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„Entwicklungskontinent“

Afrika - Perspektiven und


Handlungsempfehlungen

10. Dezember 2010


Hannover
Herausgeber
Denise Dittrich, Steffen Hentrich, Sylvia Bruns
Regionalbüro Hannover
der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit/
der Rudolf von Bennigsen-Stiftung
Grupenstr. 1
30159 Hannover
Tel.: 05 11.16 99 97- 0
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2010
„Entwicklungskontinent“
Afrika - Perspektiven und
Handlungsempfehlungen

10. Dezember 2010


Hannover
2 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
Inhalt
Begrüßung
Dr. Wolfgang Gerhardt MdB,
Vorstandsvorsitzender der
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit 5

Entwicklungspolitik der FDP


Harald Leibrecht MdB, Entwicklungspolitischer Sprecher
der FDP-Bundestagsfraktion 7

Entwicklung braucht Freiheit – Über die institutionellen


Voraussetzungen wirksamer Entwicklungspolitik
Steffen Hentrich, Liberales Institut,
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit 14

Mit Augenmaß und Leidenschaft –


Die Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Afrika
Denise Dittrich, Bereich Internationale Politik,
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit 40

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 3


4 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
Begrüßung

Dr. Wolfgang Gerhardt MdB


Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

„Der Entwicklungsprozess liegt in erster Linie in der Verantwortung der Regierungen


der Entwicklungsländer,“ sagte Bundeskanzlerin Merkel am 21.9. auf dem „Millen-
niumsgipfel“ in New York. Sie betonte die nötigen „Eigenanstrengungen“ der Part-
nerländer, und dass die Entwicklungshilfe nicht „zeitlich unbegrenzt“ gegeben wer-
den könne. Sogar das Wort „Entwicklungshilfeindustrie“ nahm sie in den Mund.

Solche Aussagen hatte man von staatlichem Spitzenpersonal in Deutschland bisher


nicht gehört. Sie ähnelten dem, was US-Präsident Obama bei derselben Gelegenheit
sagte. Von ihm sind kritische Töne gegenüber dem Entwicklungsrückstand Afrikas
allerdings nichts Neues.

Noch nie ist die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents so kritisch kommen-
tiert worden wie in den letzten Jahren, und zwar von ausländischen wie von ein-
heimischen Kennern der Verhältnisse. Auch immer mehr Menschen hierzulande,
die kein genaueres Wissen vom Innenleben der Entwicklungszusammenarbeit ha-
ben, dämmert, dass daran irgendetwas nicht stimmen könne, nachdem doch ein
halbes Jahrhundert lang so viele Berater und so viel Geld nach Afrika geschickt
worden seien.

Neu ist auch, dass gerade afrikanische Wortführer wie James Shikwati, George Ayit-
tey und Dambisa Moyo rundheraus die Einstellung der Entwicklungshilfe fordern.

Dass die Kernregion der wirtschaftlichen Entwicklungsproblematik, Subsahara-


Afrika, so schlecht dasteht, liegt selbstverständlich in erster Linie daran, dass die
afrikanische politische Kaste, aufs Ganze gesehen, erbärmlich wenig zum Aufbau
ihrer Länder geleistet hat. Grund ist auch ein krasser Mangel an tüchtigen und ge-
meinwohlorientierten Unternehmern.

Aber auch die externe Entwicklungshilfe hat das Entscheidende nicht geschafft:
afrikanische Eigeninitiative zu stärken. Diese ist, ganz im Gegenteil, durch Ent-
wicklungshilfe in erheblichem Umfang geschwächt worden. Es ist erstaunlich, wie

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 5


wenig diese Zusammenhänge selbst von Leuten mit viel praktischer Erfahrung ge-
sehen werden.

Wer die Wirklichkeit nicht erkennt, von dem wird nicht zu erwarten sein, dass er
wesentliche Änderungen am bisherigen Hilfesystem unterstützt. Sie sind aber nö-
tig, auch wenn sie wegen der großen Beharrungskräfte nur schwer durchzusetzen
sind.

Ziel muss sein, ein absehbares Ende der Entwicklungshilfe ins Auge zu fassen und
die afrikanischen Staaten in die Normalität zu entlassen. Vorher sollte aber – auch
mit unserer Hilfe – dafür gesorgt werden, dass alle entwicklungswilligen Menschen
in der Dritten Welt Zugang zu (Klein)krediten haben.

Nicht zur Disposition steht die sogenannte Humanitäre Hilfe. Dass sie notwendig
ist, ist keine Frage, wohl aber, wie sie am klügsten gegeben werden kann.

6 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen


Harald Leibrecht MdB
Entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion

Entwicklungspolitik der FDP


Gut zehn Jahre sind seit der Millenniumserklärung im September 2000 durch 189
UN-Mitgliedsstaaten in New York vergangen und noch knapp fünf Jahre liegen vor
uns, bis die daraus abgeleiteten Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) erreicht sein
sollen. Vor gut einem Jahr hat die christlich-liberale Bundesregierung ihre Arbeit
aufgenommen und sich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit eindeutig auf
die Erreichung dieser Ziele verpflichtet.

Für die Liberalen der FDP bedeutet internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit


und Entwicklung traditionell eine ganz wesentliche Verantwortung. Seit der Zeit,
in der Bundespräsident Walter Scheel noch Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit war, hat sich bis heute mit Dirk Niebel nichts an der liberalen Über-
zeugung geändert, dass es zu allererst darum gehen muss, den einzelnen Menschen
in eine Lage zu bringen, in der er sein wirtschaftliches und soziales Leben selbst in
die Hand nehmen kann. Um einem jeden Wohlstand zu ermöglichen, orientieren
sich die Liberalen am zentralen Handlungsprinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Dabei
steht immer der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen und unveräußerli-
chen Persönlichkeitsrechten im Mittelpunkt der Politik.

Liberale Entwicklungspolitik zeichnet sich durch großes Vertrauen in die Stärken


der Menschen aus und unterstützt sie konsequent darin, ihre Situation aus eigener
Kraft zu verbessern. In den allermeisten Fällen sind die Lebenslagen armer Men-
schen nicht selbst verschuldet. Vielmehr sind sie das Resultat nicht vorhandener
oder nur scheinbar vorhandener demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen,
schlechter Regierungsführung, wirtschaftlicher, politischer Isolation oder defizitärer
Bildung. In diesem Zusammenhang sind kluge entwicklungspolitische Maßnahmen
immer solche, die sich auf die Ursachen von Armut beziehen. Für eine wirkungs-
und vertrauensvolle Entwicklungszusammenarbeit müssen aber gewisse Standards
gelten. Einmal im Sinne von Spielregeln als Basis für die Zusammenarbeit, die von
den Partnerländern eingefordert werden, andererseits als Zielzustände, die in den
Partnerländern gefördert werden. „Gute Regierungsführung und nachhaltige Ent-
wicklung lassen sich nicht trennen. Das ist die Lehre aus all unseren Bemühungen
und Erfahrungen von Afrika über Asien und Lateinamerika. Ohne gute Regierungs-
führung – ohne Rechtsstaatlichkeit, verlässliches Regierungshandeln, legitimierte
Machtausübung und bürgernahe Regelsetzung – werden uns alle Gelder und alle
„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 7
Wohltätigkeit dieser Welt nicht auf den Weg zum Wohlstand bringen.“1 Diese Ein-
sicht des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan spiegelt sich voll und ganz
in der Entwicklungspolitik der christlich-liberalen Koalition wider.

Außerdem kommt dem Recht auf Eigentum eine eigene herausragende Bedeu-
tung zu. Private Eigentumsrechte an den Produktionsmitteln erkannte bereits der
österreichische Ökonom Ludwig von Mises in den 1920er-Jahren als zentrale Säu-
le einer funktionierenden Volkswirtschaft.2 Von John Locke über Charles-Louis de
Montesquieu und Claude Frédéric Bastiat ist das staatlich garantierte Recht auf
Privateigentum ein Kernelement liberalen Denkens. Ludwig von Mises’ Prämisse,
wonach das Privateigentum an Produktionsmitteln Grundlage für die Autonomie
des Individuums ist, wurde in einem pragmatischen entwicklungspolitischen Kon-
text vor allem von Hernando de Soto aufgegriffen.3 Einklagbare Eigentumsrechte
fungieren bei ihm vor allem als Schutzinstrument armer Menschen vor einschrän-
kenden wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten.

Der Schutz der Menschenrechte, die Stärkung von good governance und rechtstaatli-
cher Strukturen, die Unterstützung der Eigenverantwortung und der Selbsthilfekräfte
sowie der umfassende Einbezug der Zivilgesellschaft und des Privatsektors gelten
heute als die zentralen Bestimmungselemente liberaler Entwicklungspolitik, wie sie
auch sehr deutlich innerhalb der schwarz-gelben Koalition zum Tragen kommen.

Als entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und Obmann im Ausschuss


für wirtschaftliche Zusammenarbeit (AwZ) freue ich mich sehr, dass das Bundes-
ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit Un-
terstützung der Koalition auch neue Wege in der Frage eingeschlagen hat, wie
Entwicklungsländern tatsächlich dauerhaft geholfen werden kann. Die bislang
unternommenen Schritte sind von großer Reichweite und stellen effektiv einen
sehr wirkungsvollen Beitrag zum nachhaltigen Wohl der weltweit in Armut le-
benden Menschen dar. Grundsätzlich kann es nur in enger Verbindung mit dem
zivilgesellschaftlichen Engagement von politischen Stiftungen, Kirchen und Nicht-
regierungsorganisationen gelingen, Projekte vor Ort effizient durchzuführen und
den Menschen in den Partnerländern nachhaltig wirksame Hilfen zu geben. Es gilt
diese Art der Entwicklungsarbeit weiter zu forcieren und daneben noch stärker als
bisher die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland für die so

1 „Striving for good governance in Africa: Synopsis of the 2005 African Governance Report prepa-
red for the African Development Forum IV”, African Governance Report (AGR) 1 (UN/Economic
Commission for Africa, 2005).
2 Ludwig von Mises (1927/2000), Liberalismus. Academia Verlag (Sankt Augustin).
3 Hernando de Soto (1992), Marktwirtschaft von unten. Orell Füssli (Zürich).
8 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
wichtige Entwicklungszusammenarbeit zu gewinnen. Eine Schlüsselrolle spielt in
diesem Zusammenhang die Überführung der drei Durchführungsorganisationen
des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED), der Internationalen Weiterbildung und
Entwicklung (InWEnt) und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)
in die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (DGiZ). Durch die
Schaffung einer schlagkräftigen Organisation, deren Kompetenzen unter einem
gemeinsamen Dach gebündelt sind, wird nicht nur die Kohärenz und die entwick-
lungspolitische Steuerungsfähigkeit der deutschen Entwicklungspolitik, sondern
auch die Wirksamkeit der in der Technischen Zusammenarbeit eingesetzten Mittel
erhöht. Gleichzeitig kommt Deutschland damit seinen im Rahmen der Erklärung
von Paris (2005)4 und des Aktionsplans von Accra (2008)5 gemachten Zusagen für
eine wirksamere internationale Entwicklungszusammenarbeit zur Erreichung der
Millenniumsentwicklungsziele nach. Diese Reform muss stets darauf ausgerichtet
bleiben, die Partner in den Entwicklungsländern zu befähigen, aus eigener Kraft
wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand in demokratischen, rechtsstaatlichen
Strukturen zu erreichen. Im Zusammenhang mit der Steuerungsfähigkeit gilt, dass
die Ressourcen einer reformierten Durchführungsstruktur gerade auch für die Stär-
kung der entwicklungspolitischen Meinungsführerschaft Deutschlands auf inter-
nationaler Ebene benötigt werden. Deutschland kann damit eine Vorreiterrolle in
der Gestaltung einer modernen, zukunftsorientierten Entwicklungszusammenarbeit
einnehmen und unseren Nachbarn im EU-Raum als Maßstab dienen.

