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Kapitel 1: Prelude

Teil 2

Jaburo konnte einfach nicht glauben, was hier gerade geschah. Wer waren die beiden? Und woher
wussten sie, wer er war und dass er sich gerade hier befand? Es waren keine normalen Teenager, so
viel stand fest.
Und noch wichtiger: Was war wohl in einer solchen Situation zu tun? Es war das erste Mal, dass
Jaburo so etwas erlebte und selbst sein nicht gerade dummer Geist geriet heftig ins Grübeln. Er
beschloss, auf Nummer sicher zu gehen. Er gab einigen seiner Männer ein paar unauffällige
Handzeichen: Sie sollten einen großen Bogen um das Versteck machen und sich den beiden
Fremden von hinten nähern. So würden sie in der Falle sitzen, falls sie etwas von Jaburo wollten –
was auch immer das war.
Der Meisterdieb begab sich nun zu den beiden hin. Er ging ganz locker in ihre Richtung. Er durfte
sich nicht anmerken lassen, dass er zu einem gewissen Maße nervös war. Woher wussten sie, dass er
hier war, verdammt noch mal? Dadurch, dass sie wussten, dass er hier war, waren viele
Möglichkeiten verloren gegangen, wie er auf diese Situation hätte reagieren können. Und nebenbei
wollte er wissen, wer die beiden waren und was sie hier wollten.
Als er ihnen näher kam, konnte er einen genaueren Blick auf sie werfen. Der Junge sah aus wie
irgendein Leistungssportler. Er trug nur eine weiße Stoffhose, die locker um seine Beine lag. Sein
ganzer Oberkörper war völlig frei von jeglicher Kleidung und Jaburo erkannte, dass dieser Junge
praktisch nur aus Muskeln bestand. Er schien kein Milligramm Fett an seinem Körper zu haben und
überall wirkte es so, als könnte die Haut jeden Augenblick zerreißen, aufgrund der unendlichen
Spannung durch die gewaltige Muskelmasse.
Und der Junge war bewaffnet. Links an seiner Hose befand sich ein Schwert in seiner Scheide. Die
Scheide war schlicht schwarz und kontrastierte mit seiner weißen Hose und seiner dunkelbraun
gebrannten Haut – wahrscheinlich verbrachte er den gesamten Tag unter der prallen Sonne damit,
mit bloßen Händen Palmen zu zerlegen.
Das Mädchen stellte einen krassen Gegensatz dazu dar. Sie war unendlich hübsch und wirkte sehr
zierlich, kein Vergleich zu dem Jungen. Alles an ihr wirkte völlig perfekt, ohne einen einzigen
Makel. Jaburo konnte einfach nicht anders, als wirklich jeden Aspekt ihres Körpers genau zu
betrachten. Er dachte darüber nach, wie man eine solche Person wohl am besten beschreiben
konnte, doch Worte schienen einfach nicht zu genügen. Also versuchte er es gar nicht erst.
Unterstrichen wurde ihre Schönheit noch von dem wunderschönen Kleid, dass sie trug. Obwohl
Jaburo keine Ahnung von Mode hatte, erkannte er, dass es wohl unendlich viel gekostet haben
musste.
Einen Aspekt von ihr konnte Jaburo jedoch nur erahnen: Die Augen. Schließlich waren ihre noch
immer geschlossen, genau wie die des Jungen. Wie sie wohl aussahen? Aber wahrscheinlich passten
auch sie mehr als perfekt ins Gesamtbild. Es ging einfach nicht anders. Sie mussten perfekt zu ihr
passen, das schien ein Naturgesetz zu sein.
Aber noch viel wichtiger als ihr Erscheinungsbild war die Aura, die von ihr ausging. Jaburo fühlte
sich unglaublich, während er ihr näher kam. Er war glücklich. Und er spürte einen wunderbaren
Frieden. Das Mädchen könnte mit einem Messer auf ihn losgehen und er würde sich nicht wehren.
Frieden erfüllte seinen Körper bis in die letzte Zelle.
Plötzlich öffnete das Mädchen ihre Augen. Sie schlug sie ruckartig auf. In diesem Moment, in dem
Jaburo zum ersten Mal ihre hellblauen, strahlenden Augen erblickte, geschahen zwei Dinge: Zum
einen kam es ihm so vor, als wäre es im dunklen Wald auf einmal um ein paar Nuancen heller
geworden. Zum anderen ging eine Welle der Kraft von ihr aus. Jaburo geschah zwar nichts, doch er
wurde für einen Sekundenbruchteil durchgerüttelt. Dies konnte nur eines bedeuten: Magie!
