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Eine Tour übers Saltfjell

Tag 1: Bolna – Johan-Larson-


jåkka (11 km)

Die Tour begann um die Mittagszeit bei wunderschönem Wetter. Start war in Bolna – einer alten
Bahnstation am südlichen Ende des Saltfjelles – in etwa 520 m ü.N.
Nach einem kräftigen Anstieg auf bis zu 800 m gleich zu Beginn war ich zum ersten Mal ordentlich
aus der Puste und fragte mich, was ich mir da wohl zugemutet hab und wie das weitergehen
soll.
Aber einmal oben angekommen, bot sich ein wunderschöner Blick zurück ins Tal, wo man noch
knapp den Fluss Randalselva und die Straße sehen konnte, von der ich los ging.
Diese Vögel sind oben in den Bergen häufig anzutreffen. Bemerkenswert fand ich, dass mich diese
ein ganzes Stück des Weges begleitet haben. Sie sind ein Stückchen vor geflogen, haben dort ihr
Liedchen geträllert, bis ich heran kam, wieder ein Stück vor. Und immer so weiter.
Einige Kilometer weit. 
Das ist eine von 50 wilden
Orchideenarten, die in Norwegen
vorkommen.

Der Rucksack mit Ausrüstung für 4 Tage wog ja doch


einiges. Musste deshalb öfter mal absetzen. Aber
dabei konnte ich auch die Gegend geniessen, Fotos
machen oder ein Käffchen trinken. Ich hatte ja keinen
Zeitdruck und wollte auch keinen Wettbewerb
gewinnen. 
Nun kam ich nach etwa 10 km an ein schier unüberwindliches Hindernis. Dieses Flüsschen nennt sich
„Johan-Larson-jåkka“. Auf der anderen Seite – schon sichtbar – war eine kleine Hütte, wo ich hätte
übernachten können. Ich bin ca. 1 km am Flüsschen auf und ab „gegangen“, bzw. habe mich durch
Gestrüpp geschlagen, um vielleicht eine Stelle zu finden, wo ich hinüber komme. Aber: Fehlanzeige.
Aber ich habe es einfach nicht gewagt, mit dem schweren Rucksack da drüber zu „gehen“.
Das waren an der einfachsten Stelle ungefähr 4 m. Was, wenn ich ausrutsche? Dann läge
ich mitsamt der Ausrüstung im Wasser. Keiner könnte mir helfen. Ob an den folgenden
Tagen da mal jemand vorbei kommt, ist fraglich. Und wenn auch das Handy im Wasser
liegt, hätte ich nicht mal Hilfe holen können.
Also habe ich mich entschlossen, an Ort und Stelle unter freiem Himmel zu
übernachten. Das Wetter war ja herrlich und lud regelrecht dazu ein. Ich wollte dann
am nächsten Morgen wieder zurück gehen und an einer anderen Stelle noch einen
Trip ins Gebirge starten. Auf den Rückweg hatte ich mich dann auch schon gefreut.
Denn es war ja herrlich, dort zu gehen. 
Tag 2: Johan-Larson-jåkka –
Krukkistua (17 km)

Mit diesem herrlichen Ausblick wurde ich am nächsten Morgen wach. Habe in aller Ruhe gefrühstückt
und nochmal überlegt, was ich tun sollte. Weiter zu gehen, hat mich schon sehr gereizt. Also habe
ich nochmal einen Blick gewagt, all meinen Mut zusammen genommen, die Schuhe an den
Rucksack gehängt, GPS und Handy dick in Folie verpackt und habe es doch gewagt. Cm für cm
habe ich mich durch den Fluss „geschoben“. Habe den nächsten Fuss erst bewegt, wenn ich mit dem
anderen „sicheren Halt“ hatte.
Irgendwann war ich doch auf der
anderen Seite. 
Und so ging die Tour weiter:
Ziel: Krukkistua – 17 km entfernt
Zunächst vorbei am Polarkreis,
kurzer Blick in die Hütte, über das
eine oder andere Flüsschen ging es
ein ganzes Stück mit einem fast
nicht spürbaren Anstieg weiter, bis
Raudfjelldal und Bjølladal
ineinander übergehen.
Kurz vorm Kvitsteindal ging es
dann aber mächtig steil hinab. Und
dort war ich zum wiederholten Male
froh, Wanderstöcke mitgenommen
zu haben. Gerade mit einem
schweren Rucksack auf dem
Rücken kann man schnell mal das
Gleichgewicht verlieren, wenn man
sich „vertritt“.
Aber so war das kein Problem.
Sieht doch richtig „kalt“ aus, da am Polarkreis, oder?
Kleine Hütte – die „Raudfjelldalskoia“  Aber immerhin ein Dach über dem Kopf, wenn das
Wetter nicht so mit spielt.
Raudfjelldalen

ein Blick zurück...


