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3 Sarah Schmitz
5
6 Manuskript in Arbeit
7 Erstformatierung abgeschlossen
1
1
8
9 “Stell dir vor,
2
1 Prolog
2 Sie lauert dir auf, dir alleine. Wartet in der alles in
9 ist. Den Tag, der auf diese Nacht folgen würde, wenn die
3
1 1. Kapitel
2 Verdorrte Bäume standen in Flammen. Ein Rudel Hyänen, auf
9 entgegen.
24 mich an.
26 in Afrika.
4
1 der Mittagshitze. Fliegen und Moskitos stachen ihre langen
4 spielten.
21 doch bis jetzt hatte das nicht geschafft, was nicht zuletzt
27 sprach man kaum, eher verachtete man sie. Warum, wusste ich
28 nicht. Ich fragte auch nicht danach. Papa hätte mir die
29 Wahrheit sowieso nie verraten.
5
1 In der Hütte war es dunkel. Durch die Holzklappen vor dem
14 Ich nickte. Was sollte ich auch anders tun? Tat ich nicht
17 Langsam setzte ich einen Fuß vor den andern. Über die
26 können. Obwohl mir die Kälte und der Tod nun zu schaffen
6
1 Vielleicht hätte ich in ein Kinderheim gehen sollen, um als
3 manchmal sogar besser gewesen, wenn ich gar nicht auf dieser
12 Einmal wollte ich zu Papa tapsen, über das dunkle Holz des
13 Fußbodens, das wie ein Loch unter mir klaffte, aber ich tat
14 es nicht.
7
1 scharfen Zähnen. Wie so oft, wenn ich alleine war, hatte ich
8 Blut strömte aus einer Wunde am Oberarm. Meine Angst vor den
9 Monstern war mit einem Mal vergessen. Achtlos sprang ich vom
13 weil er mich ein bisschen ein mich selber erinnerte und mir
15 immer noch nicht, als ich mich neben ihn in den Dreck fallen
16 ließ.
17 „Hey…!“ Mit aller Kraft drehte ich ihn auf den Rücken.
28 bis ich keine Luft mehr bekam. Schließlich gab ich auf. Der
29 eben noch regungslos daliegende Junge reichte mir
8
1 meinte er. Hinter ihm standen noch zwei weitere
4 Poloshirt und der kurzen braunen Hose wirkte sie älter als
8 Erst später begriff ich, dass „für immer“ eine sehr lange
9 Zeit sein kann. Eine Zeit, die man nicht planen konnte. Doch
13 nach Hause ein. Die vier würden von ihren Familien bis zum
9
1 aus dem Fenster und Kilometer entfernt verhungerten
2 Menschen. Aber mein Zorn richtete sich vor allem gegen mich
5 Spielsachen zu verkaufen.
8 wenn ich den Gameboy verkaufen würde, würde das seine Eltern
9 nicht zurückholen.
15 hier und gehe nach Spanien…“ Spanien war der einzige Ort,
17 Karim.“
18 An diesem Tag schworen wir alle, eines Tages aus dem Dorf
19 zu verschwinden, in eine Welt, in der es genügend zu essen
21 Doch was wir nicht ahnten war, dass dieser Tag schneller
24 Mir machte das nichts aus. Ich hatte Freunde zum Spielen
10
1 eine, wie ich sie selten erlebt hatte in der schmutzigen
10 meine Freunde. Doch ich genoss es, auch wenn Papa noch
22 jemanden treffen, noch heute und könne mich nicht zur Schule
11
1 schüttelte den Kopf. „Nein, warum? Er meinte, er wolle
2 fischen.“
20 und gefährlich.
22 habe Angst.“
27 da, wenn jemand starb. Zu dieser Zeit machte ich mir noch
28 wenig Gedanken über solche Dinge. Erst später, als ich mich
29 oft mit dem Tod auseinandersetzen musste, verstand ich
12
1 waren verstummt. Nur das gelegentliche Krächzen der Geier
8 doch nur Papa hier! Papa, der lieber mit Fremden im Cafe
9 saß, anstatt mir zu helfen. Der Schlag traf mich mitten ins
11 Hause. Hastig packte ich Kays Arm und zerrte sie zur Hütte
13 Bruder legte ich meine Freundin auf das freie Bett in meinem
15 werden würde.
16 Ich selbst legte mich ins Bett, beobachte wie sich ihr
22 Wilde Schatten strichen über die Wände. Das Dorf war in das
13
1 ihre Kinder ins Haus zurück. Langsam kletterte ich durch das
8 erdrückt.
9 Der harte, plötzliche Aufprall trieb mir alle Luft aus der
17 sog ich die kühle Luft in meine Lungen, wobei ich mich mit
27 Doch erst Stunden später, als ich neben Kay am Fluss saß
30 begreifen. Mein Papa war im Himmel. Bei den Engeln und dem
14
1 lieben Gott. Der Mann, der mich jahrelang geschlagen hatte,
2 diesen Mann gab es nun nicht mehr. Einen Unfall, hatten die
15 „Tim?“
16 Erstaunt blickte ich auf und merkte, dass Kay mich von der
18 Verlegen strich ich mit der Hand über meine Stirn. „…Ähm…
19 was?“ Das Mädchen seufzte. „Hab ich dir doch schon dreimal
24 schmerzte sehr. Erst Mama, dann Papa und jetzt verließ mich
25 auch noch Kay. Niemand war mehr für mich da, wenn ich Hilfe
26 brauchte. Wenn ich fiel und mir die Knie blutig schlug. Wenn
15
1 die Knie und weinte vor Zorn und Verzweiflung. Die Sonne
4 zärtlich das Haar aus der Stirn. Sie war meine Mutter und
11 Widerstand zu leisten…
15 unaufhörlicher Stille.
17 brennende Wange.
20 Kopfschütteln.
21 „Hör zu, Tim. Ich möchte mit dir reden.“ Eine geduldige
22 Männerstimme.
16
1 „Tim“, meinte er nach einiger Zeit, „Es tut mir leid, was
3 Kopf. Niemand konnte etwas für den Tod von Papa. Gott
5 „Ich habe ihn sehr gemocht. Genauso wie ich dich mag, Tim“
9 zehn Jahre alt war, also ein wenig älter war als du. Diese
14 dich ... für dich hat das Leben doch gerade erst begonnen!“
26 ich noch sehr klein war.“, erklärte ich, wobei ich mich
17
1 „Wie alt bist du, Tim?“, fragte Keenan und setzte sich
7 „Danke! Es ist nur so, dass ich Angst davor habe, alleine
8 zu sein.“
16 „Wegen Kay?“
21 „Ganz gut. Sie sind nicht oft zuhause. Aber mein Papa hat
23 Lomé?“
24 „Ja. Ich werde mit Kays Vater reden. Vielleicht lässt sich
26 Deutschland musst.“
18
1 versuchte. Der Mann, seltsamerweise nicht in Arbeitskleidung
11 den Fluren die Schreie immer wieder hören kann? In denen man
14 verlief?
15 Ich spürte, wie Kay meine Hand nahm. „Wirst du jetzt auch
16 weggehen?“ Ihre Stimme zitterte. Zum ersten Mal sah sie mich
25 auf einen Tisch. Kay stand zögernd auf und legte meine Hand
19
1 allerbester Kumpel.“, fügte ich seltsam aufgeregt hinzu.
7 mit einer Hand ihr Auge, mit der anderen drückte sie mir ihr
17 Löwen. Den Löwen, den Mama mir geschenkt hatte, kurz bevor
24 „Dad! Tim darf doch bei uns bleiben, oder?“ Herr Brown sah
20
1 „Du willst mich nicht, stimmt‟s?“, fragte ich trotz meiner
10 mich war es ein „Es geht nicht“ gegen ein Spiel oder eine
11 Süßigkeit. Nicht ein „Es geht nicht“ für immer. Ich hatte es
12 geahnt und doch immer wieder verdrängt. Erst Kay zeigt mir,
14 das, wenn man mit der Zunge über eine Batterie leckt.
16 Die Grüne eines Froschs stieg ihr ins Gesicht. Sie drohte;
18 fühlten sich seltsam taub an. Auch meine Füße wollte mir
19 nicht mehr gehorchen. Speichel tropfte auf den Fußboden.
22 „Warum?“, fragte ich leise, „Warum darf ich nicht bei Kay
23 bleiben?“
30 wollte Keenan den Arm um mich legen, doch ich stieß ihn von
21
1 mir. Sie hatten mir das Letzte genommen, was mir noch
3 die Welt immer noch so, wie sie ist. Rund und mit vielen
5 Ich hasse euch! Euch alle! Meine Angst wandte sich zur
12 denken, was sie wollten! Ich war doch erst neun! In Keenans
13 Blick lag etwas Mitfühlendes, doch das war mir egal. Er hat
18 tut mir Leid. Aber davon konnte ich meinen Vater und Kay
19 auch nicht zurückholen. Erst jetzt begann ich allmählich
21 Bisher war es für mich ein Traum, ein Albtraum, doch ich
22 verstand, dass es ein Albtraum war, aus dem ich nie wieder
26 mir nicht? Bin ich dir nicht so viel wert wie andere? Okay,
27 ich gebe zu, ich habe einige schlechte Dinge im Leben getan.
22
1 ich wollte das doch alles gar nicht! Und das mit Hendriks
3 wollen. Wirklich nicht. Ich bin doch kein Dieb! Wenn du böse
4 auf mich bist, warum hast du dann Papa genommen und nicht
6 mein Papa!
11 Papa ist tot. Und ihr alle, ihr seid schuld daran! Ich
12 konnte nicht mehr. Aus, aus, aus. Das Spiel ist aus.
14 ich mir den Kuscheltierlöwen und stürmte aus der Hütte, ohne
20 Vater getan hatte, bevor auch Gott ihn in den Himmel geholt
22 Der heiße Sand brannte unter meinen Füßen, als ich jetzt
23 zum Fluss rannte, zu dem Einzigen, der mich neben Kay noch
23
1 geworfen und eines der Tiere erwischt. Dafür habe ich sie
2 gehasst.
3 Mathieu hockte auf einem Stein. Als ich hinter einem Baum
6 den Boden. Seine offene Art unterschied ihn deutlich von den
10 existierte.
15 Münze, ein wahrer Schatz für jemanden, der so arm war wie
16 Mathieu.
17 „Wenn ich morgen in die Stadt gehe, kaufe ich uns was
27 Schweigen. Was sollte ich auch sagen, wenn ich die Antwort
30 so wollten?
24
1 Die Geier kreisten über uns. Einer schoss herab aufs
8 „Mathi ... Ich ... Mein Vater ist letzte Nacht gestorben
9 und Keenan will nicht, dass ich bleibe.“ Es fiel mir schwer
13 andere, die er aus dem Dorf kannte. Gerüchte, dass sie einen
20 auf.
24 verschwimmen.
30 dir abhaue?“
25
1 „Du willst mitkommen?“ Mein verwirrtes Gesicht musste ihm
10 immer wenn ich mich danach gesehnt hätte, wieder auf Bäume
12 Karim, Benjim, Mathieu und Kay. „Hör zu. Wir treffen uns um
14 zusammen und Geld…“, fuhr der Junge fort, wobei er mit einem
24 von hier.“
25 „Okay.“
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1 tatsächlich aufgehalten hätte. In Dingen, wie diesen, waren
3 ein Mädchen war und zwar das Erste, mit dem ich je gespielt
4 habe. Wäre ich auch damals in Köln mit einer Freundin nach
6 und spöttelnd gesagt: „So ein kleines Weichei und doch schon
7 eine Freundin.“
22 Bett gelegt und auf dem Rücken liegend zur Decke gestarrte,
24 dich.“
27 Dies ist für mich der wahre Grund, warum er sterben musste.
27
1 „Wenn es unbedingt sein muss, kannst du es Kay sagen. Aber
10 Mein Blick folgte dem listigen Vogel, einem Tier, das sich
17 dann.“ Der bittere Geschmack lag immer noch auf meiner Zunge
21 nur mit dem Unterschied, dass Papa ihn immer ernst genommen
23 denselben, der noch zuvor über den Sand stolziert war. Nun
28
1 zurückzulassen. Bei diesen dummen, ekligen Menschen, die uns
8 warf erneut die Leine aus. Ehrgeizig wie beim ersten Mal,
12 mehr besitzt als du? Warum hasst du dann nicht auch mich,
13 Mathieu?
14 „Sie ist ein Mädchen und Mädchen sind nun mal… anders.
16 glaub mir, für Kay ist es das Beste, wenn sie uns nicht
18 könnten und…“
19 „Kay kann prügeln.“ Energisch hob ich mein T-Shirt und
23 hatte?“
27 „Schon gut. Reg dich nicht gleich so auf. Aber ich würde
29
1 Ohne ein weiteres Wort wandte Mathieu sich ab und starrte
10 landete ein Insekt auf dessen brauner Haut, stach den langen
13
14 Die Hütte erschien mir leer, seit Vater fort war. Niemand
16 bekommen würde, weil ich zu spät nach Hause kam. Niemand lag
24 Vorsichtig nahm ich ihn zur Hand und kletterte auf das Sofa.
26 eigenen entdeckte ich nirgends. Der 25. Mai war rot umkreist
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1 konnte, als normale Kinder in meinem Alter. Daheim in
8 später richtig Kohle gemacht. Jedes Mal wenn dann Papa von
9 der Arbeit nach Hause gekommen ist, hat er seine Wut an mir
12 Tricks reinfiel, wie ein dummes, kleines Kind, habe ich nie
28 verletzlich gewesen.
29 Während ich den Kalender achtlos auf den Tisch warf, blieb
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1 Kommode hängen. Es zeigt eine glückliche, junge Familie am
15 brauche dich.
17 zwölf Mal, dann war es wieder ruhig. Gestern war Papa noch…
20 was nun auch mich durcheinander machen würde. Was wäre wenn…
21 Ich hatte das Spiel oft genug mit Kay gespielt. Was wäre,
22 wenn ich ein Vogel wäre… Was wäre, wenn ich du wäre und du
28 herrschte wie immer Chaos. Wenn Papa jetzt hier wäre, hätte
29 er wieder einen Grund gehabt, mich zu schlagen und
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1 Erneut ertappte ich mich im Nachdenken und seufzte. Das
2 musste doch endlich mal ein Ende habe! Vorsichtig, ohne über
6 jede Menge Krimskrams, der sich dort mit der Zeit angestaut
7 hatte. Mit beiden Händen nahm ich die Sachen heraus und
18 lassen, bei all dem Lärm der Autos und dem grellen Licht der
19 Laternen! Behutsam wog ich den silbernen Ring in meiner Hand
20 und bettete ihn dann in meine Dose, die mir die Zahnfee
21 geschenkt hatte, weil ich so tapfer gewesen bin, als ich mir
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1 einem kleinen Schloss versehen; den Schlüssel versteckte er
8 Eltern und eins von mir. Unsicher nahm ich ein Bündel
11 so viel Geld besäßen. Was ich mir dafür alles kaufen könnte!
13 Mit jeder Münze, die ich wegwarf, würde ich auch Papa ein
17 die Tür öffnen sollte, trat ich die Tasche unter das Sofa.
20 musst du auch gar nicht, aber hör mir bitte zu, ja?“,
24 sie es nicht so meinen? „Es tut mir Leid, Tim. Das mit
25 deinem Vater und mit Kay. Herr Brown ist in die Stadt
27 ich denke, bis sie deinen Pass neu beantragen und alles
28 geklärt haben, bleiben uns noch ein, zwei Tage. Wir könnten
29 ein kleines Abschiedsfest feiern, wenn du möchtest. Mit
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1 Panflöten. Du magst doch, Panflöten, nicht wahr?“ Ich
3 „Du bist ein lieber Kerl, Tim. Ich bin mir sicher, du
6 Ein böser Traum, aus dem ich nie wieder erwache… Meine
11 „Tim? Tim!“ Keenan hämmerte erneut gegen die Tür, wie ein
20 heute Abend nach Hause kam und mich besuchte? Oder hatte man
21 es ihr verboten, weil ich ein schlechter Umgang für sie war?
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1 dich gibt, hör mir zu. Mein Ruf hallte durch die leeren
2 Räume des Hauses. Du hast Mama, Oma und Papa zu dir geholt.
5 Weil es für dich wie ein Computerspiel ist? War das der
7 ist es egal, wer du bist oder wie sehr dich alle bewundern,
13 Verstollen warf ich einen Blick auf das Holzkreuz über dem
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1 nicht schwer die Bucht zu finden, wenn man den Weg kannte.
13 Steine waren noch warm vom Licht der Sonne. Kay hinter mir
21 trotzdem hatte ich jedes Mal das Gefühl. als lauschten sie
24 auf einen neuen Tag. Meine Hände fühlten sich seltsam taub
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1 Schließlich legte sie ihren Kopf auf meine Brust und drückte
2 meine Hand fest, als wolle sie diese nie wieder loslassen.
5 was! Sulkan hat mich gefragt, ob ich mit ihm spielen will,
11 „Dass er bäh ist und so. Ständig läuft ihm der Sabber aus
12 dem Mund. Ich hasse diesen Schnösel. Bloß, weil seine Eltern
18 wir uns auf eine seltsame Art und Weise. Instinktiv wusste
19 ich, was sie dachte und empfand, und ich glaubte, dass sie
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1 „Kay, ich…“ Kopfschüttelnd brach ich ab. Ich konnte es ihr
2 nicht sagen. Hastig langte ich nach dem Brief, den ich nach
7 Ich zwang mir ein Grinsen auf. „Mrs. Abbey hat doch immer
10 kicherte sie.
13 „Gibt‟s „Löwchen„?“
14 Das Mädchen runzelte ratlos die Stirn, als habe man ihm
26 augenblicklich dahin.
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1 gedrückt. Kay saß auf meinem Rücken und rieb mein Gesicht in
2 den Dreck.
4 meine Lage zuließ, streckte ich unbemerkt den linken Arm aus
10 Sand. Ein feiner Nebel aus Blut sprühte hervor. Den Kopf
12 begutachten
14 murmelte es achselzuckend.
20 jeden Augenblick und mit ihr veränderte sich die Welt. Vor
25 trug, obwohl dies den alten Mann kaum scherte, da wir seiner
28 ihre Hand.
29 Kopfschütteln.
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1 „Du kannst dich nicht ewig vor ihnen verstecken, Tim. Das
4 Ich folgte ihrem Beispiel. Sie hatte Recht, indem was sie
10 mich leiden.
12 Kay sah mich nicht ein einziges Mal mehr an. „Geh mit
15 wollte ich den Arm um sie legen, aber sie stieß mich wortlos
16 zurück. „Denk an dich, Tim. Denk daran, was für dich das
20 tat immer noch weh, dort wo mich ihr Schlag getroffen hatte.
