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Klaus Steiner

„Die Repräsentation homosexueller Diskurse


im amerikanischen Fernsehen - am Beispiel
von Will & Grace“

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades


Magister der Philosophie

L301 Publizistik und Kommunikationswissenschaft

Alpe Adria Universität


Institut für Medien- Und Kommunikationswissenschaft

Begutachter: Univ.-Prof. Dipl.-Psych. Mag. DDr. Rainer Winter


Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft
Oktober, 2009

i
Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit


selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen
Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen
als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten,
ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt
übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für
wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere
genaue Quellenangaben gekennzeichnet.

Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich


signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.

Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde


vorgelegt worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer
Form abgegeben. Ich bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version
vollständig mit dem der gedruckten Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben
wird.

Klaus Steiner September, 2009

ii
VORWORT ............................................................................................................. 1

1 EINFÜHRUNG................................................................................................. 4

2 GESCHICHTE DER CULTURAL STUDIES UND WICHTIGE


THEORIEN ............................................................................................................. 7

2.1 DIE ANFÄNGE DER CULTURAL STUDIES ..................................................... 10


2.2 DAS CENTRE OF CONTEMPORARY CULTURAL STUDIES ........................... 13
2.3 RELEVANTE THEORIEN ZUM VERHÄLTNIS VON KULTUR UND MACHT IN
DEN CULTURAL STUDIES ....................................................................................... 18

2.3.1 IDEOLOGIE UND IDEOLOGIEKRITIK ............................................................. 19


2.3.2 GRAMSCIS MODELL DER HEGEMONIE ........................................................ 24
2.3.3 GESELLSCHAFTLICHE NORMIERUNG UND DIE GEBURTSSTUNDE DER
HOMOSEXUELLEN IDENTITÄT ................................................................................. 27

3 ZUR GESCHICHTE DER REPRÄSENTATION IM


AMERIKANISCHEN FERNSEHEN ................................................................. 32

3.1 DIE 70ER JAHRE - DER KAMPF UM SICHTBARKEIT ................................... 34


3.2 DIE 80IGER JAHRE – AIDS UND HIV ALS SCHWULER KREBS .................. 43
3.3 DIE 90ER JAHRE – INSTRUMENTALISIERUNG, LIMITIERUNG UND
QUOTENSTEIGERUNG DURCH HOMOSEXUELLE FIGUREN .................................. 53
3.3.1 INSTRUMENTALISIERUNG DES/R HOMOSEXUELLEN ................................... 54
3.3.2 LIMITIERUNG UND ABERKENNUNG VON BEGEHREN .................................. 55
3.3.3 HOMOSEXUALITÄT ALS KALKULIERTE QUOTENSTEIGERUNG .................... 59
3.3.4 SCHWULLESBISCHE ETHNISCHE VIELFALT UND IHRE REPRÄSENTATIONEN
61
3.3.5 ‚ELLEN’– SITCOMS ALS ARENEN SUBVERSIVEN WIDERSTANDS ................ 64

4 WILL & GRACE............................................................................................ 68

4.1 ZUR ENTSTEHUNG DER SERIE .................................................................... 68


4.2 WILL TRUMAN– DER SCHWULE ANWALT .................................................. 71

iii
4.3 GRACE ADLER – DIE JÜDISCHE INNENAUSSTATTERIN .............................. 72
4.4 JACK MC FARLAND – DER ENTERTAINER .................................................. 73
4.5 KAREN WALKER – DIE MILLIONÄRSGATTIN ............................................. 75

5 AUSGEWÄHLTE DISKURSE AUS ‚WILL & GRACE’.......................... 77

5.1 TO GOOD TO BE TRUE: WILL TRUMAN UND DIE STILISIERTE


REPRÄSENTATION ................................................................................................. 78
5.2 HETEROSEXUALITÄT IST FALSCH – WENN HOMOSEXUELLE HEGEMONIE
AUSÜBEN ................................................................................................................. 87

5.3 AUSSCHLUSS ODER KONVERGENZ VON AUTHENTISCHER- UND


ANTIZIPATORISCHER REPRÄSENTATION BEI ‚WILL & GRACE’ ........................ 95

6 ZUSAMMENFASSUNG................................................................................ 98

LITERATURVERZEICHNIS........................................................................... 101

iv
Vorwort

„Es ist erstaunlich, wie ausdauernd


gewisse heterosexuelle Menschen
sich mit schwulem Sex beschäftigen.
(…) Sie können sich einfach kein
System außerhalb ihres eigenen
vorstellen und scheinen völlig auf
bestimmte Rollen fixiert, im Bett wie
anderswo.“ David Sedaris

Ich möchte meine Diplomarbeit mit meiner eigenen Geschichte beginnen,


um den Grund für die Wahl des Studiums und des Themas meiner
Diplomarbeit nachvollziehbar zu machen. Vor einiger Zeit kam mein
dreijähriger Neffe zu mir und fragte mich, warum ich nie ein Mädchen
mitbringen würde, wenn ich ihn besuche. Zuerst erschrocken von seiner
kindlichen Unvoreingenommenheit, versuchte ich ihm meine Situation zu
erklären. Ich fragte ihn ob Mama und Papa sich lieb haben und er bejahte
dies. Er war überzeugt, dass sie auch deshalb geheiratet hätten. Jetzt entkam
ich dieser Situation nicht mehr und erklärte ihm eben, dass ich meinen
Freund, der immer mit ist und den der Kleine auch sehr gern hat, auch liebe.
Die Reaktion, die er dann hatte, bestärkte mich, mich mit meiner
Geschichte, meiner Identität und meiner sexuellen Orientierung
auseinanderzusetzen. Er fragte mich ganz erbost, warum wir dann noch
nicht verheiratet sind. Nun ja, ich versuchte ihm kindgerecht zu erklären,
dass dies in Österreich, wo wir wohnen, nicht möglich sei, weil es nicht
erlaubt ist. Mit einem selbstsicheren Blick meinte er nur, dass das nicht
stimmt, weil er schließlich im Fernsehen gehört hat, dass man in Treffen bei
Villach, wo er wohnt heiraten könne…Danach gingen wir Bauernhof
spielen.

Diese Geschichte, hat mich sehr bewegt, da er völlig vorurteilsfrei und


selbstverständlich seine Umwelt verstehen und strukturieren wollte. Das
gleiche Gespräch hätte mit einem achtzigjährigen vielleicht anders

1
ausgesehen. Was ich damit sagen möchte ist, dass ein Dreijähriger noch
nicht stark beeinflusst ist, noch keine Vorurteile hat und offen bzw.
neugierig auf neue Dinge ist. Kinder werden heutzutage immer mehr mit
Massenmedien wie Fernsehen und Internet aufwachsen und geprägt von
ihnen, natürlich nicht nur bezogen auf die Nutzung sondern auch auf deren
Inhalte. Ich habe relativ früh gewusst, dass ich anders bin als meine
Freunde. Darüber zu sprechen wäre mir nie in den Sinn gekommen aus
Angst vor der Reaktion. Bereits mit zwölf Jahren habe ich mich dann auf
die Suche gemacht, warum ich anders bin und warum gerade ich. Die
einzigen Informationen über Homosexualität kannte ich, wie viele Andere
auch, aus den Medien. Filme, wie ‚Philadelphia’, Zeitungsberichte von
Strichermördern oder das Buch ‚Wir Kinder vom Bahnhof Zoo’ von
Christiane F. prophezeiten mir keine gute Zukunft. All diese Vorurteile galt
es, für mich aus dem Weg zu räumen. Mein Outing mit sechzehn Jahren fiel
jedoch meines Erachtens unspektakulär aus, die anfängliche Euphorie und
die kleinen Seitenhiebe ebbten relativ bald ab. Damals befand ich mich noch
in der Phase, von jedem akzeptiert werden zu wollen, da ich mich als etwas
Schlechteres gesehen habe. Mittlerweile bin ich, dank meines Studiums und
den Inhalten diverser Lehrveranstaltungen selbstbewusst und geschichtlich
aufgeklärt um, nicht mehr in die Rolle des Opfers fallen zu wollen. Mit
Opfer meine ich, dass ich mich als etwas Minderwertigeres sehe, so wie es
Viele auf dieser Welt gerne hätten. Dieser Zwiespalt und dieses Suchen
nach Antworten bezüglich meiner Identität, haben mich bestärkt, mich
ausgehend von den Cultural Studies mit dem von mir ausgesuchten Thema
auseinanderzusetzen. Die Idee zu meinem Diplomarbeitstitel fiel mir
zufällig in einer Vorlesung meines Studiums ein, zum Thema Medien und
Identität. Lange habe ich damit gehadert ein ‚Randgruppenthema’ zu
bearbeiten. Ich habe mich aber trotzdem dazu entschieden und mit Stolz
werde ich mein Diplom entgegen nehmen.

Die Geschichte der neuzeitlichen Homosexualität hat mich seit meinem


Outing geprägt und hat mir gezeigt, dass ich weder allein auf dieser Welt

2
bin, noch dass ich aufgrund meiner Sexualität, weniger wert bin. Dieser
Prozess war ein sehr langer Kampf, den ich für mich gewonnen habe. Auf
der Suche nach medialen Identifikationsmöglichkeiten bin ich durch Zufall
auf eine Serie gestoßen, die mich unterhalten, meine Weltanschauung geteilt
und ein Bild von Homosexualität repräsentiert hat, die mich als Person sehr
bestärkt hat. Wie werden Dinge dargestellt und warum? Diese Frage stellten
mir Freunde und Verwandte. Um Antworten auf diese Fragen zu finden
habe ich mich für das Diplomarbeitsthema:

„Die Repräsentation homosexueller Diskurse im amerikanischen Fernsehen


am Beispiel von ‚Will & Grace’“

entschieden. Bedanken möchte ich mich bei meiner Familie und meinen
Freunden, die mich immer unterstützt haben und öfter an mich geglaubt
haben, als ich selbst. Eine Diplomarbeit hat zwar nur hundert Seiten, jedoch
sind hundert Seiten viel, wenn man vor dem leeren Blatt sitzt. Andererseits
wenig um sich systematisch mit dem Thema zu befassen. Viele
Kommilitonen/Innen haben mir von diesem Thema abgeraten, da es sich bei
dieser Thematik um ein gesellschaftliches Randthema handelt. Ich bin der
Meinung, dass ich mich bei der Wahl meines Themas richtig entschieden
habe, weil es mich als Persönlichkeit gestärkt hat.

3
1 Einführung

„Du hast ein Mädchen geküsst,


du bist so was von schwul!!!“
Jimbo Jones (The Simpsons)

Dieses kurze und prägnante Zitat einer Comicfigur zeigt, dass Gesagtes und
Gemeintes nicht immer das Gleiche sein müssen. Die Cultural Studies
begreifen die heutigen Massenmedien als Arenen von Bedeutungen, die in
der heutigen Gesellschaft nicht mehr aus dem Sozialisationsprozess eines
jeden Einzelnen wegzudenken sind. Dieses Zitat ist zwar aus dem Kontext
der gesamten Sendung herausgerissen, es ist für den/die Leser/In jedoch
sofort verständlich, was damit gemeint ist. Möglich macht das, die
gemeinsame Verwendung von Sprache in einer Gesellschaft. Diese Sprache,
ist kein natürliches Faktum, sondern hat sich im Laufe der Zeit formiert. Die
Cultural Studies, die sich in den letzten sechzig Jahren zu einem neuen,
interdisziplinären Forschungsprojekt entwickelt haben, bilden die
Ausgangslage dieser Diplomarbeit. Dazu stelle ich mir die Frage, warum
das Projekt der Cultural Studies brauchbar ist, um mediale Repräsentationen
als Produkte unserer Kultur zu analysieren. Der Kulturbegriff ist eine
zentrale Variable in den Theorien der Cultural Studies. Kultur wird darin
nicht als ästhetische oder humanistische Ausrichtung verstanden, sondern
politisch. „Cultural Studies beschäftigen sich mit der Erzeugung und
Zirkulation von Bedeutungen in industriellen Gesellschaften“ (Fiske, 2001,
S. 17). Dazu ist wichtig zu klären, warum sich die Cultural Studies
entwickelt haben und aus welchem politischen und ökonomischen
Hintergrund sie sich konstituiert haben. In Kapitel zwei wird auf die relativ
kurze Geschichte der Cultural Studies eingegangen, wichtige Vertreter wie
Richard Hoggart, Raymond Williams und Stuart Hall und ihre
Auseinandersetzungen mit dem Kulturbegriff vorgestellt. Selbst Mitglied
einer unterdrückten Minderheit, arbeitete Hall am theoretischen Überbau der

4
Cultural Studies. Er war es auch, der der Populärkultur und ihren Medien
immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat.

Die zwei Theorien, die für diese Arbeit relevant sind – das Modell der
Ideologie/Ideologiekritik nach Althusser und das Hegemoniemodell von
Gramsci – werden ausführlich diskutiert und auf die titelspendende
Problematik der Homosexualität angewandt. Da der Begriff der
Homosexualität ein noch relativ junger ist, wird in Kapitel 2.2.3. ein
historischer Überblick gegeben, wie diese Identitätszuschreibung entstanden
ist, als Abgrenzung zur Heterosexualität ausgehend vom 18. Jahrhundert bis
zum jetzigen Zeitpunkt. Gesellschaftliche Veränderungen und so genannte
Machtblöcke, die gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt haben,
werden darin diskutiert, angelehnt an Foucaults Ideen der ‚polymorphen
Techniken der Macht’. Winter (1997) unterstreicht Halls Position, die
besagt, dass die Medien eine gewichtige Bedeutung im Prozess: “der
Zirkulation, der Durchsetzung und der Aushandlung von Bedeutungen“
innehat (Winter, 1997, S. 48). Das Medium Fernsehen, welches in den
letzten fünfzig Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, bildet den
Rahmen der Analyse in Kapitel 3. Darin werden der ideologische Kampf
und die Hegemonieverhältnisse im amerikanischen Fernsehen kritisch
betrachtet. Wie hat sich die Repräsentation von Homosexualität im Medium
Fernsehen in den letzten sechzig Jahren verändert? Welche politischen,
ökonomischen und kulturellen Einflüsse trugen zu einer Veränderung bei?
Während Homosexualität in den späten sechziger- und frühen siebziger
Jahren im amerikanischen Fernsehen (noch) nicht sichtbar war, so
veränderte sich spätestens durch die AIDS Epidemie die Quantität der
Repräsentationen. Nicht nur der Kampf um Sichtbarkeit ist Teil dieser
Analyse sondern auch die Art wie Homosexualität dargestellt und diskutiert
wurde. Wurden homosexuelle Repräsentationen dazu benutzt um
gesellschaftliche und kulturelle Denkweisen zu verändern oder wurden sie
genau für das Gegenteil manipuliert? In dieser Analyse, die Dekadenweise
strukturiert wurde, bildet die Serie ‚Will & Grace’ durch ihren ersten offen,

5
schwulen Hauptcharakter den Rahmen für die empirische
Auseinandersetzung mit homosexuellen Diskursen. Dabei stehen folgende
Forschungsfragen im Vordergrund:

Schließen sich authentische Repräsentationen und antizipatorische für das


heterosexuelle Publikum nicht verschreckende Repräsentationen aus, oder
kann ein Konsens gefunden werden? Wie hat sich die Repräsentation von
Homosexualität im Verlauf der Serie ‚Will & Grace’ verändert? Welche
Thematiken werden ganz ausgeklammert und welche wurden erst im
späteren Serienverlauf aufgegriffen?

Welche subversiven Elemente wurden bei ‚Will & Grace’ verwendet und
welche Möglichkeiten von Identifikation bieten diese Elemente dem
‚schwulen Publikum’ im Kampf um Bedeutung?

Kehrt die Serie die heterosexuelle, männliche Hegemonie um und wie wird
dieser Kampf innerhalb der Hierarchie narrativ vorangetrieben? Bietet die
Serie den homosexuellen Rezipienten die Möglichkeit, ihre Identität als
Norm zu verstehen?

Diese Arbeit, die im Sinne der Cultural Studies interdisziplinär angelegt


wurde, soll ein Beitrag zur Stärkung des Widerstands sein. In Zeiten, wo
‚schwule Sau’ als akzeptiertes Schimpfwort unter Jugendlichen verwendet
wird, erachte ich es als besonders wichtig, durch theoretische Beiträge, wie
dieser Arbeit, als ‚organisch Intellektueller’ im Sinne Gramscis zu fungieren
(vgl. Hall, 2000, S. 41). Verstehen warum die Welt so ist wie sie ist – das
Interesse an dieser Frage war prägend für die Cultural Studies und auch für
mich.

6
2 Geschichte der Cultural Studies und wichtige
Theorien

Welche Funktion(en) oder Möglichkeiten bieten die Cultural Studies im


Wissenschaftsdiskurs und in unserer postmodernen Gesellschaft? Diese
Frage drängt sich auf, wenn man den Siegeszug dieses wissenschaftlichen
Projekts in den letzten 40 Jahren beobachtet. Eine exakte Definition über
den Handlungsbereich und das Forschungsfeld der Cultural Studies ist eine
schwierige und darin besteht ihre Stärke. Es ist vielmehr eine Annäherung
an das Phänomen, als eine exakte Definition möglich. Begriffe wie
‚interdisziplinär’, ‚Populärkultur’ oder ‚Kulturanalyse“ werden mit den
Cultural Studies in Bezug gebracht. Gerne wird der Begriff
1
‚Werkzeugkiste’ verwendet, da sich die herangehensweise und die
Methoden stark von klassischen Disziplinen unterscheidet. Der
Kulturbegriff wird nicht als etwas Universelles gesehen sondern verändert
sich immer wieder. In den Cultural Studies charakterisiert sich der Begriff
Kultur als eine Kampfarena von Bedeutungen, ein stetiger „Konflikt über
Sinn und Wert von kulturellen Traditionen, Praktiken und Erfahrungen“
(Winter, 2001c, S. 45). Um die Schnelllebigkeit von Ursache und Wirkung
in der Kultur beschreiben und analysieren zu können, bedarf es
verschiedener Methoden. Die Cultural Studies haben zwar erst eine kurze
Vergangenheit, diese ist aber geprägt von Kritik und Faszination. Die
Gesellschaft in der wir leben zu verstehen, das ist die Hauptfunktion dieser
Wissenschaftsdisziplin.

„Cultural Studies is an interdisciplinary field where certain


concerns and methods have converged; the usefullness of this
convergence is that it has enabled us to understand phenomena

1
Die Werkzeugkiste wird als ein fiktiver Ort verstanden, aus dem immer wieder Dinge
entnommen werden können, die benötigt werden um eine Arbeit tun zu können.

7
and realtionships that were not accessible through the existing
disciplines“ (Turner 1990/2000, S. 11).

Die Cultural Studies bedienen sich mehrer Forschungsansätze und


Methoden verschiedener Paradigmen, um eine kritische Analyse der Welt
anzubieten. Entstanden in England, als interdisziplinäres
Forschungsparadigma mit Einflüssen von Soziologie, Literaturtheorie und
Kulturanthropologie, sind sie durch die immer wichtiger werdende
Globalisierung und dem Siegeszug der Cultural Studies im globalen
Wissenschaftsdiskurs nicht mehr wegzudenken. Sie konnten die Krise der
Geisteswissenschaften nutzen um neue Perspektiven aufzuzeigen. In diesem
Kapitel wird zunächst ein Überblick über den Ursprung und die Geschichte
der Cultural Studies gegeben. Weiters werden wichtige Vertreter und ihr
Verständnis von Kultur, Ideologie und Macht vorgestellt und miteinander
verknüpft. Da es sich bei dieser Arbeit um die Frage nach Repräsentationen
homosexueller Diskurse im amerikanischen Fernsehen handelt, ist es
wichtig, dieses Teilgebiet genauer zu betrachten immer bezugnehmend auf
den Hegemoniebegriff, dem in den Cultural Studies eine wichtige Funktion
beigemessen wird.

Den Cultural Studies wird oftmals vorgeworfen, dass sie zu weitschichtig


wären und Grenzen überschreiten und dadurch intellektuell schwach wären
(vgl. Schwoch/White 2006, S. 1). Diese Kritik lässt erkennen welches
Konfliktpotenzial die Cultural Studies und ihr Verständnis von Kultur
innehaben. Das Hauptaugenmerk liegt in der kritischen Betrachtung der
Gesellschaft und die stetige Hinterfragung ihrer Bedeutung. Kellner geht
davon aus, dass die Konzepte des kritischen Multikulturalismus und ein
multiperspektivischer Zugang die Basis für den Einfluss der Cultural
Studies sind. Ein kritischer Standpunkt ist die Ausgangslage, um

„die soziale Konstitution der Vorstellungen von Geschlecht,


Klasse, Rasse, Ethnizität und Sexualität und jene Wege

8
artikulieren, auf denen Darstellungen dieser Phänomene in der
gegenwärtigen Gesellschaft Identitäten produzieren, und wie
alternative Darstellungen neue und andere Identitäten
hervorbringen“ (Kellner 2005a, S. 13).

Identität und ihre Konstruktionen sind häufig Gegenstände in den


Forschungen der Cultural Studies. Der Identitätsbegriff spielt auch in dieser
Arbeit eine große Rolle, da mediale Repräsentationen Identifikationen
anbieten. Um nun die Cultural Studies und ihre Entwicklung greifbar zu
machen ist es wichtig den geschichtlichen und gesellschaftlichen
Werdegang näher zu durchleuchten. Woraus entstanden die Cultural
Studies? Welche Ausgangslage führte zur Begründung dieser neuen
Disziplin und wo liegt der Unterschied zu anderen wissenschaftlichen
Disziplinen?

9
2.1 Die Anfänge der Cultural Studies
Die Cultural Studies konstituierten sich in den fünfziger Jahren des letzten
Jahrhunderts und konzentrierten sich auf die Erforschung unserer Kultur, in
dem man sich ihr ‚subjektiv’ näherte. Diese Art Forschung zu betreiben war
zu dieser Zeit ein Tabubruch und ein Abwenden vom vielfach heute noch
geprägten Objektivismus. Weiters charakteristisch für die Anfänge der
Cultural Studies war die Art wie Analysen durchgeführt wurden und welche
Inhalte sie hatten. Schon damals waren kulturelle Unterschiede und
Missstände wichtige Punkte die erforscht wurden. Es wurden
gesellschaftlich an den Rand gedrängte Gruppen in den
Forschungsvordergrund gestellt und kritisch betrachtet. Kulturkritik gab es
auch davor schon, jedoch gab es immer eine scharfe Abgrenzung zwischen
‚Kultur’ und dem Begriff ‚Gesellschaft’ und dadurch eine strikte
Unterteilung von Hochkultur und dem Rest, der als Populärkultur
beschrieben und zusammengefasst wird. Dieser Bruch ist charakteristisch
für die frühen Anfänge der Cultural Studies, die keinen Unterschied mehr
machen und Kultur als ‚whole way of life’ verstehen und kritisch betrachten
(vgl. During 1993, S. 1 & vgl. Göttlich, 1997, S.107).

Winter sowie Hall sehen die Populärkultur als einen „Ort kultureller
Kämpfe“, die immer mit gesellschaftlichen Machtkämpfen einhergeht.
(Winter, 2001b, S. 7) Kritisiert wurde damals die Vereinnahmung von
Kultur durch Eliten, besonders von Raymond Williams. Williams (1958)
befasste sich anhand von Filmanalysen und Populärkulturliteratur mit der
Frage wie sich der Begriff Kultur in den Jahren 1780 bis 1950 konzipiert
und verändert hat. Er kommt zum Schluss, dass Kultur etwas Umkämpftes
ist und untersuchte die Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft auf
politischer und ökonomischer Ebene (vgl. Winter, 2001a, S. 46). Winter
beschreibt das Verhältnis von Populärkultur und der dominanten Hochkultur
als spannungsgeladenes Feld, „in dem die Beziehungen zwischen Macht und
Widerstand immer wieder neu artikuliert werden“ (Winter, 2001b, S. 8.).

10
Dieser Konflikt war auch Grundlage für die Gründung der Cultural Studies
in den sechziger Jahren. Klasse und soziale Zugehörigkeit waren davor ein
entscheidender Faktor für Kultur und Bildung. Letzteres hatte unter
anderem die Aufgabe Werte, Normen, Moral und ethische Grundsätze zu
propagieren. Der Literaturunterricht in Großbritannien half das
vorherrschende moralische Leitsystem zu festigen. Zu dieser Zeit wurde
„Kultur jedoch niemals als Produkt alltäglicher Kreativität verstanden,
sondern stets in normativ-ästhetischem Sinn“ (Lutter/Reisenleitner 1998, S.
20). Laut Lutter waren die English Studies mehr als nur ein Unterrichtsfach,
sie dienten der „nationalen Identitätsstiftung“ und wurden zudem zum
„humanistischen Bildungsideal erhoben“ (Lutter/Reisenleitner 1998, S. 18).

Dieses Bildungsideal war zuvor nur der Elite zugänglich. Die


gesellschaftliche Veränderung durch die zwei Weltkriege, die hohe
Arbeitslosigkeit und die Einführung des Wahlrechts für alle, bildeten mit
der Verbreitung von kommerziellen Massenmedien und der fortschreitenden
Industrialisierung zu einem neuen England, dessen Gesellschaft und Kultur
erst beschrieben werden musste. Anfänglich wurden die neuen Medien mit
Kritik überhäuft und als moralisch bedenklich eingestuft. Frank Raymond
Leavis, Literaturkritiker und Lehrender in Cambridge, begann erstmals
seine Literaturkritik nicht mehr nur an tatsächlicher Literatur anzuwenden,
sondern auch beispielsweise an Berichten aus Zeitungen oder anderen
kulturellen Produkten. Diese Kritik fiel meist negativ aus, seine Art der
Analyse ebnete aber späteren Wissenschaftlern/innen den Weg (vgl. Kramer
1997, S. 42). Hauptgrund für die Verlagerung der Kulturanalyse auf die
gegenwärtige Populärkultur war die politische und gesellschaftliche
Aufwertung von oppositionellen Gruppen, zu dieser Zeit, die Arbeiterklasse.
Leavis, der den Zugang zu Bildung noch klassisch vom sozialen Status
abhängig sah, bot durch seine Arbeiten als Literaturkritiker einen
Nährboden für nachkommende Forscher. Die verbesserte
Erwachsenenbildung, die oppositionell zu den klassischen English Studies

11
positioniert war, stellte, die „moralisch-ästhetischen Vorgaben der
Lehrtradition in Frage“ (Lutter/Reisenleitner 1998, S. 22).

Wie viele Begründer in dieser Zeit kam auch Richard Hoggart aus dem
Bereich der Erwachsenenbildung und verfasste seine Schriften auch für die
Arbeiterklasse. Viele Mitbegründer der Cultural Studies waren
linksgerichteten Parteien zugehörig. In seinem Text ‚The Use of Literacy’
(1958) befasste er sich mit der Arbeiterkultur und deren
Gemeinschaftsleben. Er kommt zur Erkenntnis, dass die Arbeiterkultur eine
klassenspezifische Identität besitzt. Zum ersten Mal wird die Kultur der
Arbeiterklasse ernst genommen, beschrieben und analysiert. Lewis sieht in
der Kultur der Arbeiterklasse eine Kultur „that is segmentary, specific and
deriving from the symbolic and everyday practises of lower-level
community“(Lewis, 2002, S. 128). Hoggart bediente sich bei seinem Text
zwar der Methoden der Literaturwissenschaft, betrachtete aber nicht die
klassische Literatur (Kunst, Lyrik, Musik, usw.) sondern erforschte die
Zusammenhänge von Kultur und ihren Praktiken. Er war der Meinung, dass
eine kritische Analyse (‚close reading’)2 von Texten innerhalb der
Populärkultur ebenso anwendbar waren. Die einfach formulierte Art seiner
Studie verschaffte ihm nicht nur die universitäre Leserschaft, sondern auch
die zum Thema gemachte Arbeiterklasse. Zu dieser Zeit war das
Verständnis von Kultur noch geprägt von der Annahme, dass es nur eine
Kultur gibt. Leavis und Hoggart hingegen vertraten die Ansicht, dass es
mehr als eine gültige Kultur gibt, die nebeneinander existieren. Zu dieser
Annahme kamen sie durch die systematische Durchleuchtung der britischen
Vergangenheit. Hoggart (1957) und seine Analyse des Kulturbegriffs als
Etwas, das in das tägliche Leben eingebettet ist und nicht trennbar von
unserer Lebensweise gesehen werden kann, wird als Wegbereiter der
kritischen Kulturanalyse oft zitiert. (vgl. Hoggart 1957/1976, S. 318ff.).