Neben der unverzichtbaren Einbindung von Kirchen, Stiftungen und Nichtregie-


rungsorganisationen in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kommt es auch
auf die private Wirtschaftstätigkeit als Basis einer erfolgreichen Armutsbekämpfung
an. Denn es kann kein Zweifel daran bestehen, dass selbsttragende ökonomische
Strukturen die wahren Entwicklungshelfer sind. Zahlreiche Länder, deren Mittel-
schicht in den letzten Jahren durch wirtschaftlichen Aufschwung gewachsen ist,
haben dies gezeigt. Eine solche Entwicklung wirkt sich zudem stabilisierend auf
das gesellschaftliche und politische Leben aus.6 Wenn die Industrieländer den Ent-
wicklungsländern im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit finanzielle Hilfen

4 „Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit“ (High Level Plenary
Forum, 28. Februar-2. März 2005). Die fünf programmatischen Kernelemente sind hier bereits
im Titelzusatz enthalten: Eigenverantwortung, Harmonisierung, Partnerausrichtung, Ergebnis-
orientierung sowie gegenseitige Rechenschaftspflicht.
5 „Aktionsplan von Accra” (High Level Plenary Forum, 2.-4. September 2008). Die fünf program-
matischen Kernelemente sind hier: Transparenz und reziproke Fortschrittsüberprüfungen, mehr
Arbeitsteilung zwischen den Geberländern, gestärkte Eigenverantwortung der Entwicklungs-
länder, stärkere Einbindung der Strukturen der Partnerländer sowie erhöhte Verlässlichkeit der
Leistungen.
6 Vgl. Bertelsmann Stiftung (2010), Bertelsmann Transformation Index (BTI) (Gütersloh).
„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 9
zur Verfügung stellen, so wie es in den vergangenen 50 Jahren der Fall gewesen
ist, muss prinzipiell immer beachtet werden, dass Geld alleine keineswegs zu wirt-
schaftlicher Entwicklung und gesellschaftlichem Fortschritt führen. Dort, wo etwa
die wirtschaftlichen Abhängigkeiten der Regierungen in Entwicklungsländern von
Entwicklungsgeldern zu groß werden, kann das – so eine verbreitete Auffassung –
Korruption begünstigen und einen schlechten Regierungsstil andauern lassen. Und
auf diese Weise kann Armut sicher nicht reduziert werden. Vor diesem Hintergrund
steht es ganz außer Frage, dass wir mit unserem Engagement in den Entwicklungs-
ländern auch eine große Verantwortung übernehmen, der wir gerecht werden müs-
sen. Die dauerhafte Bekämpfung von Armut in unseren Partnerländern kann dabei
nur auf der Grundlage einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung gelingen, die
die Eigendynamiken der wirtschaftlich tätigen Menschen fördert. Der Markt kann
dabei als Motor gesehen werden, der das wirtschaftliche Potential der Menschen
in unseren Partnerländern ernst nimmt. Eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
schließt gerade auch das privatwirtschaftliche Engagement mit ein, das die Part-
nerschaften verstärkt und keine neuen Abhängigkeitsstrukturen schafft. Natürlich
können wir nicht von jetzt auf gleich davon ausgehen, dass wir in den Partner-
ländern eine soziale Marktwirtschaft nach deutschem Vorbild aufbauen können.
Aber es sollte immer unser Anspruch sein, dass wir bei all unseren Anstrengungen
um die Armenhäuser der Welt – neben den immer wieder auftretenden Notwen-
digkeiten bei Nahrungsmittelknappheit, Gesundheitsversorgung und Bildung, die
natürlich vermittels spontaner Hilfe behoben werden müssen – marktwirtschaft-
liche Strukturen bekräftigen, die den jeweiligen Ländern und ihren Menschen eine
langfristige Perspektive in Eigenständigkeit bieten.

Eine gute Möglichkeit stellt in diesem Zusammenhang auch die vermehrte Aus-
richtung auf die Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) dar. Wenn man an den
Vorhaben der Förderung der marktwirtschaftlicher Strukturen, eines nachhaltigen
Wachstums und einer Verstärkung der Anreize für private Initiativen und Investitio-
nen festhalten möchte, muss – ganz im liberalen Sinne – darauf geachtet werden,
dass sich die jeweiligen Entwicklungsländer auch effektiv in die Weltwirtschaft in-
tegrieren können und dort auch wirklich ihre Chancen haben. Neben dem Aufbau
eines starken, dynamischen Privatsektors geht es also auch um die Förderung von
Kleinen und Mittleren Unternehmen in den Partnerländern, da diese nachweislich
Arbeitsplätze schaffen, Steuereinnahmen für den Staat generieren und Wissens-
erwerb, Technologietransfer und Exportdiversifizierung ermöglichen.7 Sie werden

7 Martin Roth und Michel Mordasini (2005), Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit und


Privatsektor: Verstärkte Partnerschaft. In: Die Volkswirtschaft. Das Magazin für Wirtschaftspolitik
(3/2005), S. 59-62.
10 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
somit zu einem entscheidenden Faktor im Kampf gegen die Armut. Es geht ferner
auch darum, eine engere Partnerschaft mit den örtlichen KMU, den repräsentativen
Organen des Privatsektors, Berufs- und Handelsverbänden sowie Finanzintermedi-
ären in den Partnerländern auf- bzw. auszubauen – also darum, nach Möglichkeit
ganze Wertschöpfungsketten zu etablieren. Die dabei entstehenden Formen der
Zusammenarbeit ergänzen und verstärken traditionellere Instrumente, die auf eine
Verbesserung des Managements der öffentlichen Finanzen oder die Schaffung von
günstigen Rahmenbedingungen für Industrie und Handel abzielen. Die Relevanz
dieser Maßnahmen wurde ja unter anderem auf der UNO-Konferenz über Entwick-
lungsfinanzierung in Monterrey (2002) bestätigt. Die internationale Gemeinschaft
unterstrich dabei, dass die Geberländer nicht nur ihre öffentliche Entwicklungshilfe
erhöhen, sondern gleichzeitig die Direktinvestitionen in den Handel mit den Ent-
wicklungsländern stark ausbauen sollen. Die Partnerstaaten verpflichteten sich im
Gegenzug, ihre Regierungsführung zu verbessern sowie die eigenen Anstrengungen
und die Effektivität der Armutsbekämpfung zu erhöhen.8

Liberale Entwicklungspolitik hat innerhalb des letzten Jahres nicht nur im Be-
reich der Durchführung für mehr Kohärenz gesorgt, sondern auch im gemeinsa-
men Vorgehen der für die Entwicklungszusammenarbeit relevanten Bundesminis-
terien. Die für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung relevanten Pro-
zesse werden künftig zwischen den Ressorts der Außen-, Handels-, Sicherheits-
und Entwicklungspolitik noch enger auf einander abgestimmt und mit einander
verbunden. Seit Ende 2009 sind die Bereiche des Äußeren und der Zusammenar-
beit und Entwicklung mit Guido Westerwelle und mit Dirk Niebel wieder mit zwei
Ministern aus der gleichen Partei besetzt, was sich bislang ausgesprochen posi-
tiv auf die Koordinationspraxis auswirkt. Bei ihrer gemeinsamen Afrikareise nach
Tansania, Südafrika und Dschibuti vom 7. bis zum 11. April dieses Jahres ist dies
erstmals sehr deutlich geworden.

Schließlich ist es den Liberalen auch gelungen deutlich zu machen, dass entwick-
lungspolitisches Handeln stets wertgebunden sein und sich einen klaren Blick auf
die tatsächliche Reformbereitschaft in den Partnerländern bewahren muss. Dass
die Bundesregierung daher auf die Menschenrechtsverletzungen in Uganda und
auf Fälle von Korruption und Misswirtschaft in der Demokratischen Republik Kon-
go streng reagiert und unmissverständlich klar gestellt hat, im Rahmen deutscher
Entwicklungszusammenarbeit nur diejenigen Länder zu unterstützen, die sich an

8 „Bericht der Internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung“, Monterrey, (UN, 18.-22.


März 2002).

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 11


die international anerkannten rechtstaatlichen Standards halten, hatte zweifels-
ohne seine Richtigkeit.9

Ein zentraler Schwerpunkt in der Entwicklungspolitik der FDP ist der afrikanische
Kontinent. Entwicklungspolitische Maßnahmen sollten sich immer auf die ärmsten
Länder und Regionen fokussieren und sich dabei am Prinzip der Eigenverantwor-
tung orientieren. Das bedeutet, die zur Verfügung stehenden Mittel noch zielge-
richteter zur Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen aufzuwenden sowie der Afri-
kanischen Union (AU) dabei zu helfen, zu einer effektiven Krisenlösungsinstitution
in Afrika zu werden10. Die Notwendigkeit dafür ist leider nicht geringer geworden,
denn nach wir vor ist Afrika in weiten Teilen durch fragile staatliche Institutionen,
Bürgerkriege, Hungersnöte, extreme Armut und überdurchschnittlich hohe HIV/
Aids-Raten gekennzeichnet.

Gerade vor dem Hintergrund des 3. EU-Afrika-Gipfels vom 29. bis 30. November
2010 in Tripolis unter dem Titel „Investition, Wachstum und Beschäftigung“ ist diese
Politik ausgesprochen wegweisend. Die beim 2. EU-Afrika-Gipfel 2007 in Lissabon
beschlossene gemeinsame Strategie bildete den Hintergrund dafür, den afrikani-
schen Kontinent zum ersten Mal einheitlich und in seiner Gesamtheit zu betrach-
ten und deutlich heraus zu stellen, dass diese strategische Partnerschaft über die
traditionellen Entwicklungskooperationen hinausreichen und neben den zivilge-
sellschaftlichen und privaten Akteuren auch nationale Parlamente in den Prozess
mit einbeziehen. Gleichzeitig stellt diese Partnerschaft eine zentrale Plattform zum
Austausch über die drängenden globalen Fragen der weltweiten Klimaproblematik
und der Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele dar.

