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Die studentische Zeitung


der Universität Erfurt campus:echo # 02

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Titel: Freyja Schimkus / jugendfotos.de, CC-Lizenz | Foto unten: Ronn Aldaman, CC-Lizenz

ÜBER UNS campus:echo ist das studentische Magazin der CHEFREDAKTION Thomas Schmelzer - V.i.S.d.P.
Universität Erfurt und erscheint zweimal pro Semester. REDAKTION Katharina Bartsch - Simon Beck - Khes-
Alle Artikel spiegeln die Meinung der einzelnen Autoren rau Behroz - Sarah Buch - Dennis Frieß - Franziska Gutt
wider und nicht die der gesamten Redaktion. KONTAKT - Philipp Hansen - Christian Hengstermann - Constan-
Redaktion campus:echo Nordhäuser Straße 63 99089 Erfurt ze von Kietzell - Lydia Kirchhoff - Sören Musyal - Julia
campusecho@uni-erfurt.de KRITIK UND MITARBEIT Orth - Rebecca Puchta - Thomas Schmelzer - Patrick Ste-
Wir freuen uns jederzeit über Anregungen, Kritik, Lob, ein- gemann - Jan Steinhauer - Amrisha Uriep ANZEIGEN-
gereichte Fotos oder Artikel. Die Redaktion behält sich das BEAUFTRAGTER Bernhard Meier SATZ & LAYOUT
Recht auf Änderungen eingesandter Artikel vor. Interessier- Khesrau Behroz - Jan Steinhauer - Christian Hengs-
te Schreiber, Layouter und Fotografen sind stets willkom- termann FOTOS & ILLUSTRATION Simon Beck
men. HINWEISE Für den Inhalt der hier abgedruckten - Anne Bert - Christian Hengstermann - Jan Steinhau-
Anzeigen übernimmt die Redaktion keine Verantwortung. er DRUCK City Druck GmbH Erfurt - 1500 Exemplare

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Wir sind im fünften Jahrgang.
Dies ist Heft Nummer zwei.

04 Scary Campus
06 Retardierendes Moment
07 Image-Schäden
08 Engagementnachschlag
09 campus:gedanken
10 Elite stinkt
11 Total international
12 + / - / Monarchie
13 heft:campus Ähh...ditorial!
17 Berufswunsch: Prostitution Wie jetzt? Keine Zeit, im Heft zu lesen? Schon

18 campus:menschen am feiern, weil wenigstens die millionenseitige


Pflichtlektüre bezwungen wurde? Sowieso gerade

20 Johannes-Straße
am Weg zur nächsten Klausur?

Ach so, stimmt ja: Prüfungsphase! Jene Zeit, in


21 Haaaaaaaaaaaatschi! der die Bibliothek zum sakralen Wissensquell
wird. Für viele als Fast-Food Absteige, für manche

22 Kölleda als Bio-Laden. Je nachdem und auch egal. Wäre


wahrscheinlich eh besser, ‘mal nach Kölleda zu

24 Ich schieß Dich tot, bitch! Not! fahren, gegen Ökonomisierung, Bachelor und
das ganze andere böse, böse Zeugs zu kämpfen

25 Ne Runde füßeln oder einfach ein besseres Editorial als das hier zu
schreiben. Schön wäre das. So richtig toll.

26 Das Beste zum Schluss Aber sorry, dafür haben wir jetzt echt keine Zeit!

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Ein Gespenst geht um...
Am Begriff scheiden sich die Geister. Linke verteufeln ihn,
Liberale stimmen Loblieder an und wieder andere wis-
sen eigentlich gar nicht genau, was damit gemeint ist. Die
Rede ist von der Ökonomisierung.

von Dennis Frieß

K
urz gesagt bedeutet Ökonomi- beiterstelle kaufen, vier machen eine gan- sierung sprechen?
sierung die Durchdringung eines ze Stelle. Dem Professor wird klar, was das Dem Gespenst bleibt keine Zeit den Ge-
bislang weitgehend unökonomi- Gespenst gemeint hat. Geknickt schlurft danken zu vollenden. Es gibt noch viel zu
sierten Gesellschaftsbereichs durch eine er in sein Büro und beginnt einen Dritt- tun im Ökonomisierungsprozess. Mehr
marktwirtschaftlich rationale Kosten- mittelantrag zu schreiben. Die Sprech- Kooperation mit der Wirtschaft zum Bei-
Nutzen-Logik. Doch was bedeutet es, stunde fällt aus, die bringt keine Gelder spiel. Public-Private-Partnership, das
wenn dieser Neuordnungsprozess vor den und keine Mitarbeiter. gefällt unserem Gespenst. Da die Staats-
Pforten einer Universität um Einlass ge- Unser Gespenst huscht an leistungs- kassen leer sind und Geld für Bildung
bietet? Oder gar schon einen Fuß in der punkteraffenden Studenten und über- knapp ist, sollen Kooperationen zwischen
Tür hat, vielleicht schon durch die Flure lasteten Professoren vorbei in Richtung Hochschulen und der Privatwirtschaft
spukt? Präsidium. Beim Präsidium schließlich mehr Geld an die Universitäten und Fach-
Um die Ökonomisierung einer Univer- angelangt, nagelt es in Luthermanier sei- hochschulen spülen. Gegner dieses Kon-
sität besser veranschaulichen zu können, ne Thesen an die Tür. LUBOM diktiert von zepts behaupten, dass so immer mehr die
stellen wir uns Ökonomisierung als ein nun an den Finanzetat der Hochschulen. Interessen der Wirtschaftseliten an den
Gespenst vor, wie wir es alle aus Kinder- Anhand von Studierenden-, Absolventen- Hochschulen einkehren. Auch Forschung
erzählungen kennen. Es ist nicht wirklich und Promotionszahlen sowie eingewor- und Lehre würden letztlich nur in wirt-
mit Händen zu greifen, teilweise unsicht- bener Drittmittel wird den Universitäten schaftlich rentable Bahnen gelenkt. Hum-
bar und versetzt - bis auf die ganz Mutigen fortan Geld zugewiesen. „Von nun an zählt boldts Bildungsideal fliege dafür aus dem
unter uns - viele in Angst und Schrecken. quantitative Leistung und Output in ganz Portfolio, denn offene Forschungs- und
Unser Gespenst mag rationale Kosten- Thüringen“, poltert das Gespenst. Frech Lernprozesse ohne konkretes Ziel sind
Nutzen-Rechnungen und findet, dass nur unterschreibt das Gespenst mit „die Thü- zu schlecht kalkulierbar, um Jubelschreie
quantifizierbare Fakten zählen. Der große ringer Landesregierung“ und zieht von bei der jährlichen Aktionärshauptver-
Bruder des Gespenstes heißt Kapitalismus dannen. Das Ökonomisierungsgespenst sammlung hervorzurufen. Befürworter
und treibt seit längerem sein Unwesen auf hat soeben den marktwirtschaftlichen träumen von blühenden Bildungsland-
der ganzen Welt. Der größte Feind unse- Wettbewerb zwischen den Thüringer schaften, fruchtbaren Synergieeffekten
res Gespenstes und des Kapitalismus ist Hochschulen ausgerufen - Campus Thü- und massenweise Stiftungsprofessuren,
das sozialistische Gespenst, das allerdings ringen hin oder her, der Wettbewerb wird die die öffentliche Hand wenigstens tem-
ab 1989 die Segel streichen musste und es schon richten. Studiengänge müssen porär entlasten. Wie der Trade-Off letzt-
nun lediglich auf der kleinen Insel Kuba fortan innovativ sein, Alleinstellungs- lich genau aussieht, weiß keiner so genau,
herumgeistert. merkmale aufweisen und Pull-Faktoren das Gespenst ist jedoch guter Dinge, dass
Unser Ökonomisierungsgespenst ausbilden - unrentable Fachbereiche wer- mehr Privatwirtschaft und Wettbewerb an
huscht fortan also durch die Flure unserer den eingestellt oder zielführend umstruk- den Hochschulen sich letztlich auszahlen
Universität und verbreitet seine Kunde. turiert. werden.
Dabei trifft es auf Professoren und befielt In der Hektik hat das Gespenst etwas Die Fundamentallogik der Ökonomisie-
ihnen fortan nur noch in drittmittelträch- übersehen: Alle Universitäten und Fach- rung dringt jedoch noch tiefer. Alles und
tigen Bereichen zu forschen. Seine Arbei- hochschulen buhlen anhand quantitativer jeder muss sich rentieren. Es geht darum,
ten und Forschung seien von nun an nur Einheitsindikatoren, um einen begrenzten alles zu operationalisieren, vergleichbar
noch etwas wert, wenn sich ein kulanter Geldtopf. Da der Topf gedeckelt ist – und und berechenbar zu machen. Der Selbst-
Drittmittelgeber damit finden lasse. Um einfach nicht größer werden will – müssen zweck von Bildung verschwimmt, wird
seinen Forderungen Nachdruck zu ver- die Gewinne einer Hochschule zu Lasten unscharf, was ist Bildung eigentlich? Leis-
leihen, schnappt sich das Gespenst die einer anderen Hochschule gehen. Auch tungspunkte: 1 LP = 30 Stunden Arbeits-
wissenschaftliche Mitarbeiterin des Pro- wenn sich alle Hochschulen verbessern, belastung, nicht mehr und nicht weniger.
fessors und fliegt davon. „Die bekommst ihre Leistungen erbringen, stehen eini- Und alle machen mit beim Super-Mario-
du erst wieder, wenn du vier Doktoranden ge von ihnen am Ende mit weniger Geld Studium, Punkte sammeln, Prüfungen be-
betreut hast“ ruft das Gespenst. Zurück da, als zuvor. Ist das im Sinne unseres stehen, sich mit Zeugnissen und Praktika
bleibt ein Zettel mit der Überschrift „Cou- leistungsaffinen Gespenstes? Eigentlich für den Endgegner, der auf dem Arbeits-
pon-Modell“. Für jeden Doktoranden er- nicht, denn es ist der festen Überzeugung, markt wartet, vorbereiten. Denn am Ende
hält ein Professor einen Coupon. Mit zwei dass sich Leistung lohnen muss. Kann muss sich Ganze ja auch – genau richtig
Coupons kann man sich eine halbe Mitar- man hier überhaupt noch von Ökonomi- – rentieren.
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Protest oder
Punkte
Pünktlich zu Beginn der Prüfungsphase
kommt auch die Bildungsstreik-Bewe-
gung ins Stocken. Die Initiatoren sehen
gerade darin einen weiteren Beweis für
ihre Forderungen.

