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Sommersemester 2010
vorgelegt von
1
Heranführung! 3
Mittelalterliche Konzeptionen! 8
Christentum! 8
Moderne Askese! 13
Max Weber! 13
Askese heute! 13
Fazit! 15
Bibliographie ! 16
Online-Quellen:! 16
2
I. Heranführung
„Wir halten auch die Selbstgenügsamkeit für ein großes Gut, nicht um uns in jedem
Fall mit wenigem zu begnügen, sondern dait wir, wenn wir das Viele nicht haben, mit
dem Wenigen auskommen, in der echten Überzeugung, daß jene den Überfluß am
süßesten genießen, die seiner am wenigsten bedürfen, und daß alles Naturgemäße
leicht, das Sinnlose aber schwer zu beschaffen ist […].“
– Epikur1
Wir leben in einer „Zuvielisation“, die durch ihren allgegenwärtigen Überfluss und die
dadurch entstehenden Kollateralschäden an Mensch und Umwelt immer wieder Menschen
zu einer inneren Umkehr bewegt, diesem Überfluss zu entsagen und sich dem
zuzuwenden, was wir als Askese kennen.
Askese. Der aus dem Griechischen stammende Begriff bedeutet so viel wie Übung und
beschreibt eine enthaltsame, entbehrungsreiche, aber selbst gewählte Lebensweise.
Armut, Keuschheit, Schweigen, Demut, Meditation, Kasteiung – all dies sind asketische
Tugenden, die sich der Asket selbst auferlegt.
Solche asketischen Lebensweisen kennen wir aus vielen Religionen, asketische
Handlungen umgeben uns selbst: Das Osterfest, dem eine Fastenzeit voraus geht; der
Fastenmonat Ramadan der Muslime oder der Sabbat der Juden. Auch der
Konsumverzicht umweltbewusst lebender Menschen kann als eine solche Form der
Askese gelten.
Welche Kontinuitäten und Evolution gibt es aber in der Begründung von Wohlstandskritik
und asketischen Lebensweisen seit der Antike? Und in welchem Verhältnis stehen diese
historischen und religiösen Formen der Askese zu einander und zu modernen Formen des
„einfachen Lebens“?
In der vorliegenden Arbeit will ich auf diese Fragen eingehen und berufe mich aufgrund
der schwierigen Quellenlage dabei vorwiegend auf Axel Michaels, der in seiner
„Kulturgeschichte der Askese“2 eine hervorragende Übersicht über die großen
Weltreligionen und ihnen eigene Formen der Askese bietet.
Dabei folge ich einer chronologischen Ordnung, von der Antike, dem Buddhismus und
Hinduismus, über das Judentum, das Christentum und den Islam bis hin zur
Religionssoziologie und der Kritik an modernen Formen der Askese. Abschließend möchte
ich ein kurzes Fazit aus den vorherigen Darstellungen ziehen.
Nach Platon ist es die Aufgabe der Philosophie, den Menschen von seinem Streben nach
Reichtum, Macht und dem Erfüllen jedweder Begierden zu befreien um ihm so ein
tugendhaftes Leben zu ermöglichen. Aristoteles formuliert als höchstes Ziel die
eudaimonia. Das Streben nach Glück und Gutem Leben schließt aber für Aristoteles ein
Leben nach den persönlichen Leidenschaften aus, also ist z.B. die Güterakkumulation
ungeeignet zur Erreichung der Glückseligkeit.
„Die Ursache solcher Denkweise aber liegt darin, daß die meisten Menschen nur um
das Leben und nicht um das vollkommene Leben sorgen, und da die Lust zum Leben
ins Endlose geht, so trachten sie, auch die Mittel zum Leben bis ins Endlose
anzuhäufen. [...] Jene Art von Leuten macht alles zu Mitteln des Gelderwerbs, als wäre
dies der Zweck.“3
In einem von Platon rekonstruierten Streitgespräch zwischen Sokrates und Adeimantos
kommen beide Denker zu dem Schluss, dass sowohl Armut als auch Reichtum zu
Verwerfungen und Maßlosigkeit führen.4
Manfred Stammel erläutert, dass für Aristoteles aber zur Vervollständigung der
Glückseligkeit dennoch eine ausreichende Ausstattung mit materiellen Gütern gehört,
sowie Gesundheit, verlässliche Freunde und andere Glücksgaben, die ein
menschenwürdiges Leben erst ermöglichen.5 Das Maß für die Bedürfnisse ist dabei die
moralische Klugheit (griech. phronesis). Die Polis, so Aristoteles, benötigt ein Mindestmaß
an Gütern, denn sie soll ihre Bedürfnisse im Großen und Ganzen mit eigenen Mitteln
erfüllen. Es gilt das Ideal der Selbstgenügsamkeit, griechisch autarkeia. Für Aristoteles ist
nur der autarke, der sich selbst genügende Staat, frei, d. h. er ist nicht abhängig von
anderen Staaten. Hat man zu wenig, so verstellt die Sorge um das tägliche Brot den Blick
auf die Belange der Polis, hat man zu viel, so zeigt man damit einen Mangel an
phronesis.6
In diesen antiken Gedanken zum Wohlstand verbirgt sich keine direkte Veranlagung zur
Askese, sie zeigen aber deutlich, wie eng unser heutiger Wohlstandsbegriff mit der
Die ersten Hinweise auf asketische Lebensweisen finden sich im Hinduismus, als ab ca.
