8 ÖSTERREICH
August 2010
Mit ihren Plakaten hat die FPÖ ihr Ziel erreicht: Es wird darüber diskutiert
Provokation à la Kickl
Von Wolfgang Zaunbauer
■ „Wiener Blut“
empört Parteien.
■ FPÖ weist Vorwurf
der Nazi-Diktion
zurück.
Wien. Wäre es in Berlin,
würde es wahrscheinlich
heißen: „Berliner Luft statt
Dönerduft“ – die Aussage
bliebe die gleiche. Da es
aber eine sprichwörtliche
„Wiener Luft“ nicht gibt
(abgesehen von der „Posse
mit Gesang“ von Carl Mi-
chael Ziehrer aus dem Jahr
1889), hat sich die FPÖ für
ihren Wahlkampf um die
Bundeshauptstadt bei Jo-
hann Strauß Juniors „Wie-
ner Blut“ bedient – was sich
als Glücksgriff erwiesen
hat, denn auf „Blut“ (gut,
Mut, tut, Hut, Glut) reimt es
sich leichter als auf „Luft“
(Duft, Schuft).
Vor allem hat Wahl-
kampfleiter Herbert Kickl
eines geschafft (und das
zum wiederholten Male): Es
wird eifrig über die FPÖ-
Kampagne diskutiert. Für
Bürgermeister Michael
Häupl sind die Plakate
„übelste Provokation“, die
Wiener SPÖ findet’s „absto-
ßend und widerlich“, die
ÖVP meint „unverantwort-
lich“, die Grünen sprechen
von „Nazi-Jargon“, auf Face-
book haben sich flugs Grup-
pen mit Tausenden Mitglie-
dern dagegen gebildet.
Bei der FPÖ versteht man
die Aufregung natürlich
nicht. „Wiener Blut“ habe
keinesfalls etwas mit der
Blut-und-Boden-Diktion der
Nazis zu tun. Wer das be-
haupte – laut FPÖ-Chef
Heinz-Christian Strache
„die linke Reichshälfte“,
„linkslinke Gutmenschen“,
„die SPÖ mit ihrem grünen
Beiwagerl“ –, pervertiere, ja
Kronzeugen sollen Teppiche heben
■ Bandion-Ortner
mit Maßnahmenpaket
gegen Korruption.
Wien. Justizministerin
Claudia Bandion-Ortner
plant ein Maßnahmenpaket
zur Bekämpfung von Wirt-
schaftskriminalität und
Korruption. Kernpunkt wird
die bereits vor dem Sommer
angekündigte Kronzeugen-
regelung sein. Außerdem
soll die Staatsanwaltschaft
künftig öffentlich begrün-
den können, warum ein
Verfahren eingestellt wur-
de. Transparenz schaffe
Vertrauen, erklärte Bandi-
on-Ortner dazu am Don-
nerstag: „Wir brauchen kei-
ne Verschwörungstheorien,
wir brauchen keine Mystik,
wir brauchen Klarheit.“
Details zu allen neuen
Vorschlägen will die Minis-
terin heute, Freitag, vorstel-
len. Kernpunkt des Maß-
Etwas gequält lächelt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache von den Plakatwänden. Foto: apa
vergewaltige den Begriff
„Wiener Blut“. Dieser stehe
nämlich für das vom k.&k.-
Vielvölkerstaat geprägte Le-
bensgefühl der Jahrhun-
dertwende, einer „christ-
lich-mitteleuropäischen
Kultur“, wie Strache am
Donnerstag betonte.
Dabei ignoriert der FPÖ-
Chef, dass die Monarchie
keineswegs ein lustiges
Völkergemisch war. Viel-
mehr wurde da peinlich ge-
nau unterschieden zwi-
schen Deutschen, Tsche-
chen, Ungarn und den an-
deren der mehr als 20 ver-
schiedenen Völker.