K
von Thomas Schmelzer

E
infach ist die Sache nicht. Natür- melbecken für politisch Linke zu sein.“ Das Fragezeichen steht im Raum. Es ist
lich. Aber dass es so beschwerlich Mehrfach betonen sie das. Die politische das alte Dilemma. Das System verhindert
werden würde: „Es ist einfach viel Offenheit ist ihnen wichtig. Malo redet den dauerhaften Protest gegen sich. Es
zu komplex“, seufzt Malo Vidal im Uni- von einem „Demokratie-Planspiel“, Juli- schützt sich gewissermaßen selbst. „Wir
Café. Neben ihm sitzt Julian Kasten. Bei- an nennt es „Experiment“. Selbst mit der hoffen, dass die Beschlüsse der Kultus-
de engagieren sich seit der ersten Stunde Universitätsleitung sind sie größtenteils ministerkonferenz keine bloßen Phrasen
in der Bildungs-AG. Beide wirken gerade im Reinen. Denn „die hat uns keine Steine sind“, sagt Julian über die beschlossenen
etwas ratlos. Rückblick: am 17. November in den Weg gelegt, sondern sogar eher un- Willensbekundungen, sowohl die gene-
2009 besetzen die Erfurter Studenten das terstützt.“ Nur wie es jetzt konkret weiter- relle Arbeitsbelastung als die einzelnen
Audimax und schließen sich damit der gehen soll, das wissen sie auch noch nicht Prüfungsleistungen zu überdenken. „Aber
bundesweiten Bewegung an, fünf Tage genau. Der Forderungskatalog vom 22. selbst wenn sich da zu etwas durchgerun-
später ist ein erster Forderungskatalog November hat den Senat nie erreicht, das gen werden könnte - wer soll denn die Re-
entstanden. Es folgen Demonstrationen, letzte Positionspapier musste wegen in- form dann durchführen?“ Das Spiel, den
Kundgebungen, Diskussionsrunden. Als haltlicher Fehler zurückgezogen werden. schwarzen Peter zwischen Bund, Ländern
Thüringens Kultusminister Christoph „Wie soll man auch richtig arbeiten, wenn und Hochschulen hin- und herzuschieben
Matschie versucht, die Protestierenden man eigentlich nur jeweils zwei Monate hat bei den Diskussionen um die Zukunft
mit ersten Geldversprechen zu beschwich- Zeit hat“, frag Malo. Viel länger als drei- der deutschen Uni-Landschaft immer
tigen, beobachten ihn über 1500 Augen. einhalb Monate sind die meisten Studen- noch Hochkonjunktur.
Aber dann ist es wie im Drama: auf den ten pro Semester nicht in der Stadt, zieht
Höhepunkt der Besetzung folgt die fallen- man die Anlaufphase und den Prüfungs- Auf Seiten der Erfurter Uni-Leitung
de Handlung. Nachlassendes Interesse, zeitraum ab, kommt man auf seine Zeit. wird momentan zumindest hinsichtlich
nur noch einmal in der Woche Plenum, Nachvollziehbar, dass sich Netzwerke da der nächsten Rahmenprüfungsordnung
retardierendes Moment. kaum bilden können und falls doch nach überlegt, wie Prüfungsleistungen entzerrt
Genau dort befinden sie sich jetzt. Wie drei Jahren Bachelor oft abrupt auseinan- werden können. Zudem wurden in der
geht die Geschichte aus, möchte man wis- der gerissen werden. Die konkrete inhalt- vergangenen Woche zwei Anträge an den
sen. Untergang oder Sieg? Status quo oder liche Arbeit stocke genau deswegen, sagen Senat vorbereitet, die einen achtsemestri-
grundlegende Reform? Und was heißt das sie. Wenn es auf kleinste Formulierungs- gen Bachelor und Nachbesserungen beim
konkret für die Uni Erfurt? „Zunächst ein- details ankommt, sind oft stundenlange vorläufigen Notenbericht fordern. Diese
mal sind wir froh, dass hier das Bewusst- Einarbeitungsphasen notwendig – zusätz- konkreten Punkte wissen die Bildungs-
sein gewachsen ist, auch in Erfurt etwas lich zum studentischen „Workload“ von AGler schließlich doch noch zu berichten.
bewegen zu können“, meinen beide. Seit 35 Stunden pro Woche und mehr. „Um „Vielleicht sollte man Bildungsseminare
den ersten Zelt-Protesten im Sommer wirklich etwas zu bewegen, müsste man als Prüfungsfächer anbieten“, überlegt
sei die Bewegung ständig angewachsen. sich zwischen Studium und der Protest- Malo einen kurzen Augenblick während
„Und mittlerweile hat die Bildungs-AG arbeit entscheiden“, sagt Malo. „Aber wer des Gesprächs. Julian runzelt die Stirn:
auch nicht mehr den Ruf, nur ein Sam- kann sich das wirklich dauerhaft leisten?“ „Gegen Punkte?“
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MA
Sie schaden dem Image GEK
ÖKO
- die ökonomisierte Bildungsdebatte

MARKETI
Die europäischen Proteste im November

GELD
kritisierten auch die Ökonomisierung
im Bildungsbereich. Image, Leistung,
Teilzeit – drei Beispiele aus der Debatte
an der Uni Erfurt.

KAPITAL
ÖKONOMIE PR
ÖKON
von Philipp Hansen

RANK
rotestierende Studenten würden gesetzt, wie „Alles was einen Wert hat,
dem Image der Universität schaden. muss auch einen Preis haben“. Dass das
Wenn die Uni ein Ort kritischen jede zwischenmenschliche, unentgeltli-
Denkens ist, würden Proteste, Diskussi- che Handlung als wertlos verurteilt, ist
onen und Kritik positiv wahrgenommen den Propagandisten der „Leistungsgesell-
werden. Der Vorwurf Kritik schade dem schaft“ meist nicht einmal bewusst. Statt-
Image deutet auf eine Wahrnehmung der dessen wird munter weiter gerechnet. Die
Uni als Unternehmen hin, das auf einem Bildungsrendite eines Studienganges zum

ELITE
Markt um Gelder und Studenten kämpft Beispiel oder ob Studenten, durch späte-
und das sich folglich auch positiv ver- res Steuerzahlen ihr Studium finanzieren,
markten muss. was ja bewiesen sein müsste, damit ein
Besetzer von Hörsälen werden gefragt, gebührenfreies Studium legitimiert wäre.
was sie während der Besetzung geleistet Doch die ständigen Berechnungen über

EFFIZ
haben, was es gebracht hat. Handeln wird die „Zukunftsinvestition Bildung“ oder
auf Arbeiten reduziert ,dieses Arbeiten soll „die einzige Ressource, die wir haben“
etwas „bringen“. Das entspricht genau der reduzieren Bildung auf einen ökonomi-
Logik der Erwerbsarbeit. Besetzer werden schen Begriff und zeugen letztlich von
mit dem Maßstab der Leistung gemessen, Ratlosigkeit. Die Debatte wird verengt
der von vielen ja gerade kritisiert wird. und eine echte Auseinandersetzung wird
Wem die Arbeitsbelastung zu hoch ist, erschwert: Welche Bildung wollen wir?
der könne ja Teilzeit studieren. Auch hier Und für wen? Können unterschiedliche

ÖKON
die Orientierung an der Erwerbsarbeit: Bildungsvorstellungen nebeneinander be-
Die Einteilung in Vollzeit- (40-Stunden- stehen? Können wir von einem Einheits-

PR
Woche) und Teilzeit-Studenten. system zu einem pluralistischen System
Diese drei Beispiele stellen nur Randas- übergehen? Und das auch noch staatlich
pekte dar. Im Zentrum der Kritik sollte organisiert? Bildung ist auch Humankapi-
das Äquivalenztauschprinzip stehen, das tal aber eben nicht nur.
sich im Leistungspunktesystem offenbart. Der Begriff „Bildungsstreik“ ist selbst
Der Tauschhandel lautet: Als Leistung ökonomisch geprägt. Wer glaubt, dass er

MARK
erhältst du Scheine und einen Abschluss - für bessere Bildung streikt, beteiligt sich
als Gegenleistung bringst du Arbeits- bzw. schon an der Ökonomisierung des Den-
Zeitaufwand; einige Jahre Gehaltsver- kens.
zicht gegen später höhere Gehälter. Das Die (Arbeit-) Leistungsideologie dringt

GELD
Bildungssystem ordnet sich damit in ein in immer mehr Lebensbereiche vor, nun
ökonomisches Gesamtsystem ein. ist sie endgültig im Bildungsbereich an-
Die Dominanz von „ökonomischen“ gekommen. Die ökonomisierte Bildungs-
Argumenten zeigt, wie weit wir uns von debatte deutet auch auf die Krise der Er-
Bildung als Wert an sich hin zu Bildung werbsarbeitsgesellschaft hin. Wer eine
als einer Ware entwickelt haben. Wer sich visionäre Bildungsdebatte führen will,
auf diese Ware-Definition von Bildung sollte sich fragen: In welcher Gesellschaft
einlässt, sieht sich Argumentationen aus- will ich leben?
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Die Universität als Bordell Wie immer mehr Studentinnen und Studenten bereit sind,
sich für ihren Lebenslauf zu prostituieren, und warum mir
dieser verdammte Bildungsstreik geholfen hat, darüber
hinwegzukommen.

von Sören Musyal Foto: flickr-Nutzer aresauburn / CC-Lizenz

D
ie Nachwehen des Bildungsstreiks dierendenschaft auf der Jagd nach Hingu- denken auszugestalten. Ich bin hier, weil
liegen noch immer in der Luft. Viel ckern in der Biographie. Wer sich schon ich mich mit meinem Studium weiter-
wurde gefordert, zum Beispiel ein heute guten Gewissens ausschließlich für entwickeln will. Ich bin hier, weil meine
selbstgestaltetes Studium. Schließlich sei ein zukünftiges Leben im Geldreigen ein- Studiengebiete meinem Interesse ent-
das Studium doch die Gelegenheit, die setzen kann, der wird mit Sicherheit auch sprechen. Wenn ich wirklich „dick Koh-
persönlichen Interessengebiete zu vertie- zukünftig keine Scheu haben, entgegen le“ verdienen wollte, wäre ich vermutlich
fen, sich selbst weiterzuentwickeln. In der seiner Überzeugungen zu handeln. nicht nach Erfurt gekommen, um an ei-
Tat soll das Studium genau das sein, doch Warum gab es keinen Widerstand als ner Universität für Geisteswissenschaften
ist diese Forderung nicht nur aufgrund Kocks, der polemische Kolumnist und PR- zu studieren, in Hörsälen, die angeblich
der aktuellen Studienstruktur normativer Berater, die Zuhörerschaft als charakter- nicht überfüllt seien.
Natur. Auch in den Köpfen vieler Studen- los bezeichnete? Vielleicht, weil es kaum Natürlich ist das Ganze etwas auf die
tinnen und Studenten scheint sich ein Bild jemanden gab, der dem guten Gewissens Spitze getrieben, doch steht für mich
verfestigt zu haben, das mit persönlicher widersprechen konnte? Vielleicht aber außer Frage, dass die „Generation Le-
Weiterentwicklung nicht mehr viel zu tun auch, weil diejenigen, die widersprechen benslauf“ beständig größer wird. Immer
hat. Viel mehr zielt alles auf einen prall wollten, sich inzwischen in die Rolle des mehr Studentinnen und Studenten sind
dekorierten Lebenslauf ab. Es liest sich karrieregeilen Studierenden gepresst se- nicht mehr an ernsthaftem Engagement
eben super, wenn man darin „Mitglied des hen. interessiert. Dies ist zum einen bedauer-
Fachschaftsrates“ schreiben kann und ach Die Wege für diese Entwicklung sind, lich, zum anderen aber ist es hochgradig
wie wunderbar wäre es doch, wenn man Gott sei Dank, schon geebnet. Die so ge- bedenklich. Wenn ich mich in demokra-
für eventuelles Engagement schon im nannte Elite sind wir bekanntlich schon, tischen Gremien von Leuten vertreten
Vornherein einen Primastempel in sein da kann es ja kein großer Schritt mehr lassen soll, die diesem nur halbherzig und
Muttiheft, offiziell Engagementpass ge- sein, für ein pralles Konto in der Zukunft ohne Überzeugung angehören, dann fra-
nannt, bekäme. zu studieren. ge ich mich, ob ich diesem Gremium eine
Ich bin enttäuscht und die Enttäu- Es ist doch inzwischen selbstverständ- adäquate Vertretung zutrauen kann und
schung wird zu gegebenen Anlässen noch lich, dass wir wegen eines guten Jobs hier will. Und wenn ich dann zu einer Fach-
größer. Wo landen wir denn, wenn die sind, nicht nur in den Köpfen der Studie- schaftsratswahl gehen muss, weil ich eben
„Generation Praktikum“, oder alternativ renden. Ich kann mich noch an die Frage diese Leute verhindern möchte und mit
die „Generation Lebenslauf“, auch noch meines Dozenten im Seminar erinnern: ansehen muss, wie sie dennoch gewählt
angetrieben wird nach Stempeln für den „Warum sind Sie denn hier? Na weil Sie werden, und sich so ihren Eintrag im Le-
Lebenslauf zu heischen? Viel wichtiger mal dick Kohle verdienen wollen, oder?“ benslauf sichern, dann wird meine Ent-
ist aber noch die Frage, wohin uns diese Ganz genau! Immerhin bin ich ein cha- täuschung nur noch größer.
Entwicklung schon gebracht hat. Dass ich rakterloser Student, der nur hier ist, um Ja, die leichten Böen des Bildungs-
in einer Podiumsdiskussion mit ansehen auf sein späteres Prestige hinzuarbeiten. streiks - sie sind noch da. Und mir persön-
muss, wie eine beträchtliche Zahl von Thematisch liegt mir das Ganze und ei- lich hat er etwas sehr Wichtiges gezeigt:
Zuhörerinnen und Zuhörern begeistert nige Praktika bei Gazprom oder Bertels- Es gibt noch Menschen, die sich ganz ohne
nickt, wenn Prof. Dr. Klaus Kocks vom mann werden mich schon in richtige Bahn Stempel, ganz ohne Leistungspunkte für
dreckigen PR-Geschäft schwafelt, zwingt lenken. Vielleicht übernehmen die mich ja ihre Interessen einsetzen. Und genau die-
mich das nur zu einem resignierten Kopf- später und ich komme groß raus. Alterna- se Menschen sind es, die mich ermutigen
schütteln. tiv gebe ich mich aber auch nur mit einem nicht jedem misstrauisch gegenüber zu
Ist es wirklich so erstrebenswert, sich dicken Gehaltscheck zufrieden - Humbug! treten, weil er sich, sei es im Fachschafts-
Tag für Tag zu verkaufen? Anscheinend Ich bin mit Sicherheit nicht hier, um rat oder in einer Hochschulgruppe, enga-
schon, denn früh übt sich die heutige Stu- mein Leben mit gezwungenem Karriere- giert. Danke!
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Eine saubere Sache

