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Codex Bamberg (Musikhandschrift)

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Der Codex Bamberg (auch Bamberger Motettenhandschrift, Ba) ist eine Handschrift, die in der
Staatsbibliothek Bamberg unter der Signatur Msc.Lit.115 aufbewahrt wird. Der Codex zählt neben dem
Codex Montpellier zu den bedeutendsten Motettenhandschriften seiner Zeit. Die Entstehungsumstände
und die zeitliche Datierung sind in der Forschung umstritten. Der Codex wird entweder auf Ende des
13. Jahrhunderts oder Anfang des 14. Jahrhunderts datiert.

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Physische Beschreibung

2 Inhaltliche Gliederung
3 Zeitliche Einordnung des Repertoires
4 Konkordanzen
5 Diskographie
6 Bibliographie
6.1 Ausgaben
6.2 Literatur
7 Weblinks

Physische Beschreibung [Bearbeiten]


Die Handschrift besteht aus 80 nummerierten Pergament-Folios und zwei unnummerierten, später
hinzugefügten Papierblättern. Die Maße betragen 26,3 auf 18,6 cm. Sie hat 10 Lagen mit je einem
Quaternio und kann in vier Faszikel unterteilt werden. Der 1611 entstandene Einband besteht aus
Schweinsleder mit einer Goldprägung. Auf der Vorderseite ist das Wappen des Bamberger Domkapitels
(thronender Kaiser Heinrich II.) zu sehen. Auf der Rückseite sind die Wappen des Dompropstes Johann
Christoph Neustetter genannt Stürmer (1570–1638) und des Domdechanten Hector von Kotzau (1578–
1619).

Inhaltliche Gliederung [Bearbeiten]


Der Codex Bamberg kann inhaltlich in die folgenden vier Faszikel eingeteilt werden (Die beiden
unnummerierten Papierblätter gehören nicht zum Corpus der Handschrift):

Faszikel 1: Folio 1 – 62
Faszikel 2: Folio 62’ – 64’
Faszikel 3: Folio 65 – 79’
Faszikel 4: Folio 80 – 80’
Der erste Faszikel enthält 100 Doppelmotetten: 44 lateinische, 47 französische und 9
lateinisch/französische Motetten. Diese sind alphabetisch nach dem Beginn des Motetus geordnet und
innerhalb der einzelnen Buchstaben gilt die Reihenfolge lateinisch – französisch –
lateinisch/französisch gemischt. Die Doppelmotetten sind in Spalten notiert. Es handelt sich
ausschließlich um dreistimmige, mehrtextige Motetten. Der zweite Faszikel enthält acht Stücke in
Partiturschreibweise: der Conductus „Deus in adiutorium“ und sieben Klauseln. Der dritte Faszikel
beinhaltet die musiktheoretische Abhandlung „Practica artis musicae“ von Amerus. Der vierte, den
Codex beschließende Faszikel enthält zwei Tonare: die später hinzugefügten zweistimmigen Motetten
„Alma redemptoris“ und „Dulcis Ihesus memoria dat vera“.

Zeitliche Einordnung des Repertoires [Bearbeiten]


