeitslosenversiche- durch diese Änderungen werden die Gewerk- glauben, dass 20-30 Ortsgruppen beteiligt ße Flugblätter verteilt haben, meinen, eine vorgeschlagenen
rungen und gleichzeitig Senkung des Ar- schaften ihren noch starken Status verlie- waren und vielleicht 1.500 Mitglieder. Wir Veränderung im Vergleich zu früheren Streiks Verschlechterungen besteht
beitslosengeldes. Auch die Minister hatten ren. werden wahrscheinlich genaueres wissen, bemerkt zu haben. Leute haben interessier- darin, dass sie erst am 1. März in
angekündigt, was zu erwarten war. Die Kul- ter gewirkt und Fragen gestellt. Die größte Kraft treten und nicht wie
tusministerin, Cecilia Stegö Chiló (Modera- schwedische Zeitung, Aftonbladet, hat eine zunächst geplant am 1. Januar.
terna), musste schon nach zwei Wochen von Internetumfrage durchgeführt, und 75% der
ihrem Amt zurücktreten, weil es sich 120.000 Teilnehmer waren für den Streik.
schlecht macht, wenn man als oberste Che- Gleichzeitig hat die Regierung bei den Wäh-
fin der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt lerumfragen 8% eingebüßt. Das ist in Schwe-
16 Jahre lang keine Fernsehgebüren bezahlt den noch nie passiert, schon gar nicht so 3. Anarchietage in Win-
hat. Nur ein paar Tage später folgte ihr die kurz nach einer Wahl. terthur (31. Januar —
Wirtschaftsministerin, Maria Borelius (Mo- - Kam es irgendwo vor, dass man richtig 11. Februar 2007)
deraterna). Auch sie hatte vergessen, die zu spüren bekommen hat, dass eine Firma Insgesamt zwölf
Fernsehgebühren zu bezahlen. Außerdem bestreikt wurde? Veranstaltungen zu Themen wie
konnte ihre Putzfrau überhaupt keine Ar- Wie gesagt, wir haben noch nicht alle Open-Source-Software oder
beitslosenversicherung bezahlen, weil sie Berichte. Aber hier in Stockholm zum Bei- Medienaktivismus,
schwarz beschäftigt war. Und weil die Steu- spiel gab es schon eingestellte U-Bahnfahr- Demokratiekritik oder die
er in Schweden so hoch ist, musste die Mini- ten. Und ich weiß auch, dass ein kleines „Evolution der Kooperation“
sterin ihr Haus in Schweden über eine Firma Kino in Göteborg die Vorstellungen ein bis- decken ein breites Spektrum
auf den Bahamas anmelden. schen später anfangen ließ und dem Publi- traditioneller und aktueller
Dies alles hatte einige erfreuliche kum erklärt hat, worum es ging. Viele von libertärer Ansätze ab.
Nebenwirkungen. Die geplanten Kürzungen unseren Mitgliedern sind allein auf ihrem Ar- Das genaue Programm der
im Kulturbereich kamen ins Stocken, und die Moa Norell, die Generalsekretärin der SAC, bei einer Rede am Streiktag (Foto: José Figueroa) beitsplatz, und dann kann es natürlich dazu Anarchietage findet sich unter
öffentlich-rechtlichen Fernsehsender beka- kommen, dass jemand einzeln streikt und es http://www.arachnia.ch/etomite
men die plötzlich allgemein gestiegene Be- Mit immer weiter sinkenden Mitglieds- wenn die LS Streikgelder einfordern. An den keine großen Auswirkungen auf den Ar- /index.php?id=213.
reitschaft zum Gebührenzahlen zu spüren. zahlen verspielten die großen Gewerkschaf- von uns organisierten Demonstrationen und beitsablauf hat. Organisatorin:
Was aber die geplanten Verschlechterun- ten am 15. November eine vielleicht letzte Flugblattverteilaktionen waren um die 6.000 - Wie geht es jetzt innerhalb der SAC Libertäre Aktion Winterthur
gen bei den Arbeitslosenversicherungen be- Chance, irgendetwas gegen die Verschlech- Menschen beteiligt. weiter? (LAW)
trifft, war leider keine Gnade zu erwarten. terungen im Bereich der Arbeitslosenversi- - Die LO hat doch kurz vor dem Streik- In erster Linie ist das eine Frage der LS. http://www.law.ch.vu
Schon weniger als zwei Monate nach ihrem cherungen zu tun. Die SAC (Sveriges Arbeta- tag ihre Mitglieder aufgefordert, sich nicht Viele Arbeitgeberorganisationen haben ihre law@arachnia.ch
Wahlsieg hatten die Regierungsparteien [Mo- res Centralorganisation), die kleine syndika- zu beteiligen, weil die Rechtslage angeb- Mitglieder aufgehetzt, hart gegen die Strei-
deraterna, Centerpartiet, Folkpartiet und listische Gewerkschaft, hatte für diesen Tag, lich nicht so klar gewesen sein soll. Aber in kenden vorzugehen. Einem Mitglied ist ge-
Kristdemokraterna] einen Vorschlag fertig an dem das Parlament in Stockholm den Vor- den schwedischen Zeitungen hat man lesen kündigt worden, und ein paar anderen wur-
ausgearbeitet. Demnach soll die Beitragshö- schlag in erster Lesung beriet, zu einem po- können, dass das innerhalb der LO für Un- den Ermahnungen erteilt. Wir haben schon
he der heutigen Arbeitslosenversicherung litischen Streik aufgerufen. Nach schwedi- mut gesorgt hat. Wie hat sich das gezeigt? eine Kampagne gegen eine Handyfirma ge-
(die von den Gewerkschaften verwaltet schem Verfahren muss jeder Streik von einer Dass die LO nicht an einem Streik gegen startet, wir werden da ein bisschen Druck Anzeige
wird) von 100 auf 350 Kronen monatlich er- Gewerkschaft mindestens sieben Tage vor- die Verschlechterungen bei der Arbeitslo- machen. Die haben unser Mitglied gekickt,
höht werden (ein Euro entspricht ca. 9,78 her offiziell beim Arbeitgeber angemeldet senversicherung teilnehmen will, entspricht weil er gestreikt hat mit der Begründung,
Kronen), und die Möglichkeit, die Arbeitslo- werden. Für den „Generalstreik“ am 15. No- ganz ihrer Linie. Die Führung hat gesagt: seine Teilnahme am Streik wäre so gewesen,
senkassenbeiträge sowie die Gewerkschafts- vember hat die SAC eine solche Anmeldung Wenn man gewählt hat, muss man auch die als ob er während der Arbeitszeit zu einem
beiträge von der Steuer abzusetzen, wird ge- kurzerhand bei sämtlichen Arbeitgeberver- Resultate akzeptieren. Aber es gibt 20 Lo- Fußballspiel gegangen wäre. So etwas wird
strichen. Addiert man diese beiden Verände- bänden eingereicht. Damit waren alle 2,5 kalgruppen innerhalb der LO, die jetzt einen aber nicht lange gutgehen.
rungen, ergeben sich für die Arbeitnehmer Mio. Arbeiter in Schweden, die nicht im Öf- politischen Streik fordern. Leider schweigen Wir haben einen zentralen Bericht ge-
Belastungen, die dem fünffachen der frühe- fentlichen Dienst beschäftigt sind, legal zum aber auch ein paar tausend Lokalgruppen. schrieben, und eine neue Arbeitsgruppe hat
ren Kosten entsprechen. Als extra Danke- Streik angemeldet. - Erzähl mal, wie es für die SAC möglich schon mit den Vorbereitungen für den 20.
schön an ihre Wähler bleibt für Unterneh- war, sämtliche Arbeiter zum Streik aufzu- Dezember begonnen. An diesem Tag soll
men natürlich weiterhin die Möglichkeit be- Die Direkte Aktion sprach mit Torfi Mag- rufen, und wie Ihr auf die Idee gekommen nämlich das Parlament das Gesetz absegnen.
stehen, ihren Mitgliedsbeitrag für den Ar- nusson, dem SAC-Koordinator dieses Streiks, seid? Ob das klappen wird, ist aber nicht sicher.
beitgeberverband steuerlich abzusetzen. der in Stockholm lebt. Es ist eigentlich nicht so ganz abwegig. Die Regierung hat nur vier Stimmen mehr als
Üblicherweise bekommen Arbeitslose - Du warst Koordinator des Streiks. Was Wir sind 2003 von der Gewerkschaft für den die Opposition. Und ich könnte mir schon
80% ihres vorherigen Lohnes. Doch für die- bedeutete das genau? Öffentlichen Dienst aufgefordert worden, zu vorstellen, dass nicht alle so heiß darauf
se Leistungen gibt es eine vom Gesetzgeber Ich habe die Aktivitäten zentral koordi- streiken, und 2006 hat die Journalistenge- sind, wieder 8% ihrer Stimmen zu verlieren,
festgelegte Obergrenze, welche durch die niert, zu den verschiedenen Treffen einbe- werkschaft auch so etwas ähnliches ge- oder dass vielleicht jetzt plötzlich sogar die
jüngsten Maßnahmen stark gesenkt wurde. rufen und Infos an die LS [Lokala samorga- macht. Es gibt in der schwedischen Gesetz- LO etwas tun wird.
Für diejenigen, die arbeitslos werden, sinkt nisationer — Ortsgruppen der SAC, die ei- gebung nichts, was einen politischen Streik Mattias Kåks

Lokale Gewerkschaftsstrategien im internationalen Klassenkampf


XXIII. IAA-Kongress in Manchester

D reizehn Sektionen trafen sich Anfang De-


zember 2006 zum XXIII. Kongress der
Internationalen ArbeiterInnen-Assoziation
Operária Brasileira — Brasilianische Arbeitsfö-
deration) statt.
Die serbische Sektion ASI (Anarho-sindi-
Mitglieder) Kontakte zu AnarchosyndikalistIn-
nen außerhalb der IAA pflegen bzw. dass die
FAU offiziell in Verbindung mit der CNT Frank-
Die ASI übernahm zusammen mit der bri-
tischen Sektion SolFed (Solidarity Federation)
unter Zustimmung der Anwesenden das Sekre-
Interview mit dem IAA-
Sekretariat 2006
(IAA) in Manchester. Die 50 Delegierten waren kalisticka Inicijativa — Anarchosyndikalisti- reich (so genannte „Vignoles“) steht. Das wäre tariat der IAA. Die britische Zeitung „Freedom“
in einer Jugendherberge im ehemaligen Arbei- sche Initiative) berichtete von den Protesten in Ländern wie Spanien und Frankreich mit of- Darüber hinaus sprachen die Teilnehmer- führte kurz vor dem Kongress
terviertel Castlefield untergebracht. Dieser Ort, der Studierenden gegen die geplante Einfüh- fiziell rivalisierenden Organisationen unsolida- Innen über ihre praktische Arbeit, Gewerk- noch ein Interview mit dem
der einst die politische Haltung Friedrich En- rung von Gebühren. In Belgrad sind Teile der risch gegenüber der jeweiligen IAA-Sektion, so schaftsstrategien sowie Unterschiede im euro- scheidenden IAA Sekretariat.
gels verändert hatte, bildete die historische Universität besetzt, die AnarchosyndikalistIn- die Meinung der Delegierten. Die FAU beharr- päischen Arbeitsrecht. Mögliche gemeinsame Mehr: fau-duesseldorf.org
Kulisse für den Kongress der Anarchosyndika- nen baten um finanzielle Unterstützung für te weiterhin darauf, Kontaktverbote zu igno- Projekte ergeben sich zum Beispiel auf dem Ge-
listInnen. Plakate und Flugblätter, um die Proteste effi- rieren und ihre Basis nicht an der Zusammen- biet der Zeit- und Leiharbeit oder bei Solidari- ASR: Glückwünsche zum
Lange Debatten füllten die drei Kongress- zient fortsetzen zu können. Es kam zu einer arbeit mit anarchosyndikalistischen Organisa- tätsaktionen für die ArbeiterInnen Kolumbiens. IAA-Kongress 2006
tage bis zur letzten Minute. Ein erfolgreiches spontanen Sammelaktion unter den Delegier- tionen zu hindern, sei es bei der Unterstüt- Des Weiteren startet die italienische Sektion Neben Glückwunschen enthält
Ergebnis dieses Kongresses war die Stärkung ten, so dass die ASI die Spenden gleich mit- zung von Arbeitskämpfen oder dem Austausch USI (Unione Sindacale Italiana) unterstüt- dieser Artikel eine Darstellung
der lateinamerikanischen Sektionen. So kön- nehmen konnte. von Erfahrungen. Zudem verwiesen die FAU- zenswerte Projekte in Mittelamerika (u.a. Oa- der Situation in den USA und zu
nen die Sektionen künftig so genannte Subse- Die Delegierten diskutierten kontrovers Delegierten auf die Autonomie der Ortsgrup- xaca). Den sehr gelungenen organisatorischen Fragen der IAA und IWW.
kretariate zusammenstellen, die für einen Kon- über Charakter und Struktur der IAA. pen bzw. Mitglieder. Der Kongress beschloss Rahmen inklusive professioneller Übersetzer- Mehr: fau-duesseldorf.org
tinent organisatorische Aufgaben übernehmen Die jahrelang aufgeschobene so genannte daraufhin, dass das Sekretariat der IAA das Innen gestaltete die SolFed, die bis auf den
und die Kommunikation verbessern sollen. „FAU-Frage“ konnte auch dieser Kongress nicht Mandat behält, die FAU bei einem Verstoß ge- englischen Nieselregen alles im Griff hatte.
Darüber hinaus findet der nächste Kongress endgültig klären. Einige Sektionen kritisierten, gen das Kontaktverbot aus der IAA ausschlie-
2008 in Brasilien bei der COB (Confederação dass Teile die FAU (Ortsgruppen oder einzelne ßen zu können. Internationales Sekretariat der FAU
Seite 10 Nr. 179 Globales Januar/Februar 2007