850 v.Chr., der so genannten spätvedischen Zeit, asketische Heilige Zulauf von Gläubigen
erhielten, die in der Kunst des einfachen Lebens unterrichtet werden wollten.
Die Asketen beschritten hierbei einen neuen Weg, nämlich ein Selbstopfer zu werden, um
dieErlösung zu Lebzeiten zu erlangen.7 Aus der Tradition der Exilierung der Alten entstand
eine Bewegung jugendlicher Asketen.
Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Städte ging auch die Entwicklung der asketischen
Weltflucht durch die urbane Vereinzelung einher.
Axel Michaels unterscheidet drei Formen der Askese im alten Indien:
Die Hausaskese, die die vorübergehende Entsagung im alltäglichen Leben bedeutet; die
Waldaskese, welche eine strenge körperliche Kasteiung voraussetzt und die
Wildnisaskese, die einen systematischen und radikalen Rückzug vom Leben bedeutet und
zur Erlösung von der Wiedergeburt führen soll.8 Mit der Zeit vermischten sich diese
Askese-Formen und manifestierten sich gemeinsam in den klösterlichen Gemeinschaften.
Diese mönchischen Organisationen basierten auf der Einhaltung der strengen asketischen
Vorschriften und hatten Gurus als Äbte und Verwalter an ihrer Spitze, die die Kunst der
asketischen Übungen beherrschten und vorlebten.
Im Buddhismus ist insbesondere der Jainismus als asketische Lebensart innerhalb des
Buddhismus bekannt. Begründet auf einem starken Dualismus zwischen Seele und Leib,
legen die Nachfolger des Gründers, dem Jina („Sieger“), die fünf Großen Gelübde der
jainistischen Askese ab 9: nicht zu töten oder Lebewesen zu schädigen, nicht zu lügen,
nicht Ungegebenes zu nehmen, keusch zu leben und an nichts anzuhaften oder
übermäßigen Besitz zu haben. Der Jinismus brachte auch einige Neuerungen in der
Reichweite seiner Askese; so praktizieren einige Mönche das Nacktgehen und das Fasten
bis zum Tode, das auch dem Konfessionsstifter nachgesagt wird.
Die Haare sind ein weiteres Merkmal des Asketen: bei Buddhisten und Hindus rasieren
sich die Laien eine Tonsur, bzw. das gesamte Haupthaar zur Initiation. Allerdings bedeutet
dies für die jungen Mönche eine soziale Ausgrenzung, da sie somit keine Opfer-, Erb- und
Heiratsberechtigung mehr besitzen.10
Die „Asketische Kultur ist auch die Kultur des Fastens, der Verweigerung bzw.
Einschränkung von Speisen und Getränken.“11 Für Asketen beginnt dies mit zeitlichen
Einschränkungen bezüglich der Nahrungsaufnahme: buddhistische Mönche etwa nehmen
ihre Speisen nur vormittags zu sich. Im Hinduismus finden sich Asketen, die sich nur von
Früchten und/oder Milch ernähren. Das bereits erwähnte Faste bis zum Tode bei
jainistischen Mönchen erklärt sich mit diesem Zitat des Religionsstifters Jina:12
„Ein Mönch, dem dieser Gedanke kommt: ,Fürwahr, ich werde es müde, in diesen
Zeitläufen diesen [meinen] Leib weiter herumzuschleppenʻ, der soll die
Nahrungsmenge immer mehr verringern, und hat er darauf ,die Leidenschaften klein
gemachtʻ, ,hat der Mönch mit Energie seinen Körper [darauf] eingestellt, ist er dünn
[geworden] wie ein Brett, ist sein Leib schon fast erloschenʻ, so soll er […] in die
Einsamkeit gehen. […] Hat er die Leidenschaften klein gemacht, so halte er aus mit
wenig Nahrung. Wenn der Mönch bei der [geringen] Nahrung erkrankt, so soll er nicht
zu leben begehren, aber auch nicht zu sterben verlangen: an beidem, Leben wie
Sterben, soll er nicht hängen.“
–Bambhaceraim 38, 20ff.; jainistischer Text vermutl. 3. Jh.