22 aussehen wie ein Monster mit den dunklen Flecken auf Händen,
24 „Was?“
30 Stumm redete ich auf ihn ein, wie so oft, wenn ich alleine
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1 daheim im Bett gelegen hatte und Papa abends zu einem
4 bildete ich mir das ein. Keine Sorge! Kay ist eine ganze
5 Liebe. Die hat viele Kuscheltiere, weißt du. Ein Schaf und
7 aber nichts tun, hörst du? Erschrocken hielt ich inne. Wenn
17 war. Sie stürzte sich herab, wie ein Geier auf sein
21 Gesicht stierte mich das Mädchen an. Es war, als sähen wir
30 Hand hielt.
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1 Kay lächelte in die Schwärze der Nacht. „Ich hau mit dir
2 ab.“
4 dich ist das Beste, wenn du uns nicht folgst. Dort draußen
6 schloss ich den Mund. Das war nicht ich, der dies sagte,
7 sondern Mathieu und Mathieu hatte recht. Für ein Mädchen war
10 und mutig! Wenn ihr abhaut, werde ich aller Welt erzählen,
15 „Ähm… Ich… Ich hab Angst, dass wir nie mehr zusammen
18 immer die Besten, aber sie sind noch da. Für dich, Kay.“
19 Ein verlegendes Schweigen hatte eingesetzt, sodass ich
22 „Ich hab auch Angst, Tim. Hast du schon mal „Angriff der
26 „So was gibt‟s nur im Märchen. Und wenn, werde ich der
30 „Was?“
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1 „Löwchen. Hab ich dir nicht gesagt, du sollst nicht
6 retten… Zu komisch“
8 fragte ich mit dem letzten bisschen Ernst, der mir noch
9 geblieben war.
10 „Irgendwie nicht.“
14 auf die Brust und ahmte einen Gorilla nach, indem ich auf
16 hinter mir her und spielte die hilflose Jane, die vor
18 Plötzlich stieß sie einen Schrei aus, der einem das Blut
19 in den Adern gefrieren ließ. Im Glauben, dieser gehöre zum
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1 schlafend in der warmen, trockenen Nachtluft schwankten.
3 auf der Suche nach etwas Essbarem davonjagte. Dabei war ihr
4 hoher Ruf kaum vernehmbar und… Hatte sich dort drüber nicht
7 nach einer Waffe. Mein Herz schlug bis zum Hals, doch es
13 der Bäume oder der Türen drängten sie sich langsam an ihren
17 es folgte keiner mehr. „Kay? Das ist nicht lustig! Komm, wir
21 zögerte ich für den Bruchteil einer Sekunde - und genau dies
28 schnitten. Mein Gott, SO war das mit dem „in die Höhle
29 schicken“ nicht gemeint… Okay, schon aber… nicht wirklich
30 so. Ich schüttelte den Kopf. Was für ein Weichei du doch
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1 bist, Tim, wenn du ständig anfängst, zu jammern und zu
5 der Erste sein, der sie alle besiegt. Jetzt hast du die
8 waren nur noch Fußspuren, die… die genau auf mich zuliefen!
16 Geistesgegenwärtig riss ich das rechte Bein hoch und gab dem
25 nachzudenken, kam ich auf die Beine und rannte zurück. Über
28 Knurren war zu hören, dann tauchte eine vor mir auf, schnitt
29 mit den Krallen durch das hohe Gras und raste mit weit
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1 letzter Sekunde zur Seite, krachte auf den sandigen Boden,
6 sie sich selbst befreien und war heim gerannt? Ich hoffte,
7 dem wäre so, denn hinter mir tauchten die Tiere erneut auf.
8 Dabei mochten sie näher sein, als mir lieb warm und
14 ein Bein nach dem anderen setzend, machte ich zwei Schritte
24 auch näher. Auf jeden Fall blieb mir ein wenig Zeit, die ich
28 das Lied vom Tod. Der, der mit dem Wolf tanzt. Vielleicht
29 hatten all die Albträume nach diesen Filmen doch etwas Gutes
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1 prüfte ich die Verletzungen an Hals und Knie, bevor ich auf
5 Mit einer Hand den nächsten Ast umklammernd, zog ich mich
7 Jedoch, auf die Gefahr hin, zu fallen, hielt ich des Öfteren
25 dort unten in der Gruft lag und von den Hyänen zerfleischt
27 ich zugeben, dass ich nicht die ganze Nacht hier oben in der
30 kämen. Denk nach, zwang ich mich, denk nach. Mit all dem
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1 zusammengefassten Mut, erhob ich mich und balancierte
2 freihändig über den dicken Ast, als eines der Tiere die
10 trieb mir alle Luft aus der Lunge, sodass ich glaubte,
13 Erst jetzt fiel mir auf, dass ich über dem Boden hing. Ein
17 Hunde immer noch nach meinem baumelnden Bein, als sei dieses
20 Mit böser Grimasse brach ich einen Zweig über meinem Kopf
24 musste ich lachen. 1:1, Gleichstand. Was sagt ihr nun, ihr
30 doch wie durch ein Wunder hatten die Hyänen von ihr
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1 abgelassen. Selbst wenn sie in ganz anderen Dimensionen
13 ich das. Mit angewinkelten Beinen sprang ich von dem letzten
50
1 Zurück gäbe es nun nicht mehr. Jämmerlich würden wir in den
14 auf dem Rücken machte mir mehr zu schaffen, als ich erwartet
21 war? Ich spürte, dass mir nur noch Sekunden blieben. Hinter
26 Nein. Meine Kraft reichte gerade noch aus für paar Meter.
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1 ausgetrockneter Mund öffnete sich und sog gierig die kühle
2 Nachtluft ein.
4 Kay.“, murmelte ich leise, obwohl ich wusste, dass sie mich
5 nicht hören konnte. Mit letzter Kraft jagte ich aus dem Feld
6 heraus auf die Lichter zu. Doch noch hatten wir nicht
13 mit Dreck. Über die Schulter erkannte ich, wie das Rudel
15 hinter aus - und fiel kurz vor dem Ziel zu Boden. Es war
18 Hyänen beim Zerlegen ihre köstliche Beute Zeit. Wie ich wohl
19 schmecken mochte? Hoffentlich nicht allzu gut. Immer enger
21 Eine der Bestie drückte ihre Nase gegen die mein. Hektisch
22 schlug ich mit geballter Faust zu, sodass das Tier jaulend
24 Bis zum Ende würde ich mich mit Händen und Füßen dagegen
26 Seltsam, dass sie nicht angriffen. Ihre Augen waren nur auf
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1 hauptsächlich von Aas, nur selten jagten sie Lebendes, was
2 bedeutete, dass sie Kay für ein totes Tier halten musste.
8 stürzte sich mit einem Knurren aus tiefster Kehle auf Kay.
10 verschwunden.
15 fiel mit ihrem Körper auf meine Beine. In ihrer Brust waren
17 Wüste davon.
20 immer noch die Pistole, mit der er ein Leben ausgelöscht und
25 Zitternd erhob ich mich und machte einen Schritt auf ihn zu.
26 Es war als bemerkte der alte Mann erst jetzt, dass noch
27 jemand da waren.
28 „Keenan…“
29 Der Genannte nickte ruhig, erwiderte jedoch nichts. Sein
30 Blick fiel auf die Kay, die schlafend im Gras lag. Seufzend
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1 hob er sie an den Schultern hoch und trug sie Richtung Dorf
2 davon.
3 „Warum? Warum hast du das getan?“ Ich war bemüht, mit ihm
4 Schritt zu halten.
7 „Aber?“
9 verdammt noch mal seid ihr abgehauen? Ich halte dich für
11 „Ja… Was wird jetzt aus mir?“, fragte ich und senkte den
12 Kopf.
17 Blick zurück zu dem toten Tier, welches von dem Mond in ein
27 dastehende Gestalt.
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1 „Okay . Ich werde mich solange um ihn kümmern. Wie geht es
2 deiner Tochter?“
7 drehte ich den Kopf zur Seite und ließ meinen Blick benommen
11 kleine Tasse, aus der er sich dann und wann einen Schluck
14 hockte auf einem der Stühle am Tisch und faltete ruhig die
22 wild mit den Armen in der Luft. „Der Junge hat behauptet,
25 klug tun. Jedes Kind weiß, Hyänen gehören zur Gruppe der
26 Aasfressern.“
55
1 „Ihr Europäer glaubt doch auch alles, was im Internet zu
2 finden ist. Hier zu Land greifen die Tiere an, wenn sie
3 hungrig sind.“
7 hervor.
18 hatte dies mit ihnen zu tun? Wir sind es, die die Folgen des
19 Angriffs ausbaden mussten, nicht sie.
22 trafen sich unsere Blicke. Sie zwang sich ein Lächeln auf
26 Augenblick.
30 nehmen, doch Kay wehrte ab. Sie sah nicht einmal auf.
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1 „Nein, Dad.“, entgegnete sie abweisend, „Du bist das absolut
6 war einmal stolz auf Mum und dich, weil ihr anderen Menschen
8 Leben haben. Immer habe ich so werden wollen wie ihr. Aber
22 war, packte mich, kurz bevor ich auf dem Boden aufschlug.
30 Schreck gestürzt wäre, führte der Mann seine Tochter aus dem
57
1 Haus. Kay trat verzweifelt um sich und schrie, aber der
6 die Hand und lief über das Meer, welches uns trennte.
18 Motorheulen.
19 Das Letzte, was ich von meiner besten Freundin sah, war
58
1 2. Kapitel
2 Das leuchtende Stück Käse am Himmel starrte unentwegt auf
5 kleine Mann im Mond. Früher als kleines Kind hatte Mama mir
11 Schatz, so hatten sie sich oft begrüßt. Als ich nun hier
17 das, was ich suchte, war die ganze Zeit über an meiner Seite
18 gewesen.
19 „Hey, Heulsuse! Schade, hast ja doch nicht verschlafen.
20 Ich wäre zu gerne einen Kopf größer gewesen als du.“ Mathieu
22 mich, klopfte den Sand von der fransige Jeans. „Wo sind
23 deine Sachen?“
59
1 Plötzlich wurde eine Tür aufgeschlagen. Hastig legte sich
14 und stellte erleichtert fest, dass die Lichter auf die Größe
26 nicht. Du etwa?“
28 gibt es einen Spruch. Nie ohne Seife waschen.“ Auf gut Glück
29 deutete ich in den Sternenhimmel „Norden, Osten…“ Hielt den
60
1 Papa es mir einst beigebracht hat, als wir gemeinsam in den
4 ich.“
10 „Okay, ich zähl auf dich.“ Mit einem verlegenen Blick auf
12 wir einen Versteck für die Sachen finden. Ich bin müde.“
18 genuschelt und den Kopf ein Stück aus dem Sand gehoben. Den
19 Schlafsack, mit dem wir uns zudeckten, schlang er eng um
21 Augen. Von diesem Moment an hatte ich mich von links nach
22 rechts, von rechts nach links gerollt, auf den Bauch, auf
23 die Seite, auf den Rücken, doch schlafen konnte ich nicht.
26 malte mir irre Gestalten aus, die ich mit den Fingern in der
30 Erschrocken fuhr ich aus dem Sand hoch. Mathieu hockte neben
61
1 einem kleinen Feuer aus wenigen Stöcken und Blättern. Locker
8 Es würde seine Zeit dauern, bis wir uns verstanden, doch der
13 Wasser schrie.
15 heiser.
22 war wirklich nicht böse gemeint, doch ich wunderte mich über
25 er einen Fuß vor den anderen, bis seine Nase meine beinahe
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1 Reflexartig riss ich das linke Knie hoch, im selben Moment
14 Kämpfe habe ich ihn besäßen: Ich konnte mir schnell viele
23 kam es häufiger vor, dass auch Papa sich neben mich ans Bett
63
1 bewachten Türmen befreiten, oder von fleißigen
2 Heinzelmännchen.
3 Dennoch wusste ich nicht wie. Ich wusste nicht, wie ich
6 Niesend senkte ich den Kopf, als wolle ich aufgeben. Meine
9 immer auf seinen Lippen ruhen. Mit aller Kraft hatte ihm
13 beinahe aus, wie ein wütender Chinese. Oder wie ein Stier,
14 die Hörner gesenkt, kurz bevor er sich auf das rote Tuch
17 nur eine Frage der Zeit, bis einer den anderen von hinten
22 denken vermocht hatten. Und ich würde gewinnen, denn ich war
24 Wolke aus Sand und Staub verzogen hatte. Von Mathieu keine
64
1 zur Erde zu begrüßen. Jubelnd tat ich es ihm gleich. Daheim
2 hatte ich den Regen gehasst, weil ich dann nie zum Spielen
20 kam, schnappte sich eine der Dose und hielt sie mit beiden
65
1 Rucksack. Dabei lastete Mathieus argwöhnischer Blick auf
3 Tasche!“
6 „Wie denn?“
7 Ich verzog den Mund, zuckte mit den Achseln, während ich
11 trug. Wenn du nicht artig bist, steck ich dich darein, hat
22 Schlitten und Rudolf, das Rentier, mit der roten Nase, sind
23 da oben. Doch dem war nicht so, nicht ein einziges Mal.
26 wieder hatte.
28 „Den kenne ich nicht. Läuft der auch wie blöd mit einem
29 Sack über der Schulter?“
66
1 Ich seufzte. „Keiner zwingt dich dazu, es zu tun. Hier,
12 vernehmen.
24 lassen?“, fuhr ich ihn an, ganz gegen meine Art wütend zu
67
1 wollen in diesem Augenblick. Und dennoch bewegte ich nur
2 lautlos die Lippen. Mathieu, ich rede mit dir! Ich mochte
5 Mathieu, Mensch, sag was! Ja, ja, ja, ich mag auch Mist
6 gelabert haben, aber du… Ach, komm vergiss es, Okay? Lass
7 uns endlich Spaß haben. Nur wir beide, du und ich, gegen den
14 Verkaufen ernst gemeint hatte. Aber zum Glück war für diesen
17 fest und ein wenig entsetzt folgte mein Blick seiner Hand,
23 Rucksack über die Schulter warf. „Nach dem Regen kann das
26 Vergnügen. Einmal.“
68
1 Ich spürte, wie sein Blick mich von hinten zu durchbohren
15 Angewidert fuhr ich mir durch die Haare, dann über die
18 bist. Und Menschen, die nicht von hier sind, haben Geld. Und
19 Geld ist etwas, was jeder Einheimische gut gebrauchen kann.
21 werden…“
22 „Du meinst…?“
28 „Hey, das heißt nicht, dass du jetzt bei jedem, den wir
29 treffen, gleich in Panik ausbrechen musst. Verhalte dich
69
1 Ich nickte zaghaft, wobei ich die letzte Ecke des
4 müssen.“
8 Ich habe mich damals oft gefragt, warum Mathieu mir nie
10 was er über den Tod meines Vaters wusste, was er über mich
12 war, dieser Junge, mit dem kurz geschorenen Haar und den
13 vielen Narben auf Armen und Beinen. Ständig habe ich nur
15 dann, als ich in die dunklen, fast schwarzen Augen sah, die
22 einzucremen.
24 was mir von den Lippen ging, kaum mehr als ein Flüstern sein
25 mochte. Kraftlos sank ich auf die Knie. Ich würde keinen
70
1 „Tim? Tim!“ Blinzelnd setzte ich mich auf, beobachte
20 Wunder. Sanft strich ich mit den Fingern über den Läufer.
21 Eine andere Welt, wie aus einem Traum. Mein erstes Leben, so
22 anders als das hier und jetzt. Dabei hatte ich noch nicht
26 die mich aus diesem Traum wecken konnte. Obwohl Mathieu den
71
1 ich einen kompletten Nordseestrand mit Muscheln und kleinen
2 Steinchen umgegraben. Dabei war das Loch kaum mehr als zehn
8 „Selbst wenn wir die ganze Nacht so weiter machen, glaub ich
23 das, was ich mir einzureden versuchte, nicht wahr war. Denn
72
1 Mathieu wegen, dem ich nicht zumute konnte, sämtliche Wüsten
3 Unterwelt zu finden.
17 „Frischer Fisch!“
73
1 Ein letztes Mal wandte ich mich dem rotgrünen Gebirge zu.
5 bist die beste Freundin, die ich mir wünschen kann. Großes
7 finden.
13 bedingungslos.
14 Mathieu lachte. „Du siehst aus wie der Surfer auf deinem
16 dem Absturz.“
74
1 3. Kapitel
2 „Yovo, Yovo!“
13 schüttelte ich den Kopf. Yovo Junior hatte die Frau gerufen,
20 „Wohin?“
21 „Etwas kaufen.“
23 „Ja!“
27 Markt davonlief, auf dem sowohl Gemüse und Früchte als auch
28 Zahnbürsten oder T-Shirts angeboten wurden. Schon
75
1 Dummheit, diesen Jungen mit meinem Hab- und Gut quer durch
12 über den Weg zu ihr schlich, dabei das Foto aus der
15 Eine junge Frau erschien kurz, einen zur Hälfte mit Wasser
21 der spurlos für Stunden, manchmal sogar für Tage aus dem
23 sich nur vor der Arbeit und treibt es mit anderen Frauen,
27 grauen Augen gesehen. Zarin nun auf dem Markt von Kpalimé
76
1 wurde jäh zerstört, als er die Hand hob, um die Frau zum
3 Hastig senkte ich den Kopf und begann angeregt eines der
18 werden konnte.
19 Ich grinste, wenn ich an diese Zeit zurückdachte, in der
77
1 „Okay.“ Der Mann zuckte gleichgültig die Schulter. „Weißt
2 du, ich bin auf der Suche nach zwei Jungen. Beide etwa in
12 ist, dass du nicht merkst, dass ich mit dir Katz und Maus
24 für ein Sinn mochte all dies haben? Ich stand am Tor eines
78
1 „Vor ein paar Tagen hab‟ ich noch mit ihm Fußball
2 gespielt. Warum muss der denn jetzt weg? Kommt der dann gar
8 will.“
13 Minuten mit dem Abwaschen des Drecks, aus Angst der Mann
79
1 „Schon in Ordnung.“ Sie lächelte amüsiert, während sie mit
3 Gesicht zu spritzen.
8 verflog ihre Wut. „Yovo! Was kann ich für dich tun?“, rief
9 sie und legte mir freundlich die Hand auf die Schulter. In
15 „Ich suche jemanden.“ Mit dem Finger deutete ich auf den
16 Mann, während ich der alten Frau das Bild in die Hand
80
1 sich eine verhältnismäßig riesige Theke, über deren Fläche
4 „Setz dich doch.“, forderte mich die alte Frau auf, während
5 sie hinter dem Tresen verschwand. Kurze Zeit später war das
8 sitzen, in einem Café mit einer Frau, deren Namen ich nicht
13 „Einmal habe ich ihn nach seinem Namen gefragt.“, fuhr die
14 Frau fort, ohne sich von dem von einer Plane bedeckten Boden
81
1 drückte ich mich fester gegen die Lehne meines Stuhles, ohne
3 bildest du dir nur ein. Doch ich wusste, dass dem nicht so
6 Lachen. „Trink!“
16 Immer noch ein wenig verwirrt, wiegte ich den Kopf. Ihr zu
25 Sie willigte ein, etwas erstaunt, wie es schien. Als ich ihr
82
1 genutzt. So jedenfalls behauptete er es, um einen Verwand zu
8 wonach ich suchte oder was ich erwartete, doch ich wusste,
9 dass ich es hier finden konnte, wenn ich wollte. Mit dem
16 nicht zu weinen. Wie ein Geier über seine Beute kreiste mein
23 ist nicht deine Angelegenheit, Tim. Das hat nichts mit dir
24 zu tun. Fahr den Computer herunter und hau ab. Doch ich
25 schüttelte den Kopf. Ich würde nicht noch einmal wie ein
26 Feigling davonlaufen.
83
1 Mein Körper schien wie betäubt. Es kribbelte, stach in
2 meiner Brust.
6 Augenblick bei mir, dieses Wort. Trug es bei mir, ohne die
8 Hektisch strich ich mir eine Strähne aus der Stirn, wobei
13 einen Schauer über den Rücken jagte, obwohl ich nicht einmal
30 Zeit noch. Wie hätte ich auch mein Schicksal erahnen können,
84
1 dessen Weg ich bereits eingeschlagen hatte? Ein letztes Mal
5 oder eine Frau, vielleicht sogar eine Firma oder ein andere
10 mit der einzigen Ausnahme, dass ich mich nicht mit Haut und
16 bemerkte ich den Schatten, den das Licht der Sonne in das
20 auf der Haut, wie damals bei den Versteckspielen auf dem
85
1 und unberührt herab. Eine Sekunde später und Zarin hätte
2 mich erwischt.
