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l RÜCKBLICKE UND AUSBLICKE

Chill dich schlau


Kinder- und Jugendkulturfest in Wandsbek ein voller Erfolg
von der FORUM-Redaktion
Chill dich schlau! Bildung – freiwillig und selbstbestimmt. die „guten Orte“ im eigenen Leben, die man häufig und gerne
Unter dieses Motto hatten die VeranstalterInnen das Fest ge- aufsucht und nicht zuletzt die Einrichtungen der Kinder- und
stellt, das sich Ende Juni 2008 auf dem Wandsbeker Markt- Jugendarbeit, wo man hinkommt, um andere zu sehen und zu
platz als wahrer Publikumsmagnet erwies. Was aber hat chil- treffen, um etwas zu tun was man kann oder können will und
len mit Bildung zu tun? Was bedeutet „chillen“ überhaupt? um Erwachsene zu treffen, mit denen man sich beraten kann,
ohne belehrt, zensiert und bewertet zu werden. Am besten lernt
Wikipedia weiß Rat. Das Wort kommt aus dem Englischen ein Mensch wenn er etwas unbedingt können will, wenn
(kühlen, abkühlen) und gewinnt im amerikanischen Slang Er- Freunde oder Freundinnen und Gleichaltrige es auch tun, wenn
holungscharakter (sich beruhigen, sich entspannen, rumhän- er selber anderen etwas zeigen und erklären kann, wenn er ent-
gen, abhängen). Ähnlich wird „chillen“ auch im Deutschen spannt ist, Spaß hat und sich in seiner Umgebung wohl fühlt.
verwendet und steht umgangssprachlich für „entspannen“ Kurz gesagt: Beim chillen wird man auch schlau.
(„Chill mal!“, oder „Bleib mal chillig!“ im Sinne von
„Reg dich ab!“) oder „ausruhen“ („Lass uns mal Darauf hinzuweisen war eines der zentralen
chillen!“). Der Begriff kann auch wie der Die Offene Anliegen der VeranstalterInnen: Es sollte
deutsche Szeneausdruck „abhängen“ ver- Arbeit erreicht Kinder ersichtlich werden, was Jugendliche alles
wendet werden. und Jugendliche mit ihren lernen können, wenn sie wollen und
wenn sie Raum und Gelegenheit dazu
freiwillig zugänglichen und
Und das soll nun also schlau machen? haben. Es sollte erlebbar werden, wie
Abhängen, Rumhängen, Relaxen, Erho- alltagstauglichen eindrucksvoll und voller Stolz Jugendli-
len, gepflegtes und unaufgeregtes Nichts- Bildungsangeboten. che ihr Können öffentlich zu inszenieren
tun als Bildungsmethode mit Schlaueffekt? vermögen. Und außerdem sollte den erwach-
Klingt zwar verrückt, ist aber so. Chillen kann senen Gästen – den Eltern, PassantInnen und Ver-
schlau machen – oder umgekehrt gesagt: wer keinen Raum treterInnen der Politik und Verwaltung –ins Bewusstsein ge-
hat zum Chillen, wer keinen Platz hat für versonnenen oder rufen werden dass die Einrichtungen der Offenen Kinder- und
aktiven, einsamen oder kollektiven phantasievollen Müßig- Jugendarbeit einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitra-
gang, der hat es schwer im Leben, und der wird sicher viele ge dazu leisten, freiwillige und selbstbestimmte Bildung zu
Lerngelegenheiten verpassen. Lernen findet an den unter- ermöglichen und zu unterstützen.
schiedlichsten Orten und zu den unterschiedlichsten Zeiten
statt. Lernen beginnt nicht mit sechs, sondern mit dem ersten Eben diesen Beitrag würdigte dann auch der Wandsbeker Ju-
Tag im Leben und Lernen endet erst mit dem letzten. gend- und Sozialdezernenten Volker de Vries in seiner Eröff-
nungsrede und wies darauf hin, dass die Offene Arbeit es
Lernorte sind – neben den mit der Wissensvermittlung beauf- schaffe, Kinder und Jugendliche mit ihren freiwillig zugängli-
tragten Einrichtungen – vor allem die vielen unterschiedlichen chen und alltagstauglichen Bildungsangeboten zu erreichen,
Zusammenhänge und Orte des alltäglichen Lebens und des obwohl die vielfältigen „Stressbedingungen“, unter denen
Aufwachsens. Dazu gehören die Familie, die Gemeinschaften Kinder und Jugendliche heute aufwachsen, den Zugang zu
und Gruppen, in denen man sich bewegt, die Straße, der Hof, Bildung erschweren.

Foto: Startloch Foto: Streetlife e.V.

62 FORUM für Kinder und Jugendarbeit 3/2008


Chill dich schlau

Foto: Streetlife e.V. Foto: Streetlife e.V.