2
Unter ‚close reading’ versteht man eine aufwändige und relativ systematische Analyse
von Texten. Es wird dabei versucht eine umfassende Interpretation eines Textes zu
produzieren.

12
Im folgenden Kapitel wird ein Überblick über die Entstehung des Centre of
Contemporary Cultural Studies gegeben. Es werden wichtige Vertreter, wie
Stuart Hall, u.a. und ihre Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und ihrer
Kultur diskutiert. Hegemonie und Ideologie sind Begriffe, denen im Center
große Aufmerksamkeiten geschenkt wurden.

2.2 Das Centre of Contemporary Cultural Studies


Als Gegenstück zu den klassischen ‚English Studies’ wurde das CCCS3 in
den sechziger Jahren an der Universität von Birmingham unter der Leitung
von Richard Hoggart gegründet. Untersuchungsschwerpunkt dieses Centers
war die Alltagskultur und die immer massentauglichere Populärkultur.
Dieses Forschungsinteresse ist durchaus politisch zu sehen (vgl.
Lutter/Reisenleitner 1998, S. 33). Hauptaugenmerk lag in der Aufwertung
bzw. einer Gegenhegemonie der Arbeiterkultur als gleichwertiges
Gegenstück zur Hochkultur, immer mit Bezug auf kulturpolitische Themen.
In Zeiten als Stuart Hall die Leitung des CCCS übernahm wurde die
Forschung auf „Vermittlungsinstanzen moderner Popularkultur, den
Massenmedien, überlagert“ (Lutter/Reisenleitner 1998, S. 33). Da die
Cultural Studies sich mit einer neuen Alltagskultur auseinandergesetzt
haben, konnten Methoden nicht von anderen Wissenschaftsdisziplinen
übernommen werden um Ergebnisse empirisch zu untermauern. Unter der
Führung von Stuart Hall Ende der sechziger Jahre entwickelten sich
„Methoden der Textanalyse mit soziologischen und historischen Zugängen“
(Lutter/Reisenleitner 1998, S. 33). Hall bediente sich der französischen
Philosophie und ihren Zugängen, sowie den marxistischen Theorien um ein
wissenschaftliches Grundgerüst um die Idee der Cultural Studies zu bauen.
Wie auch in den Untersuchungen der Cultural Studies muss auch ihre eigene
Entstehungsgeschichte im historischen Kontext gesehen werden. Grossberg
(1989) beschreibt zwei historische Einflüsse, die die Gründung der Cultural

3
Zur Lesbarkeit dieser Arbeit werde ich auch weiterhin diese Abkürzung verwenden.

13
Studies mit beeinflussten. In der Nachkriegszeit ermöglichten die technische
Weiterentwicklung von Informationstechnologien und die daraus
resultierende Effizienzsteigerung, ein Massenpublikum zu erreichen. Diese
Massenmedien gab es zwar bereits vor dem zweiten Weltkrieg, jedoch
wurden diese immer spezifischer, ohne sich vor einer gewissen Klasse bzw.
Gruppe zu verschließen (vgl. Grossberg 1997, S. 1998). Die Cultural
Studies widersprachen in einigen Punkten der Frankfurter Schule um
Horkheimer und Adorno, die die These vertrat, dass das Publikum eine
passive Masse wäre. Vielmehr wurde das ‚anonyme’ Publikum als Gruppe
gesehen, die die Inhalte der Massenmedien aktiv aneignen und rezipieren.
Die Frankfurter Schule und ihre Lehren hatten dennoch einen Einfluss auf
die Ideologiekritik der Cultural Studies. Kellner meint dazu:

„Beide betrachteten Kultur als ein Medium der ideologischen


Reproduktion und Hegemonie, in der kulturelle Formen dabei
helfen, die Denk- und Verhaltensweisen auszubilden, welche
Individuen dazu bringen, die sozialen Bedingungen der
kapitalistischen Gesellschaften anzunehmen. Beide
interpretieren auch Kultur zum einen als potenziellen Ausdruck
des Widerstands gegen die kapitalistische Gesellschaft und zum
anderen als Medium der sozialen Reproduktion“ (Kellner,
2005b, S. 61).

Weiters sieht Grossberg das Aufkommen der ‚New Left’ in Großbritannien


als historischen Kontext, der Gründung der Cultural Studies (vgl. Grossberg
1997, S. 198). Stuart Halls Forschungsinteresse lag in der Vermittlung von
Wissen über aktuelle Probleme und eine Bereitstellung von Lösungen bei
politischen Fragen um Oppositionen zu stärken. All diese Analysen gingen
immer historischen Betrachtungen der Problematiken voraus. Bromley
(1999) geht davon aus, dass die Untersuchungen, die nach der
Gründungsphase am CCCS entstanden sind, die gelebte regionale Kultur
fördern sollten. Massenmedien waren zu dieser Zeit noch als Massenkultur,

14
die keine aktive Teilnahme erforderlich machen, verpönt (Bromley 1999, S.
15). Stark beeinflusst wurde das CCCS in den siebziger Jahren von Stuart
Hall, der sich zu dieser Zeit als Direktor des Centers mit marxistischen
Theorien auseinandersetzte. Speziell den Arbeiten von Antonio Gramsci
und seinem Konzept der Hegemonie, Louis Althussers
Auseinandersetzungen mit Ideologie/Ideologiekritik und Ferdinand de
Saussures´ Gedanken zur Sprachwissenschaft wurde große Aufmerksamkeit
geschenkt. Zu Halls bekanntesten Arbeiten zählen die Analyse der
Kulturgeschichte der Schwarzen und der Aufsatz ‚Kodieren/Dekodieren’. Er
geht davon aus, dass Kultur nicht als ein Ganzes zu verstehen ist, sondern
als etwas, das praktiziert wird und niemals nur eine Bedeutung innehat. Er
spricht auch von Vermischungen verschiedener Kulturen. Kultur sieht Hall
immer eng verknüpft mit Macht, da Kultur nicht nur einen Personenkreis
bzw. eine Gruppe einschließt. Es werden auch Menschen dabei
ausgeschlossen (z.B.: Wahlrecht von Frauen, Opernbesuche, Menschen die
sich durch teure Kleidung von Anderen abheben, usw.). Anders und dadurch
für viele Wissenschaftler befremdlich, war der Arbeitsprozess am Center.
Die Struktur am CCCS konnte man damals nicht mit den anderen Instituten
an englischen Universitäten vergleichen. Die Forschungsarbeiten wurden in
Gruppen durchgeführt.

„Diese Gruppen, die im wesentlichen die kollektive Arbeit am


Centre repräsentierten, waren weitgehend autonom,
organisierten selbstständig ihre Lektüre und ihre
Forschungsprojekte, präsentierten jedoch Berichte über ihre
gemeinsame Arbeit in regelmäßigen Abständen“ (Winter, 2001a,
S. 73).

Die aus diesen Gruppen entstandenen Berichte wurden ab 1971 in der


Zeitschrift ‚Working Paper in Cultural Studies’ dokumentiert und
veröffentlicht. Wo im wissenschaftlichen Betrieb oft Neid und
Erfolgszwang den Arbeitsprozess beeinflussten, wurde die

15
wissenschaftliche Forschung im Centre eher offen praktiziert. Mit Halls
Tätigkeit als Direktor verstärkte sich der Schwerpunkt des CCCS immer
mehr auf die Frage des Zusammenhangs von Kultur und Gesellschaft auf
internationaler Ebene. Wo vormals noch der Fokus auf britische Kultur(en)
und ihre soziologische Bedeutung auf die Gesellschaft lag, war es Hall, der
aufgrund seiner jamaikanischen Herkunft einen Blick über die Grenzen des
englischen Staates forderte. Winter merkt an, dass Hall sich mehr und mehr
den Subkulturen, den Randkulturen gewidmet hat, die aufgrund ihrer
Klassenzugehörigkeit, ihres Geschlechts oder ihrer Sexualität eine
Minderheit darstellten (vgl. Winter, 2001a, S. 71). Halls Arbeit bestand in
den siebziger Jahren immer mehr darin Diskussionen anzuregen, politische
und theoretische Grundsätze zu formulieren. Seine Vorliebe für
‚kontinentale Denkansätze’ führte das CCCS immer mehr in Richtung
Kulturtheorie und Medienforschung. Winter sieht in dieser Phase der
Theoretisierung und Paradigmenbildung vor allem die kritische Analyse von
Kultursoziologie als besonders wichtig und richtungweisend für die
zukünftige Arbeit der Cultural Studies (vgl. ebenda, 2001a, S. 71ff.). Die
Umorientierung vom Kulturalismus hin zum Strukturalismus, ist auf die
intensiven Rezeptionen der Ideen von Lévi-Strauss und Roland Barthes
zurückzuführen. Sie verstehen die Sprache als ein System, das nicht nur die
Welt strukturiert, sondern innerhalb der Sprache Bedeutungen entstehen
lässt. Für die Forschung der Cultural Studies bedeutet dieser Ansatz eine
Möglichkeit, durch die Sprache Kultur und ihre kulturellen Praktiken
beschreiben und untersuchen zu können. Winter ist der Meinung: “Kultur
bedeutet nicht nur Ausdruck und Handlungsfähigkeit, sondern auch Zwang
und Regulation“ (Winter, 2001a, S. 87).

In den späten siebziger Jahren beeinflusste die kritische Haltung der


feministischen Theorien, die den männlichen Blick innerhalb der Forschung
kritisierten die Cultural Studies. Der Identitätsbegriff, die Subjektivität und
die Geschlechterkonstruktion spielten zu dieser Zeit immer mehr eine große
Rolle in der Forschungsarbeit. Nachdem Stuart Hall sein Amt an Richard

16
Johnson (1979) abtrat, trat die Textanalyse, wie sie bis zu dieser Zeit
praktiziert wurde eher in den Hintergrund. Anders als bei der klassischen
Textanalyse, bei der die dominante Ideologie aufgespürt wurde, versucht
Johnson die Aneignung der zirkulierenden, kulturellen Texte auf subversive
Elemente zu untersuchen. Diese subversiven Elemente bieten
Möglichkeiten, kulturelle Texte, von dominierten Gruppen (z.B.:
Homosexuelle, Ausländer, Frauen, usw.) anders zu lesen, als es ihnen durch
die dominante Ideologie nahe gelegt wurde (vgl. Lutter/Reisenleitner 1998,
S. 36ff.). In den achtziger Jahren prägten die Medienforschungen von David
Morley, Ien Ang und Dorothy Hobson die Entwicklung des CCCS. Obwohl
ich mich in dieser Arbeit auf die Theorien und Methoden der britischen
Cultural Studies beziehe, finde ich es wichtig auch die Entwicklung der
Cultural Studies in Amerika zu betrachten.

Die Cultural Studies Forschungen reduzierten sich nicht nur auf das CCCS
in Birmingham, sondern verbreiteten sich auch innerhalb Englands und über
die Grenzen hinaus. In Amerika konnte man/frau Mitte der achtziger Jahre
einen wahren Boom feststellen. Lawrence Grossberg und John Fiske sind
wichtige Vertreter, die die Inhalte der Cultural Studies in verschiedenen
Publikationen und in universitären Lehrbetrieben verbreitet haben.
Grossberg ist der Meinung, dass die amerikanischen Cultural Studies zwar
durchaus von den britischen Cultural Studies beeinflusst sind, aber zudem
eine eigenständige Tradition aufweisen, die im sozialen Pragmatismus der
‚Chicago school of Sociology’ beheimatet war. Der Begriff Klasse spielt in
den amerikanischen Cultural Studies eine eher unwichtige Rolle. Das
Hauptaugenmerk der Forschung liegt von Beginn an in den Kategorien:
Rasse, Geschlecht und Sexualität (vgl. Grossberg 1997, S. 195). Auch die
politische Zugehörigkeit der britischen Cultural Studies zu linken Parteien
gibt es so ausgeprägt nicht in Amerika. Außerdem wird oft von einer
linearen Entstehungsgeschichte in den britischen Cultural Studies
ausgegangen, wohingegen dies in den USA nicht der Fall ist. Grund dafür
ist der unterschiedliche historische und gesellschaftliche Kontext, der nicht

17
nur die jeweilige Kultur geprägt hat, sondern sich auch in der
Entstehungsgeschichte der Cultural Studies manifestiert. Obwohl es
Unterschiede in der Entstehungsgeschichte gegeben hat, wird auf beiden
Seiten des Atlantiks versucht, durch theoretische Auseinandersetzungen
zum Thema Macht und Kultur, Widerstand zu stärken um
Gegenhegemonien zu erleichtern.

2.3 Relevante Theorien zum Verhältnis von Kultur und


Macht in den Cultural Studies

Der Begriff Kultur ist im Sinne der Cultural Studies eng mit dem Begriff
Macht verknüpft. Machtverhältnisse und systematische Formen von
Unterdrückung in unserer Gesellschaft sind Konstrukte, die Stuart Hall u.a.
immer wieder in ihren theoretischen Auseinandersetzungen untersucht
haben. Im Folgenden werden zwei Theorien diskutiert und auf die Thematik
der Homosexualität angewandt. Zuerst die Idee der Ideologie und der
Ideologiekritik, welche von Althusser stark beeinflusst und von Stuart Hall
stark rezipiert wurde. Antonio Gramsci und sein Hegemoniemodell sind
ebenfalls prägend für das Verhältnis von Kultur und Macht. Weiters wird
auf den Wissenschaftler und seine Stellung in der Gesellschaft eingegangen.
Antonio Gramsci, ein italienischer Philosoph, dessen Texte starken Einfluss
auf die Cultural Studies haben, hat mit seinem Modell der Hegemonie
gezeigt, wie Interessen der vorherrschenden Kraft als allgemeingültige
Interessen der gesamten Gesellschaft durchgesetzt werden und in welche
Bereiche der Gesellschaft diese vordringen können. Gramsci ist der
Meinung, dass Hegemonie erst entstehen kann wenn herrschende Kulturen
ihre Ideologien als allgemeingültig konstituieren. Daher wird zuerst der
Begriff Ideologie und die Ideologiekritik definiert und ein Bezug zu den
Cultural Studies hergestellt.

18
2.3.1 Ideologie und Ideologiekritik
Der aus dem französischen stammende Begriff wurde Im 17. Jahrhundert
von Destutt de Tracey geprägt. Er verwendete diesen Begriff für eine
oppositionelle Strömung zum Rationalismus. Seit dem Aufkommen des
Marxismus in unserer Gesellschaft ist der Begriff ‚Ideologie’ oftmals auch
negativ konnotiert.4

„Ideologie bezeichnet dort die auf der Standortabhängigkeit des


Denkens beruhenden Mechanismen, durch die veränderliche,
gesellschafts- und interessensspezifische Fakten als
naturgegebene, unveränderliche Daten missverstanden werden“
(Nünning, 2005, S. 75).

Ideologie im weitesten Sinne, kann als Begriff gesehen werden, um


gewissen Weltanschauungen einen Namen zu geben. Zudem kann Ideologie
als Machtinstrument missbraucht werden um Individuen in eine gewünschte
Richtung zu lenken. Diese Beeinflussung ist häufig in der Politik und der
Religion anzufinden. Diese Manipulation ist jedoch nicht automatisch
impliziert. Eagleton (1991/1993) vertritt die Meinung, dass der
Ideologiebegriff nicht genau definiert werden kann. Er verwendet eine
hermeneutische Herangehensweise um sich dem Phänomen der Ideologie zu
nähern. Für Eagleton ist Ideologie ein/e:

a) prozeßhafte Produktion von Bedeutungen, Zeichen und Werten im


gesellschaftlichen Leben

4
Der Begriff wird in den Sprachwissenschaften verwendet. Konnotation wird als
Nebenbedeutung verstanden. Kulturell bedingt, beinhalten Wörter oftmals eine zusätzliche
gedankliche Zusatzbedeutung. Beispielsweise der Begriff ‚schwul’ wird unter Jugendlichen
gerne als Schimpfwort für Weiblichkeit oder Schwäche verwendet. Die Buchstabenabfolge
s-c-h-w-u-l beinhaltet diese Nebenbedeutung nicht. Sie ist immer im kulturellen- und
historischen Kontext verankert.

19
b) Korpus von Ideen, die für eine bestimmte soziale Gruppe oder
Klasse charakteristisch sind
c) Vorstellungen, die dazu beitragen, eine herrschende politische Macht
zu legitimieren
d) falsche Vorstellungen, die dazu beitragen eine herrschende
politische Macht zu legitimieren
f) etwas, was dem Subjekt erlaubt, Stellung zu beziehen
g) gesellschaftlich motivierte Denkweise
h) Identitätsdenken
j) Zusammentreffen von Macht und Diskurs
l) handlungsorientierter Komplex von Überzeugung
p) Vorgang durch den gesellschaftliches Leben in naturgegebene
Wirklichkeit verwandelt wird
q) (…) (Eagleton 1993, S. 7f.)

Viele Philosophen wie Habermas, Nietzsche, Bourdieu, Althusser u.a. haben


sich mit Ideologie und/oder ihrer Kritik auseinandergesetzt. Die
Ideologiekritik thematisiert den Zusammenhang von Macht und Ideologie
bereits zur Zeit der Aufklärung bis ins einundzwanzigste Jahrhundert. Durch
die systematische Aufarbeitung des Marxismus und seinen Ideen zum
Begriff Ideologie, leitete Louis Althusser (1970) eine denkwürdige Wende
in den Kulturwissenschaften ein (vgl. Althusser 1977, S. 108ff.). Er ist der
Meinung, dass Ideologien nicht sichtbar, sondern „größtenteils imaginär
sind, d.h. nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen“ (Althusser 1977, S.
134). Die zentrale These in seiner Auseinandersetzung mit Ideologie ist die
Anrufung der Individuen als Subjekte. Durch die Anrufung eines
Individuums konstituiert die Ideologie ein Subjekt, dass erst dadurch als
Teil einer Gesellschaft gesehen wird. Vereinfacht ist damit gemeint, dass
der Mensch sich erst als Subjekt sieht, indem er in Bezug zu anderen
Individuen bzw. Institutionen steht. Die Verbindung von Menschen durch
eine gemeinsame Anschauung ist die Ideologie (z.B.: politische
Zugehörigkeit, der gemeinsame Glaube an (einen) Gott usw.). Er sieht

20
keinen Unterschied zwischen der Ideologie und der Anrufung der Subjekte
(ebenda 1977, S. 142).

Althusser übernimmt weiters die marxistische These, dass der repressive


Staatsapparat und die Staatsmacht zwei verschiedene Dinge sind und fügt
der These den Begriff der ‚ideologischen Staatsapparate’ hinzu. Er ist der
Meinung, dass die privaten ideologischen Staatsapparate und der repressive
Staatsapparat „auf der Grundlage der Gewalt und der Ideologie
»funktioniert«“ (ebenda 1977, S. 121). Als private ideologische
Staatsapparate sieht Althusser z.B.: die Bildungsinstitutionen, die Kirchen
oder die Massenmedien. Der repressive Staatsapparat beinhaltet Begriffe
wie: Polizei, Bundesheer und Regierung. Während der repressive
Staatsapparat vordergründig auf der Basis der Gewalt arbeitet und in zweiter
Linie ideologisch ist, ist es bei den ideologischen Staatsapparaten
umgekehrt. Er ist demnach der Meinung, dass auch ideologische
Staatsapparate auf der Grundlage der Gewalt arbeiten um Macht immer
wieder neu reproduzieren zu können. In seinem Text vertritt er die Meinung,
dass „keine herrschende Klasse dauerhaft die Staatsmacht innehaben kann,
ohne gleichzeitig ihre Hegemonie über und in den Ideologischen
Staatsapparaten auszuüben“ (ebenda 1977, S. 122). Althusser versteht
Ideologie nicht als Idee sondern vertritt die Ansicht, dass Ideologie materiell
ist. Ideologie spiegelt sich im täglichen Handeln eines Subjekts wider.
Althusser zeigt am Beispiel des Glaubens, wie ideologische Staatsapparate
funktionieren. Durch Rituale werden diese Ideologien immer in der
materiellen Existenz reproduziert und geregelt (vgl. ebenda 1977, S. 137ff.).

Das Zusammenwirken von repressivem Staatsapparat und der ideologischen


Staatsapparate kann in vielen gesellschaftlichen Bereichen beobachtet
werden. Bezugnehmend auf Homosexualität, wie sie in vorliegender Arbeit
noch ausführlich behandelt wird, könnte als Beispiel die ‚Homoehe’
genannt werden. Homosexualität ist in Österreich laut Gesetz nicht mehr
strafbar. Die katholische Kirche, die zwar keine Staatsgewalt darstellt,

21
reproduziert innerhalb ihres Apparates ideologische Rituale, wie die
Predigten in der Kirche, die Eheschließung usw. und verbreitet dadurch ihre
Sicht der Welt, die von ‚Gott geschaffen wurde’. Homosexualität ist in der
katholischen Kirche eine Sünde und darf nicht gleichgestellt werden mit
Heterosexualität innerhalb einer Partnerschaft. Homo/Bi/Transgender-
Organisationen besitzen auch Rituale innerhalb ihrer Apparate und fordern
vom Staat eine komplette Gleichstellung. Die Kirche, die ihre
Machtvorstellung in Gefahr sieht, versucht ökonomisch, religiös und
durchaus auch politisch dagegen anzukämpfen. Die derzeitige Diskussion
um die Homoehe in Österreich gipfelt dadurch in einer
Grundsatzdiskussion, ob und in welcher Form Homosexuelle eine ‚Ehe’
eingehen dürfen.

Die Verwurzelung der (katholischen) Kirche in die Politik äußert sich in der
Stellung mancher Parteien, die die Anerkennung einer solchen
‚Eheschließung’ ablehnen. Dieser Kampf um Bedeutung wird auch medial
geführt. Da Massenmedien meist privat sind, spiegeln sich Ideologien des
Herausgebers, der Journalisten usw. wieder. Die Auseinandersetzung mit
dem Thema Homosexualität kann äußerst different sein, gibt jedoch immer
den ideologischen Überbau des Mediums wieder. Die Cultural Studies
versuchen in ihrer Arbeit diese Ideologien aufzuspüren und kritisch zu
betrachten. In den Cultural Studies wurden Althussers Ideen stark rezipiert.
Der Ideologiebegriff wird als Überbau für die Konstruktion von
Wirklichkeit verstanden. Hall (1984) definiert Ideologie als:

„(…) die mentalen Rahmen – die Sprachen, Konzepte, Kategorien,


Denkbilder und Vorstellungssysteme -, die verschiedene Klassen und
soziale Gruppen entwickeln, um der Funktionsweise der Gesellschaft
einen Sinn zu geben, sie zu definieren, auszugestalten, verständlich zu
machen“ (Hall 1984, S. 99).

22
Die Stellung der Massenmedien als ideologischer Vermittler und die Frage,
wie Ideologien verbreitet wurden, führten zu einem Umdenken. Medien
wurden nicht mehr nur als Boten für Bedeutungen angesehen, es wurde in
Studien „ihre sprachliche und ideologische Struktur analysiert“ (Winter
2001a, S. 128). Fiske ist der Meinung, das wichtigste Merkmal von
ideologischen Staatsapparaten, wie den Massenmedien, ist

„dass sie sich allesamt als sozial neutral geben, dass sie keine
bestimmte Klasse einer anderen vorziehen. Jede präsentiert sich
als prinzipientreue Institutionalisierung von Gleichheit: Gesetz,
Medien und Bildungswesen behaupten alle lautstark und
oftmals, jedes Individuum gleich und gerecht zu behandeln“
(Fiske, 2001d, S. 21).

Hall war derjenige, der sich mit dem Ideologiebegriff am meisten


auseinandergesetzt hat. Er zeigt in seinem Text ‚Kodieren/Dekodieren“ wie
sich die Ideen Althussers zur Ideologie, mit dem Modell der Hegemonie
verknüpfen lassen. Dieser Text gilt als richtungweisend für die
Medienanalysen in den Cultural Studies.

23
2.3.2 Gramscis Modell der Hegemonie
Ein weiterer wichtiger Philosoph, der die Cultural Studies mit seinen
Theorien beeinflusste, war Antonio Gramsci und seine Theorie der
Hegemonie. In der Gründerphase der Cultural Studies wurden seine Texte
zur Stellung des Wissenschaftlers in der Gesellschaft stark rezipiert. Er
beschreibt in seinen Gefängnisheften einen Zusammenhang zwischen der
Wissenschaft und dem gesellschaftlichen Machtkonstrukt, welches auf
politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Ebene konstituiert ist. Eine
gesellschaftliche Veränderung für unterdrückte Gruppen ist laut Gramsci
nur möglich, wenn erkannt wird, dass Wissenschaft und Individuum nicht
getrennt voneinander gesehen werden. Hall (2000) ist der Meinung, dass
Gramsci und sein Begriff des ‚organisch Intellektuellen’, der nicht nur
forscht, sondern auch sein Wissen Anderen vermittelt, auch denjenigen, die
sich normalerweise nicht mit wissenschaftlichen Thematiken
auseinandersetzen, prägend für die Entstehungsgeschichte des CCCS war
(vgl. Hall, 2000, S. 41f.). Gramsci charakterisiert die organisch
Intellektuellen als „Organ ihrer Klasse“ (Bischoff, 1981, S. 110). Dadurch
ändert sich der Blick auf den Intellektuellen. Er/Sie muss seinen/ihren
gesellschaftlichen Kontext klären, da er/sie sich nicht aus dem
gesellschaftlichen Gefüge herausnehmen kann. In Gramscis Verständnis ist
jeder Mensch ein Intellektueller und hegemone, unterdrückte Gruppen
müssten organische Intellektuelle mobilisieren um sich Gehör zu
verschaffen. Das Bewusstsein über das eigene Subjekt und der
gesellschaftliche Hintergrund sind in den Arbeiten der Cultural Studies
immer sichtbar. So gesehen übernehmen Wissenschaftler/innen die sich den
Cultural Studies zugehörig fühlen den Part des organisch Intellektuellen, der
sich der ideologischen Hegemonie bewusst macht und sich gegebenenfalls
der vorherrschenden Gruppe entgegensetzt.

Später für die Cultural Studies bedeutend, war die Rezeption Gramscis
Texte zum Verständnis von Hegemonie. Unter Hegemonie versteht

24
man/frau die ungleichmäßig verteilte Möglichkeit, die eigenen Interessen
durchzusetzen. Der Begriff erstreckt sich vom Staat, über Religion bis in die
Gesellschaft. Eine gesellschaftliche Gruppe gilt als vorherrschend und gibt
Werte, Regeln und Normen vor. Diese Machtposition ist jedoch nicht
zwingend in die Staatsgesetze eingebunden.

„Die herrschende Klasse versucht die beherrschten Klassen zu


einem bestimmten kulturellen und ethischen Niveau zu erziehen
(einer bestimmten Arbeits-, Sexual- und Konsumationsmoral),
bis der einzelne Bürger sich mit den Zielen der
Klassenherrschaft identifiziert und so selbst seinem Mitbürger
gegenüber zum Vermittler der hegemonialen Herrschaft wird“
(Roth, 1972, S.103).

