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Andre Schuchardt präsentiert

Grundbegriffe der Philosophie Nietzsches.


Eine Einführung.

Inhaltsverzeichnis
Grundbegriffe der Philosophie Nietzsches.............................................................................1
1. Einleitung.......................................................................................................................2
2. Das Dionysische und Apollinische sowie der Rausch....................................................3
3. Der Übermensch: des Menschen Ziel.............................................................................6
4. Askese und asketische Ideale: die Krankheit des Menschen..........................................7
5. Leib und Wissen: Wissen vor dem Wissen..................................................................10
6. Natur und Kultur: das Leben........................................................................................12
7. Der Wille zu Macht: der Wille des Übermenschen zum Leben....................................13
8. Die ewige Wiederkehr des Gleichen: zurück zum Anfang...........................................14
9. Schluss.........................................................................................................................15
10. Literatur. ....................................................................................................................16

© 2009 Andre Schuchardt. kaltric.de


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1. Einleitung

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) war klassischer Philologe und vor allem Philosoph bis
zu seinen letzten Jahren im Wahnsinn. Bekannt ist er für seine Kritiken an Kultur, Moral,
Religion, Wissenschaft und Kunst und für von ihm geformte Begriffe wie den
Übermenschen und dem Willen zur Macht. Besonders ersteres wurde aber auch von
Ideologien wie dem Nationalsozialismus benutzt und verfälscht.1
Dieser Abhandlung nun soll Nietzsches Philosophie in Grundzügen vorstellen sowie einige
wichtige Grundbegriffe erläutern: Das Begriffspaar des Apollinisch-Dionysischen als
Grundlage des Künstlers und Menschen, seine Möglichkeit zur Befreiung von sich selbst;
der Übermensch als Ziel der Menschengattung; die asketischen Ideale als hindernde
Krankheit des Menschen; der Leib als das, was zum Übermenschen drängt; die Natur als
lebende Kultur; der Wille zur Macht als Wille zum Übermenschen; sowie die Ewige
Wiederkehr des gleichen.

1 Vgl. Seite „Friedrich Nietzsche“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. Mai 2009, 17:41
UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Friedrich_Nietzsche&oldid=60531344 (Abgerufen: 3. Juni
2009, 13:08 UTC)

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2. Das Dionysische und Apollinische sowie der Rausch.

Der Rausch ist das, was der Künstler, was das Genie braucht um sich ausdrücken, ausleben
zu können. Erst der Rausch ermöglicht ästhetisches Tun und Kunst. Laut Nietzsche ist der
Rausch der Geschlechtserregung der älteste; am stärksten ist der Rausch bei Affekten sowie
einem starken Willen2 Der Rausch ist ein Gefühl der Kraftsteigerung, der Fülle.3 Nietzsche
unterscheidet nun aber zwischen zwei Arten von Rausch: a) Der Apollinische Rausch
kommt vom Gott Apoll. Er spricht das Auge an, gibt Visionen, ist der Rausch der Maler und
Schreiber. b) Der Dionysische Rausch erregt das Affekt-System, ist der Rausch des
Darstellens, Nachstellens, Verwandelns. Dazugehörig sind Musik und Tanz.4 Ein
Gegenstück zu den Rausch-Affektierten ist dagegen zum Beispiel der Architekt: Er ist keins
von beidem sondern ein gewaltiger Willensakt; der Wille zur Macht, der Sieg über die
Schwere, der keine Bestätigung mehr braucht sondern schon ist.5 Das Begriffspaar des
Apollinisch-Dionysischen hat Nietzsche von Schelling.6
In der Kunst ist der Apollinische das Bild, der Dionysische die Musik, welche durch den
Willen vereint werden. Das Ergebnis ist ein Traum, ein schöner Schein, der in seiner
höchsten Form nicht als solcher erkennbar ist. Nur der Philosoph sieht die wahre
Wirklichkeit hinter dem Schein. Für Apollo ist der Traum notwendig und wahrsagend. 7
Dionysus dagegen ist ein Grausen; erfährt man dabei Entzückung, so ist man im Rausch.
Dies ist das glühende Leben, welche die Entfremdung zwischen Mensch und Natur beendet,
wenn alle eins werden und singen und tanzen.8
Kunst ist nun aber nach Nietzsche nicht nur Menschenwerk: Es gibt auch künstliche
Mächte, die aus der Natur herausbrechen, ohne vom Menschen vermittelt zu werden. Das
eine ist die Bildwelt des Traumes, das andere der oben genannte Rausch der Wirklichkeit,
2 Vgl. den Willen zur Macht unten.
3 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Götzen-Dämmerung. Stuttgart: A. Kröner 1954, S. 135.
4 Vgl. ebd., S. 136f.
5 Vgl. ebd., S. 137f.
6 Vgl. Seite „Apollinisch-dionysisch“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 18. Februar 2009,
19:48 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Apollinisch-dionysisch&oldid=56840246 (Abgerufen:
4. Juni 2009, 07:15 UTC)
7 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Die Geburt der Tragödie. Frankfurt/Leipzig: Insel 2000, S. 27ff.
8 Vgl. ebd., S. 31f.