Anti-Aging für die Anar-


chie? Über die Chancen
Spontaner Streik bei Volkswagen Arbeitskämpfe in der Automobilindustrie
eines zeitgemäßen An-
archosyndikalismus
In der aktuellen Ausgabe sollte
eigentlich der erste Teil eines
längeren Essays von Horst
A nfang Dezember kam es in Brüssel zu ei-
ner gewaltigen Demonstration gegen den
der ist fester Bestandteil der Firmenpolitik
global agierender Automobilkonzerne. So sind
ferischer ArbeiterInnen eine klare Front gegen
die Aufspaltungsversuche von Unterneh-
mensleitung und sozialdemokratischen Ge-
wusstsein der im Arbeitskampf befindlichen
ArbeiterInnen. Der Rückhalt in der Bevölke-
rung wird heruntergespielt, Gewerkschafts-
Stowasser erscheinen. Leider werkschaftsfunktionären. Langfristig ist das funktionäre übernehmen die Aktionen und
hatten wir dafür an dieser Stelle Unternehmen versucht, diese Standorte auf- bremsen ihre Dynamik aus.
keinen Platz mehr. Der Essay zugeben und neue Produktionen mit Arbei- Um es gar nicht erst soweit kommen zu
wäre ein Vorabdruck aus seinem terInnen aufzubauen, die nicht in revolutio- lassen, wird an einem Standort die Beleg-
neuen Buch gewesen, welches nären Gewerkschaften organisiert sind. So schaft im Vorfeld gespalten. In Wolfsburg gibt
im Januar 2007 bei Edition AV dürfen beispielsweise in Pamplona nur Ar- es neben den unterschiedlichen Haustarifen
erscheint (Titel: „Anti-Aging für beitnehmerInnen eingestellt werden, die Mit- Arbeitsverhältnisse bei eigens gegründeten
die Anarchie? Das libertäre glied in einer dem Unternehmen wohlgesinn- Tochtergesellschaften wie Autovision, WobAG
Barcelona — 70 Jahre nach der ten Gewerkschaft sind. Erst wenn jemand im oder Auto5000. Durch die unterschiedlichen
spanischen Revolution“). Auf der Arbeitsverhältnis steht, gibt es wieder die Arbeitszeiten und -löhne kommt es zu Riva-
Seite der FAU Düsseldorf Möglichkeit für einen Wechsel. litäten innerhalb der Belegschaft. Darüber
(www.fau-duesseldorf.org) ist er hinaus spielt der künstlich erzeugte Wettbe-
in voller Länge nachzulesen. werb zwischen den Schichten oder Teams,
Situation hierzulande aber auch die Anfeindungen aufgrund ver-
An den deutschen Standorten der Automobil- schiedener Vergünstigungen zwischen Ange-
industrie hat die zentralistische DGB-Gewerk- stellten, TechnikerInnen und FacharbeiterIn-
schaft IG Metall die Fäden in der Hand. Alter- nen eine große Rolle für die Unfähigkeit der
native Betriebsräte werden vom Informa- ArbeiterInnen, sich gemeinsam zu organisie-
tionsfluss und bei Entscheidungen ausge- ren.
schlossen, andere Gewerkschaften auf Be- Dass es Perspektiven für einen gemeinsa-
geplanten Stellenabbau von 4000 der 5800 gerade im Zuge von Tarifverhandlungen Dro- triebsveranstaltungen verbal angegriffen, men und internationalen Kampf gibt, hat die
VW-Beschäftigten. 30.000 Menschen haben hungen mit der Verlagerung der Produktion Nichtmitglieder belächelt bis gemobbt. Demonstration in Brüssel gezeigt, an der Ar-
gezeigt, dass das Ausspielen der weltweiten bzw. von Fahrzeugfertigungen üblich, um die Nichtsdestotrotz wächst der Unmut in den Be- beiterInnen europäischer Volkswagen-Stand-
Standorte gegeneinander an seine Grenzen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen legschaften ebenso wie die Austrittsrate aus orte und anderer Automobilhersteller, ver-
Nachruf — Antonio stößt. leichter durchsetzen zu können. Letztere wer- den Einheitsgewerkschaften. Basisdemokra- schiedene linke Gruppen, Angehörige sowie
Pedrazo Sánchez Die traditionell kämpferische Belegschaft den von den der Sozialpartnerschaft ver- tische Betriebsgruppen bilden sich bei Volks- sich solidarisch zeigende Menschen teilnah-
Antonio sprach selten zu uns, des belgischen Volkswagenwerkes Forest in pflichteten Gewerkschaften als zumutbare wagen genauso wie bei Opel. Der letzte Streik men. Der persönliche Kontakt der ArbeiterIn-
und wenn, dann langsam und Brüssel legte nach der Radiomeldung über die Gegenleistung der ArbeitnehmerInnen für die im Opelwerk hat gezeigt, dass Unternehmen nen untereinander sowie die revolutionäre ba-
wohlüberlegt. Und wir hingen an beabsichtigten Entlassungen spontan ihre Ar- in Aussicht gestellte Arbeitsplatzsicherung und Gewerkschaftsfunktionäre machtlos bei sisdemokratische Arbeit innerhalb der Betrie-
seinen Lippen, denn was er beit nieder. Dienstreisende aus Deutschland gebilligt. Eine unnachahmbare Kunst stellt der Ergreifung der Initiative durch die Arbei- be sind die wesentlichen Aufgaben im heuti-
sagte, traf oft den Nagel auf den wurden aus dem Werk geleitet, die Direktion dabei jedes Mal der Verkauf schlechterer Ta- terInnen zuschauen müssen. Meistens demo- gen internationalen Klassenkampf.
Kopf. Wir waren damals junge zog sich ebenfalls zurück. Sogleich wurden rifabschlüsse durch die Gewerkschaftsfüh- ralisiert die durch Mainstream-Medien ge-
Anarchos, Anfang zwanzig, aber die Tore verrammelt und Streikposten aufge- rungen an die Belegschaften dar, die gerade- prägte öffentliche Meinung das Selbstbe- faust (Allgemeines Syndikat Hannover)
hier sprach jemand, der über stellt. zu als „Meilensteine in der Geschichte der Ar-
sechzig war – ein „alter Mann“, Volkswagen zieht die Produktion des neu- beiterbewegung“ gefeiert werden. Die Infor-
der lächeln konnte und Weisheit en Golf ab, um, so die Argumentation, den mationsveranstaltungen der Betriebsräte dazu
ausstrahlte. beiden verbleibenden Golf-Standorten in offenbaren ihre nahezu schauspielerischen
Das war in den Siebzigern, in Deutschland die im Zukunftstarifvertrag fest- Talente.
Deutschland, als sich die Exil- gelegte Beschäftigungssicherung bis 2011 ge- Die Dynamik des Volkswagen-Konzerns
CNT anschickte, ihre Ideen auch währleisten zu können. In Brüssel fallen da- auf internationaler Ebene stieg im letzten
unter den „Gastarbeitern“ zu für zusätzlich zu den 4000 Stellen bei Volks- Jahrzehnt immens an und richtete sich zum
verbreiten. Antonio Pedrazo wagen mindestens doppelt so viele Arbeits- einen am lokalen Absatzmarkt und den Pro-
Sánchez war selbstverständlich plätze in der Zulieferindustrie weg. Nachdem duktionskosten aus. Andererseits lassen sich
dabei. Denn er war schon immer vor zwei Jahren Renault ein Werk in Brüssel auch Reaktionen auf das Verhalten der jewei-
dabei. „Von Natur aus ein geschlossen hatte, würde sich mit Volkswa- ligen Belegschaft erkennen. Zusammen mit
Ácrata“, wie seine andalusischen gen der letzte verbliebene große Arbeitgeber den etablierten Gewerkschaften wurden Ar-
Genossen in ihrem Nachruf aus der Region mit zwölfprozentiger Arbeits- beitskämpfe unterwandert, die Belegschaften
schrieben, war er, 1915 im losenquote zurückziehen. gespalten und vermeintliche Rädelsführer ein-
südspanischen Manzanares geschüchtert. Beispiele dafür sind die Streiks
geboren, nach Bürgerkrieg und in den Volkswagenwerken Südafrika, Brasi-
Gefängnis in den frühen
Standortpolitik fördert Tarifver- lien oder bei Seat in Barcelona. Im spanischen
Sechzigern mit seiner Familie
schlechterungen Volkswagenwerk Pamplona hingegen bilden
auf der Suche nach Arbeit in Das Ausspielen von Standorten gegeneinan- basisdemokratische Gewerkschaften kämp-
Deutschland angekommen. Im
Rhein-Main Gebiet aß er das
bittere Brot der Immigration,
aber stolz und kein bißchen
resigniert. Wo immer es etwas zu
tun gab, fehlte er trotz seines
US-Army: Mit Taft-Hartley gegen Arbeiter
Alters nicht: Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will
Gewerkschaftsarbeit,
Demonstrationen, Unterstützung
des CNT-Magazins „impulso“,
ideelle Starthilfe für die junge
S eit dem 05.10.06 befinden sich laut Fi-
nancial Times Ltd ca. 17.000 ArbeiterIn-
nen der Goodyear Tire and Rubber Company
grad zu schließen, und der Plan, die Arbei-
terInnen zukünftige Erhöhungen der Kosten
der Gesundheitsversorgung komplett tragen
über die Effektivität dieser Maßnahmen weit
auseinander. Laut Pressesprecher des Kon-
zerns liegt die Produktion im Schnitt bei
aktuellen Einsatz mit Ersatzreifen versorgt
würden — und man, wenn es zu weiteren
Lieferproblemen käme und die kämpfenden
FAU. Praktische Solidarität eben, in den USA und Kanada im Streik. Laut Pres- zu lassen. Seit Beginn des Streikes versucht 50% der normalen Produktion, im Werk in Truppen beeinträchtigt würden, erwäge, das
Hilfe mit Worten, mit Taten, mit semeldungen war der Auslöser die Ankündi- Goodyear die Produktion mit Angestellten, Kansas, wo die Reifen des Humvee-LKWs2) Taft-Hartley-(Streikverbots-)Gesetz anzu-
Geld und – mit Poesie … Denn gung des Konzerns, ein Werk in Texas mit „salaried workers“1) und Zeitarbeitern auf- für das US-Militär produziert werden, gar wenden, da der Goodyear-Streik die natio-
Antonio schrieb Verse, die hohem gewerkschaftlichem Organisations- recht zu erhalten. Dabei gehen die Angaben bei nahezu 100%. Dem Vorsitzenden des Mi- nale Sicherheit der USA bedrohen würde.
manchmal besser halfen als alles litärauschusses im Repräsentantenhaus,
andere. Duncan Hunter, zufolge hat der Streik die Rudolf Mühland & Aswad
Im vergangenen Jahr ist Antonio Produktion allerdings um ca. 35% einbre-
im Alter von 90 Jahren in seiner chen lassen, und laut Stahlarbeitergewerk- 1) „Salaried workers“ bezieht sich auf Mit-
Heimat gestorben. An seinem schaft USW (United Steelworkers) ist in den arbeiter, die ein Festgehalt bekommen,
Grab stand Jung und Alt und bestreikten Werken die Produktion um gan- gleich wieviel Stunden sie arbeiten. Das be-
sang die traditionsreiche CNT- ze 80% zurückgegangen. Bisher kostet der traf früher nur Manager und höhere Ange-
Hymne „Negras Tormentas Streik den Konzern 30-35 Mio. USD an ope- stellte, wird aber jetzt auf ein viel breiteres
agitan los Aires ...“ Möge unser rativem Gewinn. Trotzdem könnte Goodyear Spektrum von Angestellten und Arbeitern
verspäteter Nachruf ihm und den ihn sogar als „cash-positiven Event“ verbu- angewendet. Teilweise geschieht das, um
Seinen zeigen, dass „der chen, wenn der Streik zu früh abgebrochen unbezahlte Überstunden aus den Leuten
Genosse Pedrazo“ auch in wird, da die Lagerbestände nun verkauft rauszupressen, aber auch, um sie künstlich
Deutschland nicht vergessen werden. als Vorarbeiter aufzuwerten, da diese nach
wurde. Wie die Deutsche Bank berichtet, stelle der US-Gesetzgebung nicht bei den gewerk-
(Horst Stowasser) Goodyear gegenwärtig noch 10.500 Reifen schaftlich erreichten Lohnabschlüssen ein-
für den Humvee her, während das Militär bezogen werden.
aber monatlich 20.000 benötige. Pünktlich 2) Diese LKW werden vom US-Militär u.a. im
zum Solidaritätstag am 16. Dezember kam Irak und in Afghanistan eingesetzt. Außer-
aus Kreisen der US-Army die Information, dem finden sie bei anderem militärischem
dass die Produktionsrückgänge schon dazu Equipment (zum Beispiel bei Flugzeugen)
geführt hätten, dass nur noch Truppen im Verwendung.
Januar/Februar 2007 Globales Nr. 179 Seite 11

v
strug·gle ['str gl] Alter Wein in neuen Schläuchen
Nachrichten von der Klassenfront Italien hat zwar nunmehr eine neue Regierung, doch die Politik des
Sozialabbaus bleibt die gleiche
Polen: Demo gegen Gewerkschaftsdeal Alle nach Paris zur
internationalen syndi-
Am 17. Dezember protestierten polnische AnarchistInnen vor der Hauptpost in Warschau
gegen einen Deal der großen Gewerkschaften mit den Bossen. Im November war es in meh-
M it einiger Katerstimmung blicken wir
hierzulande noch zurück auf die Ablö-
sung der Regierung Kohl durch Rot-Grün und
schen Linken Italiens, sowie die Unfähigkeit
ebendieser, Lösungen für die Probleme der ar-
beitenden Klassen in Zeiten eines entfessel-
kalistischen Konferenz
I-07
reren Postzentren zu wilden Streiks gekommen, in deren Verlauf die ArbeiterInnen Lohn- die bittere Pille, die die hiesige Arbeiterschaft ten Kapitalismus zu bieten, und schnell wur- Nach den Industriekonferenzen
erhöhunngen von rund 175,- Euro pro Monat, Achtstundenschichten und die Bezahlung vor allem durch Hartz IV, die Senkung der Re- de der Ruf nach dem starken Mann laut. Die in San Francisco (I-99) und
der Überstunden gefordert hatten. Sofort stürzten sich mehrere Gewerkschaften auf die allöhne sowie die immensen Erhöhungen der parlamentarische Linke verstand es jedoch Essen (I-02) ergreift nun die
Sache und verwandelten den wilden Streik in einen gewerkschaftlich kontrollierten. Sie Renditen großer Konzerne zu schlucken be- auch nicht, nach der ersten Niederlage Berlu- französische CNT die Initiative
schlossen einen neuen Tarifvertrag ab, der Lohnerhöhungen von rund 25,- Euro pro Mo- kommen hat. Einen ähnlich enttäuschenden sconis an Vertrauen zurück zu gewinnen, und und lädt alle Organisationen,
nat vorsieht. Als großer Erfolg wurde eine jährliche Einmalzahlung von 150,- Euro verkauft. Umzug vom Regen in die Traufe haben nun — der Cavaliere bekam seinen zweiten Auftritt, Gruppen, Netzwerke und
Dabei wurde dezent verschwiegen, dass es sich dabei lediglich um die Umwandlung von mit Antritt der Mitte-Links-Koalition um Ro- um die Probleme des Landes anzupacken. AktivistInnen, die bereits an den
bereits zuvor ausgegebenen Warengutscheinen in Geld handelte. Da die Geldleistung hö- mano Prodi — die italienischen Arbeiterinnen Die Lösungsrezepte, die spätestens ab vorangegangenen Konferenzen
her besteuert wird, haben die ArbeiterInnen unter dem Strich nun sogar weniger. Auch an und Arbeiter hinter sich. 2001 ins Spiel gebracht wurden, dürften vie- teilnahmen, sowie alle anderen
anderen Punkten haben die Gewerkschaften Verschlechterungen ausgehandelt. Der Protest Die italienischen Basisgewerkschaften lie- len hierzulande wie „alte Bekannte“ in den Interessierten zum I-07 (vom
vor der Warschauer Hauptpost diente dazu, die Öffentlichkeit über die Machenschaften der ßen sich von diesem Etikettenschwindel je- Ohren klingen: Flexibilisierung des gesamten 28. April bis 1. Mai 2007) ein.
Gewerkschaften zu informieren und diejenigen KollegInnen zu unterstützen, die die neu- doch wenig beindrucken und riefen am 17. No- Arbeitsmarktes, Förderung von Zeit- und Leih- Mehr in der DA 180.
en Verträge nicht annehmen wollen. vember den Generalstreik aus. arbeit sowie des Niedriglohnsektors, Arbeit auf
So ähnlich die Situationen nach den Re- Abruf, Senkung der Reallöhne und Heraufset-
Indien: Generalstreik in Kerbala und West-Bengalen gierungswechseln in Deutschland und Italien zung des Renteneintrittsalters, um nur einige
von Mitte-Rechts nach Mitte-Links teils auch Beispiele zu nennen. Was hier die sog. Hartz-
Mitte Dezember brachte ein Generalstreik in den beiden indischen Bundesstaaten Kerba- sein mögen, so unterschiedlich sind sie doch gesetze sind, wurde in Italien unter dem Na-
la und West-Bengalen das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen. Anlass für den Ge- zur gleichen Zeit. Oft wurde nach dem knap- men Legge Biagi (Biagi-Gesetz) verabschiedet,
neralstreik war der Protest gegen Privatisierungen, arbeiterfeindliche Arbeitsgesetze, stei- pen Wahlsieg Prodis davon gesprochen, dass um Europa bis zum Jahr 2010 international
gende Preise und niedrige Löhne. Der öffentliche Nahverkehr stand still, Dutzende Flüge Italien nach der Wahl so gut wie in zwei Teile wettbewerbsfähig zu machen. Was allerdings CNT-E soll 2,5 Millionen
wurden abgesagt, fast alle Züge blieben in den Depots und die meisten Banken und Ge- — Mitte bis extreme Rechte und Mitte bis ex- wenige wissen, ist, dass eben dieses Biagi-Ge- Euro erhalten
schäfte waren geschlossen. Es gab mehrere Demonstrationen; tausende von Polizisten wa- treme Linke — gespalten sei. Um die Verwir- setz bereits von der Mitte-Links-Regierung vor Die CNT-E soll während der
ren auf den Straßen. In vielen Callcentern, besonders denen, die für internationale Kun- rung in der öffentlichen Meinung zu noch ver- Berlusconis Wiederwahl auf den Weg gebracht ersten Phase der Rückgabe des
den arbeiten, waren die ArbeiterInnen zuvor von den Bossen aufgefordert worden, die stärken, kommt hinzu, dass sich über all die wurde. historischen
Nacht in den Firmen zu verbringen. Jahre unter dem Regime des Cavaliere Berlu- So verwundert es weit weniger, dass es — Gewerkschaftsvermögens
endlich als Entschädigung
China: Streik im Safaripark 2.458.925,70 Euro sowie drei
ihrer ehemaligen Immobilien
In Shenzen sind am 7. Dezember 400 ArbeiterInnen in einem Safaripark in den Streik für erhalten. Die
bessere Löhne, gegen Entlassungen und gegen das korrupte Management getreten. Der Park sozialdemokratische UGT soll
musste schließen, nachdem zu Schichtbeginn kein einziger der Beschäftigten zur Arbeit nach dem gleichen Beschluß des
erschienen war und sich stattdessen 100 als Streikposten vor dem Eingang postiert hat- Ministerrates 148.961.233.84
ten. Am darauf folgenden Freitag griffen 70 Polizisten die ArbeiterInnen an, die zu hun- Euro und 26 Immobilien
derten ein Sit-In abhielten und überall im Park Schilder anbrachten. Nachdem im Laufe erhalten. Die CNT-E fühlt sich
des Jahres der Aktienkurs der Firma eingebrochen war, waren im Oktober 25 ArbeiterIn- durch dieses eklatante
nen entlassen worden, wurden Überstundenzuschläge gekürzt und Sozialversicherungs- Missverhältnis über den Tisch
prämien zurückgehalten. Die Situation explodierte, als bekannt wurde, dass gleichzeitig gezogen.
zehn Managern ihr Ausscheiden mit Abfindungen von jeweils rund 12.000,- Euro versüßt
worden war.