4 Dabei hat ich ihn warnen wollen!“, brüllte der Mann, wobei
10 durch den Raum, als warnte ihn ein sicherer Instinkt, dass
15 wieder lauter und schnell. Poch, poch, poch… Ich schloss die
18 weg, Tim, lauf… Doch selbst wenn ich mich hätte bewegen
19 können, wäre ich nicht davongerannt. Wohin auch? Im
21 auf der Suche nach mir war, kaum zwei Minuten unentdeckt
27 hätte ich dem Mann nun diese Fragen gestellt, doch es war
86
1 sein. Ohne zurückzuschauen, lief ich fort, immer der
7 zogen sich dennoch magisch an: Papa… Es tut mir Leid, dass
8 ich wie ein Feigling fortgelaufen bin. Ich war und bin nicht
11 manchmal wünsche ich mir, oben bei euch zu sein, obwohl ich
13 nicht. Aber es gibt noch eines, was ich wissen muss: Warum?
15 Zaghaft riss ich den Mund auf, erst jetzt bemerkend, dass
16 ich die ganze Zeit über die Luft in meinem Körper gefangen
87
1 legte sich wie eine Hand beinahe vertraut auf meine
3 wandte, spürte, wie mir das Atmen immer schwer fiel. Panisch
5 Schlange zog ihre Schlinge fester, wobei sie mit der Zunge
7 bitte…! Ich möchte noch kein Engel werden, wie ihr, auch
8 wenn ich euch dann endlich wieder sehen könnte! Ich darf
14 Erstaunt hielt ich inne, kaum mehr als einen Meter von
22 Mit letzter Kraft löste ich die Schlinge um meinen Hals und
23 wich soweit zurück, dass die Schlange mich nicht noch einmal
27 schloss ich die Augen für einen Moment. Als ich sie wieder
88
1 Richtung Süden deutete. Vorsichtig kniete ich mich an der
22 habe ich mich oft gefragt, warum meine Mutter stolz darauf
23 war, dass ich nicht gekämpft hatte, wenn sie mich mit einem
26 Nein, dieses eine Mal wollte ich tapfer sein. Spring über
89
1 zusammen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass noch jemand
9 Hunger.“
16 Vögel am Himmel leiten, ebenso wie die Sterne und alles, was
17 dich umgibt. Ich sehe dein Zögern, doch lasse dir gesagt
23 einen rohen Fisch einige Meter entfernt auf die Decke. „Nur
26 ein Familie, Frau, Kinder, die jetzt traurig durch den Fluss
30 begraben, wenn es dir dann besser geht. Aber dann hätten wir
90
1 hier bald einen Fischfriedhof. Schwierig würde es erst bei
2 den Moskitos.“
3 „Warum nicht?“
14 Ehrenwort.“
17 „Ja, aber das heißt nicht, dass man sie auch bekommt,
22 krank.“
91
1 Es war als ob jemand anderes diese Frage gestellt hatte,
7 fiel aus meiner Hand, rollte kurz über den Sand. Finde die
8 Wahrheit…!
9 „Tim?“
20 „Zarin… Er ist auf der Suche nach uns. Wenn… Wir dürfen
22 die Wahrheit sagen? Dass ich wissen wollte, wie mein Vater
28 entgegnete er schließlich.
29 „Was?!“
92
1 „Nein, Tim. Glaub mir, der Mann ist einer Häscher. Seine
5 „Dann geh ich eben alleine.“ Trotzig wandte ich mich ab,
13 hatte. Durch den Spalt, den die Hand bot, die ich über die
22 dem der Mond, der sich irgendwo über den riesigen Bäumen
93
1 Schauspiel in den See hinunterstürzte. Ein verzauberter Ort,
3 Ort, wie ich ihn noch nie zuvor in meinem Leben gesehen
7 derart elegant durch die Luft strichen, als haben sie Angst,
8 diese aus ihrem Schlaf zu wecken, ließen das Insekt wie eine
14 aus Vater, Mutter und vier Kindern. Die Krallen eines der
18 Grab auf dem Friedhof und eine Kaffeetasse, noch staubig vom
19 Sand.
94
1 ähnelte, zappelte ein hilfloser Schmetterling, bis auch sein
8 vielleicht noch ein Kind sein, doch als Kind hatte ich
15 Der Farn kitzelte meine Zehen bis hinzu zur Ferse, wobei es
20 Geburtstagsgeschenk sparen.“
95
1 einzugestehen. „Geh dort drüber einmal nachsehen, ob du
8 Wahl haben, als das zu tun, was er befahl. Mein Weg führte
15 Stellen meines Körpers. Hastig warf ich einen Blick über die
21 wäre etwas zu finden. Und… Ein riesiges Tier schoss auf mich
96
1 Rippen gebrochen zu haben. Ich japste. Blut rann aus meinem
4 Ich sterbe… Entsetzt schlug ich die Augen auf. Ich sterbe…
13 immerhin lebe ich noch. Nur wo? Stöhnend hob ich den Kopf
14 ein Stück aus dem Sand, kniff dabei die brennenden Augen
17 Schatten auf mich hinunter warf. Falls dies die Hölle war,
23 alt und wies bereits unzählige Risse auf, wie ich bemerkte,
97
1 Bestien, mit gefräßigen Mäulern und Klauen, die mich zu
8 erbauten Käfig, der auf den ersten Blick leer erscheint. Bei
13 erklingt von dem höchsten Turm herab. Das Tor zum Käfig
28 Bald würde sie unsere Haut verbrennen, bald würde sie ihre
29 Strahlen wie Pfeile auf uns herab schießen. Und sie würde
98
1 das unbestimmte Gefühl, dass heute nichts wie jeden Tag war.
7 mein Vater mir gezeigte hatte. Ein Weg, dem ich vertraute.
8 Dennoch ein wenig zögernd zog ich mich an dem Gestein hoch,
12 morgendliche Hitze wurde die Luft unter der Erde mit jeder
15 Loch zu, das linke Bein ein wenig hinterher ziehend. Die
18 Warum musste so etwas immer nur mir passieren? Zum Glück war
19 die Wunde nicht tief, wie ich beim Hochheben des Beines
99
1 verloren hatte. Nur wem gehörte sie? Kaum jemand mochte so
14 groß.
16 gleiten und formte mit den Händen einen Trichter vor den
21 mein Schrei hallte durch den Wald. „Mathieu!“ Dies hätte mir
23 witzig!“, stöhnte ich, wobei ich wütend über mich selbst auf
100
1 watteweiches Weiß für Unschuld in der tiefsten, verdammten
9 spürte ich die Gefahr. Sie war da, auch wenn ich sie aus
13 wurde mir bewusst, dass ich mich nicht ewig in diesem Loch
18 Seil hoch, wobei ich mich stark zügeln musste, nicht nach
19 unten zu schauen. Andernfalls hätte ich sicherlich
101
1 Blinzelnd ließ ich den Blick umherschweifen, als mein Kopf
2 die Höhle hinter sich gelassen hatte. Etwas Warmes rann mir
3 über die Rücken und auch ohne nachzusehen, wusste ich, dass
7 überhaupt nichts. Ein Ast zerbrach. Hastig ließ ich den Kopf
12 Kurz und schmerzlos, sodass sich das Tier nicht einmal hatte
17 ich bin kein Papagei! Doch eiserne Hände zerrten mich wie
21 Mann inne, drückte mich grob mit dem Rücken gegen einen
27 zu werden.
102
1 Verwundert fuhr der Gorilla herum und stieß mir den
3 Der Schlag hatte mir alle Luft aus den Lungen getrieben.
11 einmal.
13 Mund?
103
1 aufgab. Durch meine leicht zusammengekniffenen Augen
2 bemerkte ich das fiese Grinsen auf ihren Lippen, als sie
5 Moment warf ich mich zur Seite, trat ich mit aller Kraft
24 Erfolglos. Mir wurde schwarz vor Augen und hätte der Gorilla
104
1 4. Kapitel
2 Das Haus aus weißem Backstein, mit seinen schmalen, hohen
4 der Tür erhoben, lag etwas abseits der Stadt. In der Mitte
12 Bahnen zog. Die Art, wie er rhythmisch mit dem rechten Fuß
17 hatten für mich nur einen kurzen Blick übrig gehabt. Doch
23 Kopfschüttelnd sah sie sich nach allen Seiten um, als merkte
27 zu. Ich wollte den Kopf senken, um Hilfe rufen, doch das
28 Klebeband auf meinem Mund unterdrückte jeden meiner Schreie.
105
1 hätte aus einem Bilderbuch stammen können, erfunden und
26 Namen haben für mich keine Bedeutung. Viel mehr möchte ich
106
1 gewesen, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als die Gorillas
2 mich zu Boden warfen. Aber was war dann passiert? Hatten sie
7 Mann und schlug wütend mit der Hand auf den Tisch.
10 Frage gestellt.
15 ich mein Anwesen stark bewachen und alles und jeden, der
24 Bikini rundete ihre hübsche Figur ab. Sie hätte genauso gut
107
1 Ich nickte knapp. Irgendwie beschlich mich das Gefühl,
4 verhielt er sich dabei wie ein Lehrer, der den Namen des
8 Innerlich musste ich grinsen. Tut mir Leid, Sir, ich habe
11 unter Ihrer Maske Ihr wahres, fieses Gesicht gesehen und Ihr
15 sieht.“
21 unbeeindruckt.
108
1 gesellen möchtest. Maden und Käfer werden deinen kleinen
5 Magen, Leber und Darm. Und zum Schluss sezieren sie dein
6 Herz. Dabei werden sie nichts von dir übrig lassen, fürchte
7 ich.“
14 dumm sind und sich für Dinge einsetzen, die sie nicht den
20 Wahrheit und ich werde dafür sorgen, dass meine Männer dich
22 mich anzulügen.“
109
1 „Weil ich Ihren beschissenen Gorillas in die Arme gerannt
5 kannte, wusste ich, dass ich nur eine Chance hatte, wenn sie
6 auch noch so klein war. Ich musste den Mann reizen, mit ihm
8 ich jedenfalls.
22 „Wenn das nicht mal dein Freund ist, Tim.“ Maurice Scott
23 jauchzte wie ein kleines Kind kurz vor der Bescherung. Sein
110
1 meiner Zinnsoldaten, die ihren Führer begrüßten. Links zwo,
3 Ein Schrei hallte über den Flur, den ich nur zu gut
8 „Mathieu!“
15 den dunklen Augen des Mannes. Ich sah es, wissend, dass wir
18 beharrte Hände und rissen mich brutal vom Boden hoch. Ich
19 schrie, versuchte mich verzweifelt loszureißen. Im
111
1 Schlag seine Zähne aufeinander presste. Seine Lider falteten
6 ebenso schwarz war wie die Seele des Mannes, der uns hier
7 einschloss.
15 hatten sie auf ein Gestell gelegt, das wohl ein Bett sein
112
1 genauso entscheiden, wie ich über meine Spielzeugautos. Aber
7 schicken oder sonst wohin. Es ist mir egal. Aber bitte, gib
16 hinein.
25 dem Wächter fort ginge, wäre ich wieder alleine. Bliebe ich
26 hier, widersetzte ich mich dem Mann erneut und würde somit
28 meine Hand, Finger für Finger, aus der heißen meines Freunds
29 gleiten. Pass auf dich auf, Kumpel, flüsterte ich so leise,
113
1 Zum allerersten Mal konnte ich wirklich behaupten, einem
8 den Rücken zu. Neugierig sah ich mich um, unwissend, ob man
26 Mann ruhig an, doch sein eisiger Unterton klang warnend. Ich
114
1 In dem teuren, dunklen Morgenmantel, den er jetzt trug,
5 wusste, wie sich die Tiere gefühlt haben mussten, denn ich
6 war dabei, als viele von ihnen ermordet wurden. Papa hat
12 vor dem Sieg zogen meine damaligen Freunde den Schwanz ein,
18 tausend Hühner war, dessen Kopf man vom Körper trennen und
19 dann zur Belustigung im Kreis laufen lassen würde, bis die
23 musste.
25 habe.“
26 „Weil Sie sich nicht ihre Hände dreckig machen wollen? Wie
115
1 dreckige, alte T-Shirt mit dem Surfer trug, dazu die
4 Lippen, von denen noch Momente zuvor Worten auf ihren Weg
8 Huhn und auch kein Schwein, Tim! Du bist ein Menschen und
14 mir zu, wo immer ich auch sein mochte. Nur ihn selbst sah
15 ich nie, weil er in einer ganz anderen Welt lebte als ich.
16 „Du bist anders, als die meisten Kinder, die für mich
17 arbeiten…“
116
1 „Tim, Tim, Tim.“ Scotts Stimme hatte jetzt den Unterton
4 bin ich nicht befugt, dir auf alles eine Antwort zu geben.“
5 „Warum nicht?“
9 „Okay.“
15 Herren. Das Füße küssen haben Sie noch vergessen, hätte ich
18 die öffnete Hand aus und ließ ein Stück Papier auf den
19 Schreibtisch segeln. Erstaunt hob ich die Augenbrauen,
26 denn er wandte sich abermals um. „Was sollen wir mit dem
117
1 „In die Baracke. Er soll sich auskurieren, damit ich ihn
5 auf? Wenn der Mann mir nicht schon von der ersten Begegnung
14 Stoff ihres Kleides auf… Nur das Gesicht… Ich habe ihr
16 meines Gehirnes. Das konnte doch nicht wahr sein! Die Mauern
20 durch den Gang, ohne mich von der Stelle zu bewegen. Ich
30 durch, Kay… Und du, wer immer du auch bist, lass die Finger
118
1 von ihr! Da, plötzlich, ein Fünkchen, ein Aufblitzen,
5 Nein…!
10 einen Schreck ein.“ Er reichte mir das Stück Papier über den
12 kennst?“
16 sprechen und ich glaube, der Mann hat mich auch ohne
17 Erklärung verstanden.
22 als habe er gelogen. River musste wohl nicht sehr stolz auf
27 doch er war immer noch mein Vater. Den Einzigen, den ich
119
1 „Siehst du, vor vier Tagen ist die Übergabe in der Nähe
3 schlug mit geballter Faust auf den Tisch. Sein Gesicht war
5 Der eine kehrte zurück, unversehrt, den anderen sah ich nie
6 wieder. Dachte schon, er habe sich mit dem Geld aus dem
7 Staub gemacht.“
21 „Dein Vater war in der Tat Forscher… bevor wir uns kennen
28 Teil nehmen, wenn man doch auch alles haben kann? Komm
29 schon, sieh mich nicht so an. Du weißt, dass es wahr ist.“
30 „Aber… warum?“
120
1 „Dein Vater hatte immer Forscher sein wollen, berühmt und
5 nannte er mir nicht, doch ich war ihm dankbar für diese
12 Der Grund dafür war der Tod seiner Frau. Nun hielte ihn
16 Assistent zu werden.“
23 dir genau an, Tim! So ein Haus wäre in Amerika oder Europa
24 nicht bezahlbar.“
25 „Wenn Sie so viel Geld haben, warum hat mein Vater dann
121
1 „Er wollte es nicht. Nur Haschisch und Marihuana.“
2 „Warum?“
4 warum?“
17 ist aber nicht sehr nett, Tim. Ehrlich, ich bin doch kein
20 „Dann beweisen Sie es. Beweisen Sie mir, wer Sie wirklich
25 weiß hervor.
122
1 „Was wollen Sie tun? Uns quälen? Die Polizei wird bald
3 „Das glaube ich kaum. Wie dem auch sei, ich denke, wir
20 „Morgen.“
123
1 Scott erhob sich, reichte mir die Hand zum Abschied. „Ihr
3 überzeugend ein.
10 „Kannst du schwimmen?“
11 „Ja.“
13 Tess warf ihr Haar elegant in den Nacken. Kurz schloss sie
23 Information anfangen?“
25 „Wieso?“
26 „Wieso?!“
124
1 hervor, der bei meinem Anblick sofort die Nackenhaare
14 sie dem Hund einen Kuss auf die spitze Schnauze gab.
21 auf und stierte mich mit zur Seite gelegtem Kopf durch seine
24 im Nacken.
26 dass Kalli dir nicht nur ein bisschen weh tut.“, erwiderte
125
1 ähnlichen Ausblick auf die grünen Wiesen oder den Urwald vor
3 einmal gesehen - nur wo? Auch die aus Staturen, die dem
24 und dem leisen Hecheln des Hundes war es still. Ich war
26 immer.
27 „Tim?“ Tess legte mir zögernd die Hand auf die Schulter.
126
1 Ich erblickte den Stapel Papier, der dem schiefen Turm von
7 Textmarker und
9 beieinander gelegt.
17 ehrlich war, mochte ich sie trotz ihrer Art und der
18 Tatsache, dass sie die Tochter des Mannes war, der den Tod
19 meines Vaters zu verantworten hatte. Aber Kinder suchen sich
24 Das ist kein Spiel mehr, falls es denn jemals eines war. Ihr
27 liegt ihr bald vielleicht auch unter der Erde mit all den
127
1 Mein Blick wanderte erneut zu der Kleidung auf dem Bett.
4 ich mir nehmen. Hastig schlüpfte ich aus T-Shirt und Hose.
16 dreckigen Haare. Daheim hatte ich mir nie viel aus Waschen
24 ich aussah, als wären hunderte von Aasgeier auf mich herab
128
1 weggewischt. Stolz wickelte ich mir eines der teuren, weißen
5 berührten.
8 klang gedämpft durch die Tür, gegen die sie nun mit beiden
10 „Ja, ja…“ Seufzend ließ ich mich auf dem Klodeckel nieder
11 und streifte mir die Socke über den linken, noch feuchten
20 stand da, nackt, nur mit dem Handtuch um die Hüften, mit
22 an.
30 wahr sein!
129
1 „Was ziehst du überhaupt an? Doch nicht etwa das hier!“
4 schnell mit den Fingern die Bügel durch, zog ein Oberteil
5 heraus und warf es vor meinen Füßen auf den Boden, dann noch
7 Leise fluchend wandte ich mich ab. Eines Tages bringe ich
8 dich um! Es konnte doch nicht sein, ich mich von diesem
11 musste ich zugegeben, dass Tess es bei der Wahl ins Schwarze
14 am Kinn.
16 den Kopf wiegend. „Ein Glück, dass mein Bruder nicht all
130
1 zwanzig Minuten an. Komm endlich!“ Ihre knochigen Finger
9 kürzer, verstanden?!“
10 Das Schloss knackte, als sie die Türe hinter sich zuzog.
17 brauchen, wenn ich fliehen wollte. Das Ohr fest gegen das
18 Holz der Tür gepresst, lauschte ich den Schritten auf dem
19 Korridor, um sicher zu sein, dass niemand plötzlich den Raum
25 ausatmend stieß ich die Tür auf. Ich konnte nur hoffen, dass
28 der aus einem Grund, den du immer noch nicht kennst, sterben
29 musste. Er wollte vergessen, selbst wenn dies zu bedeuten
131
1 schien, seinen eigenen Sohn, dich Tim, zu verlieren und
16 begreifen…
25 nicht aber das tote Holz. Ich beobachtete sie von meiner
26 Insel aus, die Füßen in ihr Meer tauchend. Kalli neben mir
132
1 vollführte eine Drehung, noch eine - und erstarrte. Leises
3 Xylophons.
15 Ich spürte, die aufsteigende Wut, die wie Magma aus dem
133
1 kleine Wichtigtuerin. Mir ist es egal, wie toll du tanzen
22 Ansprach hält, strich sie sich eine Strähne aus der Stirn.
26 Unschlüssig trat ich von einem Bein auf das andere. Ich
30 gewesen.
