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Steinbergen
Historischer Ortsspaziergang
Steinbergen
Rinteln
burg, in dem alte Möbel und Gemälde und verlassene
herrschaftliche Gemächer zu bestaunen waren. Auch die
Lage zum fürstlichen Bad Eilsen und darüber hinaus die
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Bindung an das Umfeld des Bückeburger Hofes machten war auch eine unmissverständliche Demonstration des
einen Gutteil der Attraktivität Steinbergens aus. schaumburg-lippischen Selbstbewusstseins. Mit ihm
konnte das Bückeburger Fürstentum – gut sichtbar von
Urlaub in Steinbergen war für gutbürgerliche Sommer- der durch Engern verlaufenden D-Zug-Strecke Berlin-
frischler aus Berlin und den Großstädten Norddeutsch- Köln - den höchsten Kirchturm im Wesertal zwischen Ha-
lands ländlich-ruhig und ein wenig mondän zugleich. meln und Minden sein eigen nennen. Er misst bis zum
Das Dorf bot Weserromantik in bäuerlich-traditioneller Metallknauf an seiner Spitze 55,10 Meter und ist damit
Umgebung, mit historischen Städten, Waldeinsamkeit, auch noch einen Meter höher, als der von St. Nikolai in
Burgruinen und Felsenklippen, dazu mehr als 30 kom- Rinteln. Kein Wunder, dass die „schaumburg-lippische
fortable Pensionen und fünf Hotels unterschiedlicher Renommier-Kirche“ wie sie damals genannt wurde, bei
Qualitäten sowie die unmittelbare Bahnanbindung an den Nachbarn nicht nur Begeisterung hervorrief. Ähn-
das vornehm ausgebaute Bad Eilsen. liche Kirchen entstanden in Schaumburg-Lippe damals
auch in Hagenburg und Meinsen. Fürst Adolf Georg
1 St. Agnes Kirche persönlich übernahm mit 6000 Goldmark immerhin rund
Der bemerkenswert prächtige, neugotische Bau der 8% der Baukosten.
Steinberger Kirche erhielt seine Weihe 1889. Er ersetzt Ungeachtet dessen ist der Prachtbau im Stil der han-
einen massigen romanischen Vorgängerbau aus dem noverschen Architekturschule Conrad Wilhelm Hases
12. Jahrhundert, der neben dem heutigen Kirchenbau von kulturhistorischer Bedeutung. In seinem Innern
stand und nach dessen Fer- erschließt sich dem Besucher mit dem aufwändigen
tigstellung abgebrochen Kreuzrippengewölbe, dem reichverzierten Altar, der
wurde. Von ihm ist nur Kanzel und dem Orgelprospekt ein Eindruck von der
mehr der kleine Mauer- handwerklichen und ästhetischen Qualität des späten
rest erhalten, an dessen Historismus.
Seite sich noch das im Einige wenige Relikte zeugen noch vom Vorgängerbau.
17. Jahrhundert errichtete Zu ihnen gehören der Taufstein aus dem 17. Jahrhundert
Mausoleum der Familie und der an der Südseite des Chores eingebaute Grab-
Reimerdes vom Großen stein des aus Brabrant stammenden Nicolaus Claissen
Neelhof befindet. (gestorben 1599). Am bedeutsamsten ist der auf der
Das große Bauwerk der nördlichen Außenseite des Gebäudes eingelassene
heutigen Steinberger Grabstein, der das Kreuz Christi auf dem Hügel Golga-
Kirche diente seinerzeit tha über einem Wappen zeigt. Er geht vermutlich auf
nicht allein den Zwecken das Edelherrengeschlecht derer von Vlotho zurück, die
eines Gotteshauses. Es bis um 1200 in Engern begütert waren.
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2 Die „Uffoburg“ bei Steinbergen 1924 und 1929. Damals erlebte die Backsteinbauweise
Auf einem Geländesporn am Ostrand des Steinberger insbesondere in Hannover und Hamburg eine Renais-
Brinks befand sich vermutlich eine mittelalterliche sance. Typisch sind das Ziermauerwerk des Giebels,
Burganlage, die als „Steenborg“ dem Dorf den Namen die schlichten Fensterleibungen und Zierelemente aus
gab. Ob sie dem legendären Grafen Uffo, der im 9. Jahr- Sandstein, und das nach innen gezogene Portal. Die
hundert gelebt haben soll, zugeschrieben werden kann, dunkle Holztür und das Glockentürmchen auf dem Dach
bleibt allerdings Spekulation. entsprechen dem Geschmack des Art Deco.