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welcher das Individuum vernichtet.9 Um das Ganze bildhafter darzustellen, führt Nietzsche
die alten Griechen an, die laut ihm als einzige wahrhaft dionysisch sein konnten; bei allen
anderen Völkern dagegen seien es bloß sexuelle Feste gewesen, gegen die Apollo aber die
Griechen schützte. Hieran sieht man, dass beide Mächte Hand in Hand gehen müssen, um
einen wahrhaft nietzscheanischen Rausch zu erzeugen. So sei z.B. Musik, die apollinisch
sei, nur bloß Architektur10, derweil Nietzsche zu dieser Zeit noch das Ideal in der Musik
Wagners sah.
Warum aber wird der Rausch überhaupt benötigt? Laut Nietzsche schuf der Sinn der
Menschen die Götter. Ihr Dasein sei voller Schrecken und das Nichtsein anstrebsamer. Um
doch leben zu können brauchte es Götter, die die Freude 'vorleben' als Ideal. Dies ist ein
verdeckender Wahn, den die Menschen anstreben.11 Der Traum wiederum ist ein Schein des
Scheins, was für Nietzsche darum eine Art höhere Realität darstellt, da auch unsere Realität
schon nur Schein ist. Doch dieser Traum funktioniert nicht ohne Dionysus, denn sonst
würde das Individuum isoliert werden. Erst der Rausch hebt es auf.12
Laut Volker Caysa kann das dionysisch-Apollinische in der Kultur auch hässlich und
disharmonisch sein. Beide Arten stehen aber grundsätzlich in Wechselbeziehungen. Hierbei
ist die Zivilisation nach Nietzsche eine Art Verfall, da sie das Dionysische zähmt. Kann
man jedoch, wie die Griechen es konnten, seine echten Bedürfnisse finden und nichts
einschränken, dann können beide Formen nebeneinander existieren.13 So erst wird Kultur,
welche die Natur im Spannungsfeld von Dionysischen und Apollinischen ist.14 Caysa
beschreibt beide Arten als die zwei Triebe der Kunst: Das eine maßvolle Begrenzung, das
andere der selbstvergessene Rausch, wobei das zweite jedoch durch den ersten vermittelt
und entschärft wird.15 Der Rausch erst ermöglicht die Kunst, damit die Kultur und damit den
Übermenschen. Allerdings kann die Ekstase auch zur Sucht werden, weshalb sie von Phasen

9 Vgl. ebd., S. 33ff.


10 Vgl. ebd., S. 35ff.
11 Vgl. ebd., S. 37ff.
12 Vgl. ebd., S. 42ff.
13 Vgl. Caysa, Volker: Körperutopien. Eine philosophische Anthropologie des Sports. Frankfurt: Campus 2003, S.
84ff.
14 Vgl. ebd., S. 88.
15 Vgl. ebd., S. 95f.

