Professional Documents
Culture Documents
DER WI SSENSCHAFT
Eine neo-institutionalistische Betrachtung
eingereicht von:
Sven Golob, B.A.
Masterstudiengang deutsch–französische Politikwissenschaft
Matrikel-Nr. 333 939
Eichstätt, den
8. März 2010
Inhalt
Heranführung"3
Neo-Institutionalismus"4
Mikroinstitutionalistischer Ansatz"4
Makro-institutionalistischer Ansatz"5
Isomorphie"5
Entkopplung"6
Rationalitätsmythen"10
Fazit"14
Gründe für die Ökonomisierung"14
Bibliographie"16
Heranführung
Neben der Patentierung, Lizenzierung und Forschungs-Joint-Ventures sind Ausgründun-
gen mittlerweile die wichtigste unternehmerische Tätigkeit von Universitäten. Es handelt
sich hierbei um einen wichtigen Mechanismus zur Kommerzialisierung produzierten
Wissens. In den vergangenen Jahren prägte eine signifikante Zunahme universitärer Aus-
gründungen die Forschungsaktivitäten an deutschen Universitäten. Aber auch die Dritt-
mittelvergabe richtet sich zunehmen nach Effizienz und Effektivitätsvorstellungen, so
zum Beispiel bei der so genannten Exzellenz-Initiative, die „Elite“-Universitäten mit zu-
sätzlichen finanziellen Mitteln ausstattet.
1 Vollmers 2008.
3
Neo-Institutionalismus
Die traditionelle Definition der Institution beschreibt sie als ein dauerhaftes System von
Regeln und Normen. Die Organisation ihrerseits gilt als ein rationelles und gewolltes Ob-
jekt.
Das Präfix „neo“ steht dieser Spielart des Institutionalismus voran, weil anders als in der
klassischen soziologischen Theorie nicht das Individuum im Zentrum steht, sondern die
Organisation2. Der Neo-Institutionalismus wurde im Jahre 1977 durch John Meyer und
Brian Rowan begründet. Die Theorie wird als eine Gegenposition zur Rational-Choice
Theorie betrachtet.
Die formale Organisationsstruktur wird laut dem Neo-Institutionalismus auch und zu-
nehmend durch die gesellschaftliche Umwelt bestimmt:
„Organisationale Hand- lungen und Entscheidungen sind nicht das Ergebnis auto-
nomer Wahl. Sie sind ohne den Rekurs auf ihre gesellschaftliche Umwelt und die
dort vorherrschenden Regeln gar nicht denkbar. In diesem Sinne sind Organisatio-
nen – ebenso wie Individuen in der klassischen Institutionentheorie – eher als „ab-
hängige Variable“ der sie umgebenden Gesellschaft und ihrer Regeln zu verstehen.“ 3
M I K RO I N S T I T U T I O N A L I S T I S C H E R A N S AT Z
Auf der Mikro-Ebene kann man die Organisation selbst als Institution betrachten. Die
Organisation sind Quellen institutionalisierter Strukturelemente, die das Verhalten der
4
Akteure beeinflussen. Beständigkeit produziert die Organisation in Form von bestimm-
ten Verhaltensweisen, die von einer Generation an die nächste weitergeben werden. Die
Professionen, die man in ihnen vorfindet, gestalten die Organisationen nicht, sondern
Organisationen schaffen die Professionen, die sie benötigen.
M A K RO - I N S T I T U T I O N A L I S T I S C H E R A N S AT Z
Die Makroebene der Theorie bezieht sich auf institutionalisierte Erwartungen und Re-
geln, die in einer Gesellschaft bestehen. Hierbei gilt es zwei Arten von Umwelten für die
Organisation zu unterscheiden. Zum Einen die technische Umwelt, in denen Leistungen
durch den Markt bewertet werden. Zum Anderen die institutionelle Umwelt, in denen
Organisationen Konformität mit institutionalisierten Regeln zeigen müssen um von ihrer
Umwelt Legitimität zugesprochen zu bekommen.
Diese Institutionelle Umwelt ist nicht nur „da draußen“, sondern auch in den Köpfen der
Organisationsmitglieder. Alle Organisationen sind in technische und institutionelle Kon-
texte eingebunden.