134
1 „Wie ‚viel schlimmer‟?“, stammelte ich und musste mir im
5 dem Auslaufen des Wassers aus dem Rohr den Hahn zugedreht
6 hatte. 2:0 für ein Mädchen. Dafür konnte ich ihr nicht
8 „Ich weiß nicht, warum du hier bist oder warum mein Vater
10 als ein dreckiger Junge, genau wie die anderen auf den
12 diese Leute. Aber noch mehr hasse ich meinen Dad.“ Sie
13 setzte sich auf die Tischkante, wobei sie sich mit den Armen
14 abstützte.
15 „Ehrlich?“
16 „Ja, wenn ich es doch sage. Und auch all diejenigen, die
20 möchte nur hier weg, glaub mir. Warum um alles in der Welt
21 sollte ich deinem Vater helfen, wenn ich nicht einmal weiß,
22 wobei?“
26 wirbelte auf Schuhen mit hohem Absatz herein, auf denen sie
28 dem Boden.
29 „Tess, wir… wer ist das denn?“ Sie sprach Französisch,
135
1 Lächelnd zwinkerte sie mir zu. Kurzes Händeschütteln. „Ich
8 Sie konnte einem ins Gesicht lächeln und mit der gleichen
24 nicht aufgefallen war, weil sie zum Teil von einer Pflanze
26 sie ein Imitat aus Kunststoff. Mit einem letzten Blick über
28 Wort mich den Kopf kosten könnte. Ich biss mir nervös auf
29 die Unterlippe bei dieser Vorstellung, schmunzelte aber zu
30 gleich.
136
1 „Du bist sicherlich zu Besuch bei Sir Maurice Scott.“
9 „Ich meine, ihm einige Mal auf dem Flur begegnet zu sein.
13 Enttäuscht lehnte ich mich gegen die Wand. Vor allem und
20 des Sandmanns aus den Augen. Ein Zimmer im ersten Stock! Das
137
1 „Aufwärmen. Auch die Muskeln eines Tänzers müssen für den
3 unangenehme Zerrung.“
4 „Aber Tim tanzt doch gar nicht!“, mischte sich Tess hastig
7 die Seele. Ich bin sicher, es wird dir gefallen. Tess hätte
12 sehr einfach. Ich denke, Tim, das bekommen wir hin, nicht?“
14 wobei ich mich zur Belustigung der Frauen auf den Boden
28 Sonne."
29 Ich schnitt eine Grimasse. „Küsst der Mond die Sonne? Was
30 ist das denn für ein dämlicher Spruch?“, entgegnete ich mit
138
1 nachgeäfftem Tonfall, stemmte die linke Hand in die Hüfte,
2 wippte leicht mit dem Fuß. „Ich bin gar kein übler Läufer.“
5 an die Brust. Ich spürte ihren Atem, der wie ein sachter
17 Platz, Cha-Cha.“
27 Mädchen weit, weit weg. In die Arme eines Mädchens, das ich
30 rechtes Bein.
139
1 Sie wollte fluchen, doch als sie in mein verzweifeltes
10 einzugliedern.
14 zwinkerte.
16 sacht über das kalte Holz. Tess hatte den Kopf zur Seite
24 hindurchschwebte.
27 fort.
140
1 Nixen, die gierig nach mir langten und mich langsam immer
3 flossenähnlichen Händen.
7 Teufel persönlich.
11 Tess mir den Rücken stärken wollten, wofür ich ihnen ein
21 ich ihre verschwitzte Hand aus meiner gleiten, ohne sie ein
141
1 der sie alle besiegt. Kay vertraute mir. Ich durfte sie
9 Erstaunt hielt der Diener inne. „Es ist nur mein Befehl
10 von Sir Scott, den Jungen zu ihm zuführen.“ Die weiße Seide
12 Widerstrebend folgte ich ihm auf den Flur. Wie ein Mensch,
13 der seinen letzten Atemzug tat, so ächzte auch die Türe, die
142
1 Ganz auf seinen Wunsch reichte man ihm dazu süße Früchte und
7 Kopf, als er die Gabel an den Mund führte und das Fleisch
14 „Du hast mir eine Frage noch nicht beantwortet, Tim. Die
28 Beine mit dem Messer auf das Tablett zurück, wobei er nach
29 einer hübsch mit einem Goldrand verzierten Schale langte.
143
1 „Es lohnt nicht, es zu verleumden, Tim.“, fuhr der Mann
2 nach einer Weile der Stille fort, welches lediglich von dem
13 worden war?
22 hilfst mir.“
24 entfuhr es mir.
26 erfahren hast.“
144
1 Ein Lächeln huschte über Scotts Lippen, doch es war
18 hattest.“
19 Wie auf ein unsichtbares Kommando wurde die Tür
25 Blickkontakt suchte.
145
1 Schweiß, auf sein zerrissenes Leinenhemd herab. An dessen
11 gewehrt haben.
15 nach dem Messer auf dem Tisch und hielt es dem jungen Mann
20 betete.
24 Mann das Messer aus der Hand schlagen, doch eisernen Hände
25 verdrehten mir die Arme auf den Rücken. Verzweifelt trat ich
27 Lage war.
146
1 „Nein!“, stieß ich hervor, bei dem Versuch, meine Gedanken
2 zu ordnen.
9 Jungen das Leben retten, indem ich alles preisgab, was ich
14 „Nein… Bitte!“
15 „Vier… fünf…“
17 flehte ich.
18 „Sechs…“
19 Ein Schwindel übermahnte mich. Was mochte Kassians Mutter
22 wie ich damals, als ich meine Mama verloren hatte? Bis in
23 alle Ewigkeit… Amen. Nein, selbst wenn ich keine Chance mehr
27 schachmatt zu setzen.
28 „Okay, ich werde Ihnen alles sagen, was ich weiß. Aber
29 bitte, beenden Sie diesen Wahnsinn. Das ist kein Spiel, bei
147
1 „Ich werde den Jungen erst dann freilassen, wenn ich das
7 Buchstabenkombination.“
10 gar nichts, rein gar nicht. Weder über Scott noch über
20 er sterben musste?“
25 fallen ließ und mit den Händen durch die Haar fuhr.
27 Leben für das Erste gerettet zu haben, doch mir fehlte der
148
1 „Ich verstehe: Du willst mir die Entscheidung überlassen.
4 Beine des Jungen gaben sofort nach, sodass der Mann ihn
8 Erstaunt hob ich den Kopf. Es war eine Gabe, die sowohl
10 Schlagfertigkeit.
11 „Warum um alles in der Welt sollte ich das tun? Sie sind
15 die für dich weniger angenehm sein möchten, wenn bei dir
17 mein Junge.“
26 wenn alle vergaßen? Das Leben hatte erst dann einen Wert,
27 wenn man es auch lebte. Für den Mann mochte ich nur ein
28 kleiner Junge sein, aber ich war ein kleiner Junge, der für
29 etwas kämpfte. Und das, wofür es sich zu kämpfen lohnte,
149
1 überstieg all die Furcht wie den riesigen, weiß gepuderten
8 „Kein Aber.“
22 Wütend schlug er mit der Faust auf den Tisch, dann auf die
23 Glocke des kleinen Beistelltisch. Bevor ich auch nur mit der
26 mit einer Schürze, wie ich es nur aus alten Filmen des 20.
150
1 sie wie ein zerbrechliches Porzellanstück in das Zimmer, aus
7 einem Fuß auf den anderen verlagerte, bevor der Gorilla ihm
18 lassen Sie uns frei! Dann versprechen ich Ihnen, dass ich
19 Ihnen keinen Ärger bereiten werde.“
151
1 „Geh mir aus den Augen!“, brüllte er mit einem knurrenden
3 schenken, wandte er sich mir zu, hielt etwa einen Meter vor
6 auf die Schulter legend, „Weißt du noch, was ich dir über
10 ich dich noch nicht getötet habe, ist der, das du der Sohn
18 Zimmer. Etwas Warmes rann über meinen Arm und auch ohne
19 nachzusehen, wusste ich, dass es Blut war. Dunkelrotes Blut.
28 gegen das harte Glas, wobei ich mir unwillkürlich auf die
29 Zunge biss. Blut füllte meine Mundhöhle, doch ich zwang
152
1 Schlinge um meinen Hals, sodass jegliche Gegenwehr unmöglich
153
1 5. Kapitel
2 Im Osten geht die Sonne auf, so heißt es. Doch in diesem
6 Meisters, zu zaubern.
9 ihm ohne Widerrede zu folgen hatte. Nervös kaute ich auf der
22 Plastikschild.
26 Wars oder die andere Science Fiction Filme, die ich im Kino
154
1 Ohne von seiner Akte, die er eifrig studierte,
10 würde.
16 bis dein Herz versagt. Oder die wollen irgendein Gift an dir
18 überleben wirst.
19 Sekunden starrten wir einander an, dann langte der Mann
155
1 zerstört. Eine in den Ohren schmerzenden Sirene heulte auf.
15 mich nun jemand mit dem kleinen Finger angetippt, wäre ich
156
1 nachgab. Völlig überrascht kippte ich hinten über - direkt
3 ausstreckte.
5 wenn ich laut genug gerufen hätte - hier unter der Erde
10 Bedaure, dies muss ein Irrtum sein. Wir haben keinen Jungen
26 Grelles Neonlicht flutete den weißen Raum und mit ihm all
157
1 Gefäßen vor sich hin brodelten. An der freien Wand gegenüber
8 meinen Willen zerrten sie mich auf den riesigen Tisch, wobei
9 einer von ihnen meine Brust mit aller Kraft auf die
25 Mit aller Kraft hob ich den Kopf ein Stück von der
158
1 Die Gestalt öffnete erneut den Mund, als wolle sie
9 einschlafen…
23 Du weißt es nicht.
25 Du weißt es nicht.
27 Du weißt es nicht.
30 Du weißt es nicht.
159
1 Wie sehr haben sie dich und deinen Körper missbraucht?
2 Du weißt es nicht.
10 Oder bist du, der Junge mit dem Narben übersäten, kleinen,
16 weiß, dass ich nicht so bin, wie du dort unten. Dass ich in
17 gewisser Weise über dir schwebe. Denn ich weiß, dass in mir
27 gesehen.
30 zu, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatten. Auch mein
160
1 restlicher Körper erwachte allmählich aus dem
22 mir.
161
1 Metallplatte. Würde man dich von oben fotografieren, könnte
3 Jahrhunderts verkaufen.
7 sie.
14 „Perfekt!“
28 aufgesetzte Brille überflog der Mann kurz eine Akte, die man
29 ihm reichte.
162
1 „Ja, Sir.“, fügte eine Eisbärin hinzu, die sich mit hinter
4 Produkten.“
8 auch eine Woche. Hast du Hunger, mein Junge? Ja? Knurrt dein
23 nicht wahr, Nummer 448? Oder bist du für die Liebe noch ein
27 Hals befreit. Aus Angst, ich könnte vor der Beschwörung des
30 lösen.
163
1 Mit einer dringlichen Handbewegung befahl Scott einem der
10 Glück gehabt…“
14 „Sie haben mich nie danach gefragt. Sie haben mir nie die
164
1 seines Meisters kassierte. „Ich meine natürlich… Sie
2 verstehen…“
6 gefliesten Boden.
12 die Sterne und den Mond vom Himmel entführen ließ, ja sogar
165
1 Auf der Aschenbahn flimmert die Hitze der Sonne. Am Rand,
8 Starthaltung auf den Pfiff. Nur ich nicht: Ich warte auf
13 in die Hand legt, kauf dir ein Eis dafür, ja? Doch ein Eis
23 schwankt, weint. Ich höre Mama rufen, aber nicht Papa. Lauf,
24 Tim, lauf. Ich nicke. Papa kommt bestimmt noch. Dann jage
25 ich los, nehme die Verfolgung der Spitze auf. Atmen, laufen,
27 aufzuwärmen, vor dem Tor gewartet habe, damit Papa den Weg
28 auf die Anlage findet, falls er kommt. Aber ich gebe nicht
29 auf. Aschestaub wird aufgewirbelt. Eine Kurve. Nur noch
166
1 wenige Meter bis zum Ziel. Lauf! Mit allerletzter Kraft
167
1 6. Kapitel
2 Ein lauter Paukenschlag unmittelbar neben meinem Ohr ließ
6 wie ein Welpe auf einer dünnen Strohmatte, durch die ich
15 Orientierungssinn kämpfte.
168
1 „Psst, mein Junge.“ Die andere Hand legte sich über meine
9 zu sein.
11 möchte dir helfen. Tim ist dein Name, nicht?“ Seine zu einem
16 bückte sich nach einem Tuch, band es mir um den Kopf. „Gegen
21 kalt schlug mir die Luft entgegen, ließ mein Hemd im Wind
169
1 über den ungepflasterten Wegen und dem Feld lag, welches bis
16 und doch riskierte niemand die Flucht. Warum? Ein Mann, wie
170
1 weg, einfach weg! Auf einem alten Holzklappstuhl hockte
14 Ich wäre naiv, wenn ich dies geglaubt hätte. Maurice Scott
15 hatte immer ein Aas im Ärmel. Immer. Warum also nicht jetzt?
171
1 jederzeit sein Opfer zu zerreißen. Ein Aas. Verunsichert
5 lauert es mir im dunklen Wald auf, so wie der böse Wolf dem
13 als ich im Begriff war, ein Bein über den Zaun zu schwingen,
26 Der Blick in die Ferne schenkte mir neue Kraft. Kay wartet
172
1 vielleicht zusammengeschlagen auf einem Bett lag ohne
5 dann schwang ich unter Stöhnen das zweite Bein herüber. Das
8 meinem Entsetzen war die Haut an dieser einen Stelle auf die
15 runter!“
17 entscheidenden Sprung.
18 „Nein!“
19 „Du hast keine Chance, zu entkommen, Junge! Komm zurück.
21 „Nein…“ Zögernd löste sich die eine Hand von dem Geflecht.
27 auch einen anderen Weg… Nein, Tim, nur noch dieses eine
173
1 muss. Tu es einfach. Tief atmete ich durch. Ja, einfach tun.
7 „Vielen Menschen vor dir hat die Version der Freiheit dort
18 selbst dann, wenn es nur eine Orange oder ein Brot ist.
19 Deinetwegen, nur deinetwegen, könnten sie den morgigen Tag
21 zu setzen, Junge?“
22 Ich zögerte ein drittes Mal, nur kurz, dann sprang ich von
24 Was bist du nur für ein Idiot, Tim? Wütend über meine
174
1 ich auf die falsche Seite gesprungen, direkt in den Schoß
12 Von hier unten sah es nach einem Katzensprung aus, aber von
21 einfach.
23 Verwundert, dass man mit mir sprach, wandte ich den Kopf
30 „Nummer 274.“
175
1 „Und dein richtiger Name?“, hakte ich nach.
2 „Nummer 274.“
6 Plötzlich kam mir eine Idee. Eine Idee, wie ich nicht nur
8 sondern auch eine, wie ich mich Scotts Tyrannei ein wenig
9 widersetzen konnte.
24 Hand immer noch wild in der Luft wedelnd, zerrte sie vom
25 Boden hoch.
28 böse, wobei er sie derart grob von sich stieß, dass die
29 Kleine stürzte, wofür sie erneut einen Hieb dieses Mal in
176
1 „Lassen Sie sie in Ruhe!“, brüllte ich, im Versuch die
3 ich zusehen, wie der Mann mit einem spöttischen und zugleich
9 baute sich der Wächter vor mir auf, sodass ich mir wie ein
11 zerquetscht werden würde. Dennoch… Ich kam mir mit einem Mal
21 „Ingo?!“
23 sind.“
177
1 „Meine Mutter…“ Er dachte kurz nach. „Ja, ich erinnere
4 Erkennungsnummer.“
5 „Wieso?“
10 schneidet so. Aua, Jabali. Bitte, ich werde dir auch keine
16 endlich auf. Ich war frei! Für einen Augenblick überkam mich
178
1 Mit ihrem heißen Atem drückte die Luft alles nieder. Das
15 muckste sich hier auf der Plantage niemand. Nicht einmal die
17 lehnte ich mich gegen den Stamm des Baumes. Eine Frucht
21 Erstaunt sah ich auf. Mathieu stützte sich auf seine Hacke
27 „Hallo, Heulsuse.“
179
1 „Immer dem größten Chaos nach. Nein, ernsthaft. Die Leute
3 „Ehrlich?“
7 Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich bemerkte,
15 gab…
18 Ich schüttelte den Kopf. Aber all dies hatte weder etwas
19 mit Mut, noch sonderlich großem Kampfgeist zu tun. Sondern…
21 mit dem Willen, sich noch nicht ganz mit seinem Schicksal
23 Vor allem gab mir ein Mädchen Kraft, selbst wenn ich es nie
27 „Nummer 289. Ich weiß zwar auch nicht, warum, aber ist
180
1 Entsetzt klappte ich den Mund auf und zu. „Ganz witzig…
2 Was?!“
7 „Du also auch! Ich habe gedacht, ich könnte dir vertrauen,
8 Mathieu!“
12 schuld, wenn wir nicht nach Spanien kommen. Das war doch
21 wusch ich sie weg. Es hat keinen Sinn. Er ist verloren, Tim.
23 Geschmack der Niederlage lag mir auf der Zunge, gemischt mit
26 „Hey, nur weil ich einen neuen Namen habe, heißt das
27 doch noch lange nicht, dass ich nicht mehr dein Freund bin!“
181
1 In kleinen Fetzen werde ich Sie zerreißen, wie einen Ast
8 flüstern.
21 war… Nein, das stimmte auch nicht. Papa war und ist ein
182
1 befreien… Nein, Tim, du hast keine Chance. Du bist alleine,
2 ganz alleine. Sogar Mathieu steht auf der Seite des Sirs.
3 Alle deuten sie herablassend mit dem Finger auf dich, sogar
12 ein süßer Welpe, in einer Familie, die dich jeden Tag bei
13 Wind und Wetter am Halsband hinter sich her über den Gehweg
21 sich um eine Wurzel. Ich durfte mir nicht weiter den Kopf
30 auf, ging unter. Zweiter Tag. Und immer dann, wenn die Sonne
183
1 aus ihrem Schlaf erwachte, begann die Arbeit. Und immer
3 die Arbeit. Jeden Tag, jeden Tag aufs Neue. Die ganze Woche,
11 von statten ging. Nur Tess erschien nie auf dem Feld. Einige
21 wagen. So fand ich mich damit ab, noch einige Zeit auf
24 dass ich für mein Alter enorm clever war, bat er mich des
184
1 saßen wir alle irgendwie in demselben Boot. Einer leitete
13 bettelte sie darum, dass ich mit ihr spielte oder ihren
14 Freunden Namen gab. Dabei war mein Kopf leer. Ich konnte
22 ich mein Gefängnis. Nach einer Woche hatte ich mir jeden
26 brüchig war oder die sich wegen der lockeren Erde besonders
185
1 Am Morgen des vierzigsten Tages, dem 9. Juli 2004, mitten
186
1 Wie versteinert hielt der Wächter inne, ungläubig auf das
5 Hand vor Augen gelegt und sah hinaus in die Finsternis. Doch
20 Doch, ich konnte sie finden. Wie oft hatte ich sie beim
21 Arbeiten besucht, ihr das ein oder andere Mal beim Pflücken
24 ich Jabali den Zettel in die Hand drückte und die Treppe
187
1 Mein Blick blieb an Renis Mutter hängen, die die Hände vor
3 ihr helfen.