Wenn man Afrika – wie es in dieser Veranstaltung der Fall ist – als „Entwicklungs-
kontinent“ in den Blick nimmt, dann sind nach meinem Dafürhalten besonders zwei
Dinge ganz entscheidend. Wie ich bereits dargelegt habe, muss Entwicklung den
Menschen in den Entwicklungsländern zu einem nachhaltigen Vorteil und zur vollen
Einbeziehung in das öffentliche, wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche
Leben gereichen. In diesem Zusammenhang sehe ich das Engagement anderer staat-
licher Akteure in Afrika teilweise mit großer Sorge. Besonders die wirtschaftliche
Zusammenarbeit von China will ich hierbei erwähnen. Ganz offensichtlich sind bei
China in erster Linie die eigenen außenwirtschaftlichen Profite sowie der eigene

9 Harald Leibrecht, Pressemitteilung „Menschenrechtskriterien wichtig für Gewährung von Ent-


wicklungshilfe“ (28. Mai 2010).
10 Der „African Peer Review Mechanism” (APRM) ist das Kernelement der „New Partnership for
Africa‘s Development” (NEPAD) im Rahmen des sozio-ökonomischen Programms der African
Union (AU).
12 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
Bedarf an Rohstoffen ausschlaggebend – abgekoppelt von demokratischen, recht-
staatlichen und menschenrechtlichen Wertevorstellungen und abgekoppelt vom
wirklichen Nutzen für die Menschen selbst. Denn bislang durchgeführte Projekte,
etwa der Bau von Schulen und Krankenhäusern, sind nur von geringer Nachhal-
tigkeit. Zudem wird die Partnerseite im Großen und Ganzen außen vor gelassen,
was bedeutet, dass es kaum zu dem für gute Entwicklungszusammenarbeit not-
wendigen Wissenstransfer oder zu der langfristigen Schaffung von Arbeitsplätzen
kommt. Wenn es den EU-Staaten auch nach dem Gipfel von Tripolis gelingen kann,
Freundschaft und strategisches Interesse innerhalb der gemeinsamen, geschichtlich
gewachsenen Beziehungen zu verbinden sowie sich vertrauensvoll und auf Augen-
höhe zu begegnen, dann können derlei Gefahren künftig im Sinne der Zukunft der
Partnerländer noch besser erkannt und auch begegnet werden. Zum zweiten muss
die Entwicklungszusammenarbeit immer auf die länderspezifischen Bedürfnisse
ausgerichtet bleiben. Um hierbei größtmögliche Erfolge zu erzielen, sollten sich die
europäischen Partnerländer immer ein großes Maß an Flexibilität bewahren und
ein Vorgehen im Sinne eines Generalansatzes vermeiden.

Wo nun die konkreten Problembereiche auf dem „Entwicklungskontinent“ Afrika


liegen, welche weiteren Faktoren es dort noch zu berücksichtigen gilt und welche
Optionen sich für die beteiligten Akteure anbieten, darüber werden uns nun die
folgenden Beiträge interessante Einblicke liefern.

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 13


Entwicklung braucht Freiheit – Über die institutionellen
Voraussetzungen wirksamer Entwicklungspolitik

Steffen Hentrich
Liberales Institut, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Einleitung

Die Beseitigung von Armut und Unterentwicklung gehört auch im 21. Jahrhundert
zu einer der größten Herausforderungen der Menschheit. Obgleich sich in vielen
Regionen der Erde die Lebensbedingungen der Menschen in den vergangenen Jahr-
zehnten deutlich verbessert haben, leben noch heute viele Menschen unter nach
unseren Maßstäben nicht akzeptablen Bedingungen. Vor allem die afrikanischen
Länder südlich der Sahara haben wenig, wenn überhaupt, vom Entwicklungstrend
der vergangenen Jahrzehnte profitiert. In diesen Ländern ist von der Globalisierung,
dem Aufschwung des internationalen Handels und der Zunahme internationaler
Kapitalflüsse, kurz der Segen der internationalen Arbeitsteilung, noch nicht rich-
tig angekommen.

Über lange Jahre galt Entwicklungshilfe als Patentrezept für die Überwindung von
Armut und Unterentwicklung. Eine ausreichende Kommunikation in der Öffent-
lichkeit und die Erhöhung der Sensibilität der Wohlhabenden für die Not auf der
Erde wäre nach Ansicht vieler Entwicklungshilfeprotagonisten notwendig, um die
notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen aus den Industrieländern für
Entwicklungsprojekte in der Dritten Welt in Gang zu setzen. Das schlechte Gewissen
der Reichen, ihren Wohlstand auf dem Rücken der Ärmsten dieser Erde erlangt zu
haben, ein Bild, das seit der Kolonialisierung weiter Teile der Welt noch immer in
den Köpfen der Menschen steckt, geben diesem Konzept auch heute noch die mora-
lische Vollmacht. Noch immer ist „Hilfe zur Selbsthilfe“ das Leitmotiv der Entwick-
lungshilfe, ein Motto, dem sich auch heute noch die Milleniumsziele der Vereinten
Nationen verpflichtet sehen und das weite Bereiche der Entwicklungspolitik in den
Industrieländern bestimmt. Von einer Armutsfalle ist die Rede, einem Zustand der
Unterentwicklung, aus dem sich die ärmsten Länder aus eigener Kraft nicht befreien
könnten, weshalb nur fremde Hilfe einen Ausweg bedeuten würde. Geographische
Hindernisse und klimatische Faktoren, wie fehlende Transportwege in Binnenländern
oder Wassermangel in Dürregebieten, machten Investitionen nötig, die arme Länder
aus eigener Kraft nicht aufbringen könnten. Krankheiten und Seuchen würden den
14 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
Menschen die Produktivität rauben und deren Bekämpfung die Regierungen dieser
Länder überlasten. Nur durch medizinische Hilfe und die Bereitstellung von Medi-
kamenten ließen sich diese Probleme begrenzen. Mit dem raschen Wachstum der
Bevölkerung könne das Wachstum des Kapitalstocks nicht mithalten, so dass die
Produktivität und damit die Einkommen der Menschen zwangsläufig sinken würden.
Ersparnisse ließen sich so nicht anlegen und auch den Regierungen fehle so das
Geld für den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, die Bildung und das Gesund-
heitswesen. Zudem bestehe die Armutsfalle in einer ungünstigen Exportstruktur,
die vor allem Rohstoffe und Rohprodukte mit enormen Preisschwankungen auf den
Weltmärkten umfassten und damit zu einer hohen Einkommensvolatilität führten.
Schließlich würde der permanente Raubbau an natürlichen Ressourcen und feh-
lende Investitionen in den Umweltschutz die Anfälligkeit für Naturkatastrophen
verstärken, so dass wirtschaftliche Errungenschaften immer wieder der Zerstörung
anheim fallen würden. Nur mit externer Unterstützung seitens der entwickelten
Länder ließen sich diese Probleme planvoll angehen (Sachs 2006).

Diese offizielle Position wird inzwischen von einer ganzen Reihe von Experten hin-
terfragt. Prominente Kritiker eines globalen Entwicklungsplans für die Umsetzung
der UN-Milleniumsziele wie William Easterly und Paul Collier bescheinigen diesem
Ansatz Wirkungslosigkeit und gehen sogar soweit, zentrale Entwicklungsplanung
als verschwenderisch und kontraproduktiv zu bezeichnen. Ihre Hoffung in die Um-
setzung der entwicklungspolitischer Ziele mit Hilfe internationaler Hilfsprojekte ist
dementsprechend gering. Wie andere liberale Kritiker der Entwicklungshilfe auch,
betonen sie die Bedeutung des institutionellen Rahmens für eine erfolgreiche wirt-
schaftliche Entwicklung. Sichere Eigentumsrechte, eine stabile Rechtsordnung, ver-
lässliche geldpolitische Rahmenbedingungen, freier Handel und der Verzicht des
Staates auf eine lähmende Regulierung der Wirtschaft sind die Garanten für wirt-
schaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt. Tatsächlich deutet die empirische
Forschung auf einen engen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Freiheit und
der Dynamik der Wohlstandsentwicklung hin. Erfolgsbeispiele in Asien und Latein-
amerika zeigen dies ebenso wie die größtenteils eher enttäuschende Entwicklung
auf dem afrikanischen Kontinent.

Afrika und die globale Wohlstandsentwicklung:


eine kurze Bestandsaufnahme

Die Menschheit hat in den vergangenen zweihundert Jahren einen gigantischen Ent-
wicklungssprung gemacht. Vor allem in den letzten einhundert Jahren war der An-
stieg des Pro-Kopf-Einkommens der Weltbevölkerung bemerkenswert (Abbildung 1).
Während die Menschheit über Jahrtausende in einer malthusianischen Falle zu ste-
„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 15
cken schien, in der die bescheidenen Produktivitäts- und Einkommensfortschritte
immer wieder sehr schnell durch die einen Zuwachs der Bevölkerung kompensiert
wurden, konnte dieses eiserne Gesetz des Elends im Zuge der industriellen Revolu-
tion durchbrochen werden. Trotzdem sich die globale Bevölkerung im vergangenen
Jahrhundert (1900 bis 2001) von 1,6 Mrd. auf gut 6 Mrd. fast vervierfacht hat, stieg
das globale Volkseinkommen in derselben Phase um das Achtzehnfache. Belief sich
das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 1900 im globalen Durchschnitt noch auf rund
1.260 US-$ (in Preisen von 1990) standen einem durchschnittlichen Erdenbürger
einhundert Jahre später rund 6.000 US-$ zur Verfügung.

Hinter dieser beeindruckenden Entwicklung verbirgt sich jedoch ein Jahrhundert


extrem ungleicher Entwicklung. Während sich das Pro-Kopf-Einkommen der west-
lichen Welt, also Westeuropa, der USA, Japan, Australien und anderer Industrielän-
der, bis in das Jahr 2001 auf rund 22.510 US-$ nahezu verachtfachte, sieht die
Bilanz der Länder auf dem afrikanischen Kontinent enttäuschend aus. Ausgehend
von einem schon damals deutlich niedrigen Niveau, das einem guten Fünftel der
„westlichen“ Einkommen entsprach, hatte das afrikanische Pro-Kopf-Einkommen
zur Jahrtausendwende lediglich das Dreifache seines Niveaus von 1900 erreicht
(Maddison 2005).

Abbildung 1

Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens (1990-2001)

25.000
US-$ (in Preisen von 1990)

20.000

15.000

10.000

5.000

0
1900 1950 1990 2001

Globaler Durchschnitt Westliche Industrienationen


Entwicklungs- und Schwellenländer Afrika

Quelle: Goklany (2007), p. 16


16 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
Auch wenn andere Indikatoren der menschlichen Entwicklung, wie die Überwin-
dung des Hungers und die Entwicklung der Lebenserwartung dank des Einflusses
der technischen Entwicklung auf Arbeitsbedingungen, Umwelt und den Konsum
der Menschen auch in den ärmsten Ländern Fortschritte verzeichnen, hat die stür-
mische Entwicklung des Wohlstands um Afrika bislang noch einen großen Bogen
gemacht (vgl. Abbildungen 2 und 3).

Abbildung 2

Entwicklung der Nahrungsversorgung

3500
Energieaufnahme (kcal/Person/Tag)

3000
2500
2000
1500
1000
500
0
vorindustriell 1961 1975 1989 2002

Industrieländer Entwicklungsländer Subsahara Globaler Durchschnitt

Quelle: Goklany (2007), p. 5

Zwar melden sich zunehmend wachstumsskeptische Stimmen in der entwicklungs-


politischen Debatte zu Wort, doch hat sich an dem engen Zusammenhang zwischen
Einkommen und Lebensqualität bis heute nichts geändert. So zeigt Goklany (2007),
dass Nahrungsmittel- und Wasserversorgung, Lebenserwartung, Säuglingssterb-
lichkeit und Zugang zur Bildung in einem sehr engen Zusammenhang zur Einkom-
menssituation stehen (Abbildungen 4, 5, 6, 7). Hinter dieser banal erscheinenden
Erkenntnis verbirgt sich die Fähigkeit der Menschen im produktiven Umgang mit
den verfügbaren Ressourcen Arbeit, Kapital und Boden, nicht nur die unmittelbaren
Lebensbedürfnisse zu befriedigen, sondern auch den Luxus erzeugen zu können, der
ein Leben über das Subsistenzniveau hinaus ermöglicht. Dabei ist der Unterschied der
Ressourcenausstattung unterentwickelter Staaten gegenüber stärker entwickelten
„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 17
Nation in der Regel rein qualitativer Natur sind. Diesen Ländern mangelt es nicht
an Menschen, an Rohstoffen oder an wirtschaftlich nutzbarer Fläche, sondern an
den Institutionen, die eine produktive Nutzung und qualitative Fortentwicklung
der reichlich vorhandenen Ressourcen erst möglich machen.