Das Mädchen erhob sich von ihrem Platz und klopfte kurz ein wenig Schmutz von ihrem Kleid ab.
Dann blickte sie Jaburo direkt in die Augen. In diesem Moment zerplatzte die Aura von Frieden, die
das Mädchen bis eben noch umgeben hatte. Jaburo fühlte sich schrecklich. Es war beinahe so, als
würden diese Augen direkt in ihn hineinblicken. Als würden die Augen alle seine Geheimnisse
sehen und über ihn richten. Es war ein schreckliches Gefühl. Er wollte seinen Blick abwenden, doch
es gelang ihm nicht.
„Jaburo, weißt du, weshalb ich hier bin?“
Ihre Stimme beruhigte Jaburo wieder völlig. Er fühlte sich wie im Himmel. Sie war glockenklar und
hell. Hörten sich Engel so an? Vielleicht. Sie sprach ruhig, aber doch bestimmt. Und selbst, wenn
Jaburo es überhaupt gar nicht gewollt hätte, hätte er ihr doch geantwortet. Aber er wollte ihr
antworten. Alleine schon deswegen, weil er dann wohl noch einmal ihre Stimme würde hören
können. Doch er wusste nicht, weshalb sie hier war. Er schüttelte lediglich den Kopf.
„Weißt du, Jaburo, wir verfolgen schon seit längerem jeden einzelnen deiner Schritte mit einer
beinahe schon peinlichen Genauigkeit. Wir wissen alles über jeden Raub, den du je begangen hast.
Du fragst dich jetzt vielleicht, weshalb wir dich nicht verraten haben, oder?“
Während sie dies sprach, kam sie Jaburo näher. Und auch der Junge war inzwischen aufgestanden
und ihr gefolgt. Er stand direkt hinter dem Mädchen, beinahe wie ein Bodyguard. Jaburo hingegen
war wie gelähmt, er blieb einfach stehen und ließ sie näher kommen. Und er nickte.
„Wir haben dich deswegen nicht verraten, weil du nichts Böses getan hast. Diebe müssen stehlen
um zu überleben. Das ist kein Vergehen, es ist nur menschlich. Wir haben nichts dagegen
einzuwenden und haben daher nie eingegriffen. Bis heute, Jaburo. Bis heute.
Ihre letzten Worte sprach sie mit einem Nachdruck aus, der Jaburo schaudern ließ. Langsam machte
sich ein Gefühl in seinem Körper breit, das er schon länger nicht mehr gespürt hatte: Angst. Das
Mädchen begann, ihm Angst zu machen. Aber er wollte nichts gegen sie unternehmen. Jaburo war
wie umnebelt. Die Angst hatte noch nicht die Überhand, also unternahm er nichts, während sie ihm
noch immer langsam, aber sicher näher kam.
„Du weißt es vielleicht noch nicht, Jaburo, aber dein Coup heute hat mehrere Menschen das Leben
gekostet. Zivilisten. Unschuldige. Das ging zu weit, Jaburo. Gegen einen Raub spricht nichts, aber
das war kein Raub, das war Mord. Es war ein Verstoß gegen die obersten Gesetze. Und dieser
Verstoß hat uns auf den Plan gerufen, Jaburo. Soll ich dir sagen, wozu wir hier sind?“
Sie befand sich nun direkt neben ihm, ihr Mund an seinem Ohr. Ihm rann der Schweiß aus allen
Poren. Er hatte unglaubliche Angst. All seine Instinkte schlugen wie verrückt Alarm. Doch er
konnte sich nicht rühren. Er war wie gelähmt von ihr.
„Wir sind hier, um über dich zu richten, Jaburo.“
Diese Worte zerstörten Jaburos Unfähigkeit, sich zu rühren. Er sprang mit einem gewaltigen Satz
zurück. Die beiden waren wegen ihm hier. Sie wollten über ihn richten. Aber was genau hatten sie
vor? Wahrscheinlich wollten sie ihm nicht nur auf die Finger klopfen. Dessen war er sich sicher. Er
hatte eigentlich nur eine einzige Möglichkeit.
„Feuer!“
Dieser Befehl verwandelte die Position der beiden in einen einzigen Lichtblitz. Die meisten von
Jaburos Männern nutzten magische Schusswaffen. Es handelte sich um die neuesten
Errungenschaften, auf dem gewöhnlichen Markt bekam man so etwas noch nicht. Noch dazu hatten
sie die Waffen ein wenig...getunt. Alle zusammen könnten mit ihrer Bewaffnung eine Stadt in
Schutt und Asche lagen, so viel Magie befand sich in diesen Waffen.