4 Mit aller Kraft stieß ich ihn von mir und wurde
11 Bein hoch, als ich in einen Pfütze trat. Erneut zuckte ein
14 Horizont zerschellen.
16 Keine Antwort. „Reni!“ Mit dem Kopf stieß ich gegen etwas
20 des Weges war. Denn ansonsten würden die übrigen Bäume einen
21 Teil des Regens abgefangen, sodass die Äste nahe dem Boden
22 kaum hätten nass werden können. Auf den Knien krabbelte ich
23 über die Erde, gleich, ob ich nun wie ein Monster aussehen
24 mochte.
27 bist auf dem richtigen Weg! Dort drüben ist die Stelle, zu
188
1 handelte sich lediglich um ein Missverständnis. Unmittelbar
3 ich mich unter einem Baum nieder, erstarrte. Was bist du nur
8 des Himmels. Eine Orange traf mich hart am Kopf, als ich
10 Blitz, wie ein Aal sah er aus, kräuselte sich in der Nacht.
15 verrückt!?“
21 wohl nie dazu, wie? Nummer 289! Dachte, du wärst der kleine
23 Aber, ich muss dir für diesen ganzen Scheiß hier danken.“
189
1 unbewusst war ich stärker als mein ehemaliger bester Freund.
4 können… als jemand meine Arme auf den Rücken presste und mir
6 Dank!
10 wurde.
13 „Mir ist es gleich, wer angefangen hat. Ihr habt gegen die
16 „Willkommen!“
190
1 als euch lieb ist, meine Freunde“ Lächelnd ließ der Mann den
5 mir. Nur er…“ Mein bester Freund machte eine Atempause. „Er
6 hat einen Fehler gemacht. Auf seiner Liste war Nummer 274
7 abgehakt. Zum Glück fiel mir auf, dass das kleine Mädchen
11 nicht auffiel.“
13 derart belasten?
16 sagst du dazu?“
191
1 Kenntnis gesetzt worden zu sein. „ Ich schätze, es ist
2 interessant und von hoher Priorität für uns, wie sie das
3 Vorgefallene bewertet.“
4 Tess nickte dem Mädchen kurz zu, wobei sie ihre Rolle als
8 befreiend.
9 „Er“ Sie deutet mit ihren dünnen Finger auf mich. „Er hat
11 habe. Ich hatte so große Angst, dass ich mich nicht bewegen
16 ich.“
17 Fassungslos starrte ich Reni an. Nein, das ist alles ein
192
1 7. Kapitel
2 Die Fleischmesser hingen blank poliert über dem Herd, auf
14 Schuld.“
16 Innenrahmen der Tür, die sie nun hinter sich zuzog. „Das ist
27 ab, doch ich spürte, wie sie noch einen kurzen Blick über
28 die Schulter zu mir zurück warf.
193
1 Sehen zu, welche Dreckarbeit Sie ihm aufnötigen können.
2 Tess hatte nicht übertrieben, als sie dies sagte. Der Mann,
7 betete, dass Scott mich endlich ans Kreuz über dem Kamin
10 zur Qual. Dennoch, irgendwie überlebte ich den Tag und den
14 zwängte, wurde mir klar, wie sehr sich mein Leben verändert
22 die Luft anzuhalten, bis ich erstickte. Aber jedes Mal, als
25 die auf dem Feld, schrecklicher als alles, was ich bisher
26 erlebt habe. Doch auch diese Zeit würde vorüber gehen. Nach
194
1 Tropfen auslöffeln und anschließend eine neue aufsetzen,
2 ganz egal, wie schlecht es mir ginge. Je mehr ich mich dem
3 fügte, was der Koch von mir verlangte, desto weniger Schläge
8 Gähnend rieb ich mir die Augen und bemerkte entsetzt, dass
25 „Danke.“
195
1 „Sehr witzig. Wirklich sehr witzig.“, zischte sie böse und
2 stemmte die Hände in die Hüften. „Also: Wer ist außer deinem
6 „Okay, okay. Es tut mir Leid. Ich bin alleine. Die anderen
8 zurück.“
10 Gesellschaft leiste?“
14 Nach etwa einer halben Stunde blitzte die Küche wie neu.
15 Obwohl ich es nie für möglich hielt, war die Tochter des
30 Kleeblattform?“
196
1 Sie wrang den nassen Lappen über dem Waschbecken aus. „Wie
6 sie das Handtuch aus meinen Händen riss und einige Schritte
10 erfuhr, was auf dem Feld vorgefallen war, habe ich das
12 fort, „Ja, ich weiß, ich bin eine blöde Ziege. Aber was
24 Hastig fing ich sie auf und wandte sie in meiner Handfläche.
28 Name, der meinen Atem stocken ließ: Nummer 08, Marc River.
29 „Keine weiteren Fragen, kapiert? Nimm es als
197
1 Tess mir über die Schultern zu. „Morgen Abend bekommt Dad
10 Die Wahrheit, weshalb ich hier bin. Ich musste es nur bis in
13 langen Regal fischen und es mir beim Lesen auf deinem Leder
17 eine Falle? Gaukelte mir Tess etwa nur vor, auf meiner Seite
21 andere Wahl als mitzuspielen? Denn, wenn ich ihr nun nicht
26 „Gute Nacht. Träum was Süßes, mein Kleiner. Ach, und sei
27 so lieb und leg schon alles für morgen früh bereit, bevor du
198
1 Von unserer ersten Begegnung an hatte er mich gehasst.
9 Blick, mit dem der Koch zur Tür hinausjagte. Ich blieb
199
1 schnell wieder den Raum. Schließlich durfte er auf solch
3 bis hundert, bevor ich auf leisen Sohlen ebenfalls zur Tür
14 derart stark, dass niemand der Qual länger als drei Schritte
22 ein Rätsel.
23 Langsam steckte ich den Kopf um die Ecke. Hier waren sie.
24 Hier waren die Aufzüge nach oben. Doch sie würde ich nicht
30 legte. Für Sekunden setzte mein Herz aus. Das Blut gefror in
200
1 meinen Adern. Sie haben dich erwischt, Tim. Jetzt bist du
201
1 8. Kapitel
2 Zimmer 8. Dritte Tür von links. Vorsichtig ließ ich meinen
9 Seufzend hielt ich vor einer Tür inne. Alle Zimmer waren
13 ich mit dem Wunsch, einfach die Karte einzustecken und alles
17 auf. Tief atmete ich ein, aus, wieder ein. Komm schon, Tim.
27 stickig. Staub sammelte sich auf den wenigen Möbel. Leer und
28 tot. Lediglich der Kühlschrank in der einen Ecke,
202
1 noch schwach. Zögernd setzte ich einen Fuß vor den anderen.
3 falsch, irgendwie falsch. Dann ließ ich mich auf den roten
11 und Papa. In der oberen Ecke steckte ein kleines Bild - Ich
17 jetzt tun.
18 Hastig riss ich eine Schublade auf. Fünf oder sechs Akten
19 kamen zum Vorschein, keine davon beschriftet. Ich nahm die
203
1 verwirrender und entsetzlicher als alles, was ich mir hätte
2 vorstellen können:
4 Februar 2004
12
14
15 Schluckend ließ ich die Akte sinken. Das konnte nicht wahr
19
20 3. März 2004
28
29 Clemens Henkel Vasco Igmanias
204
1 Manfred Giebels
3 Nora Valencia
4 Maurice A. Scott
6 Blut tropfte von meinem Kinn. Erst jetzt bemerkte ich den
20 nur, dass mein Vater etwas damit zu tun hatte… Ist das der
25 einen Teil von ihr. Kurz schloss ich die Augen, wünschte
26 mich weit, weit weg von hier. Wünschte mich an den Strand
28 oder mich mit Papa um die lila Luftmatratze stritt. Aus dem
29 Wunsch wurde eine Sehnsucht. Die Sehnsucht, endlich ein
205
1 normaler neunjähriger Junge zu sein. Nicht einer, der sich
10 dokumentiert:
11
12 5. März 2004
14 Blutgruppe(n): rh+ A
17 Übergabe erfolgreich.
18
21 (männlich)
24 Empfänger unbekannt.
25 Übergabe erfolgreich.
26
206
1 Entnahme des Neugeborenen (Nummer 507, männlich). Verkauf
3 erfolgreich.
7 Blutgruppe(n): rh+ 0
9 Ursache:
10 Hoher Blutverlust
14 Übergabe erfolgreich.
15
16
22
207
1 das ganz große Geld. Was aber das Schlimmste von allem war:
2 Papa war der Leiter dieses Projektes. Er war es, der die
9 nochmals tief durch. Es gab nur noch eine Sache, die ich
10 wissen musste. Was geschah am 25. Mai, dem Tag, an dem Vater
11 starb?
12
15 Blutgruppe: rh- AB
18
22 nicht bestätigt worden. „Siehst du, vor vier Tagen ist die
208
1 Absolut bescheuert auch nur einen weiteren Gedanken daran zu
9 fallen oder dass ich von einem König zum Ritter geschlagen
11 trommelte ich mit den Fingern auf der Tastatur, wobei mein
13 blieb: Ich musste den Mann finden, der sich hinter der
15 Morgen, sagte ich mir, morgen ist auch noch ein Tag. Denn
22 wäre es Mama auch. Und Kay. Papa nicht. Bestimmt nicht. Der
23 war nie stolz, selbst dann nicht, wenn ich ein Fußballgott,
27 Frage würde ich ihm nie mehr stellen können, damit musste
209
1 verschwunden, wie ich erstaunt bemerkte. Seltsam.
3 verriet mir, dass hier etwas nicht stimmte, aber dann hörte
9 eine Stufe nach der anderen, hielt jeweils ein paar Sekunden
14 interessierte nicht.
210
1 9. Kapitel
2 In der Küche brannte kein Licht und auch sonst schien
5 war sogar noch hier! Bei dem Letzteren stockte mir der Atem.
9 Weg. Nein, nein. Bitte nicht. Lasst mich in Ruhe! Ich habe
13 Also… Was sollten sie dir schon antun, Tim? Trotzdem kostete
22 „Hi.“
24 denn hier?“
27 „Was?“
28 „Ob du etwas herausgefunden hast, Dumpfbacke?“,
211
1 linken Fuß auf den Boden klopfte, um mir zu verdeutlichen,
3 „Ähm…“
4 „Wer ist mein Vater? Was ist seine Arbeit? Mach schon den
15 Dabei…
17 kommen!?“
18 „Wie hätte ich es denn sonst machen sollen? Hätte Dad mich
19 beim Schnüffeln erwischt…“
20 Grob schnitt ich ihr das Wort ab. „Hätte er mich erwischt,
28 geholfen…“ Mit dem Schal zog sie mich ganz nahe zu sich
29 heran: „… nicht wahr, Timmiboy? So ist es doch gewesen,
30 oder?“
212
1 Im Affekt wollte ich mich losreißen, hielt es jedoch nach
3 der Familie Scott und momentan war ich nicht stark genug, um
13 Versprochen?“
15 sie. „Ich wäre sowieso keine Sekunde länger als nötig mit so
24 ein Projekt, das sich Kamikaze nennt. Ich weiß nicht, ob den
213
1 „Hör mal, nur weil ich ein Mädchen bin, heißt das noch
5 scheuern sollte. Sie war diejenige, die etwas von mir wollte
6 und, anstatt mir dankbar dafür zu sein, dass ich sie so nett
12 Kurz und schmerzlos auf den Punkt gebracht. Dabei war es mir
22 sich und trotzdem wir beide zusammen. Viel Denken tat ich
24 getan hatte und immer noch tun würde, wäre es nicht… Wieso
214
1 Zittern vernehmen, welches verriet, dass sie die Geschichte
7 reichte.
12 „Ja, ich denke schon. Danke, ich bin die Tochter eines
13 Sirs. Die weint doch nicht wegen ein paar dummen Sklaven.“
14 Hastig wusch sich Tess eine Träne von der Wange. „Also, was
15 hast du vor?“
16 „An dem Tag, an dem Papa getötet wurde, sollte ein Mann an
22 Möglichkeit.“
215
1 nach zehn Sekunden erkennen, dass du dort einbrechen willst.
2 Also…“ Sie legte mir beiden Hände auf die Schultern und sah
6 der Zeit gebe ich mein Bestes.“ Das Mädchen hielt den
15 Dann knipste sie das Licht aus und verschwand auf den
17 Sie sind groß, kräftig, wiegen das Dreifache von dir. Aber
22 gefangen, ohne zu wissen, was sie von dir wollen oder was du
23 ihnen getan hast. Das Brett, auf dem du liegst, ist aus
28 Stofffetzen in den Mund drücken, der dir den Atem nimmt. Die
29 Übrigen versammeln sich um dich und beginnen mit ihren
216
1 Schweißgebadet fuhr ich hoch, wälzte mich unruhig auf dem
3 die Luft, wie ein Käfer, den Kinder absichtlich auf den
17 mich zaghaft an. Erst jetzt bemerkte ich, dass ihr Schwanz,
18 fast so lang wie das Tier selbst, zerbissen und zum Teil
19 völlig abgerissen war, ebenso wie zwei Krallen ihrer
27 heimlich aufbewahrt hatte, für den Fall, dass ich wieder mal
217
1 „Chef, mir fehlt die Petersilie!“
2 Erstaunt, dass jemand sprach, hob ich den Kopf und hielt
3 in der Arbeit inne, wofür ich sofort einen bösen Blick von
12 Mallium - stets dankbar, wenn ich das ein oder andere für
13 ihn erledigte. Denn auch in der Küche war jeder meist auf
15 „Ich kann nicht, Chef, sonst brennt mir das Fleisch an.
16 Könnten Sie…?“
22 konnte, fügte ich schnell hinzu: „Ich geh schon für Sie,
23 Meister“
28 „Natürlich, Meister.“
29 Mehr würde ich auch nicht benötigen. Die Speisekammer
30 befand sich lediglich einen Türe weiter, ein hoher Raum mit
218
1 vielen Regalen, auf denen sich Lebensmittel jeglicher Art
8 Anblick, aber nun musste es sein. Kurz warf ich einen Blick
9 auf die Uhr über der Türe. Kurz vor elf. Würde Scott bereits
10 in seinem Büro sein? Ich hoffe es. Wir hatten nur einen
11 einzige Versuch, nur ein Los. Die Chance stand eins zu…
13 die Türe hinter mir zu und kletterte auf die Leiter, um nach
18 zählte ich die winzigen Gefäße mit dem teils körnigen, teils
19 mehligen Gewürze ab. Majoran… Chili… Ja, hier Petersiele,
219
1 Gefäße mit. Ein Drittes schwankte bedächtig. Wie an einer
11 musste. Doch die Aufmerksamkeit des Kochs war nicht auf mich
15 sie. Stille, nur das Knirschen von Glas unter ihren Füßen.
16 Dann brach sich die Welle von Ereignissen auf dem Festland.
25 was ich angerichtet hatte. Mein Teil des Plans war bis
27 es sei ein Unfall gewesen. Und eine Maus hat es nie gegeben.
30 übertrieben hatte.
220
1 Scott runzelte nachdenklich die Stirn, wobei er den Blick
8 „Ich kann mir das nicht erklären“, faselte der Koch, „Da
21 „Nur weil er nicht erkannt hat, was Sie für ein… ein
25 als ich den Mann ohne „Sir“ und noch dazu „unerzogen“
221
1 Hastig schnitt ich ihm das Wort ab. „Tim. Ich heiße Tim.“
7 Von Glück kannst du sagen, dass mir an dir etwas liegt, denn
8 sonst…“
12 Klappe!
18 Obwohl der Mann nicht weiter auf mich einging, spürte ich
19 dennoch seinen durchdringenden Blick. Unruhig verlagerte ich
20 mein Gewicht auf den anderen Fuß. Wusste er etwa, dass ich
24 wartete, gefunden hatte? Wenn ja, dann war ich ein Idiot.
222
1 Die Tage schlichen schier endlos dahin und lediglich
2 Mickie, die Maus, spendete mir etwas Trost, wenn ich abends
11 kehre den Boden, bis er glänzt - Ich tat es. Nummer 448,
12 wisch den Herd ab - Ich tat es. Nummer 448, der Meister
15 Augen zu sehen. Was aber noch viel, viel schlimmer war als
17 in Arm und Bein, von denen ich weder wusste woher, noch wie
23 Dies rührte zudem auch daher, dass sich Tess nicht mehr hat
30 Art auch hasste, ich betete inständig darum, dass es ihr gut
223
1 gehen mochte - vorausgesetzt, ich befand mich in der Lage
2 dazu. Gott, lieber Gott, hör‟ mich an, wenn es dich irgendwo
8 dass du mir all das genommen hast und mich nicht davor
13 Ähnliches bot. Auf alle Fälle, Gott, möchte ich dich wissen
14 lassen, dass nicht ich dich brauche, sondern Tess. Sie ist…
15 hm ja… Was ist sie? Meine Freundin, schätze ich. Sie hat
17 Und dann eines Tages öffnete sich die Tür ein Stück weit
25 sie der Lady mit einem leichten Knicks. Tess erwiderte die
224
1 Blick von ihr ablenken, um mit der Arbeit fortfahren.
7 meinem Kartoffelsack.
10 dich verletzt?“
11 Stöhnend rieb Tess sich den Kopf und begann, den Staub aus
18 Küche verließ.
19 Ich stutzte. Doch zu meiner Verblüffung mischte sich Wut
26 bereits bei der Geschichte mit Mathieu oder der Nacht getan
28 bin…
225
1 Aber bevor ich zu einem Entschluss kam, verschwamm das
3 drehen.
23 wurde mir klar, dass ich wieder einmal einen Albtraum gehabt
28 Träume nicht, wie man es sonst immer tat. Nein, jedes Detail
29 - die Fahne, die Aschenbahn, das Licht - alles tauchte
226
1 Ich gähnte herzhaft und wollte mich mit einem flüchtigen
23 Waren / Kurierdienste
24 Tess
227
1 aus der Bahn zu werfen. Zarin, der Mann, der an dem Tag an
7 habe. Nun schien auch dies zum Teil einen Sinn zu ergeben,
14 zustoße.
25 bitte, lieber Tim, lass mich runter. Lächelnd legte ich mich
28 ging, kuschelte ich mir auf das Kissen, formte für das Tier
29 eine Art Nest und setzte es sanft am Kopf streichelnd
228
1 Schlafen, erwiderte ich in einer lautlosen, fremden Sprache,
6 mehr wie ein böser Traum und erst, als ich das Stück Papier
8 begriff ich, dass es weder Traum noch Scherz war. Viel mehr
12 verstehen.
20 haben. Als Dank wird man dann im Auto oder Flugzeug ständig
21 angefaucht, wenn man lieb und nett zum siebten Mal fragt, ob
229
1 vorausgesetzt er will nicht Afrikas neue Hoffnung im
15 Mann den Anhänger, über dessen Fläche eine weiße Plane mit
23 kaufte ihm der größte Teil Afrikas dieses Spiel auch noch
24 ab, wenn er dafür ein oder zwei Orangen in die Hand gedrückt
25 bekam? Bei diesem Gedanken würde mir speiübel. Tief sog ich
230
1 sprenkelten meine nackten Beine, ebenso wie der Brunnen
4 stach nicht unter meinen Füßen, sondern führte mich wie auf
13 „Nummer 255?“ Der Alte stieß ihn leicht mit dem Fuß an,
22 noch den kleinen Hochzeitsring. Auch wenn der Mann über den
25 sehr er litt.