10 Ebd.: 20.
11 Ebd.: 22.
12 nach Michaels 2004: 24.
6
Dem zu Grunde liegt die buddhistische Dreikörperlehre, der zufolge dem materiellen,
unreinen Körper ein rein spiritueller, himmlischer Genuss-Leib gegenüber steht, durch den
die Erlösung möglich wird. Daraus ergibt sich der asketische Wunsch nach
Körperlosigkeit.
Wichtig für den Bezug zum menschlichen Körper ist für den Asketen die Unterscheidung
zwischen Mensch und Tier: während der Askese erfährt der Körper eine Abwertung, die
der Aufwertung der Seele dienen soll. Am deutlichsten wird die vom Asketen empfundene
Notwendigkeit der Reinigung durch Enthaltsamkeit im folgenden indischen Upanishad-
Text:
„Herr, dieser Körper ist aus sexueller Vereinigung entstanden, und bewußtlos kommt er
durch den Harnweg heraus wie in eine Hölle. Wie kann man in diesem übelriechenden,
substanzlosen Körper, der zusammengesetzt ist aus Knochen, Haut, Muskeln, Fett,
Fleisch, Samen, Blut, Schleim, Tränen, Urin, Kot, Wind, Galle und Phlegma Freuden
genießen? Wie kann man in diesem Körper, der befallen ist von Begierde, Haß, Gier,
Verblendung, Angst, Depression, Neid, Trennung von Geliebtem und Vereinigung mit
Ungeliebtem, Hunger, Durst, Alter, Tod, Krankheit, Trauer und so weiter Freuden
genießen?“ 13
Nicht zuletzt ihr Verhältnis zu Besitzstand und materiellen Gütern im Allgemeinen zeichnet
die Asketen aus. Buddhistische Mönche etwa betteln um Unterhalt, halten so aber
ständigen Kontakt zu den Laien (zu Zwecken der Missionierung) und müssen jede Gabe
annehmen. Bei Hindus gilt weniger Besitz als Schmuck, wenn er allerdings vom Guru
gesegnet wurde, ist auch ein geringer Besitzstand möglich, da er nicht als Besitz
angesehen wird.
„Man kann auch mit dem französischen Soziologen Louis Dumont sagen, daß in Indien
erst die Verweigerung von Gabe und Gegengabe Individualität möglich macht, weil
jede Transaktion den einzelnen in eine Gemeinschaft einbindet und dabei die
teilenden, tauschenden, konformen Aktivitäten höher bewertet werden als die
egoistischen und individualistischen. Nur derjenige, der nicht mehr geben, nehmen und
tauschen muß, ein Asket eben, ist nicht mehr ein Wesen der Gemeinschaft, ein
Individuum.“14
Die praktizierte Freigiebigkeit, die asketisches Nehmen ohne Gegenleistung ermöglicht,
wird erst in Reichtum und Überfluss möglich. In der höfischen Gesellschaft – wie der der
Im eigentlichen Sinn gibt es keine asketische Praxis im Judentum, da sowohl Tora als
auch der Talmud genaue Anweisungen darüber bereit halten, wie Sünde vermieden
werden kann. Allerdings gibt es trotzdem einige asketische Handlungen, die im rituellen
Leben vollzogen werden.
Das Fasten ist verbunden mit dem Purimfest (Est 9, 31), mit dem Versöhnungstag (Lev 16,
29-31; 23, 26-32) und dem Jahrestag der Eroberung Jerusalems (Sach 7, 3 ff.) (Feste: II).
Das bedeutet für die Gläubigen ein gemeinschaftliches Bußfasten mit anschließendem
Sündenbekenntnis. Gefastet wird außerdem in Verbindung mit der Totenklage; von Daniel
wird überliefert, dass er sich mit Fasten bereitet auf den Empfang einer Offenbarung
vorbereitete (Dan 9, 3; 10, 3. 12). Enthaltung vom Wein ist für die Priester vor der
Ausübung ihres Dienstes verbindlich (Lev 10, 9; Ez 44, 21) und Enthaltung vom
geschlechtlichen Umgang wird für das Nahen zum Gottesberg gefordert (Ex 19, 15).