Abbildung 3

Lebenserwartung bei der Geburt

80

70

60

50
Jahre

40

30

20

10

0
vorindustriell 1950-55 1975-80 1985-90 2003

Industrieländer Entwicklungsländer Subsahara Globaler Durchschnitt

Quelle: Goklany (2007), p. 8.

18 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen


Abbildung 4: Nahrungsversorgung und Einkommen

Source: Based on data from World Resources Institute (2005). World Bank (2005b)

Abbildung 5: Lebenserwartung und Einkommen

Source: Based on data from World Bank (2005b)

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 19


Abbildung 6: Säuglingssterblichkeit und Einkommen

Source: Based on data from World Bank (2005b)

Abbildung 7: Wasserversorgung und Einkommen

Source: Based on data from World Bank (2005b)

Quelle: Goklany (2007)

20 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen


Wirtschaftliche Freiheit als Motor der Entwicklung

Armut und Unterentwicklung sind die Folge einer geringen oder unproduktiven Res-
sourcennutzung. Die Geschwindigkeit der Wohlstandsentwicklung hängt vor allem
davon ab, inwieweit es den Akteuren in der Gesellschaft gelingt, die ihnen zur Ver-
fügung stehenden natürlichen Ressourcen mit dem Humankapital der Gesellschaft
zu kombinieren, so dass im Ergebnis eine möglichst große Menge an wertvollen
Gütern entsteht. Hierzu ist der Einsatz effizienter technische Produktionsverfah-
ren und zeitsparender organisatorischer Abläufe notwendig. Voraussetzung hier-
für ist jedoch ein hohes Maß individueller Handlungsfreiheit, die Möglichkeit der
Menschen Güter und Ideen auf freiwilliger Basis zu tauschen und gegenseitig in
Wettbewerb zu treten, all dies auf einer institutionellen Basis, die den Schutz des
Individuums und seines Eigentums sicher gewährleistet.

Nicht ohne Grund ist wirtschaftliche Freiheit die Basis für eine dynamische Wohl-
standsentwicklung. Individuelle Handlungsfreiheit bildet nicht nur die Vorausset-
zung für ein selbsterfülltes Leben, sondern auch für die Entfaltung von Leistung
und Kreativität des Einzelnen bei der Erzeugung des gesellschaftlichen Wohlstands.
Freier Tausch von Gütern und Dienstleistungen sorgt dafür, dass die erzeugten Güter
dorthin gelangen, wo sie den größten Nutzen stiften. Zudem erlaubt freier Tausch
eine kostensenkende und qualitätssteigernde Spezialisierung der Produktion und
die Ausnutzung komparativer Kostenvorteile. Nur wer in wirtschaftliche Tausch-
prozesse integriert ist, kann sich auf die Produktion der Güter und Dienstleistungen
konzentrieren, die seinen Fähigkeiten und Neigungen am meisten entsprechen.
Freier Wettbewerb zwingt die Produzenten zur Kundenorientierung und zur Ko-
stensenkung. Wirtschaftliche Gewinne lassen sich unter Wettbewerbsbedingungen
nur dauerhaft generieren, wenn der herrschende Marktpreis durch eine permanente
Senkung der Herstellungskosten unterboten wird oder durch Qualitätssteigerungen
neue zahlungsbereite Kundengruppen erschlossen werden. Daher führt das Ge-
winnmotiv unter Wettbewerbsbedingungen zu permanenten Produkt- und Prozes-
sinnovationen und macht langfristig sinkende Marktpreise möglich. Diese beiden
Dimensionen der wirtschaftlichen Freiheit setzen den Schutz des Individuums und
des privaten Eigentums zwangsläufig voraus. Nur unter diesen Bedingungen be-
steht beim Einzelnen der Anreiz langfristig zu denken, dementsprechend sparsam
mit wertvollen Ressourcen umzugehen sowie in ihren Erhalt und ihre Wertstei-
gerung zu investieren. Ohne sichere Eigentumsrechte führen konkurrierende An-
sprüche der Menschen an die Nutzung knapper Ressourcen zwangsläufig zu einer
Übernutzung der natürlichen Ressourcen. Dies führt nicht nur zur Verschwendung
wertvoller Produktionsfaktoren, sondern langfristig auch zur Degradierung der
Umwelt. Wachstum und Wohlstand sind eng verbunden mit den Vorteilen gegen-
„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 21
seitigen Handels, einer wettbewerbsorientierten Unternehmenskultur und einer
regen Investitionstätigkeit für den Aufbau und Erhalt des Produktionskapitals, der
Versorgungs- und Transportinfrastruktur und des Humankapitals. Die Herausbil-
dung dieser Wachstumsfaktoren ist das Resultat gesellschaftlicher Institutionen
und staatlicher Politik. Unsichere Eigentumsrechte, ein unfaires und parteiisches
Rechtssystem, Handelsbeschränkungen und staatliche Regulierung, die den Markt-
zutritt und Wettbewerb reduzieren, belasten die Wirtschaftsakteure und vermindern
die Effizienz des Wirtschaftssystems.

Als außerordentlich hilfreiche Werkzeuge zur Bewertung der Gewährleistung wirt-


schaftlicher Freiheiten durch staatliche Institutionen hat sich hat sich der Eco-
nomic Freedom of the World Bericht erwiesen, der seit mehreren Jahrzehnten im
jährlichen Turnus die Qualität staatlicher Institutionen für inzwischen 141 Länder,
darunter auch eine ganze Reihe von Entwicklungs- und Transformationsländer
misst (EFW-Report 2010). Der Bericht bewertet den Umfang der Staatstätigkeit,
das Rechtssystem und den Eigentumsschutz, die Stabilität der Geldpolitik, die Ge-
währleistung der Freiheit des internationalen Handels sowie die Regulierung von
Kapitalmarkt, Arbeitsmarkt und Unternehmenssektor. Der hier entwickelte Index
erlaubt nicht nur die Bildung einer internationalen Rangreihe der Staaten hinsicht-
lich ihrer wirtschaftlichen Freiheit, sondern ermöglicht darüber hinaus die Herlei-
tung von Zusammenhängen zwischen dem Grad wirtschaftlicher Freiheit und der
wirtschaftlichen Entwicklungsdynamik.“

Die Auswertung der Daten spricht eine eindeutige Sprache: Wirtschaftliche Freiheit
ist klar mit dem Pro-Kopf-Einkommen der untersuchten Staaten korreliert und wirkt
sich förderlich auf das wirtschaftliche Wachstum eines Landes aus. Trotz des mit
steigendem Basiseinkommen einhergehenden Niveaueffekts auf die Wachstumsra-
te liegt die Wachstumsdynamik der wirtschaftlich freien Länder in derselben Grö-
ßenordnung wesentlich ärmerer und wirtschaftlich unfreier Länder. Das bedeutet
jedoch, dass wirtschaftliche Freiheit einen hohen Beitrag zur Anstieg des absolu-
ten Wohlstands leistet. Aber auch die Wohlstandsverteilung profitiert von einem
Zuwachs wirtschaftlicher Freiheit. Zwar liegt der prozentuale Anteil der ärmsten
zehn Prozent in allen untersuchten Ländern auf einem ähnlichen Niveau, doch un-
terscheidet sich die absolute Einkommensarmut in freien und unfreien Ländern um
nahezu das Zehnfache. Aber auch andere Aspekte der Wohlstandsentwicklung, wie
etwa die Lebenserwartung, die Umweltqualität, die Zufriedenheit der Bürger und
die Chancengleichheit der Geschlechter, profitieren von wirtschaftlicher Freiheit
(Abbildungen im Anhang I). Hier gibt es ebenfalls einen eindeutig positiven Zu-
sammenhang zwischen der wirtschaftlichen Freiheit und den jeweiligen Entwick-
lungsindikatoren. Schließlich zeigt sich, dass in Ländern, in denen die Regierung
22 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
die institutionellen Voraussetzungen für wirtschaftliche Freiheit gewährleistet,
auch politische Rechte und bürgerliche Freiheiten gewährt werden. Korruption, in
der Regel eine Ausweichreaktion staatlicher und privater Akteure auf den Mangel
an legalen Handlungsoptionen, ist in wirtschaftlich freien Ländern deutlich weni-
ger verbreitet als in Ländern mit einem geringen Freiheitsniveau. Insgesamt wird
deutlich, dass Wohlstand und staatliche Institutionen, die wirtschaftliche Freiheit
garantieren, einen sehr engen Zusammenhang aufweisen. Die theoretisch nahelie-
gende These von der Freiheit als Voraussetzung des gesellschaftlichen Fortschritts
wird auch empirisch gestützt.

Afrika: Ohne wirtschaftliche Freiheit keine Entwicklung

Der Entwicklungsrückstand afrikanischer Staaten lässt sich in erster Linie durch


das unterdurchschnittliche Niveau wirtschaftlicher Freiheit erklären. In fast allen
Kategorien des Economic Freedom Index belegen die Staaten Afrikas südlich der
Sahara (Subsahara-Afrika) die niedrigsten Indexwerte (Abbildung 8). Lediglich der
Umfang der Staatstätigkeit ist in den entwickelten Volkswirtschaften geringfügig
stärker ausgeprägt. Von den zehn Ländern mit dem niedrigsten Freiheitsniveau im
Jahr 2008 befinden sich allein acht auf dem afrikanischen Kontinent, wovon sieben
auf dem Gebiet südlich der Sahara liegen (EFW-Report 2010).

Abbildung 8
Wirtschaftliche Freiheit im Vergleich

10
9

7
6
Index

5
4

2
1
0
Summenindex Staatstätigkeit Rechtssystem & Geldpolitik Freihandel Regulierung
Eigentumsrechte

Asien Subsahara-Afrika Zentral- und Südamerika Frühere Planwirtschaften OECD

Quelle: EFW-Report 2010, Ländergruppierung im Anhang II.


„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 23
Betrachtet man die Entwicklung der Indikatoren im Zeitverlauf fällt auf, dass die
afrikanischen Staaten die geringsten Fortschritte im Bezug auf die Entwicklung
der wirtschaftlichen Freiheit erzielen konnten (Tabelle 1).