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der Normalität durchbrochen werden muss.16 Rausch ermöglicht das Körpererleben, hebt
Sein und Bewusstsein auf. Im Rausch schafft man über sich hinaus. Er macht empfindlicher,
die Wahrnehmung ist auf nur noch ein Ziel gerichtet.17 Den Rausch kann man nur erfahren,
wenn man sich ihm hingibt, was rational nicht möglich ist. Er ist dem Wahnsinn ähnlich:
man vergisst sich selbst und kann Grenzleistungen vollbringen. Die Ekstase ist hierbei
Höhepunkt und Grenze des Ganzen, wenn das Selbst ein Nichts ist und der Körper von
allein handelt, was natürlich die Gefahr des Kontrollverlustes birgt. Sollte man davon
süchtig werden, so ist dies eine Krankheit zum Tode.18
Zusammengefasst: Das Dionysische ist der ursprünglich überschwängliche Rausch und
Trieb, das Apollinische seine Zucht. Beide zusammen treiben zur Spitze von Kultur und
Kunst.

16 Vgl. ebd., S. 99ff.


17 Vgl. ebd., S. 108ff.
18 Vgl. ebd., S. 114ff.

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3. Der Übermensch: des Menschen Ziel.


Nun zu Nietzsches Idealvorstellung des Menschen: dem Übermensch. Dieser ist kein
Mensch, der über anderen steht19, sondern ein Mensch, der die Gattung Mensch sowie sich
selber überwindet, über sich hinausschafft durch seinen Willen zur Macht. Jedoch stellt der
Übermensch nach Nietzsche trotzdem eine Art besseren Menschen dar. Er sagt, was der
Affe für den Menschen ist, ist der Mensch für den Übermenschen: nur ein Übergang. Die
Seele des Menschen ist Schmutz und Armut, welche der Übermensch überwinden kann,
ebenso wie überflüssige Eigenschaften wie Tugend, Glück, Vernunft, Gerechtigkeit sowie
Mitleid. Im Übermenschen opfert sich der Mensch um sich selber zu vergessen und frei zu
sein, ähnlich wie im Rausch. Der Mensch existiert nur, um den Übermenschen zu erzeugen
und wer diesen sucht, braucht Gefährten, die genauso glauben und ihn auch wollen.20
Als Gegenstück zum Übermenschen nennt Nietzsche den 'letzten Menschen': Dieser ist am
meisten zu verachten, denn er kann nicht einmal verachten, kann sich nicht selber
überwinden. Er meint sich glücklich, hat Krankheit und Misstrauen hinter sich gelassen,
arbeitet nur noch zur Unterhaltung, braucht keine Regierung, kennt keine Armut. Alle
letzten Menschen sich untereinander gleich und 'gebildet'.21 Kurz gesagt: Der letzte Mensch
ist der moderne Mensch, das Ideal aller modernen Gesellschaft.

19 Wie es die Nationalsozialisten für sich interpretiert hatten.


20 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Köln: Anaconda 2005, S. 7ff.
21 Vgl. ebd., S. 10ff.

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4. Askese und asketische Ideale: die Krankheit des Menschen.