Ebenfalls darf heiliges Brot nur genossen werden, wenn eine solche Enthaltung geübt
worden ist (1Sam 21, 5). Zudem gilt eine strenge Enthaltung von der Arbeit an Fest- und
Sabbattagen.15
Wie oben beschrieben, findet sich im Frühjudentum und dem Alten Testament kein
Askesegebot. Lediglich zu besonderen Anlässen, wie etwa vor kultischen Handlungen
wurde den Gläubigen eine gewissen Enthaltsamkeit abverlangt.
Der erste biblische Asket war Johannes der Täufer, der die Enthaltsamkeit als radikale
Buße vor dem nahenden Jüngsten Gericht predigte. Das Neue Testament kennt trotz des
Beispiels des Täufers keine Askesevorschriften: Jesus von Nazareth wird nicht als Asket
beschrieben. Seine asketischen Handlungen beschränken sich auf das zwischenzeitliche
Fasten und den Verzicht auf festen Wohnsitz, was allerdings nicht als Weg zur
Erleuchtung beschrieben, sondern als Notwendigkeit der Missionierung verstanden wird.
Auch Jesu Besitzlosigkeit und sein Umgang mit den Ausgestoßenen sind weniger
20 http://www.erzabtei.de/antiquariat/Benediktusregel.html#Kap_33 ; 11.08.2010.
21 Vgl. Michaels 2004: 158.
22 http://www.bibleserver.com/text/Matth%C3%A4us#/text/LUT/Matth%E4us10 ; 11.08.2010.
23 Vgl. Michaels 2004: 159.
24 Ebd.
10
katholischen Kirche galt allerdings erst ab dem 12. Jahrhundert das Zölibat für Priester,
was dem Einfluss der Bewegung der Imitatio Christi geschuldet sein dürfte.
Die Basis des islamischen Glaubens ist nach Johann Fück streng genommen nicht der
Monotheismus, sondern die Warnung vor dem Jüngsten Gericht, die der Gesandte und
Prophet Mohammed der Menschen überbringt.25 Daher gilt für die gläubigen Muslime eine
ständige Mahnung zur sittlichen Lebensführung.26
In der Sure 49, 14 wird die Unterscheidung zwischen aslama „Muslim sein“ durch den
Übertritt zum Islam im Gegensatz zu amana, „gläubig sein“, getroffen. Dies lässt darauf
schließen, dass eben die sittliche, gottgefällige Lebensführung und nicht das
Glaubensbekenntnis den Muslim ausmacht. Eine Anleitung für ein solches Leben gibt der
Koran, das Wort Gottes, dem Muslim.
Im Persischen steht das Wort „darwish“ (türkisch „derwish“, arabisch „faqir“) für das
deutsche Wort „arm“, “bedürftig“, daher die Bezeichnung Derwisch, bzw. Sufi für die
islamischen Mönche. Derwische und Sufis können vom zakat, dem Spendengebot, nicht
profitieren. Daher sind sie auf freiwillige Spenden angewiesen, die aufgrund der
potentiellen Drohung mit einem Fluch des Derwisches bereitwillig geleistet werden.27
Jedoch lassen sich Sufis und Derwische nicht als Asketen im eigentlichen Sinne
bezeichnen. Ein strikt enthaltsames Leben, das von Sünde reinigt, wird den Muslimen
nicht vorgeschrieben. Stattdessen gilt die Einhaltung der Gebote des Korans bereits als
ausreichend, um die Gnade Allahs zu erlangen.
„Namhafte Führer des Sufiweges wie Sufyan ath-Thawri betrachteten die Aktivität
eines Herzens, das mit der Billigung Gottes und Seinem Wohlgefallen angefüllt und
weltlichen Ambitionen gegenüber verschlossen ist, als wahre Askese, und nicht den
Umstand, dass man sich mit einfacher Nahrung und Kleidung zufrieden gibt. Ihnen
zufolge gibt es drei Zeichen, an denen man einen wahren Asketen erkennen kann:
1. Weltliche Dinge, die er erwirbt, bereiten ihm keine Freude, und weltliche Dinge, die
er versäumt, bereiten ihm keinen Kummer.