Krotz (1997/2006) hebt hervor, dass der Kampf um Hegemonie ein stetiger
ist, und kein gleich bleibender Zustand (vgl. Krotz, 2006, S. 131.). Bezieht
man die Aussagen von Roth und Krotz auf das gesellschaftliche Verständnis
von Norm der Sexualität, so erkennt man/frau das Kräfteverhältnis zwischen
Menschen, deren sexuelles Begehren der allgemeingültigen Norm
entsprechend gelebt und praktiziert wird und derer, die sich nicht dieser
Norm unterstellen. Konkret ist damit die Übermacht von Heterosexualität
gemeint, die als naturalisierte Norm immer wieder reproduziert wird, in
Institutionen wie Staat, Kirche, Schule oder auch in den Massenmedien. Erst
durch eine möglichst breite Konsensbildung ist es möglich Hegemonie
auszuüben. Bezogen auf das konkrete Beispiel der Heteronormativität,
ergibt sich zum Beispiel aus der Gesetzgebung zur Ehe, der Sozialisation in
Schulen - die Aufklärung immer im Kontext, bzw. aus Sicht der
Heterosexualität unterrichtet, bis zu den Massenmedien, die Begriffe wie
Liebe oder Beständigkeit mit Heterosexualität verknüpft, einen Idealtypus
eines/einer Bürgers/Bürgerin, die sich damit identifiziert. Charakteristisch
für die Hegemonie ist die Dichotomisierung. Unter diesem Begriff versteht

25
man die Zweiteilung einer Gruppe mit dem Merkmal der Unvereinbarkeit.5
Wer dazugehört grenzt sich von denen ab, die nicht dazugehören.
Heterosexualität grenzt sich von Homosexualität ab, wobei beide Begriffe,
das gleiche beinhalten. Durch ein Machtnetz, wie es Foucault nennt, bildet
sich ein Netzwerk, welches immer wieder aufs Neue darauf bedacht ist, die
Unvereinbarkeit zu reproduzieren. Foucault wirft die Frage auf warum
Macht, die durch Hegemonie gewonnen werden kann, in unserer westlichen
Gesellschaft immer mit Verbot und Gesetz verknüpft wird (vgl.
Foucault/Engelmann, 1999, S. 174ff.). Wie kommt es nun zur Teilung
zwischen der Hegemonie ausübenden Gruppe und den Ausgegrenzten?
Geier orientiert sich an Gramscis drei Phasenmodell. „Die Hegemonie
ausübende Gruppe (oder) ‚Klasse’ muss universal werden“ (Geier, 1997, S.
21). Die Gruppe muss aktiv am Fortschritt der Gesellschaft beteiligt sein.
Wenn dies der Fall ist, entsteht in Phase zwei eine Interessenssolidarität, die
sämtliche Mitglieder der Gruppe zueinander führt. In der dritten Phase
kommt es zur Angleichung der Interessen mit anderen Gruppen. Durch
dieses gemeinsame Eintreten der Interessen entsteht ein Machtblock, in dem
die eigenen Interessen übereingestimmt werden und abweichende Interessen
entweder integriert oder assimiliert werden (vgl. Geier, 1997, S. 21f.).
Dieses Entstehen von Hegemonie innehabenden Gruppen impliziert, dass
eine möglichst große Anzahl von Personen an diesem Prozess teilnehmen
(Nonhoff, 2007, S. 11ff.). Foucault hat in seinen Arbeiten immer wieder
Machtkonstrukte benannt und aufgespürt. In seinem Werk ‚Sexualität und
Wahrheit’ zeigt er am Beispiel der menschlichen Sexualität wie
‚polymorphe Techniken der Macht’ entstehen und wie sie das Verhalten der
Gesellschaft verändern können. Um eine historische Analyse der
Repräsentation von Homosexualität durchführen zu können, muss zuerst
geklärt werden, wann dieser Begriff entstanden ist und in welcher Form er
sich im Laufe der Zeit verändert hat, bis hin zur Bildung einer Identität des

5
Tag/Nacht, Schwarz/Weiß, Mann/Frau, sind Beispiele von Dichotomien.

26
Homosexuellen, die es erst ermöglicht hat eine Gegenidentität bzw.
Gegenhegemonie zu bilden.

2.3.3 Gesellschaftliche Normierung und die Geburtsstunde


der homosexuellen Identität
Hegemonie wie sie im vorherigen Kapitel beschrieben wurde, konstituiert
laut Gramsci das Grundgerüst der Gesellschaft in der wir leben und spiegelt
sich auch in medialen Repräsentationen wieder. Der Begriff Homosexualität
und die Bedeutung, die dieser Begriff impliziert ist ein Konstrukt der
Neuzeit also noch relativ jung. Foucault (1976) hat sich ausführlich mit der
Tabuisierung und Pathologisierung der Homosexualität auseinandergesetzt.
Foucault ist der Meinung, dass an der Wende vom 18. ins 19. Jahrhundert
eine Unterdrückung konstituiert wurde um die bürgerliche Gesellschaft in
gewollte, ökonomische Bahnen lenken zu können. Normalität wie wir es in
der heutigen westlichen Gesellschaft definieren und verstehen ist ein
Begriff, der sich zu diesem Zeitpunkt entwickelt hat. Laut Jäger kam es zu
einem Zusammenschluss der Medizin, mit der Psychiatrie, der Psychologie
und der Sozialpsychologie. Der Begriff ‚Gesundheit’ wurde durch den
Begriff ‚Normalität’ abgelöst (vgl. Jäger/Jäger, 2007, S. 62). In einer
zweiten Phase wurde die Normierung „industriell-technischer
Entwicklungen (Normungen)“ vollzogen (Jäger/Jäger, 2007, S. 62). Als
dritte Entwicklung nennt er die Normierung des sozialen Lebens, dem
Alltag und der Politik (vgl. Jäger/Jäger, 2007, S. 63 und vgl. Link, 1995, S.
26). Link erklärt diese Entwicklung zum Normalismus als Antwort auf die
Herausforderungen der gesellschaftlichen Dynamik. Normalität soll im
Gegensatz zum Anormalen die Möglichkeit bieten Sicherheit und Fortschritt
innerhalb einer Gruppe gewährleisten zu können. Anormalität wird als
unsicher und chaotisch charakterisiert. Durch die Erfassung von Daten über
die Bevölkerung wurde der/die Einzelne standardisiert. Wer nicht der Norm
entsprach, machte sich Gedanken darüber warum das so ist und versuchte
im besten Falle sich anzupassen (vgl. Link, 1995, S. 26f.). Foucault ist der

27
Meinung, dass bei diesem medizinischen und politischen Projekt versucht
wurde, den Sex und seine Fruchtbarkeit zu administrieren (vgl. Foucault
1983, S. 116). Im Mittelalter wurde Sexualität ausgelebt und war Teil des
öffentlichen Diskurses, es wurde darüber offen gesprochen, Sexualität war
innerhalb der Familie kein tabuisiertes Thema (vgl. Foucault, 1983, S.
23ff.). Indem der bürgerlichen Gesellschaft das Recht auf das Sprechen über
den Sex genommen wurde und vorgegeben wurde, wer mit wem und wer
nicht mit wem sprechen dürfte, änderte sich der Zugang zur Sexualität. Die
bürgerliche Gesellschaft sollte den ökonomischen Ansprüchen, die der Staat
auferlegt hat, entsprechen (vgl. ebenda, 1983, S. 31). Durch die
Tabuisierung des Sprechens über den Sex wurde die bürgerliche
Gesellschaft mit einer Macht konfrontiert, die nicht mehr äußerlich zu
spüren war, sondern bis ins Innere eines jeden Menschen eindrang. Foucault
nennt die/das kirchliche Beichte/das Geständnis als Beispiel, wie Wissen
und Macht miteinander verknüpft wurden. Durch die Regulierung der
Sexualität, der Normierung und Sanktion über Alles, das über die eheliche
Fortpflanzung hinausgeht, entstand ein innerer Gewissenskonflikt. Durch
die Beichte entstand eine Wissens-Macht, die es ermöglichte die bürgerliche
Gesellschaft zu kontrollieren und gegebenenfalls zu sanktionieren. Doch
nicht nur die Kirche führte einen Diskurs über den Sex. Sexualität wurde
auch zum Thema der Wissenschaft. Durch die Diskursivierung im
medizinischen Bereich kam es laut Foucault zu „einer Einkörperung der
Perversionen und einer neuen Spezifizierung der Individuen“ (ebenda,
1983, S. 47). Nicht nur in der Medizin und der Psychiatrie wurde der
Homosexuelle diskursiv mit Bedeutung versehen, auch in der Literatur
wurde der Homosexuelle im 19. Jahrhundert sichtbar. Laut Foucault hat die
psychiatrische, juridische und literarische Beschreibung, es ermöglicht einen
Gegendiskurs entstehen zu lassen.

„…die Homosexualität hat begonnen, von sich selber zu


sprechen, auf ihre Rechtmäßigkeit oder auf ihre ‚Natürlichkeit’ zu
pochen – und dies häufig in dem Vokabular und in den

28
Kategorien, mit denen sie medizinisch disqualifiziert wurde
(ebenda, 1983, S. 101).

Der Begriff Homosexualität, so wie er in der westlichen Welt verstanden


wird, ist ein noch relativ junger Begriff. Karl Heinrich Ulrich setzte sich als
einer der Ersten systematisch 1864 mit der Sexualität der Menschen
auseinander. Er verwendet nicht den Begriff des ‚Homosexuellen’, sondern
nennt Männer, die Männer lieben, ‚Urninge’ (vgl. Müller, 1991, S. 55).
Diese Urninge wurden auch als drittes Geschlecht definiert. Durch die
sprachliche Konstruktion eines dritten Geschlechts wurde der Dualismus,
der bisher in der Sexualforschung vorherrschte, erschüttert. ‚Männlich’ und
‚weiblich’ waren durch die Urninge unsichere Geschlechtsattribute (vgl.
ebenda, 1991, S. 86f.). Durch die immer engere werdende Verbindung von
Medizin und Psychologie/Psychiatrie wurde der Homosexuelle
pathologisiert. 1869 versuchte Carl Westphal, ein Nervenarzt an der
Berliner Charité, anhand zweier Fallbeispiele das Phänomen der ‚konträren
Sexualempfindung’ zu erforschen. Wichtig für den weiteren Diskurs über
Homosexualität war die Tatsache, dass dieses konträre Sexualverhalten als
angeboren und Teil der Identität verstanden wurde. Foucault sieht in der
Arbeit Westphals die erste klare Trennung vom Sodomiten als
Gestrauchelten und dem Homosexuellen der von nun an eine Spezies
darstellte (vgl. Foucault, 1983, S. 47.). Diese Koppelung von Sexualität und
Identität findet sich auch in den Cultural Studies wieder. Das Zugeständnis
einer Identität birgt aber auch Probleme. Wie kann eine Identität mit
Bedeutung gefüllt werden, wenn diese Identität neu ist. Bis zu diesem
Zeitpunkt wurden Männer die mit Männern ihre Sexualität ausgelebt haben,
Sodomiten genannt oder Päderasten (vgl. ebenda, 1991, S.254f.). Kirchlich
und politisch wurden Homosexuelle schon seit dem Mittelalter verfolgt,
inhaftiert und an den Pranger gestellt, lediglich die Strafdauer variierte. Der
größte Kritikpunkt war das Ausleben ihrer Sexualität (speziell dem
Analverkehr, wobei dabei egal war, ob der Partner männlich oder weiblich
war), da sie nicht der Fortpflanzung diente. Erst durch das Zugeständnis der

29
eigenen Identität bestand die Möglichkeit, sich zusammenzuschließen und
gegen die Hegemonie ausübende Gruppe kulturellen Widerstand zu leisten.
Magnus Hirschfeld erklärte den Begriff ‚Homosexualität’ schließlich als
etabliert und revolutionierte die Sexualforschung bzw. die wissenschaftliche
Zugangsweise durch seine Befragungen über die Sexualität. 1919 gründete
er in Berlin das Institut für Sexualwissenschaften und leistete
Aufklärungsarbeit. Es wurde massiv Kritik ausgeübt. Schoppmann (1991)
nennt beispielsweise Hansjörg Maurer als Widersacher Hirschfelds und
seiner Aufklärungsarbeit. Maurer wirft der Homosexualität vor, durch ihre
Unsittlichkeit den Rassenverfall herbeizuführen (vgl. Schoppmann, 1991, S.
82f.). Er war auch derjenige der in seinen Schriften eine ‚Heilung’ der
Homosexuellen gesetzlich festgelegt sehen wollte. Die kurze Zeit in der der
medizinische Diskurs über Homosexualität als Krankheit vorherrschend
war, währte nicht lange. Die Machtergreifung der Nazis führte zur
Gleichschaltung der Justiz am 1.4.1934 und der Neuauslegung der
bestehenden Gesetze im Sinne des Nationalsozialismus (ebenda, 1991, S.
84ff.). Durch verschärfte Gesetzgebung und der systematischen Zerstörung
der Homosexuellen-Subkultur wurden neu entstandene, homosexuelle
Gruppierungen zerschlagen, „bildeten sie doch einen sichtbaren
Widerspruch zur NS-Sexualpolitik“ (ebenda, 1991, S. 163). Mit dem Röhm-
Putsch6 am 30. Juni 1934 begann die systematische Verfolgung und
Ermordung von Homosexuellen. Tausende Menschen wurden aufgrund
ihrer Sexualität, die per Gesetz verboten war, verhaftet, verurteilt oder ins
Konzentrationslager geschickt.7 Es gibt keine offiziellen Zahlen über
Homosexuelle die zu dieser Zeit sterben mussten, es wird aber von

6
Der Röhm-Putsch auch als ‚Nacht der langen Messer’ bekannt, war die systematische
Tötung der SA-Offiziere durch die SS Machthaber, insbesondere die Ermordung von Ernst
Röhm, dessen Homosexualität ein offenes Geheimnis war.
7
Historisch aufgearbeitet wurde die Vernetzung von Homosexualität und
Nationalsozialismus in Theaterstücken und in Filmen wie beispielsweise ‚Bent’, der
ausgehend vom Röhm-Putsch die Schicksale homosexueller KZ-Insassen fiktional
thematisiert.

30
einhunderttausend Opfern ausgegangen. 1949, als das
Bundesentschädigungsgesetz in Kraft trat, versuchten homosexuelle Opfer
vergeblich finanzielle Wiedergutmachung einzufordern. Da das Gesetz nur
Entschädigung aufgrund politischer Verfolgung, der Rasse, des Glaubens
oder der konträren Weltanschauung vorsah, war eine staatliche
Entschädigung aussichtslos (vgl. Reimesch, 2002, S. 179ff.). Der Paragraph
175, der in Deutschland die sexuelle Unzucht zwischen
gleichgeschlechtlichen Partnern unter Strafe stellte, wurde erst in den
neunziger Jahren gänzlich aus dem Gesetzbuch gestrichen (vgl.
Schoppmann, 1991, S. 79f.).8 Der Nationalsozialismus hat gezeigt, wie
Ideologien die mit Macht verknüpft sind, verbreitet und wie sie in die
Gesellschaft eingebettet wurden und welches Ausmaß eine solche Ideologie
erreichen kann. Kultur in all ihren Formen und ihre Repräsentationen haben
sich im Laufe der Geschichte stark verändert. Welchen Einfluss hatte das
Medium Fernsehen in den letzten fünfzig Jahren auf die Repräsentation von
Homosexualität und welche Machtdiskurse wirkten dabei ein? Im Sinne der
Cultural Studies wird im nächsten Kapitel ein Überblick über die letzten
fünfzig Jahre gegeben. Politische, ökonomische und kulturelle Fakte werden
miteinander verknüpft um die gesellschaftliche Veränderung zum Thema
Homosexualität besser zu verstehen.

8
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde der §175 noch verschärft und es drohte eine
Strafe von bis zu zehn Jahren. Verurteilte endeten meist in den vielen Konzentrationslagern
und mussten den Rosa Winkel tragen. In der Machthierarchie im Konzentrationslager lag
der rosa Winkel an unterster Stelle.

31
3 Zur Geschichte der Repräsentation im
amerikanischen Fernsehen

Im Vergleich zum Medium Kino, bietet das Fernsehen eine kürzere


Vergangenheit zur Repräsentation von Homosexualität. Während der erste
Kinofilm mit homosexueller Darstellung, ‚Anders als die Anderen’ bereits
1919 im Kino zu sehen war dauerte der Kampf um Sichtbarkeit im
amerikanischen Fernsehen etwas länger (vgl.
http://www.imdb.com/title/tt0009878/ (Stand: 24.06.2008)). Im folgenden
Kapitel wird ein historischer Überblick gegeben, wie Homosexualität,
Bisexualität und andere Formen von sexueller Orientierung fürs Fernsehen
aufbereitet wurden. Der historische Überblick soll Aufschluss geben, wie
das amerikanische Fernsehen mit den oben genannten sexuellen Identitäten
umgegangen ist und welche Aufmerksamkeit dieser Thematik gewidmet
wurde.

Viele Menschen, deren sexuelle Orientierung von der der Heterosexualität


abweicht, fühlen sich oft isoliert und allein. Die Suche nach
Identifikationsmöglichkeiten über Medien ist ein wichtiger
Sozialisationsfaktor. Wie soll ich mich in gewissen Situationen verhalten?
Wer bin ich und welchen Stellenwert habe ich in der Gesellschaft? Diese
Fragen kommen spätestens in der Pubertät auf. Wenn man/frau jedoch
bemerkt, dass man/frau anders ist als der Großteil der Gesellschaft, kommt
es zu Problemen. Der zwischenmenschliche Austausch über die Frage der
Sexualität ist oftmals schwierig und kann im schlimmsten Fall zu Isolation
führen. Medien haben die Aufgabe Orientierungshilfen zu bieten und die
Gesellschaft, in der die Medien eingebettet sind möglichst mannigfaltig zu
repräsentieren. Diese Repräsentation sollte auch kulturelle, sexuelle und
religiöse Minderheiten beinhalten.

32
Es gibt zwar keine genauen Zahlen über das Verhältnis von Heterosexuellen
und denen die der vermeintlichen Norm nicht entsprechen. Viele Quellen
gehen aber von fünf bis zehn Prozent der Weltbevölkerung aus. Dieser
Rechnung nach bevölkert die Welt bis zu dreihundert Millionen
Homosexuelle, Bisexuelle und/oder Transgender. Die Repräsentation im
Fernsehen ist prägend und wichtig für den Blick der Gesellschaft auf diese
Thematik, speziell in Amerika. „If something doesn´t happen in the media it
„didn´t happen““ (Gross, 2001, S.1). Die Medien bieten dem Menschen
eine Möglichkeit die Welt zu sehen und die Vielfalt von Kulturen kennen zu
lernen. Viele Menschen, die mit Homosexualität in ihrem Leben noch nicht
in Berührung gekommen sind, kennen Schwule, Lesben oder Transgender
nur aus dem Fernsehen oder anderen Massenmedien. Wie sich die
Repräsentation von Homosexualität in den vergangenen fünfzig Jahren
verändert hat, soll dieses Kapitel aufzeigen. Der historische Kontext wird
hier immer wieder betrachtet. Der Überblick gliedert sich in vier Teile. Der
erste Teil zeigt den Kampf um Sichtbarkeit im Fernsehen und welche
historischen Einflüsse dabei eingewirkt haben. Teil zwei widmet sich der
AIDS Problematik in den achtziger Jahren und wie die Medien darüber
berichtet haben. Teil drei bietet einen Überblick der Repräsentation von
Homosexualität in den neunziger Jahren. Der letzte Teil des Überblicks
bildet dann den Rahmen der empirischen Analyse der Serie ‚Will & Grace’,
ihrer Produktion, der Serienfiguren und der Diskurse in der Serie, immer
Bezug nehmend auf die Forschungsfragen die in der Einleitung formuliert
wurden.

33
3.1 Die 70er Jahre - der Kampf um Sichtbarkeit
Die späten fünfziger- und frühen sechziger Jahre waren in Amerika eine
Zeit des Wandels und des Widerstands. Der Kampf um Menschenrechte, die
neue Frauenbewegung, und die Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg
führten zu einer Veränderung in der Gesellschaft. Politik war kein Überbau
mehr, sondern Teil jeder einzelnen Person. Diese Politisierung des eigenen
Lebens bestärkte die Menschen darin, für ihre Rechte zu kämpfen. Das neue
Selbstbewusstsein der Menschen führte dazu, dass Sexualität und
Geschlecht zu Themen wurden, die auch öffentlich diskutiert und erforscht
wurden. Die umstrittenste und wohl bekannteste Studie über die Sexualität
in Amerika führte Dr. Alfred Kinsey durch. Der heute noch vieldiskutierte
Sexualforscher untersuchte die Sexualität der Amerikaner mittels einer
empirischen Befragung. Er und sein Team befragten zwölf tausend
Amerikaner zu ihren sexuellen Erfahrungen, speziell auch die Frage nach
homosexuellen Erfahrungen. Kinsey (1948/1955) kommt nach der
Auswertung seiner Daten zu dem Schluss, dass homosexuelle Kontakte
zwischen Männern viel häufiger vorkommen, als bisher in der Gesellschaft
gedacht. Er ist der Meinung, dass die Tabuisierung der Homosexualität dazu
beiträgt, dass die Zahlen der homosexuellen Kontakte geringer ausfallen. Es
würden demnach mehr Männer gerne gleichgeschlechtliche Erfahrungen
sammeln, haben jedoch Angst vor der sozialen Abgrenzung. Er betont, dass
die moralische Abwertung der Homosexualität zu psychischen Störungen
führen kann, da mehr Männer dem gleichgeschlechtlichen Sex nicht
abgeneigt sind. Diese provokante These führte zu heftigen Diskussionen im
wissenschaftlichen Bereich und auch in den Medien (vgl. Kinsey 1955, S.
234f.).

Diese psychischen Störungen waren auch Hauptthema in der historischen


Dokumentation auf CBS, ‚CBS Reports: the homosexuals’ (1967).
Homosexualität wurde darin erstmals landesweit in einer Fernsehsendung
thematisiert, jedoch als Krankheit dargestellt. Psychologen, Richter und so

34
genannte Homosexuelle sprachen über Homosexualität und ihre Merkmale.
Homosexuelle wurden meist hinter einer Pflanze oder in einem
verdunkelten Raum gezeigt um das Gesicht nicht erkennen zu können, die
Stimmen der interviewten Personen wurden verzerrt. Diese homosexuellen
Männer teilten die Meinung der Psychologen, dass Homosexualität eine
Krankheit ist (vgl. http://www.imdb.com/title/tt1205625/ (Stand:
15.06.2008)). Diese Repräsentation von Homosexualität war ein Teil der
damaligen amerikanischen Gesellschaft. Für den/die heutige/n
Rezipienten/In mag diese Dokumentation fremd wirken, sogar überzeichnet
komisch, es darf jedoch der politische und gesellschaftliche Hintergrund zu
dieser Zeit nicht außer Betracht gelassen werden. Alwood ist der Meinung,
dass

„whenever broadcast and print media broached the topic, they


relied exclusively on so-called experts from law enforcement,
psychiatry, religion, and public health who could deflect
criticism of broadcast by describing homosexuality in the
dreariest terms.“ (Alwood, 2007, S. 28)

Homosexualität galt noch immer als Krankheit und wurde durch gezielte
Gesetze sogar einem Verbrechen gleichgesetzt. Das Bild des
Homosexuellen entsprach einem trostlosen, depressiven Menschen, der
hauptsächlich damit beschäftigt war, seine Sexualität versteckt auszuleben.
Die Medien reproduzierten dieses Bild der Homosexualität als Verbrechen.
Positive Repräsentationen waren kaum vorhanden, weder in den
Printmedien, noch im Radio (vgl. Alwood, 2007, S. 28f.). Das Fernsehen
sollte nicht nur unterhalten sondern auch Informationen vermitteln. Politisch
gestärkt und organisiert, stellten sich viele Schwule die Frage warum sie
nicht repräsentiert bzw. als krank dargestellt wurden.
Homosexuellenverbände die ihre Interessen zusammen vertraten, erkannten
die Macht, die Medien innehatten und übten Druck auf den Medienapparat

35
aus. Die Forderung war die Sichtbarmachung von Homosexualität.9
Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender hatten genug von der
Stillhaltepolitik der Homophilenbewegung zu dieser Zeit und setzten sich
medial erstmalig sichtbar zur Wehr. Dieser Kampf um Akzeptanz gipfelte in
der polizeilichen Auseinandersetzung in New York gegen homosexuelle
Männer. Stonewall Inn, so nannte sich damals eine beliebte Bar mit
homosexuellem Publikum - gilt als Geburtstätte eines neues Gruppen- bzw.
Identitätsgefühls. Die schwulen, bisexuellen und transsexuellen Männer
hatten genug von den täglichen Schikanen durch die Polizei. Durch
gewalttätige Razzien durch die New Yorker Polizei und der Angst öffentlich
als homosexuell geoutet zu werden, steigerte sich der Missmut der schwulen
Besucher dieser Bar. Eine unangekündigte Razzia im Stonewall Inn, am 27.
Juni 1969 endete in brutalen Straßenschlachten zwischen Schwulen,
Bisexuellen, Transgender und der Polizei. Homosexuelle hatten sich
erstmals zusammengeschlossen und gewehrt. Razzien waren zu dieser Zeit
nichts Ungewöhnliches in Lokalen mit schwulen und lesbischen Besuchern.
Es gab auch Gesetze, die Besitzern von diesen Lokalen den Ausschank von
Alkoholika verbot. Dieser Vorfall und die tagelangen Demonstrationen
waren auch teil der Berichterstattung in den amerikanischen Medien. Jagose
(1996/2001) ist der Meinung, dass dieser Widerstand neu und unerwartet
war und „dramatisch den Bruch mit homophiler Politik veranschaulicht“
(Jagose 2001, S. 47). Die New York Times widmete diesem Vorfall zwar
einen kleinen Bericht, informiert wurde jedoch über die vier verletzten
Polizisten (vgl. Zimmermann 2000, S. 418). Davor praktizierten die
homophilen Gruppen Aufklärung und definierten als Ziel, die Anpassung an
die heterosexuelle Gesellschaft. Die Sehnsucht nach einer eigenen Identität,
die nicht mehr der Heterosexuellen angepasst ist, stärkte die Bildung von
Interessensgruppen. Dieses frisch erkämpfte Selbstwertgefühl führte zur
Gründung der ‚Gay Liberation Front’ im Sommer 1969 (ebenda, 2001, S.
47ff.). Es wurde offensiv demonstriert, die Forderung nach Sichtbarkeit in

9
Diese Sichtbarkeit galt anfänglich nur für männliche Homosexualität.

36
den Medien lautstark auf den Strassen gefordert. Diese Aufmerksamkeit war
zunächst im Radio, in den Printmedien und später auch in
Nachrichtenfernsehsendungen sichtbar. Die erste schwule Figur in einer
fiktionalen Fernsehsendung fand 1972 ihren Weg in das amerikanische
Fernsehen. Im Film ‚That certain summer’ wird die Geschichte eines
homosexuellen Vaters erzählt, der mit seinem Freund in San Francisco lebt.
Als sein vierzehnjähriger Sohn, der zu Besuch in der Stadt ist, herausfindet,
dass sein Vater schwul ist, schämt der sich für ihn. Dieser Konflikt
zwischen Vater und Sohn und die Beziehung des Vaters mit einem Mann,
waren die ersten fiktionalen Repräsentationen von Homosexualität. Für die
damaligen Verhältnisse zeigte dieser Film einen mehrdimensionalen
homosexuellen Vater, der mit sich und seinem Umfeld zu kämpfen hat.
Jedoch finden sich wieder literarische Elemente des traurigen Schwulen, der
lieber heterosexuell wäre im Film, da der heterosexuelle Lebensstil
vermeintlich unkomplizierter scheint. Speziell diese traurige und zerrissene
Darstellung des Vaters wurde oftmals kritisiert. Körperliche Nähe oder
Zärtlichkeit wurden jedoch nicht gezeigt, um das Zielpublikum nicht zu
verstören. Hierbei handelt es sich um eine gängige Stereotypisierung von
Homosexualität zu dieser Zeit. Aufmerksamkeit und Anerkennung von
Seiten der Medien waren renommierte Filmpreise wie der Golden Globe
oder der Emmy Award (vgl. http://www.imdb.com/title/tt0069368/awards
(Stand: 19.06.2008).