Auf der globalen Ebene beobachtet man dann durch die Globalisierung von Politik, Öf-
fentlichkeit und vor allem der Ökonomie das Verfestigen einer so genannten „world poli-
ty“. Diese provoziert weit reichende Strukturangleichungen der Organisationen.
„Gegenstand der „world polity“-Forschung ist die weltweite Diffusion kultureller
Prinzipien der Moderne und hierauf bezogener Strukturformen, die „vormoderne“
kulturelle Orientierungen und Organisationsformen des Sozialen verdrängen. Zu
diesen Prinzipien zählen insbesondere Zweckrationalität, Fortschrittsglauben, uni-
versalistische Fairness- und Gerechtigkeitsnormen, Weltbürgertum sowie freiwillige
und selbstorganisierte Handlungsfähigkeit.“5
ISOMORPHIE
5
I. Isomorphie durch Zwang ensteht aufgrund der rechtlichen und kulturellen Erwartun-
gen der Gesellschaft, die auf die Organisation wirken;
II. Isomorphie durch normativen Druck wird insbesondere durch Professionen erzeugt. Sie
liefern ihren Angehörigen einen Orientierungsrahmen, der normative Bindungen
entfaltet;
III. Isomorphie als ein mimetischer Prozess ist eine Reaktion der betreffenden Organisation
auf Unsicherheit. Bei unklaren Zielen und unsicheren Umweltbedingungen imitieren
Organisationen die Strukturen anderer Organisationen.
E N T KO P P L U N G
Dieser Begriff bedeutet die Lösung des Konfliktes zwischen institutionalisierten Regeln
und technischer Effizienz. Die so genannte Entkopplung ermöglicht es der Organisation,
legitimierte formale Strukturen aufrechtzuerhalten, während die tatsächlichen Aktivitä-
ten als Reaktion auf aktuelle Erfordernisse variieren. Mit der Entkopplung erreicht die
Organisation es also, durch „Täuschung“ der Umwelt Legitimation zu erhalten, ohne in-
terne Abläufe tatsächlich den extern aufgezwungenen Regeln vollständig zu unterwerfen.
6
Die unternehmerische Universität
Organisationen sind im Neo-Institutionalismus nicht autark, sondern in „institutionellen
Umwelten, in denen gesellschaftliche Überzeugungen existieren, die festlegen, wie effek-
tive und effiziente Organisationen gestaltet sein sollten.“
Gegenwärtig befinden wir uns in einer Phase, in der die „Wissenschaft als Dienstleis-
tungsorgan“7 angesehen wird. Das „Ende des Gesellschaftsvertrages für die Wissenschaft
kam mit dem Beginn der 1990er Jahre“ (Maarsen und Weingart 2008.) Denn nun
entstand eine industriepolitische Motivation zur Vernetzung von Wissenschaft und Öko-
nomie, die im so genannten New Public Management kuminierte. Dies bedeutet die Ü-
bertragung betriebswirtschaftlicher Führungsgrundsätze auf den Öffentlichen Sektor;
bestes Beispiel hierfür die unter US-Präsident Reagan und Magaret Thatcher in Großbri-
tannien durchgeführte großflächige Privatisierung des Öffentlichen Dienstes mit dem
Ziel der Leistungssteigerung und Kosteneinsparung.
Das Leitbild des kreativen Intellektuellen in der universitären Forschung wird zuneh-
mend durch das eines unternehmerischen Selbst ersetzt, das seinen Output an maximaler
Eigenwertsteigerung orientieren soll. Der an der Ökonomie orientierte Transformations-
prozess der Universität kann am besten durch das Triple-Helix-Modell von Etzkowitz
dargestellt werden.
DAS TRIPLE-HELIX-MODELL
Die oben beschriebene unternehmerische Universität gilt als neuer Organisationstyp; es
entsteht eine intensivere Dreiecks-Beziehung zwischen Universität, Staat und Wirts-
chaft9 . Zwangsläufig führt dies zu einer Metamorphose der universitären Werte und
Strukturen. Es steht die Forderung nach größerer Innovationsfähigkeit der Universitäten
im Zentrum und eine gleichberechtigte akademische Mission als ökonomischer Akteur
etabliert sich. Der Organisatiostheoretiker Etzkowitz bezeichnet dies als „capitalisation of
knowledge“10.