Bjølladalen
Schon unten im Kvitsteindal gab es noch den einen oder anderen „Schneefleck“... Ab da ging dann
auch eine etwas schwierigere Strecke weiter. Zum einen waren die Wegmarkierungen teilweise sehr
schwer zu sehen oder gar keine da und zum anderen ging es viel durch Sumpf und Moos.
Über den nächsten größeren Fluss führte sogar eine Brücke. 
Den restlichen Teil des Weges ging es
nun nur noch durch Sumpf und Moos.
Und nach ein paar Stunden waren
selbst meine Goretex-Wanderstiefel,
die eigentlich ´ne Menge aushalten,
durchweicht. Und ich hoffte nur noch,
bald an der Hütte anzukommen.
Zumal mich auch immer mehr Mücken
umschwärmten. Teilweise soviele,
dass man schon vorsichtig einatmen
musste, um nicht den Mund voll zu
haben.

Gegen 20 Uhr kam ich dann endlich an


der Krukkistua an. Hab gleich ein
Feuerchen gemacht, um die Stiefel zu
trocknen. War froh, dass ich nun für ein
längeres Weilchen den Rucksack von den
Schultern los war. Bei den Schmerzen hab
ich mich schon gefragt, wie ich den am
nächsten Tag wieder aufsetzen soll...
Die Hütten gehören der Touristenvereinigung. Sie stehen offen. Und jeder Wanderer, der vorbei
kommt, darf sich dort aufhalten und übernachten. Das ist nicht kostenlos, aber sehr günstig. In
der Hütte trägt man sich in ein Gästebuch ein und legt entweder das Geld in einen Briefkasten
oder nimmt ein Überweisungsformular mit. „Kasse des Vertrauens“ sozusagen. Die Hütten sind
mit allem ausgestattet, was man braucht. Holz zum Feuer machen, Gasherd, Geschirr, Betten
samt Bettzeug, sogar ein Radio gab es da. 
Aber nicht nur die Schultern taten mir
weh. Ich habe mir auch (trotz
vorsorglichen Pflasters) eine
Mörderblase eingefangen und einen
Sonnenbrand, der eine Woche später
noch weh tat. Von da an trug ich nur
noch lange Hosen.  Und mit der Blase
war ich dann auch noch 30 km
unterwegs... 

Ich brauchte kein Licht. Der Kopf hat


genug geleuchtet...
Aber es tat gut, sich dann hinlegen zu können. Man beachte, wie die Betten gebaut sind. Der Boden
ist eine Tür...  Die Hütte ist aber sehr gemütlich. Und eigentlich hat man dort alles, was man braucht.
Tag 3: Krukkistua – Saltfjellstua
(5 km)

Für den dritten Tag war nur eine kurze Tour vorgesehen. Zum einen hatte ich schon 28 km in den
Beinen, und zum anderen kam am nächsten Tag das längste Stück der Tour – 23 km bis zum
Ziel – auf mich zu. Da kam ein kleiner „Ruhetag“ gerade recht. Ich habe ordentlich ausgeschlafen
und bin erst nachmittags los in Richtung Saltfjellstua. Und – welch ein Wunder – die Schultern
haben sich über Nacht ganz gut erholt. 
...längs des „Bjøllåga“...
Etwa 1 km nördlich der Krukkistua
befindet sich eine alte Steinhütte.
Diese wurde ursprünglich 1860 - im
Zusammenhang mit der
Telegrafenlinie, die über das Saltfjell
gelegt werden sollte - gebaut.
Die Steinwände sind 1 m dick und
haben eine Torfdämmung in der Mitte.

Diese Hütte wurde vor nicht allzu


langer Zeit restauriert und steht
ebenso jedem Wanderer offen. Sehr
schöne Rastmöglichkeit, zwar ohne
Ausstattung, aber urig.
Der eine oder andere „Wanderer“ lief
mir auch über den Weg... 

Geküsst habe ich keinen der Frösche.