Kanada: „Massenepidemie“ in Krankenhaus

Wegen eines Streikverbots kam es am 24. November in den Radiologien und Laboratorien
von fünf Krankenhäusern im kanadischen Cape Breton Distrikt zu einer „Massenepidemie“.
125 ArbeiterInnen hatten sich an diesem Tag auf einen Schlag krank gemeldet. In den be-
troffenen Krankenhäusern konnten weder Röntgen- noch Ultraschallaufnahmen gemacht Demonstration in Ancona
werden. Das Labour Relations Board des Bundesstaates Nova Scotia versuchte daraufhin Argentinien: Dringende
vergeblich, die krank gemeldeten ArbeiterInnen per Verfügung zurück an die Arbeit zu sconi offensichtlich fast niemand in Italien of- auch wenn die drei großen italienischen Ge- Solidarität mit Telefon-
zwingen. Angeblich handele es sich um ein „Sick-In“ und damit um eine Form wilden fen dazu bekannte, eben diesen überhaupt je- werkschftsföderationen CGIL, CISL, UIL arbeiterInnen
Streiks. Hintergrund der „Epidemie“ war eine Auseinandersetzung um Löhne, weil man den mals gewählt zu haben, und dass die neue Re- stramm an der Seite der neuen Regierung ste- Die TelefonarbeiterInnen von
ArbeiterInnen eine ausgehandelte Lohnerhöhung von 15% über drei Jahre verweigert hat- gierung gleich mit einem Generalstreik der Ba- hen — an der Basis weiter gärt und beträcht- Buenos Aires beanstanden seit
te. sisgewerkschaften in ihrem Amt begrüßt wur- liche Teile der italienischen Arbeiterinnen und langem die Situation ihrer
de. Dies scheint um so ungewöhnlicher, da Ro- Arbeiter der gesamten politischen Klasse mit GenossInnen in den
Niederlande: Wilder Streik im Terminal mano Prodi doch als Zugeständnis so geschickt Argwohn und Mißtrauen gegenüber stehen. ausgegliederten Betrieben, d.h.
die Schlüsselposition des Präsidenten der ita- Also riefen die Basisgewerkschften COBAS, den von Telefónica und Telecom
Mit einem wilden Streik haben Hafenarbeiter in Europas größtem Containerhafen, Rotter- lienischen Deputiertenkammer mit dem ehe- UniCobas, CUB und unsere anarchosyndikali- beauftragten Betrieben, die
dam, für einige Tage die Abfertigung durcheinander gebracht. Der Streik fand bei der Fir- maligen Linksgewerkschafter und vermeint- stische Schwestergewerkschaft USI-AIT am diverse für die
ma „European Container Terminals“ (ECT) statt. Die Firma mit 2.000 Beschäftigten gehört lichen Linksaussen seiner Koalition, Fausto 17.11. diesen Jahres einen gemeinsamen Ge- Telekommunikation notwendige
zur „Hutchinson Port Holdings“ mit Sitz in Hongkong. Der Ausstand richtete sich u.a. ge- Bertinotti (Partito della Rifondazione Commu- neralstreik für sichere und feste Arbeitsver- Aufgaben durchführen. Die
gen immer unkalkulierbarere Arbeitszeiten und Arbeitshetze. Die Abfertigung der Contai- nista), besetzt hat, der schon zu Oppositions- hältnisse, für das Recht auf ein lebenssi- ArbeiterInnen der
ner (normalerweise rund 70.000 pro Woche) bei ECT kam praktisch zum Stillstand. Der Ge- zeiten als Bindeglied zwischen der parlamen- cherndes Einkommen, für die Sicherung der ausgegliederten Betriebe haben
schäftsführer, Jan Westerhout, erklärte gegenüber der Presse, das man zwar versuche, die tarischen und Teilen der ausserparlamentari- Renten und gegen die Erhöhung des Renten- nicht dieselben Rechte wie die
Beladung der LKWs zu gewährleisten, dass man aber praktisch niemanden finde, der ar- schen Opposition fungierte. eintrittsalters, für die Sicherung des Sozial- ArbeiterInnen von Telefónica
beiten wolle. Er äußerte sich sehr erzürnt darüber, dass die Arbeiter sich nicht an eine Ver- Um diese vermeintlich verworrene politi- staates und gegen den Ausverkauf des Sozial- und Telecom, obwohl sie
einbarung halten wollten, die jüngst mit der Gewerkschaft ausgehandelt wurde und eine sche Situation zu verstehen, empfielt es sich, wesens (öffentlicher Dienst, Krankenversor- Aufgaben im selben
flexiblere Zeitplanung vorsah. „Man will im Hafen von Rotterdam das Wort Flexibilität nicht einen Blick in die jüngste Geschichte Italiens gung etc.), gegen das Einfrieren der Reallöh- Tätigkeitsbereich durchführen.
hören“, sagte Westerhout, „das haben die anscheinend irgendwo tief in ihren Genen“. Die zu werfen. Denn: Für den einen oder die an- ne, gegen die neuen Haushaltspläne sowie für Mehr: fau-duesseldorf.org
Führung der Gewerkschaft, welche die Vereinbarung abgeschlossen hatte, sagte, man wür- dere mag der Spruch, jede Partei — egal ob drastische Kürzungen des Etats für das italie-
de den Streik nicht unterstützen, könne aber auch wenig dafür tun, ihn zu beenden. links oder rechts — vertrete früher oder später nische Militär und gegen die Beteiligung Ita-
lediglich die eigenen Interessen, recht abge- liens an den Kriegen dieser Welt aus.
USA: Erster wilder Streik bei Wal-Mart droschen klingen; für Italien erweist er sich je- Neben einer regen Beteiligung am Streik
doch noch zutreffender als für die große Koa- (italienweit etwa 1.500.000) gab es landesweit
Mitte Oktober kam es in einem Wal-Mart in Hialeah Garden im US-Bundesstaat Florida zum lition in Deutschland. etwa 300 Demonstrationen (u.a. in Florenz,
ersten wilden Streik in der Geschichte des Konzerns. 200 ArbeiterInnen, nahezu die ge- Ancona, Bari, Neapel, Bologna, Celle Ligure, Das Erwachen des Klas-
samte Schicht, verließ das Einkaufszentrum um neun Uhr morgens. Anlass für den Streik Genua, Mailand). Allein in Mailand gelang es, senkampfs in Bangla-
ist ein ganzes Bündel von Verschlechterungen, die die Konzernleitung durchsetzen woll- 10.000 Streikende auf die Straßen zu bringen. desh
te. Dazu gehört u.a. die Reduzierung der Arbeitszeit für etliche Beschäftigte und die For- So sehr der Technokrat und Europapoliti- In Bangladesh setzt sich ein
derung, dass die ArbeiterInnen 24 Stunden auf Abruf bereitstehen sollen und sofort zur ker Prodi von den anderen EU-Regierungen immer größer werdender Teil
Arbeit zu erscheinen hätten, wenn ein Computerprogramm in der Wal-Mart-Zentrale die auch als Hoffnung für das Projekt 2010 ange- von Arbeitern (Bauern ohne
Schichten und die individuellen Stundenaufteilungen berechnet und zusammengestellt sehen werden mag, so schwer wird er es wohl Grund und Boden, Fabrikarbeiter
hat. Noch am Nachmittag standen rund 50 ArbeiterInnen vor den Eingängen und zeigten in seinem eigenen Land haben. Denn was sich der Textilindustrie, LehrerInnen)
handgemalte Plakate, auf denen zu lesen stand: „Wal-Mart, wir sind Menschen und wir ver- hierzulande lediglich als heiße Luft entpuppt für anständige
langen Respekt!“ Zeitgleich mit dem Streik, zu dem keine Gewerkschaft aufgerufen hatte, hat, ist jenseits der Alpen zwar ein später, aber Lebensbedingungen und für
wurde der Konzernleitung ein Fax mit Forderungen übermittelt, das von nahezu allen Ar- umso heißerer Herbst geworden. Und wo sich soziale Gerechtigkeit ein.
beiterInnen namentlich unterschrieben war. Nach ersten Informationen machte Wal-Mart hierzulande das Nichtstun in den Führungse- Mehr: fau-duesseldorf.org
als Ergebnis des Streiks eine Reihe von Zugeständnissen, ein genaues Ergebnis ist uns aller- tagen der Zenralgewerkschaften in alter Tra-
dings noch nicht bekannt. Wenige Tage nach dem Streik wurde Wal-Mart in einer anderen dition fortgesetzt hat, ist dort das dolce far
Sache von einem Gericht zur Zahlung von 72 Millionen US-Dollar Schadenersatz für ent- So war einer der Gründe für die erste Wahl niente zum politischen Statement geworden.
gangene Pausen verurteilt, die ArbeiterInnen in Wal-Mart-Märkten in Philadelphia zwi- Berlusconis eine Anzahl von Korruptionsskan-
schen 1998 und 2006 nicht nehmen durften. dalen und Spaltungen in der parlamentari- Lars Röhm
Seite 12 Nr. 179 Globales/Hintergrund Januar/Februar 2007