Jaburo bedeckte kurz seine Augen, als das Dauerfeuer durch einen noch helleren Blitz ergänzt
wurde, begleitete von einem gewaltigen Knall sowie einer Druckwelle. Eine magische Bazooka.
Das Ganze dürfte niemand überleben können. Nicht einmal ein Magier, ganz egal, wie stark er sein
mag. Noch dazu wurden die beiden völlig unvorbereitet von hinten erwischt, was die Situation für
Jaburo noch ein wenig besser werden ließ.
Mit einem Mal wurde das Blitzgewitter unterbrochen und es stieg unglaublich dichter Rauch von
der Position auf. Die Waffen waren leer. Jaburo wollte jedoch kein Risiko eingehen...Man konnte
bei Magiern nie wissen, was sie drauf hatten. Also gab er seinen Männern den Befehl, die Waffen
aus der Hand zu legen und zu Nahkampfwaffen zu greifen, während sich der Rauch verzog. Sie
begannen, einen Kreis zu bilden. Sollte von den beiden noch etwas übrig sein, würden Jaburos
Männer sich sofort auf sie stürzen.
Langsam verzog sich der Rauch. Die schwarzen Schwaden lichteten sich immer weiter. Darunter
erkannte Jaburo etwas...Rotes. Rot-Orange. Je weiter der Rauch verschwand, desto mehr konnten er
und seine Bande erkennen. Da war etwas riesiges, rot-orangenes. Und es ging eine unglaubliche
Wärme von dem Ort aus. Es fühlte sich an, als würde dort ein Feuer brennen, ein riesiges Feuer.
Doch diese Wärme fühlte sich anders an als gewöhnliche Wärme. Sie war durchzogen von etwas
anderem. Sie war durchzogen von einer stechenden Hitze, die alle paar Sekunden wellenartig von
diesem rot-orangenen Ding ausging. Sie war überall unangenehm, doch jedes Mal, wenn Jaburo
von ihr erfasst wurde, fühlte sich sein Herz so an, als würde es zerspringen.
Inzwischen war der gesamte Rauch verschwunden. Man konnte endlich deutlich erkennen, um was
es sich gehandelt hatte. Jaburo und seine Leute wussten nun, was dieses Ding war. Doch sie
glaubten es nicht. So etwas konnte nicht existieren. Sie weigerten sich, zu glauben, was sie dort
sahen. So etwas kannten sie zwar aus Legenden, doch in der Realität war die Existenz eines solchen
Wesens schlicht und ergreifend unmöglich.
Ein Phönix.
Er war gewaltig. Wie groß genau, das konnte man nicht sagen. Denn er hatte sich
zusammengekauert. Seine Flügel waren um etwas anderes herumgelegt, so, als ob er dieses etwas
beschützen wollte. Wie groß seine Flügel wohl sein mochten?
Und der Phönix war bedeckt von glühenden Flammen. Rot-orangenes Feuer auf einer Haut mit der
gleichen Farbe wie die Flammen. Dazu riesige gelbe Füße, beinahe wie die eines Huhns, auch das
Feuer fehlte hier komplett.
Der Phönix breitete seine Flügel aus. Dabei kam der Junge von vorhin zum Vorschein. Die Flügel
des Phönix waren also um den Jungen gelegt gewesen. Vielleicht hatte er ihn auf diese Weise
irgendwie beschützt.
Nun wandte sich der Vogel Jaburo zu, der einen genauen Blick auf das Gesicht des Phönix werfen
konnte. Seine Augen stellten einen harten Kontrast zum Rest dar: Sie waren blau. Allerdings kamen
diese Augen Jaburo so...bekannt vor. So, als hätte er sie erst vor kurzem gesehen. Sie starrten Jaburo
genau an und in ihnen lag ein Blick, der eines aussagte: Du bist erledigt.
Kurz unterhalb der Augen begann ein gelber Schnabel, der größer war als jeder, den Jaburo bisher
gesehen hatte. Doch für Phönix-Proportionen wirkte der Schnabel völlig normal. Und verglichen
mit den Flügeln wirkte er geradezu winzig. Das Fabelwesen hatte seine Flügel nun voll
ausgebreitet, die Spannweite betrug sicherlich 5 Meter. Der Körper maß von den Füßen bis zum
Kopf ungefähr 3 Meter. Genug, um Jaburo Angst zu machen.