Larry Gross betont die systematische und politische Organisation der Gay
Bewegung und nennt diese Arbeit auch als Grund für den erhöhten Druck
auf die Medien über ihre Belange zu berichten, ihre Lebensformen im
Fernsehen zu repräsentieren. Er vertritt die Meinung, dass Homosexuelle,
Bisexuelle und Transgender, die in den und für die Medien gearbeitet haben,
diese Forderung zum Teil vorangetrieben haben (vgl. Gross, 2001, XV).
Auch dazu beigetragen haben neu gegründete schwullesbische Medien die
durch ihre Publikationen eine größere Gruppe von Menschen erreichte und
aufzeigte, wie wichtig es ist, politisch aktiv zu sein und um seine Rechte zu

37
kämpfen (vgl. Gross, 2001, XV). Auch wenn in den letzten Jahren immer
mehr schwullesbische Charaktere im amerikanischen Fernsehen
vorkommen, eine vorurteilsfreie und gleichwertige Repräsentation ist auch
heute noch nicht hergestellt. Gross (2001) ist der Meinung, dass

„American popculture remains an active battlefield for the


forseeable future. Conservatives attempt to push us [die
Homosexuellen, Anm. des Verfassers] back to a largely mythical
past of „traditional values“ (Gross, 2001, XVi)

Die Proteste der Schwulenbegewungen zeigten ihre Wirkung. Mitte und


Ende der siebziger Jahre fand man mehr und mehr Schwule und Lesben im
amerikanischen Fernsehen. Die Bandbreite reichte vom stereotypen,
tuntigen Schwulen, über Charaktere, die einen Gastauftritt in einer Episode
hatten, bis zu einer der ersten Reality Dokumentationen im amerikanischen
Fernsehen. ‚An American Family’ gilt als Geburtsprojekt des Reality
Formats. Echte Menschen leben und erzählen aus ihrem Leben vor
Kameras. Dieses Projekt wurde 1973 vom Networksender PBS ausgestrahlt.
Inhalt dieser Dokumentation war eine typische amerikanische
Mittelklassefamilie. Jedoch widersprach die Repräsentation dieser Familie
der klassischen Repräsentation von der idealisierten, perfekten, glücklichen
Familie. Streit, Krankheit und auch die Homosexualität des Sohnes wurden
ausführlich diskutiert (vgl. http://www.imdb.com/title/tt0211195/ (Stand:
24.06.2008)). Möglich war diese Form von Fernsehen durch die liberaleren
Gesetze der Senderkette PBS. Anders als die vier erfolgreichen Networks,
die landesweit empfangbar sind, ist PBS ein Zusammenschluss von kleinen
regionalen Sendern. Finanziert wird der Sender nicht von der Politik oder
durch Werbeeinnahmen, er finanziert sich ausschließlich aus Spenden von
Zuschauern und Interessensgruppen (vgl. http://www.pbs.org/aboutpbs/
(Stand: 24.06.2008)). Dadurch kann auch schwer politischer Druck auf die
Sendeverantwortlichen ausgeübt werden, durch konservative Politiker oder
kirchliche Gruppen.

38
Immer mehr Serien führten Charaktere ein, die entweder schwul, lesbisch
oder bisexuell waren. Ein zweites Beispiel für diese Zeit ist die damals
erfolgreiche Sitcom ‚Taxi’ die nacheinander auf zwei Networks (ABC und
NBC) von 1978 bis 1983 ausgestrahlt wurde. Der Hauptcast der Serie ist
eine Gruppe Taxifahrer, die versuchen ihr Leben zu meistern.
Hauptdarsteller Alex Rieger lernt in einer Episode einen bisexuellen Mann
kennen und fühlt sich durch seine Anwesenheit unwohl. Eine Situation, wie
die in der Serie, als sie sich auf ein Getränk in einer Bar treffen, gewinnt an
komödiantischen Reiz durch die Tatsache, dass es sich um eine
Schwulenbar handelt und er bemerkt, dass sein Bekannter bisexuell ist (vgl.
http://www.imdb.com/title/tt0077089/ (Stand: 24.06.2008)). Überraschend
ist, dass nicht die Homosexualität in diesem Beispiel Platz für Komik bietet,
sondern die ängstliche Auseinandersetzung des heterosexuellen
Hauptcharakters. Diese Form von Repräsentation zieht sich noch weit in die
neunziger Jahre. Die Normalität der Heterowelt wird gestört durch eine
schwule, lesbische oder bisexuelle Figur. Die Herstellung der vorherigen
Normalität ist dann Inhalt dieser Folge. Und wenn die Person, die das
Problem entstehen ließ wieder weg ist, löst sich auch das Problem wieder.
Diese Form von Darstellung homosexueller Personen wurde auch damals
schon kritisiert. Die einzelne, queere Person kann keine schwule Identität
entwickeln und dadurch Sympathien beim Publikum entstehen lassen. Die
Figuren sind nur für das heterosexuelle Zielpublikum konstruiert worden,
oftmals als Objekt das konsumiert werden kann. Während heterosexuelle
Figuren sich entfalten und weiterentwickeln können, war es den queeren
Figuren verwehrt, mehrere Facetten ihrer Persönlichkeit zu zeigen (vgl.
Cohen/Dyer, 1980, S. 180f.). Die allmähliche Sichtbarkeit von
Homosexualität im Fernsehen kann durchaus als Erfolg der Gay Liberation
Bewegung gesehen werden. Christliche Kirchen, konservative politische
Gruppen usw. starteten jedoch Ende der siebziger Jahre Kampagnen gegen
die Stärkung der Rechte für Schwule, Lesben und Transgender. Auch
einzelne Personen wurden herangezogen um gegen die Enttabuisierung von

39
Sexualität zu kämpfen. Während in Dramaserien und Sitcoms vereinzelt
Schwule, Lesben und Transgender thematisiert und sichtbar wurden,
veränderte sich die Art der Repräsentation von Schwulen und Lesben in den
Nachrichtenformaten. Die großen Networks (ABC, NBC, CBS) berichteten
vermehrt von ‚Gay Power’ und ihren Auswirkungen. Der schwule
Lebensstil wurde als promiskuitiv und pervers dargestellt. Meldungen von
Strichermördern oder manipulierende Dokumentationen über die schwule
Community gehörten Ende der siebziger Jahre zum Alltag. Die Gay
Liberation Bewegungen wurden als radikale Gruppen repräsentiert, die nur
die eignen Interessen sahen und die restliche amerikanische Gesellschaft
auszublenden versuchten. Der Kampf um Gleichstellung und der Kampf um
Menschenrechte und die Wahrnehmung der Probleme durch die Politik
wurden in ein negatives Licht gerückt. Die negative Auseinandersetzung der
schwulen und lesbischen Interessen stärkte auch konservative politische
Gruppen, sich zu engagieren und die Interessen der ‚Anderen’ zu
bekämpfen. ‚CBS Reports: Gay power, gay politics’, gesendet im April
1980, ist ein Beispiel für diese negative Repräsentation. Demonstrationen
vor dem Weißen Haus von politischen Gay-Gruppen aus San Franscisco
waren Thema dieser Dokumentation. Gezeigt wurde die demonstrierende
Meute, die für ‚Gay-Power’ kämpften und Forderungen stellte, wie
gesetzliche Gleichstellung, Sichtbarkeit von Homosexualität und Adoption
von Kindern. Um dem Publikum zu zeigen, woher diese Gruppe ist, wurden
Szenen aus der Gay Community aus San Franscisco in die Dokumentation
integriert. Sadomasoclubs, Glory Holes und kämpfende radikale Aktivisten
wurden als gängiges Bild von Homosexuellen montiert. Die Forderungen
der Schwulen und Lesben wurden zum Schluss dieser dreiviertelstündigen
Sendung als Beispiel gezeigt, wohin die sexuelle Befreiung sich
hinbewegen könnte und zwar in jede Stadt und in jeden Vorort von Amerika
(vgl. http://www.imdb.com/title/tt1205625/ (Stand: 24.06.2008)).

Die Angst der Menschen, die sich mit Homosexualität noch nicht
auseinandergesetzt haben wurde geschürt. Diese Medienberichterstattung

40
brachte konservativen Gegnern Unterstützung bei ihren Vorhaben. Einzelne
Personen wurden Aushängeschild von Protestkampagnen gegen die ‚Gay
Power’. Anita Bryant, eine damals erfolgreiche Sängerin und Werbeikone
für Orangensaft aus Florida stellte sich für eine solche ‚Antigaykampagne’
zur Verfügung. Der Grund für diese Kampagne war ein Erlass des
südlichsten Verwaltungsgebiets von Florida, welches Diskriminierung
aufgrund von sexueller Orientierung verbot. Bryant machte öffentlich
keinen Hehl daraus, dass Schwule und Lesben nicht die gleichen Rechte
haben sollten wie Heterosexuelle und forderte lautstark ‚Save our children’
(vgl. Zimmermann 2000, S. 418). Fernsehberichte, Protestmärsche und
Interviews wurden publiziert. In der Maiausgabe 1978, des amerikanischen
Playboys erzählt Bryant beispielsweise von bekehrten Homosexuellen,
davon wie ekelhaft sie es findet, dass Schwule Sperma essen und beklagt
sich über die militante Art, wie schwule Interessensgruppen gegen sie
wittern (vgl. Praunheim von 1979, S. 287ff.). Dem kirchlich motivierten
Druck wurde nachgegeben und die Gleichsetzung wieder rückgängig
gemacht. Außerdem erreichte die ‚Save our children’ Kampagne ein Verbot
von Adoptionen durch Schwule, Lesben oder Transgender in diesem
besagten Verwaltungsgebiet in Florida (vgl. u.a.
http://www.advocate.com/news_detail_ektid06137.asp (Stand:
25.06.2008)). Der Einfallsreichtum und die Boykottaufrufe von
Homosexuellenverbänden gegen Bryant und den Produkten die sie bewarb
schadeten ihr jedoch und Werbeverträge wurden nicht erneuert. Bryant ist
heute noch allgegenwärtig in der schwulen Popkultur. Dokumentationen
über die Geschehnisse rund um die ‚save our children’ Kampagnen, Drag
Queens, die sich als Bryant verkleiden und Queer Filmfestivals, die die
Orange als Logo haben, zeugen von ihrem damaligen Einfluss. Auch in
‚Will & Grace’ findet man einen subversiven Seitenhieb auf Bryant. In einer
Episode von Staffel sieben erzählt Karen von der Abfuhr die sie Anita
Bryant ausgesprochen hat. „First Anita Bryant, now this guy. Well, I said
the same thing to him I said to Anita: "Squeeze your own oranges!"“ WaG
E7.16 00:32 – 00:04).

41
Die Repräsentation von Homosexualität in den Medien, speziell im
Fernsehen veränderte sich stark in den sechziger und siebziger Jahren. In
den Sechzigern noch unsichtbar, veränderten die politische Organisation
und der Druck der Homobefreiungsgruppen die Repräsentation von
Homosexualität. Die Berichterstattung über das schwule ‚Milieu’,
Strichermorden und Zeitungsberichte über Razzien spiegelten das Bild,
welches die amerikanische Gesellschaft von Homosexuellen hatten in den
Medien wieder. Ende der siebziger Jahre, nachdem sich die Medien
vereinzelt mit der Thematik auseinandersetzten, waren die homosexuellen
Kämpfer, die für ihre Rechte und nur für ihre Rechte kämpften. Stereotype
Darstellungen von Transvestiten, jungen Männern die sich schämen bei
einer schwulen Razzia erwischt worden zu sein und extrem männliche
Lesben auf Motorrädern (‚dykes on bikes’) waren fortan medial präsent. Um
diesen Stereotypisierungen etwas entgegenzusetzen gründeten einzelne
Personen Zeitschriften mit schwulen Inhalten. Da Homosexuelle entweder
nicht sichtbar waren oder stereotyp repräsentiert wurden, versuchten einige
Aktivisten, neue Wege zu finden, um ihre Sicht der Dinge verbreiten zu
können. Einige dieser Zeitschriften gibt es auch heute noch, z.B. ‚The
Advocate’. Seit 1969 regelmäßig veröffentlicht, ist es die älteste noch
existierende Informationsquelle der amerikanischen, queeren Community
(vgl. http://www.advocate.com (Stand: 21.07.2008)).

Im folgenden Kapitel wird die Repräsentation von Homosexuellen in den


achtziger Jahren beschrieben, speziell der Einfluss der Immunerkrankung
AIDS, und die daraus resultierende Verteufelung der Homosexuellen. Wie
wurde die Epidemie dieser Krankheit medial aufbereitet und wie wurde
AIDS in Serien und Filmen repräsentiert?

42
3.2 Die 80iger Jahre – AIDS und HIV als Schwuler
Krebs
Die achtziger Jahre sind aus schwuler Sicht ein bewegendes und tragisches
Jahrzehnt. Die vormals gelebte und praktizierte sexuelle Befreiung wurde
erschüttert durch eine Immunschwächekrankheit – ‚Acquired Immune
Deficiency Syndrome’, kurz AIDS. Vermehrt starben homosexuelle Männer
an einer bis dahin unbekannten Immunschwächekrankheit. Erste Fälle von
AIDS traten schon Jahrzehnte davor im afrikanischen Kongo und in
Norwegen auf. 1981 starben erstmals schwule Männer in Amerika an
Lungenentzündung bedingt durch den HIV Virus. Die Wissenschaft stand
vor einem Rätsel und es dauerte noch einige Zeit, bis es einen Namen für
dieses Krankheitsbild gab. Während 1981 zweihundertfünfundzwanzig
offizielle Todesfälle bedingt durch die Krankheit registriert waren,
steigerten sich die Todesfälle bis 1987 auf vierzigtausend Menschen. Als
Risikogruppen wurden Homosexuelle, später auch heterosexuelle
Drogenabhängige (Infektion durch Nadeln) und Empfänger von
Blutspenden genannt (vgl. Engel, 2002, S. 390f.). Diese Krankheit hat sich
zu einer Epidemie entwickelt, die zuerst nur als schwuler ‚Krebs’
verharmlost wurde. Wie haben Nachrichtensendungen und
Informationsmagazine im Fernsehen auf die Krankheit reagiert? Wie wurde
im fiktionalen Bereich mit dem Thema HIV und AIDS umgegangen und
wie wurden Homosexuelle mit dieser Krankheit repräsentiert? Welchen
Einfluss hatten die Medien bei der Verbreitung von wissenschaftlichen
Ergebnissen und welchen Stellenwert hatte die Politik bezüglich der AIDS
Krise?

Während im Fernsehen immer mehr schwule und lesbische Charaktere


eingeführt wurden, meist zur Belustigung des heterosexuellen Publikums,
führte die Krankheit AIDS dazu, dass Fernsehmedien vor einem Problem
standen. Die großen Fernsehsender hatten und haben einen kommerziellen
Hintergrund und müssen wirtschaftlich handeln um konkurrenzfähig zu

43
sein. Es werden daraus resultierend Themen behandelt, die ein möglichst
großes Publikum erreichen. Eines dieser Themen war eine
Geschlechtskrankheit die vorwiegend bei Heterosexuellen auftrat. Ende der
siebziger Jahre überschwemmte eine Genitalherpesepidemie Amerika.
Fernsehen und Printmedien fanden relativ schnell ‚den Grund’ für diese
rasche Verbreitung. Die sexuelle Revolution sei Schuld an dieser
Geschlechtskrankheit. Die Revolution, die durch sexuelle Freizügigkeit und
Promiskuität charakterisiert wurde, bot Nährboden für religiös motivierte
Journalisten und Politiker. Die Aufregung um die Genitalherpesepidemie
wurde jedoch in den Schatten gestellt durch die mysteriöse
Immunschwächekrankheit, die erstmals 1981 in einem medizinischen
Artikel beschrieben wurde. Autor dieses Artikels war Lawrence Mass, ein
anerkannter Physiker. Beunruhigt von seinen Forschungsergebnissen,
informierte er die staatliche Gesundheitskontrolle in Atlanta. Jedoch wurden
seine Ergebnisse als unbegründet abgeschwächt. Die schwule Zeitung ‚New
York Native’ druckte dann einen Bericht über diese Krankheit im Mai 1981
(vgl. http://www.nytimes.com/1981/07/03/health/03AIDS.html (Stand:
07.08.2008)). Die großen Printmedien, die in Amerika als Meinungsmacher
stehen, haben sich dieser Krankheit zu diesem Zeitpunkt nicht
angenommen, da sie zu speziell war und der Glaube bestand, dass die
Zielgruppe sich nicht für dieses Thema interessieren würde. Erste Berichte
über AIDS fand man im Juli 1981 in den großen Tageszeitungen und
Wochenzeitschriften. Die New York Times berichtete beispielsweise auf
Seite zwanzig kurz über die mysteriöse Krankheit, der einundvierzig
homosexuelle Männer erlegen waren. Zu dieser Zeit wurde die Krankheit
noch GRID genannt (‚Gay related Immune Deficiency’), da sich nur
homosexuelle Männer damit infiziert hatten. Das Interesse der Medien an
der Berichterstattung über das Thema AIDS war nur gering, da es sich um
ein Minderheitenproblem handelte. Mass publizierte jedoch weiter
unermüdlich Berichte über die Krankheit und betonte wie wichtig
Aufklärung und Forschung wären (vgl. Gross, 2001, S. 94f.). Da Sexualität
im Allgemeinen ein Tabuthema im amerikanischen Fernsehen darstellt, war

44
es schwierig, Aufklärung und Prävention zu betreiben. Wörter, wie
‚Analverkehr’, ‚Penetration’ oder ‚Sperma’ durften aus Angst vor
Sanktionen seitens des Medienapparats oder der Politik nicht gesagt werden.
Fernsehwerbung, für Kondome wurde erst ab 1990 vereinzelt gesendet,
meist bei Kabelsendern oder Sendern mit liberalerem Hintergrund. Einzelne
Personen, die von dieser Krankheit betroffen waren oder Bekannte und
Verwandte hatten, die dieser Krankheit erlegen waren, organisierten sich
vermehrt. Allen voran Lawrence Mass, der Autor des ersten Berichts über
die Krankheit und Larry Kramer, ein erfolgreicher Theaterautor und
Aktivist seit den Siebzigern. Sie forderten die Medien auf, Aufklärung und
Prävention zu betreiben. Sie gründeten zusammen mit prominenten
Bekannten, die ‚Gay Men´s Health Crisis’. Ihre Kritik galt der Ignoranz der
Medienapparate gegenüber einer Minderheit und ihren Problemen. (vgl.
ebenda, 2001, S. 96.) Im Juni 1982 fand die Krankheit den Weg in die
Fernsehberichterstattung. NBC berichtete landesweit von der
Schwulenseuche, die mittlerweile nicht mehr nur homosexuelle Männer
betraf. Die weiteren Risikogruppen waren laut dem Bericht Drogensüchtige
und Haitianer. Während zu Beginn der AIDS-Problematik nur von
homosexuellen Krankheitsträgern berichtet wurde, so begann die Krankheit
auch ‚Unschuldige’ zu erwischen. Personen, die durch Blutspenden infiziert
wurden, waren fortan Inhalt von unregelmäßigen Nachrichtenbeiträgen. Das
Interesse an der Informierung der Bevölkerung war zu dieser Zeit jedoch
kein Grundmotiv. Da es sich um eine Randgruppenproblematik handelte,
wurde nur sehr wenig davon berichtet (vgl. Gross, 2001, S. 97).
Homosexualität wurde als promiskuitive Identität dargestellt und
repräsentiert. Christliche Gruppen und die neuen Rechten zu dieser Zeit
nutzten diese Tragödie, um ihre Interessen durchzusetzen. Homosexuelle
wurden als ‚Risikogruppe’ verteufelt und jeder, der sich auf ihre Seite
stellte, wurde sanktioniert. Gross (2001) berichtet von Journalisten, die sich
der Brisanz von AIDS bewusst waren und darüber berichten wollten. Diese
Journalisten mussten sich Anfeindungen gefallen lassen, da die Frage
aufkam: Warum interessiert den/die Journalisten/in diese

45
Minderheitenkrankheit? Hat diese Person auch AIDS oder ist diese Person
schwul oder lesbisch (vgl. Gross, 2001, S. 101)? Erst als nicht mehr nur
Risikogruppen mit der Krankheit infiziert wurden, fand die Thematik
größeres Interesse in den Medien, jedoch war die Schuldfrage wichtiger als
die Personen die hinter den Berichterstattungen standen. Vereinzelt wurde
von Blutspendeempfängern, Kindern und Gesundheitspersonal berichtet, die
sich mit AIDS angesteckt hatten.

Der eigentliche Wendepunkt im Interesse an der Krankheit passierte im Juli


1985. Rock Hudson, ein erfolgreicher amerikanischer Schauspieler gab
öffentlich durch seine Pressesprecher bekannt, dass er den HIV Virus in sich
trägt und bereits an AIDS erkrankt war. Am 2. Oktober des gleichen Jahres
erlag er der Krankheit in Kalifornien. Sämtliche Tageszeitungen und
Wochenblätter widmeten dieser prominenten Person das Titelblatt. „NOW
NO ONE IS SAFE FROM AIDS“ titelt beispielsweise das Life Magazine
(vgl. Gross, 2001, S. 99). Plötzlich war AIDS ein Thema, das die gesamte
Bevölkerung betraf. Durch Rock Hudson und seiner Prominenz wurde die
Thematik für sämtliche Medien (Fernsehen, Kino, Print) interessant. Da die
Person einer breiten Masse bekannt war, stieg auch, bedingt durch die
Krankheit das Interesse an seinem Tod durch die Krankheit. Die
Stereotypisierung von Homosexuellen in den späten Siebzigern und frühen
Achtzigern formte ein Bild, das sich in den Medien immer wieder
reproduzierte. Dadurch war die Berichterstattung über diese Krankheit
immer sehr zurückhaltend. Der Tod des beliebten Schauspielers änderte
leicht den Zugang zu dieser Krankheit. Obwohl Rock Hudson zu dieser Zeit
als homosexuell geoutet wurde, verknüpfte die amerikanische Gesellschaft
ihn mit seinen Filmen und seinen Frauen, mit denen er sich umgab (Doris
Day oder Elisabeth Taylor, die sich heute noch für die AIDS-Bekämpfung
einsetzt und Spenden sammelt). Homosexualität als Identitätsmerkmal,
stand im totalen Widerspruch zu Rock Hudsons Image. Dyer (2002)
begründet die Erschütterung der amerikanischen Gesellschaft durch den Tod
Hudsons damit, dass die Vorurteile über Homosexuelle mit dem Image

46
Hudsons nicht übereinstimmten. Das öffentliche Bild des Schauspielers
passte plötzlich nicht mehr zu den Zuschreibungen, die Homosexuelle als
solche identifizierbar machten.

„The reason it had been possible to figure that Rock was ´a


homosexual’ were revealed by a predictable vocabulary. Rock
could not be gay because, on the one hand, he was ‚virile’,
‚muscular’, ‚square jawed’, ‚masculine’, and, on the other, he
was ‚nice’, ‚good’, ‚likeable. The linking term in all this is ‚clean
cut’, that is uniquely US men´s style of antiseptic machismo“
(Dyer, 2002, S. 159).

Medienwirksame Erkrankungen von Prominenten, wie Magic Johnson


(Basketballspieler) oder Arthur Ashe (afroamerikanischer Tennisspieler)
und dramatische Geschichten über heterosexuelle Opfer, die durch
Transfusionen oder ungeschützten Geschlechtsverkehr infiziert wurden,
gehörten zum medialen Alltag. Für die homosexuelle Bevölkerung
bedeutete dies, dass sie zwar als Verbreiter einer Seuche medial sichtbar
waren, andere Belange dadurch aber völlig ausgeblendet und in den
Hintergrund gedrängt wurden. Durch die AIDS-Krise wurde der
homosexuelle Mann zwar repräsentiert, jedoch meist nur in Kombination
mit der Krankheit und ihren Auswirkungen. Lesben und Bisexuelle waren
plötzlich nicht mehr sichtbar im amerikanischen Fernsehen (vgl. Gross,
2001, S. 103). Während dieser Zeit dominierten zwei Arten von
homosexuellen Repräsentationen. Der ‚Bösewicht’ und das ‚Opfer’.
Gemeint ist damit die relativ einfache Art von Stereotypisierung in
Fernsehnachrichten, Serien oder Fernsehfilmen (vgl. Gross, 2001, S 143).
AIDS und Homosexualität wurden durchwegs verknüpft dargestellt. Viele
Nachrichtenberichte hatten Schließungen von schwulen Treffpunkten zum
Inhalt. Homosexualität wurde als promiskuitiver Lebensstil repräsentiert
deren einziges Interesse darin lag sexuelle Befriedigung zu erleben und
dadurch entstand ein Bild von Homosexuellen, für die der Rest der

47
Gesellschaft kein Mitleid hatte. Wichtig dabei ist, dass nicht einzelne
Personen mit den Geschichten verknüpft wurden, sondern immer von ‚den
Homosexuellen’ die Rede war. Ende der achtziger Jahre änderte sich diese
Art von Repräsentation. Kinder, die durch Bluttransfusionen infiziert
wurden oder Frauen die durch Vergewaltigungen mit der Krankheit in
Berührung kamen, wurden medial sichtbar und sie gaben der Krankheit ein
Gesicht. In Fernsehfilmen und Serien wurde die AIDS Thematik ab 1985
aufgearbeitet. Die Thematiken, AIDS, Familie und Sexualität, die von der
Heterosexualität abweicht wurden fiktional verknüpft. Auffällig dabei ist,
dass die Homosexualität in den meisten Beispielen als eine ‚Krise für die
Familie’ repräsentiert wurde. 1985 strahlte NBC den Fernsehfilm ‚An early
frost’ aus. Darin wird die Geschichte eines mittelständischen weißen Jungen
erzählt, der sich mit der Krankheit AIDS infiziert und erfährt, dass er bald
sterben muss. Die Familie ist zuerst erschüttert über das Outing und die
Krankheit, pflegt ihn aber und ‚vergibt’ ihm vor seinem Tod (vgl.
http://german.imdb.com/title/tt0089069 (Stand: 27.07. 2008)).
Problematisch an der Repräsentation war, dass nicht der Homosexuelle
Inhalt war, sondern der Umgang des heterosexuellen Umfelds mit dem
Outing oder der Erkrankung. Der schwule weiße Mann, der sich von der
Community trennt um im Kreise seiner heterosexuellen Familie zu sterben,
war zu dieser Zeit ein gängiges Klischee, welches immer wieder in Serien
oder Fernsehfilmen aufgegriffen wurde. Gross (2001) kritisiert, dass
schwule oder lesbische Communities zu dieser Zeit nicht mehr sichtbar
waren (vgl. Gross, 2001, S. 145f.). Weder in fiktionalen Programmen noch
in Nachrichtenbeiträgen. Die zweite gängige Form von homosexueller
Repräsentation war der ‚Verbrecher’, der Einzelgänger, der AIDS
wissentlich verbreitet. Ein Beispiel für diese Art von Repräsentation ist die
Fernsehserie ‚Midnight Caller’ (ausgestrahlt 1988-1991 auf NBC). Darin
wird die Geschichte eines Expolizisten/Radiomoderators erzählt, dessen
Exfrau an AIDS erkrankt. Infiziert hat sich die Frau durch einen bisexuellen
Liebhaber. Der Hauptakteur glaubt, dass dieser bisexuelle Mann wissentlich
Andere ansteckt und versucht ihn zu überführen (vgl.