von Katharina Bartsch Foto: flickr-Nutzer squacco / CC-Lizenz

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lötzlich standen sie da, die Desin- vielerorts als putzig betrachtet, viele lach- Seminarräumen gegen Nachmittag tat-
fektionssäulen. Helios-Klinikum ist ten sich über die Maßnahmen kringelig. sächlich wie im Schweinestall aussieht,
doch gegenüber, dachte sich wohl Dabei sind die meisten Dinge eigentlich haben wir dennoch wohl ein fettes, rosiges
der eine oder andere. Achja, Schweineg- eine Selbstverständlichkeit. Eigentlich (Glücks)schwein gehabt: Vor Weihnach-
rippe. sollte man meinen, dass ein paar gesund- ten zählte die Uni sieben Krankheitsfälle,
Die ersten Testversuche brachten das heitsbewusste Studenten den anderen seither sind keine weiteren bekannt.
Ergebnis: Ja, es ist durchsichtig und ja, als Vorbild dienen könnten. Weit gefehlt, Ähnlich wie der Bildungsstreik zog die
es ist flüssig. Übrigens, Tipp am Rande: gerade in Grüppchen gilt der „Desinfizie- Krankheit bisher eher unspektakulär am
zwecks der Keimfreiheit drückt man den rer“ oft als verpönt und langsam. „Mann, Erfurter Campus vorbei, Lebensgefahr
Hebel mit dem Ellenbogen runter…nicht komm doch endlich, heute gibt’s Schwei- bestand für die Erkrankten nicht. Die
mit den Rotz-Händchen. Beim näheren neschnitzel..!“ . Als Ausrede für das Nicht- 20 Ständer und zehn an der Wand ange-
Beriechen schreckt der „Krankenhaus- Desinfizieren werden Gründe aufgeführt, brachten Spender müssen inzwischen nur
Duft“ aber die meisten Studenten ab: Ge- wie: „ich will nicht, dass meine Hände wie noch selten aufgefüllt werden. Schade ei-
rade vor der Mensa lassen viele nach der die einer Krankenschwester riechen...“ gentlich, sorgen sie doch – allerdings nur
anfänglichen Neugier den Sauberkeitso- Auch schön: „Alkohol in Form von Bier bei Benutzung (!) für mehr Hygiene im
belisken bald links, bzw. rechts liegen und oder Sekt tötet auch im Inneren des Uni-Alltag. Schließlich ergab eine Studie
beißen dann mit herzhaftem Grunzen in Körpers alle mitgegessenen Keime ab.“ der London School of Hygiene and Tro-
ihre belegten Brötchen. Psychologen nennen dieses gegenteilige pical Medicine, dass nur 32 Prozent der
Auch schon einmal entnommene Spei- Verhalten bei Erwachsenen Reaktanz. Bei Männer und 64 Prozent der Frauen nach
sen dürfen an der Essensausgabe plötzlich kleinen Kindern heißt es Trotzphase. dem Toilettengang ihre Hände mit Seife
nicht mehr zurückgelegt werden –eine Ob einfach ein erhobener Zeigefingers waschen. Vielleicht könnte man die Säu-
Etikette, die eigentlich nicht nur zu Grip- einer medizinische Fakultät fehlt, oder die len für die restlichen 68 beziehungsweise
pezeiten gilt. Heißt das etwa, ich hätte traumwandlerische Sicherheit der Grund 36 Prozent ja noch etwas länger stehen
vorher meine Nudeln wieder in die Töp- ist, mit der sich viele im gesundheitlichen lassen?
fe packen dürfen? Auch die notwendige Wattenest Deutschlands bewegen, kann
Rundmail zu Hygienemaßnahmen wurde man nicht sagen. Während es in manchen In diesem Sinne, bleibt schön sauber!

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AUFHORCHEN,
MENSCHENKINDER!
von Khesrau Behroz Lasst uns, Menschenkinder!, über
Elite sprechen, einer wahrhaftig garstigen Krank-
heit, einem Geschwür, so eitrig und blutig wie et-
was anderes Schreckliches, das eitrig und blutig
ist, einem lästigen Anhängsel mit der existenti-
ellen Bedeutungskraft eines Blinddarms und der
dekadenten Blödsinnigkeit einer Übergangsjacke.

Lasst uns, Menschenkinder!, über Elite sprechen,


einem Nomen, einem Wort, einer abstrakten
Konstruktion menschlicher Fantastereien, einer
nichts beschreibenden Beschreibung, einer prä-
tentiösen Krone, die all diejenigen aufgesetzt be-
kommen, die immer noch glauben, dass das Kon-
zept „besser sein“ existiert und in „besseres Sein“
resultiert.

Lasst uns, Menschenkinder!, über Elite sprechen,


einer mentalen belle étage, auf der jede Diele
knarzt, jedes Rohr Wasser lässt und jede Form
von Ruhe durch markerschütternde Schreie schon
im Keim erstickt wird, einer glänzenden Schön-
heit mit der Echtheit einer Goldkette aus dem
Kaugummiautomaten beim örtlichen Jahrmarkt.

Lasst uns, Menschenkinder!, über Elite sprechen,


einem Wort, das abgrenzen und Richtungen wei-
sen soll, einem Wort, das deutlich unterscheidet,
zwischen der einen und der anderen Seite, so
schwarzweiß wie eine Günter-Wallraff-Reportage
über Schwarz und Weiß, einem Wort, das Hetero-
genität mit der Farbenfreude eines Hosenanzuges
von Angela Merkel zelebriert.

Lasst uns, Menschenkinder!, über Elite sprechen.


Lasst uns kurz innehalten und nach Luft ringen,
weil uns die Luft wegbleibt, wenn wir beobachten,
mit welch unverschämter Selbstverständlichkeit
sich Menschen nach oben schaukeln, um schon
vorher atmen zu können, was auch allen Anderen
zusteht, mit einer Logik, die so verkorkst ist wie
die Idee, durch Trinken von Wasser und Bier den
Regenwald retten zu können.

Lasst uns, Menschenkinder!, über Elite spre-


chen und mit dem Finger auf Menschen zeigen,
die nach gängigen Mustern gewiss keiner Form
von Elite angehören und lasst uns sie dann Elite
schimpfen, denn nichts, wirklich nichts!, ist elitä-
rer als das Weiterreichen einer schief gegangenen
moralischen Maxime an Andere, die richten sol-
len, was so grobmotorisch zerstört wurde.

Denn am Ende des Tages, Menschenkind!, ist


auch Elite nur ein Label: Wenn es abfällt, enthüllt
sich eine leere Verpackung, die genauso gut Oran-
gensaft oder Milch beinhalten könnte.
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Die Welt auf
dem Campus
Auf unserem Mikrokosmos namens
Universitätscampus findet sich die
ganze Welt wieder. Warum also in
ferne Länder reisen, wenn wir hier
schon einmal Fernwehluft bei un-
seren Austauschstudenten schnup-
pern können. Man muss nur schauen,
von wo aus es als erstes auf der Welt-
karte losgehen soll.

von Lydia Kirchhoff Foto: Yannik Markworth / jugendfotos.de, CC-Lizenz

I
nternationalität gehört heute zum gu- in dieser Kategorie nach vorne pushen. studiert Romanistik und sagt, er sei einer
ten Ton einer jeden Hochschule. Ja, Fragt man jedoch deutsche Kommilito- der wenigen Deutschen in seinem Fran-
und wer von uns Studenten sitzt nicht nen, stößt man auf sehr unterschiedliche zösischkurs. „Ich finde, die Uni ist total
mit mindestens drei Austauschstudenten Ansichten zur Globalität der Uni Erfurt. international und es ist leicht Kontakt zu
in einem Kurs? An der Erfurter Universi- „Ich kenne hier keine Austauschstu- den Austauschstudenten herzustellen.“,
tät teilen sich momentan 294 Austausch- denten super gut. Ich belege zwar einen erklärt er weiter. In der Tat könnte alles
studenten mit 5000 Deutschen die Plätze Italienisch-Sprachkurs, aber kümmere viel motivierter ablaufen, wenn sich die
in Vorlesungen und Seminaren. Die Zahl mich eigentlich nicht um die auslän- deutschen Kommilitonen an einem der
erscheint verhältnismäßig niedrig, dafür dischen Studenten, außer dass ich gele- zahlreichen Integrationsprogrammen be-
sind aber insgesamt 72 Nationen, von A gentlich neben ihnen sitze.“, sagt Lisa. teiligen würden. Anscheinend ist das aber
wie Afghanistan bis W wie Weißrussland, Andere Studenten engagieren sich da nicht so einfach, denn neben Argumenten
auf dem Campus vertreten. Die meisten schon mehr und beteiligen sich an inte- wie „Keine Lust!“ taucht auch immer wie-
von unseren ausländischen Kommilito- grativen Projekten wie Tandem, um mit der „Keine Zeit!“ auf. Tja, was ist da nur
nen kommen aber aus China, gefolgt von den Austauschstudenten in Kontakt zu los auf dem Campus?
der Russischen Föderation und Afgha- treten, meist nicht ganz uneigennützig, Wahrscheinlich könnten wir noch ewig
nistan. zur Sprachverbesserung. Mirjam ist nur über das Desinteresse mancher Studie-
Die „Mutter“ aller Erfurter Austausch- eine von vielen freiwilligen Betreuern, render im Allgemeinen und speziell zum
studenten ist Manuela Linde vom Inter- und umhegt „ihre Amerikanerin“ mit Thema ausländische Kommilitonen dis-
nationalen Büro, die bestens Bescheid Freude. Letztes Jahr gab es ein eins zu kutieren. Nebenbei das stressige Bache-
weiß, wie es um das internationale Poten- eins Tutor-Austauschstudent-Verhältnis lorsystem dafür verteufeln, Hemmungen,
tial der Uni Erfurt bestellt ist. Aus ihrer mit 200 Paten. Scham vor Fehlern und die Sprachbarri-
Sicht ist die Internationalität im Bewusst- Woran liegt es bloß, dass der Campus auf ere vorschieben. Aber auch hier weiß die
sein auf dem gesamten Campus angekom- der einen Seite sehr international geprägt Expertin für Internationales Frau Linde
men: „Sie ist auch Teil der strategischen ist, und auf der anderen Seite viele deut- einen Rat: „Gehen Sie mal Dienstagsa-
Planungen der Universität. Wir haben sche Studenten doch eher getrennte Wege bends ins Café International. Da ist von
in den zehn Jahren, seit Aufnahme des gegenüber ihren ausländischen Kommi- getrennten Wegen nichts zu spüren. Da
Studienbetriebes, hervorragende inter- litonen gehen? Frau Linde erklärt diesen ist immer gute Stimmung! Jeder einzelne
nationale Partnerschaften aufgebaut. Als Zustand: „Die Austauschstudierenden Student, Deutscher wie Ausländer, muss
kleine Universität mit hoher Spezialisie- kommen einige Wochen vor Semesterbe- etwas daraus machen. Auf den anderen
rung und wenig personellen Ressourcen ginn an die Uni, wenn die Erfurter Studie- zugehen und herausfinden, was der An-
können wir aber nicht auf allen Gebieten renden noch im Urlaub oder Praktikum dere Interessantes zu bieten hat. Wir ha-
mitmischen. Steigerungsmöglichkeiten sind. So schließen sich die Austauschstu- ben die Welt auf dem Campus. Entdecken
hätten wir, wenn wir mehr Studiengänge denten zusammen und knüpfen bereits muss sie jeder selbst.“ Treffender könnte
auf Englisch anbieten würden.“ Trotz- zu diesem Zeitpunkt Freundschaften un- man es nicht formulieren. Ja und manch-
dem kommen jedes Semester stetig neue tereinander. Auch im Deutschkurs sitzen mal fühlen sich unsere Austauschstu-
Austauschstudenten, sodass die Zahlen sie mit ausländischen Kommilitonen und denten so wohl und „haben keinen Bock
kontinuierlich steigen. Das ist gut für die icht mit deutschen Studierenden nebenei- wieder nach Hause zu gehen“, kann Jan
Universitätsreputation und würde uns nander.“ Aber wir wissen ja, Ausnahmen von einem französischen Kommilitonen
vielleicht sogar beim Hochschulranking bestätigen die Regel – auch in Erfurt. Jan lächelnd berichten.
((

