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Einfluss von Kunstlicht auf unser Hormonsystem

von Alexander Wunsch

Durch das so genannte Glühlampenverbot der EU ist das Thema Licht in den Fokus der
öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Dabei spielen nicht nur Klimaschutz-Aspekte eine
wichtige Rolle, sondern auch die möglichen Konsequenzen für die Gesundheit.

Licht wirkt über Augen und Haut auf den Organismus ein. Während die verschiedenen
Effekte von Sonnenlicht über die Haut von einem weiten Spektralbereich hervorgerufen
werden, der sich vom kurzwelligen Ultraviolett bis in den langwelligen Infrarotbereich
hinein erstreckt, kann das Auge nur die optische Strahlung verarbeiten, die zwischen 400
und 700 nm liegt. Die Augen können entwicklungsgeschichtlich als Ausstülpungen des
Zwischenhirns verstanden werden und stehen daher in einem direkten Nervenfaser-
Kontakt mit dieser zentralen Schaltstelle des Vegetativums, in der humorale und neuronale
Signale koordiniert werden.

Bis vor etwa 10 Jahren ging man davon aus, dass der retino-hypothalamische Trakt, also
die Nervenverbindung zwischen Netzhaut und Zwischenhirn, nur für die Weiterleitung von
Helligkeits-Signalen verantwortlich ist, wobei die Lichtsignale nicht von den Sehzellen der
Netzhaut, sondern von Ganglienzellen aufgenommen und in das Zwischenhirn
weitergeleitet werden. Genaue Untersuchungen der Ganglienzell-Schicht brachten jedoch
vor kurzem die Erkenntnis, dass etwa 5% der Ganglienzellen über ein spezielles Pigment
verfügen, das Melanopsin, was sie für den Spektralbereich um 460 nm (= blau) besonders
empfänglich macht.

Je höher der Blaugehalt von Licht ist, desto stärkere Signale werden von der
Ganglienzellschicht der Netzhaut in die Zwischenhirn-Kerne geleitet, wobei die erste und
wichtigste Schaltstation der Nucleus suprachiasmaticus (SCN) darstellt, in dem die Innere
Uhr gelegen ist. Von dort ziehen Faserverbindungen zur Hypophyse, zur Zirbeldrüse, aber
auch über sympathische Nervenbahnen zu inneren Organen wie Leber, Nieren und Herz.
Hypophyse und Zirbeldrüse bilden ein antagonistisches System, das für die koordinierte
Steuerung vegetativer Funktionen, z.B. im Zusammenhang mit circadianer Rhythmik,
verantwortlich ist.

Energiesparlampen, die die Glühlampe ersetzen sollen, strahlen grundsätzlich einen


erhöhten Blauanteil ab und beeinflussen dadurch das Hormonsystem wesentlich stärker
als die Glühlampe. Dies hat besonders in der Nacht gravierende Folgen, denn dadurch
wird die Bildung des Schlafhormons Melatonin unterdrückt. Melatonin synchronisiert die
chronobiologischen Rhythmen und steuert Regenerationsprozesse auf Organ- und
Zellebene. Neueste Forschungen legen den Verdacht nahe, dass niedrige
Melatoninkonzentrationen während der Nacht das Risiko für bestimmte hormonabhängige
Krebserkrankungen wie z.B. Brust- und Prostatakrebs erhöhen.

Während des Tages hingegen werden durch blauhaltiges Licht vermehrt Stresshormone
wie Cortisol ausgeschüttet, wodurch z.B. die Reaktionsbereitschaft des Immunsystems
herabgesetzt wird. Daher ist der richtige Umgang mit Kunstlicht eine wichtige präventive
Maßnahme und ein neuer Aspekt bei der Behandlung von hormonabhängigen
Krebserkrankungen. Gerade betroffene Menschen sollten das Licht von
Energiesparlampen und Flachbildschirmen meiden und gegebenenfalls durch
Verwendung geeigneter Filterbrillen in den Abendstunden ihr Hormonsystem vor
unerwünschter Beeinflussung schützen.

Kontakt:
Alexander Wunsch, Arzt, Bergheimer Str. 116, 69115 Heidelberg, wunschart@mac.com

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