231
1 beherrschte. Ich musste. Schließlich hätte ich sonst niemals
6 Wütend stampfte der Mann mit dem Fuß auf, dann hinkte er,
8 Seufzend sah ich ihm nach. Was ging hier eigentlich vor
9 sich? Warum sollte ich nicht hier sein? Was verschwieg Zarin
24 fauchte ich zurück, als sich eine Hand über meinen Mund
25 legte und mir die Arme auf den Rücken drehte. Nein, nicht
232
1 renkte ich mir alle Knochen aus. Tausende von kleinen
5 baute sich vor mir auf und zog mich am Gürtel zu sich hoch.
8 dir habe ich nicht gerechnet. Es tut mir leid. Dir sollte
21 wie sie mich Stück für Stück auseinander nehmen. Nein, viel
22 zu riskant.
233
1 der kugelförmig geschnittenen Baumkrone versteckt hatte,
5 dann mich fort, langte im Gehen nach der Feder, die ich mir
6 wie die eines Indianers ins Haar steckte, und rannte zurück
234
1 10. Kapitel
2 Und so wartete ich. Und wartete und wartete. Ohne
8 bis zur Dämmerung. Von der Dämmerung bis zur Stunde null.
235
1 die junge Frau noch etwas länger grübeln, als sie mit dem
3 wurde. Das Letzte, was ich von ihr hörte, war ein
4 erstickender Schrei.
7 Dort, meinte er, wo sonst nur zwei Augen lauern, dort sind
12 hatte. Ich wusste, indem, was er sagt, hat der Mann recht.
14 zu unternehmen.
20 stützte ich mich Tag für Tag ins Ungewisse. Was würde
23 … Bis dieser Tag kam oder einer dieser Tage. Der 31. Juli
28 hätte man annehmen können, es sei ein Tag wie jeder andere
29 auch. Dennoch, als ich heute die Orangen auspresste,
236
1 Ausritt um die Welt zurückgekehrt: Mallium jagte wie ein
3 mal hier im Tee, füllte mal da eine Schüssel mit Obst und
7 polierte bereits jemand den Wagen, auch wenn Scott erst vor
10 vermutlich weil dies wegen des vielen Inhalts nur für drei
14 die Augen. Eben, vor etwa drei Sekunden, war da links noch
16 nur jemand einen Streich. Wie sollte sich die Plane bewegen,
22 „Jawohl, Sir!“
27 Zarin! Zarin ist wieder da! Hastig ließ ich das Messer
237
1 Ärger. Dann kannst du dafür beten, dass ich dir nur das
14 Mal saß die Brille oben auf dem Nasenrücken, mal rutschte
20 als mir plötzlich eine Hand auf die Finger schlug. Zarin in
23 den Boden austrat, bäumte sich neben mir auf. „Lass das! Du
26 Mitfühlendes.
27 Wütend trat ich gegen die Kiessteine auf dem Weg. Zum
28 Schleppen bin ich euch gut genug, wie?! Euch werde ich es
29 zeigen, selbst wenn es mich noch so viel kostete! Ohne dass
238
1 dem letzten, bereits halbgelösten Riemen und lugte ins
2 Innere, welches auf den ersten Blick leer erschien. Auf den
3 ersten Blick.
8 übergab ich mich über einer Kiste mit Orangen, fiel auf die
9 Knie. Nein… Bitte nicht! Mit Tränen in den Augen stieß ich
11 Von New York bis nach Sydney. Vom Nordpol bis in die
23 Feindes lag. Kay, von der ich gehoffte hatte, sie niemals an
26 „Tim?“ Zarin, der hinter mir her geklettert war, legte mir
27 sanft die Hand auf die Schulter. „Es tut mir so leid. Ich
239
1 Vertrauen zu gewinnen, hat der Meister ihnen Orangen und
7 musste wohl auf Klo. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht
12 Aber ich sah ihn nicht an, nur Kay. Wie konnte so etwas bloß
13 passieren? Kay, hörst du mich? Ich bin‟s Tim… Der Tim, der
20 steckte.
24 erklären und was sie dafür tun müssen, damit sie immer
25 genügend zu essen haben. Das mag sich für einen Jungen wie
28 wie ein Messias, ein Heiliger ist, der ihnen einen Weg aus
29 dem Nichts bietet. Jeder glaubt ihm, auch ich habe ihm
240
1 meisten geht es hier besser. Du hast überhaupt keine Ahnung,
4 „Nummer 255!“
7 den Kopf aus dem Anhänger steckte und leise mit dem alten
17 geistesgegenwärtig gefangen.
24 Glitzern im Augenwinkel.
241
1 „Bitte, Zarin. Du musst ihr helfen, bitte.“
4 nochmals den Kopf hinein: „Und du auch nicht, Tim. Das weißt
6 Komm.“
7 Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich will bei ihr bleiben.“
10 Anhänger zurück, sah mich von oben bis unten an. „Du wirst
13 Ohne dass ich mich wehren konnte, packte Zarin mich unter
15 und stieß mir den Ellenbogen in den Rücken, sodass ich vorne
16 überfiel. Wild ruderte ich mit den Armen, schrie, als ich
242
1 Wörter Sätze wurde, selbst dann begriff ich den Sinn dieser
2 Nachricht nicht. Weshalb erzählte der Mann mir nun von Papa?
4 „Nein… Nein, das ist nicht wahr.“ Tränen liefen mir über
8 fasste und zerrte mich über den Kies zurück zum Gebäude.
9 „Nummer 448?“
21 dieser Zimmer betreten! Doch Tess ließ mir keine Wahl. Kurz
22 warf ich einen Blick über die Schulter zurück. Nein, bitte,
30 tänzelte. „Ich weiß nicht, was Dad mit dir vorhat. Tut mir
243
1 Leid.“ Mit einer eleganten Drehung fiel sie mir flüchtig um
2 den Hals. „Pass auf dich auf, ja? Sonst habe ich niemanden
4 Mehr sagte sie nicht, jetzt nicht und auch nicht später.
10 mochte.
11 Erst jetzt bemerkte ich, dass ich sie nicht kannte. Weder
12 die eine Tess, noch die andere. Ich mochte beide und ich
13 glaubte, sie mochte mich auch ein bisschen mehr, als sie zu
26 einem Blick, den ich wohl nie vergessen würde. Ein Blick,
244
1 einmal der bunte Überwurf, wie er meist bei afrikanischen
14 lassen.
20 nicht wusste, weshalb ich hier saß, ahnte ich, dass sich
24 finde, aber nun gut. Ich gönne jedem den Erfolg dieser
25 sinnlosen Erfindung.“
26 Als ich erneut schwieg, zuckte der Sir mit den Achseln,
245
1 herüberrollte und von einem weiteren auf die Oberfläche
2 befördert wurde.
7 und sich mit einem Lächeln auf den Lippen nach Strohhalm und
8 Eiswürfeln erkundigte.
10 erzählen, mein junger Freund? Ich bin für all deine Probleme
14 zögern ließ. Gleich, wie ich reagieren würde, der Mann war
22 „Nun gut. Ich will dir auf die Sprünge helfen.“ Seine
23 rechte Hand langte nach einer Akte unter dem Tisch, die er
24 auf den Tisch schlug. Papas Akte… Die Akte, die ich in
30 Finger glitten über jede Seite, bis sie auf der letzten
246
1 angelangten. „Dein Vater war wahrlich ein ordentlicher Mann.
2 Wahrlich intelligent.“
3 „Intelligenter als Sie? Ist das der Grund, weshalb Sie ihn
8 Scott betrachte mich von oben bis unten. „Lass uns ein
20 Mann mit einem Fußtritt gegen die Schläfe auf den Rücken zu
22 Freund zur Hilfe zu eilen. Ich konnte ihn doch nicht einfach
27 Mund legte. Mir wurde übel. Der Schrei wurde in meiner Kehle
247
1 traf. Der Gorilla taumelte. Für einige Sekunden war ich fei.
248
1 11. Kapitel
2 „Los, mach die Augen auf, Nummer 448.“
3 Ich hörte diese Worte wie auf weiter Ferne. Stöhnend hob
11 den Kopf in den Nacken, bis es knackte. Ich konnte von Glück
13 zerspringen drohte.
16 trieb mir kurz die Luft aus den Lungen, dann öffneten sich
17 die Poren wie winzige Tore und auf einmal fiel es mir
249
1 an den übrigen Krümeln verschluckte, drang mir ruckartig ins
30 Rücken.
250
1 „Steig aus!“, befahl Scott barsch, wobei er den
5 ich das Auto verließ, könnte der Mann mich sofort töten,
14 daher aus dem Cabrio, als ich erstaunt ein weiteres Fahrzeug
27 rechts, wo man nun Zarin mit dem Rücken gegen die Rinde
251
1 nun gezwungen war, aufzusehen. Aussichtslos, meine Chancen
6 Und warum? Was war passiert? Weshalb hatte man nun auch ihn
8 hier? Das ergab doch alles keinen Sinn. Den Meister kostete
11 zweites Mal, während ich unruhig das Gewicht von einem Fuß
13 Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Etwas war faul und
21 Rinde?“
252
1 musste der Mann oder die Frau kaum Überlebenschancen gehabt
12 mit den Achseln. „Dein Vater war auf der Stelle tot…“,
13 entgegnete er, ohne seinen Blick von der wilden Struktur der
21 keine Reaktion, weil ich nicht verstand. Dein Vater war auf
22 der Stelle tot, aber bereits vor dem Aufprall. Wie sollte
25 jedes Baby wusste, dass ein Fahrzeug erst nach einen Crash
253
1 aber bereits vor dem Aufprall. Auf der Stelle tot vor dem
2 Aufprall. Ich fuhr mir mit der verschwitzten Hand über die
4 tot. Ich habe dich tausende von Wegen sterben lassen, Papi.
12 Aber kein Mal, nicht ein einziges Mal, habe ich einen
24 nichts.
26 „Es tut mir Leid, Tim. Es tut mir so leid.“ Zarin strich
27 mir mit seiner dreckigen Hand über die Wange, doch ich stieß
254
1 Scott lächelte, über den Stein, den er ins Rollen gebracht
5 Augenwinkel.
23 Das Letztere traf leider zu. Jeder Körper hat eine Schwäche,
24 weißt du. Sie liegt meist tief verborgen. Doch findet man
26 machen.“
255
1 wusste der Meister, als er mich sah, nicht, dass Papa einen
5 die Welt gesetzt hatte.“ Scott, der auf einem für ihn
7 nun. „Bis du vor mir hocktest.“ Mit der Hand wedelnd, um die
256
1 gelesen hatte, bevor der dieses Bündnis mit Kamikaze
2 einging.“
3 Dein Vater war auf der Stelle tot, aber bereits vor dem
5 sondern… „Sie haben ihn getötet! Sie haben mir meinen Vater
6 genommen!“
257
1 seufzend. Es hätte keinen Sinn. Der Mann wäre tatsächlich zu
7 sich Scott uns lächelnd zu: „Das war es dann wohl, schätze
9 zu sein. Für immer. Ich weiß, wie das es ist. Es ist kein
12 du.“
13 „Das gilt vielleicht für Sie. Ich bin nicht alleine. Ich
18 Kraft. Immer. Sie beschützten mich. Vor allem Mama und Papa,
19 wenn er nicht im Himmel dort oben ebenfalls etwas Wichtiges
20 zu tun hatte.
22 du nicht auch?“
23 „Nur weil man Sie im Stich gelassen hat, heißt das nicht,
28 Rücken gegen den Baum gepresst. „Ich… Ich kann nicht.“ Sein
29 linkes Auge zuckte. Tränenflüssigkeit, gemischt mit Blut,
258
1 „Wie? Was haben Sie gesagt? Ich habe es nicht verstanden.“
9 konnte Zarin so etwas nur tun? Dein Freund, der dich vor dem
10 Meister, vor der bösen Welt dort draußen, hat warnen wollen.
11 Wie konnte man so tun, als ob all dies nie geschehen wäre?
20 Tief atmete ich durch. Ich hatte nur noch eine Frage. Eine
23 „Es ging alles sehr schnell. Ich bin mir sicher, er hat es
26 Ereignis ein zweites Mal durch. „Dein Vater hat mich laufen
259
1 Einfach weg. Und ich? Ich streunte immer noch schockiert,
3 ich Glück, dass mich dabei kein Bus erwischt… Oder Pech.
5 dich getroffen habe. Sah das Telefon auf dem Tresen und
7 japste nach Luft. „Es war die von dem Meister. Und als ich
15 Ich dachte, jetzt sei es aus. Jetzt töteten sie dich doch,
22 Ich sollte deinen Vater töten, den größeren Verräter von uns
25 ein. Ich weiß, Tim, du hältst mich für einen Feigling. Und
26 der bin ich auch. Aber ich hatte Angst, verstehst du? Ich
27 hatte Angst, zu sterben, wie Ismen, meine Frau. Ich war noch
28 nicht bereit dafür. Und so… So stellte ich deinem Vater eine
29 Falle. Hier, hier in dieser Kurve. Wir wussten, River würde
260
1 wartete ich. Zehn Minuten, zwanzig, vielleicht auch länger.
3 ich weder Schmerz noch Trauer. Nichts, nur die Kälte, die
11 schoss heran. Ich sah ihn, deinen Papa, jedes einzelne Haar,
13 ich die rechte Hand. Nein, ich konnte nicht. Nicht werfen,
14 dachte ich noch, auf gar keinen Fall, als sich plötzlich
16 bohrte sich in den Hals, das Zweite grub sich in den linken,
18 und gegen den Baum stieß. Gesehen habe ich es nicht. Ich
19 konnte nicht. Wollte nicht sehen, was ich getan hatte. Ich
261
1 traute ich mich, in den Spiegel zu sehen, indem ich… indem
2 ich von mir selber aus dem Fahrzeug gezogen und ins Gras
8 habe ich erzählt, der Mann neben mir hätte einen Autounfall
12 war das Letzte, was ich tun konnte. Kurz habe ich dabei auch
16 aufpassen werde. Heimlich. Ich war dabei, als du Kay vor den
17 Hyänen rettetest. Das war mutig von dir. Rührend. Ich war
18 stolz auf dich, stolz wie auf ein eigenes Kind. Für eine
19 Weile habe ich durch dich dieses Erlebnis verdrängt - bis
23 Vater versprochen habe. Zunächst habe ich all dies nicht für
30 hierher, Tim.“
262
1 Schweigen. Es gab nichts mehr zu sagen. Die Geschichte war
7 und mit einem jodelnden Applaus, Papa auf die Bühne bat.
8 Aber dem war nicht so. Dem sollte nie so sein, nie mehr.
12 deines Hauses mit den alten Holzstufen, die jeden Abend beim
14 oder der Küche, aus der es immer so gut gerochen hatte, wenn
27 Kopf ein Stück, wobei sich Zarins und mein Blick kurz
263
1 Welt das wieder gut machen konnte, was er mir angetan hatte.
15 „Vergib mir.“ Ein Gemisch aus Blut und Wasser lief in seinen
18 wie die Kugeln einer Pistole auf uns herab. Schützend hielt
19 ich mir die Hand vor Augen. die Beine nahe an meinen Körper
264
1 mich länger zu beachten, rannte der Wächter seinem Meister
3 den ungleichen Kampf. Die drei Gorillas schlugen auf den nun
6 die Stirn, humpelte fluchend davon. Zarin, nein! Ihr tut ihm
14 Lauf sprang ich über eine Wurzel, stolperte, fiel ins Laub.
16 ausgestreckte Armen lag ich da, den Kopf zur Seite gedreht,
24 Angst gehabt hat? Immer noch auf dem Bauch liegend faltete
25 ich die zitternden Hände zum Gebet. Lieber Gott, wie viele
265
1 außerdem, du dort oben im Himmel, hätte ich ihm verziehen.
3 dein Tor klopfen. Bitte lass ihn herein. Hier unten ist es
6 Herrscher, bitte…
7 Wie ein Soldat robbte ich ein Stück durch das Laub, den
20 ich mich auf. Dieser Urwald war das reinste Chaos, schlimmer
21 als jedes Maislabyrinth und viel schlimmer als aus der Sicht
26 welcher Weg war der richtige? Oder besser, wohin wollte ich
28 Weg, einfach nur weg von der Straße, schoss es mir durch den
29 Kopf, weg von Scott, ganz, ganz weit weg. Zögernd lief ich
266
1 zurückwerfend. Der Dschungel Afrikas hatte mich bereits wie
5 wenn ein Papagei kreischte oder ein Affe von Ast zu Ast
13 Vorsichtig drehte ich den Kopf zur Seite. Und dann sah ich
23 mein Hals, lediglich die Ader pochte wild. Ohne mir das Tier
24 genauer anzusehen, ahnte ich, dass ihr Gift tödlich war. Wie
27 hätte ich Glück. Doch wenn ich Pech hätte, wären zwei,
267
1 verteilen. Innerhalb einer Stunde geriete ich in Atemnot
2 und,
26 musste einfach! Eins… zwei… Bis drei konnte ich nicht mehr
268
1 Langsam fuhr ich mit dem Zeigefinger über die Stelle. Ob die
3 hoffen, dass dem nicht so war. Als ich mich über eine Pfütze
16 verdrängte ich. Wenn ich nun noch unruhiger wurde, würde ich
17 Fehler machen. Fehler, die mich mehr als nur ein paar Euro
27 ihm womöglich noch vor die Knie fallen und betteln, dass er
30 Gehirn an, Tim! Denk nach. Ich nickte, wobei ich mich
269
1 zusammengerollt in einem Erdloch verbarg und durch einen
4 Lediglich das Cabrio, vor dem der Meister, ein Tuch an die
15 ich mich ein wenig zurück. Mein Blick fiel erneut in den
16 Wald. Ich hatte keine Chance. Würde ich hier bleiben, würden
17 sie mich sofort finden. Würde ich zum zweiten Mal dort
25 und nun ein paar Lebensmittel aus dem Kofferraum auf eine
30 mich einfach zu ihnen setzen, wenn wir für kurze Zeit keine
270
1 Feinde wären. Mein Magen knurrte bei dem Gedanken an die
14 bevor ich endlich zum Spielen hab auf die Straße gehen
15 können. Ich habe nie verstanden, was der alte Mann in dem
27 auf Papas Schoss, wobei ich bei jedem Tor, egal für welche
271
1 Unseren Besuch im Phantasialand, einem der größten
10 ich mich nicht erinnern. Nein, mein Vater, der war jemand,
11 der perfekt war. Mutig, schlau vor allem und alles andere,
12 was man von mir nicht behaupten konnte. Ich seufzte leise.
18 Musik drang noch aus dem Radio. Gelegentlich konnte ich auch
19 das Schnaufen des Meisters ausmachen - nur viel, viel näher!