Allerdings liegt die tatsächliche Neuerung weniger in der neuen Rolle als vielmehr in der
Ausfüllung dieser Rolle als ökonomischer Akteur. Es gibt keine intermediäre Rolle mehr
zwischen Endverbraucher und Universität als Produzent / Unternehmer.
8
indirekter Transfer in die umgekehrte Richtung durch die verstärkte Ausbildung in un-
ternehmerischen Werten.
Seitens der Forschungspolitik gilt die Direktive, dass direkte und indirekte Mechanismen
einander ergänzen sollten und vom jeweiligen Leitbild der Forschungs-Einrichtung ge-
lenkt werden.
Seit 1999 gilt in Deutschland die Verpflichtung des Arbeitnehmers (Professors), Erfin-
dungen der Universität zu melden – die Universität gilt als Arbeitgeber als rechtmäßige
Besitzerin der Rechte. Um dem steigenden Verawaltungsaufwand an deutschen Universi-
täten durch diese rechtlichen Bestimmungen gerecht zu werden, wurden an deutschen
Universitäten bisher 22 Patentverwertungsagenturen gegründet.
Ein weiteres Indiz für den Wertewandel im Zuge der Kommerzialisierung hat eine Erhe-
bung ergeben, dass 40 von 49 untersuchten Universitäten den Wissens- und Technologie-
transfer im Sinne von Kommerzialisierung in ihrem Leitbild als wichtige Aufgabe nennen.
15 dieser 49 zählten darüber hinaus explizit unternehmerische Tätigkeiten/Existenzgrün-
dung zu ihrem Profil.
9
O RG A N I S AT I O N S S T RU KT U R & M I T G L I E D S C H A F T
Auch an der Organisationsstruktur im Bereich personellen und institutionellen Ausge-
staltung lässt sich eine Anpassung an die ökonomischen Vorgaben ablesen. Die Forscher-
gruppen agieren als Quasifirmen, die sich in Konkurrenz um Drittmittel befinden. Zwei
wichtige Maßgaben an die Struktur von Organisationen, die der Isomorphie in Richtung
der Ökonomie unterworfen sind, sind die Inter- und die Transdisziplinarität.
Die Interdisziplinarität bezieht sich auf die interne Zusammensetzung der Forscherteams,
d.h. das Zusammenwirken von Forschern aus unterschiedlichen Fachbereichen.
Transdisziplinarität meint die Vernetzung mit Gruppen außerhalb der Universität, die also
zusätzliche, externe Expertise einbringen sollen.
Forschung, die sowohl Inter– als auch Transdisziplinarität vorweisen sollen, forschen zu-
nehmend in Anwendungskontexten 11; Der direkte Beweis der Nützlichkeit von For-
schung muss erbracht werden, es gilt, konkrete Problemstellungen zu finden.
R AT I O N A L I T Ä T S M Y T H E N
Im Kontext der unternehmerischen Universität kommt es – aus der Perspektive des Neo-
Institutionalismus – aber dann auf der Mikro-Ebene zu einigen Paradoxa. Denn gleich-
wohl die Ökonomisierung der Hochschulen und des Forschungsbetriebs zunimmt, so
Für viele der beteiligten Forscher, die ihre wissenschaftliche Karriere in der „klassischen“,
vom Bild des kreativen Intellektuellen geprägten Forschung begannen, steht auch weiter-
hin die Produktion von Publikationen an oberster Stelle. Die Erstellung tatsächlich ver-
wert– und vermarktbarer Güter wird von vielen nicht als genuin wissenschaftliche Arbeit
betrachtet. Jedoch stellen sie solche Vorgaben, die an die Drittmittelvergabe oft gekop-
pelt sind, nicht weiter in Frage 12. Der Fokus richtet sich auf die Legitimitätserzeugung
durch die Übernahme des Organisationstypus „unternehmerische Universität“. Dies ver-
weist auf einen Rationalitätsmythos 13.
