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Igor Schuwalow hat ein Milliarden-Budget für die “nationalen Projekte” zur
Förderung von Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft, Strassen- und
Wohnungsbau in Russland. Der “zweite Mann” in der russischen Regierung ist
ein durchsetzungsfähiger und entscheidungsfreudiger Manager. Deshalb geben
ihm Präsident Dmitri Medwedew und Ministerpräsident Wladimir Putin freie
Hand.
In der russischen Regierung ist Igor Schuwalow ein Exot: Er kommt als eines der wenigen
Regierungsmitglieder nicht aus dem St. Petersburger Putin-Zirkel und ist kein Silowik.
Trotzdem – oder gerade deswegen – ist er “der zweite Mann” direkt nach
Ministerpräsident Wladimir Putin.
Igor Schuwalow wurde 1967 sprichwörtlich am Ende der Welt geboren. Bilibino heisst der
kleine Ort am Ochotkischen Meer, ursprünglich ein Durchgangslager für Stalins
Zwangsarbeiter im äussersten Nordosten Sibiriens. Ausserhalb des Ortes gibt es keine
Strassen, nur weite Tundra.
Erst nach dem Wehrdienst bei den sowjetischen Streitkräften kam Igor Schuwalow nach
Moskau. Während seines Jura-Studiums an der Lomonossow-Universität implodierte die
Sowjetunion, Schuwalow schloss 1993 unbeeindruckt mit Bestnoten ab und startete eine
Traum-Karriere im neuen Russland.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Sibirer auch für den „neuen Zaren“ im Kreml nicht
zu übersehen: Präsident Wladimir Putin ernannte Igor Schuwalow im Mai 2003 zum
stellvertretenden Leiter der Präsidialverwaltung, die von einem noch weitgehend
unbekannten Dmitri Medwedew geführt wurde.
Als Wladimir Putin nach der strategisch geplanten Wahl von Dmitri Medwedew zum
Präsidenten im Mai 2008 vom Kreml elegant in den Regierungssitz im Weissen Haus
wechselte, nahm er Schuwalow mit. Das ist aussergewöhnlich, weil die meisten Putin-
Vertrauten wie er selbst aus St. Petersburg kommen und Silowiki sind, also ehemalige
Militärs und Geheimdienstler.
Igor Schuwalow dagegen ist ein dynamischer und moderner Wirtschaftsliberaler. Trotzdem
wird er bei einem unerwarteten Ausscheiden des Ministerpräsidenten dessen Amt
übernehmen und ist damit “der zweite Mann“ in der Putin-Regierung. Jetzt schon hat
Schuwalow alle Ministerien in der Hand, welche die von ihm gegründeten “nationalen
Projekte” mit einem gigantischen Budget aus den russischen Öl- und Gas-Einnahmen in
die Praxis umsetzen.
Igor Schuwalow ist kein lavierender Politiker, sondern ein effizienter Manager – und lässt
sich von seinen Zielen nicht abbringen. Kurzfristig will Schuwalow Russland endlich in die
Welthandelsorganisation WTO bringen, langfristig will er eine umfassende Modernisierung
des Landes erreichen.
Von seinen Mitarbeitern wird Igor Schuwalow geachtet, gleichzeitig aber gefürchtet, weil er
auch ihnen seinen calvinistischen Arbeitsethos abverlangt: Er ist am Morgen der Erste im
Büro, duldet keine Schlamperei, ist durchsetzungsfähig und entscheidungsfreudig.
Allesamt nicht gerade russische Kernkompetenzen.
Umgekehrt lässt er seine Mitarbeiter in Ruhe arbeiten, solange sie ihm gute Arbeit liefern.
“Ein offener Dialog mit den Mitarbeitern ist nur mit eiserner Disziplin möglich”, erklärt
Schuwalow – selbst korrekt bis in die Bügelfalten – und stellt seinen Fahrer lautstark in
den Senkel, weil dieser nicht mit weissem Hemd und Krawatte zur Arbeit erscheint.
Bei kritischen Fragen zur Bürokratie und Korruption in Russland kommt Schuwalow sogar
ins Feuer: “Ich sage es tausend Mal, der Schutz des Eigentums ist die wichtigste Aufgabe
des Staates!” Er werde den Einfluss des Staates schon in den nächsten Monaten
drastisch beschränken, die Beamten an der Spitze der Staatskonzerne und der
Staatskorporationen durch qualifizierte Manager ersetzen.
Igor Schuwalow will und muss den Kampf gegen marode Infrastrukturen, Ämterwillkür und
Korruption gewinnen, um Investoren nach Russland zu holen. “Denn ohne ausländische
Investoren kann sich Russlands Wirtschaft nicht modernisieren”. Ein Satz, den die Russen
nicht gerne hören, weil er dem Selbstbild des “grossen und starken Russland”
widerspricht. Dass Schuwalow ihn so gelassen ausspricht, zeugt von seinem
Selbstvertrauen – aber auch vom starken Rückhalt, den er bei Dmitri Medwedew und
Wladimir Putin geniesst.
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