48
http://www.imdb.com/title/tt0094510 (Stand: 28.07.2008)). All diese
Repräsentationen von Homosexualität und AIDS hatten paradoxerweise
etwas Gutes: Homosexualität war nicht mehr unsichtbar. Nicht sichtbar in
den Medien war jedoch der politische und gesellschaftliche Kampf der
queeren Community im Kampf gegen AIDS. Wenn die Thematik des
schwulen, weißen Mittelstandsjungen aufgegriffen wurde, war nur die
Familie sichtbar. Nicht sichtbar war die Community aus der der einzelne
Homosexuelle zurückkehrt.

„What´s wrong is that it not only leaves out all of the important
– and dramtaic – achievements of the gay community […] but
that is falsely suggests that gay people with AIDS are alone and
abandoned, unless and until they are taken back in to the bosom
of their family“ (Gross, 2001, S. 146).

Schwullesbische Gruppen standen vor zwei Problemen. Wie kann AIDS


bekämpft, Geld für Forschung aufgetrieben und Aufklärung betrieben
werden? Und zum anderen, wie wird die queere Community repräsentiert
oder eben nicht? Eine wichtige Gruppierung, die sich für die positive,
vielfältige Repräsentation von Homo-, Bisexualität und Lesben in den
Medien einsetzt war bzw. ist ‚GLAAD’ (Gay Alliance Against Defamation).
Gegründet unter anderem von Vito Russo10, 1985 in New York, als kritische
Informationsquelle nicht nur für die queere Community, sondern auch für
sämtliche Medien. Als Grundsatz für die Gründung galt:

„improving fairness, accuracy and inclusiveness in news


coverage and media portrayals of all gay men and lesbians[…]
to improve public attitudes about homosexuality in an effort to
end violence and discrimination against lesbians and gay men
and overcome their social isolation“ (Gross, 2001, S. 106).

10
Autor des Buches „The celluloid closet – Homosexuality in the movies (ISBN-13: 978-
0060137045)

49
Gründungsauslöser war die negative und manipulative Berichterstattung der
New York Times. Die New York Times, eine der ältesten Tageszeitungen in
Nordamerika, beinhaltete zu dieser Zeit sehr kontroverse Artikel, die AIDS
als legitime Bestrafung für Schwulen Lebensstil ansahen (vgl. Larry Gross,
2001, S. 105). Dieser Berichterstattung wurden eigene Berichte,
Protestschreiben an die Verleger und Demonstrationen entgegengesetzt.
GLAAD konnte in den letzten zwanzig Jahren ein mediales Netzwerk
aufbauen, welches auf der einen Seite Informationen über die Belange der
Community verbreitet und auf der anderen Seite als Kontrollinstanz fungiert
(vgl. http://www.glaad.org/history (Stand: 30.08.2009)). Während in den
Anfangszeiten der Fokus auf Printmedien lag, expandierte die Allianz in den
späteren Jahren auch nach Los Angeles, die Stadt mit der größten Film- und
Fernsehindustrie in Amerika. Weitere Büros entstanden in San Francisco,
Miami und Atlanta. Erst als eigenständige Instanzen, wurden die Büros in
weiterer Folge immer stärker miteinander vernetzt um ein einheitliches
Auftreten zu erreichen. Durch Lobbying steigerte sich der Einfluss auf
Medienapparate. Jährlich publiziert beispielsweise GLAAD einen Guide,
der wichtige Begriffe und Definitionen beinhaltet, die helfen sollen
Menschen, die für und in den Medien arbeiten, passende, faire Worte zu
finden. Darin werden nicht nur Begriffe wie ‚gay’, ‚transgender person’
oder ‚queer’ verständlich erklärt, es werden auch Anleitungen geben, wie
Begriffe, die eine Stereotypisierung oder Abwertung beinhalten, vermieden
werden können. Weiters werden Tipps gegeben, wie über die Community
berichtet werden kann und welche Begriffe vermieden werden sollten. (vgl.
http://www.glaad.org/referenceguide (Stand: 30.08.2009)). Weiters werden
auch jährlich ‚GLAAD Awards’ in New York, Los Angeles, San Francisco
und Florida an Fernsehsendungen, Journalisten und Prominente verliehen,
die sich im positiven Sinn mit der Thematik auseinandersetzen und
vielfältige, ausgewogene Darstellungen von Homosexualität publizieren.
Auch die Darsteller und Produzenten von ’Will & Grace’ zählen zu den

50
Preisträgern.11 Doch nicht nur die Kontroll- und Aufklärungsfunktion bildet
einen wichtigen Eckpfeiler dieser Organisation, es werden auch politische
Gruppen unterstützt die sich für schwullesbische, gesellschaftliche Belange
(Militär, AIDS-Prävention, gleichgeschlechtliche Ehe) einsetzen. Der Druck
der von Interessensgruppen, wie GLAAD oder ACT UP, ausgeübt wurde,
änderte auch den Umgang mit Homosexualität in den Fernsehmedien.
Immer mehr schwule und lesbische Charaktere fanden ihren Weg ins
Amerikanische Fernsehen. Der größte Unterschied zur Repräsentation von
Heterosexualität lag aber an der Form wie Sexualität gezeigt werden durfte.
Während Geschlechtsverkehr, Küssen und andere Formen von körperlicher
Nähe bei heterosexuellen Pärchen gezeigt und angedeutet wurden, war dies
den schwullesbischen Figuren verwehrt geblieben. Wenn körperliche Nähe
gezeigt wurde, dann meist nur in einer komischen Situation zwischen einer
hetero- und einer homosexuellen Person.12 Gegen Homosexualität zu sein
oder sie medial auszuschließen, sind beides Formen von Homophobie
innerhalb der heteronormativen Ideologie, die von Gruppen wie GLAAD
bekämpft und kritisiert wurden/werden.

Eine Form von Gegenhegemonie bietet das ‚queer reading’. Damit gemeint,
ist die subversive Interpretation von heterosexuellen, freundschaftlichen
Beziehungen als homoerotische Verbindungen. Erfolgreiche Serien wie
‚Batman & Robin’ (1966-1968), ‚Cagney & Lacey’ (1982-1988) oder
‚Starsky & Hutch’ (1975-1979) sind Beispiele dafür wie heterosexuelle
Freundschaft schwullesbisch gelesen werden kann (vgl. Gross, 2001, S
153ff). Alle Serien beinhalten zwei gleichgeschlechtliche Partner, die
zusammen an einem Ziel arbeiten und füreinander alles geben würden. Der
Erfolg dieser Serien hängt unter anderem von der Offenheit ab, der
verschiedene Lesarten erlaubt. Für das heterosexuelle Publikum können die

11
In acht Jahren, in denen die Serie nominiert war, wurde der GLAAD Media Award
sieben Mal gewonnen. Auch die Seriendarsteller Eric McCormack und Megan Mullally
bekamen jeweils einen Preis für ihr Eintreten für Homosexuelle in den Medien.
12
Beispiele dafür sind ‚Roseanne’, ‚Friends’ oder ‚Taxi’.

51
oben genannten Partnerschaften als innige Freundschaften gelesen werden,
in der schwullesbischen Community jedoch als Liebespaare. All diese
Figuren haben gemein, dass sie außerhalb dieser Freund- oder beruflichen
Partnerschaft keine/n Partner/in haben, immer nur kurz liiert sind oder, dass
diese Beziehung keinen Stellenwert für die Geschichte hat. Die queere
Lesart kann als subversiver Widerstand gesehen werden, der gängige
Herrschaftsstrukturen untergräbt. Diese Form von Interpretation war neben
der spärlichen Repräsentation von schwulen oder lesbischen Figuren sehr
beliebt. Serien wie ‚Kate & Allie’ (1984-1989) zeigten alternative Formen
von Familie und Freundschaft, die nicht der klassischen Familie
entsprachen. Zwei Frauen die zusammen wohnen um ihre Kinder groß zu
ziehen und ihre Probleme gemeinsam lösen, standen im Widerspruch zur
klassischen ‚Mann-Frau’ Beziehung. In ‚Will & Grace’ gibt es oft queer
readings von realer Populärkultur. In Episode 5.14 helfen Will und Jack,
Karen’s Cousin, bei seinem Outing und der Eingliederung ins schwule
Leben und in die schwule Community. Als Karen die beiden darauf
anspricht und enttäuscht ist, dass sie sich so lange Zeit lassen, erklärt Will,
dass diese Eingliederung sehr schwer ist. „We just got started. This is a guy
who 24 hours ago thought that Batman and Robin just fought crime
together“ (WaG-E5.14 00:45 – 00:50).

52
3.3 Die 90er Jahre – Instrumentalisierung, Limitierung
und Quotensteigerung durch homosexuelle
Figuren
Während in den achtziger Jahren die schwullesbische Community
größtenteils ignoriert bei Repräsentationen von Homosexualität im
amerikanischen Fernsehen wurde, zeigte HBO Mut und strahlte den Film
„And the band played on“ 1993 aus. Inhalt dieses ‚made for TV Movies’ ist
die Entdeckung der Krankheit AIDS, die sich zu Beginn der achtziger Jahre
immer rascher unter homosexuellen Männern ausbreitete. Die Geschichte
erstreckt sich von der Entdeckung der Krankheit 1981 bis 1993 (vgl.
http://www.imdb.com/title/tt0106273/ (Stand: 14.08.08). Seuchenforscher
und Ärzte sind auf der Suche nach der Ursache für die vielen Erkrankungen
in der schwulen Community. Mit Hochdruck werden Faktoren gesucht, die
die rasche Verbreitung des Virus ermöglichte. Weiters wird in ‚And the
band played on’ der Konflikt und die unterschiedlichen Interessen von
Forschung und Politik dargestellt. Hauptsächlich setzt sich der Film mit der
Problematik auseinander, wie mit wenig Geld geforscht werden kann und
welchen Einfluss die Medikamentenlobby dabei hatte. Viele berühmte
Schauspieler verzichteten auf große Gagen um den Film realisieren zu
können. Anders als bei den üblichen Repräsentationen von AIDS wurde hier
ein großes Band zwischen Medizin, Politik und der schwulen Community
gezogen. Die Komplexität dieses Films war einzigartig und positiv. Es
wurde Verfehlungen der amerikanischen Politik und dem Gesundheitswesen
aufgezeigt. Die schwule Community war erstmals sichtbar, durch einzelne
Figuren und Gruppierungen. Es wurden auch Sequenzen von realen
Protestmärschen und Gedenkversammlungen in den Film eingearbeitet. All
diese Dinge, die vorher nicht im Fernsehen sichtbar waren, wurden gezeigt.
Menschen, in der queeren Community die sich für AIDS Prävention
einsetzen, Bekannte und Verwandte von Erkrankten, die auf die Strasse
friedlich protestierten.

53
Möglich war diese Art von Repräsentation durch den Sender HBO. HBO ist
einer der erfolgreichsten Pay-TV Sender in Amerika, der sich durch
Abonnements finanziert. Dadurch können Serien oder Filme produziert und
gesendet werden, die kontroverse Inhalte haben, explizite Sexualität oder
Minderheiten darstellen. HBO hat auch in späterer Zukunft gezeigt, dass
alternative Lebensformen positiv und mehrdimensional repräsentiert werden
können.13

3.3.1 Instrumentalisierung des/r Homosexuellen


‚And the band played on’ war zu dieser Zeit eine Ausnahme in der
Repräsentation von Homosexualität. Zu Beginn der Neunziger wurden
verstärkt schwule und lesbische Figuren in Sitcoms oder Dramaserien
eingeführt. Charakteristisch für diese Figuren war jedoch noch immer, dass
sie nicht regulär zu sehen waren, sondern nach einer Episode oder nachdem
sie als homosexuell erkennbar waren, aus der Serie ausschieden.
Erfolgreiche Serien, wie ‚Golden Girls’ oder ‚L.A. Law’ führten Figuren
ein, die durch narrative Elemente als schwule oder lesbische Figuren
erkennbar waren. Oftmals wurde dieselbe Geschichte erzählt. Eine
schwullesbische Person tritt in das Leben der bereits bekannten Figuren und
bringt durch ihre Anwesenheit ein Durcheinander in das Leben dieser
Personen. Erklärungsversuche und die Zusicherung von Akzeptanz sind
dann Inhalt einer Folge. Wenn diese Geschichte zu Ende erzählt wird,
verschwindet die schwullesbische Person wieder. In einer Episode der
Sitcom Golden Girls bekommt Dorothy Besuch von ihrer lesbischen
Freundin Jean. Sie hat den anderen Hausbewohnerinnen verheimlicht, dass
Jean lesbisch ist und seit vielen Jahren mit einer Frau zusammenlebte und
lässt die Anderen im Glauben, dass sie verheiratet war und ihr Mann
gestorben sei. Dadurch entstehen lustige Situationen, wo Gesagtes und

13
HBO ist auch Verantwortlich für Serien, wie: ‚Sex and the City’, ‚Die Sopranos’, ‚Six
feet under’ oder der erfolgreichen Adaptierung des Theaterstücks ‚Angels in America’ (vgl.
http://www.hbo.com (Stand: 01.09.08))

54
Gemeintes nicht das gleiche sind. Jean verliebt sich schließlich in Rose und
gesteht ihr ihre Zuneigung. Rose klärt Jean am nächsten Morgen auf, dass
sie nicht die gleichen Gefühle hat. Nach dieser Szene verschwindet Jean
wieder aus der Serie (vgl. http://www.tv.com/the-golden-girls/isnt-it-
romantic/episode/4508/summary.html (Stand: 20.08.08). Die Figur Jean
wurde also benutzt um zum Einen die Akzeptanz der bereits beliebten
Figuren hervorzuheben und zum Anderen, um die Heterosexualität der
Hauptfiguren zu reproduzieren. Die schwullesbische Person, die sich in eine
bereits bekannte Figur verliebt und abgewiesen wird, war zu dieser Zeit eine
beliebte Form um die heterosexuelle Figur sympathisch, tolerant und
besonders als heterosexuell darzustellen (vgl. Hantzis/Lehr, 1994, S. 109).
Pro Film oder Serie wurde Homosexualität jedoch nur durch eine (weiße)
einzelne Person thematisiert.14

3.3.2 Limitierung und Aberkennung von Begehren


Dadurch wurden Formen des gesellschaftlichen und privaten Lebens, wie
Romantik, Liebe, Partnerschaft oder Sexualität im Voraus terminiert.
Während Heterosexualität repräsentiert werden kann, durch Kussszenen
oder in zensierter Form in Sexszenen, so war schwullesbische Sexualität ein
totales Tabu. Homosexualität ist zwar sichtbar, jedoch entsteht eine
Doppelwertigkeit im Vergleich zu heterosexuellen, fiktiven Figuren. Die
Repräsentation von homosexuellen Figuren in den neunziger Jahren hat sich
im Vergleich zu denen in den siebziger und achtziger Jahren ins positivere
gewendet. Romantik und Sexualität wurden jedoch rigoros ausgeklammert.
Gross (2001) ist der Meinung, dass:

„Apparently, for program executives progress means


constructing images of lesbians and gays that are not

14
Andere kulturelle Identitätsmerkmale, wie Klasse oder ethnische Zugehörigkeit wurden
ignoriert.

55
threatening to heterosexuals by erasing any signs of lesbian and
gay sexuality (Gross, 2001, S. 87).

Grund für die Entschärfung und Limitierung der homosexuellen Personen


im amerikanischen Fernsehen ist für Hantzis und Lehr (1994) die
patriarchale Struktur, die ein ungleiches Machtverhältnis zwischen Mann
und Frau reproduziert. Teil dieses Machtverhältnisses ist die Aberkennung
weiblicher Lust. Dadurch kann Sexismus erst entstehen. Sexismus ist auch
eng mit Homophobie verbunden, die Homosexualität ablehnt und kulturelle
und gesetzliche Verbote und Sanktionen fordert.

„Heterosexism represents the belief that a particular complex of


culturallly defined sex and gender roles and responses is
natural, that other configurations are unnatural-deficient,
diseased, or delinquent-and, again, that these differences
represent a value dimension in which the ‚natrual’ is the better
alternative“ (Gross, 1988, S. 193).

Diese Art von Diskriminierung spiegelt sich auch in Medieninhalten wieder.

„Popular television endorses a patriarchal concept of


heterosexuality, grounded in a misogynistic denial of women´s
desire, which produces sexism and heterosexism simultaneously
(Hantzis/Lehr, 1994, s. 118).

Durch den Ausschluss von Sexualität, Nähe oder Liebe entsteht ein
eindimensionales Bild homosexueller Figuren. Sie dient lediglich dazu, die
Normalität, die für kurze Zeit gestört ist, durch Reproduktion zu festigen.
Das Fehlen von Lust und Begehren führt dazu, dass die homosexuelle Figur
sich zwar als schwullesbisch identifizieren kann, jedoch ist diese
Identifikation für den Zuschauer nicht ersichtlich. So kommt es auch nicht
zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Diese Form von Repräsentation ist

56
ein Instrument von patriarchalen Machtstrukturen (vgl. Hantzis/Lehr, 1994,
S. 113). Nicht verwunderlich ist diese Tatsache, wenn man/frau sich vor
Augen führt, dass noch immer mehr Männer als Frauen hinter den Kulissen
von Fernsehnetworks arbeiten und ihre Interessen innerhalb ihrer
Machtstellung vorantreiben. Ein weiteres Beispiel für die Limitierung von
Begehren und Lust bei schwullesbischen Figuren ist die damals sehr
erfolgreiche Anwaltsserie ‚L.A. Law’. 1991 kam es zum „ersten“ lesbischen
Kuss in der Geschichte des amerikanischen Network-Fernsehens. Zwei
Anwältinnen, die in einer gemeinsamen Kanzlei arbeiten, küssen sich nach
einem gemeinsamen Abendessen. Eigentlich heterosexuell, ist Abby
verwirrt und weiß nicht, wie sie mit der Situation fertig werden soll. C.J.
Parker, die zweite Frau, geht mit ihrer Bisexualität sehr entspannt um (vgl.
http://www.imdb.com/title/tt0624054 (Stand: 22.08.08)). Die Geschichte
zwischen den Beiden endet jedoch abrupt als nach Staffelende die Figur der
Abby aus der Serie verschwindet. Im weiteren Serienverlauf beginnt die
Figur C.J. Parker eine Affäre mit einem Mann. Grund dafür sieht Gross die
Boykottaufrufe rechtsgerichteter Geistlicher, die in Amerika als
Meinungsbilder durchaus großen Einfluss auf die Fernsehindustrie haben.
NBC, der Auftraggeber der Serie bekam Angst finanzielle Einbußen zu
erleiden und relativierte die lesbische Liebesgeschichte und zog die
Notbremse (vgl. Gross, 2001, S. 87ff). Der religiöse und politische Druck
zwang auch andere Serienerfinder und Drehbuchautoren/innen
schwullesbische Figuren zu kreieren, die das heterosexuelle Publikum nicht
erschrecken. Moritz (1994) charakterisiert die Repräsentation lesbischer
Figuren wie folgt:

„…they are shown to be feminie but not sexy, nerver daring […]
Close-ups of their faces often reveal an agonizing look, a
repeated suggestion that their sexuality has caused others
problems and for this they must take the blame and suffer the
consequences“ (Moritz, 1994, S. 141).

57
Serien wie ‚Melrose Place’, ‚Beverly Hills’ oder ‚Picket Fences’ sind auch
Beispiele für dieses Muster. Begehren und Lust waren bei schwullesbischen
Figuren nicht sichtbar. Vielmehr ging es um den inneren Konflikt der
Figuren, der ein stereotypes Bild reproduziert. Im Sinne der Cultural Studies
ist jeder Text (also auch eine Fernsehserie) polysem strukturiert. Das
bedeutet, dass Rezipienten/innen diesen Text individuell lesen können. Für
eine/n homosexuelle/n Rezipienten/in kann die Repräsentation als
realitätsnahe gelesen werden, jedoch gibt es auch die Möglichkeit, die
Figuren oppositionell zu lesen und eine Identifikation mit dieser Figur
abzulehnen. Für den Großteil der heterosexuellen Rezipienten/innen stellt
sich diese Frage nicht und dadurch reproduziert sich ihre Einstellung dazu.
Sinnhaftigkeit von positiven dreidimensionalen Repräsentationen von
schwullesbischen Figuren und die faire Berichterstattung in Nachrichten
sind demnach wichtig um einen öffentlichen Diskurs darüber anzuregen.
Neben schwullesbischen Gruppierungen wie ‚Act up’ oder ‚GLAAD’ haben
auch verschiedene Künstler versucht, diese Diskussion medienwirksam
anzuregen. Barbara Streisand und Glenn Close, sind Beispiele dafür, wie
öffentliche Diskussionen über schwullesbische Belange medial aufbereitet
und für das heterosexuelle Publikum umgesetzt werden können. In ihrem
1995 von NBC ausgestrahlten Fernsehfilm, ‚Serving in silence: the
Margarethe Cammermeyer Story’ thematisierten die beiden die wahre
Geschichte einer Armeebediensteten, die sich in einem Gespräch mit ihrem
Vorgesetzten als lesbisch outet (vgl. http://www.imdb.com/title/tt0114395
(Stand: 26.08.08)). Zwei Parallelgeschichten werden darin erzählt. Zum
einen der Kampf um ihren Arbeitsplatz und um Gerechtigkeit und zum
anderen die Liebesgeschichte zwischen ihr und ihrer lesbischen Liebe.
Sexualität und Nähe stehen auch in diesem Film nicht im Vordergrund,
vielmehr wird das Augenmerk auf ihre Sexualität als Identitätsmerkmal
geworfen. Nähe zwischen den beiden Frauen ist bis auf einen kurzen Kuss
am Ende des Films nicht sichtbar. Der/Die Rezipient/in muss in der eigenen
Fantasie die Liebesgeschichte erahnen und weiterspinnen. Durchaus brisant
war jedoch ihre unehrenhafte Entlassung (1992), weil sie auf die Frage, ob

58
sie homosexuell sei, mit ‚ja’ antwortete. Durch das ein Jahr später in Kraft
tretende ‚don´t ask, don’t tell’–Gesetz veränderte sich die Rechtslage und
sie wurde bis zu ihrer Pensionierung wieder in den Militärdienst berufen.
Dieser Film wurde als positive Repräsentation wahrgenommen und
beispielsweise mit Emmy Awards und einem ‚GLAAD Awards’
ausgezeichnet.

3.3.3 Homosexualität als kalkulierte Quotensteigerung

Roseanne Barr, eine der erfolgreichsten Sitcom-Darstellerinen und


Mitproduzentin ihrer Sitcom ‚Roseanne’ nutzte die Gunst der Stunde und
verlautbarte im Februar 1993, dass es einen lesbischen Kuss in ihrer Serie
geben werde. Die sinkenden Einschaltquoten, ihr Einsatz für die
schwullesbische Community und ihre Memoiren in Buchform führten zu
einer noch nie da gewesenen Medienhysterie. Zeitungen im ganzen Land
diskutierten das Vorhaben, dass Roseanne in einer Episode eine lesbische
Frau küssen wird. Der Fernsehsender ABC weigerte sich zuerst, die Episode
auszustrahlen, merkte jedoch, dass reges Interesse in der Gesellschaft
vorhanden ist. Die Episode wurde zu einem Fernsehevent hochstilisiert,
durch Promotiontrailer und einem noch nie da gewesenen Medienecho.
Schließlich saßen zweiunddreißig Millionen Menschen vor dem Fernseher
und schauten sich die Episode an. In der Episode lernt Roseanne die neue
Freundin ihrer Arbeitskollegin (gespielt von Sandra Bernhard) kennen und
stimmt zu, mit beiden in eine Bar mit lesbischem Publikum zu gehen. Dort
wird sie dann von Sharon (gespielt von Muriel Hemmingway) geküsst.
Nach dem Kuss wird Roseanne klar, dass sie doch nicht so offen eingestellt
ist, wie sie es gerne behauptet und hadert damit, dass ihr der Kuss durchaus
gefallen hat (vgl. http://www.imdb.com/title/tt0688775 (Stand: 23.08.08).

Während im amerikanischen Fernsehen gemordet und vergewaltigt werden


darf, so zeigte die Aufregung über die Episode, wie mit Repräsentation von

59
homosexueller Intimität umgegangen wurde. Vor dem Vorspann der Serie
wurde ein ‚parental advice’ eingeblendet, der die Zuschauer vor sexuellen
Inhalten warnt und eine Empfehlung abgibt, dass Kinder und Jugendliche
davor geschützt werden sollten (vgl. Gross, 2001. S. 90).15 Der eigentliche
Kuss, auf den das Publikum gewartet hatte, entpuppte sich als enttäuschend.
In der besagten Szene küsste Sharon Roseanne auf den Mund. Zu sehen ist
jedoch nur der Hinterkopf von Sharon und Roseannes Augen. Die verdreht
angeekelt ihre Augen um danach ihren Mund am Pullover abzuwischen. Der
Kuss, der eigentlich nicht sichtbar war, sollte homosexuelle
Zuschauer/innen dazu bewegen die Sendung anzusehen und zweitens sollte
das heterosexuelle Publikum nicht verschreckt werden. Während ein Kuss
zwischen zwei offensichtlich heterosexuellen Frauen oder Männern ohne
großem Medienecho gezeigt werden kann, so dauerte es zum Beispiel noch
bis 1997 bis tatsächlich der erste lesbische Kuss im amerikanischen
Network-Fernsehen gezeigt wurde (vgl.
http://www.imdb.com/title/tt0115332 (Stand: 23.08.08). In ‚Relatively’ wird
die Geschichte einer Gruppe von Erwachsenen erzählt, ihrem Liebesleben,
ihrer Sorgen und ihrer Familien. ABC strahlte eine Staffel dieser Serie aus,
die eine lesbische Liebesbeziehung zwischen zwei Frauen beinhaltete,
inklusive einem Kuss, der in Großaufnahme gezeigt wurde. Grund dafür
sieht Gross (1988) die Ignoranz großer Medienanstalten, Minderheiten oder
gewisse Gruppierungen für sich selbst sprechen zu lassen. Damit kritisiert er
die Engstirnigkeit und Vereinheitlichung der Berichterstattung des
amerikanischen Mediensystems, welches Perspektiven von Minderheiten
von vornherein ausschließt, mit der Rechtfertigung, dass das Publikum sich
nicht dafür interessiere (vgl. Gross, 1988, S. 191ff).

15
In Amerika werden zu Beginn jeder Sendung ein ‚parental advice’ eingeblendet, der vor
Inhalten warnt, die nicht von Kindern oder Jugendlichen gesehen werden soll.

60
3.3.4 Schwullesbische ethnische Vielfalt und ihre
Repräsentationen
Der Kampf um Sichtbarkeit wird von vielen kulturellen Gruppen gekämpft,
seien es religiöse, politische Gruppen oder Minderheiten bzw. unterdrückte
Gruppierungen. Medien sollten im besten Falle, ausgewogen und objektiv
über die Gesellschaft in der sie eingebettet sind informieren. Diese
Objektivität beinhaltet auch eine Sichtbarkeit aller Kulturen, die sich in
dieser Gesellschaft befinden. Amerika ist ein Land von Zuwanderern,
vorwiegend aus Europa, Asien und Lateinamerika. Machthierarchien sind
nicht nur in der Gesellschaft zu finden, sie sind auch in Massenmedien zu
finden. Medien repräsentieren oftmals Machthierarchien, so wie sie in der
Gesellschaft vorhanden sind. Stereotypisierungen finden speziell im
amerikanischen Fernsehen auch Platz und werden immer wieder
hervorgehoben. Sei es der/die Asiatin der/die, der von der Mafia unterdrückt
wird in seinem/ihrem Chinarestaurant, oder der/die Lateinamerikaner/in
der/die als Gärtner/in oder Hausmädchen arbeiten muss um überleben zu
können. Bis Mitte der Neunziger war die Repräsentation von kulturellen
Unterschieden immer auf ein Identitätsmerkmal reduziert. Man/Frau konnte
schwarz sein oder homosexuell, jedoch nicht beides gleich. Hierbei gab es
genrespezifische Unterschiede. Während Anfang der neunziger Jahre
schwullesbische, ethnische Vielfalt in täglichen Talkshows und Reality
Sendungen immer mehr sichtbar wurden, so waren die Repräsentationen in
fiktionalen Sendungen, aber auch in Nachrichtensendungen stets
eindimensional. Wenn von homosexuellen Themen berichtet wurde oder
schwullesbische Personen in fiktionalen Sendungen repräsentiert wurde,
handelte es sich stets um weiße Personen. Andersartigkeit wurde stets
eindimensional behandelt. In Fernsehserien oder Fernsehfilmen konnte
man/frau schwarz sein in einer Gruppe von Weißen, man/frau konnte
lesbisch, bisexuell oder schwul sein in einer Gruppe von Heterosexuellen,
beides gleichzeitig war nicht möglich. Diese Art von Repräsentation
schließt viele Menschen aus, die nach Identifikationsmöglichkeiten im
amerikanischen Fernsehen suchen.