25 Falle saß. Sie würde nur das Licht des Wagens auf die Kurve
272
1 „Da bist du ja endlich, Nummer 448! Ersparst mir die Mühe,
4 habe hier auch einen extra großen Keks für dich. Also, mein
9 würde. Erneut sah ich zu dem Meister auf. Der Geruch von
11 Mein Magen knurrte. Nimm endlich den Keks, meldete er. Nur
12 das Gebäck vor Augen leckte ich mir mit der Zunge über die
14 „Ja, Nummer 448, komm. Ich habe auch noch welche mit
26 bot. So konnte ich sicher sein, dass die Männer mich nicht
30 Wie viele wusste ich nicht, aber es war auch nicht wichtig.
273
1 Es war nur eine Frage der Zeit. Wer hielt länger durch?
6 diesem Rennen kein Ziel gab. Ich spürte bereits, wie meine
10 das Glück und ein Bus oder jemand, der mich half, käme
20 Verdammt, wie konnte der Meister nur ein derart guter Läufer
26 wie seine Knie einknickten, die Hände sich auf den rauen
274
1 senkte. Tief Luft holend blieb ich stehen, wandte mich
2 vorsichtig um. Nun, dachte ich verbittert, nun sehen Sie wie
5 als sich diese flehend vor Ihnen wälzten, haben Sie nochmals
7 soll es Ihnen jetzt auch ergehen! Sie Schwein, Sie haben den
10 die Schultern, senkte sie. Geh schon! Hau endlich ab! Zum
21 zögerlich zurück, kniete mich neben den Kopf des Sir. Dessen
27 der Nacht. Sie haben mir alles genommen! Alles, was mir
275
1 Vor allem der Rauch. Wegen Ihnen ist mein Papa zu so
4 Der, der mit mir nach Spanien wollte, aber seinen Traum aus
5 den Augen verloren hat. Wegen Ihnen. Oder Zarin? Tot, wegen
11 Ihre Eltern machen sich Sorgen. Wegen Ihnen. Und was ist mit
12 Tess? Mit Tess, Ihrer Tochter? Haben Sie auch ein einziges
14 Ihnen ist ja alles egal. Alles außer Ihnen selbst! Sie sind
18 Ich hasse Sie…! „Ja…?“ Vorsichtig öffnete ich den Mund des
19 Mannes ein wenig, damit dieser besser atmen konnte. Sie
20 ahnen gar nicht, wie sehr ich Sie hasse! „Ich bin hier.“
24 mit dem Finger eine Strähne aus der Stirn streichend. Fassen
25 Sie mich nicht an! Der Mann hob zögernd einen Mundwinkel an
28 haben und als ich mich umsah, entdeckte ich sie tatsächlich
29 in ein paar Meter Entfernung. Ihre Gläser reflektierten im
276
1 Augenbrauen verdeckten die kleine Platzwunde, aus der eine
4 den Kopf zu legen, einen Teil des Stoffes auf die Blutung
17 Verdammt, ich hasse Sie! Warum bin ich überhaupt noch hier?!
21 „Tim…“ Ja, jetzt fällt Ihnen mein Name wieder ein! Jetzt,
22 wo Sie sich nicht mehr wehren können, Sie, Sie…! Gott, was
26 Opfern. Auf der Jagd nach Tieren, die sich nicht wehren
28 indem er nur das fraß, was bereits nicht mehr zu retten war.
29 „Tim…“ Sprechen Sie nicht meinen Namen aus! Sie widern mich
277
1 stattdessen haben Sie ihn umgebracht! Und stattdessen
3 Seufzend fuhr ich mir mit den Händen durch das zerzauste
4 Haar. Der Wind ließ mich frösteln. Kurz sah ich zu meinem T-
12 aber etwas Besseres fiel mir in diesem Moment nicht ein. Ein
15 Mehr konnte ich nicht tun, außer warten. Warten darauf, dass
23 hältst. Ich tue es, denn ich bin anders als du. Anders,
24 einfach anders…
278
1 12. Kapitel
2 In eine wattweiche Decke eingemummelt lag ich auf dem
5 warm und freundlich, was nicht zuletzt auch den zwei Raum
7 die man einen herrlichen Blick auf den Urwald hatte. Gähnend
8 räkelte ich mich auf der Bettkante, wobei ich mir den Sand
9 aus den Augen rieb. Auf der Nachtkommode stand ein goldener
10 Wecker, der ein Uhr anzeigte. Dies stimmte exakt mit meinem
15 mir mit der Hand über das Gesicht. Mir würde nichts anders
24 drehte ich den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme
26 Kleidung auf einen Stuhl, dann fiel sie mir um den Hals,
279
1 Atem strich warm über meine Wangen. „Ich kriege keine Luft
4 nur an, als sei sie ein Engel. So überirdisch war sie.
7 ich sie damit neckte, und die feinen Fingernägel, auf die
13 haben. Kay, mein Schwesterchen. Ich legte ihr den Arm um die
14 Schulter, zog sie näher an mich heran, aber sie stieß mich
20 sie aufsah.
22 Dass ich endlich wusste, wie mein Papa gestorben war. Wie
23 wir durch die Wälder gezogen sind, Mathieu und ich, bis man
24 uns entführte. Dass es mir Leid täte, was ich ihr angetan
25 habe. Von der Arbeit auf der Plantage und in der Küche. Dass
30 mochte ich mehr als alles andere auf dieser Welt. Zögernd
280
1 näherten sich meinen Lippen ihrer heißen Stirn. Nein, igitt,
5 und schloss die Tür hinter sich. Alleine blieb ich zurück,
6 dem Ticken der Uhr lausend. Gott, wie schlecht bist du nur
11 Langsam öffnete ich die Lippen, schloss sie wieder. Ein paar
20 eingeholt hatte. Kay und ich befanden uns nicht auf Mallorca
25 dem Bett ausbreitet. Mir war nicht klar, worauf ich mich
281
1 weißes Hemd mit Kragen gewählt, dazu eine knielange,
12 das Zeug auf den Kopf. Es nun auf der eigenen Haut zu
20 Es war ein Wächter, der mich zum Essen rief. Seufzend hob
23 Nein, keine Zeit mehr. Gut, auch gut. Dann eben auch kein
24 Geld. Auf der Suche nach einem Waschbecken, in dem ich die
282
1 Mann durch den Flur hinüber zu dem riesigen Speisesaal.
9 Hintergrund.
10 „Tim!“ Tess sprang von ihrem Stuhl hoch. Der Löffel, mit
15 sie nochmals grinsend, bevor sie mir den Arm um die Schulter
17 machst du nur für Sachen?“ Erst, als sie einen Stuhl neben
28 starrte ich auf den gefüllten Brotkorb vor mir, bei dessen
29 Anblick mein Magen augenblicklich zu knurren begann. Lecker,
283
1 lauwarme Teig. Gerade als ich mich dazu durchgerungen hatte,
9 Wir werden wohl nie Freunde werden, dachte ich und streckte
13 hob ich die Augenbraue. Was wurde hier für ein übles Spiel
24 Vorspeise servierte.
284
1 Erschrocken darüber, dass man mit mir sprach, verschluckte
3 „Weißt du, Tim, ohne dich könnte ich diese Suppe heute
8 auf meinem Stuhl hin und her, bemüht mit Tess Blickkontakt
17 Spitzenleistung!
21 Henkel?“
27 ergebene Freunde. Aber ich bin mir sicher, ihre Namen kennst
28 du bereits.“
285
1 Ich nickte knapp, während ich misstrauisch beobachtete,
22 auseinander nahmen?
26 ihr fremden Menschen, dann zischte sie ihrem Vater etwas ins
286
1 einen Wunsch erfüllen. Es ist ein Wunsch von Freiheit. Eine
3 möchte dir…“
6 wie es die Luft aus allen Lungen heraus sog. Mein Herz
7 pochte wild. Einen Wunsch? Einen freien Wunsch nur für mich?
10 anfüllte. Fest schloss ich die Augen und, als ich sie
14 Heute war nicht der erste April. Und nein, heute war auch
15 nicht Karneval oder ein anderer Tag, an dem man sich solche
17 hätte, aber…
20 „Doch, doch.“
22 der beiden Frau, die mir schräg gegenüber saß, zwinkerte mir
287
1 „Es liegt in Lomé vor Anker.“, fügte der Mann neben ihr
4 „Das Original?<
9 es erst zur Hälfe geleert hatte. Dankend nickte ich ihr zu.
14 zu bringen.
27 und einer Menge Spielzeug. Unser Traum wäre erfüllt und ich
288
1 obwohl es für dich vielleicht besser gewesen wäre. Ich liebe
2 Ehrlichkeit. Sie ist das, was den meisten Menschen fehlt und
9 gesagt hat und was nicht. Es ist nicht mehr wichtig, sagte
11 das Entscheidende.
14 unter Applaus seiner Anhänger und reichte mir die Hand. „Ich
21 war, nur besser. Doch auf einmal ließ mich ein unbestimmtes
27 schenkte, obwohl sie die Lady des Hauses war. Den Kopf ein
289
1 Albtraum, aus dem du endlich erwachst. Ich lächelte. Und Kay
2 kann dich wieder auf die Nase boxen, wenn ihr zusammen eine
8 zerstört hatte.
9 Frühling 2000.
11 deutschen Ostsee vor Anker liegt. Größer als alles, was ich
26 Mama zieht mich sanft zu einer Bank herüber, auf der Papa
290
1 „Mami, Mami! Wenn ich groß bin, will ich mal auf so einem
2 Schiff fahren.“
21 segeln. Ich, euer großer Sohn, Mama und Papa. Doch - selbst
22 wenn ich dort wäre, wo wärt ihr dann? Was, wenn ihr mich
30 überhaupt da seid!
291
1 „Läuft dort oben ein toller Film oder warum starrst du in
2 den Himmel?“
4 nicht.“
5 Tess schloss leise die Tür hinter sich, während sie mitten
9 erkundigte sie sich nach einer Weile, als sie auf den Balkon
10 hinaustrat.
13 „Warum?“
14 Warum war eine gute Frage. Wenn ich ehrlich bin, habe ich
16 was machte dies schon für einen Unterschied? Hier hätte ich
18 könnte - hier hatte ich ein Dach über dem Kopf, jemand der
19 sich um mich kümmert, etwas zu essen, saß nur selten alleine
27 Dies erwiderte ich der Tochter des Sirs, die daraufhin den
30 „Weiß nicht.“
292
1 „Ich meine, gefährlich ist es. Was geschieht mit einem,
14 dem Tag danach werden wir uns niemals wieder sehen und ich
20 Erstaunt stieß Tess sich von der Brüstung ab, um mit einem
27 lächerlichen Einfälle.“
293
1 vergnügt, als sei sie auf einmal ein anderer Mensch
9 Kay vergessen!“
15 dass Tess mich im Stich ließ. Kay, ich habe Kay vergessen,
22 Kay mich an, während ich sie behutsam zu mir hochzog und mit
24 würde eine schöne Beule werden! Erst jetzt bemerkte ich die
27 „Es tut mir Leid. Es tut mir Leid, Kay.“, stotterte ich
28 einige hundert Male und setzte sie auf einen der beiden
29 Stühle auf dem Balkon. Stöhnend rieb sie sich über ihr
294
1 Gesicht, scheinbar belustigt darüber, wie fürsorglich ich
4 erwartet.“
6 betrachtete ich meine beste Freundin von oben bis unten. Ihr
14 auf. Was sie bedeuteten, wusste ich nicht, obwohl ich mich
15 das schon damals oft gefragt hatte, wenn sie im Schatten der
295
1 Wie betört von ihren blauen Augen zog es mich in die
10 geschehen war. Und so begann ich, ihr von der Flucht aus dem
13 mochte der Auslöser dafür gewesen sein, weshalb ich nun hier
14 tausende Meilen von meiner Heimat entfernt neben ihr auf dem
22 Universums.
296
1 sich an diese Fassade der Wahrheit klammern konnte. Alles
6 Scott mit dem Unfall in Verbindung stand und wie wir letzten
9 meinen Worten.
15 Fluchtversuch über den Zaun der Plantage, auf der ich nun
27 Freunden, die ich gefunden hatte, aber auch von den vielen
28 Feinde, die mir das Leben zur Höllen machten. Als ich
29 Mathieu auflistete, mit dem ich mich im Gewitter geprügelt
30 und wegen dem ich zum Glück nur in der Küche unter der
297
1 Fetische des absolut grässlichen Kochs Malliums Fischen die
4 dass ich mich von ihr nicht weiter ablenken lassen sollte.
12 schien sich viel mehr damit zufrieden zu geben, was ich ihr
23 dieser mir die Freiheit und das Schiff schenkte, mit dem wir
28 entschied ich mich dagegen. Ich hätte sie nicht belogen, ihr
29 bloß einige Fakten verschwiegen.
298
1 Schweigend wartete ich auf eine Reaktion meiner besten
3 ich jemals für möglich gehalten hätte. Ich wusste auch nicht
11 während ich nach einem Bonbon langte, dass sie mir, ohne
13 „Magst du sie?“
15 das Bonbon in der Hand wog. „Ja, wieso auch nicht? Ich weiß,
22 ich auf. Der Stuhl kippte hinten über, aber selbst wenn der
24 wäre es mir egal. „Kay!“ Behutsam klopfe ich ihr auf den
299
1 starrte in den Himmel, als gäbe es dort, Wundervolles zu
2 entdecken.
4 Doch sie würde mir auf ewig eine Antwort schuldig bleiben.
8 sie diese nie wieder loslassen. Dabei bohrte sie einer ihrer
300
1 gespannt ihrer sanften Stimme lauschte, ohne den Sinn zu
4 abrupt ab.
12 keinen Sinn!
16 wich mir aus, als sei ich nicht da, nur die Sterne hoch über
21 „Die haben wir alle. Aber egal was auch passiert, ich
23 Spanien-Ehrenwort, okay?“
25 so oft, als wir geschworen hatten. Doch dies Mal griff sie
28 Überall.“
29 Natürlich! Plötzlich ergab alles in dem Labyrinth mit den
301
1 hinaus. Deshalb war Kay niemals in den Fluss gesprungen,
13 sind auf einem Schiff, das Wasser liegt ganz tief unter uns
14 und kommt nicht an dich ran. Und wenn… Ich werde auf dich
15 aufpassen!“
17 sie sich von dem Stuhl erhob, die Lippen zu einem schiefen
302
1 Halt. Kay… Bitte, bitte komm mit nach Spanien. Ich will dich
2 nicht noch einmal verlieren… Nicht noch einmal… Ich mag dich
3 so sehr. Wie soll ich es nur ohne dich schaffen, etwas auf
9 Regel - mit Ausnahme von Kay. Diese stieß mich traurig zur
10 Seite.
13 Mit diesen Worten wollte sie davon stürmen, doch ich hielt
14 am Ellenbogen fest.
17 drückte. Eine Weile standen wir einfach nur da, bis sie alle
27 können wir noch etwas Mau-Mau spielen oder so.“, schlug ich
303
1 „Mau-Mau? Du hast echt keine besseren Einfälle, als nachts
8 Mal geben. Das wussten wir beide in jener Nacht, auch wenn
304
1 13. Kapitel
2 Der abgebrochen Ast, der mir als Paddel dient, ist zu
11 schneller entferne ich mich von der Villa. Aber jubeln kann
12 ich dennoch nicht, weil ich spüre, dass das, was mich nun
16 wie ich das Kajak lenken kann und wie es reagiert, wenn ich
22 wird. Weiß und wild säumt das Wasser, bahnt sich seinen Weg.
26 dies. Und, obgleich ich nicht weiß, wohin mich meine Fahrt
305
1 aufgebe. Es hat keinen Sinn, überhaupt keinen Sinn gegen das
4 sie weiß werden. Fest umkrallen meine Hände den Ast und
5 dann… Dann beginnt sich die Welt zu drehen. Nach links, nach
7 wie ein nasser Schwamm ins Gesicht. Erkennen kann ich nur
10 bin, weiß nicht mehr, wie lange ich schon fahre. Weiß nur,
14 Egal, wie zerschlagen und erschöpft ich mich fühle: Ich habe
18 Verträumt starrte ich durch die Ritze, die die Plane bot,
19 zum Sio River hinüber, der neben der unebenen Straße her
23 selbst wenn ich wusste, dass es nur den Mutigen dieser Welt
25 zählte. Ich wäre zu feige für solch ein Abenteuer. Als mir
28 mir auf der Decke hockte, die nur durch die dünnen
29 Ladefläche von dem rechten Hinterreifen getrennt wurde,
306
1 sanft auf den Rücken. Angewidert verzog auch sie das
6 starrte Reni von dem Schoss ihrer Mutter aus zu uns herüber,
307
1 unnahbaren Menschen ein Lächeln auf die geschwollenen Lippen
2 zaubern.
5 blieb, die fernab auf dem Rücken lag und stur schweigend die
7 bester Freund. Als ich ihm auf der Plantage beim Ernten
8 begegnet bin, hat er mich kaum beachtet und als ich auf ihn
22 Das also waren die Menschen, mit denen ich nach Spanien
27 Reni und ihrer Mutter, dem Mann ohne Namen und zu guter
308
1 verabschieden müssen. Vielleicht könnten wir an unserem
8 Blicke, als hätte sie meinen auf ihrer Haut spüren können.
16 einen Finger nach dem anderen um. Die ganze Fahrt über und
22 der Küste Togos. Bitte, lass uns auf ewig weiter fahren…
26 senkte den Kopf, atmete tief durch. Tim, du wirst doch jetzt
309
1 Auch ich lugte durch eines der Löcher. Obwohl Lomé mit
17 Straße getrennt, auf der sich das Wasser nach einem kurzen
18 Regenschauer gestaut hatte, war eine Bar mit dem Namen „Bel
19 Air“ zu finden, die sogar über einen Biergarten - ein
28 zu glauben, was ich nun sah. Oder vielmehr, wovon ich nun
29 Teil wurde.
310
1 „Du siehst entsetzt aus.“, bemerkte Faraji. Grinsend legte
2 er mir die Hand auf die Schultern und schob die Planen ein
18 stank. Nicht nach den Abgasen der alten Auto. Nicht nach
19 Schweiß… Nein, es stank nach Müll. Nach dem Müll, der aus
311
1 mitten im Dreck, im Abgas der Fahrzeuge. Ihre leblosen
6 nach einem Stau den Weg durch den Kern Lomés in Richtung
12 wofür sie derart gut errichtet waren und die der armen
13 Menschen dort draußen derart armselig. Doch als wir nun nach
16 uns. Der Golfe de Bénin, wir hatten ihn erreicht. Die Küste
17 von Togo. Die Sonne strahlte. Palmen bogen sich sanft wie
27 egal. Vogelfrei, warum nicht auch das? Warum nicht auch der
30 sogar den ersten? Nachdem du, Kay, mich am Morgen aus der
312
1 Hängematte, in der ich im Sonnenuntergang mit einem Comic in
8 anderen besuchen uns immer und abends, wenn wir alle müde
11 spielt. Fragen konnte ich ihn ja einmal. Für dich Kay… Gott,
23 Der Geschmack von Blut lag mir auf der Zunge und, als ich
313
1 unter ächzendem Motor langsam neu startet. Ein tiefes Raunen
12 alle tot…“
15 Blut von der Lippe zu tupfen. „Nur noch dieses eine Stück.“
314
1 14. Kapitel
2 Die regenbogenfarbene Fontäne schoss aus der Pore,
15 du deine Eltern?“
20 Überrascht ließ die junge Frau den Blick zwischen uns hin
23 mich einen Moment.“ Als sie sich mit einem höflichen Knicks
315
1 Nachdem wir einander gegenüber auf zwei Hockern Platz
22 Ich konnte kaum glauben, dass auch ich noch vor einigen
25 einen Teil des Wassers zu retten. Als ich von meiner Mission
26 zurückkehrte, hielt mir Kay die Hand zur High Five hin.