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TOD DEM
Alternative Realität: Unsere Univer-
sität wird von einem König geführt.
Während ein Student sich mit aller
Kraft dagegen wehren möchte, emp-
findet ein anderer die Monarchie als
„die beste Erfindung seit Holz“.

KÖ N I G !
DER KÖNIG
von Sören Musyal
IST SPITZE! von Khesrau Behroz

S A
chon zu lange werden wir geknech- ch, wie viel Gutes hat unser Kö-
tet, zu lange lassen wir uns in die, nig uns denn schon getan! Welch
vom Tyrannen gegebenen Rahmen edlen Absichten haben sich schon
zwängen. Ja, meine Studentinnen und aus seinen Taten gezeigt! Voll Güte und
Studenten, schon zu lange werden wir Zuneigung hat er mit seinen Studentin-
beherrscht von einem machthungrigen nen und Studenten bislang gesprochen,
König, der uns in vorgefertigte Lehrpläne voll Zuversicht und Verständnis hat er
und Studiengänge steckt. Schon zu lange ihnen ihre miserablen Leistungen verzie-
darben wir im Safte, der uns so fernen hen und sie mit der Großzügigkeit einer
Strukturen, zu langen haben wir gehofft religiösen Lichtgestalt - bevorzugt Jesus
und geharrt in Angst zum Ende eines je- von Nazareth, dem Tischler mit dem be-
den Semesters. Schon zu lange haben wir sonderen Pfiff - aus jeder Krise geholt und
tatenlos zugesehen, wie ein einziger über jedes Dunkel hell gemacht. Oh, König, un-
unsere Zukunftentscheidet, zu lange lie- ser König, wie königlich Du doch bist, Du
ßen wir uns unterjochen von den Bluthun- könntest für ewig unser König bleiben!
den des Universitätskönigs. Er weiß alles, ergo: Er darf alles, ergo:
Ihr Studentinnen und Studenten in der Er ist alles! Der König hat den Überblick
finsteren Welt des Universitätscampus, über jedes Detail, er kann alles mit allem
nichts wird sich bewegen, wenn nicht wir verknüpfen, er kann über sein niederes
uns bewegen. Niemand wird uns erretten, und dummes Volk herrschen und es den
wenn nicht wir selbst aus den vernagelten einzig wahren, einzig richtigen Weg wei-
Verhältnissen des Monarchen ausbre- sen. So oft hat er schon sein gutes Herz
chen.Wir könnten frei sein! Frei von den bewiesen, so oft hat er schon seinen edlen
Zwängen, die uns von oben auferlegt wer- Körper schützend vor unsere gestellt und
den, frei von Grenzen, die unseren, nach Unheil in seine unheiligen Schranken ge-
Entfaltung lechzenden, Geistern auferlegt wiesen! Wir brauchen nichts außer den
wurden. In welch einer Welt würden wir Monarchen, nichts! Demokratische Gre-
leben, wenn wir nur gemeinsam den Auf- mien? Der König kann‘s doch! Wahlen
stand probten. Welch wunderbare Welt an der Hochschule? Der König kann ganz
könnte es sein, in der sich Studierende vorzüglich wählen! Gemeinsam über die
in demokratischen Gremien zusammen Zukunft unserer Bildung sprechen? Der
finden, um gemeinsam über eine bessere König führt gerne Selbstgespräche - er ist
Zukunft zu diskutieren. sich sein vertrauenswürdigster Berater!
Unsere Zeit ist nun gekommen. Die Unsere Zeit ist nicht gekommen! Nur
Zeit, in der wir unsere Bildung selbst in der König weiß, wann unsere Zeit gekom-
die Hand nehmen, um eine zu schaffen, men ist und erst kürzlich hat er verlauten
die es jedem ermöglicht, nach seinen Vor- lassen, dass seine Zeit noch nicht vorbei
stellungen zu lernen, eine Bildung, unbe- ist. Darum sage ich Euch: Es gibt kein
schwert, ohne einen studentenfernen Kö- „richtig“ oder „falsch“! Es gibt „richtig“,
nig. Und darum sage ich Euch: „Ein Fluch „falsch“ und „König!“ Schluss also mit
den Götzen! Tod dem König!“ dem Genöle! Der König ist spitze!
((

1213

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heftcampus

F A L L H Ö H E
Gift und die alten Herren von Khesrau Behroz

Foto: Freyja Schimkus / jugendfotos.de, CC-Lizenz


I
ch kenne sie schon seit so vielen Jahren nicht. Ein Bild ist mir noch im- chen Hitze und der Fremde, inmitten von Feinden
mer nicht bekannt, ich träume nicht von ihr, nichts liegt mir ferner als das. und nur wenigen Freunden, dort haben sie ihr Ge-
Man sagt, zumindest die alten Herren sagen das, die mit den Falten und schenk ausgepackt. Zuerst haben sie es festgehalten
den grauen Haaren, die mit den abgetragen Pullovern und Hosen, sie sagen, und geschüttelt und gehorcht und gelächelt, sie ha-
ihre Präsenz habe der einer Königin geglichen, majästetisch. Mit strahlenden ben sich amüsiert, die damals jungen Herren, ha-
Augen sagen sie das, als würden ihre Erzählungen sie wieder zum Leben erwe- ben sich das Geschenk hin- und hergeworfen, hin-
cken, als würde sie gerade in dem Augenblick, in dem ihr Name gesprochen, und hergeschoben, haben vor lauter Ungedud das
lächelnd durch die Türe treten, wie selbstverständlich, wie alltäglich. Geschenkpapier einfach aufgerissen und die Fetzen
Doch nichts von dem passiert. auf dem Boden liegen lassen - es war wirklich tolles
Sie erzählen grölend ihre Geschichten, volltrunken, sie strahlen kurz, dann Papier! -, haben das Objekt beobachtet, es war wun-
widmen sie sich wieder ihren Fernsehern, schauen den Nachrichtenkanal und derschön und jung, unbenutzt, dann haben sie das
sprechen über Politik, „diese Hurensöhne!“, dann trinken sie wieder ihre Biere Geschenk unter sich aufgeteilt, jeder hat auf seine
und legen sich resigniert über den Bartresen und kurz vor dem Zusammenstür- Runde gewartet, jeder kam auf seine Kosten.
zen, kurz vor dem Zusammeklappen, mit dem übrig gebliebenen bisschen Kraft Es war das schönste Geschenk, das sie bis dato je
in ihren hageren Körpern, bestellen sie sich ein letztes Pils. erhalten hatten.

Sie nennen sie Gift. Wie sie wirklich heißt, das wissen auch die alten Herren Der Barkeeper klopft dreimal auf seinen Tresen.
nicht. Niemand weiß es. Doch alle nennen sie Gift, manchmal gehässig, manch- Die alten Herren greifen alle fast gleichzeitig nach
mal zärtlich. ihren Gläsern, trinken die darin enthaltenen letzten
Gift ist eine Asiatin, „eine Vietnamesin, die aussah wie eine Polin!“, schreit Schlücke, schmatzen ein letztes Mal und stellen sich
einer vom Tresen, und ihren Namen hat sie ihrer Existenz zu verdanken: Gift mehr oder weniger gerade auf. Langsam bewegen
sei ein Geschenk gewesen, sagen die alten Herren, sie habe sie alle damals ge- sie sich zum Ausgang, verlassen die Bar und gehen
rettet, als sie jung waren und weit weg von Zuhause. Man könne das gar nicht Schulter an Schulter torkelnd die Straße runter.
alles in Worte fassen, sagen sie, man hätte das alles mal sehen müssen. „Über- Ich bleibe hinter ihnen, folge unaufmerksam. Als
all Staub, ich habe nichts Anderes gefressen den ganzen Tag. Staubbrot, Staub- wir in einer dunklen Gasse ankommen, die betrun-
wasser, und es war laut, verdammt, es war verflucht laut und die Augen wa- kenen Gestalten nur noch Konturen, räche ich mei-
ren stets nach links und rechts gerichtet, niemals geradeaus“, denn von vorne ne Mutter.
hat man den Feind nicht erwartet, „von vorne ist der Feind nie gekommen!“ Ich bringe sie alle um.
Irgendwann habe man Ventile gebraucht, „man kann nicht ewig in die Luft
ballern!“, alle alten Herren seufzen und schütteln die Köpfe, „das kann man
wahrlich nicht tun“, sagt einer und schließt die Augen.
Der Körper, der ach so junge Körper damals, der habe immer Sehnsucht
gehabt. Immer nur dieselben Wege laufen, immer wieder mal, wenn sich die
Gelegenheit bot, in die Ferne schießen, „verfickte Reisfresser!“, es habe sich ex-
trem viel gestaut, „auch in der Hose!“, lacht einer dreckig und die anderen alten
Herren drehen sich um, schauen ihn an und lächeln milde mit. Denn als Gift
kam, sich quasi in ihre Leben streute, nahmen sie ihren ganzen Mut zusammen
und inmitten des ganzen Staubs und inmitten des ganzen Ärgers, der Pistolen-
und Gewehrschüsse, den Bomben und dem Geschrei, inmitten von Chaos und
Anarchie, inmitten von Willkür und Unbeständigkeit, von Überraschungen
und Unwissen, inmitten all der Ziellosigkeit und all dem Stress, der unglaubli-

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Wie tief ist
Deine Liebe?
von Simon Beck
Abbrüche sind in den meisten Fällen mit
Unannehmlichkeiten verbunden. Bezogen
auf das Ende einer Beziehung können nur
schwer beide Parteien gänzlich zufrieden
sein und so enden manche Abschlüsse mit
einem Blumentopf der sich, selbstverständ-
lich selbstständig, aus seiner Verankerung
am Balkon löst um sich zielstrebig seinen
Weg nach unten, in Richtung Bürgersteig zu
suchen um auf eben diesem zu zerschellen
und in einem Scherbenbeet zu enden in ei-
ner erdigen Pfütze aus Regen und Tränen.
Vor der Haustüre, aus der jetzt eigentlich
der Ausreißer treten müsste – oder jetzt –
hoffentlich, um der Pfütze etwas Furchtba-
res zu verleihen indem er die Erde mit sei-
nem Lebenssaft fruchtbar macht.