2. Wenn man ihn lobt, ist er darüber nicht erfreut; kritisiert man ihn, ist er darüber nicht
erbost.
25 Fück 146.
26 Ebd.: 151.
27 Vgl. Michaels 2004: 67.
11
3. Er zieht den Dienst an Gott und den Aufenthalt in Seiner Gegenwart allem anderen
vor.“ 28
Der Islam beschränkt sich gegenüber dem Christentum bezüglich seiner Vorschriften nicht
auf nur auf das Glaubensleben, sondern bietet dem Muslim ein umfassendes Regelsystem
für das sittliche Leben der Menschen. Die islamische Lebensordnung (arab. nizam) basiert
auf dem Koran, darüber hinaus gibt es aber zahlreiche Schilderungen über das
tugendhafte Leben des Propheten in der Sunna. Außerdem bildet die Scharia das
kanonische Recht und die Rechtspraxis des Islams.29
Wie auch im Judentum gibt es das Fasten als gemeinsame Bußübung der Gläubigen: als
eine der 5 Säulen wird der Monat Ramadan öffentlich begangen. Die umma
(Gemeinschaft der Gläubigen) ist nach islamischer Lehre eine Solidargemeinschaft, die
den bereits erwähnten zakat leisten soll, eine Armensteuer. Denn Erwerb und Besitz
gelten im Grunde als etwas Unreines. Läuterung erfährt der Muslim durch die Spende an
die Bedürftigen. Dies wird durch Sure 9, 103 belegt:
„Nimm Almosen von ihrem Besitz, auf daß du sie dadurch reinigen und läutern
mögest.“30
Der Islam hat nach Stammel ein grundlegend positives Verhältnis zu Körper und
Sexualität. Es findet sich im Koran auch Dualismus in Form einer Unterscheidung
zwischen Körper und Seele, auch kennt der Islam keine Erbsünde.31
„Islamisch geboten ist dagegen die Linderung von Not und die Sicherung der
menschlichen Grundbedürfnisse aller ohne Rücksicht auf ihre soziale Herkunft.
Darüber hinaus ist eine ,Mehrung von Wohlstand und materiellen Gütern nur zulässig,
wenn dadurch die Schöpfung insgesamt nicht geschädigt und vor allem das spirituelle
Wohl des Menschen nicht beeinträchtigt wird.ʻ (Sure 3, 119)“32
Somit zeigt sich, dass die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und
Islam zwar keine grundlegend asketischen Anlagen kennen, dennoch asketische
Handlungen, wie Fasten und Besitzverweigerung verbreitet sind. Aus diesen religiösen
Formen der Askese entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte asketische Praktiken, die
in das alltägliche Leben der Menschen übergingen und nun mehr eigenständige, moderne
Formen der Askese bilden. Diesen Übergang von religiöser zu alltäglicher, bzw.
IV.Moderne Askese
1. Max Weber
Galt in der europäischen Antike noch die Arbeit als etwas Sklavisches, Tierisches, kam mit
dem Mittelalter die Verdammung der Muße. Die Reformation verband dann Arbeit und
Askese, wie Weber darstellt. Richard Baxter (Puritaner, 1615-1691) schrieb:
„Nicht für Zwecke der Fleischeslust und Sünde, wohl aber für Gott dürft ihr arbeiten,
um reich zu sein.“
Weber stellte die innerweltliche Askese des Protestantismus, wie sie im obigen Zitat
deutlich wird, der außerweltlichen von Hinduismus und Buddhismus gegenüber. Die vier
Träger des asketischen Protestantismus sind nach Weber der Calvinismus, der Pietismus,
der Methodismus und die Täuferbewegung. Die moderne Vereinzelung sieht Weber als
Ergebnis des Gnadenverständnisses: da der einzelne Gläubige Gottes Plan unterworfen
ist, muss er durch gute Taten seine Erlösung garantieren. In diesem Plan sieht Gott für
den Menschen einen festen Platz in der Welt vor, daher der Begriff Beruf für die Arbeit, der
der Gläubige nachgehen soll. Hat er in diesem Beruf Erfolg, so wertet die Gemeinde dies
als Zeichen der ihm zuteil gewordenen Gottesgnade. Reichtum lässt sich so durch reichen
Segen Gottes legitimieren und eine auf das Seelenheil ausgerichtete innerweltliche
Askese, die nur sekundär den Eingang ins Paradies sichern soll, manifestiert sich im
Wirtschaftsleben.33
2. Askese heute
Diese innerweltliche Askese überträgt sich nun auf die Gesellschaft und entkoppelt sich
von ihrem religiösen Ursprung. Asketische Lebensarten finden sich nun mehr in vielen
(Sub-)Kulturen. Michaels betrachtet insbesondere den modernen Umweltschutz als eine
solche asketische Praxis: die „Öko-Religion“ beschreibt er als neue Askese, die sich in
(Konsum-)Verzicht äußert.34
„Die neuen Asketen verlangen: Die Natur soll unberührt, gewissermaßen „keusch“
bleiben. Nicht Gott zuliebe, sondern ihr selbst zuliebe. So ist Natur dem modernen,