316
1 Leute den Pool benutzen.“ Es deutete auf den fünfzig Meter
3 natürlich.“
12 erledigen musste. Wirklich? Ist das wahr? Was habt ihr euch
317
1 wofür sie von Kay einen abschätzenden Blick kassierte. „Hi
2 Kay.“
3 „Fühlen Sie sich wie einer unsere Gäste, Sir Scott. Darf
8 ist.“
21 Kay?“
27 Und weil er mich ab und zu geärgert hat, wenn ich mit Kay
28 getanzt habe.“
29 Kays Mutter lachte, wobei sie die Hände auf die Schultern
318
1 eine ihrer blondierten Haarsträhnen hinter das Ohr
11 Hänsel und Gretel vor der Hexe gerettet hatte, sie aber
20 hört… wie dein Vater. Ich weiß, ich werde ihn nie
21 zurückholen können, aber ich hoffe, ich kann ihn ein wenig
319
1 „Nun denn. Lebt wohl! Ich hoffe, wir sehen uns eines Tages
3 Übrigen auch, Mrs. Brown und ihr Mann. Ich würde die Eltern
5 lernen.“
6 Josefine Brown zeigte dem Mann den Weg nach draußen. „Ich
8 Heimreise! Und noch mal meinen Dank, dass Sie sich so gut um
17 Sowohl Tess, als auch Maurice Scott und Kay, hatten ihre
26 „Dein Dad weiß also nichts über deine Pläne nach Spanien
27 zu fahren?“
320
1 Der unterschwellig verächtliche Tonfall, den die Stimme des
4 wie meine Mom. Deshalb haue ich ab. Nach Spanien. Von dort
6 Pass habe ich. Geld auch. Und den Rest werde ich schon
7 regeln.“
8 Den Rest werde ich schon regeln. Ins Geheim bewunderte ich
10 so etwas wie einen Plan. Wenn ich nach Spanien käme, hätte
13 der ich leben könnte, keine Eltern, die mich wie nach einer
15 nichts.
20 das einmal meine Sorge sein. Auf gar keinen Fall werde ich
24 Warum zwei? Wir sind doch zu dritt! Oder ist Tess derart
321
1 schob. „Lecker. Probier‟ mal.“, fügte sie grinsend hinzu,
11 etwas.
14 die Augen, stellte mir vor, dass meine Mutter in der Tür
18 machen. Mama…
19 „Wo ist deine Mutter, Tess?“
21 wenn ich dort bin, werde ich meinen Bruder nach ihr fragen
322
1 gestikulierte mit den Finger ein Zeichen, woraufhin der
5 „Meine Mum fährt heute Abend nicht nach Hause, weil sie
7 Aber das war damals auch schon so, also von daher…“ Sie
12 „Du auch, wenn dir das nicht zu… zu eklig ist. Mum meinte,
18 nicht stört.“
19 Josefine Brown lachte. „Nein, Tess. Es ist das Mindeste,
20 was ich als Entschädigung für dich tun kann. Oder gäbe es
26 Ich nickte. Der Gedanke, eine ganze Nacht über mit Kay
28 die ich lange nicht mehr gespürt hatte. Im Grunde sogar sehr
29 lange nicht mehr. Auch wenn es nur ein paar Sekunden wären,
323
1 ich vergessen konnte, was in dieser Villa geschehen, wie
2 Papa gestorben war, wie ich die Cola bezahlen muss, wann und
3 wo ich wieder zur Schule gehen werde. Ich bin frei, wenn sie
4 mich berührt, frei, wenn sie einfach nur in meiner Nähe ist,
5 dass ich ihren warmen Atem auf meiner Haut spüren, das
12 Kay breitete die Decke auf dem rot karierten Teppich aus.
13 „Fertig!“
28 Kays Mutter all dies, konnte sie jedoch keinen Reim darauf
29 machen. Wer wusste dies schon? Ich jedenfalls wusste es
30 nicht.
324
1 „Tess, bist du fertig?“, erkundigte sich Kay.
3 auf einen der Tisch und tupfte sich mit dem Ärmel seines T-
4 Shirts den Schweiß von der Stirn. „Und wie fertig ich bin!“,
7 Ich kicherte, Kay stimmte mit ein, wofür wir beide einen
12 gestikulierte mir drohend mit dem Finger, wobei sie ein paar
15 „Ich hasse dich!“ Wütend drehte sie sich weg. Als wir ihr
20 Kay hielt mich an der Schulter zurück. „Lass sie. Sie wird
22 einmal nach Mathieu und den anderen sehen? Sonst haben sie
24 „Du sagst mir aber nicht erst jetzt, dass in dieser gelben
25 Schüssel Pudding war, oder?!“ Als sie mir die Frage mit
325
1 Heiße Luft schlug mir entgegen. Obwohl die silbernen
5 Schatten auf den kleinen Laster, aus dem nicht das kleinstem
11 und, als ich mir sicher war, dass mich niemand beobachtete,
13 wohlbekannten Gesichter.
24 Dies war der Anfang eines amüsanten Abends, wie jeder von
25 uns ihn seit langem nicht mehr erlebt hatte. Von unseren
326
1 musste: Irgendwie verraten von der Welt, aber beschützt von
8 Gedanken daran schnürte meinen Hals zu, sodass ich kaum Luft
11 nicht vorbei.
21 unterhielt sie sich mit den beiden Jungen, die sie bereits
24 Ich gönnte es ihr. Wie lange hatte sie unter ihrem Vater
327
1 der von einem gefliesten Weg umrundet wurde. Die Liegen
9 sie mich von sich stieß, aber stattdessen verlagerte sie ihr
23 Das Mädchen klammerte sich mit einer Spur von Respekt an den
26 ohne dass sie hätte reagieren können, ihre Taille und warf
27 sie ein Stück weiter ins Wasser, immer darauf bedacht, sie
328
1 Wie ein Küken in einer Schüssel Wasser ruderte sie wild
2 mit den Armen. In Gedanken zählte ich bis drei, dann kraulte
8 ein paar Wochen alt war und noch ganz weiches Fell hatte…
10 wegstecken können.
15 Sie wiegte den Kopf. „Ich…“ Furchtvoll blickte sie auf die
18 ihr.
19 „Keine Angst. Ich bin ja bei dir. Es tut mir Leid. Ich
21 „Warum?“
22 „Warum?“
26 Mädchen stolz und ließ ihre Hand einige Mal auf das Wasser
329
1 „Warum kannst du nicht hier bleiben?“, fragte Kay nach
2 einer Weile.
3 Ich sah sie nicht an, starrte nur in das tiefe Wasser.
5 ich es nicht? Ich wäre bei Kay, so wie ich es mir damals in
11 ich denke?
14 seinem Wickelrock und Top von seinem Körper herab. Nur die
17 Umrisse.
23 schlecht?“
25 Das ist es, was ich so sehr an dir mag.“ Zögerlich näherten
26 sich ihre Lippen meinen, doch kurz vor der Berührung wandte
27 sie sich errötet ab. Verdammt, was ist die Liebe für eine
330
1 in der Schule hoch und heilig geschworen, dass mich diese
4 hatte, wenn eines der Mädchen ihm einen Zettel mit einem
8 sollen, wenn ich einfach davon rennen kann? Doch nun hatte
10 mochte ich Kay anders als Tess oder Reni. Anders, vielleicht
11 war dies der richtige Ausdruck dafür. Denn anders ist nicht
18 unendlich. Sagen wir für ein paar Jahre. Ein paar Mal
19 Silvester feiern. Ja, das klingt so, als wäre ich nur kurz
20 weg. Als käme ich wieder. Und dann wäre ich wie Papa. Älter,
21 nicht mehr zehn, sondern ein starker Mann. Mit einem Auto,
331
1 „Okay.“
7 „Okay.“
8 Kay legte den Kopf schief, aber ich boxte sie lediglich
14 Tagungsraum zurückzugehen.
17 besuchen, doch mit Ausnahme des alten Mannes, der gegen die
332
1 15. Kapitel
2 Eine Ratte schwamm aufgedunsen zwischen den vom Salz
5 Gemisch dort unter dem Steg nicht einmal mehr Wasser hätte
6 nennen dürfen.
12 Weil Papa stolz darauf war, dass ich mich für die Welt der
333
1 Namen Kamikaze 08 getauft, dessen verblasste Buchstaben sich
5 über eine winzige Brücke auf das hölzerne Decke. Die anderen
21 schüttelnd auftauchte.
334
1 Tim. Genau wie dein Vater. Selbst wenn du mir diese
5 reibend, fiel er mir um den Hals, als sei ich sein Sohn, der
8 Ich fühlte mich von ihm bedrängt, vor allem wenn man
15 all dies auch völlig gleich. Es gäbe kein Zurück. Nie mehr.
18 leuchtenden Seesternen.
19 „Kay…“ Unbeholfen kitzelte ich sie unter dem Kinn, damit
20 sie lachte. Aber dieses Mal blieb ihr trauriger Blick starr
23 Weiter kam sie nicht. Die Tränen, die über ihre rosigen
335
1 auseinander reißen wollten. Einmal hatten sie es geschafft,
7 beeilen.“
13 ich die Augen auf. „Kay? Ich möchte dir noch etwas sagen.“
14 Ich möchte dir sagen, dass ich dich mehr liebe als nur einen
17 zerrte mich von dem Mädchen weg zur Brücke, obwohl ich mich
20 letztes Mal schüttelte ich ihn ab, stürzte zum Kai zurück.
336
1 derselben Marke, derselben Sorte. Erst langsam tauchte ich
2 aus diesem Traum auf und die Erkenntnis traf mich wie einen
4 wie konntest du nur? Küssen ist doch etwas für Ältere, für
9 denn…“
14 ich zur Reling. Es waren nur wenige Meter. Wenn ich nun
17 Gedanken.
337
1 realisierte, dass nun auch der wichtigste Mensch in meinen
338
1 16. Kapitel
2 Auf dem Rücken liegend lauschte ich dem Rauschen des
3 Motors. Über mir spannte sich wie ein Tuch der Nachthimmel,
4 unter mir das schwarze Wasser, welches das Schiff von dem
6 ich mir ein die Lichter der Stadt San Pedro, Elfenbeinküste,
10 Die drei Tage auf hoher See mochte nicht nur meine
13 wobei ich mich an der Reling hochzog, um ihn über dem Meer
21 Dann half sie der schwach fluchenden Tess neben mir auf.
25 Auch wusste ich nicht, wer das neun Knoten, umgerechnet 16,2
29 Faraji das Boot lenken wollen, aber als dieses sich nun
339
1 langsam fortbewegte, hatte Amani angeordnet, einen neuen zu
4 vorkam.
22 als ich schlief. Dennoch, gleich wie sehr ich mir dies
23 einzureden versuchte, ahnte ich, dass Scott für uns noch ein
27 hätte…
28 „Tim? Weiß du, wo das Wasser ist?“ Reni lehnte mit einer
29 grob zusammengeflickten Puppe im Arm gegen die
340
1 fiel geflechtet über ihre schmalen Schultern. Sie wirkte so
4 „Nein, aber ich werde Amani danach fragen. Warte, ich bin
5 gleich wieder da.“, log ich, wobei ich mich an der Kleinen
7 derjenige, der für mich noch eine Art Überblick hatte, den
16 mich aber mit dem flüchtigen Blick auf einen der Kanister,
22 verdursten…
24 ansahen, biss ich mir auf die Zunge. Wie um alles in der
25 Welt sollte ich ihnen sagen, dass…? „Wir haben ein Problem.
341
1 gestanden hatte. Ohne mir weitere Beachtung zu schenken,
3 der anderen Passagier zu der Frau, die den Kopf des kleinen
5 etwas, strich ihm immer wieder das Haar aus der Stirn. Mach
6 die Augen auf, Reni. Los, mach endlich die Augen auf,
10 Was war bloß geschehen? Ihre dunkle Haut fühlte sich seltsam
14 musste sich vor nicht allzu langer Zeit auf dem hölzernen
342
1 „Wir haben kein Wasser mehr.“, meldete Suleika tonlos und
2 sprach somit das aus, wozu ich nicht fähig gewesen sein
4 spät! Noch nicht! Irgendetwas mussten wir doch für Reni tun
6 noch mal keine Ahnung, aber ich wusste, ich würde das
9 Jüngsten unter ihnen mit dem Tod rangen, als plötzlich Panik
15 Rücken, als könne ich so das Salz aus ihrem Körper prügeln.
16 Wach auf, Reni. Bitte, wach auf. Ihre Puppe, die sie immer
24 mein Gesicht. Der alte Mann ohne Namen kniete sich vor mir
343
1 dass sie endlich die Augen öffnete. Aber diese blieben
10 Atlantiks. Reni war weg; die Wellen hatten ihren in ein Tuch
12 nur noch weiter auf den Ozean heraus entgegen der Grenze des
14 spüren. Weder die Einsamkeit, die sie umgab, noch die Kälte.
15 Nichts mehr. Und daran war ich alleine Schuld, weil ich sie
23 müssen, ließ mir zum wiederholten Male diese Frage vor Augen
344
1 wollten. Doch seit Reni… Nein, ich durfte diesen Gedanken
5 Ordnung?“
16 Wasser und ein paar Brote mehr essen und trinken können,
20 hinten.
22 hinzu.
24 schon gut.“
25 „Es tut mir Leid, was mit der Kleinen passiert ist. Ich
26 habe sie kaum gekannt, aber nett war sie. Hat mich gestern
345
1 Vorsichtig schlich sie zu dem besorgten Amani herüber, der
8 verzichten müssen:
346
1 17. Kapitel
2 Menschen wissen, wenn ein Todesengel über ihnen die Arme
7 sich die vielen Adern dieser Welle wie Bleistifte durch ein
9 der Speichel des Himmels auf ihre Köpfe herab. Erst wenig,
15 dem nassen Holzboden ab. Da wir alle zu sehr mit dem Streit
24 mir ins Fleisch. Qualvoll riss ich den Mund auf, doch bevor
347
1 ihren durchnässten Gewändern über das Deck irrten. Durch die
16 Welle erneut über das Deck. Kullernd wie ein altes Rohr
17 krach ich mit dem Rücken gegen die Außenwand der Kajüte.
22 auf. Ein Blitz schoss über den Himmel, gefolgt von einem
24 eine drei Meter Welle das Boot, ließ es auf sich reiten, nur
348
1 Brüllen nach seiner Freundin augenblicklich erstarb. Er war
4 an allem fest, was sich mir bot, fand… nichts! Nichts als
8 ein Tinitus in mein Gehör. Als könne ich gegen den Fall
10 der Luft verbrachte, wie ein Vogel mit den Armen zu rudern.
11 Nur fliegen, fliegen konnte ich nicht. Fest presste ich die
14 Die brutale Kälte des Atlantiks war das Erste, was ich
18 meine Gefühle fort. Ich spürte mich selbst nicht mehr, nicht
19 mehr das Kribbeln, mit dem die Bläschen meine Lippen
349
1 zweiten, einen dritten. Doch jedes Mal wurde ich von einer
3 tonlos, lasst mich endlich los! Ich hatte keine Kraft mehr,
6 schlug ich mit den Armen um mich. Nein, Tim, kämpfe. Kämpfe
10 einen Versuch, als ich plötzlich kurz vor dem Auftauchen das
23 mich dabei auf den Rücken, damit mich die Wellen nicht
28 Ferne vernahm ich ein tiefes Raunen, Rufe. Langsam glitt ich
29 auf den Bauch. Hilfe! Hierher! Die dünne Kleidung bauschte
350
1 brannte in meinen Augen, die ich zusammenkniff, um besser
11 als sich das stolze Schiff langsam auf dem Grund zu Bett
22 Wellen auf ihn zu, schrie dabei um Hilfe. Hallo? Ist hier
351
1 Kopf und Hände auf das Brett gelegt, den restlichen Körper
14 ich die rechte Hand ins Wasser, dann die linke. Wie groß ist
15 der Atlantik? Ein paar tausend Meilen? Egal, ich werde bis
17 wird. Mama und Papa, euch treffe ich später. Und die gute,
26 Bild des Grauens. Renis Mutter lag auf dem Rücken, die Augen
352
1 Der alte Mann ohne Namen schüttelte schwach atmend den Kopf.
6 wach blieb. Wie lang konnte ein Mensch frieren, bis sein
14 bliebe mir die Hoffnung. Der alte Mann wich meinem Blick
22 hochgezogen.
30 Alte tonlos fort. „Selbst, als das Schiff sank und er nicht
353
1 mehr hätte tun können. Seine Kinder Dominique und Kassian
4 Nicht auch noch Tess. Bitte… „Was ist mit ihr?“ Bitte, sie
5 ist nicht tot. Gott, lass sie nicht in der Kajüte gewesen
13 ich das Seil, mit dem ich mich gesichert hatte. Im Fall
15 nach dem Aufprall mit ihm geschah, kann ich dir nicht sagen.
17 beendet war und dass es die anderen mit sich in die Tiefe
21 aber sie konnte nicht schwimmen. Und ich nehme an, die
23 Leid.“ Den Kopf gesenkt faltete er die Hände zum Gebet und
25 gleich. Gott, was hast du mit ihnen gemacht? Sie alle haben
354
1 früheren Zeitpunkt von ihrem Leid befreit? Ich kann dich
10 jedem Mahl haben wir gebetet und vor dem zu Bett gehen
11 ebenfalls. Abends wenn ich müde bin, zehn Englein mit mir
27 sein Unwissen ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Den von
355
1 „Jabali!“ Der erstaunte Aufschrei riss mich jäh aus meinen
14 „Wir? Wer ist wir?“, fragte ich von Spannung erfüllt. Noch
17 ich den beiden auf dem Brett Platz, damit sich diese
21 fände uns nicht bald jemand. Obwohl uns das sterbende Schiff
23 die Kälte an uns wie eine Ratte an einem Stück Brot. Es war
24 eine Frage der Zeit und des Willens, wie lange jeder
30 doch ich spürte sie kaum. „Vielleicht vergesse ich es, wenn
356
1 wir in Spanien sind. Und damit du mich nicht in meiner
6 unregelmäßig.
11 dass dieser ein Häscher war, ein böser Mensch? Das wirst du
24 von Erdbeeren lag mir auf der Zunge, die bislang nur noch
357
1 nicht passiert. Jedenfalls bin ich in meinem Eifer einfach
4 „…Burg?“
5 „Burg? Was ist denn eine Burg? Egal. Ein tolles Haus. Dort
21 Ein Cabrio kam, bremste leicht in der Kurve ab. Sein Fahrer
26 vergiss den Fisch, lauf. Das tat ich auch. So schnell ich
27 konnte.“
358
1 Zitternd wollte ich ihm auf die Schultern klopfen, als
7 Tess leise.
18 nicht böse. Niemals! Du bist doch mein Freund. Lass uns für
19 immer Freunde sein, ja? Doch, als ich versuchte, weiter in
23 Spanien.
359
1 „Mir ist so kalt… So… so kalt.“, hörte ich Tess in weiter
2 Ferne säuseln.
6 Hände dabei die ihre. „Euch… euch beide.“ Die Klauen der
15 komme, obwohl ich ungezogen bin? Und werde ich dort oben
16 Mathieu und Reni und Zarin und die anderen wieder sehen?
17 Verdammt, ich mag kein Weiß, ich hasse es sogar. Ich möchte
18 nicht gehen müssen, möchte hier unter auf der Erde bleiben.
19 Hier unten bei Kay.
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1 Epilog
2 Am 9. August 2004 wurde unmittelbar vor der britischen
8 zehn bis zwölf Jahre geschätzt wird. Die Ursache für die
26 Bevölkerung.
27 Kay Linn Brown erfuhr nie von dem Tod ihres besten
28 Freundes, obgleich sie nach ihrem Studium als
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1 Nachforschungen anstellte, bei denen sie ihren späteren
2 Ehemann Riccardo O‟ Neil kennen lernte, mit dem sie ein lang
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