Außerdem schreibt die
FPÖ – trotz aller Dementi –
sogar dazu, wie das Plakat
wirklich gemeint ist: „Zu
viel Fremdes tut nieman-
dem gut.“ Strache meint da-
zu: „Es geht gegen zu viel
Fremdes, nicht gegen das
Fremde.“
„Islamistenpartei“
Der Wiener SPÖ warf Stra-
che am Donnerstag vor,
sich vom „Wiener Blut“ völ-
lig losgelöst zu haben. An-
gesichts von 36 entspre-
chenden Kandidaten auf
den Wiener Wahllisten ent-
stehe der Eindruck, bei der
Wiener SPÖ handle es sich
nahmenpakets ist die von
der Korruptionsstaatsan-
waltschaft seit längerem ge-
forderte Kronzeugenrege-
lung, wie sie im Kartell-
recht seit 2006 erfolgreich
angewendet wird: Mitwis-
ser, die zur Aufklärung be-
stimmter Delikte beitragen,
sollen im Gegenzug eine
mildere Strafe erhalten. Au-
ßerdem sind vier Wirt-
schaftskompetenzzentren
der Staatsanwaltschaft in
Wien, Graz, Innsbruck und
Linz geplant. Die Transpa-
renz der Entscheidungen
der Anklagebehörden will
die Ministerin erhöhen –
unter anderem durch die
Möglichkeit, Verfahrensein-
stellungen öffentlich zu er-
klären. Eine Expertengrup-
pe dazu hat kürzlich ihre
Arbeit abgeschlossen.
Kritik an schleppenden
Ermittlungen bei Wirt-
schaftsdelikten weist Bandi-
on-Ortner zurück. „Die
um eine „Islamistenpartei“.
Aus Sicht Straches hat
Bürgermeister Häupl „geis-
tig längst abgedankt“. Es
sei daher „organisierter
Wahlbetrug“, Häupl ins
Rennen zu schicken, ob-
wohl jeder wisse, dass
schließlich jemand anderer
Bürgermeister werde.
Die Wiener – von allem ein bisschen. Zeichnung: CC/Jana Herwig
Österreicher brauchen sich
für ihre Justiz überhaupt
nicht zu genieren. Im inter-
nationalen Vergleich stehen
wir top da, auch bei den
Verfahrensdauern“, so die
Ministerin.
Genügend Staatsanwälte
Auch, dass die Korruptions-
staatsanwaltschaft in Wien
mit nur sieben Anklägern
unterbesetzt sei, glaubt
Bandion-Ortner nicht und
weist den Vergleich mit der
Schweiz zurück, wo mehr
als 40 Korruptionsstaatsan-
wälte werken. Diese seien
auch für Wirtschaftskrimi-
nalität zuständig, die öster-
reichische Korruptions-
staatsanwaltschaft ermittle
dagegen ausschließlich bei
Korruption sowie Amts-
missbrauch und sei auch
hier nur für die „großen
Fälle“ zuständig. Den Rest
würden die Staatsanwälte
vor Ort übernehmen.
Noch zeigen sich die
Wähler unbeeindruckt vom
FPÖ-Wahlkampf. Laut einer
Market-Umfrage für den
„Standard“ kann die SPÖ
ihre Absolute halten, wäh-
rend Blau unter 20 Prozent
liegt. Vielleicht lächelt Stra-
che deshalb etwas gequält
von den Plakatwänden. ■
Rückendeckung erhält
die Ministerin von Walter
Geyer, dem Leiter der Kor-
ruptionsstaatsanwaltschaft.
Er erhofft sich durch die
Kronzeugenregelung mehr
Einblicke in derzeit im
Dunklen bleibende Korrup-
tionsfälle und spricht von
einem „wesentlichen
Schritt, um den Teppich an-
zuheben“. Geyer baut insbe-
sondere auf die „destabili-
sierende Wirkung“ der
Kronzeugenregelung auf
kriminelle Netzwerke. In
welchem Umfang sie in An-
spruch genommen wird,
lasse sich aber noch nicht
abschätzen. Während das
Modell etwa in den USA ei-
ne lange Tradition habe, sei
es für die österreichische
Strafjustiz „Neuland“.