größer. Dauernd flogen Steine, wir versuch-

Die Masken sind gefallen


ten sie mit unseren Fahnen abzuwehren. Die
Eyal Rozenberg (Israel) Menge vor uns wurde ständig größer, die hin-
Im August und September 2006 ter uns kam langsam näher. Die Beschimp-
reiste der israelische Anarchist fungen und Bedrohungen den Frauen gegen-
Eyal Rozenberg durch Teile Griechenland: Vergewaltigung im Paradies über wurden immer ekelerregender.“
Europas und hielt — vor allem
auf Einladung diverser FAU-
Ortsgruppen — auch in
Deutschland mehrere Vorträge
S onne, Meer, idyllische Buchten, Strand-
tavernen, malerische Dörfer, Gastfreund-
schaft. Dass dieses Ideal aus dem Reisekata-
as — ein ehemaliger antifaschistischer Wider-
standskämpfer, der im Zweiten Weltkrieg zur
Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert
Patriarchat im Puff und beginnt in der Schu-
le“ und bezogen auf die fremdenfeindliche
„Ausländer (Fremde) raus“-Parole „Fremde
„Ihr kommt hier nicht lebend raus“
Die Steine fliegen aus immer kürzerer
über die Situation im Nahen log nicht für alle Fremden in Griechenland wurde — schaltet sich ein und spricht von sind nicht die Migranten, sondern die Verge- Distanz, und die ersten DemonstrantInnen
Osten und die Lage Gültigkeit besitzt, konnte dem aufmerksa- schlimmen rassistischen Auswüchsen, die in waltiger und ihre Unterstützer“, oder auch werden am Kopf getroffen. Einer geht ohn-
emanzipatorischer Bewegungen meren Teil der griechischen Bevölkerung in letzter Zeit sowohl in der griechischen Ge- der alte feministische Slogan „Vergewaltiger mächtig zu Boden. „Die Genossen haben ihn
dort. Obwohl in München keine den letzten Jahren nicht verborgen bleiben. sellschaft als auch in der Berichterstattung sind keine besondere Rasse, sondern ganz hochgezogen und mitgeschleppt, und dann
Veranstaltung zustande kam, Zu häufig waren die fremdenfeindlichen von Teilen der Medien um sich greifen. Er ap- normale Männer!“ Das nationalistische Dorf- fingen sie an, mit Knüppeln auf uns einzu-
hat die OG München die Ausschreitungen ganzer Dorfgemeinschaf- pelliert an alle, diesen Tendenzen entgegen- denkmal, das der „toten Helden“ gedenkt, schlagen. Wir verteidigten uns so gut es
Gelegenheit genutzt, um ein ten, die mit vereintem Volkswillen die „drek- zuwirken, und erinnert speziell die Medien die sich im Bürgerkrieg der „kommunisti- ging.“
Interview mit Eyal zu führen. kigen Albaner“ oder „die klauenden Auslän- an ihre Verantwortung. Volkes Stimme jedoch schen Gefahr“ entgegengestellt haben, wird Gespräche sind nicht möglich, es scheint
Mehr: fau-duesseldorf.org der“ aus ihren Dörfern verjagten. Zu breit der tendiert eindeutig in Richtung „Sexorgie“, in ein „Denkmal der von griechischen Klein- keine Chance zu geben, die völlig durchdre-
rassistische gesellschaftliche Konsens, der nach dem Motto: „Die haben das doch alle so bürgern ermordeten Migranten“ umgestaltet. henden Männer irgendwie zu beruhigen. „Die
Ausländer in gut — die bezahlenden Touri- gewollt!“ Ein Demonstrant berichtet: „Während die wollten Rache nehmen. Je mehr einer ver-
stinnen — und schlecht — die Arbeitsmi- Parolen gesprüht wurden, nahmen die Pöbe- suchte, sich zu verteidigen, desto wilder prü-
Erklärung der CNT-E und granten — einteilte. Wie ekelerregend und leien der Dorfbevölkerung zu.“ Diese bezie- gelten sie auf ihn ein.“ „Ihr kommt hier nicht
der USI zu Oaxaca manchmal lebensgefährlich das Gemisch aus
Knüppel, Spaten, Hacken hen sich jedoch nicht auf die Parolen, son- lebend raus!“
Dokumentation der Erklärungen Rassismus, Sexismus, Patriarchat, Stolz und Am 19. November demonstrieren ungefähr dern auf die Vergewaltigung an sich, über Unter ständigen Schlägen und einem Ha-
der CNT-E und der USI zur der Verteidigung der Dorfehre ist, welches in 120 Frauen und Männer der anarchistischen die mittlerweile Sprüche in der ersten Person gel von Steinen — einzelne werden zu Boden
aktuellen Repressionswelle in den abgelegeneren Regionen Griechenlands geschlagen und dann zusammengetreten —
Oaxaca/Mexiko unter fau.org. bis heute überdauert hat, zeigen die Ereig- versuchen die GenossInnen zu entkommen.
nisse der letzten zwei Monate in Amarynthos, „Die ganze Demo rannte nur noch.“ Erst nach
einem Dorf auf der Insel Euböa. mehr als zwei Kilometern erreichen die
Flüchtenden die wartenden Busse, sie wer-
Impel-Tom hat Aktivi- den bis zuletzt verfolgt. Unter Flüchen und
sten der Inicjatywa Pra- Das Verbrechen Gebrüll fahren die Busse los, während noch
cownica gefeuert Während sich die Lehrer nach sechswöchi- die Letzten hineinspringen. „Bald merkten
Das Unternehmen Impel-Tom hat gem erfolglosem Streik Mitte Oktober ge- wir, dass einige fehlten. Die wurden zum
drei Aktivisten der Inicjatywa schlagen geben (DA Nr. 176/178), gehen die Glück von den Bullen aufgesammelt und spä-
Pracownica (ArbeiterInnen- Universitäts- und Schulbesetzungen gegen ter zu den Bussen gebracht. Der Alptraum
Initiative) gefeuert, weil sie vor die geplante Bildungsreform der konservati- war vorbei. Wir waren alle total schockiert
Gericht laut und offen über die ven Regierung erst mal weiter. Auch die von dieser mörderischen, vernichtenden Ra-
illegalen Aktivitäten des Schule in Amarynthos ist zu dieser Zeit ver- serei.“
Arbeitgebers gegenüber ihrer barrikadiert. Während der Besetzung wird Von den 120 DemonstrantInnen sind am
Gewerkschaft gesprochen haben. eine 16-jährige Schülerin bulgarischer Ab- Ende des Tages über 60 mehr oder weniger
Mehr: fau.org stammung von vier ihrer Mitschüler auf der schwer verletzt. Platzwunden, Arm-, Schul-
Schultoilette vergewaltigt, vier Klassenka- ter-, Handbrüche, Stauchungen. Es ist reiner
meradinnen schauen zu und filmen die Tat Bewegung in Amarynthos. Sie wollen ihrer Plural zu hören sind. „Gut, wie wir’s ihr ge- Zufall, dass niemand erschlagen wurde. Dem
mit ihren Handys. Die Mutter des Opfers er- Wut über die Vergewaltigung sowie die fol- geben haben“ und „die hätten wir bis ins Großteil der griechischen Presse sind die
stattet Anzeige, die Täter und ihre Eltern be- genden rassistischen und sexistischen Reak- Rückenmark ficken sollen“. Während die mordlustigen Angriffe keine Meldung wert.
StudentInnenproteste haupten, „die Hure ist doch eh mit jedem ins tionen der griechischen Gesellschaft und Demo weiterzieht, kommt es zu ersten kör- Wenn in Randspalten doch über das widerli-
in Serbien Bett“ und habe alles freiwillig mitgemacht. Es großer Teile der Linken Ausdruck verleihen. perlichen Angriffen. „Vor allem die Frauen che Geschehen berichtet wird, sind „anar-
Im Dezember blockierten riecht nach Sex and Crime, das verkauft sich Angriffsziel der Demonstration ist auch der wurden übelst beschimpft. Groß und Klein chistische Provokationen“ für die „Ausein-
StudentInnen der Universität gut, und so belagern diverse Fernsehsender scheinbare Konsens der Dorfgemeinschaft, stand auf den Balkonen, alle haben gepöbelt. andersetzungen“ verantwortlich. Das Boule-
von Belgrad mehrere Tage lang das Dorf. Unterbrochen von Live-Schaltun- die „in ihrer Gesamtheit das Verbrechen gut- Aber das war erst der Anfang.“ vardblatt „Espresso“ berichtet über die
das Gebäude der gen ans Schultor finden Abend für Abend heißt, indem sie die Täter schützt und das Kurz später wird bekannt, dass die Bus- „kämpferische Stimmung“ im Dorf und zeigt
Philosophischen Fakultät. Ein Diskussionsrunden so genannter Fachleute Opfer zur Schuldigen macht“. Auf mögliche se nicht mehr auf dem Parkplatz warten, son- mit Knüppeln bewaffnete Dorfpatrouillen, die
kurzer Überblick über die im Fernsehen statt. Dort wird über „die Ge- Provokationen der Dorfbevölkerung will man dern aus dem Dorf gejagt wurden. „Mittler- nachts Wache schieben, um „Strafaktionen
StudentInnenproteste in Serbien walttätigkeit der Jugend“ oder „die sexuelle nicht eingehen. Die aus Thessaloniki und weile beeilten wir uns, wegzukommen. Un- der Anarchisten“ abzuwehren. „Wenn die
und Analysen mit interessanten Zügellosigkeit unserer Kinder“ schwadro- Athen mit zwei Bussen angereisten Demon- gefähr hundert Meter hinter dem Dorfaus- nachts kommen, schlagen wir sie tot“, wird
Details werden später niert. Immer wieder dazwischengestreut an- strantInnen verteilen Flugblätter, rufen und gang haben sich dann die ersten Dorfbewoh- ein „Dorfschützer“ zitiert. Doch wer will
herausgegeben. gebliche Handyfilmchen mit Pornoaufnah- sprühen Parolen. Nach eigener Einschätzung ner gesammelt. Mit Knüppeln, Spaten, Hak- schon noch nach Amarynthos! Auf Indyme-
Mehr: fau.org men. sind die für den Stand der antipatriarchali- ken, Eisenketten und Spießen. Von weitem dia Athen rufen Frauen zum Urlaubsboykott
Auf Grund der Pogromstimmung im Dorf schen Diskussion in Griechenland — auch sah es aus wie eine parastaatliche Gruppe. von Amarynthos im nächsten Sommer auf.
flüchten Mutter und Tochter nach einigen innerhalb der Szene — durchaus revolutionär Sie fingen an, Steine zu schmeißen, wir gin-
Anzeige Tagen nach Athen. Staatspräsident Papouli- zu nennen. „In dieser Gesellschaft endet das gen weiter, und die Panik wurde langsam Ralf Dreis, FAU Frankfurt

MWR: The sexiest rebellion ever


Über die Selbstorganisation eines Haufens ungebildeter, fauler, betrunkener Taugenichtse und die Rolle des Internets dabei

McDonald's Workers Resistance (MWR) — legenheit zu sein. Einige Sachen sind immerhin che, unaufschiebbare Aufgabe eines jeden sein, schaft, die Gewerkschaft der Sex-ArbeiterIn-
diesen Namen gab sich 1999 eine Gruppe ziemlich klar: Die Machtbeziehungen liegen der über Revolution reden will, herauszufin- nen, das KollegInnen-Kollektiv in der U-Bahn,
junger McDo-ArbeiterInnen in Glasgow nicht in Händen der Regierungen oder „auf der den, wie wir solche Strukturen aufbauen kön- etc. All diese Bewegungen, Kämpfe, Strukturen
(Schottland). Mit der Zeit schlossen sich Straße“, sondern sind verstreut in der Gesell- nen. Und ich habe den Eindruck, dass diese verdienen Beachtung, wenn wir versuchen, den
andere Gruppen in Großbritannien (UK) schaft, in wirtschaftlichen und sozialen Bezie- Frage — die Frage, die uns nachts wach halten kollektiven Kampf zur Normalität unter Arbei-
und im Ausland an. Bis die Bewegung hungen. Die Transformation ökonomischer Be- sollte — weniger Aufmerksamkeit erfährt als terInnen zu machen.
2004 an Elan verlor und die ursprüngliche ziehungen wird effektive selbstorganisierte Diskussionen darüber, wie man Polizeiketten
Gruppe sich auflöste, umfasste sie Strukturen der Arbeiterklasse in der Wirtschaft durchbricht, was in der Sowjetunion geschah,
Hunderte ArbeiterInnen, die sich selbst als erfordern; diese Strukturen müssen sich in der oder wer wen auf einer anarchosyndikalisti-
Hauptsache Organisieren
„apolitisch“ oder politisch uninteressiert Verteidigung der Interessen der ArbeiterInnen schen Konferenz im Jahre 1952 brüskiert hat. Während der McVerleumdungs-Verhandlung2
bezeichneten — aber die meisten bewähren, schaffen so Vertrauen und versetzen Es scheint, dass wir über alles reden würden, beschrieb der Oberste Gerichtshof die Einstel-
unterstützten den konfrontativen Kurs der die Arbeiterklasse vielleicht einmal in die Lage, nur um dieses Monument für die Bedeutungs- lung von McDonald's zu Gewerkschaften als
Glasgower Gruppe. Dieser Versuch, gering kollektiv zu produzieren und zu verteilen. Der losigkeit unserer Politik zu meiden. „abgeneigt“; das ist so, als würde man einen Se-
qualifizierte ArbeiterInnen mit Hilfe des Gedanke, dass diese Strukturen „spontan ent- Und ich habe keine Ahnung, wie wir diese rienmörder als schlechten Nachbarn bezeich-
Internets zu organisieren, sammelte stehen“ werden, ist hohl. Strukturen aufbauen. Aber wenn es mal einen nen. Sie haben Tests mit Lügendetektoren
wichtige Erfahrungen und begründete Nun, ich sehe ein, dass diese Strukturen richtigen Enthusiasmus geben würde, das kol- durchgeführt, um Sympathien für Gewerk-
gegen alle Widrigkeiten auch bei nur in gewissen Zeiten vorankommen und zu lektiv rauszufinden, dann wäre ich gern ein schaften herauszukriegen, haben ganze Filia-
McDonald's eine Widerstandstradition. anderen Zeiten in der Defensive sein werden. Teil davon — so wie ich ein Teil von McDonal- len geschlossen, als sich die ArbeiterInnen zu
Die Erfahrungen von MWR sollen als Und ich weiß nicht, welche Form diese Struk- d's Workers Resistance war. MWR war ein Expe- organisieren begannen3, und wurden wieder-
Anregung für ArbeiterInnen dienen, die turen annehmen werden oder sollten. Vielleicht riment, das den Klassenkampf in der zeitge- holt für illegale Einschüchterungsmaßnahmen
sich v.a. im Niedriglohnsektor sollten sie formell konstituierte Gewerkschaf- nössischen Gesellschaft für kurze Zeit erleich- gegen Organiser verurteilt. In keiner einzigen
zusammentun und für ihre Würde ten sein oder auch so informell wie eine Grup- tert hat. In den letzten Jahren hat es viele ähn- McDonald's-Filiale in der englischsprachigen
kämpfen wollen, wie auch andere vor pe von KollegInnen, in der sich in vorherge- liche und viel bedeutendere Kämpfe gegeben. Welt konnte eine Gewerkschaft Fuß fassen.
ihnen gekämpft haben. Just do it! henden Kämpfen Solidarität entwickelt hat. Auf An wichtigeren Bewegungen fallen mir spontan
jeden Fall aber muss es Strukturen geben, ein: die JJ Food-ArbeiterInnen, wilde Streiks Fortsetzung auf der nächsten Seite
Revolution scheint eine sehr vertrackte Ange- right? Daher muss es die große, unausweichli- der Post-ArbeiterInnen1, die Kurier-Gewerk-
Januar/Februar 2007 Hintergrund Nr. 179 Seite 13