Tabelle 1: Entwicklung der wirtschaftlichen Freiheit 1970-2008

Gruppe Summen- Staatstätig- Rechts- Geldpolitik Freihandel Regulierung


index keit system &
Eigentums-
rechte
1970 2008 1970 2008 1970 2008 1970 2008 1970 2008 1970 2008
Asien 5,5 6,2 6,2 6,7 5,0 4,9 6,6 6,9 4,1 6,0 4,8 6,2
Mittel-
und Süd- 5,3 6,7 6,9 7,1 3,2 5,0 7,6 8,1 4,7 6,8 5,2 6,5
amerika
Subsaha-
5,2 5,8 5,1 6,0 6,4 4,3 6,4 6,6 4,9 5,8 4,5 6,0
ra-Afrika

Quelle: Economic Freedom Report 2010

Während die Entwicklungs- und Transformationsländer in Asien sowie Mittel- und


Südamerika während der vergangenen vierzig Jahre in nahezu allen Einzelindizes
moderate Fortschritte erzielen konnten, ist die Aufwärtsentwicklung der Indizes in
Afrika insgesamt geringer ausgeprägt. Zwar sind in einzelnen Teilbereichen leichte
Verbesserungen erzielt worden, doch konnte das Entwicklungsniveau der anderen
Ländergruppen nicht erreicht werden. Besonders auffällig sind der Verlust an Rechts-
sicherheit und der verringerte Schutz von Eigentumsrechten in der afrikanischen
Ländergruppe. Da sich Rechtssicherheit und Eigentumsschutz als essentielle Vo-
raussetzungen für die Herausbildung funktionierender und leistungsfähiger Märkte
erwiesen haben, dürfte hier eine wesentliche Ursache für die geringere Entwick-
lungsdynamik afrikanischer Staaten liegen. Aber auch die geringere Ausprägung
der anderen Bewertungskriterien trägt zu dem Verharren Afrikas im Zustand der
Unterentwicklung bei.

Neben der Rechtssicherheit und dem Schutz der Eigentumsrechte hängt die Wachs-
tumsdynamik der Wirtschaft vor allem von der Einbindung in den internationalen
Handel, die Herausbildung eines leistungsfähigen Unternehmertums und einer
regen Investitionstätigkeit ab. Diese Erfolgsfaktoren wirtschaftlicher Entwicklung
werden in den meisten afrikanischen Ländern erheblich ausgebremst. Erheblichen
Einschränkungen unterliegen afrikanische Unternehmen im Bezug auf die Ein-
24 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
bindung in den internationalen Handel, so dass Spezialisierungsvorteile und Ska-
leneffekte in der Produktion kaum ausgenutzt werden können. Daher verbleiben
große Teile der afrikanischen Volkswirtschaften auf dem technologischen Niveau
der Subsistenzwirtschaft. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die afrikanischen
Staaten südlich der Sahara hinsichtlich ihrer Anzahl und Größe den Bundesstaaten
der USA oder den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ähneln. Im Unterschied
zum relativ freien Warenaustausch in diesen Regionen ist der Freihandel in Afrika
stark eingeschränkt und durch Steuern und Zölle hoch belastet. Das zieht gerade
in kleinen Staaten erhebliche Entwicklungshemmnisse nach sich, da aufgrund der
geringen Marktgröße der Einzelstaaten kaum Spezialisierungs- und Größenvorteile
in der Produktion genutzt werden können. Gerade Länder mit kleinen Binnenmär-
kten profitieren besonders stark von der globalen Arbeitsteilung.

Nach wie vor große Hemmnisse gehen von der hohen Regulierungsintensität der
Märkte in afrikanischen Ländern aus. Auch hier schneiden die Länder südlich der
Sahara im Vergleich mit anderen Ländergruppen zumeist schlechter ab (Abbildung
9).

Abbildung 9

Regulierung der privaten Wirtschaft im Vergleich

10

6
Index

0
Kreditmarktregulierung Arbeitsmarktregulierung Unternehmensregulierung

Subsahara-Afrika Asien Zentral- und Südamerika Frühere Planwirtschaften OECD

Quelle: EFW-Report 2010.


„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 25
Die private Wirtschaft ist in den meisten afrikanischen Staaten von einem dichten
Regulierungsgeflecht überzogen, wobei vor allem die intensive Regulierung des
Unternehmenssektors auffällt. Ein Blick auf die Subindikatoren in diesem Bereich
zeigt, dass Preiskontrollen, Unternehmensauflagen und staatliche Korruption in
Form von Sonderzahlungen und Bestechungsgeldern für die Gründung und Erwei-
terung von Unternehmen besonders intensiv praktiziert werden und damit die un-
ternehmerischen Tätigkeiten hemmen (EFW-Report 2010). Aber auch im Bereich
der Arbeitsmarktregulierung und hier vor allem im Bereich der Auflagen für die
Einstellung und Kündigung von Beschäftigten führen staatliche Auflagen zu hohen
Kosten und geringer Arbeitsmarktflexibilität. Bei der Regulierung der Kreditmärkte
wirkt sich vor allem die Dominanz des Staates im Bankenwesen hemmend auf die
Verfügbarkeit von Investitionsmitteln der privaten Wirtschaft aus.

Entwicklungspolitik: Hilfe oder Hemmnis?

Angesichts dieser Resultate ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Zurückbleiben
der afrikanischen Länder in der Wohlstandsentwicklung kaum auf das Ausbleiben
externer Hilfe zurückgeführt werden kann. Kaum eine Region der Erde hat in den
vergangenen fünfzig Jahren mehr Entwicklungshilfe erhalten als Afrika (Norton
and Gwartney 2008). Dennoch fielen die Entwicklungsfortschritte sehr verhalten
aus, wobei empirische Forschungsergebnisse sogar darauf hinweisen, dass Entwick-
lungshilfeprogramme ohne institutionelle Reformen das Wirtschaftswachstum sogar
hemmen können. Zu fragmentiert ist die Entwicklungshilfe und in ihrer Wirkung
widersprüchlich, zu sehr konsumorientiert und wenig auf Langfristinvestitionen aus-
gerichtet (Easterly 2008). Mal ist die Entwicklungshilfe zu stark an den Interessen der
Geberländer ausgerichtet, dann wieder auf politische Eliten in den Nehmerländern
konzentriert, deren Politik alles andere als wachstumsfördernde Bedingungen setzt
(Collier 2007). Daher kann die empirische Wirkungsforschung der Entwicklungshilfe
lediglich dann eine Wirkung bescheinigen, wenn ohnehin schon gute Ausgangsbe-
dingungen für wirtschaftliche Entwicklung vorliegen und eher Mitnahmeeffekte
zu erwarten sind (Abbildung 10) (Burnside and Dollar 2004). Insgesamt zeigt die
empirische Forschung, dass Entwicklungshilfe einen bestenfalls vernachlässigbaren
Einfluss auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Rezipienten hat (Vgl. hierzu
Easterly Levine and Roodman 2004, Easterly 2006, Djankow, Montalvo and Reynal-
Querol, 2006, Rajan and Subramanian, 2005, Vásquez 1998)

26 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen


Abbildung 10

Quelle: Burnside/Dollar (2004): Aid, Policies and Growth: Revisiting the Evidence, WBPR-
Paper 3251

Zudem fließt ein großer Teil der Hilfszahlungen in die Entwicklungshilfebürokratie


und kommt nicht dort an, wo finanzielle Hilfe die Entwicklung stimulieren könnte
(Easterly 2008). Im Extremfall hat Entwicklungshilfe die Wirkung einer Droge, die
Nehmerländer in finanzielle Abhängigkeit stürzt und ihnen den Anreiz nimmt sich
langfristig aus der bequemen entwicklungspolitischen Subventionsmentalität zu
befreien. Institutionen, die wirtschaftliche Freiheit gewährleisten, haben sich hinge-
gen als außerordentlich förderlich für die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung
erwiesen. Ganz gleich wie hoch das Einkommensniveau zum Zeitpunkt wirksamer
marktwirtschaftlicher Reformen ist, die wachstumsfördernde Wirkung wirtschaft-
licher Freiheit ist hiervon unbenommen (Abbildung 11) (Easterly 2008).

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 27


Abbildung 11

Quelle: Easterly 2010.

Die Tücken des institutionellen Wandels

Das Ausmaß wirtschaftlicher Freiheit hängt maßgeblich von den informellen und
formellen Institutionen einer Gesellschaft ab. Sie bilden die Spielregeln einer Ge-
sellschaft und beeinflussen die Leistungsfähigkeit ihres Wirtschaftssystems. Die
Institutionen einer Gesellschaft bestimmen, ob wirtschaftliche Tausch- und Abstim-
mungsprozesse reibungslos verlaufen, das Preissystem seiner Informationsfunktion
auf Märkten gerecht wird oder ob organisatorische Hemmnisse, Misstrauen, Kon-
flikte und Unsicherheit ein Wirtschaftssystem in seiner Entfaltung hemmen.

Während formelle Institutionen in Form von Verfassungen, Gesetzen und Verord-


nungen kodifiziert sind, zeichnen sich informelle Institutionen durch ungeschriebene
gesellschaftliche Normen, Konventionen und Traditionen aus. Formelle Institutionen
werden durch staatliche Gewalt forciert, informelle Institutionen erhalten sich
durch soziale Kontrolle. Beide Formen gesellschaftlicher Institutionen existieren
nicht unabhängig voneinander. Staatliche Gesetze und Normen lassen sich in der
Gesellschaft nur insoweit mit tragbarem Aufwand durchsetzen, wie sie mit den ge-
sellschaftlichen Konventionen, Normen und Traditionen vereinbar sind. Besteht eine
28 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
Kompatibilität zwischen den formellen Institutionen und dem informellen Regelge-
flecht, lassen sie sich in der Gesellschaft vergleichsweise leicht durchsetzen. Liegt
zwischen beiden jedoch eine breite Kluft und lehnen die Bürger Verhaltensweisen
ab, wie sie die Gesetze des Staates von ihnen fordern, wird es schwer gesetzliche
Regeln in der Gesellschaft durchzusetzen (Coyne and Sobel 2010: 164).

Institutionelle Reformen setzen geeignete informelle Regeln voraus. Nicht nur ihr
Charakter, sondern auch die Dauer ihrer Veränderung entscheidet über den Erfolg
mit denen sich die kodifizierten Regeln des Staates in der Gesellschaft durchsetzen
lassen. Während es vergleichsweise einfach ist, die formellen Institutionen einer
Gesellschaft in Zuge politischer Reformen anzupassen, nehmen Veränderungen in-
formeller Institutionen oft deutlich längere Zeiträume in Anspruch. Konventionen,
Normen und Traditionen lassen sich nur in dem Maße ändern, wie die Menschen
Vertrauen in diese Veränderungen gewinnen, lernen mit institutionellen Verände-
rungen zu leben und merken, dass diese Veränderungen im Alltag zu einer Ver-
besserung ihrer Lebenssituation führen. Während sich formelle Institutionen auf
Basis demokratischer Mehrheitsentscheidungen oder diktatorischer Erlasse mehr
oder weniger gewaltsam durchsetzen lassen, machen informelle Institutionen einen
langwierigen Marktprozess durch, an dessen Ende jeder Einzelne die neue Regel
freiwillig akzeptiert.

Politische Reformen, die darauf abstellen die Bedingungen für die Funktionsweise
von Märkten in Ländern mit fehlenden Marktinstitutionen zu verbessern, müssen
die informellen Institutionen der Gesellschaft ebenfalls berücksichtigen. Marktre-
formen lassen sich daher schwer planen und entwicklungspolitische Ziele kaum
in einem Top-Down-Prozess etablieren. Ein Beispiel für die Komplexität instituti-
oneller Veränderungen ist eine der wichtigsten Institutionen der Marktwirtschaft,
der Schutz individueller Eigentumsrechte und die Stabilität des Rechtssystems, die
besonders stark mit dem informellen Institutionengeflecht der Gesellschaft ver-
wurzelt sind. Eigentumsrechte sind das Ergebnis der dezentralen Suche nach Lö-
sungen zur Senkung der Transaktionskosten im Umgang mit knappen Ressourcen
in der Gesellschaft. Der Schutz von Eigentumsrechten kann nur insoweit gesetzlich
gesichert werden, wie die Mitglieder der Gesellschaft bereit sind Eigentumsrechte
zu akzeptieren. Die Akzeptanz von Eigentumsrechten ist ein evolutionärer Prozess,
der auch in Ländern mit heute sicheren Eigentumsrechten aus einem Stückwerk
von Gewohnheitsrecht entsprang, das erst im Nachhinein in informelles Recht
überführt wurde (Easterly 2006: 90ff).