Auch wenn er jeden Mittwoch im Training


Kopfbälle zur Genüge köpft, bietet sich es
hier nicht an, seinen Kopf hinzuhalten, sich
nicht der eigenen Enthauptung gegenüber
behaupten zu müssen. Nicht, wenn die Liebe
im dritten Stock, sechs Meter neunzig weiter
oben, wohnt und die Tiefe der Liebe, welche
Früher homogen und nun nur noch ein Kon-
zentrationsgefälle ist, auf der Höhe ihrer
Differenz relevant für ein böses Ende sein
kann, aus dem es kein Erwachen gäbe. Son-
dern nur die weißen Umrisse eines Mensch-
lichen Körpers auf Kopfsteinpflaster, die im
Abendlicht so aussehen, als trügen sie eine
Sonnenblume ins Morgenrot.
Foto: Tanja Wiegand

Höhenrausch
Gin.
von Rebecca Puchta

Ginger.
Ginger Ale.
Falöhle. Fahlöhle.
Stolpernd. Rauschend.
Fallend. Fahlölend.
Hoch hinunter.
Fallhöhe.

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heftcampus

World of Schwerkraft von Lydia Kirchhoff


Na toll, wie in der Theorie: meine Schokobrötchenhälfte landet
mit der Schokoseite auf dem Küchenboden. Guter Start ins Wo-
chenende! Ein gutes Omen? Mal schauen was der Tag bringt. Auf
jeden Fall heut Abend Geburtstagsparty! Mein Frühstück besteht
nun aus Kaffee. Der Tag entwickelt sich komisch. Eine Meinungs-
verschiedenheit zwischen meinem Freund und mir. Ich verziehe
das Gesicht. Möchte kein Geld für ein übertriebenes Geschenk
dazugeben. 10 Euro – nein! Werde auf 5 heruntergehandelt. Ver-
ziehe immer noch das Gesicht. Ich sage: So dicke bin ich mit dem
nich! Er argumentiert: Aber du isst und trinkst da mit! Zählt nicht,
denke ich wiederum. Eine verzwickte Situation ohne Diskussions-
ergebnis.

Später piept mein Telefon…eine Friedens-SMS vielleicht? Nö, ne


Mottoparty. Cool, denke ich. Das Thema: Freunde des Sports.
Auch das noch. Hab keine Sportsachen. Geh ich halt als Spie-
lerfrau à la Eva Longoria. Die Party ist okay- soweit so gut. Eine
Stunde verstreicht, dann begleite ich meinen Basketballstar zum
rauchen. Nun passiert ES! Ich rudere mit den Armen, mache selt-
same Geräusche, als ob die beim balancieren von Körper und Be-
cher helfen würden. Zack, ich liege körperlängs am Boden! Scheiß
Schwerkraft. Merke nun kalten Beton am Po, dann Schmerz. Mein
Fuß steckt im Boden fest, verdreht und angeschwollen. Es folgen
Krankenwagen, Notaufnahme, Krücken! Ein komischer Tag, ich

brainstorming
wusste es. Immerhin musste ich nichts zum Geschenk beitragen.
Ein ganz praktischer Unfall!

von Constanze von Kietzell Foto: Paul-Ruben Mundthal

brainstorming fallhöhe.
ein fall aus der höhe.
eine falle in der höhle.
das höhlengleichnis.

die katze, die tief fällt und überlebt,


die katze, die nicht tief fällt und sich
das genick bricht.

falls wir in der höhe


aus dem hochbett fallen
sollten wir auf jeden fall
mit hochmut

auf dem arsch landen

die falltiefe zeichnet


die fallhöhe aus und
hochfallen ist besser
als runterfallen
als liegen bleiben

hochfallen ist
fliegen lernen
fliegen lernen

nichts von fallhöhe


denn wenn sie fallen
lernen sie schon nicht mehr.

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heftcampus

Jede Entscheidung ein Fall


von Sören Musyal

Du trittst auf das Plateau.


Die altbekannte Kälte umweht Dein Gesicht.
Denn sie ist immer dort, wo Du bist.
Denn das Plateau ist, wo Du bist.

Du siehst unendliche Weiten. Du kennst sie


Und doch sind sie Dir fremd.
Denn so unendlich weit, so finster sind sie auch.
Und immer wieder überkommt dich Finsternis,
Ungewissheit.

Denn jeden Tag stehst Du auf diesem Plateau.


Jede Stunde, jede Minute stehst Du auf diesem Plateau.
Und das Plateau zwingt Dich zum Sprung.

Jede erdenkliche Richtung auf dem Plateau,


sie zwingt Dich zum Sprung.
Doch auf den Sprung folgt der Fall.
Es ist ein Fall in die Ungewissheit,
Denn wie tief Du fallen wirst, Du weißt es nicht.
Und dennoch wirst Du springen.

Denn mit jedem Sprung kommst Du voran.


Von Plateau zu Plateau kommst Du voran.
Nein, Du weißt nicht wie tief Du fallen wirst,
und doch, Du wirst springen.

Denn jede Entscheidung ist ein Fall.

Wie hoch ist


Ein Fall, der Dein Leben ändert.
Denn jeder Fall ändert Dein Leben.
Wie sehr es sich ändern wird - Du wirst es sehen.

Harvard bis
Denn am Ende des Falls wartet Gewissheit.
Gewissheit in gewisser Weise.
Und Du spürst diese altbekannte Kälte im Gesicht.
Die unendliche Weite, Du meinst sie zu kennen.

zur Gera? von Dennis Frieß


Und dann schaust Du Dich um.
Du erkennst eine andere Weite, eine neue Weite.
Und dann schaust Du zurück.
Nicht hinter Dich, sondern über Dich.
Die Höhe des Falls eines Gegenstands ist
entscheidend für dessen Deformation. Die Denn der Fall zeigt sie Dir – die Fallhöhe.
vernichtende Fallhöhe einer Tasse liegt
erfahrungsgemäß ungefähr bei einer han-
delsüblichen Esstischhöhe. Die einer Uni-
versität scheint schwerer zu bestimmen.
Wie hoch ist Harvard bis zur Gera? Wie
tief reißt die derzeitige Finanzsituation
und der LUBOM-Spardruck die Universi-
tät in den Abgrund? Gänzlich zerschellen
wird sie wohl kaum, aber eine Tasse ohne
Henkel ist irgendwie auch keine richtige
Tasse mehr.

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Berufswunsch: Prostitution

Was tun, in einer Zeit, in der den Zeitungen das Wasser bis zum Hals steht, es zwar genügend Ta-
xifahrer gibt, aber niemand genug Geld um den Dienst in Anspruch zu nehmen? Manchen scheint
da das älteste Gewerbe der Welt, die Prostitution, ein willkommener Ausweg. Ein Kommentar
über einen Imagewechsel der PR, den Traum vom dicken Geldbeutel und knallende Sektkorken.

von Patrick Stegemann Foto: Alessandro Di Maio / jugendfotos.de, CC-Lizenz

I
ch bin keine PR-Schlampe - ich bin kaljournalisten verkaufen Abonnements nicht unterschiedlicher sein: Während die
eine gute PR-Schlampe.“ Stolz lä- und werben Anzeigenkunden, berichten einen um der Aufklärung willen Informa-
chelnd, die ihm anheftende Arroganz über Autos und Reiseziele, die ihnen von tionen ans Licht zerren wollen, bewachen
zur Schau tragend, sitzt Klaus Kocks im gütigen Unternehmen selbstverständlich die anderen eben jene mit fletschenden
Sitzungssaal des Erfurter Rathauses bei geschenkt wurden. Zähnen. Die einen sind den Fakten - die
der Diskussionsveranstaltung des Fach- Verheerender als die versteckte Wer- anderen dem Gewinn eines Unterneh-
schaftsrates für Kommunikationswissen- bung für Palmenoasen und Spritfresser mens verpflichtet. Von ähnlicher unre-
schaft am Ende des vergangenen Jahres. ist, dass der Einfluss von Public Relations flektierter Weltsicht zeugt auch, was sich
Die meisten anwesenden Studenten schei- unlängst von den Randbereichen des pro- in dem Pendant dieser Zeitung an einer
nen dem eloquenten PR-Berater Kocks, fessionellen Journalismus her auf ande- süddeutschen Universität abspielte. Dort
der Atomkraftwerkbauer nach Tscherno- re Gebiete übergreift. So investierte die dachten sich die eifrigen studentischen
byl ebenso zu besserer Berichterstattung Bahn 1,3 Millionen, um mit tendenziösen Schreiberlinge offensichtlich nichts dabei,
verhalf wie namenhaften Autokonzernen Umfragen und Interviews ihre eigene Pri- ihrer neusten Ausgabe auch gleich eine
in Zeiten des rasanten Klimawandels, vatisierung voranzutreiben - „Qualitäts- Beilage zuzufügen, die mit der Uni-Pres-
kaum Kontra geben zu können. Einige ni- medien“ wie der Spiegel druckten - auch sestelle ausgearbeitet worden war. Für
cken verschämt - so ein Pfundskerl wären mangels Wissen über die Verstrickungen den Leser war der Unterschied zwischen
sie auch gerne. Früher hätten, so Kocks, der von der Bahn beauftragen Agentur redaktionellem Text und von der Presse-
die übergroße Mehrheit der Studenten „Berlinpolis“ - bereitwillig die fragwürdi- stelle gestreuten Informationen nicht aus-
in Medienstudiengängen Journalisten gen Inhalte. zumachen. Dass an anderen Universitäten
werden wollen, PR sei das unliebsame Immer öfter knallen bei PR-Agenturen sich gern auch Professoren als Experten
Schmuddelkind gewesen. Das sei heu- die Sektkorken, weil es ihnen gelingt, an Unternehmen verkaufen, ist unlängst
te anders. Etwas Maßgebliches hat sich gezielt getarnte Werbung im redaktio- bekannt und bedarf hier nur einer Rand-
geändert, entkrampfter scheint heute nellen Teil der Presseprodukte zu lan- notiz, (so hatte auch der oben genannte
das Verhältnis. So entspannt, dass auch cieren. Egal, ob Spiegel, Süddeutsche Bert Rürup bis zum vergangenen Jahr
immer mehr Kommilitonen am liebsten oder Maischberger,: Lobbyisten schrei- eine Professur inne).
selber PR-Schlampe sein wollen - und ja, ben Kolumnen und geben Interviews. So Viel frappierender als nach Aufmerk-
wenn's geht, natürlich richtig gute. Gut widmete der Focus dem AWD (Allgemei- samkeit und Geld heischende Professo-
bezahlt vor allem: die Tagessätze für die ner Wirtschaftsdienst)-Lobbyisten und ren: Während manche gerade dem Abitur
großen Öffentlichkeits-Berater der Repu- „Gesundheitsexperten“ Bert Rürup ein Entsprungene noch voller Idealismus die
blik wie Kocks liegen zwischen 1000 und mehrseitiges Interview - freilich ohne auf Universitäten des Landes betreten, haben
9000 Euro. Skrupel scheinen da nicht an- dessen zwielichtigen Auftraggeber zu ver- allzu viele wenige Jahre später alle Ideale
gebracht. Auch einfacher PR-Journalist weisen. über Bord geworfen. Junge Kommunika-
ist ein beliebtes Berufsbild in Zeiten der Das alles sind - man ahnt es - keine Aus- tionswissenschaftler, die von Habermas
zunehmenden Prekarisierung der Jour- nahmen. Umso befremdlicher wirkt die die Notwendigkeit einer bürgerlichen Öf-
nalisten. Immer weniger Schreiberlinge Begeisterung vieler Studierender für eine fentlichkeit lernten, Germanisten, die sich
können von ihrer Arbeit leben und so las- PR-Tätigkeit, für ein abgefahrenes Prakti- an Heines oder Brechts Ideologiekritik
sen sich immer mehr von ihnen auf Tätig- kum bei einer der unzähligen Agenturen. übten: Viele von jenen finden Spaß daran,
keiten ein, die es Wert wären, von ihnen Berufswunsch: Journalist oder was mit die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen.
als Skandal aufgedeckt zu werden. Lo- PR. Dabei könnte der Berufsethos beider Sie sind, was Kocks längst ist: Schlampen.