Fortsetzung von der vorherigen Seite ihr Organisierungspotenzial war offensichtlich stehe ich die Gewohnheit nicht, Flugblätter für che Kontaktliste — da man von einem Yahoo-
sehr viel stärker eingeschränkt als unseres. „die Öffentlichkeit“ zu schreiben. Es muss spe- Account nur etwa 100 Emails pro Stunde ver-
Auch wir haben es anfangs (1998) versucht und Ohne den rechtlichen Rückhalt einer aner- zifisch sein. Ein Flugblatt für „ArbeiterInnen senden kann, brauchten wir einen ganzen Tag, Das englischsprachige Info-
von den insgesamt 60 ArbeiterInnen 40 Unter- kannten Gewerkschaft war auch unsere Lage der Nahrungsmittelindustrie“ ist meiner Mei- um eine einzige Nachricht zu verschicken. Der Portal libcom.org führte im
schriften gesammelt, die unsere Gruppe als ihre sehr prekär. Doch in den ersten beiden Jahren, nung nach unsinnig. Ein Flugblatt für Bäcker Höhepunkt unserer Bewegung war der welt- November 2006 ein Interview
Gewerkschaft anerkannten. Aber die Fluktua- als MWR nur in einer Filiale existierte, waren ist besser. Ein Flugblatt für die Bäckerei, in der weite Aktionstag am 16. Oktober 2002. Einiges mit einem MWR-
tion ist so hoch, dass diese Taktik aussichtslos wir ganz erfolgreich damit, das Arbeitstempo du arbeitest, ist noch besser. Und ein Flugblatt von dem, was an diesem Tag ablief, ist im Inter- Gründungsmitglied. In
war. Wir taten das einzig Logische: Wir gaben runterzufahren, Bonuszahlungen sicherzustel- für deine Bäckerei über den neuen Arbeits- net dokumentiert.5 Ein paar der Berichte er- bearbeiteter und gekürzter Form
auf. len, gegen Mobbing vorzugehen, etc. Aber jede schritt, der letzte Woche eingeführt wurde? Ja, wiesen sich als nicht ganz zutreffend, aber vier ist es hier abgedruckt.
Einige Monate später kam der Gedanke offene Auseinandersetzung hätte dazu geführt, dann kann das was werden! Jahre später scheint das nun auch nicht so Die ungekürzte Fassung des
wieder auf: Verdammt nochmal, dachten wir dass wir alle unverzüglich auf der Straße lande- Ich denke, es ist wichtig, dass ArbeiterIn- wichtig. Es war ein großer Coup, viel größer als Interviews und ergänzendes
uns, selbst wenn das Gesetz unsere Organisa- ten. So wurde uns eine nichthierarchische Or- nen ihre Gedanken auf Grundlage einer best- wir erwartet hatten, und das hat ganz schön Material findet sich ab Ende
tion nie anerkennt, heißt das doch noch lange ganisierung wirklich aufgezwungen: Niemand möglichen Analyse veröffentlichen und vertei- Auftrieb gegeben. Ich dachte nicht wirklich, Januar auf
nicht, dass wir deshalb keine haben können! In wollte der Anführer sein, der als erstes fliegt! digen. Dabei sollten sie nicht erwarten, dass dass viel passieren würde, aber als ich an die- www.fau.org/fau_medien/da
dem Maße, wie wir mehr über „normale“ Ge- Bevor wir je explizit organisiert aufgetreten der Rest der Arbeitskräfte so wird wie sie selbst. sem Morgen meine Emails checkte, waren da all Der englische Originaltext ist
werkschaften erfuhren und mit ihnen einige sind, verband die ArbeiterInnen in unserer Fi- Das wurde schon in dem Artikel „Give up Acti- diese Berichte, die schon aus Australien her- einzusehen unter
Zeit verbracht hatten, fielen uns weitere Grün- liale ein starkes soziales Band: Am Zahltag gin- vism“ thematisiert:4 Einer der Punkte war, dass einkamen. Es war eine sehr aufregende Zeit. http://libcom.org/library/
de auf, warum das kein wünschenswerter Gang gen alle ins Pub, viele freundeten sich an, ver- Aktivisten meinen, die Welt wäre in Ordnung, Was auch immer aktive Sabotage gewesen sein interview-with-mcdonalds-
für unseren Kampf ist. Aber dieses Nichtver- abredeten sich, und so. Als dann jemand sag- wenn nur jeder so werden würde wie sie. Nun, mag und was nicht, zahlreiche technische Pro- workers-resistance
hältnis beruht auf Gegenseitigkeit: Aus wirt- te, „Wir sollten wirklich etwas unternehmen“, klassenkämpferische AnarchistInnen sind auf bleme und Beispiele gewöhnlicher Inkompe-
schaftlichen Erwägungen heraus sind die Ge- war das dann auch keine hohle Phrase ... und einem ähnlichen Trip. Ich denke aber, die Re- tenz wurden der unsichtbaren Hand des Wider-
werkschaften nicht daran interessiert, gering die Unruhe breitete sich in unserer inzestuös volution wird von ArbeiterInnen gemacht wer- stands zugeschrieben! Andere Aktionen waren
qualifizierte Arbeitskräfte mit hoher Fluktua- kleinen Welt aus wie eine Geschlechtskrank- den, die die wirtschaftlichen Beziehungen, die weniger erfolgreich. Aber auch der 16. Oktober
tion zu organisieren. Für gewöhnlich nannten war nur auf symbolischer Ebene ein Erfolg.
Anzeige
sie McDonald's das „schwarze Loch“ aller Orga- Anfang 2003 waren einige der Leute der
nisierungsbestrebungen. Also ist die Frage Ursprungsgruppe, die noch immer dabei waren,
nach den Gewerkschaften für ArbeiterInnen in umgezogen und arbeiteten bei McDonald's
vielen prekären Branchen von geringer Bedeu- außerhalb von Schottland. Unseren neuen Kol-
tung. legInnen erzählten wir nicht, dass wir mit MWR
Aus den genannten Gründen mussten wir vertraut sind, und mussten uns von ihnen Wit-
als geheime Gruppe operieren. Das bedeutete, ze anhören, die wir selbst geschrieben hatten.
dass wir nur ungern öffentlich auftraten, uns Um ehrlich zu sein, wir hatten auch irgend-
fotografieren ließen, Journalisten trafen oder wann die Schnauze voll davon. Wir wurden äl-
TV-Interviews gaben. Einige Hindernisse konn- ter, hatten weniger Kontakt zu den übrigen Ar-
ten wir umgehen: Bei Pressekonferenzen waren beitskräften, und unser Diskurs war nicht mehr
entweder keine Aufnahmen zugelassen oder ganz der ihre. Und wir waren einfach müde —
wir trugen Masken. Aber der größte Nachteil Ihr wisst ja selbst, wieviel Arbeit solche Pro-
war, dass unser Organisationsnetzwerk immer jekte machen. Es war großartig, dass so viele
unterwandert war und wir die meisten Betei- Angestellte Kontakt zu uns aufgenommen ha-
ligten nie getroffen haben. Wir waren nie in ben, aber das bedeutete auch Stunden vor dem
der Lage gewesen, so was wie eine Konferenz zu Computer. Dazu kommt noch, dass wir inzwi-
organisieren. Umso wichtiger waren für uns die schen sechs, sieben Jahre bei McDonald's ge-
„neuen Technologien“. Das Internet ermöglicht arbeitet hatten. Das ist eine lange Zeit. Es war
einen Grad von Organisierung und Kontakt, der Zeit, Schluss zu machen, und wir versuchten ei-
für vorhergehende Generationen einfach nicht nen Nachruf zu schreiben. Ich war sehr unzu-
finanzierbar gewesen wäre. Das kann eine gro- frieden, dass es so endete, und ich fühlte mich
ße Hilfe sein, und ich denke, das Potenzial der ein bisschen, als hätten wir eine Menge Zeit
ArbeiterInnenbewegung im Internet ist enorm verplempert. Aber jetzt, mit ein paar Jahren
— die Strukturen dazu werden von Leuten ge- Abstand, kann ich sehen: Ohne eine umfas- 1 z.B. im Februar 2006 in Belfast
schaffen, die nicht notwendigerweise politisch sendere Bewegung kann eine Initiative wie un- 2 Verfahren gegen zwei
drauf sind. Einfache Seiten, sowas wie www.an- sere immer nur ein Experiment sein. AktivistInnen Mitte der 1990er
gekotztebedienung.de, können zu Strukturen In unserem letzten Jahr wollten wir so et- 3 z.B. 2002 in Wiesbaden
kollektiven Kampfes werden. was wie eine syndikalistische Gruppe werden. 4 gekürzte Übersetzung auf
Natürlich birgt das Netz auch Gefahren. Es Wir begannen eine wenig inspirierende und un- www.nadir.org
ist nicht schwer, „das Netzwerk“ mit Organisa- realistische Lohnauseinandersetzung und for- 5 auf Englisch unter
tion zu verwechseln. Wenn du tausend Kon- derten sechs Pfund Stundenlohn als Einstiegs- http://libcom.org/library
http://mwr.org.uk

takte hast, aber kein einziger in der Lage ist, gehalt. Warum Lohnforderung? … weil es ge-
am Arbeitsplatz eine Struktur aufzubauen, nau das ist, was Arbeiterorganisationen ma-
dann hast du tausend Mal nichts. Es handelt chen, nicht wahr? Das ist ein Punkt, der häu-
sich um ein Problem der Art und Weise, wie fig vernachlässigt wird, aber die Annahme, dass
heutzutage organisiert wird. Die Leute wollen ArbeiterInnen am meisten an materiellen For-
zumindest das Gefühl haben, dass sie voran- heit. unser aller Leben vergällen, kollektiv in Frage derungen interessiert sind, muss auf den Prüf-
kommen, und da praktisch verankerte Struk- Ich schätze, der springende Punkt ist: Wir stellen. Das wird nicht durch Magie vor sich stand. Wir wollten nicht für McDonald's arbei- Anzeige
turen fehlen, gründen sie Netzwerke. Mit dem kamen in die Puschen, weil Leute agitiert ha- gehen, sondern wird ausgehen müssen von be- ten, ob sie uns nun sechs oder 20 Pfund die
Internet kannst du für alles ein Netzwerk auf- ben, die von KollegInnen respektiert wurden. wussten Bemühungen der radikalisierten Teile Stunde zahlten. Also, wie kamen wir auf die
machen. Du kannst z.B. ein Netzwerk von Wä- Das ist wahrscheinlich eine Vorbedingung für der Klasse — an dieser Bewegung werden auch Idee, dass andere ArbeiterInnen von einer sol-
scherei-ArbeiterInnen bilden, du findest si- jede ArbeiterInnenbewegung, die es je gegeben ArbeiterInnen teilnehmen, die in die Moschee chen Kampagne angeregt würden? Offensicht-
cherlich ein Dutzend Leute mit anarchistischen hat und jemals geben wird. Alles marxistische gehen, Mascara tragen, eher Thomas Mann als lich hängt es vom Kontext ab, was praktisch
Sympathien, eine in Helsinki, einen in New Theoretisieren wird das nicht ändern. Es war Marx lesen, an New-Age-Mystik glauben, vor'm und was Quelle der Unzufriedenheit ist. Lohn-
York und mindestens eine in Hackney. So auch wichtig, dass die Leute der MWR-Kern- Essen „Danke“ sagen, oder … Antiquitäten forderungen können sehr wichtig sein, sie kön-
kriegst du das Gefühl, dass es vorangeht. Ich gruppe die besten und erfahrendsten Arbeiter- sammeln. Ich sehe also keinen Widerspruch nen aber auch unrealistisch und einfallslos
will diese Netzwerke nicht abqualifizieren, sie Innen unserer Filiale waren — bei McDonald's darin, für eine revolutionäre Politik zu argu- sein.
können sehr nützlich sein. Aber sie sind nur kannst du übrigens schon nach einer Woche als mentieren und sich mit jedem zu organisieren, Wir hätten im informellen Rahmen bleiben
dann nützlich, wenn es darum geht, unabhän- erfahrener Arbeiter gelten. Der Druck ist groß, mit dem man alltäglich zusammenarbeitet, ob sollen und weiterhin nichts mehr als eine In-
gige Strukturen unter Leuten zu schaffen, die großer Umsatz mit sehr scharf kalkulierten Ar- der nun koschere, vegane oder getoastete spiration sein wollen, anstatt eine einheitliche
tagtäglich zusammenarbeiten. beitskosten. Der Druck wird direkt über die Sandwiches isst. Struktur aufzubauen. Wir hätten einfach wei-
Hierarchie aufgebaut, so dass unsere Vorge- Arbeiterorganisationen sind die einzigen ter Witze über den Kinder fickenden Ronald
setzten häufig von uns abhängig waren, um Strukturen, die die Gesellschaft verändern kön- McDonald machen sollen. MWR hätte vielleicht
Mit Innovationssinn und Abenteuer- ihre eigenen Bosse glücklich zu machen. Dies nen. Und sich als AnarchistIn zu organisieren besser überlebt als eine Strömung in der Ge-
lust half uns, einen gewissen Raum zu schaffen. bedeutet ja zumeist, zu irgendeinem beknack- samtbelegschaft, in der die Gedanken sich in-
Wahrscheinlich war die Alterszusammenset- Seit 2000 machten wir eine eigene Zeitung: ten Treffen zu gehen, bevor man in die Kneipe formell unter den ArbeiterInnen verbreiten.
zung der ausschlaggebende Punkt für unsere McSues. Es hat viel Spaß gemacht, nicht zuletzt geht. Ich denke, die Welt wäre ein besserer Ort, Aber es war auch nicht falsch, dass wir öffent-
Organisierung: In dieser Filiale in Glasgow be- wegen der Witze, die in der politischen Szene wenn es solche Treffen nicht gäbe und Genos- lich erklärten, wie unserer Meinung nach die
stand die Belegschaft aus Schulkindern und ziemlich für Aufruhr sorgten. Das ist wahr- sInnen, die miteinander rumhängen wollen, Zukunft aussehen sollte — das waren unsere
Schulabbrechern, die noch nicht vollkommen scheinlich unser einziges Erbstück für die re- eine bessere Entschuldigung dafür finden. Bin- Gedanken, und die sollten wir nicht verstek-
in ihren produktiven Rollen sozialisiert waren. volutionäre Bewegung ... Aber im Ernst: Die gonächte, Kinotouren, oder sonst was. ken. Das Problem war, dass wir sehr schnell po-
Es gab auch Studierende und gering qualifi- Leute müssen sich das Zeug durchlesen, und litisiert wurden, unser Einfluss wuchs und wir
zierte ArbeiterInnen, von denen viele daran dann erkennen sie auch, dass nicht nur Witze Dinge nach vorn bringen wollten, die der Situ-
gewöhnt sind, regelmäßig den Job zu wech- über den Kinder fickenden Ronald McDonald
Der Zahn der Zeit, oder: Der Kampf ation nicht angemessen waren. Wir scheiter-
seln. Niemand arbeitete dort, weil er oder sie drinstehen — diese Art von Witzen rissen wir
geht weiter ten und verzweifelten daran, aus dem Interes-
„eine Wahl getroffen“ hätte, oder glaubte, es nunmal auf Arbeit. Ich meine, das sind Sachen, Drei Jahre nach unserer ersten Aktion waren se das wir geweckt hatten, „eine Organisation“
wäre ein „guter Job“. die nur in dieser Umgebung funktionieren. wir ca. 20 Gruppen. Einige davon mögen nur aufzubauen. Im Grunde genommen waren wir
Sicher wäre es noch härter gewesen, das- Wenn du DozentInnen für Literaturwissen- ein, zwei Leute gewesen sein, aber es waren die revolutionärste Sektion der arbeitenden
selbe Projekt in einer anderen Filiale zu starten. schaft organisieren willst, würde man doch doch auch immer Leute in verschiedenen Fili- Klasse und wir traten auf der Stelle — in der
Zum Beispiel hatte ich auf dem Höhepunkt un- ganz anders rangehen. Man würde wahr- alen einer Stadt. Einige dieser Gruppen waren Hoffnung, der Rest von Euch Wichsern würde
seres Kampfes das Privileg, mit ArbeiterInnen scheinlich Zitate des Literaturwissenschaftlers sehr stark dabei, eigene Flugblätter und Web- aufholen!
in einem Londoner Laden zu sprechen, die sich Hans Mayer einbauen, oder so. Man würde ver- sites zu erstellen. Es gab mehrere Gruppen in Funnywump (Ex-MWR),
organisierten. Die meisten waren erst vor kur- suchen, mit dem Diskurs zu arbeiten, wie er Australien und ein halbes Dutzend in Nord- nach einem Interview mit libcom.org
zer Zeit eingereist, viele von ihnen illegal — am Arbeitsplatz geführt wird. Deswegen ver- amerika. Wir hatten auch eine sehr umfangrei- bearbeitet von André Eisenstein
Seite 14 Nr. 179 Kultur Januar/Februar 2007

Ein Denkmal für Louis Lingg (2) „Die Bombe“ — Frank Harris' Klassiker über die Haymarket-Affäre wiedergelesen