Neben dem Phönix befand sich noch immer der Junge von vorhin. Er stand ganz ruhig da, mit
verschränkten Armen. Er wirkte genauso wie vor dem Angriff, ganz unverändert. Beinahe so, als
wäre all dies nie geschehen. Doch seine Augen waren im Gegensatz zu vorhin geöffnet. Sie waren
nachtschwarz. Als Jaburo in seine Augen sah, kam es ihm so vor, als wäre er gefangen. Gefangen in
der Schwärze der Augen. Er war gefangen in der Dunkelheit, ohne Ausweg. Er sah sofort wieder
weg, was seinen Blick auf den gewaltigen Vogel lenkte, der nicht gerade besser war als diese
Augen.
Das Bild, das sich ihm bot, ließ aber auch einige wichtige Schlüsse zu. Zum einen konnte es
eigentlich nur eines bedeuten, dass vom Mädchen keine Spur mehr zu sehen war, dafür jedoch ein
riesiger Vogel aufgetaucht war. Dieser Phönix musste das Mädchen sein! Es gab keine andere
Erklärung dafür. Wahrscheinlich nutzte sie eine Form von Take Over-Magie.
Der andere wichtige Schluss war, dass sowohl Junge als auch Phönix völlig ohne Spuren des
Dauerbeschusses waren. Noch dazu hatte der Phönix anfangs seine Flügel um den Jungen gelegt
gehabt. Der Phönix musste es also irgendwie geschafft haben, den gesamten Schaden abzuwehren.
Aber wie? Das konnte Jaburo sich einfach nicht erklären.
Er hörte einen lauten Schrei. Einer seiner Männer stürzte sich mit lautem Gebrüll und erhobenem
Schwert auf den Phönix. Er sprang durch die Luft auf ihn zu. Mit einer ruckartigen Bewegung hieb
er mit dem Schwert in den Flügel des Phönix, der seinen Kopf in Richtung des Angreifers bewegt
hatte, aber völlig gelangweilt wirkte. Das Schwert schnitt einmal quer durch den Flügel. Bei einem
gewöhnlichen Vogel wäre der Flügel nun abgetrennt gewesen. Doch dem Verlauf des Schnittes
folgend fing die Wunde an zu brennen und verschwand wieder.
Da erst wurde Jaburo bewusst, mit was für einem Monster er es zu tun hatte. Der Phönix konnte
sich regenerieren! Wahrscheinlich konnte er alle Verletzungen einfach so heilen. Das würde auch
erklären, wie er vorhin den Angriff überstanden hatte. Er war von den Waffen getroffen worden,
doch die Wunden hatten sich sofort wieder regeneriert. So hatte er also den Jungen beschützen und
gleichzeitig völlig verletzungsfrei bleiben können.
Inzwischen stand der Angreifer mit den Füßen wieder auf dem Boden und wirkte so, als würde er
gerade dem Teufel höchstpersönlich gegenüberstehen. Auch der Junge hatte seinen Kopf nun dem
Angreifer zugewendet und der Phönix blickte auf Jaburos Kameraden herab. Für einen
Millisekundenbruchteil meinte Jaburo, die Luft rund um den fremden Jungen flimmern zu sehen.
Plötzlich stieß sein Mann ein lautes Keuchen aus. Sein Schwert zerfiel in winzige Stückchen und er
war übersät von Schnittwunden. Er war zwar nicht lebensgefährlich verletzt, aber es reichte locker
aus, um ihn kampfunfähig zu machen. Mit einem lauten Geräusch schlug er auf dem Boden auf und
rührte sich nicht mehr.
Im nächsten Moment blickten die beiden Eindringlinge Jaburo an. Er wusste, dass er ihnen nichts
entgegenzusetzen hatte. Sie würden ihn fertig machen, ohne mit der Wimper zu zucken. Das waren
keine normalen Jugendlichen und es waren auch keine Otto-Normalverbraucher-Magier. Das waren
Profis.
Er drehte sich um und rannte. Jaburo rannte, so schnell ihn seine Siebenmeilenstiefel tragen
konnten. Seine Männer überließ er den Fremden. Vielleicht gab es ja doch einen Weg, sie zu
besiegen, doch Jaburo würde diesen wohl nie erfahren. Er wollte einfach nur weg. In einer
versteckten Tasche seines Mantels befand sich die bodenlose Tasche mit der gesamten Beute des
Raubs. Er würde einfach verschwinden und sich ein schönes Leben machen, der Rest war ihm
völlig egal.

Nachdem er einige Minuten gelaufen war, drehte er sich in die Richtung, aus der er gekommen war.
Nichts. Es sah nicht so aus, als ob ihm die beiden gefolgt wären. Gut. Er war in Sicherheit.
„Yo, Jabbi. Das is' nich' grad' die feine englische Art, seine Homies so häng'n zu lass'n, oder?“

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