3 Der „Prinzenhof“
Der Prinzenhof, Marktstraße 1 mit seiner schönen Fach-
werkfassade war früher Bauernhof, Pension und Gast-
wirtschaft zugleich. Seinen Namen hat der alte Halb-
meierhof Nr. 4 von seinem früheren Eigentümer, dem
schaumburg-lippischen Prinzen Hermann (1848-1918).
Der jüngere Bruder des Bückeburger Fürsten Georg
hatte sich der Förderung der Geflügelzucht verschrieben
und auf diesem Hof einen Musterbetrieb eingerichtet.
Auf die Initiative bzw. Förderung des Prinzen gehen
auch die um 1880 gegründeten Geflügelzuchtvereine in
Rinteln und Bückeburg zurück.
4 Backhaus
Das 2002 auf dem Steinmeierschen Hof abgebaute 6 Kino Metropol
Backhaus wurde vom Steinberger Verkehrs- und Ver- Das als Programmkino geführte Filmtheater mit dem
schönerungsverein in Rahmen des Dorferneuerungs- selbstbewussten Namen „Metropol“ bietet eine bemer-
programms restauriert und neu errichtet. Mit seinem kenswerte und sogar mehrfach preisgekrönte Mischung
kleinen Vorplatz hat es sich zu einem attraktiven Mittel- anspruchsvoller Filme. Es wurde 1954 gebaut, 1989
punkt für Dorffeste entwickelt. renoviert und ist das
einzige erhalten ge-
5 Schule bliebene Dorfkino
Die Steinberger Schule ist ein bemerkenswertes Archi- in weitem Umkreis.
tekturzeugnis aus der kurzen Zeit der wirtschaftlichen
Belebung in den „Goldenen Zwanziger Jahren“ zwischen
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Zwischen 1816 und 1820 ließ der schaumburg-lippische schutz zu Tausenden mit vielfach einfachsten Gerät-
Fürst Georg Wilhelm die schaften den Bau errichteten.
bereits weitgehend verfalle- Dem Baubeginn 1937 folgte eine pompöse „Richtefei-
ne Arensburg als Lustschloss er“ im April 1939, während die eigentliche Fertigstel-
ausbauen. Seine Gemahlin lung am 23. September 1939 vor dem Hintergrund des
Ida veranlasste die Anlage begonnenen Krieges zurückhaltender vonstatten ging.
des Landschaftsparks, von Die Verdoppelung der Breite durch eine weitere südlich
dem noch einzelne, mächtige angesetzte Brücke entstand um 1995 nach dem rapiden
Solitärbäume und ein roman- Wachstum im Ost-Westverkehr durch die Wiedervereini-
tisierendes „Ruinenportal“ gung.
aus Tuffstein erhalten sind.
Der Park, der früher ein
wichtiger Anziehungspunkt 12 Steinbruch Steinbergen
des Luftkurortes war, ist Der 1923 gegründete Steinbruchbetrieb baut einen
heute leider nur noch teil- extrem harten, grauen Kalkstein, den Korallenoolith ab,
weise zugänglich und weitgehend verwildert. Nach dem der im Straßen- und Gleisbau verwendet wird. 1943-
Autobahnbau diente die Arensburg jahrzehntelang als 1945 diente das Werk der GESTAPO als Straflager für
Raststätte und Ausflugsrestaurant, später als Verwal- Zwangsarbeiter
tungszentrum einer Unternehmensgruppe. aus Osteuropa.
Mindestens 37
von ihnen kamen
11 Reichsautobahnbrücke hier ums Leben.
Eines der Steinberger Wahrzeichen sind die geschwun- Ein Monument auf
genen Bögen der Autobahnbrücke. dem Gelände erin-
In der gewaltigen und aufwändigen Ausführung spie- nert an die Opfer.
gelt sich das Bestreben des NS-Regimes durch Ästhetik Problematisch ist
um Zustimmung zu werben. Autobahnen sollten mehr die hangabwärts
sein als bloße Verkehrswege, sondern vielmehr die fallende Schich-
Landschaft neu inszenieren und zugleich mit Anklängen tung des Gesteins,
an die römische Antike den Anspruch auf eine tau- die im Jahr 2004
sendjährige Zukunft verkörpern. Einzelheiten vom Bau zu einem Berg-
verschwieg man lieber, so etwa das Lagerleben der zu sturz von über
Niedriglöhnen Dienstverpflichteten, die ohne Arbeits- 100.000 Tonnen
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