Die ökonomische Bedeutung von Eigentumsrechten wächst mit der Knappheit der
betreffenden Ressourcen und dem sich daraus ableitenden wirtschaftlichen Wert.
„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 29
Natürliche Ressourcen, die im Überfluss vorhanden sind, bedürfen keiner individu-
ellen Zuordnung, da die Gefahr einer kollektiven Übernutzung nicht besteht. Mit
zunehmendem Wertzuwachs erhöht sich jedoch der Anreiz des Einzelnen an der
Ressourcennutzung zu partizipieren, was die Gefahr einer Übernutzung der Güter
verursacht. Mit steigendem Ressourcenwert wächst gleichzeitig der Anreiz des Ein-
zelnen sich der sozialen Kontrolle der Gemeinschaft zu entziehen. War es in vorindu-
striellen Gesellschaften noch möglich auf Gemeineigentum basierende Wirtschafts-
weisen zu fundieren, verliert diese Art der Organisation von Eigentumsrechten mit
zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung an Praktikabilität. Der Nutzungsdruck
auf das Gemeineigentum macht die rechtliche Kodifizierung von individuellen Ei-
gentumstiteln zwar volkswirtschaftlich sinnvoll, gerät jedoch in vielen Fällen mit
dem in Gesellschaften im Transformationsprozess herrschenden Gewohnheitsrecht
in Konflikt. Hier zeigt die empirische Forschung, dass eine forcierte Überwindung
der gemeinschaftlichen Eigentumsnutzung auf Basis traditionellen Gewohnheits-
rechts durch staatliche Eigentumsreformen zu mehr statt weniger Unsicherheiten
im Bezug auf die Ressourcennutzung führen kann (Easterly 2006: 96f).

Institutionelle Reformen müssen sich unter diesen Bedingungen eng an den infor-
mellen Institutionen der Gesellschaft orientieren. Die empirische Forschung belegt,
dass Länder mit einer Rechtstradition, die sich am Gewohnheitsrecht orientiert und
dieses zur Basis sich entwickelnder Rechtsprinzipien macht, bessere Entwicklungs-
bedingungen aufweisen als Länder, in denen die Rechtsinstitutionen vergleichsweise
starre Konstrukte mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit sind. Während in der
einen Rechtstradition die Rechtssprechung dem folgt, was sich in der Praxis be-
währt hat und daraus verallgemeinerbare Rechtsprinzipien entwickelt, versucht die
eher zentralistische Rechtssprechung einen abstrakten Rechtskodex auf die Praxis
anzuwenden, was zur mangelnden Anpassungsfähigkeit an den sozialen und tech-
nologischen Wandel einer Gesellschaft führt. Dieser Unterschied zeigt sich in den
formalen Institutionen vieler Entwicklungs- und Transformationsländer. Wird eine
präzedenzrechtsorientierte Rechtstradition praktiziert und dabei informelle Eigen-
tumsrechte in formelles Recht überführt, funktioniert die Resonanz zwischen dem
Rechtssystem und den für die Wirtschaft essentiellen vertraglichen Arrangements
in der Regel besser als in Fällen, in denen eine Rechtsreform im Top-Down-Prozess
praktiziert wird (Easterly 2006: 98, Boudreaux and Aligica 2007).

Coyne und Sobel (2010) zeigen zwar, dass die meisten formellen Institutionen einer
Gesellschaft durchaus wandlungsfähig sind und institutionelle Reformen erfolg-
versprechend sein können, weisen jedoch gleichzeitig auf die Schwierigkeiten der
Reformen besonders wichtiger Institutionen, wie der Schutz der Eigentumsrechte
und das Rechtssystem hin. Zudem verursacht die Interdependenz von formellen
30 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
und informellen Institutionen eine starke Verzahnung politischer und ökonomischer
Institutionen, mit der Folge, dass einem umfassenden Institutionenwandel gegenü-
ber eng begrenzten Entwicklungsinitiativen, die nur auf einen Teil der Institutionen
abzielen, höhere Erfolgschancen einzuräumen sind. Als äußerst schwierig hat sich
in der Vergangenheit die Identifizierung von Institutionen erwiesen, deren Reform
besondere Impulse für das wirtschaftliche Wachstum setzt. So zeichnen sich die
im Economic Freedom Index gemessenen Indizes überwiegend durch im Zeitverlauf
gleichgerichtete Änderungstrends aus, so dass auch die wirtschaftliche Entwicklung
mit der Qualität der Gesamtheit der Institutionen korreliert sein dürfte. Daher ist
es unwahrscheinlich, dass partielle Reformen marktwirtschaftlicher Institutionen
zu dauerhaften Erfolgen führen. Langfristig stabile wirtschaftliche Entwicklung
erfordert einen ausdauernden Prozess der institutionellen Anpassung, in dem kon-
textspezifisches Experimentieren sowie eine offene Fehleranalyse möglich sind.
Nur so lassen sich die Bedingungen für wirtschaftliche Prosperität, Privateigentum,
Regelgerechtigkeit und die Selbstbeschränkung des Staates auf eine marktwirt-
schaftliche Rahmensetzung in das formelle Regelgeflecht der Gesellschaft über-
führen (Coyne, Sobel 2010: 172f).

Liberale Entwicklungspolitik: Hilfe beim institutionellem Wandel

Günstige institutionelle Bedingungen für wirtschaftliche Entwicklung lassen sich


nicht auf dem Reißbrett entwerfen. Obgleich unbestreitbar ist, dass wirtschaft-
liche Freiheit eine wesentliche Voraussetzung für die Herausbildung leistungsfä-
higer Wirtschaftsstrukturen bildet, erlauben die staatlichen Institutionen auf dem
afrikanischen Kontinent noch nicht den Freiheitsspielraum, den eine dynamische
Wirtschaftsentwicklung erfordert. Rechtssysteme, die keinen Eigentumsschutz
garantieren, Handelshemmnisse sowie hohe regulative Hürden und administrative
Kosten für Unternehmen hemmen die regionale Wirtschafte und schrecken weltweit
operierende Unternehmen von einem wirtschaftlichen Engagement in der Region
ab. In dieser Situation hat der Abbau der Handelshemmnisse und Unternehmens-
regulierung oberste Priorität. Ein Zuwachs an Möglichkeiten privatwirtschaftlicher
Betätigung würde nicht nur Beschäftigung und Einkommen für viele Menschen mit
sich bringen, sondern auch die nach wie hohe Attraktivität von sicheren Karrieren
in staatlichen Institutionen vermindern. Der damit verbundene Gratiseffekt eines
Abbaus kostenintensiver bürokratischer Strukturen ist kaum zu überschätzen. Trotz
der Trägheit informeller Institutionen führt kein Weg an einem Umbau des Rechts-
systems hinzu mehr Regelgerechtigkeit, Eigentumsschutz und individueller Freiheit
vorbei. Es erscheint jedoch illusionär, dass diesem Reformprozess durch konditio-
nelle Entwicklungshilfe spürbare Impulse verliehen werden können.

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 31


Welche Aufgabe kommt einer liberalen Entwicklungspolitik in dieser Situation zu?
In erster Linie heißt dies vor der eigenen Tür zu kehren und die inhärenten Ent-
wicklungshemmnisse der eigenen Wirtschaftspolitik auszuräumen. Wer sich selbst
nur halbherzig mit dem eigenen Protektionismus auseinander setzt, sei es in der
Außenhandelspolitik und in der Landwirtschaftspolitik oder zunehmend auch in der
Umweltpolitik und im Verbraucherschutz, erschwert nicht nur sich, sondern auch
den Handelspartnern in weniger entwickelten Volkswirtschaften die wirtschaftliche
Entwicklung. Reformträgheit auf diesem Gebiet leistet überdies nicht gerade einen
Beitrag zur Verbesserung der Ergebnisse internationaler Handelsabkommen. Das
Erstarken protektionistischer Tendenzen in der Folge der globalen Wirtschaftskrise
zeigt die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs auf diesem Gebiet. Verbleibt die Ent-
wicklungspolitik in ihrem klassischen Paradigma, ohne einen Beitrag zur Verände-
rungen der Institutionen zu leisten, ist von ihr kein langfristig wirksamer Beitrag
zur wirtschaftlichen Entwicklung zu erwarten.

Wichtige Impulse können dagegen von einer besseren Fokussierung der Entwick-
lungspolitik auf den institutionellen Wandel ausgehen. Dringliche Nothilfe und die
Konzentration auf Maßnahmen, die nachweißlich institutionelle Reformen für mehr
wirtschaftliche Freiheit befördern, stehen dabei ganz oben auf der Agenda. Der-
artige Reformen erfordern einen mitunter zähen Lernprozess der Zivilgesellschaft
und der staatlichen Akteure. Dieser Lernprozess lässt sich durch die Kommunikation
positiver Reformerfahrungen, die Kooperation mit reformwilligen gesellschaftlichen
Gruppen und die Stärkung der Zivilgesellschaft unterstützen. Zur Bereitstellung der
notwendigen Infrastrukturen und organisatorischen Kapazitäten kann die liberale
Entwicklungspolitik durchaus langfristig wirksamer einen Beitrag leisten.

32 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen


Literatur:
Boudreaux, Karol and Paul Dragos Aligica (2007): Path to Property – Approaches
to Institutional Change in International Development, Institute of Economic Af-
fairs, London.
Burnside, Craig, and David Dollar (2004): Aid, Policies and Growth: Revisiting the
Evidence, WBPR-Paper 3251.
Collier, Paul (2007): The Bottom Billion, Why the Poorest Countries are Failing and
What Can Be Done About It, Oxford University Press.
Coyne, Christopher J. and Russel S. Sobel (2010): How are Institutions Related?,
Chapter 3, in: Gwartney, James, Joshua Hall, Robert Lawson, Economic Freedom of
the World – 2010 Annual Report, www.freetheworld.com.
Djankow, Simeon, Jose G. Montalvo, and Marta Reynal-Querol (2006): Does Foreign
Aid Help? Cato Journal 26, 1: 1-28.
Easterly, William (2006): The White MAn’s Burden, Penguin Press.
Easterly, William, ed. (2008): Reinventing Foreign Aid, MIT Press.
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Goklany, Indur (2007): Wealth, health and the Cycle of Progress, in: Stevens, Philip
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Gwartney, James, Joshua Hall, Robert Lawson (2010) (EFW-Report): Economic Free-
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Norton, Seth W. and James D. Gwartney (2008): Economic Freedom and World Po-
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Rajan, G. Raghuram, and Arvind Subramanian (2005): Aid and Growth: What Does
the Cross-country Evidence Really Show? NBER Working Paper No. 11513. National
Bureau of Economic Research.
Sachs, Jeffrey (2006): Das Ende der Armut. Ein ökonomisches Programm für eine
gerechte Welt, Edition Pantheon, München.