Zufrieden äußert sich
auch die Bundeswettbe-
werbsbehörde, die in der
Regelung ein „bewährtes
Instrument“ sieht. ■
Parteifinanzen:
Ermittlungen
gegen FPK-Spitze
■ Versteckte
Parteienwerbung
im Visier der
Staatsanwaltschaft.
Wien. (zaw/apa) Die Kor-
ruptionsstaatsanwaltschaft
(KStA) ermittelt gegen füh-
rende Kärntner Freiheitli-
che wegen illegaler Wahl-
kampffinanzierung. Es geht
um eine aus öffentlichen
Mitteln finanzierte Broschü-
re des Landes aus dem Jahr
2009 – kurz vor der damali-
gen Landtagswahl –, die ei-
ne frappante Ähnlichkeit
mit Wahlkampffoldern des
Kärntner BZÖ aufwies. Kon-
kret wird gegen den damali-
gen Wahlkampfleiter Stefan
Petzner (BZÖ), Landes-
hauptmann Gerhard Dörf-
ler, seinen Stellvertreter
Uwe Scheuch und Finanzre-
ferent Harald Dobernig (alle
damals BZÖ, heute FPK) er-
mittelt. Für alle gilt die Un-
schuldsvermutung.
Der Verdacht der KStA
lautet auf Untreue. Ironi-
scherweise basieren die Un-
tersuchungen auf einer An-
zeige der heute mit der FPK
liierten Kärntner FPÖ.
Kernpunkt: Neben opti-
scher Ähnlichkeit fand sich
in der Broschüre insgesamt
neunmal der BZÖ-Wahlslo-
gan „garantiert“. Außerdem
wurde ein darin abgebilde-
tes Foto von Dörfler,
Scheuch und Dobernig auch
für BZÖ-Plakate verwendet.
„Dass dies nicht zufällig
erfolgte, liegt auf der
Hand“, schreibt die KStA in
ihrem Auslieferungsansu-
chen (als Nationalratsabge-
ordneter genießt Petzner im
Gegensatz zu den drei Lan-
despolitikern Immunität).
Die FPK weist die Vor-
würfe zurück. Es habe „kei-
ne wie auch immer geartete
Quer- oder Parteienfinanzie-
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Freitag, 20.
rung oder illegale Wahl-
kampffinanzierung“ gege-
ben.
Petzner wiederum sieht
die Ermittlungen der KStA
als „politisches Manöver“
der Justiz wegen seiner Kri-
tik am mangelnden Ermitt-
lungseifer in der Causa Hy-
po Niederösterreich. Er
selbst habe damals nur die
„inhaltliche Konzeption“
übernommen, die Finanzie-
rung (500.000 Euro) sei Sa-
che der BZÖ-Regierungsrie-
ge gewesen, so Petzner.
„Das machen alle“
Dass Regierungsinformatio-
nen optisch an die Wahl-
kampflinie einer Partei an-
gelehnt seien, sei keine
Ausnahme, sondern die Re-
gel, so Petzner. „Das ma-
chen alle anderen auch.“
Für Politikwissenschafter
Herbert Sickinger hat Petz-
ner „damit nicht völlig un-
recht“. Dass es nun zum
ersten Mal zu solchen Er-
mittlungen kommt, hat den
Experten für Parteifinanzen
daher auch „überrascht“.
Die Untersuchungen könn-
ten laut Sickinger zu einem
„Präzedenzfall mit erhebli-
chen Folgen“ führen.
„Wenn das Schule macht,
müssen die Regierungspar-
teien in den anderen Län-
dern vorsichtig sein“, so Si-
ckinger zur „Wiener Zei-
tung“.
Tatsächlich ermittelt die
KStA nicht nur gegen die
FPK-Spitze. „Wir führen we-
gen möglichen politischen
Missbrauchs von amtlichen
Informationsbroschüren
auch Verfahren gegen Ver-
antwortliche der ÖVP und
SPÖ“, erklärte ein Sprecher.
So gab es im EU-Wahlkampf
2009 einen Folder der ÖVP,
der große Ähnlichkeit mit
einer Broschüre des Innen-
ministeriums aufwies. ■
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