Unter Askese versteht man im allgemeinen den Verzicht auf sinnliche und weltliche
Genüsse und oft Zurückgezogenheit, um sich ganz spiritueller Erkenntnis widmen zu
können. Auch Nietzsche kannte diese Auffassung; ihm war die Askese zutiefst verhasst und
Auswuchs einer kranken Spezies. Warum, wollen wir hier sehen.
Zunächst einmal braucht der Charakter eines Menschen nach Nietzsche Stil, was soviel
heißt, wie: Stärken sowie Schwächen gut darstellen und einen künstlerischen Plan einfügen.
Der Mensch muss letztlich mit sich selber zufrieden sein können. Wer jedoch unzufrieden
ist, lässt es an seinen Mitmenschen aus22, womit wir bei der Askese wären. Den asketischen
Idealen widmete Nietzsche in seiner Genealogie der Moral ein komplettes Drittel, in
welcher er untersucht, was asketische Ideale bedeuten.
Er beginnt damit zu erzählen, dass Menschen ein Ziel im Leben brauchen und eher das
Nichts wollen als nichts zu wollen.23 Das Nichts wäre hier die Askese. Oft ist der Mensch
aber nicht das, was er vorgibt zu sein24, was auch auf die Asketen zutrifft. Philosophen sind
nach Nietzsche gegen die Sinnlichkeit. Sie streben nach einem Zustand der Kraft und
Macht, wo Dinge wie eine Ehe nur ein Hindernis wären. Oft leben sie also, ob nun
beabsichtigt oder nicht, nach asketischen Idealen: Armut, Demut und Keuschheit. Die
mächtige Geistigkeit der Philosophen überwältigte ihre Triebe, was sie in die Askese
brachte. Sie ziehen sich zurück, dorthin, wo man nicht auffällt, weg vom Alltag. Sie reden
leise, sind sich ihrer aber gewiss. Nun dreht Nietzsche dies aber um, wenn er sagt, dass erst
durch die Askese die Philosophen entstanden.25 Seine Kritik an der Askese ist also eine
Kritik an den Philosophen.
Die nächste These ist, Nietzsche folgend, dass Kranksein lehrreich ist, lehrreicher als
gesund sein. Seine Beschreibung nach vergewaltigen wir uns (geistig) selber, um zu lernen.
Erst wenn man durch die Hölle gegangen ist, findet man den Himmel. Deshalb waren die

22 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Die fröhliche Wissenschaft. KSA 3, Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2. Auflage, S.
530f.
23 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Die Genealogie der Moral. KSA 5, Berlin/München: De Gruyter/dtv 2009, 10. Auflage,
S. 339.
24 Vgl. ebd., S. 343.
25 Vgl. ebd., S. 350ff.

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ersten Philosophen Asketen. Man nannte sie Priester oder Zauberer.26 Der echte Philosoph
dagegen bräuchte Stolz, Tapferkeit, Selbstgenuss und Freiheit. Die asketischen Priester
dagegen sahen das Leben als Irrsinn und wollte es loswerden, waren also lebensfeindlich.
Die Leiblichkeit ernannten sie zur Illusion, welche in der Vernunft aufging. Doch ihr
Intellekt war Nietzsche zufolge kastriert, denn es fehlten der Wille und die Affekte.27
Nicht leben zu wollen würde laut Nietzsche gar nicht gehen, weshalb er die asketischen
Ideale als einen Heilinstinkt des degenerierten Lebens beschreibt, ein Kunstgriff zur
Selbsterhaltung. Der Wunsch des kranken Menschen sterben zu wollen hält ihn schon allein
am Leben und lässt ihn für bessere Umstände sorgen. Wenn aber der Mensch Ekel vor sich
selber hat, ist das das Schlimmste, was möglich wäre, denn es führt zum Nihilismus. Die
Kranken tun nun so als seien sie gesund und leben unter den Menschen, sind den Gesunden
wandelnde Vorwürfe. So üben sie ihre Rache an ihnen, indem sie ein schlechtes Gewissen
verursachen. Deshalb fordert Nietzsche, dass die Gesunden von den Kranken getrennt sind
und kein Mitleid mit den Schwachen haben.28
Um die Kranken heilen zu können bräuchte es ebenso kranke Heiler: die asketischen
Priester. Diese sind Hirten und Herren der Kranken und ebenso krank, doch haben noch den
Willen zur Macht. Ihre Aufgabe ist es, die kranke Herde von Innen aufzulösen, indem sie
sie vergiften. Ihre Affekte lösen sie, indem sie sagten, dass jemand an all dem Schuld ist –
doch dies sind nicht die anderen, sondern die Kranken selbst. Damit die Kranken aber erst
in einer Herde zusammenkommen, scheucht der Priester sie dort zusammen, durch
Institutionen wie die Kirche. Allerdings bekämpfen die asketischen Priester damit nur die
Symptome laut Nietzsche und besiegen nicht die Krankheit selbst. Andere Mittel diese
Symptome loszuwerden seien z.B. Tätigkeiten die ablenken oder das Machen von kleinen
Freuden, welche den Schenkenden sich überlegen fühlen lassen.Die asketischen Priester
wandeln die Schuldgefühle der kranken Menschen um in Sünde, in Strafe. Damit werden
die Kranken dann zu Sündern. Damit wurde der Mensch 'verbessert', in den Augen von
Nietzsche verweichlicht, was schlimme Folgen für die gesamte Menschheit hätte. Der