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Ein wenig
verwöhnt werden
Was soll eigentlich die Kamera im Audimax? Wieso ist der
Hörsaal 6 der „Mercedes unter den Hörsälen“? Und wer
kann sich etwas unter „ANSI- Lumen“ vorstellen? Campus
Echo durfte Gast bei Gunter Räupke und seinem Team
von der Medientechnik sein.

von Amrisha Uriep

G
unter Räupke ist seit dem Jahre gearbeitet. Die Vorteile der Zentralität sei- ten Ecke im Audimax installiert ist, dient
1970 an der Universität Erfurt, en, dass weniger Technik zur Verfügung zwar Kontrollzwecken, doch interessieren
die damals noch Pädagogische stehen müsse, welche zugleich häufiger dabei nicht die Studenten oder der Do-
Hochschule Erfurt hieß. Zu Zeiten, in de- eingesetzt werden könne. Der Unterricht zent: Allein der reibungslose Ablauf beim
nen der Bereich Medientechnik noch eine sei somit zumindest in technischer Hin- Einsatz der Technik soll durch die Funk-
gänzlich unabhängige Abteilung war, die sicht gesichert und vor allem Professoren, übertragung in den Raum 207 des Lehr-
sich Audiovisuelles Medienzentrum, kurz die eigentlich an anderen Universitäten gebäude 1 immer im Blick bleiben, damit
„AVMZ“ nannte. unterrichten, wissen anzuerkennen, dass die Technik-Feuerwehr bei einer Störung
Das AVMZ ging mit seinen Dienstleis- sie hier „eigentlich ein bisschen verwöhnt sofort zur Stelle sein kann.
tungen über die Bereitstellung von Prä- werden“, wie Gunter Räupke mit einem Und auch sonst gibt es viel zu tun. Die
sentations- und Aufzeichnungstechnik hi- Lächeln sagt. Aber für eine vollständige Hörsaaltechnik soll sukzessiv komplet-
naus. Neben der Medientechnik existierte und einwandfrei funktionierende Ausstat- tiert und modernisiert werden, damit
der Bereich Grafik, Hochschulinternes tung in den Hörsälen setzt der 61-jährige jeder Hörsaal bald auf dem technischen
Fernsehen, eine eigene Druckerei sowie sich gern ein, versteht er sich und seine Niveau des momentan optimal ausgestat-
ein Fotolabor. Auf „Zimo Copy“ und Foto- Abteilung als „eine Art Feuerwehr“, denn teten Hörsaal 6 sein wird. Hört man den
service war die Universität nicht angewie- heutzutage sei der Unterricht in den meis- gebürtigen Thüringer über „automatisch
sen und rückblickend schwärmt Gunter ten Fällen von der Medientechnik abhän- herabsenkende Bildwände und Lichtan-
Räupke von dem AVMZ als eine „hervor- gig. Auf die Frage, was er von dem zuneh- gleichung“ oder „stationäre Rechner in
ragende Sache“: Die Geräte wurden eigens mendem Einsatz von „Power Point“ und Hörsälen“ sprechen, fällt es nicht schwer
von den Mitarbeitern repariert und nicht Mikrofonen halte, kommt eine Antwort, zu glauben, dass Herr Räupke „am Be-
beim kleinsten Defekt weggeworfen. die einmal eine ganz andere Sichtweise reich hängt“, denn er hat „alles miterlebt
Der gelernte Rundfunk- und Fernseh- widerspiegelt. und aufgebaut“. Umso schwieriger jedoch
techniker war in seiner Abteilung optimal Unnötige Präsentationen, die jeden die Vorstellung, dass er im Oktober 2010
ausgestattet. Inzwischen haben sich die gesprochenen Satz zusätzlich abbilden in die passive Altersteilzeit übergehen
Zeiten geändert, die Medientechnik er- oder einfach nur starre Bilder minuten- wird.
fährt laufend Neuerungen, es wird nicht lang an die Wand projizieren, schmerzen Vielleicht werden die Studenten dann
mehr auf Dauerhaftigkeit gesetzt, sondern Gunter Räupke nämlich aus einem ganz dahinter kommen müssen, dass es „Bea-
auf Modernität. Dieser Umstand tut Gun- bestimmten Grund: Die Nutzungskosten mer geht nicht“ eigentlich gar nicht gibt,
ter Räupkes Leidenschaft für die inzwi- etwa für den einstündigen Einsatz des Be- sondern nur beschädigte Anschlusskabel
schen an das Rechenzentrum angebun- amers im Audimax betragen allein für die oder inkompatible Laptops, welchen sich
dene Abteilung der Medientechnik jedoch Beamer-Lampe sieben Euro. Wegen der Herr Räupke bei der Problembehebung
keinen Abbruch, denn noch immer gibt es Kostspieligkeit hat der Beamer mit seinen widmet, auch wenn dies nicht in seinem
allen Grund, stolz zu sein: 11500 ANSI-Lumen (Maßeinheit für einen Aufgabenbereich liegt. Auf dass hiermit
So ist das zentrale Betreuen von fest in- Lichtstrom, der auf eine Projektionsfläche nun nicht ein Ansturm von Studenten mit
stallierter Technik und der Ausleihe keine trifft) im Audimax auch seine besondere individuellen Reparaturanfragen auf sie
Selbstverständlichkeit an deutschen Uni- Aufmerksamkeit verdient: Die allseits be- zukommt: Vielen Dank für das Gespräch,
versitäten, oft wird bloß fakultätsintern kannte Kamera, die oben in der hinters- Herr Räupke!
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Ich habe einen Großteil meiner Sozialisation durch die Medien erhalten. Und das ist interessant, denn ich kenne Dinge, die ich
noch in meinem Leben vor den eigenen Augen hatte. Orcawale sind zum Beispiel so eine Sache. Da weiß ich seit Free Willy bestens
Bescheid. Das gleiche mit Geheimagenten. Seitdem ich nun schon länger kein Fernsehen mehr schaue, bröckeln viele Klischees
doch langsam. Orcawale finde ich zum Beispiel nicht mehr so kuschelig. Als ich damals High Fidelity gelesen hatte, dachte ich
auch zu wissen, was in Plattenläden so abgeht. Nachdem ich nun Joschi vom Erfurter Plattenladen Woodstock kennengelernt
habe, sollte ich meinen Schubladenkasten im Kopf jedoch generell einmal überdenken...

Media Markt stole my virginity...


von Jan Steinhauer

W
enn man den Woodstock cken in dem sie ihren ersten Kuss haben.“ noch was für Idealisten denken wir. Die
Recordstore auf der Ecke Obwohl Joschi während des Gesprächs selbsternannten Vinyljunkies shoppen
Michaelisstraße/ Weber- immer wieder neue Platten auflegt, fän- ihre raren Schätzchen dabei lieber bei
straße betritt, ist Nick Hornby’s de er es besser, wenn es generell ruhiger Amazon um ein paar Euros zu sparen. Wir
Buch auf jeden Fall recht präsent. zugehen würde. Das ständige Gedudel sei erkennen und verabscheuen den Trend.
Besitzer Joschi grüßt von vor hinter The- unerträglich. Fahrstuhlmusik. „Die meis- 10-Euro Friseure, Selbstbedienungsbä-
ke. Diese ist voller Platten und steht wie- te Musik, die runtergeladen wird, ist doch ckereien und Media Markt. Und stehen
derum vor einer Wand von CD’s. Er tippt schon von Anfang an nichts wert!“, meint am Ende trotzdem selber in der Schlange.
Zahlen in einen PC, der ungefähr so alt er und denkt dabei an Musik als inflatio- Solche Bücher wie High Fidelity werden
sein müsste wie sein Laden, und der wird näre Ware, die immer mehr an Wert ver- für uns geschrieben, damit wir weiter in
dieses Jahr zwanzig. Fast jede Wand steht liert. „Wenn ich Dich doch morgen frage, romantischen Vorstellungen schwelgen
voller Platten. Das Interieur ist, wenn man was du für eine CD du eingelegt hast, da können, während wir selber lieber für
das so sagen kann, sehr hornby. kann sich die Hälfte doch gar nicht mehr zwei Euro weniger bei Amazon bestellen.
Im Buch des britischen Autors ist der dran erinnern.“ Joschi hat das auch längst erkannt.
Laden voller alter Raritäten, und wer Zuerst plante ich eine halbe Stunde im Aber wie gesagt, solche Dinge sind was
nach seltsamer Musik fragt, wird einfach Woodstock zu bleiben, sitze am Ende aber für Idealisten. Ein dicker Benz und Desi-
rausgeworfen. Im Woodstock stapeln sich fast zwei Stunden am Tresen. Es reicht gnercouch sind so nicht drin. Er scheint
dagegen auf der Theke eine Menge neuer schon völlig aus dort zu sitzen, Musik zu auf keins von beidem etwas zu geben und
Alben. Auf die entsprechenden Stellen im hören und Joschis Philosophien zu ver- das macht ihn unheimlich sympathisch.
Buch angesprochen sagt Joschi: „So was folgen. Zwischendurch kommen immer „Eigentlich sollte es mich gar nicht mehr
würde doch heute auch gar nicht mehr wieder Leute rein, die nach neuen Sachen geben!“ sagt er dazu und lacht dabei fast
funktionieren“. Seine Philosophie ist eher fragen oder dem Ladenhüter Kaffee mit- brüllend. Nach ihm sei mit Plattenläden
den Leuten gute neue Musik näher zu bringen, um Platten zu hören und zu quat- Schluss. Das ist vielleicht der Grund wa-
bringen, anstatt immer auf die vergange- schen. Gerade sind die Sofas am Fenster rum der Laden jetzt umso lebendiger ist.
nen Jahrzehnte zu verweisen. Nur schräg leer aber jeden ersten Freitag im Monat So steht nun erstmal ein runder Geburts-
und originell sollte sie bitte sein. Darum kann man dort abends mit Bierchen sitzen tag an. Zum 20. holt Woodstock die Band
findet er auch überraschenderweise il- und neue Musik hören. Gegenüber ist eine Mariahilff am 21.3. in den Museumskel-
legale Downloads gar nicht so schlimm. kleine Bühne für Konzerte. ler. (VVK im Woostock. Für Studenten 7
„Gerade wenn man kein Geld hat ist das Um auf die Idee mit Hornbys Rob Gor- Euro). Fürs Frühjahr ist eine asiatische
doch o.k. Um neue Musik zu entdecken don zurückzukommen, muss ich mir da- Filmreihe geplant. Von Schluss kann da
ist das super.“ Dabei kämen immer noch bei eingestehen, dass ich einfach öfter in irgendwie keine Rede sein. „Der Laden
genug Leute später in den Laden um sich einen Plattenladen hätte gehen sollen, um ist eben mein Kind. Nur ist das Kind jetzt
die Platte im Original ins Regal zu stellen. so einen Kram erst gar nicht zu glauben. zwanzig und kann immer noch nicht aus
Für den Plattenverkäufer bleibt da trotz- Mir wird die ganze Widersprüchlichkeit dem Haus.“
dem noch genug Arbeit übrig, denn: „Viele auch meines Musikkonsums bewusst. Und wie soll es auch, Joschi wohnt
bleiben doch musikalisch in dem Jahr ste- Plattenläden wie Woodstock sind nur schließlich direkt oben drüber.
((

2021

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i e f . . i e f nief . nief ...
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von Thomas Schmelzer