Die einschlägigen Literatur zu dem Codex Ba gliedert die Motetten in Ba entsprechend ihren
Entwicklungsstadien in fünf unterschiedliche Gruppen. 16 Motetten gehören zu der ältesten
nachweisbaren Form der Motette. Ihr Ursprung liegt in einer melismatischen Quelle und die
Ausgangsklauseln für den Tenor sind bereits nachweisbar. Alle diese Motetten erschienen bereits in
dem Notre-Dame-Repertoire. Weitere 15 Motetten sind Motetten der ältesten erhaltenen Form dieser
Gattung. In originaler Form liegen in Ba jedoch nur die sechs französischen Doppelmotetten dieses
Entwicklungsstadiums vor. Alle anderen Motetten dieser Gruppe wurden gegenüber der Originalgestalt
stark verändert. 36 Motetten stammen aus dem mehrtextigen Repertoire des alten Corpus des Codex
Montpellier. Auch finden sich in Ba 15 Motetten die erstmals im siebten Faszikel des Codex Mo
überliefert worden sind. Bezüglich ihrer Entstehung sind sie dem neuesten Entwicklungsstadium
zuzuordnen. Diese Motetten haben ihre Originalgestalt beibehalten. Es handelt sich hierbei vor allem
um lateinische Motetten. Die letzte Gruppe bilden 18 Motetten, die erstmals in dem Codex Ba
überliefert werden. Sie finden sich weder im Notre-Dame-Repertoire noch in dem Codex Mo. Diese
Motetten sind stilistisch nicht einheitlich und bringen zudem für den Stil keine Neuerungen. Sie bilden
die jüngste Gruppe im Codex Ba.

Konkordanzen [Bearbeiten]
Die Untersuchung der Konkordanzen mit anderen Musikhandschriften ergibt die folgende Unterteilung
in fünf Kategorien (nach Ludwig, S. VI):

Die älteste nachweisbare Form der Komposition ist ein Notre-Dame- oder St. V-Melisma
Die älteste erhaltene Form der Komposition ist eine Motetten- bzw. Conductus-Form der Notre-Dame-
Handschriften
Die älteste erhaltene Form der Komposition ist die Form der Duplum- bzw. Tripelmotette im alten
Corpus von Montpellier
Zuerst in Montpellier, Faszikel 7 überlieferte Werke
Zuerst in Codex Bamberg überlieferte Werke
Dabei entstammt der größte Teil dem „alten Corpus“ (Faszikel zwei bis sechs) der Handschrift
Montpellier: 36 der 100 Motetten (also ein guter Drittel) sind in ihrer ältesten erhaltenen Form in
diesem Teil von Montpellier zu finden. Hinzu kommen fünfzehn weitere Motetten welche im siebten
Faszikel von Montpellier erstmals vorkommen. Gesamthaft kommt also mit 51 Motetten mehr als die
Hälfte bereits in der Handschrift Montpellier vor. Auf die anderen Kategorien fallen je ca. ein sechstel
der verbleibenden Motetten: Achtzehn der Stücke sind in Bamberg zum ersten Mal überliefert, weitere
fünfzehn kommen in Motetten- oder Conductus-Form bereits in einer anderen Notre Dame-Handschrift
vor. Von den verbleibenden 16 Motetten schließlich ist die älteste bisher nachweisbare Form ein Notre
Dame- oder St. V-Melisma. Allerdings war beim zusammenstellen der Werke die Konkordanz zu
anderen Handschriften, insbesondere zu Mo, kein Ordnungskriterium. Die Motetten sind alphabetisch
aufsteigend nach Anfangsbuchstabe geordnet.