26 Vgl. ebd., S. 358ff.


27 Vgl. ebd., S. 361ff.
28 Vgl. ebd., S. 365ff.

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asketische Priester verdarb die seelische Gesundheit und den Geschmack. Doch sie haben
einen Willen und ein Ziel: die Macht.29
Nun sucht Nietzsche das Gegenstück zu dem Einfluss der asketischen Ideale. Die
Wissenschaft sei es nicht, sie ist vielmehr nur eine Form der asketischen Ideale, das kein
eigenes Ideal mehr hat sondern die Welt nur beobachtet.30 Die Philosophie denkt sich als ihr
Gegenstück doch ist ebenfalls nur ihre Tochter. Die Wissenschaft ist laut Nietzsche eine
Verarmung des Lebens, die alles aufdecken will und damit ins Nichts führt, bis der Mensch
sich selber verachtet. Die einzigen Feinde des asketischen Ideals, so schließt Nietzsche, sind
diejenigen, die sich darüber lustig machen, da sie Misstrauen an diesen Idealen wecken.
Letztlich aber hatte der Mensch stets nur die Ideale und weiterhin fehlt etwas.31
Nach Nietzsche waren die asketischen Ideale also ein Übel, das die Menschen verblendete
und zu falschem Glauben führte. Erst wenn sie überwunden werden, kann man zum
Übermenschen finden.

29 Vgl. ebd., S. 372ff.


30 Vgl. ebd., S. 396f.
31 Vgl. ebd., S. 398ff.

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5. Leib und Wissen: Wissen vor dem Wissen.