61
Als positives Beispiel wird von vielen Medienwissenschaftlern die Reality
Sendung ‚Real World’ von MTV diskutiert. In dieser Sendung wird eine
Gruppe unterschiedlicher Charaktere in einer Wohngemeinschaft, bei ihrem
Alltag gefilmt. Kulturelle, sexuelle und ethnische Unterschiede wurden in
dieser Reality Show stets hervorgehoben. Ein Beispiel für eine positive
Repräsentation von Homosexuellen findet man in der dritten Staffel von
‚Real World’. Die Produzenten/innen der Sendung entschieden bei einem
Casting einen kubanisch-amerikanischen Homosexuellen in die Sendung zu
nehmen. Pedro Zamora, der mit seiner Familie von Kuba in die USA
flüchtete, wurde ausgewählt. Durch seinen niedrigen Bildungsgrad, fühlte er
sich sicher, nicht an HIV zu erkranken. Ungeschützter Geschlechtsverkehr
führte jedoch mit siebzehn Jahren zu seiner Infektion. Seit diesem Zeitpunkt
setzte er sich für Prävention und Aufklärung ein, hielt Vorträge in High
Schools und demonstrierte mit ACT UP auf der Strasse für mehr
Forschungsgelder und Akzeptanz. Als Schwulenaktivist und Träger des HIV
Virus bot er in der Sendung einerseits Konfliktpotential, jedoch wurden
durch ihn Dinge sichtbar, die sonst den Weg ins Fernsehen nicht gefunden
hätten. Ein attraktiver Junger Mann, der den tödlichen Virus in sich trägt.
Durch seine Aktivistentätigkeit wurde den Zuschauern ein Einblick in seine
Arbeit gegeben. Gruppendiskussionen, Aidsprävention oder
Demonstrationen wurden gefilmt, ebenso die Reaktionen der Hausbewohner
auf sein Krankheitsouting. Pullen ist der Meinung,

„it is nevertheless desirable to produce images which may


provide positive messages for those living in the social group
represented“ (Pullen, 2005, S. 227).

Pullen ist auch der Meinung, dass die Teilnahme von Zamora durchaus als
politisches Statement und als Gesellschaftskritik gesehen werden kann.
Einer der Produzenten, der offen schwul lebt, setzte sich dafür ein, dass
auch schwullesbische Personen in der Sendung ihren Platz haben sollen.

62
Neben den Aufklärungsarbeiten zeigte die Sendung auch die anbahnende
Liebe zwischen Zamora und seinem afroamerikanischen Freund, Sean
Sasser. Höhepunkt der Show war die ‚eheartige’ Zeremonie die im WG-Loft
gefeiert wurde (vgl. Pullen, 2005, S. 225). Zamoras körperlicher Verfall
wurde durch die Sendung in Millionen Haushalte sichtbar. Seinen Frieden
fand er einen Tag, nachdem die letzte Episode ausgestrahlt wurde, am 11.
November 1994 (vgl. Pullen, 2005, S. 229). Durch die Repräsentation der
homosexuellen ‚echten’ Liebe Zamoras, wurde das Verständnis von
kultureller Differenz zwischen Hetero- und Homosexualität thematisiert.
Die Sendung, speziell aber die Geschichte Zamoras, wurde Thema in
verschiedenen Nachrichtensendungen und Zeitungsartikeln beispielsweise
CNN oder im Wall Street Journal (vgl. Gross, 2001, S. 171f). Durch die
emotionale Bindung an die Geschichte einer realen Person, entstand
Interesse an den Geschichten und Themen, die diese Person beschäftigt.
Pedro Zamora und MTV haben gezeigt, dass Mainstreamfernsehen
unterhaltsam und aufklärend wirken kann.

In dieser Zeit fanden im fiktionalen Bereich immer mehr kulturell vielfältige


Repräsentationen von Homosexuellen ihren Weg ins Fernsehen. In
Dramaserien sowie in Sitcoms wurden schwullesbische Charaktere mit
multikulturellem Hintergrund eingeführt. ‚Spin City’ (1996-2002) oder ‚My
so called life’ (1994-1995) sind Beispiele für Serien mit immer
wiederkehrenden Charakteren, die nicht der weißen, mittelständischen,
heterosexuellen Mittelschicht angehörig waren.16 Die gesellschaftlichen
Hierarchien blieben dennoch aufrecht. In den neunziger Jahren, der
quantitativen Blütezeit der Repräsentation homosexueller Diskurse, waren
viel mehr schwule, weiße Männer der Mittelschicht zu sehen als lesbische
Figuren. Geändert hat sich diese Tatsache jedoch durch das mediale Outing
einer lesbischen Sitcomhauptfigur und ihrer Darstellerin.

16
In Deutschland wurde die Serie unter dem Titel ‚Willkommen im Leben’ ausgestrahlt.

63
3.3.5 ‚Ellen’– Sitcoms als Arenen subversiven Widerstands
Die Situation Comedy (kurz Sitcom) entstand aus den
Comedyradiosendungen der 40er Jahre. Sitcoms zählten Ende der neunziger
Jahre zu den erfolgreichsten und profitabelsten Formaten im amerikanischen
Fernsehen. Eine Sitcom ist eine Serie, die meist eine geringe Anzahl von
Personen repräsentiert, die in einer familiären oder freundschaftlichen
Beziehung zueinander stehen. Der Begriff Serie bezieht sich auf die Art der
Produktion und Ausstrahlung der Inhalte. Anders als bei einem Film, der
einen Anfang, einen Höhepunkt und einen Schluss vorweist, werden Serien
für mehrere Sendetermine produziert. Sinn der Serialität ist die Bindung der
Zuseher/Innen an den Fernsehsender, denn Zuseher/innen bedeuten
potenzielle Kunden/Kundinnen für die Werbung. Um dieses Klientel an den
Sender zu binden, werden Serien meist zur gleichen Zeit ausgestrahlt (vgl.
Hickethier 2001, S. 197ff.). Auch für Neale und Krutnik (1990) ist der
periodische Sendetermin ein wichtiger Faktor für den Begriff Sitcom:

„The term ‚sit-com’ describes a short narrative-series comedy,


with regular characters and setting. The episodic series – of
which the sit-com is a subset – is, with the continuing serial, a
mode of repeatable narrative which is particularly suited to the
institutional imperative of the broadcast media to draw and
maintain a regular audience“ (Neale/Krutnik 1990, S. 233).

Anders als im deutschsprachigen Raum werden Sitcoms in den USA zur


Prime Time ausgestrahlt. Legendäre Einschaltquoten konnten Serien wie
‚Seinfeld’, ‚Friends’ oder auch ‚Will und Grace’ aufweisen. NBC räumte
diesen Serien einen eigenen Themenabend ein, den ‚Must see Thursday’.
Bis zu 20 Millionen Menschen sahen durchschnittlich den ‚Sitcom
Donnerstag’. Derartig hohe Quoten sind heutzutage fast nicht mehr
erreichbar, da die Senderdichte durch Kabelsender und Pay-TV Angebote
immer größer geworden ist. ABC und Disney gaben im Fahrtwind der
‚Mittzwanziger Sitcoms’, wie ‚Seinfeld’ oder ‚Friends’ eine Comedy in

64
Auftrag, die gleichwertige Quoten bringen sollte. Für diese Sitcom wurde
eine Darstellerin gesucht. Gecastet wurde für die Sendung Ellen Degeneres.
Degeneres konnte Achtungserfolge als Standup Comedian für sich
verbuchen. Sie wurde für die Hauptrolle engagiert und der Produktionstitel
der Serie wurde von „These friends of mine“ in „Ellen“ umbenannt. Die
Sitcom zeigt eine Gruppe von Freunden, die ihr Leben, ihre Probleme und
ihr Liebesleben teilen. Die Sendung konnte anfangs nicht wirklich
überzeugen und die Einschaltquoten blieben auch eher unter den
Erwartungen der Produzenten und des Senders. Dennoch reichten die
Quoten um die Sendung im Programm zu belassen. Der Humor, der in einer
Sitcom ein wichtiger Faktor ist, entstand in den unausgesprochenen
Subtexten, der die Serie so sympathisch wirken ließ. Ellen, die Hauptfigur
ist Ende zwanzig und ist Inhaberin eines Buchgeschäfts. Ihre Freizeit
verbringt sie mit ihren Freunden oder bei eher erfolglosen Dates mit
Männern. Als immer mehr Gerüchte über die Sexualität Degeneres medial
in Umlauf kamen, zogen auch die Quoten an. Eine Pressemitteilung von
ABC und Disney Television, die beide an der Produktion beteiligt waren,
gab bekannt, dass sich die Hauptfigur dieser Serie im Laufe der nächsten
Staffel outen werde. Ein großes Medienecho war das Ergebnis dieses
vorzeitigen Spoilers.17 Auch wurden religiöse Gruppen, die eine
Gefährdung der traditionellen Familienwerte bedroht sahen, aktiv (vgl.
Gross, 2001, S. 158). Die Serie wurde in den Vereinigten Staaten heiß
diskutiert, Seitenhiebe in der Serie genau analysiert und wöchentliche
Zeitschriften publizierten Umfragen zum Thema: ‚finden sie es in Ordnung,
dass ein Serienhauptdarsteller homosexuell ist’? Die ‚coming out Episode’
wurde als einstündige Sondersendung konzipiert, in zwei Teilen ausgestrahlt
und beinhaltete prominente, schwulenfreundliche Stars wie Oprah Winfrey,
Demi Moore, K.D. Lang, und Melissa Etheridge.

17
Unter Spoiler wird eine Vorwegnahme von Geschehnissen oder Geschichten in
Fernsehserien verstanden. In Zeiten des Internets ist die wissentliche Verbreitung von
Neuigkeiten ein Marketingfaktor. Mitarbeiter von Fernsehserien geben Informationen
weiter um die Diskussion und Bindung des Publikums zu gewährleisten.

65
Der Clou an der Folge war das tatsächliche Outing Degeneres eine Woche
zuvor. Dadurch erreichte dieses TV Ereignis einen neuen, politischen
Höhepunkt. Degeneres und ABC wählten drei exklusive Interviews die
begleitend zur Folge veröffentlicht wurden. Eine Covergeschichte im
‚Time’ Magazin, ein Interview mit Diane Sawyer, einer bekannten
Journalistin bei ABC und ein Interview in der ‚Oprah Winfrey Show’. In der
Sendung von Oprah Winfrey präsentierte Ellen Degeneres auch ihre
Lebensgefährtin, Anne Heche. Den Einschaltquoten tat dieses
‚Doppelouting’ äußerst gut. Die Folge war die meistgesehene Sendung in
dieser Woche, es wurden sogar ‚Ellen-Partys’ im ganzen Land gefeiert.
Verschiedene Firmen weigerten sich jedoch Werbespots in dieser Episode
zu schalten, diese Lücken wusste ABC jedoch zu schließen, sogar zu
überhöhten Preisen (vgl. Gross, S. 163). Dieses Quotenniveau konnte nach
dieser Episode jedoch nicht mehr gehalten werden und viele konservative
Kritiker waren der Meinung das Ellen „zu homosexuell“ für das Fernsehen
geworden ist und sich dem allgemeinen Publikum dadurch verschließe. Die
Folgen nach der ‚coming out’ Episode wurden mit dem Verweis gesendet,
dass Kinder unter vierzehn Jahren diese Sendung nicht sehen sollten. Interne
Konflikte bei der Produktion führten zu einem Kampf darum, wie die
Sendung weitergeführt werden sollte. Schließlich wurde der Druck für ABC
zu groß und das offizielle Ende der Serie wurde ein Jahr nach der
vieldiskutierten ‚Outing Folge’ bestätigt. Gross ist der Meinung:

„Ellen Morgan, took her place in a long line of television firsts,


frightening the horses of the Christian Right; heartening the
spririts of many…“ (Gross, 2001, S. 163).

Ellen Degeneres konnte einen großen Nutzen aus ihrer Popularität ziehen
und zählt heute zu den erfolgreichsten und einflussreichsten Frauen im
amerikanischen Fernsehen. Durch ihre Talkshow, die sie immer wieder für
ihre persönlichen Anliegen nutzt, erreicht sie ein viel größeres Publikum als

66
damals in ihrer Sitcom. Medialer Höhepunkt bildet die Hochzeit von
Degeneres und ihrer Frau Portia de Rossi im August 2008 nach der Öffnung
der Ehe in Kalifornien für homosexuelle Paare. Die Fotos der Zeremonie
wurden, wie die Kinderfotos von Prominenten oder Hochzeiten
heterosexueller Prominenter, millionenschwer verkauft (vgl.
http://www.people.com/people/article/0,,20220057,00.html (Stand:
20.10.08)). Im Sinne Gramscis der Intellektuelle nicht getrennt von der
restlichen Gesellschaft versteht, steht Ellen Degeneres im heutigen
amerikanischen Fernsehdiskurs für viele Zuschauer als ‚organisch
Intellektuelle’, die ihr Wissen und ihre Macht, die sie mittlerweile erlangt
hat, nutzt um Machtblöcken entgegenzutreten. Immer öfter bietet die
Populärkultur ihre Stimme der Politik um eine gesellschaftliche
Veränderung zu bewirken. Degeneres beispielsweise betreibt offensiven
Wahlkampf für die demokratische Partei und tritt immer wieder in
Aufklärungskampagnen auf, um Gleichheit innerhalb der Gesellschaft zu
fordern.

‚Ellen’ wird oft und gerne als Vorreiter bezeichnet. Als Vorreiter für Serien
wie ‚Will & Grace’, ‚Queer as folk’ oder ‚The L-Word’. Charakteristisch
für die Sitcom war die sympathische und dreidimensionale Repräsentation
einer homosexuellen Hauptfigur. Die Gratwanderung zwischen antizipierten
Mainstream-Fernsehen für die Masse und schwulenspezifischer Sendung
konnte ‚Ellen’ nicht schaffen. ‚Will & Grace’ wird diese Gratwanderung
nachgesagt. Nun stellt sich die Frage ob ‚Will & Grace’ ein empirisches
Beispiel für subversive, radikale Offenheit im amerikanischen Fernsehen
ist?

67
4 Will & Grace

Will und Grace zählt zu den erfolgreichsten Sitcoms der neunziger Jahre,
der Blütezeit dieses Fernsehgenres. Die Geschichte rund um den schwulen
Anwalt, Will (gespielt von Eric McCormack) und der jüdischen
Innenausstatterin, Grace (gespielt von Debra Messing) gehörte später zum
fixen Ensemble des „Must see Thursday“ auf NBC.18 NBC, eines der drei
größten Networks in den Vereinigten Staaten wagte es als erster öffentlicher
Sender, eine Sitcom mit homosexuellem Hauptdarsteller auszustrahlen. Will
Truman, ein erfolgreicher New Yorker Anwalt, lernt seine beste Freundin
Grace Adler am College kennen und lieben. In der Beziehung zu ihr erkennt
Will aber, dass er eigentlich homosexuell ist. Mit der Hilfe seines zuvor
verhassten Freundes Jack McFarland (gespielt von Sean Hayes) outet er
sich. Die Beziehung zu Grace ist dadurch zerstört und es dauert Jahre bist
Grace ihm dies verzeihen kann. In der ersten Folge der Serie entscheidet
sich Grace sich von ihrem damaligen Freund Danny zu trennen und nimmt
dankend das Angebot von Will an, bei ihm einzuziehen. Der vierte feste
Charakter in der Serie ist Karen Walker (gespielt von Megan Mullally). Sie
ist millionenschwer verheiratet, und schätzt den Umgang mit Grace. Daher
nimmt sie einen quasi unbezahlten Sekretärinnenjob in Graces´
Innenausstattungsstudio an. Mit der Zeit werden andere Charaktere
eingeführt, sind jedoch kein fixer Bestandteil des Hauptcast.

4.1 Zur Entstehung der Serie


Die Geschichte des jungen Mannes, der in einer heterosexuellen Beziehung
bemerkt, dass er eigentlich homosexuell ist und dadurch seine Partnerin
verletzt, ist die persönliche Geschichte von Max Mutchnick. Er und David

18
Die Episoden 1.1 bis 1.9 wurden immer montags um 21.30 Uhr ausgestrahlt, die
Episoden 1.10 bis 2.24 wurden dienstags um 21.30 Uhr ausgestrahlt. Sämtliche
nachfolgende Episoden wurden Donnerstags im Rahmen des ‚must see Thursday on NBC’
um 21.00 Uhr (sämtliche Zeitangaben beziehen sich auf die Ausstrahlung in Westamerika)

68
Kohan sind die Creator von ‚Will & Grace’. Diese Serie ist demnach aus
einem privaten Kontext entstanden. Die Zwei hielten sich mit
Assistentenjobs über Wasser, bis sie entschieden, nach New York zu gehen
um an einer Prime Time Sitcom zu arbeiten. Der erste Versuch, eine
erfolgreiche Sitcom zu erfinden schlug jedoch fehl. Die von den beiden
konzipierte und auch teilweise geschriebene Serie „Boston Common“ wurde
vom amerikanischen Publikum nicht angenommen (vgl.
http://www.imdb.com/title/tt0115115/ (Stand: 10.08.2008)). Nach
zweiunddreißig Folgen wurde die Serie eingestellt. Mitte der neunziger
Jahre, reagierten die Networks noch nicht so schnell auf erfolglose Serien.
Wenn man/frau den jetzigen amerikanischen Markt ansieht, ist zu erkennen,
dass die großen Networks mehr und mehr auf die Quoten achten müssen um
ihre Gewinne zu steigern. Ist eine Serie nicht von Beginn an erfolgreich, so
wird sie bereits nach nur wenigen Folgen bzw. nach einer Episode
abgesetzt. Mutchnick und Kohan konnten trotz ihrem Misserfolg weiter in
dieser Branche tätig sein. In der Entwicklungsabteilung von NBC hatten sie
die Möglichkeit, ihre bereits geknüpften Kontakte zu nutzten um die Idee
von ‚Will & Grace’ zu verarbeiten. Ihre Aufgabe war es den Nachfolger der
äußerst erfolgreichen Sitcom ‚Mad about you’ zu konzipieren.19 Sie konnten
die Sendeverantwortlichen davon überzeugen, die Geschichte eines
homosexuellen Mannes und seiner besten Freundin zum Thema einer
Sitcom zu machen. Bei amerikanischen Fernsehserienproduktionen ist es
üblich, dass die Produzenten ein bereits greifbares Produkt anbieten, im Fall
von ‚Will & Grace’ forderte der Sender zwei Hauptdarsteller, die zum
Sender passen und sich auch für mindestens sieben Jahre vertraglich binden
würden. Für einen Schauspieler, der auf längere Sicht erfolgreich sein
möchte, eine riskante Entscheidung. Speziell für die Rolle des Will würde
sich die Suche als schwierig herausstellen. Nach länger anhaltenden
Verhandlungen unterzeichneten Eric McCormack und Debra Messing
diesen Vertrag und ermöglichten es den Zweien, weiter an der Idee zu

19
In der deutschen Fassung wurde die Sendung unter dem Titel ‚Verrückt nach dir’ auf
RTL ausgestrahlt.

69
arbeiten (vgl. Colucci 2004, S. 8ff.). Die dritte Person, die die Produktion
der Serie vorantrieb, war James Burrows. Er gilt in Hollywood als lebende
Sitcom-Legende. Er führte bereits Regie in Serien, wie ‚Cheers’, ‚Taxi’,
‚Friends’, ‚’Frasier’ und ‚Caroline in the City’ (vgl.
http://imdb.com/name/nm0123273/ (Stand: 17.10.2007)). Durch seinen
Einfluss in diesem Business ermöglichte er es, weiter an diesem Projekt zu
arbeiten und finanzielle Mittel aufzutreiben, die wichtig für eine derartige
Produktion sind. Die zwei Nebenrollen wurden gecastet, das Drehbuch
verfeinert und im März 1998 ein Serienpilot gedreht. Dieser Pilot wurde
zwar nie ausgestrahlt, kursierte aber als Videokassette in Los Angeles (dem
Produktionsort) umher. Nach der endgültigen Zusage von NBC konnte es
mit der eigentlichen Produktion der Serie losgehen. GLAAD lobte die Art
der Repräsentation von Homosexualität in dem vorab gesehenen Piloten und
schürte dadurch das Interesse der Gay-Community. Informationen über die
Homosexualität der Charaktere wurden vor der Premiere nicht an
potenzielle Werbeinvestoren weitergegeben aus Angst, finanzielle Einbußen
dadurch zu haben. „Will & Grace, not a couple. A couple of friends“
(Colucci, 2004, S. 15) war die kurze Erklärung für die beiden
Hauptcharaktere. Premierentermin für die offizielle Pilotepisode war
schließlich der 21. September 1998. Intention des Produktionsteams war die
langsame Annäherung des amerikanischen Publikums an die Figuren,
speziell an die Figuren von Will und Jack. Die Produzenten erklärten den
Umgang mit diesen Figuren damit, dass sie niemanden provozieren wollten.
Die Angst stereotype, schwule Figuren zu erfinden war groß und dadurch
lag das Hauptaugenmerk darin, sämtliche Figuren anfänglich sympathisch
fürs Fernsehen zu adaptieren (vgl. Colucci, 2004, S. 18). Klassische Formen
des Konflikts wurden dabei jedoch nicht ausgespart. Konflikte, wie sexuelle
Orientierung, Religion, Verständnis von Familie und Beziehung, usw.
waren in der ersten Staffel schon sichtbar. Die Schärfe und Tiefe hat sich in
den weiteren Staffelverläufen jedoch verstärkt. Charaktere sind für eine
Serie extrem wichtig, da sie als Identifikationsflächen dienen, die Probleme
oder Konflikte auf ihre Art bewältigen. Diese Lösungsangebote können

70
dann ins Alltagsleben der Zuschauer diskutiert werden. Die Geschichte
allein kann zwar interessant, kontrovers oder lustig sein, jedoch nicht für
sich allein stehen. Erst die Figuren in einer Serie ermöglichen es,
Geschichten glaubhaft in Szene zu setzen. Daher ist es wichtig, die
Hauptcharaktere genauer zu betrachten und zu beschreiben.

4.2 Will Truman– der schwule Anwalt


Will ist ein erfolgreicher New Yorker Anwalt, dessen wohlhabende Eltern
am Land leben. Er bewohnt ein drei Zimmer Appartement in der Stadt und
hat sich sein Leben und seinen Lebensraum für sich zu recht gemacht. Er
arbeitet in einer Anwaltskanzlei und verbringt seine Freizeit mit seinen
Freunden. Zu Beginn der Serie kreuzen sich die Wege von Will, Grace, Jack
und später auch Karen. Der Zuseher ist beim Entstehen der gemeinsamen
Freundschaft dabei. Will wird als pingelig, harmonieliebend und leicht
schrullig dargestellt. Er kocht für sein Leben gern, bügelt seine Unterwäsche
und interessiert sich für Mode. Das Appartement ist sehr geschmackvoll mit
antiquierten Möbeln ausgestattet und bietet einen großen Wohnraum mit
angrenzender Küche. Dieser Wohnraum ist auch einer der Hauptorte für die
Serie. Seine Homosexualität ist Teil seines Lebens, er geht damit relativ
offen um, seine Freunde, seine Familie und auch sein Arbeitsumfeld wissen
darüber bescheid. Seine Mutter und sein Vater sind zu Beginn der Serie
verheiratet, der Vater beginnt dann jedoch eine Affäre. Will hat mit dieser
Situation zu kämpfen, da er seine Eltern immer als ein Traumpaar gesehen
hat. Halt findet Will in Grace, die ihm klarmacht, dass Beziehungen nicht
ewig halten können.

Will trägt in der Serie oft Anzüge, Rollkragenpullover oder


Markenkleidung. Er ist der Inbegriff des New Yorker Yuppies. Seine
reinliche und pingelige Art bietet oft Konflikte mit Grace, die eher
schlampig und unselbstständig ist. Dieser Charakterunterschied führt häufig
zu Auseinandersetzungen, die sich wie ein roter Faden durch die gesamten

71
Staffeln ziehen. Gemeinsame Rituale, wie das Fernsehen als Tagesabschluss
oder gemeinsame Spielabende dienen der Festigung der Freundschaft und
Wohnsituation. Zu Grace hegt er eine besondere Freundschaft, da sie nicht
nur zusammen wohnen, sondern auch ihre Probleme und Ängste
miteinander teilen. Jack ist eher der Kumpeltyp, mit dem Will im späteren
Staffelverlauf in Schwulenbars geht oder ihn bei seinen beruflichen
Vorhaben unterstützt. Zu Karen besteht zu Beginn eher eine berufliche
Beziehung. Karen ist nur eine Bekannte, obwohl sie in gewissen Situationen
die eigentliche Lösung für einen Konflikt oder ein Problem hervorbringt.

4.3 Grace Adler – die jüdische Innenausstatterin


Grace Adler ist aus gutem Hause und hat ihren Lebensmittelpunkt ebenfalls
in New York City. Nach dem College arbeitet sie in ihrem eigenen
Innenausstattungsbüro, Grace Adler Designs. Zu Beginn der Serie lebt sie in
einer Partnerschaft mit einem Mann, merkt aber, dass sie ihn nicht heiraten
möchte. Da kommt Wills Angebot gerade recht, als er ihr anbietet bei ihr
einzuziehen. Sie verbindet schon lange eine Freundschaft. Am College
lernen sich beide kennen und lieben. Während sie darin die große Liebe
sieht, bemerkt Will erst innerhalb der Beziehung, dass er eigentlich
homosexuell ist. Sein Geständnis trennt ihre Wege für längere Zeit. Zufällig
treffen sich die beiden wieder und die Freundschaft entsteht erneut. Grace
ist ein Lebemensch, der immer auf der Suche nach ‚dem Richtigen’ ist. In
ihren Träumen heiratet sie einen jüdischen Arzt und sie bekommen Kinder.
Dieser Traum wird auch in Staffel fünf wahr, als sie ihren zukünftigen
Ehemann Leo kennen lernt. Grace ist Jüdin und wird in der Serie oft
knausrig und schrullig dargestellt. Bei jedem gratis Essen ist sie dabei, sie
liebt Ausverkäufe in Modehäusern und sie verwendet auch oft jüdische
Begriffe. Die Figur Grace ist zwar modebewusst, jedoch oftmals zu
experimentell und unpassend in ihrer Kleiderwahl. Farbkombinationen,
veraltete Trends und zu burschikose Outfits unterstreichen ihre chaotische
Art, die oft Konflikte mit Will und Karen heraufbeschwört. Sie ist der

72
Innbegriff einer ‚Schwulenmutti’. Ihre Freundschaften reduzieren sich
größtenteils auf schwule Männer, und sie kokettiert auch mit diesem Image.
Ihre schwulen Freunde sind auch ein Mitentscheidungsgrund bei Männern.
Grace ist sehr selbstironisch, lacht gerne über sich selbst. Ihre größte Angst
ist, so zu werden wie ihre Mutter. Sie selbst bemerkt nicht, dass sie bereits
Charakterzüge ihrer Mutter übernommen hat. Graces Sekretärin Karen
Walker kritisiert sie oft für ihr Aussehen und ihr Verhalten. Dennoch
verbindet sie eine Freundschaft. Obwohl sie oft gehänselt von Karen wird,
ist sie ihr eine große Stütze. Zu Jack hat Grace eher eine distanzierte
Freundschaft, da auch er sich oft über sie lustig macht. Er kritisiert an ihr
auch, dass sie Wills Glück im Weg steht. Sie hat öfters kurze Beziehungen
zu Männern, diese sind meist tollpatschig und können ihr nicht das geben
was sie in einer Beziehung braucht. Erst in Staffel fünf verliebt sie sich in
ihren zukünftigen Ehemann und sie ziehen in ein Appartement in Brooklyn.
Da Leo aber für längere Zeit als Arzt ins Ausland gehen muss, ändert sich
nichts an der Freundschaft zu Will.