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 33


Anhang I: Wirtschaftliche Freiheit, Wirtschaftskraft und Lebensqualität

Wirtschaftliche Freiheit und Pro-Kopf-Einkommen

35.000 $32.744

30.000

25.000

20.000

$14.659
15.000

10.000
$7.188
$3.858
5.000

0
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Pro-Kopf-Einkommen (2008), US-$-Kaufkraftparitäten (in Preisen 2005)

Wirtschaftliche Freiheit und Wirtschaftswachstum

2,49
2,5 2,35
2,26

1,5

1
0,66

0,5

0
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Jährliche Wachstumsrate des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts (%), in


Kaufkraftparitäten, 1990 - 2008

34 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen


Wirtschaftliche Freiheit und relative Armut

2,7

2,6
2,6

2,5 2,5

2,4

2,3 2,3

2,2
2,2

2,1

2,0

1,9
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Einkommensanteil (%) der ärmsten 10 Prozent aller Einwohner

Wirtschaftliche Freiheit und absolute Armut

9.000 $8.474

8.000

7.000

6.000

5.000

4.000
$3.334

3.000
$1.792
2.000
$910
1.000

0
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Pro-Kopf-Einkommen - ärmste 10 Prozent der Einwohner (2008), US-$-Kaufkraftparitäten (in


Preisen von 2005)

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 35


Wirtschaftliche Freiheit und Lebenserwartung

90
79,3
80
72,3
67,8
70
59,9
60

50

40

30

20

10

0
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Lebenserwartung bei der Geburt in Jahren, 2008

Wirtschaftliche Freiheit und Umweltqualität (2008)

90 84,8

80 76,5
71,6
70 64,5

60

50

40

30

20

10

0
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Umweltqualitäts-Index 2008

36 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen


Wirtschaftliche Freiheit und Zufriedenheit

8 7,5

7
6,3
5,9
6

5 4,7

0
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Index der Lebenszufriedenheit (Happy Planet Index 2.0, 2009)

Wirtschaftliche Freiheit und Chancen von Frauen

80 75,7

70
59,2
60
49,0
50

40 37,7

30

20

10

0
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Women's Economic Opportunity Index 2010, Median

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 37


Wirtschaftliche Freiheit und Korruption

8
7,4

5
4,3
4 3,5

3 2,6

0
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Korruptionsindex (2009), 0 - extrem korrupt, 10 - nicht korrupt

Wirtschaftliche Freiheit und Rechtsstaat

1
1,6

2 2,3

3
3,4

4 4,3

5
1. Quartil (unfrei) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil (frei)

Politische Rechte/Bürgerliche Freiheiten, 1 - hoch, 7 - gering

38 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen


Anhang II: Ländergruppierung

Asien: Bangladesh, China, Indien, Indonesien, Südkorea, Malaysia, Mongolei,


Myanmar, Nepal, Pakistan, Philippinen, Sri Lanka, Thailand, Vietnam

Zentral- und Südamerika: Argentinien, Belize, Bolivien, Brasilien, Chile, Kolum-


bien, Costa Rica, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Guayana, Honduras, Nicaragua,
Panama, Paraguay, Peru, Trinidad & Tobago, Uruguay, Venezuela

Frühere Planwirtschaften: Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien & Herze-


gowina, Bulgarien, Tschechien, Estland, Georgien, Ungarn, Kasachstan, Kirgisien,
Lettland, Litauen, Mazedonien, Moldawien, Mongolei, Montenegro, Polen, Rumä-
nien, Russland, Serbien, Slowakei, Slowenien, Ukraine

Subsahara-Afrika: Angola, Benin, Burkina Faso, Burundi, Kamerun, Zentralafrikanische


Republik, Tschad, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Elfenbeinküste,
Äthiopien, Gabun, Ghana, Guinea Bissau, Kenia, Lesotho, Malawi, Mali, Maureta-
nien, Malawi, Mali, Mozambique, Namibia, Niger, Ruanda, Senegal, Sierra Leone,
Südafrika, Tansania, Togo, Uganda, Sambia, Simbabwe

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 39


Mit Augenmaß und Leidenschaft –
Die Arbeit der Friedrich-Naumann-
Stiftung für die Freiheit in Afrika

Denise Dittrich1
Bereich Internationale Politik, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Mit allen Kräften für eine liberale Welt, das ist der Grundwert, der die Arbeit der
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) im In- und Ausland leitet.

Unsere Auslandsarbeit ist Teil der außen- und entwicklungspolitischen Zusammen-


arbeit der Bundesrepublik Deutschland. Zwar handeln wir nicht im direkten Auftrag
der Bundesregierung, aber mit ihrer Zustimmung und finanziellen Unterstützung.

Heute arbeitet die FNF in sieben Regionalbüros, 44 Projektbüros und über 60 Pro-
jektländern weltweit. Über 100 Einzelprojekte werden von mehr als 230 Mitarbei-
tern in den jeweiligen Projektregionen umgesetzt. Wir arbeiten im Ausland mit
einem breiten Spektrum an Partnern – Parteien, Think Tanks und Institutionen –,
die genau wie wir folgende Ziele verfolgen: ein selbstbestimmtes Leben in einer
rechtstaatlichen Demokratie und die Entwicklung einer freien Bürgergesellschaft,
in der alle Menschen die Chance auf Bildung und auf Eigentum haben.

Dabei setzen wir auf politische Bildung, die immer mehr Menschen befähigen
soll, sich aktiv an politischen und gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. Im
Rahmen des Politikdialogs erhalten Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft die
Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, voneinander zu lernen und Lösungen für
Konflikte zu finden. Durch Politikberatung werden politischen Entscheidungsträgern
aus dem liberalen Spektrum Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt,
die wichtig für die Stärkung politischer Parteien und die Umsetzung freiheitlicher
Politikmodelle sind.

1 Referentin für Afrika der FNF in Potsdam. Der am 10.12.2010 in Hannover gehaltene Vortrag
orientierte sich an diesem Papier.
40 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
Unsere Arbeit und unsere Partner in Subsahara-Afrika

Mit Bildungsmaßnahmen und Beratungsleistungen ist die Stiftung seit 1963 auf
dem afrikanischen Kontinent aktiv. Zunächst in Nordafrika, seit Ende der 1960er
Jahre auch in Subsahara-Afrika. Zu Beginn lag der Schwerpunkt der Stiftungs-
arbeit auf der Aus- und Weiterbildung von Journalisten in Afrika. Nach der poli-
tischen und wirtschaftlichen Öffnung Afrikas in den 1980er Jahren baute die FNF
ihr Engagement auf dem Kontinent aus und das südliche Afrika wurde regionaler
Schwerpunkt.

Heute arbeitet die Friedrich-Naumann-Stiftung für


die Freiheit im südlichen Afrika von fünf Standor-
ten aus: Senegal, Ghana, Simbabwe, Tansania und
Südafrika. Von dort aus werden auch Maßnahmen
in anderen Ländern, wie Kenia und der Elfenbeinkü-
ste koordiniert. Ziel unsere Aktivitäten ist es, Wege
zur Lösung politischer und wirtschaftlicher Pro-
bleme zu finden, die durch korrupte Eliten, unge-
nügende Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien,
schwachen Institutionen oder schlechte Bildung
verursacht wurden.

Bei unserer Arbeit in Afrika konzentrieren wir uns auf drei Schwerpunkte: 1) Arbeit
mit politischen Parteien und deren Vernetzung, 2) Förderung von Rechtsstaatlich-
keit und 3) Unterstützung einer funktionierenden Marktwirtschaft.

1. Südafrika

Südafrika befindet sich auch 16 Jahren nach dem Ende der Apartheid (1994) immer
noch in einem tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Wandlungsprozess.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist seit Anfang der neunziger Jah-
re vor Ort und unterstützt diesen Prozess aktiv. Einerseits sollen über die formalen
demokratischen Mechanismen hinaus die Grundelemente eines liberalen Verfas-
sungsstaates gesichert und ausgebaut, andererseits marktwirtschaftliche Lösungen
als Weg zu wirtschaftlichem Wachstum und zum Abbau der Arbeitslosigkeit ver-
mittelt werden.

Dazu arbeitet die Stiftung von zwei Büros aus. In Kapstadt, dem Sitz des südafri-
kanischen Parlaments, wird in erster Linie mit dem politischen Partner Democra-
tic Alliance (DA) auf nationaler, Provinz- und kommunaler Ebene sowie mit deren
„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 41
Vorfeldorganisationen (Verband Liberaler Provinzabgeordneter, Verband Liberaler
Kommunalpolitiker, die Jungen Liberalen) zusammen gearbeitet. So bemüht sich
die Stiftung, die ’Official Opposition’ Südafrikas und die zweitgrößte Partei im Par-
lament in die Lage zu versetzen, ihrer verfassungsgemäßen Kontrollfunktion noch
besser nachzukommen und liberale Alternativen zur gängigen Politik aufzuzeigen.
Die Aktivitäten zielen auf die Verbesserung der programmatischen, strategischen
und organisatorischen Kenntnisse, Fertigkeiten und Wirkungsmöglichkeiten liberaler
Mandats- und Funktionsträger sowie von Nachwuchskräften, wie auch auf die Iden-
tifikation und Lösung demokratischer und wirtschaftlicher Entwicklungshemmnisse.
Von Johannesburg aus unterstützt die Stiftung gezielt die Arbeit im sozio-ökono-
mischen Bereich und kooperiert mit südafrikanischen Forschungsinstituten, die
im Bereich Deregulierung, Korruptionsbekämpfung und Förderung kleiner- und
mittlerer Unternehmen tätig sind. Vordergründig sind zu nennen das South African
Institute of Race Relations (SAIRR), Centre for Development and Enterprise (CDE),
der Helen Suzman Foundation (HSF), den Small Business Project (SBP) und der The
Free Market Foundation (FMF).

www.da.org.za
Die Democratic Alliance ist die
www.dayouth.org.za
größte südafrikanische Oppo-
www.adac.co.za
sitionspartei.
www.dampl.co.za
CDE ist einer der führenden
südafrikanischen Think Tanks,
der sich mit entwicklungspo-
www.cde.org.za
litischen Fragen und deren
Verhältnis zum Wirtschafts-
wachstum und der Festigung
von demokratischen Struk-
turen beschäftigt.
HSF ist eine unabhängige,
überparteiliche Stiftung, die
sich der Förderung von libe-
www.hsf.org.za
ralen demokratischen Wer-
ten und Menschenrechten
widmet.

42 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen


SAIRR war die erste nationale
multikulturelle Organisation
in Südafrika. Sie erstellt Risi-
koanalysen, forscht und pu-
www.sairr.org.za
bliziert in allen Bereichen, die
Einfluss auf die sozialen und
wirtschaftlichen Verhältnisse
im Land haben.
SBP konzentriert sich auf die
Förderung von politischen
und rechtlichen Rahmenbe-
dingungen, die Wirtschafts-
wachstum unterstützen. Zu- www.sbp.org.za
dem erstellen sie für Unter-
nehmen Geschäftsentwick-
lungskonzepte und helfen
diese zu implementieren.
FMF forscht und organisiert
Veranstaltungen zu liberalen
Themen. Das Ziel ist eine of-
fene Gesellschaft, die geprägt www.
ist von Rechtsstaatlichkeit, freemarketfoundation.com
persönlicher und wirtschaft-
licher Freiheit sowie Presse-
freiheit.

Regionale Netzwerkarbeit

Auch die regionale Arbeit wird von Johannesburg aus koordiniert. Sie bindet Part-
ner in länderübergreifenden liberalen Netzwerken, die nationale und regionale
Wirkung entfalten.