Laut Nietzsche kommt zuerst der Leib, dann erst der Verstand. Dies soll hier dargestellt
werden.
Der Leib ist eine große Vernunft. Der Geist, die kleine Vernunft, ist nur ihr Werkzeug. Der
Leib ist das Selbst, welches das Ich beherrscht durch Emotionen. Sein Lebensziel ist es,
über sich hinauszuschaffen, zum Übermenschen zu werden.32 Demzufolge darf man erst ein
Kind bekommen, wenn man sich selber besiegt hat und seine Tugenden beherrscht; nicht
aber aus Notdurft. Das Kind soll ein lebendes Denkmal werden, nachdem der Erzeuger sich
erst richtig geformt hat, sich einen höheren Leib gegeben hat. Zusammen mit einer weiteren
Person, die dies auch tat, soll dann ein höheres Wesen geschaffen werden.33
Ein kranker Leib lässt den Geist unbewusst auf seine Bedürfnisse zusteuern, z.B. Sonne
und Stille. Damit inspiriert er die Philosophie der Person, welche eine missverstandene
Auslegung der Leibes ist. Philosophie ist also nicht Wahrheit, sondern Gesundheit, Macht
und Leben. Wer viele Gesundheiten und Krankheiten durchlebte, hatte laut Nietzsche auch
viele Philosophien. Die Seele ist vom Leib nicht trennbar. Schmerzen zwingen den Geist
sich in Herrschaft über sich zu üben, welches ihn in einen neuen Menschen verwandelt.34
Caysa zufolge unterscheidet Nietzsche zwischen Leib und Körper. Leib ist 'leibend', Grund
des Lebendigseins, Grund des Ichs und davon unabhängiges Selbst. Man kann es (dieses
Leiben) nicht wissen, aber es ist Grundlage des Wissens. Das Bewusstsein ist nur ein
Randphänomen. Der Leib ist noch ungeschaffene Natur, der lebendige Körper, der nicht
verfügbar, bewusstlos und vorbegrifflich ist. Sein Gegenstück ist der Körper, der objektiv
und verfügbar ist, eine Arbeitsmaschine, die wir formen.35 Während Heidegger den
nietzscheanischen Leib aber nun nur als Trieb, Begehren und Emotionen charakterisierte,
sei er laut Caysa bei Nietzsche selbst auf keinen bloß so 'dionysisch'. Denn bloß dionysisch
sein heißt ein geistloses Tier zu sein. Er stellt die Dichotomien auf: Leib und Körper, Selbst

32 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Köln: Anaconda 2005, S. 24f.
33 Vgl. ebd., S. 52f.
34 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Die fröhliche Wissenschaft. KSA3. Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2. Auflage, S.
348ff.
35 Vgl. Caysa, a.a.O., S. 44ff.

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und Ich, große und kleine Vernunft. Sein Fazit ist, dass der Leib sich vom Ich befreien muss
ohne es zu zerstören, denn das Ich ist sein Werkzeug.36
Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass der Leib vor dem Geist da war und dieser nur
ein Werkzeug des Leibes ist. Der Leib ist auch das, was zum Übermenschen treibt.

36 Vgl. 47ff.

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6. Natur und Kultur: das Leben.


Was ist für Nietzsche wohl die Natur? Bei dem Spruch 'Zurück zur Natur' dachte er an ein
Hinaufsteigen zu einer höheren, freieren Natur. In ihr gibt es keine Moral, die nur das
Mittelmäßige zu etwas überreden will.37 Ihm zufolge hätten alle die Natur bloß falsch
aufgefasst, denn die Natur ist verschwenderisch, gleichgültig, ohne Absicht, Erbarmen oder
Gerechtigkeit; fruchtbar und öde zugleich. Leben heißt dagegen anders als die Natur sein zu
wollen. Der Stolz des Menschen allein will der Natur ihr Ideal, die Moral, aufdrängen, die
Natur so falsch sehen. Letztlich aber darf man nicht vergessen, dass auch wir Menschen nur
Natur sind.38
Nietzsche zufolge muss der Mensch immer noch lernen überhaupt leben zu können. In
seiner damaligen Zeit sah er in Deutschland keine Kultur, keine Bildung, nur ein Wissen um
Bildung. Kultur entsteht erst aus dem Leben, während man sie sich in Deutschland nur
'ansteckte'. Die Menschen wurden zu einer Bildung erzogen ohne sie selber zu lernen, was
widernatürlich sei. Das aber könnte nur die Jugend sehen, welche Nietzsche als Erlösung
der Menschheit betrachtete. Sie würden selbst erfahren wollen, würden aber schnell
enttäuscht und dürften nur abgucken. Eine erste Generation müsste erzogen werden dies
alles zu wissen, damit ihre Jugend dann wirklich leben kann.39 Um zu leben können müssen
sie dann aber auch die Historie richtig nutzen können, was die Menschen seiner Zeit laut
Nietzsche nicht konnten. Abschließend sagt er, um leben zu können muss man erkennen,
sich erkennen, sich organisieren, seine Bedürfnisse erkennen und – nicht bloß nachahmen.40
Zusammengefasst: Der Mensch sollte (oder will) weg von der Natur, die nur Chaos ist. Das
Leben ist Kultur, doch entsteht diese nur, wenn man lebt und nicht bloß ein Leben
aufgedrückt bekommt.