Diskographie [Bearbeiten]
The Rose, the Lily & the Whortleberry. Medieval Gardens in Music, Orlando Consort (Donald Greig,
Robert MacDonald), Harmonia Mundi 2006
enthält neben Kompositionen des Bamberger Codex u. a. Werke von: Alexander Agricola, Jacques
Arcadelt, Antoine Brumel, Crapentras, Rodrigo de Ceballos, Clemens non Papa, Thomas Crequillon,
Walter Frye, Nicolas Gombert, Francisco Guerrero, Johannes Lupi, Guillaume de Machaut, Gabriel
Mena, Dominique Phinot
Joculatores Upsalienses, De Fyra Arstiderna / The Four Seasons, BIS 1990
enthält neben Kompositionen des Bamberger Codex u. a. Werke von: Alfonso X (el Sabio), Canconer
del duc de Calabria (anonymus)
Codex Bamberg, Ensemble Chominciamento di Gioia (Leiter: Luigi Taglioni), 2004
The Saracen and the Dove. Music from the Courts of Padua and Pavia, Orlando Consort, Polygram
Records 1999
enthält neben Kompositionen des Bamberger Codex u. a. Werke von: Bartolino da Padova, Anthonello
da Caserta, Johannes Ciconia, Antonio Zacara da Teramo et al.
Monastic Chant. 12th and 13th C. European Sacred Music, Theatre of Voices (Leiter: Paul Hillier),
Harmonia Mundi 2003
enthält neben Kompositionen des Bamberger Codex u. a. Werke von: Codex Faenza, Codex Ivrea,
Codex Montpellier, Rossi Codex, Johannes Ciconia, Leonin, Guillaume de Machaut, Giovanni da
Firenze et al.
Faces of a women. Tales of remarkable women throughout the centuries, Tapestry (Darrick Yee, Sarah
Freiberg, Cristi Catt, Laurie Monahan), MD&G Records 2008
enthält neben Kompositionen des Bamberger Codex u. a. Werke von: Beatriz de Dia, Dom Dinis,
Hildegard von Bingen, Marcos Drieger, Rabanus Maurus, Sergeij Rachmaninov et al.
Tempus fugit. Chants sacré, Nebbiu, Long Distance France (Label) 2004
La Camerata de Paris. Moyen Age (musique Instrumentale du moyen âge), Elena Polonska, Isabelle
Quellier (et al.), Gallo 2001
enthält neben Kompositionen des Bamberger Codex u. a. Werke von: Audefroi le Bastart, Codex
Faenza, Alfonso X (el Sabio), Gace Brule Guillaume de Machaut et al.
Ave Mater, o Maria!, Dekameron, Dux Recording Prod. 2003
enthält neben Kompositionen des Bamberger Codex u. a. Werke von: Codex Montpellier, Alfonso X (el
Sabio), Reinmar von Zweter et al.

Bibliographie [Bearbeiten]

Ausgaben [Bearbeiten]
Albert Stimming: Die altfranzösischen Motette der Bamberger Handschrift. Nebst einem Anhang,
enthaltend altfranzösische Motette aus anderen deutschen Handschriften, mit Anmerkungen und
Glossar. Dresden 1906 (= Gesellschaft für romanische Literatur, Band 13).
Ausgabe aller französischen Motettentexte von Lit.115
Pierre Aubry: Cent Motets du XIII.e siècle, publiés d’apres le manuscript. Ed. IV.6 de Bamberg, 3
Bände, Paris 1908 (= Publications de la Société internationale de musique, section de Paris).
Band 1: Reproduction phototypique du manuscript original (Faksimile)
Band 2: Transcription en notation moderne et mise en partition (Übertragung)
Band 3: Etudes et commentaires (Kommentar)
Faksimile, Übertragung und Kommentar von ff. 1-64v
Gordon Athol Anderson (Hrsg.): Compositions of the Bamberg Manuscript. Bamberg Staatsbibliothek,
Lit.115 (olim Ed.IV.6), Übersetzung der frz. Texte von R. Smith, Neuhausen-Stuttgart 1977 (= CMM
75).
Ameri Practica artis musicae 1271, hrsg. von C. Ruini, o. O. 1977 (= CSM 25).
M. Huglo (Hrsg.): Le Traité de „cantus mensurabilis“ du manuscrit de Bamberg. In: R. Jacobsson
(Hrsg.): Pax et sapientia. Studies in Text and Music of Liturgical Tropes and Sequences. In Memory of
Gordon Anderson. Stockholm 1986, S. 91–95 (= Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia latina
Stockholmiana, Band 28).