35 Ebd.: 120.
36 Michaels 2004: 122.
37 Just 1999.
38 Michaels 2004: 123f.
39 Opaschowski 2009: 127.
40 Ebd.: 140f.
41 Ebd.: 142.
14
Somit sei in der relativ ärmeren zukünftigen Gesellschaft laut Opaschowski der
Zusammenhalt durch diesen Wechsel aus Konsumverzicht und -Exzess gesichert. Diese
neue Askese bedeutet also einen langfristigen Verzicht zugunsten kurzfristiger „Erlösung“
und beinhaltet eine quasi-religiöse Haltung zum Luxus, die der ursprünglichen Askese
nicht entspricht.
V. Fazit
Die Kritik an der individualistischen und vermeintlich egoistischen Askese teilte bereits
schon Friedrich Nietzsche, der in seiner „Genealogie der Moral“ schrieb:
„Dass aber überhaupt das asketische Ideal dem Menschen so viel bedeutet hat, darin
drückt sich die Grundtatsache des menschlichen Willens aus, sein horror vacui: er
braucht ein Ziel, - und eher will er noch das Nichts wollen, als nicht wollen.“ 42
Allerdings ist die Übung, die Askese bedeutet, eben jene, Bedürfnisse und
Besitzansprüche fallen zu lassen. Die Überschreitung der Grenzen des sterblichen
Körpers und der bewusste Austritt aus den Konventionen gesellschaftlichen
Zusammenlebens ist die ursprüngliche Motivation des Asketen, nicht das selbstgefällige
Beispiel für die Unerleuchteten.
In der modernen Askese spielt die religiöse Heilserwartung keine direkte Rolle mehr.
Trotzdem finden sich zahlreiche Beispiele für bewusste Enthaltsamkeit aus quasi-
metaphysischen Gründen, die die persönlichen Bedürfnisse hintanstellen.
So etwa in der Straight-Edge-Bewegung, einer Gruppierung innerhalb der Hardcore-
Subkultur, die die Jugendlichen zur strikten Abstinenz anleitet. Weder Alkohol, noch
sonstige Drogen, strikter Veganismus und auch der Verzicht auf Geschlechtsverkehr vor
der Ehe soll das bewusste Erleben der Musik ermöglichen und den Einzelnen vor den
schlechten Einflüssen der konsumorientierten Umwelt bewahren. Das Konzert wird dabei
zur gemeinsamen Messe, das auf den Handrücken tätowierte X zum Ordenssiegel.
Gerade in globalisierungskritischen, antikapitalistischen Gruppierungen herrschen solche
konsumverneinenden Haltungen vor, die sich in vergleichsweise asketischen Lebensarten
widerspiegeln.
Aus der religiösen Askese wird somit eine sozial, bzw. politisch motivierte, die aber immer
noch eine Randerscheinung der Wohlstandsgesellschaft ist und es wahrscheinlich auch in
ihrer Reinform bleiben wird.
Grunebaum, Gustave von (1976): „Islam and Medieval Hellenism: Social and Cultural
Perspectives.“ London.
Just, Renate: „In Askese aasen. Ratgeber preisen das einfache Leben - nicht zu
verwechseln mit der gemeinen Armut.“ In: DIE ZEIT, 03/1999.
Michaels, Axel (2004): „Die Kunst des einfachen Lebens. Eine Kulturgeschichte der
Askese.“ München.
Nietzsche, Friedrich (1988): „Zur Genealogie der Moral: Eine Streitschrift.“ Frankfurt am
Main.
Opaschowski, Horst W. (2009): „Wohlstand neu denken. Wie die nächse Generation
leben wird.“ Gütersloh.
Online-Quellen:
de.wikipedia.org
www.bibleserver.com/
www.erzabtei.de/
www.islamaufdeutsch.de/
www.opera-platonis.de/
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