4.4 Jack Mc Farland – der Entertainer


Jack ist der dritte Hauptdarsteller von ‚Will & Grace’. Er lebt ebenfalls im
Appartementkomplex, in dem auch Will wohnt. Er ist ein Lebemensch und
sehr egozentrisch. Er klinkt sich aus Gesprächen aus, wenn es längere Zeit
nicht um ihn geht. Er sieht sich selbst als den attraktivsten und
interessantesten Menschen an, eine Eigenschaft, die oft Konfliktpotenzial
heraufbeschwört. Einen regulären Beruf übt Jack nicht aus. Er finanziert
sich durch Will, seiner Mutter und speziell durch Karen. Da er unbedingt
berühmt werden will, versucht er alles, um im Showgeschäft Fuß zu fassen.
Er versucht alles aus um als Künstler anerkannt zu werden. Vom
Kabarettisten, zum Schauspieler bis zum Backgroundtänzer, probiert er alles
aus. Neben dem Versuch ein Star zu werden, jobbt er eher erfolglos als
Verkäufer bei ‚Macys’, als Krankenpfleger oder als Moderator einer
Talkshow auf einem Schwulensender. Die Berufe, die er für sich wählt, sind

73
meist Berufe, die oft von schwulen Männern ausgeübt werden. Er ist ein
geouteter Mittdreißiger, der sich zwar schnell verliebt, jedoch keine
Beziehungen will oder führen kann. Er ist oft in schwulen Clubs oder Orten,
wo sich schwule Männer treffen. Seine kindlich naive Art steht im starken
Widerspruch zu Wills Lebensstil. Daher kommt es oft zum Streit. Jack
stärkt sein Selbstbewusstsein dadurch, indem er Will und Grace
herabwürdigt. In Episode zwei der ersten Staffel lernt er Karen kennen und
es entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden. Karen ist wohlhabend
und sucht Unterhaltung, die ihr Jack bieten kann. Eine perfekte Symbiose
und eine Win-Win Situation für beide. Jack liebt den Luxus, den Karen
auslebt und sie liebt seine kindlich, spöttische Art. Jack hat weder
Geschwister, noch weiß er, wer sein Vater ist. Zu seiner Mutter hat er eine
unterkühlte, eher finanzielle Beziehung. Er sieht seine Freunde als seine
Familie an. Er ist auch kurze Zeit mit Rosario, dem Hausmädchen von
Karen verheiratet um eine Abschiebung in ihr Heimatland Mexiko zu
verhindern. Jack lebt sein Leben, so wie es ihm gefällt und schreckt auch
nicht davor zurück sich zu wehren, so lange es nicht zu anstrengend wird. Er
ist voll involviert in die schwule Szene von New York, mag jedoch keine
Lesben. Immer wieder beginnt er Streit mit lesbischen Frauen, da er es nicht
als natürlich ansieht. Er verkörpert den stereotypen schwulen Mann, der
keine fixen Beziehungen hat, promiskuitiv lebt, sehr auf sein Äußeres
bedacht und der sehr egozentrisch ist. Er ist eher weich und feminin in
seiner Körpersprache und in seinen Bewegungen. Mundt ist der Meinung,
dass die Figur des Jack in der Serie auf der einen Seite heterosexuellen
Zuschauern die Möglichkeit gibt, sich schwules Leben aus der sichern
Position aus anzusehen, andererseits wird die Repräsentation als eine der
spärlich gesäten Identifikationsmöglichkeiten für Schwule verstanden (vgl.
Mundt, 2007. S. 218).

Jack hat einen biologischen Sohn, der nach fünfzehn Jahren mit seiner
lesbischen Mutter (gespielt von der offen lesbisch lebenden Rosie O’

74
Donnell) auftaucht, die Jacks Sperma von einer Klinik erhalten hat. Er muss
nun zum ersten Mal Verantwortung für eine andere Person übernehmen.

4.5 Karen Walker – Die Millionärsgattin


Karen Walker, die vierte Hauptfigur in der Serie ist etwas älter als die
anderen Figuren. Das genaue Alter wird jedoch nie erwähnt. Sie hat durch
die Hochzeit mit Stanley Walker, einem Millionenschweren New Yorker
Wirtschaftsboss, ein Vermögen zur Verfügung. Sie lebt einen exklusiven
Lebenswandel, der sich durch teure Markenkleidung, der Vorliebe für teure
Spirituosen und in ihrer Riesenpenthousewohnung zeigt. Sie hat nie selbst
Kinder gehabt, Stanley Walker hat jedoch Kinder in die Ehe mitgebracht.
Um ‚am Teppich’ zu bleiben, nimmt Karen einen Sekretärinnenjob bei
‚Grace Adler Designs’ an. Ihre Arbeit besteht meist nur aus Anwesenheit,
wobei sie es mit den Arbeitszeiten nicht so genau nimmt. Da sich Grace
keine richtige Assistentin leisten will bzw. kann, ist sie froh über das
Angebot von Karen, für sie zu arbeiten, ihre Gehaltsschecks jedoch noch
nicht einzulösen, da sie schon genug Geld durch ihren Mann hat. Karen ist
für Grace ein Gesprächspartner, der keine Rücksicht nimmt und dadurch oft
als hart empfunden wird. Karen wird als extrem gehässig, hochnäsig und
überirdisch dargestellt. Sie lebt realitätsfremd und flüchtet sich in ihre Welt
durch verschreibungspflichtige Tabletten und hochprozentigen Alkoholika.
In Jack findet sie einen Freund, der mit ihr die Freizeit verbringt. Er liebt ihr
Geld und ihre Gehässigkeiten und sie liebt seinen jungenhaften, naiven
Charme. Obwohl Karen verheiratet ist, verbringt sie mehr Zeit mit Jack als
mit ihrem Ehemann. Die oberflächliche Freundschaft zwischen den beiden
vertieft sich jedoch als Karens` Mann ins Gefängnis kommt und sie
kurzzeitig kein Geld mehr zur Verfügung hat. Karen ist zwar glücklich
verheiratet, in der Serie gibt es jedoch immer wieder Figuren, die eine
sexuelle Anziehung auf sie haben, egal ob männlich oder weiblich. Will und
Karen lernen sich kennen, als Karen einen Anwalt braucht. Sie genießt es,
ihn immer wieder wegen seiner mädchenhaften Charaktereigenschaften

75
aufzuziehen. Will steckt jedoch nicht nur ein, er teilt auch aus. Karens´
Stimme ist sehr hoch und steigert sich in ein Quieken, wenn sie schreit. Oft
hat sie Streit mit ihrem Hausmädchen Rosario, einer illegalen Immigrantin
aus Mexiko. Obwohl sie Rosario liebt, zeigt sie es nicht, sondern brüllt sie
an. Rosario ist jedoch eine starke Persönlichkeit und lässt sich das nicht
gefallen und schlägt mit den gleichen Waffen zurück.

Nachdem in diesem Kapitel der Produktionshintergrund, der Inhalt der Serie


und die Figuren skizziert wurden, beschäftigen sich die folgenden Kapitel
mit den bereits in der Einführung formulierten Forschungsfragen. Da eine
allumfassende Analyse der Frage nach Ausschluss bzw. Konvergenz von
authentischer und antizipatorischer Repräsentation den Rahmen dieser
Arbeit sprengen würde, liegt der Fokus auf ausgewählten Eindrücken, die
beim Betrachten der Serie aufkommen. Ein Thema ist die Repräsentation
der homosexuellen Hauptfiguren im Verlauf der diversen Staffeln der Serie.
Wie wurden die beiden Figuren gezeichnet, welche Diskurse wurden
ausgeklammert und welche wurden hervorgehoben um eine möglichst
offene Identifikationsmöglichkeit anzubieten. Weiters wird die
Machtstruktur der Serie und ihre Entwicklung näher betrachtet. Gibt es eine
Verschiebung der gesellschaftlichen heterozentrierten Hegemonie und wie
können diese narrativ konstruiert werden?

76
5 Ausgewählte Diskurse aus ‚Will & Grace’

Fernsehen als Massenmedium ist in unserer industrialisierten, westlichen


Welt nicht mehr wegzudenken und stetiger Begleiter im Alltag. Kaum
jemand nutzt das Fernsehen nicht, sei es zur Informationsbeschaffung, zur
Entspannung oder als kulturelle Praxis innerhalb der eigenen sozialen
Netzwerke. Es wird über Fernsehinhalte diskutiert, es bilden sich
Fangruppen und andere Medien greifen Diskurse aus dem Fernsehen auf um
sie zum Thema zu machen. In einer medienüberfluteten Gesellschaft wie der
unseren ist es schwierig, medial vermittelte Diskurse herauszufiltern um sie
kritisch zu analysieren. Im Sinne der Cultural Studies werden im folgenden
Kapitel exemplarisch Diskurse aus der Serie herausgegriffen und
miteinander verglichen, die die Frage nach Ausschluss oder Konvergenz
beantworten können. Die schwulen Figuren der Serie werden zunächst
genauer betrachtet und ihre Entwicklung beschrieben um die Veränderung
in der Repräsentation hervorzuheben. Diese Entwicklung ist immer mit
gesellschaftlichen Entwicklungen und Produktionsvorgängen verknüpft.
Konkret lauten daher die Forschungsfragen:

Schließen sich authentische Repräsentationen und antizipatorische für das


heterosexuelle Publikum nicht verschreckende Repräsentationen aus oder
kann ein Konsens gefunden werden? Findet eine Konvergenz in der Serie
statt? Wie hat sich die Repräsentation von Homosexualität im Verlauf der
Serie ‚Will & Grace’ verändert? Welche Thematiken werden ganz
ausgeklammert und welche wurden erst im späteren Serienverlauf
aufgegriffen?

Fiske (1993) der davon ausgeht, dass das Fernsehen noch immer eines der
populärsten Medien ist, betont, dass das Publikum keine homogene Masse
ist, sondern aus unzähligen Subkulturen mit unterschiedlichen
soziokulturellen Backgrounds besteht und dadurch inhomogene Gruppen

77
bildet. Durch diese Inhomogenität entsteht ein Spannungsfeld von
Diskursen und ihren Wertungen bzw. Bedeutungen (vgl. Fiske, 1993, S. 37).

„For its own purposes television attempts to homogenize this


variety so that the one program can reach as many different
audiences as possible“ (Fiske, 1993, S. 37).

Um ein möglichst großes Publikum zu erreichen versucht das Fernsehen den


größten gemeinsamen Nenner zu finden. Diese Gleichheit geht aber immer
mit den kulturellen, ideologischen oder sexuellen Unterschieden einher. In
diesem Zusammenspiel entsteht ein Spannungsfeld um Bedeutungen.
Konkret auf ‚Will & Grace’ bezogen, stelle ich mir die Frage, ob sich
authentische und angepasste Repräsentation ausschließen um ein möglichst
großes Publikum zu erreichen, oder ob sich die beiden Formen im Laufe der
Serie immer enger verknüpft haben, bezugnehmend auf gesellschaftliche
Entwicklung und Veränderung. Diese Veränderung, so betont Fiske, findet
seinen Ausgangspunkt nicht im Fernsehen, sondern er ist der Meinung, dass
das Fernsehen ein Teil dieser Entwicklung ist.

„(…)but television can be, must be, part of that change, and its
effectivity will either hasten or delay it“ (Fiske, 2003, S. 45).

5.1 To good to be true: Will Truman und die stilisierte


Repräsentation
Hat NBC mit Will Truman, dem ersten schwulen Hauptdarsteller einer
Sitcom nun gesellschaftliche Veränderungen beschleunigt oder
verlangsamt? Wie bereits in Kapitel 4.1. erwähnt, haben die Produzenten
der Serie versucht einen nicht verschreckenden schwulen Charakter zu
kreieren. Wie kann nun ein schwuler Hauptdarsteller nicht verängstigend
sein? Es werden der Figuren positive Eigenschaften verliehen, positive,
heterosexuelle Eigenschaften. In der Pilotfolge der Sitcom werden die

78
Charaktere dem/r Rezipienten/in vorgestellt und ihre Charakterzüge
definiert. In der ersten Szene der Folge sitzen Will und Grace abends in
ihren Appartements und telefonieren miteinander:

WILL: What are you doing?

GRACE: Hanging out.

WILL: Come over.

GRACE: Will, I can't.

WILL: Come on, Grace. You know you want to.

GRACE: Of course I want to, but--

WILL: It's going to be a good one. I can feel it.

GRACE: It's always good. Still--

WILL: You're not going to come over, you want me to, uh...
talk you through it?

GRACE: It's tempting, but I think I'll watch ER here.

WILL: Another night alone with my clicker.

GRACE: Oh, is that what the kids are calling it?

(WaG E1.01, 00:00 – 00:35)

Durch die Offenheit des Textes, der hier vorliegt, können verschiedene
Lesarten gleichzeitig angeboten werden. In heterosexueller Lesart, ist diese
Szene ein Flirt, der in Sex zwischen den beiden gipfeln soll. Mit dem
Wissen, dass Will jedoch schwul ist, verändert sich die Bedeutung innerhalb
der zwei. Die gesellschaftliche Geschlechterkonstruktion, die von einem
Mann erwartet, mit tiefer Stimme zu sprechen um eine Frau zu sexuellen
Handlungen zu überreden, wird darin ironisch aufs Korn genommen. Wills
Homosexualität wird erst am Ende dieses Telefonats zum Thema.
Homosexuelle können in diesem Gespräch eine Freundschaft lesen, die
ohne sexuelle Spannungen durch gesellschaftliche Vorgaben existieren kann

79
und das heterozentrierte Paarungsverhalten subversiv unterwandern.
Sitcoms funktionieren immer auf der Basis des Konflikts und seiner Lösung.
Durch diese Erzählform entstehen neue Situationen, die auf das eigene
Leben des Zuschauers umgemünzt werden können. Vorbereitet wird die
Verbindung der beiden Hauptcharaktere durch diese erste Szene. Graces
Freund Danny verabschiedet sich ins Bett und Grace möchte das Telefonat
beenden um ihm zu folgen. Danny ist in dieser Szene nur zur Hälfte zu
sehen, lediglich sein Unterkörper ist sichtbar. Durch diese ‚Unsichtbarkeit’
wird dem Zuschauer ein Gefühl vermittelt, dass dieser Person kein großer
Einfluss auf die Handlung beigemessen werden muss. Der Dialog bestärkt
dieses Gefühl. Will zweifelt an der Beziehung zwischen den beiden und
spricht auch offen darüber.

WILL: Was that Danny?

GRACE: Yeah. Jealous?

WILL: Huh! Honey, I don't need your man. I got George


Clooney.

GRACE: Sorry, babe. He doesn't bat for your team.

WILL: Well... He hasn't seen me pitch.

(WaG E1.01, 01:00-01:15)

Wills Homosexualität ist visuell nicht sichtbar, er liegt sehr männlich auf
der Couch und hält die Fernbedienung in der Hand. Die gesellschaftlich
dominante Ideologie spiegelt sich in den Bewegungen und den Worten von
Will wieder. Erst als er von George Clooney, einem heterosexuellen
Traummann spricht, gibt er seine sexuelle Identität preis.20 Erst in dieser
Szene wird klar, dass es sich hier nicht um eine aufblühende Liebe dreht,

20
George Clooney, der heute ein anerkannter, erfolgreicher Kinoschauspieler ist, war zu
dieser Zeit in der NBC-Serie ‚Emergency Room’ zu sehen. Hierbei handelt es sich um eine
Cross Promotion, eine Form von Werbung für eine andere Sendung, welche auch auf dem
gleichen Sender ausgestrahlt wurde.

80
sondern einer schwul-heterosexuellen Freundschaft. Gross weist auf ein
Spannungsfeld hin, das für eine Sitcom in seiner Intensität neu war.

„Unlike previous variations on the theme, they are not


seperated by distance, or class, or even other partners, but by
sexual orientation“(Gross, 2001, S. 179).

Durch diese enge Konstellation, die die beiden dann zukünftig in der Sitcom
repräsentieren entsteht ein Spannungsfeld, welches großes komödiantisches
aber auch politisches Potential birgt. Diesem Gespräch folgt der Vorspann.

In der zweiten Szene spielen Will, Jack und zwei heterosexuelle Freunde
Poker. Auf dem Tisch stehen unzählige Flaschen Bier und die Männer
rauchen Zigarren. Während Will sich optisch nicht von den beiden
heterosexuellen Freunden unterscheidet, so ist Jack das komplette
Gegenteil. Er singt ein Musicalstück, er hat einen Kaschmirpullover um die
Schultern gebunden und er bewegt sich sehr feminin. Die Figuren von Will
und Jack könnten nicht gegensätzlicher sein. Jacks Homosexualität wird
während des Spiels thematisiert, dabei übernimmt Will den Übersetzer
zwischen den Freunden und Jack. Will wird als gesellschaftlich akzeptierter,
angepasster Schwuler gezeichnet, während Jack stereotype Eigenschaften
hat.

„Stereotyping reduces, essentializes, natrualizes and fixes


‚difference’. (…) stereotyping deploys a strategy of ‚splitting’. It
divides the normal and the acceptable from the abnormal and
the unacceptable“ (Hall, 1997, S. 258).

Diese Differenz zeigt sich in den Gesprächen am Tisch recht deutlich. Will
schämt sich für Jack und sein effeminiertes Auftreten. Er verhält sich
männlich, gekennzeichnet durch die Art wie er das Bier trinkt, wie er die
Karten teilt und wie abfällig und homophob er sich Jack gegenüber verhält.

81
WILL: Jack, now that you're moving in, can I make one small
request?

JACK: What's that?

WILL: Change everything about your personality.

JACK: Ha ha! I get it. Comedy...

ROB: [TO WILL] You didn't tell me Jack was moving in with
you.

WILL: Not moving in. He's just staying with me till his
apartment's finished.

JURGEN: [summt] Hmm-hmm-hmm-hmm.

JACK: Oh, I know that one! I know-- Uh, [Jack singend) Did he
need a stronger hand…

WILL: Yeah. Jack. He's not humming your intro, ok? That's
just a straight guy's way of thinking that you and I could
ever be a couple.

(WaG E1.01 02:09 – 02:36)

Die beiden Figuren sind in dieser Pilotfolge sehr konträr gezeichnet.


Fokusgruppen, die die Folge vorab zu sehen bekamen und nach ihren
Meinungen befragt wurden, unterstrichen diese Gegensätzlichkeit. Während
Jack als homosexuell identifiziert wurde, so war für viele in diesen Gruppen
Will nicht schwul (Vgl. Gross, 2001, S. 179). Der soziale Background der
beiden Figuren unterstreicht die stereotype Abgrenzung. Während Will der
so genannten ‚Upper class’ angehört, erfolgreich als Rechtsanwalt in einer
Kanzlei tätig ist, wird Jacks sozialer Hintergrund eher als Person der
Mittelschicht charakterisiert. Die New Yorker ‚Upper class’ wurde auch in
anderen Serien bereits thematisiert, und immer wieder waren Reichtum und
soziales Ansehen die Grundpfeiler in den Repräsentationen. Finanzielle
Sicherheit und Wohlstand sind erstrebenswerte Werte, nicht nur in den
Vereinigten Staaten sondern in der gesamten westlichen Welt. Will, der im
weiteren Staffelverlauf sehr oft in seinem Büro bei seiner juridischen Arbeit

82
gezeigt wird, wurde von den Produzenten und Drehbuchschreibern als
gebildet und weltoffen konstruiert. Sein Liebesleben und seine Sexualität
spielten in der ersten Staffel die 1998 bis 1999 auf NBC ausgestrahlt wurde
keine Bedeutung, obgleich Jack immer wieder in auditiver Form von seinen
Liebschaften spricht. Die Figur des Will spiegelt den archetypischen
Homosexuellen wieder der als Prototyp in der Homophilenbewegung
entstand. Ein angepasster Homosexueller, der sich der heterosexuellen
Mehrheit annähern möchte.21 Diese Annäherung zeigt sich in der bereits
beschriebenen Poker-Szene. Jack hingegen strotzt in seinem Leben nur so
vor ‚Gay Power’ und repräsentiert seine homosexuelle Identität offensiv
nach außen hin, egal in welcher Situation er sich befindet. Durch diese
freundschaftliche Konstellation entsteht ein weiteres Konfliktpotential,
welches Stoff für weitere Erzählstränge bildet. Wills nicht nach außen hin
identifizierbare Homosexualität im Vergleich zu Jacks offensiver
Repräsentation seines Schwulseins wird ebenfalls in Szene zwei
thematisiert. Während die vier Männer in Wills Appartement Poker spielen,
betritt Grace die Wohnung und ist sichtlich aufgelöst. Anfänglich möchte
sie nicht über ihr Problem sprechen, thematisiert ihr Anliegen jedoch als sie
sich an den Tisch setzt. In dieser Situation nimmt Will wieder die Position
des Erklärers zwischen den heterosexuellen Freunden und des schwulen
Jack ein.

GRACE: [kommt herein] I'm fine.

WILL: Grace?

GRACE: You keep playing.

JACK: Oh, look, it's Sporty Spice.

WILL: Did you and Danny have a fight?

21
Damit ist die ausgehandelte Andersartigkeit gemeint, die eine gefestigte Machtstruktur
noch bestärkt.

83
GRACE: Yeah, but I-- I don't want to talk about it right now.
I can't even think straight.

WILL: That's funny. Neither can Jack.

JACK: Grace, did you know I was gay when you met me?

GRACE: My dog knew.

(WaG E1.01 03:10 – 03:32)

Jack hat im weiteren Folgenverlauf keinen Einfluss mehr auf die Lösung des
Konflikts zwischen Will und Grace, die ihren Freund Danny heiraten
möchte, jedoch Angst vor der endgültigen Entscheidung hat. Will wird als
bester Freund repräsentiert, jemand der zuhören kann, Ratschläge gibt und
seine Meinung äußert, obwohl diese Meinung nicht identisch ist mit der
Meinung von Grace. Nachdem sie die Hochzeit absagt weil die Worte Wills
in ihren Augen gerechtfertigt waren, besucht sie Will in seiner Kanzlei und
entschuldigt sich bei ihm. Die beiden versöhnen sich wieder und
entscheiden sich auf einen Drink in eine Bar zu gehen. Dort lassen die
beiden die restlichen Gäste im Glauben, dass sie gerade geheiratet haben.
Ein Gast überredet die beiden einen Toast auszusprechen.

WILL: Here's to the ball and chain. If she makes it through


the night, ba-bing! I think I'll keep her!

GRACE: Wait...my turn. To my Will: You are my hero and my


soul mate, and I'm a better woman for loving you.

GÄSTE: Aww...

GAST #1: Hey, hey, hey, come on, you two, how's about a kiss?

GÄSTE: Oh, yeah! Yeah! [RUFEN] Kiss! Kiss! Kiss! Kiss! Kiss!
Kiss!

(Will küsst Grace)

GRACE: Nothing? Anything?

WILL: Sorry. Nothing. Hmm.

WaG E1.01 20:53 – 21:41

84
In dieser ersten Episode festigt sich die Freundschaft zwischen Will und
Grace. Wills Homosexualität hatte in dieser Folge keinen Stellenwert.
Lediglich in der ersten und letzten Szene wird seine Sexualität
angesprochen, jedoch als Legitimierung dafür, warum die beiden keine
heterosexuelle Beziehung führen. Jimmy Burrows, der Regisseur der ersten
Folge begründet die Zurückhaltung bezüglich Wills Homosexualität damit,
dass ein möglichst breites Publikum gefunden werden sollte. Ein mediales
Outing, sei es jenes einer realen Person oder einer fiktiven Figur bedarf
einer Vorbereitung des Publikums. Diese Vorarbeit dauert in Serien immer
etwas länger. Ausschließen wollte er eine aggressive oder offensive zur
Schau Stellung von Homosexualität. Diese offensive Thematisierung dieses
heute noch teilweise tabuisierten Themas kann Publikumsgruppen
abschrecken. Burrows meint dazu:

„In television, it takes a long time for the word to get out, for
people to tell other people ‚You should watch this’. And a lot of
people wouldn´t watch ‚Will & Grace’ because it has gay
characters. But if we could get them involved in the humanity of
these people, they would see how funny it was. And it worked“
(vgl. Colucci, 2004, S. 18. zit. nach James Burrows).

Die Freundschaft zwischen Will und Grace wird in der ersten Staffel in
jeder Folge thematisiert. Parallel dazu werden Geschichten von Jack und
Karen erzählt. In der gesamten ersten Staffel reduziert sich Wills
Persönlichkeit auf die Freundschaft zu Grace. Immer wieder schlittert Grace
in eine missliche Lage, aus der Will sie wieder herausholt. Diese Form von
Repräsentation geht zurück auf eine Form von Repräsentation, die ihren
Ursprung in den achtziger Jahren findet und auch heute noch gerne montiert
wird um heterosexuelles Publikum zu erreichen, ohne es zu verschrecken.
Negative stereotype Eigenschaften, die mit Homosexualität in Bezug
gebracht werden, werden einfach umgekehrt. Dadurch entsteht eine
überstilisierte Repräsentation, einer perfekten Figur. Frühere Beispiele für
diese Form von Repräsentation sind Fernsehfilme, wie „Consenting Adult“

85
(1985) oder der Film „The Margarethe Cammermeyer Story“ (1995), der
bereits in Kapitel 3.3.2. beschrieben wurde. Figuren, die in ihrem Leben hart
kämpfen um sich in die Gesellschaft einzugliedern, mit dem Wissen, dass
ihre Sexualität anders ist als die der restlichen Menschen. In „Will & Grace“
wird die Hauptfigur auch anfänglich als perfekt dargestellt. Gemeinsam
haben diese Beispiele, dass ihnen ihre Sexualität in jeglicher Form
aberkannt wird. Diese Form findet sich auch in Kinofilmen mit
homosexuellen Figuren wieder, wie beispielsweise „Philadelphia“ (1993),
der die Geschichte eines Anwalts erzählt, der sich mit HIV ansteckt und
dadurch seinen Job verliert. Der Film, der damals erfolgreich in den Kinos
gezeigt wurde, montierte einen perfekten, erfolgreichen Anwalt, der in einer
monogamen Beziehung lebt, alles für seine Familie tut und für sein Recht
kämpft. Die Produzenten von „Will & Grace“ haben sich in der ersten
Staffel dem gängigen Muster gebeugt und haben den schwulen Figuren ihre
Sexualität aberkannt, mit dem Vorhaben, zuerst die Figuren als sympathisch
zu etablieren. Die Geschichten, die in der ersten Staffel erzählt werden,
reduzieren sich auf Konflikte der vier Charaktere und lassen andere Formen
von Gesellschaft außen vor. Die vier Figuren befinden sich in den
Dreißigern und die Geschichten, die sie vorher erlebt haben, haben keinen
großen Stellenwert für die gezeigte Handlung. In dem Mikrokosmos der vier
Charakter ist die Homosexualität von Will und Jack zwar allgegenwärtig,
jedoch in ihrer Form normal. Diese Repräsentation ist positiv zu bewerten
und zeigt bereits die Tendenz, die sich in den späteren Staffelverläufen
erkennen lassen. Die erste Staffel endet damit, dass Will und Grace sich
entschließen wieder getrennte Wohnungen zu beziehen, da sie das Gefühl
haben sich gegenseitig im Weg zu stehen, auf der Suche nach der großen
Liebe.