37 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Götzendämmerung. KSA6. Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2. Auflage, S. 150f.
38 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. KSA5. Berlin/München: De Gruyter/dtv 2009, 10. Auflage, S.
21f.
39 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben. Leipzig: Reclam, ungefähr 1931, S.
95ff.
40 Vgl. ebd., S. 99ff.

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7. Der Wille zu Macht: der Wille des Übermenschen zum Leben.


Was ist es, das den Menschen zum Übermenschen zieht?
Laut Nietzsche ist der Selbsterhaltungstrieb Grundlage jedes organischen Wesens.
Gleichzeitig will es seine Kraft an anderem Lebendigem auslassen. Leben ist der Wille zur
Macht, wie schon erwähnt. Davon ist die Selbsterhaltung eine Folge.41 Nietzsche sah hierbei
auch eine Art geschichtlicher Abfolge: Barbaren streben zur Macht. Haben sie sie und
wurden sie zu Aristokraten, kommen die nächsten Barbaren, welche Macht wollen, sie
überfallen und – eine neue Aristokratie bauen. Eine stabile 'gerechte' Gesellschaft, in der
niemanden jemanden anderen ausbeutet sei möglich, doch nur bei gleichem Willen, gleicher
Stärke. Dies kann aber keine Grundlage für eine Gesellschaft sein, gäbe es dann doch ein
stetiges Ringen und die Gesellschaft würde sich auflösen. Leben ist stetige Aneignung,
Verletzung, Unterdrückung, Aufzwängung des Willens, Ausbeutung. Anders würde es nach
Nietzsches Meinung nicht gehen. Und auch eine Gesellschaft braucht einen Willen zur
Macht, muss wachsen und erobern wollen.42
Gut sei Nietzsche zufolge, was den Willen zur Macht erhöht, schlecht, was aus der
Schwäche kommt. Glück ist die wachsende Macht und die Überwindung von Widerstand.
Da die Schwachen zugrunde gehen müssten ist Mitleid schlecht, und damit das ganze
Christentum. Es sei ein höherer Mensch zu züchten, der auch am meisten gefürchtet werden
wird, der Übermensch. Die Christen aber würden den Übermenschen als etwas schlechtes
darstellen, damit die Wehrte umkehren. Laut Nietzsche ist aber gerade die sogenannte
Tugend das schlimme, dekadente. Ohne einen Willen zur Macht ist man zum Untergang
verdammt. Mitleid macht nur depressiv, ist das Gegenteil der Selektion, verneint das Leben
und steigert bloß das Elend. Die asketischen Ideale hätten mehr Schaden angerichtet als die
sogenannten Laster. Der Glaube verschließt bloß die Augen vor der Wahrheit – und greifen
diese blinden Theologen zur Macht, ist das der sogenannte nihilistische Wille zur Macht.43
Der Wille zur Macht ist also der Wille zum Leben, der egoistische Wille, der nicht vor
Opfern zurückschreckt. Dies ist einer der Punkte, an dem man am stärksten kritisierte.

41 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. KSA5. Berlin/München: De Gruyter/dtv 2009, 10. Auflage, S.
27.
42 Vgl. ebd., S. 205ff.
43 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Der Antichrist. KSA6. Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2. Auflage, S. 170ff.

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8. Die ewige Wiederkehr des Gleichen: zurück zum Anfang.