Hasse und Krücken zeigen so zum Beispiel auf, „warum universitäre Technologietrans-
ferstellen in Universitäten nur eine sehr begrenzte Rolle spielen […].“
„Es handelt sich hierbei um spezialisierte Einrichtungen, die den Transfer von Wis-
sen und Technologien zwischen Universitäten und Unternehmen beschleunigen
sollten. Mit Hilfe von Interviews […] ließ sich zeigen, dass universitäre Transferstel-
len ein klassisches Beispiel für eine nach außen sichtbare Formalstruktur der Orga-
nisation sind, die mit der Aktivitätsstruktur nur sehr lose verbunden ist. Die Grün-
dung der Transferstellen erfolgte […] nicht aufgrund des Versuchs, die Transferpro-
zesse selbst und die darauf bezogenen universitären Entscheidungsstrukturen zu
verbessern. Vielmehr ging der Impuls eindeutig von der Umwelt der Universitäten
aus. Fast alle Befragten betonten, dass es das Wissenschaftsministerium war, das
von den Universitäten mehr Aktivitäten in dem Bereich einforderte. Universitäten
reagierten darauf, indem sie diese nach außen, d.h. vor allem für das Ministerium
sichtbaren Formalstrukturen etablierten. Auf der Ebene der Aktivitätsstruktur
konnte solchermaßen „business as usual“ stattfinden, und zwar in zweierlei Hin-
sicht: Erstens gaben die meisten Universitätsleitungen keine Aufwertung des Trans-
fergedankens für die Gesamtorganisation zu erkennen. Zweitens umgehen trans-
ferorientierte Professoren in der Regel die Transferstellen und setzen nach wie vor
auf persönliche und zumeist dyadische Beziehungen zu Unternehmen. Damit
schützt die Formalstruktur „Transferstelle“ nicht nur das eher geringe Interesse auf
11
Seiten der Universitätsleitungen, sondern auch die tatsächlichen Transferaktivitäten
vor der externen Beobachtung und Kontrolle.14
1) einer Außenansicht der Organisation, die ein beschönigtes und den von der organisati-
onalen Umwelt gestellten Anforderungen geprägtes Bild darstellt und
Die institutionalisierten Regeln der Inter- und Transdisziplinarität und die Suche nach
einem ökonomischen Nutzen der Forschung bleiben aber nicht ein bloßes Lippenbe-
kenntnis, sondern haben tatsächlich direkte Auswirkungen auf die Aktivitätsstruktur der
Forscher–Organisationen.
Die Produktion interner und externer Legitimität erfordert Arbeit, die Ressourcen bin-
det. Insbesondere das zusätzliche Personal, das die Erweiterung der Forscherteams not-
wendig macht, bindet auch Finanzmittel, was das Budget der Forscher einschränkt16.
12
außen gleichermaßen Effizienz und Interdisziplinarität der Teams gefordert und geför-
dert wird, entstehen durch erhöhten finanziellen und aber vor allem kommunikationellen
Aufwand Kosten, die die Effizienz widerum einschränken.
Problematisch wird der externe Legitimationsdruck vor allem dann, wenn das Ziel trans-
disziplinärer Forschung zwar nach außen kommuniziert wird, aber nicht das Scheitern
des Projektes, um die „Wirksamkeit des Rationalitätsmythos nach außen“ aufrecht zu
erhalten 17. Dann findet auch keine Problematisierung der Anwendungsorientierung statt
und es kommt potentiell zu einer Nachahmung, d.h. zu einer fortschreitenden „mimeti-
sche Isomorphie“18 ähnlicher, vermeintlich konkurrierender Organisationen. Der Trend
zu unternehmerischen Universität setzt an eben jenem Punkt ein.
13
Fazit
Die neo–institutionalistische Theorie macht es möglich, die internen und externen Phä-
nomene, die durch die zunehmende Ökonomisierung von Lehre und Forschung entste-
hen, zu analysieren. Insbesondere die Unterscheidung in Makro– und Mikro-Ebene ver-
deutlicht die Unterschiede zwischen den umweltbedingten Erwartungen und deren Aus-
wirkungen auf die Organisationen. Jedoch, dies beweist ein perspektivischer Wechsel in
die Mikro-Ebene, bleiben die extrinsischen Faktoren nicht ohne interne Effekte und
Ambiguitäten.
15
Bibliographie