M ein Name ist Rudolf Schnaubelt. Ich warf


die Bombe, die im Jahre 1886 in Chica-
go acht Polizisten getötet und sechzig ver-
Wege von Chicago nach New York und von
dort mit dem Schiff nach England, wo er sich
unter falschem Namen unbehelligt aufhält,
ßert. Angeblich sind die Briefe in Christiania
(dem heutigen Oslo) aufgegeben, doch hätte
wenig detektivischer Spürsinn dazugehört,
Sein Ideal war ein wohlwollender Despot, der
mit Weisheit und Nachsicht herrschte; ich
widersprach, betonte, dass ,es ein solches
wundet hat.“ Mit diesem spektakulären Be- für die Linkspresse schreibt, Reisen nach den Absender in London zu vermuten. Wesen nicht gibt’ und nicht geben könnte.
Verzeichnis der Alterna- kenntnis beginnt Frank Harris' Roman über Frankreich und Deutschland unternimmt. Die Harris hat diese Briefe wohl ebenso wenig Wir stritten häufig, aber niemals unfreundlich
tiv-Medien die Haymarket-Affäre von 1886. In der Fik- Perspektive weitet sich wieder, löst sich von gekannt wie Josef Peukerts 1913 auf Deutsch miteinander.“ (Gelebtes Leben, Bd.2, S. 786).
Nach 15 Jahren liegt mit diesem tion löst er einen Fall, der in der historischen der Engführung auf die unmittelbaren Haupt- erschienene „Erinnerungen eines Proletariers Was mochte Harris also bewogen haben,
Buch erstmals wieder ein Realität bis heute ungeklärt ist. Der Attentä- figuren und konzentriert sich nun auf die Er- aus der revolutionären Arbeiterbewegung“, in „Die Bombe“ ein sympathisches, strecken-
öffentlich zugängliches und ter, den er präsentiert, hat tatsächlich ein re- eignisse von Chicago, den Anarchistenpro- in denen dieser erstmals öffentlich Schnau- weise faszinierendes Porträt des Anarchismus
gedrucktes Verzeichnis der ales Vorbild, doch haben der historische Ru- zess, die Machenschaften der Justiz, das Ver- belts Flucht nach England enthüllte. Anson- bzw. einiger seiner Protagonisten zu zeich-
alternativen Printmedien vor. dolf Schnaubelt und die Romanfigur kaum halten des Angeklagten. Der Roman bekommt sten hätte Harris sie zweifellos im Nachwort nen? Zumal sich in seinem übrigen litera-
„Alternativ-Medien sind tot“ mehr als den Namen gemein. Allerdings geht dadurch einen stärker dokumentarischen zur amerikanischen Ausgabe seines Buches risch-publizistischen Werk kein näheres
beginnt die Einführung des es Harris weniger um dokumentarische Fak- Charakter. Da Schnaubelt nicht mehr am Ort erwähnt. Interesse für den Anarchismus nachweisen
„Verzeichnis der Alternativ- tentreue als um psychologische Motivation. des Geschehens ist, sondern die Ereignisse Hinsichtlich ihres weiteren Werdegangs lässt?
Medien 2006/2007“. Sie haben Was treibt jemanden, der alles andere als ein nur aus der Presse verfolgt, besteht das hätte der Unterschied zwischen dem fiktiven Eine mögliche Antwort dürfte in seiner
sich „zu Tode gesiegt“, indem Fanatiker ist, dazu, eine solche Tat zu bege- Schlussviertel des Romans zu einem Gutteil und dem realen Schnaubelt kaum größer aus- Entwicklung zu suchen sein. Harris war in
ihre Anliegen zumindest hen? Die aufgeheizte Klassenkampfatmos- aus der wörtlichen oder sinngemäßen fallen können. Der Roman-Schnaubelt setzt den 1880er und 1890er Jahren einer der eng-
teilweise in den Kapitalismus phäre der Industriemetropole Chicago in den Wiedergabe von Zeitungsberichten. sein Leben zu dem der Angeklagten in Chica- lischen Starjournalisten, nacheinander Chef-
integriert wurden, und sie frühen 1880er Jahren mit ihren empörenden Im Unterschied dazu macht der histori- go in Beziehung. Bei der Verkündung des To- redakteur und Herausgeber mehrerer Londo-
werden — als Printmedien — seit sozialen Ungerechtigkeiten liefert einen Teil sche Schnaubelt zunächst keinerlei Anstal- desurteils erleidet er einen körperlichen Zu- ner Zeitungen und Zeitschriften. Schon von
geraumer Zeit durch die der Antwort. Doch mindestens ebenso wich- Berufs wegen stand er mit der Elite des Bri-
verschiedenen Formen des tig ist die Beziehung des Ich-Erzählers zum tish Empire auf vertrautem Fuß. Doch bereits
elektronischen Kommunizierens heimlichen Helden seines Buches, dem cha- in dieser Glanzzeit wurde er aufgrund seiner
und Publizierens abgelöst. Dass rismatischen und geheimnisvollen Louis offenherzigen, unkonventionellen Art von
dieses Projekt trotzdem Sinn Lingg, einem der dann im Haymarket-Prozess der „besseren Gesellschaft“ gemieden (was
macht, liegt daran, dass die zum Tode verurteilten Angeklagten. Oscar Wilde in das berühmte Bonmot kleide-
Entwicklung einer zweiten te: „Frank Harris war in allen großen Häusern
Generation von zu Gast — genau einmal!“). Um die Jahrhun-
Alternativmedien ohne Nutzung
Schnaubelt, die Liebe und die Bom- dertwende geriet er mehr und mehr in die
der vorliegenden Kompetenzen
be Isolation bzw. distanzierte sich selbst vom
und Netzwerke nicht denkbar Je weiter die Handlung voranschreitet, auf Establishment, wobei die Erfahrung der ge-
wäre. die Ereignisse des 4. Mai 1886 zusteuert, sellschaftlichen Ächtung seines Freundes
Die zehn redaktionellen Beiträge umso mehr verengt sich der Blickwinkel des Oscar Wilde (wegen dessen Homosexualität)
des Bandes widmen sich der Romans, wird der soziale Kontext ausgeblen- sicherlich eine Rolle gespielt haben wird. Bei
Geschichte einzelner Medien det. Die Achtstundentagagitation, die seinen späteren Werken ist also das Moment
oder den Medien einzelner schließlich in den Streiks und Demonstratio- der Provokation nicht zu unterschätzen.
sozialer Bewegungen, wie etwa nen vom 1. Mai 1886 kulminiert, schrumpft 1894 war Harris von seinem Posten als
der Frauenbewegung oder der bei Harris zu einer Randepisode. Übrig bleibt Chefredakteur der konservativen „Fortnight-
Geschichte der legendären ein psychologisches Kammerspiel mit vier ly Review“ entlassen worden, weil er einen
Zeitschrift Agit 883. In mehreren Personen: Louis Lingg und seine Geliebte Ida glorifizierenden Artikel des französischen
Beiträgen wird das Miller sowie Schnaubelt und seine Freundin Anarchisten Charles Malato über seine Freun-
Selbstverständnis und die Elsie Lehmann. Während Lingg und seine Ge- de, die Bombenattentäter Ravachol und Emi-
Bedeutung alternativer fährtin die freie Liebe leben, die emanzipier- le Henry, abgedruckt hatte. Er wusste also
Printmedien in der te, gleichberechtigte Paarbeziehung „ohne aus eigener Erfahrung, dass sich diese The-
Vergangenheit untersucht. Hier Trauschein“, sieht sich Schnaubelt seitens matik bestens eignete, um Empörung von Sei-
liegt auch die einzige Schwäche seiner Angebeteten mit dem ganzen Aufgebot ten einer konservativen Elite hervorzurufen.
des Buches, die der Herausgeber bürgerlicher Konventionen konfrontiert, Be- Hinzugekommen sein dürfte ein persönliches
Bernd Hüttner aber in seinem sitzdenken, sozialer Egoismus, puritanische Interesse des Publizisten Harris am Haymar-
Vorwort selber bemängelt. Kein Sexualmoral. Seine Liebe zu Elsie steht für Rudolf Schnaubelt (rechts) im Kreis seiner Familie, Buenos Aires 1896 ket-Fall als Nagelprobe auf die Meinungsfrei-
Beitrag beschäftigt sich mit der die Versuchung, sich mit dem sozialen Un- heit und die „Toleranz von Ideen“. Sowie ganz
Bedeutung „alternativer recht abzufinden und in eine kleinbürgerli- ten, Chicago zu verlassen. Im Gegenteil, er sammenbruch, und den Selbstmord Linggs allgemein eine gewisse romantische Sehn-
Printmedien“ für die Zukunft. che Existenz abzutauchen, während die Fas- geht sogar am 5. Mai, dem Tag nach dem At- einen Tag vor der geplanten Hinrichtung (die sucht nach dem Außenseiter- und Rebellen-
Natürlich verweist Hüttner auf zination für Lingg, das unerreichbare Vorbild tentat, zur Polizei, um (vergeblich) die Frei- makaberen Einzelheiten werden nach einem tum. Einigermaßen gönnerhaft schreibt Har-
die emanzipatorische in politischen wie in privaten Dingen, der Sta- lassung seinen verhafteten Schwagers Mi- entsprechenden Zeitungsbericht wiedergege- ris im Nachwort zur „Bombe“: „Das ganze
Möglichkeiten des Internets, chel ist, der seine Empörung wachhält und chael Schwab zu erreichen. Zwei Tage später ben) erlebt er buchstäblich als Anfang seines Buch ist wahrscheinlich viel zu idealistisch.
aber ein entsprechendes ihn dazu veranlasst, dessen Integrität als wird er selbst verhaftet, verhört und – da sich eigenen Endes. Der Ausbruch der Tuberkulo- Aber da alle Rebellen – sowohl Sozialisten
Verzeichnis fehlt im Buch. Orientierungspunkt für das eigene Handeln kein unmittelbarer Tatverdacht gegen ihn er- se wird ursächlich auf diesen gebrochenen wie Anarchisten – in unserem Lande von ei-
Das Wichtigste an diesem Band zu nehmen. gibt – wieder freigelassen. Erst dieses Verhör Lebenswillen zurückgeführt. Während der ner Flut wütenden und idiotischen Hasses
ist allerdings nicht der Die Schilderung von Schnaubelts „Bezie- führt ihm den Ernst der Lage vor Augen und fiktive Schnaubelt also einsam und todkrank und Abscheus erstickt werden, ist vielleicht
redaktionelle Teil, sondern der hungsstress“ (von manchen Kritikern grotes- bringt ihn zu der Einsicht, dass es besser sei, in seine bayrische Heimat zurückkehrt und ein bisschen Idealisierung dieser Weltverbes-
umfangreiche Datenanhang. kerweise als „wunderbare Liebesgeschichte“ Chicago für eine Weile zu verlassen. Seine als letzte Tat seine Erinnerungen — halb serer gerechtfertigt.“
Dieser enthält die Adressen und missverstanden) nimmt im Mittelteil des Bu- Flucht verläuft wesentlich abenteuerlicher, Beichte, halb Testament — verfasst, verlässt
weitere Daten von 455 in ches relativ viel Raum ein, ja, zieht sich bis- um nicht zu sagen romanhafter als die seines der echte im Mai 1887 England auf einem
Deutschland erscheinenden weilen quälend in die Länge. Das ist nicht li- fiktiven Doppelgängers. Er überquert zu Fuß Dampfer in Richtung Argentinien, wo er sich
Zum Ausklang
Zeitungen und Zeitschriften. terarischem Unvermögen des Verfassers zu- die kanadische Grenze, irrt in den Wäldern eine neue Existenz aufbaut, als Landmaschi- Für die amerikanische Polizei blieb Rudolf
Diese dann allerdings mit zuschreiben, im Gegenteil: Durch diese Ver- umher, wird von freundlichen Indianern auf- nenfabrikant zu Wohlstand gelangt, heiratet, Schnaubelt stets der Hauptverdächtige, und
Internetpräsenz. Zwei Register, zögerung überträgt sich die innere Spannung genommen, verdient sich auf einer Farm in drei Kinder bekommt und auf einem Foto von sie gab die Suche nach ihm nie auf. Noch
statistische Daten und des Erzählers auf den/die LeserIn. Quebec das Geld für die Schiffspassage nach 1896 wie ein „Muster bürgerlicher Ehrbarkeit“ 1942 verhörten FBI-Beamte einen Namens-
Materialhinweise runden diesen Schnaubelts Entschluss, die Bombe zu Europa und trifft Ende September, Anfang (Avrich) aussieht. Er beendet seine Tage in vetter. Doch die Hoffnung, den Fall doch
Teil des Nachschlagewerks ab. werfen, ist somit ein Befreiungsschlag, der Oktober 1886 in England ein, wo er einen al- friedlicher Anonymität. noch lösen zu können, zerschlug sich schnell.
Ein Muss für jeden Zeitungsleser. nicht nur eine Entscheidung zugunsten ten Freund aus Wiener Tagen aufsucht – Jo- Der Betreffende hatte ein, wenn man so sagen
Bernd Hüttner (Hrsg.), Linggs herbeiführt, sondern auch für sein Pri- sef Peukert. darf, bombensicheres Alibi: Er war erst zwei
Verzeichnis der Alternativ- vatleben unumkehrbare Konsequenzen Nach dem plötzlichen Verschwinden
Frank Harris und der Anarchismus Jahrzehnte nach der Tat geboren worden. Der
Medien 2006/2007. Zeitungen schafft. Dass Lingg ihm beim Bombenwurf as- Schnaubelt schießen in der amerikanischen Frank Harris (1856-1931) war kein Anarchist. richtige Rudolf Schnaubelt wie auch der rich-
und Zeitschriften, AG SPAK, Neu- sistiert, und zwar nicht als hinterhältiger An- Öffentlichkeit natürlich die Spekulationen Es ist überhaupt schwierig, ihn politisch tige Bombenwerfer weilten zu diesem Zeit-
Ulm 2006, ISBN 3-930830-77-9, stifter oder böser Dämon, sondern als eine und Falschmeldungen ins Kraut. Mal glaubt irgendeinem Lager oder einer Richtung zu- punkt wahrscheinlich schon nicht mehr un-
216 S., 18 Euro Art Mentor und moralischer Rückhalt, ist man ihn in einer Wasserleiche in Pennsylva- zuordnen. Die auf ihn gemünzte Bezeichnung ter den Lebenden.
psychologisch durchaus begründet, aber hi- nia, mal in einem Juwelier in Mexico-City ge- „Tory-Anarchist“ sollte offenbar weniger eine MH
storisch nicht nur falsch, sondern auch sichtet zu haben. Demgegenüber liegt Frank präzise Anschauung benennen, als seine oft
höchst unplausibel. Hätte Lingg für die Tat- Harris' Version erstaunlich nahe bei der hi- widersprüchlichen politischen Äußerungen Bibliographie: Frank Harris, The Bomb, Lon-
zeit keine Alibi vorweisen können oder wäre storischen Realität. Verfügte er als Journalist und Aktionen auf eine paradoxen Begriff don 1908. Mehrere Neuauflagen: New York
er gar am Tatort gesehen worden, er wäre, über Insiderinformationen oder hatte er ein- bringen. Emma Goldman, die einzige Person 1909 (mit Vorwort des Autors) und 1920 (mit
zumal als einziger bekennender Bombenbau- fach bemerkenswert gut geraten? Vermutlich aus der anarchistischen Bewegung, zu der Nachwort des Autors), Chicago 1963 (Einlei-
er unter den acht Angeklagten, wegen Mordes trifft letzteres zu, denn außer der Flucht nach Harris eine persönliche und sogar freund- tung: John Dos Passos), Portland 1996 (Re-
und nicht wegen Verschwörung angeklagt England und dem zeitweiligen Aufenthalt in schaftliche Beziehung unterhielt, schreibt print der Ausgabe von 1963 mit Nachwort von
worden. Der Prozess hätte höchstwahr- London haben der fiktive und der reale über ihn: „Ich mochte Harris' Publikationen John Zerzan)
scheinlich einen anderen Verlauf genommen. Schnaubelt keinerlei weitere Gemeinsamkei- mehr wegen ihrer glänzenden Leitartikel als Auf deutsch: Die Bombe, Roman von Frank
ten. Während seiner Zeit in London erschie- wegen ihrer sozialen Einstellung. Unsere Vor- Harris, E. Laubsche Verlagsbuchhandlung,
nen zwei Briefe des realen Schnaubelt in der stellungen über die notwendigen Verände- Berlin 1927, Autorisierte Übertragung von
Flucht nach Europa „Autonomie“, Peukerts deutschsprachiger rungen zum Wohle der Menschen wichen von- Antonina Vallentin.
Auf Drängen Linggs flieht Schnaubelt un- anarchokommunistischer Zeitschrift, in de- einander ab. Frank war gegen den Missbrauch Online-Ausgabe (des Originals): www.ibi-
mittelbar nach dem Attentat auf direktem nen er sich zu den Motiven seiner Flucht äu- der Macht, ich gegen die Macht als solche. blio.org/eldritch/harris/bomb.htm
Januar/Februar 2007 Kultur Nr. 179 Seite 15

macherInnen, die „Kulturrevolution“ inner- tion“ nur sehr bedingt die Rede sein, da eine