Literatur [Bearbeiten]
G. A. Anderson: The Notation of the Bamberg and Las Huelgas Manuscripts. In: Musica Disciplina.
Band 32, 1978, S. 19–67.
Sarah Carleton: A rose is a rose is a rose? The rose as symbol in the ars antique motet. In: Discourses in
music. Band 5, Nr. 1, 2004.
Hans Heinrich Eggebrecht: Die Mehrstimmigkeitslehre von ihren Anfängen bis zum 12. Jh. In: Frieder
Zaminer (Hrsg.): Geschichte der Musiktheorie. Band 5, S. 9–87.
Mark Everist: Polyphonic music in thirteenth-century france. Aspects of sources and distribution. New
York 1985.
Mark Everist: The refrain cento. Myth or motet?. In: Journal of the Royal Musical Association. Band
114, Nr. 2, 1989, S. 164–188, besonders 149–153.
Hans Grüß: Text- und texturale Momente in Motetten des Codex Bamberg. In: Tobias Plebuch und
Hermann Danuser (Hrsg.): Musik als Text. Kassel 1998, S. 247–253 (auch in: Hans Grüß:
Ansichtssachen. Altenburg 1999, S. 135–144).
M. Haas: Die Musiklehre im 13. Jh. von Johannes de Garlandia bis Franco. In: F. Zaminer (Hrsg.):
Geschichte der Musiktheorie. Band 5: Die mittelalterliche Lehre von der Mehrstimmigkeit. Darmstadt
1984, S. 89–158.
Richard H. Hoppin: Medieval Music. New York 1978 (= Norton introduction to music history 1), bes.
S. 324–338.
Heinrich Husman: Bamberger Handschrift. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Band 1, 1949,
Sp. 1201–1206.
Franz Körndle: Zu „Ars-antiqua-Motetten“ aus dem Codex Bamberg. In: Musik in Bayern. Band 36,
1988, S. 31–42.
Friedrich Ludwig: Die Quellen der Motetten ältesten Stils. In: Archiv für Musikwissenschaft (AfMw),
Band 5, 1923, S. 185–222 und 273–315 (besonders 198 ff. und 220); Nachdruck in: Fr. Gennrich
(Hrsg.): Summa musicae medii aevi. Band 7, Darmstadt 1961.
Friedrich Ludwig: Repertorium organorum recentioris et motetorum vetustissimi stili. Band 1
(Catalogue raisonné der Quellen), Abteilung 2 (Handschriften in Mensural-Notation), o. O. 1978, S.
472–504, 640 f. (= Wissenschaftliche Abhandlungen, Band 26)
Patricia Lynn Patterson Norwood: A Study of the Provenance and French Motets in Bamberg. Diss.
Univ. of Texas at Austin 1979.
Patricia Lynn Patterson Norwood: Performance Manuscripts from the Thirteenth Century?. In: College
Music Symposium. Band 26, 1986, S. 92–96.
Patricia Lynn Patterson Norwood: Evidence Concerning the Provenance of the Bamberg Codex. In:
The Journal of Musicology. Band 8, 1990, S. 491–504.
Karin Paulsmeier: Akzidentien im Codex Bamberg. In: Schweizer Beiträge zur Musikwissenschaft.
Band 2, 1974, S. 21–46.
Dolores Pesce: The significance of text in thirteenth-century Latin motets. In: Acta musicologica. Band
58, Nr. 1, 1986, S. 91–117.
Ernest H. Sanders und Peter M. Lefferts: Sources, MS, § V. Early motet. In: The New Grove dictionary
of music and musicians. 2. Auflage, Band 23, 2001, S. 874–877, besonders S. 876.
Hans Schmid: Bayerische Musikhandschriften des Mittelalters. In: Musik in Bayern. 1974, S. 67–78.
Rudolf Stephan: Bamberg. Handschriften (B). In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2. Auflage,
Band 1, 1994, Sp. 1185 f.
Linda Jean Speck: Relationships between music and text in the late thirteenth-century French motet.
Diss. Univ. of Michigan 1977.
G. Reaney (Hrsg.): Manuscripts of Polyphonic Music 11th – Early 14th Century. München/Duisburg
1966 (= RISM B IV/1).

Weblinks [Bearbeiten]

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