U
nd höchstens eine Woche lang
anwenden.“ Die Verkäuferin in
derApotheke mustert mich mit
strengem Blick, dann überreicht sie mir
daskleine Päckchen mit der Sprühflasche
und kassiert die 3,78 Euro. Innerlich muss
ich grinsen. Eine Woche, so steht es auch
im Beipackzettel. Aber eine Woche: Das
ist pure Illusion!
Ich bin süchtig. Abhängig von Nasen- besten Freund geworden. Ich lasse Frei-
spray und nein, gesund ist das nicht, was bier und Festmenüs sausen, wenn ich das
ich meinen Nasenschleimhäuten seit Jah- Spray zuhause vergessen habe. Laufe Ki-
ren zumute. Sobald sie Anstalten machen, lometer durch tiefsten Schnee, um es doch
auch nur minimal anzuschwellen, ziehe noch zu holen. Es gibt sogar ein Foto, auf
ich meine Sprühflasche und sie bekom- dem ich mir das Zeug mit einem Grinsen
men eine ordentliche Ladung Xylome- in die Nase pumpe. Seit Neuestem bin ich
tazolinhydrochlorid verpasst. So heißt bei StudiVZ einer von 1200 Mitgliedern
meine Wunderwaffe im Kampf gegen den der Gruppe „Nasenspray addicted“. Aber
Schnupfen, und obwohl ich die Bezeich- zum Glück bin ich gegen diese Heroin-
nung des Teufelszeugs kaum aussprechen junkies ein harmloser Gelegenheitskiffer.
kann, bin ich jedes Mal aufs Neue von der In einem Thread geben Mitglieder mit
Wirkung begeistert. Zisch, zisch. Schnief, Bildern von Flaschensammlungen an. In
schnief und die Nase ist wieder frei. Einat- einem anderen diskutieren sie, welcher
men. Ausatmen. Eins zu null für mich und Hersteller die beste Nasenspraylösung zu-
mein Xylometazolinhydrochlorid. Das sammenbraut. Manche erzählen von zahl-
gibt’s sogar von Rathiopharm. losen Entzugsversuchen.
Das Blöde an der Sache ist der Dauer- Seitdem ich von „Stinknasen“ und ir-
schnupfen. Irgendwann schwellen die reversibel verfaulenden Erkrankungen
Nasenschleimhäute nur noch ab, wenn sie der Nasenschleimhäute als dramatische
ihre Xylometazolinhydrochlorid-Dusche Quittung für die bequeme Sucht gelesen
bekommen und verstopfen andernfalls habe, versuche ich das auch mit dem Ent-
die Nasengänge wie Betonpfähle. „Pri- zug. Manchmal klappt das für ein paar
vinismus“ nennt man das in der Fach- Wochen, manchmal sprühe ich schon
sprache, sogar Wikipedia widmet diesem nach ein paar Stunden wieder. Spätestens
Phänomen eine eigene Seite. In der Pra- aber jetzt im Winter, wenn ich wirklich
xis ist das Ganze ziemlich unschön. Wer Schnupfen habe, stehe ich wieder in der
schon mal länger als fünf Stunden durch Apotheke und schaue der Verkäuferin mit
den Mund atmen musste weiß, wovon ich treuherzigen Rehblicken in die Augen:
spreche. Deswegen ist die 10ml Xylome- „Natürlich, ich weiß. Nicht länger als eine
tazolinhydrochlorid- Flasche zu meinem Woche anwenden.“
((

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Kaffee und Kuchen in

Studieren heißt für viele Rauskommen. Die Sehnsucht nach


der ländlichen Idylle wird der Dörfler jedoch nie wieder
los. Doch wer einmal draußen ist, so scheint es, für den gibt
es kein Zurück mehr in den ländlichen Schoß. Christian
Hengstermann und Jan Steinhauer fanden die dörfliche
Idylle im thüringischen Niemandsland auf jeden Fall nicht
mehr wieder.

D
a steht er wie der Ochs vorm Berg. nur physisch - nähern zu können. Die
Die Ochsen hat er sich eben einge- Kellnerin ist nett. Er bestellt Kaffee. „Im
bildet zu hören, aber das war nur Kännchen?“, fragt sie ihn und er fragt
der Laubsauger des Mannes mit Hut und sich, ob sie auf dem Land, wo man Kaffee
Latzhose, dort auf dem Bürgersteig. Er noch direkt gleich Kannenweise, pardon
bläst den frisch gefallenen Schnee einfach Kännchenweise trinkt, mit ihren kurzen
auf die Straße. Ihm doch egal. Ordnung Haaren und dem Ring im Ohr wohl pro-
muss sein. Von wegen ländliches Idyll. vokant wirkt. „Oder doch Cappuccino?“
Auch die Graffiti-Tags am verfallenen Scheiße, er muss seine Meinung revi-
Bahnhofsgebäude, vor hundert Jahren dieren, denn oberhalb des Cappuccino
noch Ausdruck des Fortschrittes, spre- Äquators schocken Piercings nicht mehr.
chen da eine andere Sprache. Wo er da Zumindest solche, die dort getragen wer-
rein geraten ist, möchte er gerne wissen, den, wo die Sonne noch hin scheint. Das
bekommt aber so schnell keine Antwort. Dorf ist auf jeden Fall nicht mehr das glei-
Es ist zu kalt, um nachzudenken in Ost- che. Er denkt sich, dass der Klimawandel
thüringen. Es könnte genauso gut Nord- nicht nur den Meeresspiegel, sondern
thüringen sein. Kölleda die ländlich ge- ebenso den Cappuccino-Milchschaum-
prägte Kleinstadt. Verschlafen, inmitten Pegel steigen lässt. Kölleda liegt nun unter
von Schneeflocken. Rauchende Schorn- dem Schaumspiegel. Das heißt „goodbye“
steine. Ruhe. Oder Stille? Kännchen und „hello“ Kakaostreuer. Wür-
Die Kälte zwingt ihn ins Café, um sich de auch die Massen an gefrorenen Milch-
dem Thema nun auch gedanklich - nicht schaum erklären, die draußen liegen und

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alles schrecklich grell scheinen lassen. Wohnzimmermöbel sein. Wikipedia ver- kinder im Zug hätte ihn stutzig machen
Zumindest ist es ruhig. So viel hat sich rät ihm aber während seines Espresso sollen. Dabei hätte er es wissen müssen.
seit seinem letzten Besuch auf dem Land Macchiato im Hilgenfeld, dass sich der Gern meckert er über die Provinzialität
nicht verändert. Einen Traktor hat er auch Name von Kuhköln ableitet. Eben weil die von Erfurt. „Ist ja mitten im Nirgendwo.“
schon gesehen. Das ist doch schon mal Menschen es dort verstanden, sich große Er hingegen hat schon Metropolen selbst
was. Was der Bauer wohl zu den medi- Herden an Rindvieh zu halten. zu Fuß erlaufen. Erst letztes Jahr im Prak-
terran betupften Wänden in diesem Cafe Das Semesterticket ermöglicht ihm die tikum, sonst - natürlich - an Silvester oder
sagen würde. Und da merkt er, wie es ihn Reise dorthin. Die Pfefferminzbahn muss während der Klassenfahrt.
trifft: Es ist dem Bauer einfach scheißegal. er nehmen. Soso. Kölleda mit dem Bei- Er weiß, wovon er redet, ganz bestimmt.
Als der Schnee in Erfurt jegliche Farbe aus namen Pfefferminzstadt. 1200-Jährige „Erfurt ist schon OK. Irgendwann ziehe
der Stadt gedrängt hatte und die grauen Geschichte. Zehn Jahre ist es her, dass ich aber dann wohin, wo richtig was geht!“
Häuser nur die Sicht auf einen wiederum die Stadt einen mit 15.000 Gramm Pfef- Und doch sitzt er nun hier und es kommt
weißen Himmel preisgaben, hatte er es ferminze gefüllten Teebeutel präsentierte. ihm gar nicht so fremd vor und dann wie-
einfach nicht mehr ausgehalten. Wie manche Städte es ins Guinness- der doch. Er ist selber aus der Kleinstadt.
Rauskommen wäre die beste Idee. Spa- Buch schaffen. Heute klebt höchstens Und diese Kleinstadt nennt sich dabei nur
zieren gehen und durchatmen können. noch Wrigley‘s Spearmint unter der Bank Kleinstadt, um nicht als Dorf geschimpft
Aber nicht so weit raus. Er hat schließlich am Dorfplatz. zu werden. Da ist er nun raus und sehnt
wenig, fast gar keine Zeit. Ist ja schließlich Man sollte viel öfter das Semesterticket sich trotzdem wieder zurück. Doch ein-
Student. Am Ende keine Ahnung, wie er nutzen, um unbekannte Orte und Land- mal draußen muss er erkennen, dass sich
da auf Kölleda gekommen ist. Saublöder schaften Thüringens zu erkunden. Nicht das Leben überall dreht und das gar nicht
Name, vielleicht könnte er auch einfach immer nur im Erfurter Becken verharren. einmal so langsam. Egal ob in Kölleda,
nur ein Namenspatron für schwedische Doch schon die Handymusik der Schul- Erfurt oder zu Hause.
((

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Gleich nach dem Aussehen wird man
heute sehr häufig nach seinem Musikge-
schmack beurteilt. Ob das dem Menschen,
der sich hinter Wörtern wie Indie, Metal,
Drum'n'Base oder HipHop verbirgt, ge-
recht wird, ist oftmals zu bezweifeln. Ein
solch voreiliges Schubladendenken würde
einen zum Beispiel um ein Gespräch mit
einem Tee trinkenden Rapper bringen,
der sich nicht einfach in Schubladen pres-
sen lassen will.

„Gangster-Rap ist mir peinlich.“


von Franziska Gutt

L
itWis-Student Andreas Kehrer derjacke. mit dem Finger Richtung Ghetto, sondern
macht Rapmusik. Er schreibt und Dass Kasparesk mit den Klischees eines spricht uns alle an.
vertont seit Jahren eigene Songs, Gangsterrappers nicht übereinstimmt, Seine Gesellschaftskritik leitet er unter
auch ein Album ist geplant. Sein Stil dis- zeichnet sich nicht nur an seinem Äuße- anderem von persönlichen Erfahrungen
tanziert sich lautstark vom klischeehaften ren ab, sondern viel mehr noch an seiner ab. Schließlich wuchs Andreas in einer
Gangster–Rap. „Als Rapper bin ich direk- Art zu leben und Musik zu machen. Er ostdeutschen Plattenbausiedlung auf,
ter und viel schamloser“, so beschreibt der trinkt nicht, nimmt keine Drogen und fei- von außen als Brennpunkt und No-Go-
Student Andreas den Unterschied zwi- ert nicht mit halbnackten Bikinimädchen Area verschrien. Konflikte, Angst, Gewalt
schen seinem Alter-Ego Kasparesk und nächtelange Champagnerpartys. Lieber und Drogenmissbrauch konnte er vor der
seinem alltäglichen Ich. macht es sich Andreas in seiner Freizeit Haustür mit verfolgen. In dem Song „Wo
Der Solokünstler produziert seit Jahren mit Tee vor seinem Kohleofen gemüt- ich herkomm“ arbeitet Kasparesk dieses
im selbst gebauten Homestudio Rapsongs lich und bastelt an Beats und sprachlich Thema schonungslos auf und zieht, an-
der besonderen Art. Mit Gangstern, Dro- kunstvollen Reimen. Er sagt selbst: „Es ist gesichts der Wohnsituation in deutschen
gen und Bitches haben diese nichts zu mir beinah peinlich, den Leuten zu erzäh- Vorstädten, eine klare Grenze zwischen
tun, mehr noch seine Texte von Zwischen- len, dass ich Rapmusik mache. Die meis- falschem Stolz und Schamgefühl.
menschlichkeit und sozialen Missstän- ten kennen ja nur Bushido.“ Nach zweijähriger Arbeit, wird Kaspa-
den. Zudem macht er beim Musikmachen Erste Priorität setzt Kasparesk auf die resk im Frühjahr seine erste CD veröf-
jeden Handgriff selbst: Er baut Beats, Gestaltung der Texte, so nutzt er Sprache fentlichen. Allerdings nicht kommerziell,
schreibt Texte, rappt, sitzt am Mischpult einerseits zum klaren Ausdruck seiner sondern als eine Art kostenfreie Hand-
und schneidet die Songs am PC. Meinung, andererseits verwendet er Stil- reichung für alle, die sich für seine Musik
Andreas ist 23 und studiert seit 2006 mittel, wie etwa Metaphern. In seiner Ly- interessieren. „Ich möchte ganz einfach
an der Uni Erfurt Literatur, mittlerweile rik verarbeitet der Rapper seine Sicht auf den Leuten ein Exemplar in die Hand drü-
macht er seinen Master. Begegnet man das Weltgeschehen und umreißt Themen cken, die meine Songs gerne hören“, so
ihm auf dem Campus, würde man nicht wie Religion und Politik und zeigt gesell- der Rapper.
glauben, dass HipHop seit langer Zeit schaftliche Probleme aktueller Zeit auf. Einen Vorgeschmack auf seinen
seine größte Leidenschaft ist. HipHop- Kasparesk spricht aus der Seele der „Zwei- kasparesk(en) Rapstil bekommt man be-
per sehen doch anders aus: Baggy-Pants, ten Klasse, die B-Ware / die fehlbare, die reits jetzt auf myspace, bald soll es eine
XXL–Shirts, Baseballcaps, zuweilen prot- weniger strebsame / Generation der un- Homepage geben, auf der seine Musik
zige Goldketten. Lediglich ein Cap trägt tersten Etage“, der sogenannten Low Soci- zum freien Download zur Verfügung ste-
Andreas, dazu meist Jeans und eine Le- ety, und zeigt mit solchen Aussagen nicht hen wird.
((