Strategisch und programmatisch unterstützt die FNF seit einigen Jahren das „Afri-
can Liberal Network“ (ALN), ein Zusammenschluss von liberalen Parteien aus ganz
Afrika. ALN hat derzeit 27 Mitgliedsparteien aus 21 Ländern, die sich verpflichtet ha-
ben, mit einer Stimme für mehr liberale Demokratie und damit für mehr persönliche
Freiheiten der Bürger Afrikas einzutreten. Das Netzwerk bietet seinen Mitgliedspar-
teien gezielte Trainings für deren strategische Ausrichtung und fördert damit auch
den Informations- und Erfahrungsaustausch der Parteien untereinander.

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 43


Teil der politischen Netzwerksarbeit ist auch die Kooperation mit der „Organisation
of African Liberal Youth“ (OALY) und ihren nationalen Mitgliedsverbänden. Die
FNF hält es für wichtig, gerade auch junge liberale Nachwuchspolitiker zu fördern.
Denn diese wird die nächste Politiker-Generation. Oft herrscht ein Mangel an Ei-
geninitiative innerhalb der liberalen Vorfeldorganisationen, aber auch ein fehlendes
Interesse von Seiten der Mutterparteien. Diese empfinden ihre Jugendorganisationen
oftmals als unnötigen administrativen Aufwand oder gar als Konkurrenz im eige-
nen Haus. Unser Ziel ist es u.a. auf eine komplementäre Wirkung der Maßnahmen
zum Nutzen der Mutterparteien hin zuarbeiten.

Im rechtsstaatlichen Bereich fördert das Regionalbüro Afrika mit dem „Southern


African Legal Assistance Network“ (SALAN) den Informationsaustausch von
zivilgesellschaftlichen Organisationen im Bereich Menschenrechte im südlichen
Afrika. Dieses im östlichen und südlichen Afrika einflussreiche Rechtshilfe- und
Menschenrechts-Netzwerk umfasst elf Mitgliedsorganisationen in Botswana, Mala-
wi, Mosambik, Namibia, Sambia, Simbabwe, Südafrika und Tansania und hat seinen
Sitz zurzeit noch in Lusaka, Sambia.2 SALAN bietet seinen Mitgliedern Informati-
onsaustausch sowie juristische Unterstützung an und beteiligt sich an rechtlichen
und politischen Reformbewegungen.

2. Westafrika

2.1 Senegal

Auch in Westafrika setzt sich die Stiftung dafür ein, dass die Grundlagen einer li-
beralen Demokratie geschaffen werden. Bereits 1980 öffnete die Stiftung für die
Freiheit ihr Projektbüro in Dakar; seit Ende 2006 befindet sich dort der Sitz des
Westafrika-Projekts. Die FNF arbeitet in Senegal vor allem mit den Think Tank-
Partner Institut Supérieur de Management (ISM) zusammen. Ergebnisse dieser Ko-
operation sind in erster Linie Studien, Forschungsprojekte und Publikationen zur
weiteren marktwirtschaftlichen Entwicklung im Senegal. Mit dem Partner Forum
Civil, dem senegalesischen Zweig von Transparency International, verbindet die
Stiftung eine lange Zusammenarbeit bei der Korruptionsbekämpfung und der För-
derung der Bürgerbeteiligung an politischen Prozessen.

Politischer Partner im Senegal ist die Regierungspartei Parti Démocratique Sé-


négalais (PDS). Die Unterstützung der PDS trug wesentlich zum demokratischen
Machtwechsel im Jahre 2000 bei. Kooperiert wird auf allen Ebenen: national, re-

2 SALAN zieht Anfang 2011 entweder nach Namibia oder Tansania.


44 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
gional und lokal. Mit der PDS und ihren Vorfeldorganisationen wird eine Vielzahl
politischer Vorhaben, von Grundlagen der Parlamentsarbeit bis zu Pilotprojekten zur
Dezentralisierung der Kommunalverwaltung, bearbeitet. So hat die Stiftung 2009
mit jüngeren Parlamentarier Schulungen durchgeführt, um diese auf ihre Aufgabe
als Abgeordnete vorzubereiten.

2.2 Ghana

Die FNF ist seit 1992 in Ghana vertreten. Sie setzt sich dort für den liberalen Trans-
formationsprozess des Landes ein. Die Stiftung konzentriert ihre Tätigkeit auf den
Ausbau des marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems und der Sicherung der hier-
für notwendigen Rechtsstaatlichkeit des Landes.

In Kooperation mit der Partnerorganisation Ghana Centre for Democratic Deve-


lopment (CDD) und dem Think Tank IMANI Center for Policy & Education wurden
2010 zahlreiche Aktivitäten zum Thema (geistige) Eigentumsrechte durchgeführt.
Im Rahmen des „Liberalen Donnerstags“, einer Diskussionsplattform für aktuelle,
liberale Fragen, wurde das viel diskutierte Thema des Schutzes und der Geltend-
machung geistiger Eigentumsrechte beleuchtet und über liberale Lösungsansätze
diskutiert.

Die Stiftung unterstützt zudem die sogenannte „G11“, eine Gruppe jüngerer Ab-
geordneter der Oppositionspartei NPP. Unsere Schulungsangebote in guter Regie-
rungsführung richteten sich aber auch an liberale politische Vorfeldorganisationen
wie die Ghana Liberal Students Association.

3. Simbabwe

Seit 1980 ist die FNF auch mit einem Büro in Harare vertreten und hat die drama-
tischen Veränderungen in Simbabwe von Anfang an aktiv verfolgt und die Arbeit
von Organisationen der Zivilgesellschaft in den krisenreichen Jahren unterstützt.
Die Stiftung konzentriert sich in ihrer Arbeit auf Konzepte zum Wiederaufbau des
Rechtsstaates, der liberalen Demokratie und der Marktwirtschaft, welche durch
die Diktatur Robert Mugabes und seiner Militärjunta buchstäblich zum Erliegen
gekommen sind. Die Stiftung setzt sich in Harare für die Sicherung verbliebener
demokratischer und rechtsstaatlicher Freiräume ein. Diese Arbeit ist aufgrund der
geplanten Verfassungsreform und der für 2011 vorzeitig geplanten Wahlen von
besonderer Bedeutung.

„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 45


Im Bereich der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit unterstützt die Stiftung
schwerpunktmäßig den Business Council of Zimbabwe (BCZ), vormals Business
Leaders’ Forum (BLF). Eine Handelskammer, die sich für Eigentumsrechte und für
die Verfassungsreform einsetzt. Im Bereich der Menschenrechte und Rechtsstaat-
lichkeit arbeitet die Stiftung mit der Legal Resources Foundation (LRF) zusammen
und fördert im Rahmen eines EU-Projekts eine Reihe von „Legal Aid Clinics“, die
den Bürgern juristische Dienste anbieten, Musterprozesse führen und mit Bildungs-
maßnahmen an Multiplikatoren und auch an Vertreter des parallelen traditionellen
Rechtssystems herantreten. Des Weiteren kooperieren wir mit der National Asso-
ciation of Non-Governmental Organisations (NANGO), einem Netzwerk von Nicht-
regierungsorganisationen.

4. Ostafrika

4.1 Tansania

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist seit 1991 mit einem Büro in
Dar es Salaam (Tansania) vertreten und steuert von dort die Projekte in Tansania
und Kenia.

Bis Mitte der 1990er Jahre war Tansania ein Einparteienstaat. Seitdem befindet sich
das Land in einem politischen und ökonomischen Transformationsprozess hin zu
einem pluralistischen und marktwirtschaftlichen System. Es ist jedoch noch immer
eine Herausforderung, das Konzept der Mehrparteiendemokratie in den Köpfen der
politischen Elite zu verankern. Die Stiftung unterstützt diesen Weg durch ihre Zu-
sammenarbeit mit liberalen Partnerorganisationen sowohl im politischen als auch
im Bereich der Zivilgesellschaft. Dazu arbeitet die Stiftung seit vielen Jahren mit
der Civic United Front (CUF) – die auf dem halb-autonomen Sansibar-Archipel seit
November dieses Jahres Teil der Regierungskoaltion ist – zusammen. Hauptaufgabe
der Stiftungsarbeit ist es, die Kenntnisse und Fertigkeiten liberaler Mandats- und
Funktionsträger in thematischen, strategischen und organisatorischen Fragen zu
verbessern. Ein weiterer bedeutender Partner ist die Tanzania Youth Vision Associ-
ation (TYVA), ein liberaler Jugendverband.

4.2 Kenia

Bei der Arbeit in Kenia konzentriert sich die Stiftung auf den entwicklungspolitischen
Think Tank Inter Region Economic Network (IREN). Der langjährige nicht-staatliche,
unabhängige FNF-Partner hat es sich zur Aufgabe gemacht, liberale Denker in der
Region Ostafrika zu vernetzen und gemeinsam Entwicklungskonzepte zu erarbei-
46 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
ten. Das Netzwerk hat sich die Förderung des wirtschaftlichen Spielraums und
die Stärkung persönlicher Freiheitsrechte in Afrika zum Ziel gesetzt. IREN will die
afrikanischen Gesellschaften ermutigen, zur Lösung von Problemen weniger auf
ihre Regierungen und mehr auf eigene Lösungswege zu vertrauen. Ein jährliches
Highlight stellt das von IREN selbstorganisierte Treffen genannt African Resource
Bank dar, an dem wichtige Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler sowie Intellek-
tuelle und Politiker aus Afrika teilnehmen.

Schlussbemerkung

In der Mehrzahl der Staaten in der Region Subsahara-Afrika ist eine personalisier-
te Machtpolitik vorherrschend. Es fehlt an politischen und zivilgesellschaftlichen
Korrektiven. Freedom House Index stuft nur sechs der 42 Länder und drei der sechs
Inselstaaten der Region als „frei“, d.h. als Demokratien ein. Der im Oktober veröffent-
lichte Ibrahim Index 2010 verzeichnet zwar in den Ländern südlich der Sahara Fort-
schritte in der wirtschaftlichen Entwicklung, jedoch Rückschritte in den Bereichen
politische Rechte, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit. Der Freedom House Index und
Bertelsmann Transformation Index sieht die Negativentwicklung hinsichtlich der
Freiheitsrechte und rechtsstaatlicher Demokratie sogar noch pessimistischer.

Noch immer lebt die Hälfte der Bevölkerung Afrikas in extremer Armut (von weni-
ger als 1,25 US-Dollar pro Tag). Aufgrund des Mangels an wirtschaftlicher Freiheit
und dem ungenügenden Schutz von Eigentumsrechten verharrt der Großteil der
Bevölkerung in Armut. Ein Großteil der Bürger befindet sich in einem täglichen
Kampf um die Befriedigung einfachster, elementarer Grundbedürfnisse, der wenig
Raum lässt für politisches bzw. gesellschaftliches Engagement.

Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingen unterstützt und fördert die Friedrich-
Naumann-Stiftung für die Freiheit in Afrika seit Jahrzehnten ein breites Spektrum
an Partnern – Parteien, Think Tanks und Institutionen. Ziel ist die Entwicklung einer
freien Bürgergesellschaft im Rahmen einer rechtsstaatlichen Demokratie.

Kontaktdaten:
Denise Dittrich, Referentin für Afrika
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
Bereich Internationale Politik
Karl-Marx-Straße 2, D-14482 Potsdam
E-Mail: denise.dittrich@freiheit.org
www.freiheit.org
www.africa.fnst-freiheit.org
„Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen 47
48 „Entwicklungskontinent“ Afrika – Perspektiven und Handlungsempfehlungen
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Konto: 266 9661 04
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