86
5.2 Heterosexualität ist falsch – Wenn Homosexuelle
Hegemonie ausüben

In Staffel zwei ändert sich die Repräsentation vom perfekten Schwulen hin
zum Homosexuellen, der in seiner Lebenswelt Situationen erlebt, die das
Mainstream-Publikum noch nicht gekannt hat. Während in Staffel eins den
Figuren keine Liebschaften, Dates oder sogar eine Beziehung zugestanden
wird, so entwickeln sie sich immer mehr zu dreidimensionalen
Repräsentationen von homosexueller Kultur und ihren Individuen.
Homophobie und der Druck, der auf Individuen lastet, sich der Gesellschaft
anzupassen wird völlig ausgeklammert. Diese gesellschaftliche Norm wird
auch immer wieder subversiv repräsentiert. In einer Szene organisieren Will
und Jack den Junggesellenabschied für einen heterosexuellen Freund. Den
beiden will für diesen Abend kein Konzept einfallen, außerdem wissen sie
nicht wirklich, was an so einem Männerabend passiert.

WILL: Ok, bachelor party. Let's review what we got so far.


"8:00, the guests arrive. 8:30, something fun happens." Um...
My name in bubble letters, and then a picture of a man on a
donkey. I got nothing. (Will zeigt Jack den Zettel)

JACK: Oh, my god. I got a donkey, too. Well, you know why
we're blocked. 'Cause heterosexual marriage is just wrong. I
mean, if God had intended man and woman to be together, he
would've given them both penises.

WILL: I believe I heard Pope Ru Paul II say that.

WaG E2.18 24:43 – 25:27

Will organisiert eine Stripperin in enger Lederkleidung. Diese soll für den
zukünftigen Bräutigam tanzen und strippen. Dieser hat jedoch kein
Interesse, also beschließt Jack sich zur Verfügung zu stellen. Eine Szene
später rennt Jack verängstigt aus der Wohnung, Will folgt ihm.

87
WILL: Jack, what's going on? Why'd you run out in the middle
of your lap dance? Does your ass have attention deficit
disorder, too?

JACK: Will, something really bad happened. I got, uh... I


got...(flüsternd) excited.

WILL: You mean, excited like "I want to wear what she's
wearing" excited?

JACK: No! Excited the way the 3 of the 4 Baldwins and one of
the 2 Quaids get me excited.

WILL: Oh, my God. It's finally happened. You've gotten so


gay, you've looped around to straight again.

JACK: This isn't funny! Nothing like this has ever happened
to me before. I'm really freaked out right now.

WaG E2.18 31:13 – 32:02

Die Gefühle, die Jack dabei empfindet, verwirren und beängstigen ihn.
Diese Szene vereint Ironie mit Intertextualität und Subversivität. Jack ist
sich seiner Sexualität nicht mehr sicher, einer Identitätseigenschaft, die für
ihn immer besonders wichtig und gefestigt war. Er ruft Karen, seine beste
Freundin zu Hilfe.

JACK: Oh, Karen!

KAREN: I know. I know, honey. Will told me. Listen, I'm sure
it was just a fluke or an allergic reaction. I mean, Stan's
head swells when he eats a peanut.

WaG E2.18 34:36 – 34:45

Karen versucht herauszufinden, wodurch Jack beim Strip erregt wurde. Sie
versucht die Situation zu rekonstruieren und beginnt für Jack zu tanzen. Der
fühlt jedoch nichts dabei.

JACK: It's no use. I'm a freak! I'm an aberration. I'm a man


that gets turned on by... women.

KAREN: But not by me? You know, that hurt. You should really
be careful what you say. You should realize that words are
weapons, you little sissy! Now, wake up down there!

JACK: Karen! This isn't about you. This is about me and this
sickness I have.

88
WaG E2.19 35:45 – 36:14

Jack nennt sein heterosexuelles Begehren krank und bezeichnet sich selbst
als abweichend von der Norm („I´m an aberration“). In der oben
beschriebenen Szene stellt sich heraus, dass die Stripperin transsexuell ist
und ihre geschlechtsangleichende Operation erst vor sich hat. Darüber ist
Jack erleichtert. Dieses subversive Element wird im weiteren Staffelverlauf
immer wieder aufgegriffen. Heterosexualität als von der schwulen Norm
abweichend. Die dominante Ideologie reproduziert immer wieder die
naturalisierte Heterosexualität als normal. In der Serie wird diese subversiv
untergraben. Dadurch entsteht in der Serie eine neue gesellschaftliche
Hierarchie, bei der der Homosexuelle Hegemonie ausübt. Die
Homosexualität wird als etwas Konstantes repräsentiert. Jack und Will sind
die gesamte Serie über homosexuell, während Karens Sexualität
beispielsweise als stetig wechselnd konstruiert wird. In Staffel drei bietet
eine Folge einen Rückblick auf die Figuren in den achtziger Jahren. Karen
tanzt in einem angesagten Club mit verschiedenen Männern und gesteht
ihnen, dass sie einen anderen Mann liebt. Später kommt Martina
Navratilova zu Karen. Karen gesteht ihr, dass sie sich in einen Mann
verliebt hat.

KAREN: Oh, Martina.

MARTINA: Karen, where have you been? I've missed you.

KAREN: Oh, honey, listen. I've got some bad news. I can't
marry you. I'm in love with someone else.

MARTINA: But, Karen, I was straight before I met you.

KAREN: Well, that's the way the cookie crumbles, Marti.

WaG E 3.07 57:32 – 57:55

Die instabile Heterosexualität ist auch in Staffel zwei bereits Thema. In der
letzten Folge verliebt sich Jack in einen jungen Mann, der eine religiöse
Gruppe leitet. Diese Gruppe besteht aus „ehemaligen Homosexuellen“, die
durch gemeinsame Gruppengespräche und –treffen auf den richtigen,

89
homosexuellen Weg kommen möchten. Jack und Karen besuchen dieses
Meeting und geben sich als verheiratetes Paar aus, welches vorher auch
homosexuell war. Anfänglich gibt sich Jack extrem männlich, gibt vor sich
für Frauen und Football zu interessieren. Seine Intention ist es, dem
Gruppenleiter näher zu kommen. Währenddessen gibt Karen den anderen
Frauen Unterricht in Styling und Make-up. Die Instabilität der Gruppe führt
zu ihrem Zusammenbruch. Jack und der Leiter der Gruppe sitzen auf einer
Couch und sehen sich ein Footballmatch an.

JACK: Yeah. So, wanna hit the showers?

BILL: What?

JACK: You know, like they're doing.

BILL: Jack, I don't think that's appropriate.

JACK: What are you talk. It's just a couple of naked straight
guys soaping each other down.

BILL: Ok, I have to say something here. The back-slapping and


the head-rubbing was one thing, but the ear-blowing and the
butterfly kisses are not standard NBA practice. And now this
shower thing.

JACK: What are you implying?

BILL: You're coming on to me.

JACK: What? I am shocked and appalled. But are you


interested?

BILL: You think that you can just come in here and use this
group, this group that puts people back on the path of
righteousness, as some kind of dating service?

JACK: I just need a yes or a no.

BILL: No! And I wanna make something crystal clear to you and
to everyone else in this room. (spricht zu allen) Excuse me.
We are here to lead normal, heterosexual lives. Man and woman
are meant to be together. So anyone here who has a misguided
notion that Welcome Back Home is some kind of a--a gay pick-
up joint, you can just leave right now.

(Alle verlassen den Raum bis auf Bill, Jack und Karen.)

90
KAREN: Well, look at 'em go. I haven't seen a stampede like
this since Pamplona. Oh, my god, listen to me. I'm a funny
lesbian. I'm Ellen! [Karen verlässt den Raum.]

BILL: (zu Jack) Well, as long as it's a heterosexual soap-


down.

WaG E2.22 38:50 – 40:33

Diese Szene greift die Instabilität dieser Gruppen an, die in Amerika
durchaus erfolgreich agieren. Durch den Glauben an Gott und die ethischen
Regeln der Kirche soll den Mitgliedern, der „richtige Weg“ gezeigt werden.
Beachtlich an dieser Szene ist, dass der Charakter Bill, von Neil Patrick
Harris gespielt wird. Dieser hatte sein reales Outing noch nicht hinter sich.
Ebenfalls nach ihrem Outing hatte Ellen Degeneres ebenfalls einen Auftritt
in der dritten Staffel. Ironischerweise spielt sie in einer Episode eine Nonne,
die Graces Auto kaufen möchte. Grace möchte das Auto jedoch
zurückkaufen und sie treffen sich in Queens um die Nonne zu bitten, das
Auto zurückzugeben. Ellen Degeneres, die offen lesbisch lebt und ihre
Prominenz für politische Belange nutzt reagiert auf die Bitte wie folgt:

SISTER LOUISE: My family sent me to a convent when I was


three. Actually, they told me I was going to the zoo. I was
all excited. They got me dressed up, gave me a lollipop, I
ended up here. All I wanted to do was see the penguins.
Ironic, isn't it? What's sex with a man like?

WILL: It's good, actually--

GRACE: I've loved it--

WILL: If you find the right guy--

GRACE: Ever since the first time--

GRACE: It's nothing really--

WILL: It's no big deal--

GRACE: You just lie there.

WILL: You're not really missing anything.

WaG E3.14 32:01 – 32:41

91
Die Frage nach dem Sex mit einem Mann, kann hier auf zweierlei Arten
verstanden werden. Da Nonnen zölibatär leben, wäre die Frage
gerechtfertigt. Zweitens kann die Frage auf die reale Person, Ellen
Degeneres, bezogen werden. Diese Mischung aus Kirche und
Homosexualität bietet ein breites Spektrum an Bedeutungen. Die Figur der
Nonne, hätte von jeder beliebigen Schauspielerin gespielt werden können.
Die Wahl Ellen Degeneres für die Rolle zu engagieren bot Zündstoff für die
Sendung, um ein größeres Publikum zu erreichen, da damit die indirekte
Erwartung von Frauen, sich mit Männern sexuell zu vergnügen, subversiv
kritisiert wird. Ein weiteres Beispiel für die subversive Unterwanderung der
herrschenden Hegemonie findet sich in Staffel vier. Jack möchte den
Sommer zusammen mit dem Manhattan Gay men´s Chor in Europa
verbringen. Ein Casting soll den Teilnehmer für diese Reise ermitteln. Jack
und ein hübscher, junger Mann bleiben als mögliche Sänger übrig. Jacks
Intuition lässt ihn aufhorchen und er erkennt im Kontrahenten (gespielt von
Matt Damon) einen heterosexuellen Mann.

JACK: [Stimme aus dem Off] Hmm, helping Burton was good
karma, but how can I get rid of this guy? What's the one
thing that could keep him out of the Gay Men's Chorus?

[Die weibliche Assistentin des Chorleiters tritt aus dem Raum


und kommt an Owen vorbei. Im Hinausgehen schaut er ihr auf
den Hintern.]

OWEN: Hey.

ASSISTANT: Hey.

JACK: [schnappt nach Luft] Anne Heche-Laffoon! He's straight!

WaG E4.16 01:10:36 – 01:10:54

Anne Heche ist eine amerikanische Schauspielerin, die ihr öffentliches


Outing als lesbische Frau zur gleichen Zeit hatte wie Ellen Degeneres. Die
beiden waren zu dieser Zeit ein Paar (siehe dazu Kapitel 3.3.5). Ihre
sexuelle Identität, die nach dem Ende ihrer Beziehung zu Degeneres nicht
mehr eindeutig war und später einen Mann geheiratet hat, wird hier als
intertextuelles Element verwendet. Immer wieder werden prominente

92
Figuren oder reale Begebenheiten in der Sendung thematisiert, von
prominenten Beziehungen, über Popsongs bis hin zum amerikanischen
Präsidenten.

In der oben beschriebenen Szene versucht Jack den Kontrahenten vom


Casting als heterosexuell zu outen. Bei einem Singduell eskaliert die
Situation.

JACK: Stop it! Stop it! Stop it! Stop it! I can't take it
anymore! This man is straight!

[Alle im Raum schnappen nach Luft und fassen sich mit der
Hand an die Brust.]

OWEN: You're crazy! I'm as gay as the locker room at the Ice
Capades! This is just your pathetic attempt to eliminate the
competition. And besides, I think Jack is the straight one.

[Wieder erschrecken alle und fassen sich mit der Hand an die
Brust]

JACK: I have never been accused of something so heinous!


[Jack kichert] Heinous. How dare you, sir?! You are an
impostor!

WaG E4.16 01:23:57 – 01:24:27

Dieser Dialog spiegelt die Hierarchie, die in der Serie immer mehr
erkennbar ist. Vom heterozentrierten Blick, dem die schwule Welt erklärt
werden musste, hat sich die Erzähldramaturgie dahin entwickelt, dass das
alltägliche Leben aus Sicht der homosexuellen Charaktere gezeigt wird.
Wichtig dabei ist, dass die Drehbuchautoren/innen nie den
freundschaftlichen Zusammenhang zwischen Will und Grace vergessen
haben. Die in diesem Kapitel beschriebenen Szenen haben gezeigt, dass
stereotype Repräsentationen zum Einen dazu dienen können, alte Strukturen
zu festigen. Da diese Strukturen nur den Anschein haben, naturalisiert und
normal zu sein, sind sie brüchig und instabil. Diese Instabilität wurde im
Serienverlauf immer wieder als Thema eines Erzählstrangs aufgegriffen.
Durch die schrittweise Annäherung an die Charaktere bildet sich Sympathie
und dadurch die Möglichkeit Identifikationsmöglichkeiten zu finden, ob es

93
nun der Beruf, die sexuelle Orientierung oder die Gesellschaftsschicht ist.
Dabei hat ‚Will & Grace’ mit seiner intertextuellen, polysemen Erzählform
ein neues Level erreicht. Die Möglichkeit, homosexuelle Menschen
kennenzulernen ist im Fernsehen einfacher als in der Realität. Personen, die
sich noch nie mit Homosexualität und dem damit inkludierten Lifestyle
auseinandergesetzt haben, können dies durch die Rezeption der Sendung
tun. Durch die Hetero-Homofreundschaft in der Serie ergibt sich eine
Möglichkeit, Schwule zu sehen, kennenzulernen und gegebenenfalls mit
oder über sie zu lachen. Durch die Distanz, die durch das Medium entsteht
muss niemand Angst haben, in der Realität als homosexuell bzw. homophil
identifiziert zu werden. Erst wenn dieses Publikum erreicht wird, besteht die
Möglichkeit, die Figuren dreidimensionaler bzw. schärfer zu zeichnen.
Dinge, die vormals abgeschreckt hätten, können nach dieser
‚Kennenlernphase’ thematisiert werden. Natürlich darf nicht vergessen
werden, dass das Genre ‚Sitcom’ immer seine Grenzen hat. Explizite
Sexualität kann und wird in keiner Sitcom repräsentiert, da es das Genre
nicht verlangt. Kritiker haben oftmals die Repräsentation von
Homosexualität bei ‚Will & Grace’ thematisiert. Der Vorwurf lautete immer
wieder, dass Will keinen Mann küssen darf, dass keine homosexuellen
Zärtlichkeiten sichtbar waren. Dieser Vorwurf ist zu einfach formuliert und
darf Faktoren wie Wirtschaftlichkeit des Senders, geografische-,
soziokulturelle- und bildungsabhängige Faktoren nicht ausblenden. Eine
Sendung, hat die Aufgabe möglichst viele Identifikationsmöglichkeiten
anzubieten um eine möglichst hohe Einschaltquote zu erlangen. Erst muss
sich der gesellschaftliche Zugang zu queeren Thematiken ändern, dann kann
das öffentlich-rechtliche Medium darauf reagieren. Im nächsten Kapitel
wird die Frage beantwortet, ob eine Konvergenz von authentischer
Repräsentation und antizipatorischer Repräsentation in der Serie möglich ist
oder ob die Art der Repräsentation immer im jeweiligen soziokulturellen
Kontext gesehen werden muss.

94
5.3 Ausschluss oder Konvergenz von authentischer-
und antizipatorischer Repräsentation bei ‚Will &
Grace’
In den vorangegangen Kapiteln wurde gezeigt, wie die Produzenten der
Serie mit homosexuellen Diskursen umgegangen sind, bzw. welche
Diskurse aus der Serie verbannt wurden um ein wirtschaftlich erfolgreiches
Produkt zu produzieren. Weiters wurden subversive Elemente exemplarisch
herangezogen um die Polysemie und Intertextualität der Serie
hervorzustreichen. All diese Beobachtungen wurden diskutiert um die Frage
zu beantworten, ob sich authentische- und antizipatorische, dem
heterosexuellen Publikum angepasste Repräsentationen ausschließen oder
ob ein Konsens gefunden werden kann. Nun stellt sich die Frage was unter
authentischer Repräsentation und antizipatorischer Repräsentation
verstanden wird.

Die Begriffe ‚authentische Repräsentation’ und ‚antizipatorische


Repräsentation’ sind möglicherweise sehr plakativ gewählt, vielleicht sogar
provokativ. Die Frage nach Ausschluss und Konvergenz dieser beiden
Begriffe sind aber durchaus bewusst gewählt. Das Forschungsobjekt ‚Will
& Grace’ ist eine Sitcom und charakteristisch für diese Form von
Fernsehsendung ist die überspitzte, gefilterte Darstellung von Identitäten
und ihren Konflikten. Durch die Konstellation der Seriencharaktere
entstehen völlig neue Situationen, die vorher in Sitcoms noch nicht oder nur
unterschwellig behandelt wurden. Zunächst ist es für die Fragestellung
wichtig die Begriffe ‚authentische Repräsentation’ und ‚antizipatorische
Repräsentation’ zu definieren. Unter authentischer Repräsentation kann eine
dreidimensionale Darstellung von Figuren verstanden werden, die es
ermöglicht, sich mit diesen Figuren zu identifizieren. Geschlecht, religiöse
Zugehörigkeit, sozialer Status, all diese Dinge finden Platz in der
Repräsentation. Antizipatorische Repräsentation kann als ein Kompromiss

95
verstanden werden, der geschlossen wird um sich dem ‚allgemeinen
Geschmack’ anzupassen. In dieser Arbeit wurden schon Beispiele erwähnt,
wie antizipatorische Repräsentation funktionieren kann. Beispiele wie die
Aberkennung von Sexualität, oder die Limitierung von Begehren haben in
der Vergangenheit gezeigt, dass Repräsentationen sich dem
gesellschaftlichen Diskurs immer wieder unterordnen mussten. Der
gesellschaftliche Kampf um eine angemessene Repräsentation in den
Massenmedien ist ein Kampf vieler Subkulturen. Durch das Bilden von
Netzwerken innerhalb der Massenmedien, durch den Druck der dadurch
ausgeübt werden kann, haben sich die Möglichkeiten der authentischen
Repräsentation im Vergleich zu vorher enorm gesteigert. Daher wurde die
Forschungsfrage wie folgt formuliert: Schließen sich authentische
Repräsentationen und antizipatorische Repräsentationen in ‚Will & Grace’
aus oder kann ein Konsens gefunden werden?

In den vorangegangenen Kapiteln wurden die diversen Formen der


Repräsentation und die Diskussion über diese bereits skizziert. Will
Truman, der als hyperritualisierter Homosexueller kein eigenes Sexualleben
hat, zu Jack Mc Farland, der stereotype Vorurteile in seinen Handlungen
immer wieder reproduziert. Wichtig ist, nicht zu vergessen, dass Sexualität
eine geringe Prozenteinheit an einer Persönlichkeit inne hat. Die
Vergangenheit hat bereits gezeigt, dass die Abgrenzung aufgrund dieses
einen Persönlichkeitsmerkmals funktionieren kann. Die Sichtbarmachung in
den Massenmedien, die Schaffung eines Netzwerks innerhalb der Gay-
Community hat dazu geführt, ‚DER’ Homosexualität Gesichter zu geben
und sich dadurch sichtbar und identifizierbar zu machen. Der medial
sichtbarste Höhepunkt war in den neunziger Jahren die Repräsentation von
Will Ende der neunziger Jahre. Die Serie hat gezeigt, dass innerhalb eines
Seriengenres eine Entwicklung möglich ist, dass die Schärfung der
Charaktere, die Zielgruppe nicht einschränkt, sondern sogar vermehren
kann. Erzählstränge in den finalen zwei Staffeln haben sichtbar gemacht,
dass Fiske durchaus recht mit der Annahme hat, dass sich gesellschaftliche

96
Veränderungen nicht im Fernsehen stattfinden, sondern, dass sie durch das
Fernsehen teilweise beschleunigt oder verlangsamt werden können (vgl.
Fiske, 2003, S.45). ‚Will & Grace’ ist in seinem Genre über Grenzen
hinausgegangen und hat häppchenweise die Grenze überschritten, sei es
jetzt durch politische Witze, durch satirische Elemente oder durch
intertextuelle Dialoge, die einen Bezug zur realen Welt hergestellt haben.
Die narrative Mischung aus Lebenswelten Homosexueller und
Heterosexueller hat den Erfolg dieser Serie ausgemacht.

97
6 Zusammenfassung

Die Cultural Studies haben dieser Arbeit den interdisziplinären,


wissenschaftlichen Rahmen gegeben um meine Forschungsfragen zu
beantworten. Kultur wird in den Cultural Studies, wie in der Einführung
bereits besprochen, immer politisch gesehen. Politisch in dem Sinn, dass
jede Repräsentation von Homosexualität von gesellschaftlichen Diskursen
abhängig ist. In der Arbeit wurde skizziert, wie sich die Repräsentationen in
den letzten sechzig Jahren im amerikanischen Fernsehen dargestellt und
verändert haben. Der öffentliche Diskurs war zu jeder Zeit geprägt von den
gesellschaftlichen und kulturellen Werteverständnissen der jeweiligen Zeit.
Es wurden exemplarisch Sendungen analysiert und diskutiert.

Als besonders wichtig erachte ich die Analyse der Repräsentationen im


Laufe der letzten 5 Dekaden. Die Serie ‚Will & Grace’ als kulturelles
Produkt, die als Grundlage der empirischen Auseinandersetzung
herangezogen wurde, bietet durch ihren gesellschaftlichen Kontext, einen
brauchbaren Rahmen um die Frage nach Ausschluss und/oder Konvergenz
von antizipatorischer und authentischer Repräsentation zu untersuchen.
Konkret war damit gemeint, ob es möglich ist, im öffentlich rechtlichen
Fernsehen authentische Repräsentationen von Homosexualität anzubieten,
die Identifikationen nicht nur für homosexuelle Rezipienten/Innen
ermöglichen. Durch das stufenweise Heranführen des inhomogenen
Publikums an homosexuelle Figuren und ihre Lebenswelten konnten
Grenzen überschritten werden, die vorher Tabu waren. Die Taktik, die
Figuren zuerst sympathisch zu konstituieren, um dann narrativ in die Tiefe
zu gehen, ist bei dieser Serie voll aufgegangen. Die Darstellung des
homosexuellen Hauptdarstellers der Serie zu Beginn der Serie, hat gezeigt,
wie Repräsentationen dazu genutzt werden können, Sympathien und
Identifikationsmöglichkeiten bereitzustellen. Die hyperritualisierte
Konstruktion der beiden schwulen Charaktere bot zwar anfänglich

98
Angriffsfläche von beiden Seiten der Gesellschaft – Gegner und
Befürworter – nahm jedoch beiden Parteien den Wind aus den Segeln. Die
Darstellung wurde zwar beibehalten, die Geschichten wurden jedoch breiter
gefächert. Schwuler Lifestyle und ein Blick auf die Welt aus queerer Sicht,
waren neu und innovativ für das amerikanische Fernsehen zur Primetime.
Aus dieser Grundlage ergab sich eine Möglichkeit, der Gesellschaft einen
Spiegel vorzuhalten. Der gesellschaftliche Druck, der noch immer auf
homosexuellen Schultern lastet, wurde umgedreht, die hegemone und die
Hegemonie ausübende Gesellschaftsgruppierung wurde umgekehrt. Die
markanteste Umkehr sei hier erwähnt. Die gesellschaftliche Dichotomie, die
Unterscheidung in ‚wir Heterosexuelle’ und ‚die Homosexuellen’ wurde in
der Serie öfter als einmal torpediert. Homosexualität war in allen Staffeln
hindurch eine konstante Identitätsform, während Heterosexualität durch
kleinste Erschütterungen zusammengebrochen ist. Natürlich ist dieses
narrative Aufbrechen von Denkmustern schon öfter im amerikanischen
Fernsehen passiert, jedoch war das Genre und die subversive
Herangehensweise neu. Die für diese Arbeit diskutierten Beispiele haben
gezeigt, wie gesellschaftliche Diskurse herangezogen, unter dem
Deckmantel des Humors verstärkt und dann ins Gegenteil umgekehrt
wurden.

Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass Diskurse über Homosexualität, wie
alle gesellschaftlichen Themen, einem Wandel unterzogen wurden. Von der
Unsichtbarkeit, hin zur ‚zur Schau Stellung’ des/der Homosexuellen, bis zur
dreidimensionalen Repräsentation. Wenn die amerikanische Fernsehkultur
auf homosexuelle Repräsentationen hin durchleuchtet wird, so kann
festgestellt werden, dass die Quantität zwar abnimmt, die positive
Repräsentation jedoch immer mehr in Serien, Fernsehfilmen und in Shows
Einzug findet. Als positive Beispiele für angemessene, faire Repräsentation
seien hier an dieser Stelle Sendungen wie, ‚Runaway Project’, Brothers &
Sisters’ und ‚Desperate Housewives’ genannt, die durch authentische und
subversive Repräsentationen von Homosexualität, Quote bringen und nicht

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nur homosexuelle Rezipienten/Innen hinter sich wissen kann. Die
Konstitution von neuen Fernsehnetworks, die sich an der queeren
Zuschauergruppe orientieren und für dieses Zielpublikum angepasste
Sendeformate anbietet, zeigt, dass damit sehr viel Geld verdient werden
kann. Sender wie Showtime22 und BRAVO zeigen, dass dem Zuschauer
mehr zugemutet werden kann als antizipatorische Repräsentationen der
Welt. Sendungen wie ‚Queer as folk’ und ‚The L-Word’ sind nicht nur in
Amerika beliebte Sendungen, die von einer inhomogenen Zielgruppe
verfolgt wird, die Serien haben auch im europäischen Fernsehen Zuschauer
gefunden. Auch in Deutschland, gibt es mittlerweile einen rein schwulen
Sender (TIMM). Wichtig finde ich jedoch die ausgewogene Auswahl an
Identifikationsmöglichkeiten in den Sendungen der queeren Sender.
Einseitige Repräsentationen aus schwuler Sicht verklären oftmals den Blick
auf die gesamte Gesellschaft und ihre Probleme. Es sollte immer im
Vordergrund der Mensch stehen und dann seine sexuelle Orientierung.
Sendungen wie ‚Queer as folk’ sind in der schwulen Zielgruppe zwar höchst
beliebt, der Blick auf die Gesellschaft wurde speziell bei ‚Queer as folk’
extrem eingeengt. Als Forschungsempfehlung hat sich während der
Recherche an dieser Arbeit, die Frage nach Sichtbarkeit von Bisexualität in
der Gesellschaft herauskristallisiert. Die dichotome Denkweise, die sich in
unserer westlichen Gesellschaft verankert hat, wird beim Thema
‚Bisexualität’ auf eine neue Probe gestellt.

22
Showtime ist heute ein Tochterunternehmen von CBS.

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