Nietzsche hatte eine fast schon mystische Einstellung als er sagte, dass alles immer wieder
geschieht. Das Leben kehrt immer wieder, alles wird genau gleich erneut erleben. Die
Frage, die sich einem dabei aber stellen sollte, ist, ob man bei diesem Gedanken Angst oder
Freude verspürt. Ist es die Angst, muss man sein Leben verbessern, bis man nur noch
Freude daran hätte.44 Alles im Leben kommt wieder, der Pfad der Ewigkeit ist krumm.
Böses ist nötig, damit Gutes entsteht und auch dieses kehrt ewig wieder. Jeder von uns war
schon ewige Male da. Beim sogenannten großen Jahr der Wiederkehr dreht sich alles um
und beginnt von neuem. Zwar ist die Seele sterblich und vergeht, doch kehrt sie wieder und
ist auf diese Art unsterblich.45
Zu Beginn seines Wahnsinns schrieb Nietzsche bekanntlich noch einige kürzere Bücher,
unter anderem seine einzige eigene Biographie. Dort schildert er auch, dass sein Wille zur
Gesundheit und zum Leben seine Philosophie gewesen sei und dass er nur einen Einwand
gegen das Konzept der Ewigen Wiederkehr hätte: seine Mutter und Schwester. Er meint,
dass Verwandtschaft nur im Geist existiert und meist einem die Eltern die wenigsten
verwandten sind. Höhere Naturen wie die seine hätten einen unendlich fernen Ursprung.
Diese große Individuen seien am ältesten und er vermutet Cäsar oder Alexander als seinen
Vater.46

44 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Die fröhliche Wissenschaft. KSA3. Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2. Auflage, S.
570.
45 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Köln: Anaconda 2005, S. 166ff.
46 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Ecce homo. KSA6. Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2. Auflage, S. 264ff.

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9. Schluss
Wir sahen nun einige Begriffe aus Nietzsches Philosophie und hoffen, dass mit diesem
Wissen nun a) seine eigenen Werke und deren Zusammenhänge sowie b) Diskussionen um
Nietzsche besser verständlich sind.
Nietzsche forderte, dass der Mensch lebt, wie es seine Natur, sein Leib verlangt. Dazu
gehören das Umformen zum Übermenschen und das Ausleben des Willens zur Macht,
Überwindung der alten asketischen Ideale, welche die Menschheit in ihrem Elend binden.
Auch wenn Nietzsche explizit gegen Nationalismus und Antisemitismus war, wurden seine
Ideen des Übermenschen und der Wille zur Macht von den Nationalsozialisten ausgenutzt
und fortan von seinen Nachkommen verdammt. Tatsächlich machte Nietzsche keinen
Unterschied zwischen Dingen wie Rassen und Nationalitäten, doch forderte er sehr wohl,
kein Mitleid mit den Schwachen zu zeigen. Beide negativen sowie zahlreiche positiven
Lesarten zog Nietzsche nach sich.

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10. Literatur.
● Caysa, Volker: Körperutopien. Eine philosophische Anthropologie des Sports. Frankfurt: Campus
2003.
● Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Köln: Anaconda 2005.
● Nietzsche, Friedrich: Der Antichrist. KSA6. Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2. Auflage.
● Nietzsche, Friedrich: Die fröhliche Wissenschaft. KSA 3, Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2.
Auflage.
● Nietzsche, Friedrich: Die Geburt der Tragödie. Frankfurt/Leipzig: Insel 2000.
● Nietzsche, Friedrich: Die Genealogie der Moral. KSA 5, Berlin/München: De Gruyter/dtv 2009, 10.
Auflage.
● Nietzsche, Friedrich: Ecce homo. KSA6. Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2. Auflage.
● Nietzsche, Friedrich: Götzen-Dämmerung. Stuttgart: A. Kröner 1954.
● Nietzsche, Friedrich: Götzendämmerung. KSA6. Berlin/München: De Gruyter/dtv 1988, 2. Auflage.
● Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. KSA5. Berlin/München: De Gruyter/dtv 2009, 10.
Auflage.
● Nietzsche, Friedrich: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben. Leipzig: Reclam,
ungefähr 1931.
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