UPTHEREPUBLIC
halb der spanischen Revolution in ihren Kunst nicht schon deshalb revolutionär wird,
„vielfältige(n) Aspekte(n)“ dokumentiert zu weil sie „Partei“ ergreift, sich an das „Volk“,
haben, sollen allerdings an dieser Stelle statt an eine Elite von Reichen und Gebilde-
leichte Vorbehalte angemeldet werden. Ver- ten wendet, sondern nur in dem Maße, wie
Literatur und Medien im Spanischen Krieg (1936-1939) steht man unter „Kultur“ nicht nur Kunst, sie sich selbst und den Status des Künst-
Literatur und Medien, sondern die Gesamt- lers/der Künstlerin in Frage stellt. Am ehe-

Z um Ausklang des 70. Jubiläumsjahres von


Revolution und Bürgerkrieg in Spanien
ist im Foyer der Universitätsbibliothek Os-
zelne Rubriken sind der „Sozialen Revolu-
tion“, den „Deutschen Anarcho-Syndikali-
sten“ oder den „Mujeres Libres“ gewidmet,
heit alltäglicher Kommunikations- und Um-
gangsformen, so ist Kulturrevolution als der
Versuch zu begreifen, nichthierarchische So-
sten trifft dies noch auf jene zu abertausen-
den während des Bürgerkriegs entstandenen
„Romanzen“ zu, jener spezifisch spanischen
nabrück eine kleine, aber feine Ausstellung und in einem abschließenden, „Erinnerung zialbeziehungen herzustellen, also z.B. pa- Gattung erzählerischer, mitunter liedhafter
zu sehen, die sich der künstlerisch-medialen und Aneignung“ betitelten Kapitel über Be- triarchale Geschlechterverhältnisse zu besei- Volksdichtung, in der sich eine Art kollekti- Nicht nur zur Weih-
Verarbeitung der Ereignisse widmet, mit zugnahmen auf den Spanienkrieg in neuerer tigen oder egalitäre Arbeits- und Entschei- ver und anonymer Kreativität Bahn brach: nachtszeit ...
Schwerpunkt auf dem Beitrag deutscher Emi- Literatur, Kunst und Populärkultur wird auf dungsstrukturen zu erproben. Auf derartige „Indem sie (= die Kriegsdichtung des spani- Künstleraktion gegen
grantInnen. Die Ausstellung zeigt Plakate, schen Romancero) die Trennung zwischen Obdachlosigkeit
Fotos, Titelseiten von Zeitungen und Zeit- KulturproduzentInnen und Kulturkonsu- Weihnachten ist immer die Zeit,
schriften, Presseartikel, Archivmaterialien mentInnen aufhebt und die Verbindung der wo jede Hilfsorganisation ihren
u.ä., ergänzt um Schrifttafeln mit Gedich- literarischen Avantgarden mit den BäuerIn- Etat saniert. Aber soziale
ten, Interviewauszügen usw. In Vitrinen sind nen, MilizionärInnen und ArbeiterInnen her- Ungleichheit lässt sich nicht mit
zeitgenössische Bücher, Broschüren und stellt, setzt sie spontan einen Bereich des einer Promigala oder einer
(seinerzeit ins Deutsche Reich einge- Projekts der Sozialen Revolution in eine all- kleinen Spende lösen. Wenn die
schmuggelte) Tarnschriften ausgelegt. tägliche Praxis um ...“ (Katalog, S. 84). großen Konzerne gar Geld für
Weiterführende Materialien zu einzelnen Abschließend sei auf das Begleitbuch zu „arme“ Kinder sammeln,
Themen werden auf einem Infotisch präsen- der Ausstellung verwiesen, das zusätzlich zur während sie im selben Jahr
tiert: Mehr als 30 Kurzbiographien vorwie- Wiedergabe eines wesentlichen Teils der ge- tausende von ArbeiterInnen auf
gend deutscher KünstlerInnen, Schriftstel- zeigten Bild- und Schriftexponate drei wis- die Straße setzten, grenzt solch
lerInnen, Intellektueller sowie lexikonartige senschaftliche Aufsätze enthält. Nicht mit ein Verhalten schon fast an
Artikel zu historischen „Stichworten“ (wie aufgenommen wurde dagegen leider die in Beleidigung. Die soziale
„CNT“, „Internationale Brigaden“ usw.). die Ausstellung integrierte Dokumentation Ungleichheit lässt sich nur durch
Trotz ihres geringen Umfangs ist die Aus- über den Osnabrücker Arbeiter und Spanien- die Soziale Revolution
stellung sehr dicht und informativ, allerdings kämpfer Heinrich Bogula (1903-1976). Bo- beseitigen. Bis zur Erlangung
auch sehr textlastig. Obwohl ein weiter the- gula, obwohl KPD-Mitglied, kämpfte in Spa- der Sozialen Revolution können
matischer Bogen über die verschiedenen nien zunächst in der Internationalen Gruppe aber viele Hilfsbedürftige nicht
Print- und Bildmedien bis hin zum Rundfunk der Durruti-Kolonne an der Zaragozafront, warten. Eine ungewöhnliche
geschlagen wird, fehlt doch ein so wichtiges beteiligte sich offenbar an den Maikämpfen Hilfsaktion beginnt im Januar
Medium wie der Film vollständig und wird 1937 auf der „falschen“ Seite und wurde des- der Musiker Heinz Ratz.
weder in der Ausstellung noch im begleiten- halb in einem internen KPD-Dossier 1940 als Vom 25. Januar bis 4. März 2007
den Katalog mit einem Wort erwähnt. Auch „degeneriertes Element“ verleumdet. Den- wird der Straßenmusiker Heinz
die in einem Katalogtext von Jutta Held her- noch ließ sich Bogula, nach einer Odyssee Ratz, der selbst einmal auf der
ausgearbeiteten Unterschiede in der Bild- durch französische und deutsche Lager wäh- Straße leben musste, von
sprache und dem Politikverständnis von Pla- rend des Krieges, später in der DDR nieder, Dortmund nach München laufen,
katkunst, Fotografie und Malerei können lei- wo er bis zu seinem Tod lebte. um auf die oft sehr verzweifelte
der in der Ausstellung selbst mangels ent- Die Ausstellung läuft noch bis zum 31. Situation von Obdachlosen in
sprechender Exponate (zumindest in Bezug Januar. Deutschland aufmerksam zu
auf die Malerei) nicht nachvollzogen werden. eher marginale Beispiele wie den situationi- Ansätze, etwa die Kollektivierungen und das MH machen. Es ist damit auch ein
Auch wenn die Mehrzahl der gezeigten stischen Comic „Die Rückkehr der Durruti- Milizsystem, wird jedoch in der Ausstellung Lauf gegen den zunehmenden
Dokumente dem kommunistischen bzw. Kolonne“ oder das Fotobuch „The Spanish nur durch einige Buchpublikationen (unter Wolfgang Asholt/Walter Fähnders/ Rüdiger Abbau von sozialen
Volksfrontspektrum zuzuordnen ist, so lässt Revolution“ von „The Ex“ verwiesen, über die Glas!) diskret hingewiesen, nur die „Mujeres Reinecke (Hgg.), UPTHEREPUBLIC. Literatur Einrichtungen und die
sich andererseits ein deutliches Bemühen große Masse kommunistischer Roman- und Libres“ werden (immerhin!) etwas ausführ- und Medien im Spanischen Krieg (1936- Kürzungen von Sozialleistungen,
der AusstellungsmacherInnen erkennen, die Memoirenliteratur hingegen ein gnädiger licher gewürdigt. 1939), Aisthesis Verlag, Bielefeld 2006, 109 die mehr Armut und ein
sozialrevolutionäre Dimension des Spanien- Mantel des Schweigens gebreitet. Auch im künstlerischen Bereich im en- S., 12,80 EUR (in der Ausstellung), 16,80 wachsendes Gefälle zwischen
krieges nicht zu kurz kommen zu lassen. Ein- Gegen den Anspruch der Ausstellungs- geren Sinne kann von einer „Kulturrevolu- EUR (über den Buchhandel) Arm und Reich bewirken. Er wird
die gesamte Strecke zu Fuß
bewältigen und jeden Abend in
tigkeit seine Anstellung am Trinity College in wechselnder Besetzung mit

Rebell wider den Krieg


Cambridge. Die Depression der Nachkriegszeit seinem Liedermacherprogramm
holte auch Russell ein. Und dennoch, was „Strom & Wasser“ auftreten. Die
Russells Persönlichkeit vielleicht am meisten Auftritte sind eintrittsfrei, um
auszeichnete: Er schöpfte daraus neue Ener- auch mittellosen Zuschauern zu
Bertrand Russell und der Erste Weltkrieg gie, um „[d]ie Menschen mit Hoffnung zu er- ermöglichen, durch einen
füllen, ihnen genügend Einbildungskraft zu Besuch des Konzerts ihren

R evolutionäre Aktion mag unnötig sein, re-


volutionäres Denken aber ist unentbehr-
lich, und als Ergebnis des Denkens eine ver-
Mit dem Beitritt zur „No-Conscription-Fel-
lowship“ 1914, einer englischen Bewegung,
welche sich gegen die repressive Verfolgung
nur Verderben für sie und ihre vermeintlichen
Gegner bereithielt. Eine Absurdität, die Rus-
sell nicht begreifen wollte und gegen die er
verleihen, damit sie erkennen, dass die Übel,
unter denen sie leiden, unnötig sind, und ge-
nügend Nachdenken, um zu verstehen, wie
Protest gegen den Sozialabbau
in Deutschland und ihre
Unterstützung für seinen Lauf
nünftige und aufbauende Hoffnung.“ von Kriegsdienstverweigerern richtete, nahm sich immerzu empörte. Doch er blieb, abge- diese Übel geheilt werden können“ (Political auszudrücken.
Bertrand Russell, 1872 in Trellech, Wales Russells Friedensaktivität ihren Anfang. Zwar sehen von einigen wenigen Gleichgesinnten, Ideals, 1917). Ausdrücklich willkommen ist
geboren, war Anarchist, Philosoph, Agnosti- hatte er bereits zuvor, wenn auch erfolglos, in seiner Haltung isoliert. Im Laufe des Krie- „Rebell wider den Krieg“ ist ein angenehm auch jeder, der auf dieser
ker und vor allen Dingen: Pazifist. Allerdings, durch das Verfassen von Artikeln Intellek- ges fiel es Russell zunehmend schwerer, sich und durchaus spannend geschriebenes Buch. „längsten Demo der Republik“
das betonen Zitate von Russell im Buch immer tuelle zur Rebellion gegen den bevorstehen- gegen die aufkommende Frustration zu weh- Wer sich vornehmlich für den „Pazifisten“ die eine oder andere Etappe
wieder, war er kein Pazifist um jeden Preis. den Krieg aufgefordert und war der „Union ren. Er zweifelte nicht an der Richtigkeit sei- Russell interessiert, bekommt hier einen gu- mitlaufen möchte. Während der
Borries 95 Seiten dünnes Buch schildert for democratic control“ beigetreten, doch ge- nes Anliegens. Vielmehr fing er an, sein Men- ten Einblick in diesen entscheidenden Ab- Konzerte werden Spenden
in konzentrierter Form Russells vierjährigen rade letzteres schien ihm ein zu halbherziges schenbild in Frage zu stellen. Er suchte nach schnitt seiner Biographie. gesammelt, die direkt an
Weg während des Ersten Weltkriegs (1914- Unterfangen, war doch das Engagement der neuen Wegen, die Menschen zu erreichen und örtliche Projekte fließen, die
1918) vom einfachen, in der Politik mitden- Union gegen den Krieg nur sehr zaghaft. von seiner Vision, die immer stärker soziali- Achim von Borries, Rebell wider den Krieg — Obdachlose unterstützen oder
kenden Philosophen zum leidenschaftlichen Im Zuge einer nationalen Massenhysterie stische Züge annahm, zu überzeugen. Bertrand Russell 1914-1918, Verlag Graswur- ihre Lebensqualität verbessern
Friedensaktivisten und, zumindest im Geiste, in England und anderswo zogen junge Men- Zum Kriegsende 1918 verlor er aufgrund zelrevolution, Nettersheim 2006, ISBN 3- helfen. Viele Auftritte werden
radikalen Antikapitalisten. schen mit Enthusiasmus in einen Krieg, der seiner Aktivitäten nach acht Jahren Lehrtä- 939045-01-2, 95 Seiten, 8,80 Euro von Gastauftritten bekannter
Kollegen unterstützt, so haben
u.a. schon Konstantin Wecker,
Gerburg Jahnke und Götz
Die CNT als Vortrupp des internationalen Anarchosyndikalismus Widmann zugesagt.
Mehr unter
Die Spanische Revolution 1936 — Nachbetrachtungen und Biographien www.laufgegendiekaelte.de

D ie FAU Bremen hat sich als Herausgebe-


rin die Mühe gemacht, nach Texten von
Autoren wie Augustin Souchy, Helmut Rü-
der FAUD).
Abgerundet wird das Ganze durch eine
Handvoll Kurzbiographien, in denen die Re-
dass auf etwas mehr als 120 Seiten gleich 15
Seiten leer sind. Zusammen mit der großen
Schrift und weiteren freien Flächen auf
gessene Texte wieder an das Licht der Öf-
fentlichkeit gebracht werden, nein, es regt
an, sich mit der Materie etwas genauer zu
diger, Fritz Linow oder auch Max Nettlau zu volution einerseits aus internationaler Per- zahlreichen Seiten erweckt dies den Ein- beschäftigen und all die aufgeworfenen Fra-
suchen, die sich allesamt beschreibend- spektive gewürdigt wird und andererseits druck, dass eine dicke Broschüre zu einem gen an anderer Stelle weiterzuverfolgen.
analytisch mit den verschiedenen Aspekten einzelne Akteure in aller Kürze bekannt ge- dünnen Buch aufgeblasen wurde. Schmerz-
der Spanischen Revolution auseinanderset- macht werden. lich vermisst habe ich auch eine genauere Rudolf Mühland
zen. Ein besonderes Extra ist der Anhang, in historische Einordnung der ausgewählten
Die Leserschaft erfährt etwas über die dem sich neben den historischen Statuten Texte, was einem Verständnis durchaus im
„Freiheitliche Kollektivwirtschaft“, „Spa- der CNT auch ein Text zum „Konzept des Li- Wege stehen kann. Zu guter Letzt gibt es für FAU Bremen (Hrsg.), Die CNT als Vortrupp
niens KP im Bürgerkrieg“ oder die „Theorie bertären Kommunismus“ wiederfindet, der die zahlreichen Abbildungen leider keine des internationalen Anarchosyndikalismus.
im Lichte der Praxis“. Die Texte sind zu- auf dem IV. Kongress der CNT-AIT im Mai Quellennachweise. Die Spanische Revolution 1936 — Nachbe-
meist aus „Die freie Gesellschaft“ entnom- 1936, also unmittelbar vor der Revolution, Abschließend möchte ich betonen, dass trachtungen und Biographien, Verlag Edi-
men, der Zeitung der „Föderation freiheit- in Zaragoza angenommen wurde. das Buch trotz der genannten Mängel sehr tion AV, Lich 2006, 129 S., ISBN: 978-9-
licher Sozialisten“ (Nachfolgeorganisation Besonders gestört hat mich allerdings, lesenswert ist. Nicht nur, dass längst ver- 936049-69-5, 14 Euro
Seite 16 Nr. 179 Letzte Seite Januar/Februar 2007