2425

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studiVZ killed
the mensastar
Viertel vor zwölf, Universität Erfurt.
Der erste Seminarblock ist vorbei
und die Studierenden strömen in die
Mensa. Für die meisten ist sie nicht
nur das Mekka der kulinarischen Er-
güsse, sondern auch der ideale Ort,
um den gesellschaftlichen Umgang
zwischen den Studierenden zu pfle-
gen.

von Rebecca Puchta und Julia Orth

D
as kennt doch jeder! Nach dem lan- kann man ein Nebeneinander aber kein mantischer Platz“ der Uni sein. Hätte man
gen Anstehen an der Essensausga- wirkliches Miteinander feststellen. Zwar nur mehr Mumm, sieht man dann sogar
be hat man es endlich geschafft. herrscht die notwendige Toleranz, diese über die Tatsache hinweg, dass sein Ge-
Das Essenstablett in der Hand. Los geht führt aber zugleich auch zu einer unnöti- genüber oft eigenartige Essmanieren auf-
die komplizierte Platzsuche, während die gen Ignoranz. Dafür gibt es nur eine plau- weist. Hierbei kann man in verschiedene
Speisen immer kälter werden. Und wie sible Erklärung, wie es Studierende fest- Esstypen unterteilen. Der eine ordnet das
so oft ist keiner da, den man kennt. Setzt stellen konnten: „Studivz hat die Mensa Essen feinsäuberlich in drei Kategorien.
man sich also zu den schnatternden Stu- kaputt gemacht!“ Fortan gruschelt man Fleisch, Gemüse und Beilage - jedes be-
dentinnen, wählt den Platz bei den Leuten sich. Die Kontaktaufnahme mit dem oft kommt einen eigenen Platz auf dem Tel-
aus dem Seminar oder setzt man sich doch unbekannten Gegenüber scheint nicht ler. Andere heben sich das Beste bis zum
lieber alleine ans Fenster. Nachdem man leicht zu sein. Hat man meist totale Hem- Schluss auf. Und ganz hartgesottene wie-
seinen Sitzplatz eingenommen hat, fängt mungen, dem anderen auf die Pelle zu derum verputzen das Essen so wie es auf
das eigentliche gesellschaftliche Spektakel rücken, so lässt man lieber einen Stuhl den Teller kommt.
erst an. Es sind doch immer die gleichen frei. Man kann dadurch super die Distanz Bittet man Studenten, die Mensa in ei-
Szenarien, die sich beobachten lassen. wahren und respektiert die Privatsphäre nigen Worten zu beschreiben, so haben
Sieht man sich in den Urlaub auf Mallor- des Nachbarn. Man könnte das auch als die meisten fast die gleiche Beziehung
ca versetzt, so werden Handtücher durch sozialverträglichen Wohlfühlabstand be- zum einzigen Treffpunkt der Uni. Als
Rucksäcke und Jacken ersetzt. Ein Zei- zeichnen. Aber warum gibt es den denn „Fresstempel“, „einem gutem Grund nicht
chen der deutschen Eigenart, sein Revier eigentlich? Sind wir Studenten nicht Kochen zu müssen“, als „Mutterersatz“,
zu markieren. Sehr auffällig ist dabei auch aufgeschlossene Menschen? Die nächste „Futterstelle“ oder sogar als „Mittelpunkt
die Wahl der Chefplätze an den beiden WG-Party soll doch gesichert sein, oder des Lebens“ dient sie vor allem auch zum
Enden des Tisches - ein Indiz dafür, dass nicht? Lernen, Vorbereiten von Kursen und
man „schon lieber einen Tisch für sich Einerseits ist die Verwicklung in ein Überbrücken der Zeit. Auch bei Grup-
alleine hat“. Eine Interessengruppenbil- Gespräch, das schon mehr bieten sollte penarbeiten oder Referatsvorbereitungen
dung wie man es aus der Schule kennt gibt als nur den bloßen Smalltalk über die wird die Mensa als Aufenthaltsraum um-
es aber trotzdem nicht. Durchaus erkennt- beste Speise des Tages, häufig nicht ge- funktioniert. Da es auf dem Unigelände
lich zeigt sich die Zugehörigkeit zu der ei- wünscht. Das aber ist abhängig von der offensichtlich keinen Alternativplatz gibt,
genen Altersgruppe und zu Studierenden Tagesform oder der Zeit, zu der man sich der die Möglichkeit bietet beim Selbststu-
aus dem Studiengang. in der Mensa aufhält. Andererseits bietet dium die notwendige Nervennahrung zu
Da Menschen Gewohnheitstiere sind, die Platzsuche zum Essen auch die Mög- sich zu nehmen, bleibt für ein aufgeschlos-
kann man bei einigen immer wieder an- lichkeit, sich jemandem zu nähern ganz senes und albernes Kennenlernen anderer
zutreffenden „Cliquen“ das Favorisieren ohne aufdringlich zu wirken. Für manche Mitstudenten wenig Platz. Genauso wenig
bestimmter Sitzplätze feststellen. Klingt, unter den Studierenden stellt die Mensa wie für studentische Emotionsausbrüche
als wäre alles geregelt und entspannt. Ist deshalb einen Platz zum Kennenlernen wie beispielsweise in Form von Essen-
es aber nicht. Betrachtet man den Um- neuer Leute oder zum ansatzweisen Flir- schlachten. Und das ist doch durchaus zu
gang der Studierenden untereinander, ten dar. Sie könnte also ein durchaus „ro- bedauern.
((

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sellsch aft?

läuft.
Ende der Wissensge
aum wurde sie als solche von einer breiten Öffent- Der Übergang von der Industrie- zur Wissensge-
lichkeit wahrgenommen, soll sie schon vorbei sein,
sellschaft wurde in den 60er Jahren diskutiert.
die Wissensgesellschaft? Das hören ihre Angehörigen
50 Jahre später ist es an der Zeit den nächsten
K
natürlich nicht gern, denn sie wissen, dass wir eine Wis-
Schritt zu gehen - in eine neue Gesellschaftsform.
sensgesellschaft sind und Wissen ist ja furchtbar wertvoll.
Computer haben Wissen und Bücher sind voll von Wissen
und beide sind wichtig für unser Leben – der Schluss fällt
U

leicht, dass wir Menschen uns also auch möglichst viel Wis-
sen aneignen sollten. Das machen auch einige und reden wie
Bücher und ihr Kopf ist eine Festplatte. Doch ist das wirklich
erstrebenswert: der Mensch als Wissensammler? Was un-
terscheidet uns von Festplatten oder könnte uns von ihnen
unterscheiden? Die Kreativität. Die Möglichkeit Neues zu
denken und zu schaffen.
Dafür ist eine Wissensgrundlage wichtig, aber sie ist eben
nicht das Ziel, sondern nur die Basis, um mit ihrer Hilfe et-
was weiterzuentwickeln. Im „Informationszeitalter“ wird
das immer deutlicher, denn Wissen ist via Internet für viele
Menschen schnell und leicht zugänglich.Wir sollten den
Schwerpunkt von der Wissensaneignung auf die Kreativität
verschieben. Diese Schwerpunktverschiebung kann Auswir-
der Uni darum mit Balsam, und loben das, was wirklich gut
Aber meckern kann jeder! Hier überschütten wir das Haupt
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Auch in Erfurt trifft das zu.

kungen auf unser Verständnis von Hierarchie oder Verän-


Ein Wintertraum

derung haben. Kreativität will keine Hierarchien, denn sie


schränken den individuellen Freiraum ein und hemmen
wagt.

somit. Hierarchien wollen Stabilität. Wer viel Macht hat,


will keine Veränderung. Folglich begreifen manche Verän-
derung als Chance und Herausforderung – andere vorrangig
als Gefahr. Veränderung gefährdet den Wissenstand, denn
er könnte veralten oder sich sogar als falsch herausstellen.
dritte Pluspunkt.

Demgegenüber regt Veränderung die Kreativität an und


dem Kinderwagen. ts

führt zu Innovationen. Der Abbau von Hierarchien kann


es ermöglichen, dass mehr Menschen ihr kreatives Poten-
schung auch gelingen kann.

zial nutzen können. Kreativität ist die verändernde Kraft –


das Gegenteil ist Reproduktion. Zum Beispiel von Wissen.
Es kommt auf uns an, wo wir stehen wollen. Kreativität ist
wichtiger als Wissen. Unsere Wissensgesellschaft kann die
Grundlage einer Weiterentwicklung werden. Die Kreativi-
Sie muss erst einmal tief Luft holen, bevor sie sich wieder in das Erfurter Schneegestöber

frei. Auch für die studierende Mutter mit


ten, gehen. Am Campus bleibt der Weg
gen des Campus auch viel besser laufen
das unter schlechten Vorzeichen. Dabei

Der Winter kann also kommen, war-


Erfurt und Schnee: Irgendwie steht
mit dem Kinderwagen dort vor mir scheint die Frage schon für sich beantwortet zu haben.
„Schaffe ich das, oder bin ich bis dahin in dieser Salz-Wasser-Pampe versunken?“ Die Frau
das wohl einmal Schnee gewesen sein muss. Vor mir die Straßenbahnhaltestelle.

kann als im Schneemoor der Stadt ist der


Dass man auf den planierten Schneewe-
schlämmung und Verdichtung führen.“
kann der Einsatz von Streusalz zur Ver-
Gesundheit und Umwelt. „Im Boden
des Deutschen Forschungszentrums für
Pflanzen hervor, verrät uns ein Bericht
brennungsschäden rufe das Streusalz bei
viel umweltfreundlicher. Ätz- und Ver-
es schöner aus, vor allem aber ist es auch
weist sich als Geniestreich. Erstens sieht
den Schnee einfach platt zu drücken er-
Salz, kein Schlamm nur Weiß. Die Idee,
die Puderzucker-Metapher wieder. Kein
ßenbahn geschafft habe. Jetzt passt auch
nachdem ich es doch noch in die Stra-
Traumhaft liegt der Campus vor mir,
zeigte unsere Universität, dass diese Mi-
nglaublich! Mehr fällt mir nicht ein, als sich meine Füße während der ersten Janu-
arwochen ihren Weg über den Anger bahnen. Unter mir ein grau-braunes Etwas,

tätsgesellschaft ist möglich! ph

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