Zu diesen „Stressbedingungen“ führt die Vries aus: „Ein in- werden würde.“ Als de Vries diesen Wunsch äußerte, war die
zwischen alarmierend großer Anteil an Kindern und Jugend- Reaktion der VeranstalterInnen im ersten Moment etwas ver-
lichen ist von den Auswirkungen relativer Armut betroffen. halten, immerhin waren Koordination und Vorbereitung wah-
Die Möglichkeiten von Jugendlichen mit geringer Bildung, re Kraftakte gewesen und mussten neben dem ganz normalen
einen Lebenserwerb zu finden, haben sich in den letzten Jah- Betrieb der Einrichtungen bewältigt werden – und die eigent-
ren deutlich verringert. Aus einer Vielzahl von Gründen sind liche Durchführung des Festes fing ja zum Zeitpunkt von de
Familien immer weniger in der Lage, Kindern und Jugendli- Vries‘ Eröffnungsrede gerade erst an! Aber im Laufe des
chen eine Orientierung zu geben – sei es in lebenspraktischen reibungslosen Festablaufes und angesichts der begeisterten
Dingen, als Vorbilder oder im Umgang mit neuen Medien.“ Reaktionen des großen Publikums legte sich die Zurückhal-
Auf diese Kennzeichen der jugendlichen Lebenslagen gebe es tung bald: „Chill dich Schlau 2009 – ja warum eigentlich
sicherlich keine einfachen Antworten, so de Vries. Kinder nicht?“
und Jugendliche zur Bildung zu motivieren und passende so-
wie annehmbare Angebote zu machen, wird damit sicherlich Aber erst einmal nahm das Fest seinen Lauf: Auf einer Bühne
auch nicht einfacher. Umso wichtiger wird es, dass junge präsentierten ab 15 Uhr verschiedene Kindergruppen Tänze.
Menschen Möglichkeiten erhalten, „sich freiwillig und Anschließend gab es bis 22 Uhr Life-Musik: Rap, Punk und
selbstbestimmt zu bilden. Das heißt einerseits, den Lebensall- Rock. Zwischendurch beeindruckten Breakdancer das Publi-
tag zu bewältigen, und andererseits, das Berufs- oder Er- kum mit ihrem Können. Während auf der Bühne pausenlos
werbsleben zu bestehen“ betont de Vries und weist Programm stattfand bestand Gelegenheit, sich auf
darauf hin, dass sich das hier zugrunde gelegte dem Gelände Wandsbek Markt zu vergnügen.
Bildungsverständnis deutlich von dem der Erst das Die Veranstalter hatten zahlreiche kleine
Schulbildung unterscheidet. „Und das ist, Engagement einer großen Stände mit diversen Spiel- und Mitmach-
zumindest für die Jugendhilfe, auch gut Anzahl von Einrichtungen aktionen, Graffity und einem Jugend-
so. In diesem erweiterten Bildungsver- der Kinder- und Jugendarbeit Klamottenflohmarkt aufgebaut. Speise
ständnis liegt nämlich der Auftrag der und Getränke gab es zum Selbstkosten-
hat das Kulturfest
Jugendhilfe, hier der Einrichtungen der preis. Als besondere Herausforderungen
Kinder- und Jugendarbeit!“ möglich gemacht. erwiesen sich die Kletterwand und der
„Human Kicker“ – und bei all dem spielte das
In seiner Eröffnungsrede begrüßt der Jugend- und Wetter weitgehend mit!
Sozialdezernent ausdrücklich das Engagement einer großen Impressionen vom Fest geben die Fotos, die sich durch dies
Anzahl von Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, die FORUM ziehen.
dieses Kulturfest auf dem Wandsbeker Markt ermöglicht ha-
ben. „Sie haben sich organisiert und heute und hier sichtbar Bleibt der Dank und großes Lob an alle VeranstalterInnen:
zusammengeschlossen. Damit bringen Sie nicht nur sich als Bauspielplatz Rahlstedt-Ost, Jugendzentrum Startloch, Kin-
Einrichtungen zusammen, sondern vielmehr die Kinder und der- und Familienzentrum Großlohe, Straßensozialarbeit
Jugendlichen aus ihren verschiedenen Quartieren. Das schafft Rahlstedt, Streetlife e.V., Projekt Fit for Future Großlohe, mit
gemeinsame Erlebnisse und vielleicht auch Solidarität.“ In den Bauspielplätze Berne, Farmsen, Gleiwitzer Bogen, Rübe-
der Tat: Die Liste der VeranstalterInnen ist beachtlich lang (s. zahl, Poßmoorwiese, Steilshoop und Tegelsbarg, Häuser der
unten!) und es war gelungen, viele BesucherInnen von Ein- Jugend Steilshoop und Dahlemer Ring, Jugendclubs Berner
richtungen aus anderen Bezirken nach Wandsbek zu holen. Au, Kirchengemeinde Guter Hirte Jenfeld, Get-to, Jenfeld,
„Mit dieser zentralen Veranstaltung im Bezirk Wandsbek“, so Trabrennbahn und Weissenhof, Jugendbüro Jenfeld, JUST
de Vries weiter, „füllen sie eine echte Lücke im Angebot für Stefanstraße, Kaffeekanne Jenfeld, Projekte Take Care Jen-
Kinder und Jugendliche (…). Ich würde mich freuen, wenn feld und Your Life Jenfeld, FC Hellbrook, MoKIP Steils-
diese Veranstaltung zu einem festen Begriff – neudeutsch zu hoop, Straßensozialarbeit Jenfeld, SpielTiger und Verband
einem jährlichen Event – in der Wandsbeker Sommerszene Kinder- und Jugendarbeit Hamburg.

FORUM für Kinder und Jugendarbeit 3/2008 63

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