Was will die


FAU-IAA? form mit theoretischer Unterfütterung. Sa-

Wir Anarcho-SyndikalistInnen
haben die herrschaftslose,
Guerilla-Taktik im Klassenkampf botageaktionen flankierten anfangs Arbeits-
kämpfe, schließlich wurden sie sogar damit
identisch. So scheiterte 1889 etwa ein Streik
ausbeutungsfreie, auf Selbst- Des letzten Rätsels Lösung: Sabotage, die Effizienz des Ungehorsams schottischer Hafenarbeiter. Es gab schlicht
verwaltung begründete Gesell-
zuviele Streikbrecher, die an die Stelle der
schaft als Ziel.
Die Selbstbestimmung in allen
Lebensbereichen ist die grund-
E s ist nicht eben einfach zu sagen, wann,
wo und von wem die Sabotage erfunden
wurde. Als Widerstandsmittel hat sie einen so
ten, englische Textilarbeiter, die sich in ih-
rem vehementen Kampf gegen massenhafte
Entlassungen und die Verschlechterung ihrer
— auf Französisch „sabot“ — im Räderwerk
der Maschine ganze Arbeit geleistet hatte.
Kleine Tat, große Wirkung. Auch eine Über-
Streikenden traten. Da kamen die Hafenar-
beiter auf die Idee, zwar wieder zur Arbeit zu
gehen, aber so schlecht und so langsam wie
legende Idee des Anarcho-Syn- selbstverständlichen, in der Natur der Sache Arbeitsbedingungen auch des Mittels der ge- setzung für „Sabotage“. möglich an die an sie herangetragenen Auf-
dikalismus. liegenden Kern, dass ihr schon fast etwas In- zielten Zerstörung ihrer Maschinen bedien- Diese Geschichte machte in Frankreich gaben zu gehen. Es brauchte keine zwei Wo-
stinktives anhaftet. Was ihre Geschichte an- ten. Dabei richtete sich ihr Zorn weder gegen schnell Schule. Die Anlässe dafür, einen chen, bis die Chefs verstanden und plötzlich
Daher lehnen wir die Organisa-
belangt, so dürfte die Sabotage so alt sein die Moderne in Form der neuen Arbeitsgerä- Holzschuh in eine Maschine fallen zu lassen, doch auf die ursprünglichen Forderungen
tion unserer Interessen in zen-
tralistisch aufgebauten Orga- wie die Ausbeutung selbst. te, noch gegen den technologischen Fort- wurden immer geringfügiger, und etwas zu eingingen. Die Sabotage hatte auch in
nisationen ab, da diese stets Ein Tagelöhner heuert für einen Dollar schritt. Es ging ihnen einzig und allein da- „sabotieren“ wurde zum geflügelten Wort. Schottland Einzug gehalten. Bestimmte
Machtkonzentration und Hier- den Tag an. Sein Enthusiamus hält sich da- rum, Druck auf die Bosse auszuüben, um zu Streik- und Protestformen, wie Bummelstreik
archie bedeuten. Weder soll, bei in Grenzen, sein Arbeitstempo ist nicht verhindern, dass es ihnen schlechter gehen oder Dienst nach Vorschrift, sind einstmals
noch kann mensch mit Stell- unbedingt von der schnellen Sorte. „Ist das würde. Nicht mehr, nicht weniger. aus solchen als Sabotageaktionen propagier-
vertreterInnen-Politik wie sie alles, was du kannst?“, fragt ihn der Boss. Mit der Entstehung und Entfaltung der ten Taktiken hervorgegangen.
z.B. von reformistischen Ge- „Alles, was ich für einen Dollar kann“, ant- Arbeiterbewegung im frühen 19. Jahrhun- Liz Gurley Flynn brachte es im Namen der
werkschaften, Parteien und wortet der Malocher. „Dann zeig mal, was du dert trat die organisierte Sabotage also im- IWW 1916 auf den Punkt: Sabotage kann
Kirchen betrieben wird,unsere für zwei Dollar schaffst“, sagt der Chef. Und mer öfters in geballter Form in Erscheinung. flankieren, kann unterstützen — sie kann
Interessen durchsetzen. plötzlich geht die Arbeit leichter von der So etwa in Frankreich, wo Erntehelfer ihre aber noch viel mehr leisten, da es wenig Auf-
Hand. derben Holzschuhe in Mäh- und Dreschma- wand und im Zweifel nur eine kleine Zahl Ge-
Sabotage hat so oder so ähnlich ange- schinen warfen, um sich so mal eine Pause nossInnen braucht, um einen verhältnismä-
fangen. In organisierter Form trat sie jedoch von der Plackerei zu verschaffen (sicher, das ßig großen Effekt zu erzielen. Deshalb ist
erst im Verlauf der industriellen Revolution war nicht der einzige Grund, aber doch ein die Sabotage, so urteilte Flynn vor 90 Jahren,
zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf. Berühmt sehr typischer und somit bezeichnender). In der organisierten Arbeiterschaft ent- die Guerilla-Abteilung im Klassenkampf.
wie bis heute missverstanden sind z. B. die Eine solche Pause fiel dann nicht selten län- wickelte sich die Sabotage gegen Ende des
auch „Maschinenstürmer“ genannten Luddi- ger aus, weil der hineingeworfene Holzschuh 19. Jahrhunderts zu einer erklärten Kampf- Matthias Seiffert

Dagegen sind wir direkt und


indirekt lohnabhängigen Men-
schen für Selbstorganisation in Senkrecht
unabhängigen Betriebs-, Bran-
chen- und Ortsgruppen. Diese
sind bundesweit (in der FAU)
Sozialrevolutionäres Kreuzworträtsel Nr. 45 1. Gitarrist der frühen Pink Floyd, starb 2006,
Vorname: Syd 2. französisch für Gold, auch
und international (in der IAA) die entsprechende Wurzel in den meisten ro-
zusammengeschlossen. manischen Sprachen 3. zu Italien gehörende
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Zur Durchsetzung unserer Ziele Mittelmeerinsel, Symbol für die Festung Euro-
und Forderungen dienen uns 13 14 15 pa 4. Dienstleistungsbetrieb in der Telekom-
sämtliche Mittel der Direkten 2 8 munikation, oft mit prekären Arbeitsbedin-
Aktion, wie z.B. Besetzungen, gungen 5. Kfz-Kennzeichen für Erding 6. Spre-
16 17 18 19
Boykotts, Streiks etc. Im Ge- cherin der Kommunistischen Plattform der
3
gensatz dazu lehnen wir die Linkspartei.PDS, von manchen „die schönste
parlamentarische Tätigkeit in
20 Stalinistin“ genannt, Vorname: Sahra 7. Frau-
jeglicher Form ab. Mit dieser enname (etwas verstaubt wirkend) 8. Strafge-
Art von Organisation verbinden 21 22 23 24 25 fangener, der dem Gefängniswärter zur Hand
wir die Möglichkeit, Vereinze- geht: ~faktor 10. achten 11. umgangssprach-
lung und Perspektivlosigkeit 26 27 28 29 lich für Kondom 12. besonders opportunisti-
aufzuheben und so für eine re- sche trotzkistische Formation, die 2005-06
volutionäre Veränderung auf 30 31 versuchte, die WASG zu kapern 15. ostdeut-
freiheitlicher Grundlage zu 9 4 sche Industriestadt 17. Kfz-Kennzeichen für
kämpfen. 32 33 Apolda 18. römisch zwei 22. russische Stadt
Da die Macht und die Stärke des 6 (inzwischen umbenannt), die 1942-43 von der
kapitalistischen Systems in der 34 35 36 37 38 39 Wehrmacht und der Roten Armee umkämpft
privaten bzw. staatlichen Ver- 7 wurde; die Kapitulation der deutschen Armee
fügungsgewalt über die Pro- 40 41 42 43 44 Anfang 1943 markierte einen Wendepunkt im
duktionsmittel und in der tag- 2. Weltkrieg 24. „Was der Bauer nicht kennt, ~
täglichen Ausbeutung der ar- er nicht.“ 27. erfolgreiche Mannschaft im spa-
45 46 47 48
beitenden Klasse begründet nischen Profifußball: ~ Madrid 29. Spalt-
10
sind, ist der ökonomische Be- werkzeug; roter Gegenstand auf dem bekann-
reich der Hauptansatzpunkt
49 50 51 ten Plakat El Lissitzkys aus den frühen Jahren
für den antikapitalistischen der Sowjetunion: „Schlag die Weissen mit dem
Kampf. 52 53 roten ~“ 31. Länderkürzel für Argentinien 33.
Was haben „Industrieofen“ und „Symphonie-
Revolutionäre Arbeit in den Be-
54 55 56 orchester“ gemeinsam? 34. Region im Nordo-
trieben trifft den Kapitalismus
5 1 sten Spaniens 36. in Nordaustralien findet
nicht nur in seinen Erschei-
nungsformen, sondern an sei- man diese giftigste Landschlange der Welt 37.
ner Wurzel. Diese Arbeit kann Affenbrotbaum 38. Weissagungsstätte 39.
nur erfolgreich sein, wenn in 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 zweiter Namensteil eines bekannten Multis,
allen gesellschaftlichen Be- der u.a. in Kolumbien GewerkschafterInnen
reichen gleichzeitig revolutio- ermorden lässt 41. Abk. für einen Fest-, Ge-
näre Arbeit geleistet wird, da denk- und Demonstrationstag der Lesben,
alle Kämpfe in einer Wechsel- Schwulen, Bisexuellen, Transgender und de-
beziehung zueinander stehen. rer UnterstützerInnen 42. Länderkürzel für
Waagerecht Estland 45. Bundesstaat der USA mit Anteil an
Alle Menschen, die in diesem Hinweis zum Rätsel: Umlaute (ä, ö, ü) blei-
den Rocky Mountains 48. Bier in den meisten
Sinne mit uns zusammenarbei- ben, das ß wird (falls vorhanden) als „ss“ ge-
1. Mitglied der KP Russlands oder der Sowjet- Übertreibung, Ironie und Spott 34. Zierpflan- slawischen Sprachen 50. spanische für Sonne
ten wollen, sind uns will- schrieben
union 9. kammartiges Gerät zum Spalten der ze 35. „was nicht ~, kann noch werden“ 37. 52. Länderkürzel für Österreich 53. chemische
kommen.
Fasern bei der Flachs- und Hanfbearbeitung kompakte Gruppe auf einer Demonstration: Formel für Kohlenmonoxyd
13. großer Langschwanzpapagei 14. revolu- schwarzer ~; Gewerkschafts~ 40. Seefisch; ei-
tionäre Kunst- und Literaturrichtung um nige Familien haben einen giftigen Stachel-
Redaktionsanschriften: 1920: ~ismus 16. westafrikanisches Land 19. schwanz 43. ~-Erlebnis: Erlebnis, aus dem
Schlußredaktion: Wortratespiel mit in manchen Fällen „tödli- man unerwartet neue Erkenntnisse zieht 44. Wieder gibt es ein DA-Abo (sechs Ausgaben)
E-Mail: da-schlussredaktion@fau.org chem“ Ausgang 20. Schweinerippchen Landeskürzel für Rumänien 46. sehr schmale zu gewinnen. Das Lösungswort könnt Ihr der
BuG: E-Mail: da-bug@fau.org
Globales: E-Mail: faud1@fau.org <schweizerisch> 21. Gewürz- und Heilpflanze einfache Brücke 47. höchstes Gebirge Euro- DA-Aboverwaltung schicken, entweder per E-
Hintergrund: E-Mail: da-hintergrund@fau.org 23. Kurzwort in der Mathematik für eine Win- pas: Die ~en 49. „Es gibt nichts ~, außer man Mail <da-abo@fau.org> oder per Post (DA-
Kultur: FAU Bielefeld,
E-Mail: faubi2@fau.org
kelfunktion im rechtwinkligen Dreieck; es gibt tut es“ (Erich Kästner) 51. befestigtes Hafen- Aboverwaltung, c/o FAU-Leipzig, Kolonna-
Zeitlupe: E-Mail: faub26@fau.org auch die ~uskurve 25. Tonbezeichnung 26. in ufer <eindeutschende Schreibweise> 52. Wü- denstr. 19, 04109 Leipzig). Gewonnen hat
anarchosyndikalistische Verleger: dem Stil, so ungefähr: in dem ~ 28. Spielkar- ste in Südamerika, in der es seit Anfang der diesmal Dieter R. aus Nürnberg.
Zeitung der Freien Direkte Aktion e.V., te mit dem höchsten Wert 29. Kfz-Kennzei- Wetteraufzeichnungen gebietsweise niemals
ArbeiterInnen Union Kornstr. 28-30, 30167 Hannover
(FAU-IAA) chen für Kempten 30. schmelzen 31. ländlich geregnet hat 54. Anhänger <männl. Form> ei-
ViSdP: Alexander Stricker WE N D L A N D S C HWA R Z E R
Direkte Aktion Druck: Union Druck Berlin
geprägte Region Spaniens, in der die anarchi- ner Philosophie, die alles Bestehende für Auflösung A E
R HO D O P E N
öVP B A E
BE DUI NE N
stische Kollektivierung der Landwirtschaft nichtig und sinnlos hält 55. Fluss im Süden D B N TS X J D N
c/o FAU Dortmund B I E HL J O L I T A N E I
Braunschweiger Str. 22 Redaktionsschluß DA 180: 9. Februar
während der Spanischen Revolution in gro- Russlands, früher die Heimat freier KosakIn- # 44 M A N E WS S A MU R A I
AL BE RT A E T AR
44145 Dortmund Eigentumsvorbehalt: die Zeitung ist solange Eigentum des L A D S T AKE L OP
ßem Maßstab umgesetzt wurde 32. literari- nen 56. Hauptfigur in Tolkiens „Der kleine A R R E S O N A N Z E MMA
Absenders, bis sie an den Gefangenen pers. ausgehändigt T Y S KL AND P Z S AI R
ist. Zur-Habe-Nahme ist keine pers. Aushändigung im Sin- E C OPA R G U H E
ISSN 0949-1872 sche Kritik an Personen und Zuständen durch Hobbit“, Nebenfigur im „Herrn der Ringe“ S A HE L F O T O T E R MI N C
ne des Vorbehalts. T L F M L P E O
A R B E I T E R HA N D F A N O N

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