Was soll ich mit einem Prinzen?? 
Noch bevor es durch ein kleines Flussbett ging, war von weitem schon die Saltfjellstua zu sehen – mein Ziel
für diesen Tag nach 5 km. Dort traf ich dann auch die ersten menschlichen Wesen auf meiner Tour. Ein
anderer Wanderer war bereits seit 3 Tagen dort. Eine weitere kleine Gruppe kam gegen 21 Uhr noch an.
Dabei war auch eine Deutsche, die eine Freundin in Mo i Rana besuchte. Die beiden waren auf Tour mit
einem Touristenführer. Das deutsche Mädel war völlig fertig. Sie kamen von Bjöllanes im Süden des
Saltfjelles und hatten einen Marsch von ca. 22 km hinter sich.
Tag 4: Saltfjellstua - Lønsdal
(23 km)

Am letzten Tag meiner Tour hatte ich dann auch die längste Strecke zu bewältigen. Von der
Saltfjellstua ging es am südlichen „Bjøllavatn“ vorbei hinauf ins Steindal. In etwa 1.100 m Höhe
entlang am Lønstindvatn (in dem ich dann ein kleines Bad nahm), weiter vorbei am hoch ragenden
Lønstind, dann eine lange Tour hinab ins Tal bis zum Kjemåfjell und Kjemåvatn. Dort wurde es dann
wieder seeeehr feucht. Bis sich auf dem Weg die Route teilte und eine „alternative, trockene Route“
ausgeschildert war. Natürlich ging ich diese, auch wenn ich nicht wusste, wieviel „Umweg“ dies für
mich bedeuten würde. Aber von „trocken“ konnte da keine Rede sein. Dies war der nasseste und
schlammigste Weg der ganzen Tour. 
Start war gegen 10 Uhr an der Saltfjellstua.
Bis hin zum Bjøllavatn schlängelt sich der Weg durch wunderschöne Landschaft.
Immer wieder war es einfach schön anzuhalten, sich umzuschauen und die wundervolle Natur zu
genießen. Der Ausblick ist einfach genial. Eine Weite, die fasziniert.
Bjøllavatn
Am Bjøllavatn traf ich zwei junge Leute, die in der Landschaft gezeltet haben. Die beiden haben sich
auch einen wunderschönen Platz ausgesucht. Mitten im Grünen, mit Blick auf den See.
Und von überall kommt das Schmelzwasser ins Tal.
Langsam aber sicher ging es hinauf zum Steindalen. Und das war auch zu merken. Der Weg
wurde mehr und mehr steiniger.
Da ich ja allein unterwegs war, konnte ich solche Bilder eben nur mit Selbstauslöser machen.
War manchmal nicht leicht, noch schnell ins Bild „zu springen“. 
Auch das eine oder andere Schneefeld lag auf dem Weg – teilweise so groß, dass es einfach nicht
zu umgehen war – und ich hoffte, dass der Schnee wirklich fest genug ist. Denn was weiß ich
denn schon, wie es unter der meterdicken Schneedecke aussieht?
Von weitem ist schon der Lønstind zu sehen.
wieder einer dieser singenden
Begleiter...
Das Steindal hat seinen Namen zu Recht.

Kaum zu glauben, dass da oben noch


was wächst und blüht.
Ca. 14 Uhr war ich angekommen am Lønstind...
…und am Lønstindvatn. Es war so warm, dass der See regelrecht zum Baden einlud. Die
Wassertemperatur ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Aber da bin ich ja hart im Nehmen. 
...immer noch Steine...
Allmählich ging es hinab zum Kjemågbekken...
...und von weitem war bereits der See zu sehen.
Es ging mittlerweile auf 19 Uhr zu. Ich hatte noch etwa 6 km vor mir. Da kam mir völlig unverhofft ein
schwedisches Pärchen entgegen. Voll bepackt und vom Aufstieg ziemlich erschöpft. Ich fragte die beiden, ob
diese von Lønsdal kämen und ob sie noch weit wollen. „Zur Saltfjellstua“. Ich sagte „Aber wohl nicht mehr
heute?“ Seine Frage, wie weit das noch sei; 2 bis 3 Stunden? – hielt ich erst für einen Scherz. Aber offensichtlich
hatten die beiden keinen Plan, wie weit sie „erst“ gekommen waren. Ich gab ihnen noch den Tipp, ihr Zelt vorm
Steindal aufzuschlagen. Denn sonst werden sie stundenlang keine Gelegenheit zur Übernachtung mehr finden.
Und zum Bjøllavatn oder gar zur Saltfjellstua war es viel zu weit – es sei denn, sie wollten die Nacht durch laufen.
Am Bjøllavatn ging dann eine alternative, trockene Route ab. Ich entschied mich natürlich für
diese, da ich ja schon erlebt habe, wie schwer es sich durch Sumpf läuft.
und wiederum ein wunderschöner Ausblick...
Der alternative, trockene Weg stellte
sich als die schlimmsten 4 km der
ganzen Tour heraus. Wenn „der“ Weg
trocken war, dann musste man wohl
auf der normalen Route schwimmen?
Der Sumpf war teilweise so tief, dass
ich fast bis zu den Knien weg war.

Und einmal hatte ich echt befürchtet,


meinen Schuh im Schlamm zu
verlieren. Ich kam gar nicht so richtig
aus dem tiefen Sumpf raus und
merkte, wie so langsam nur mein Fuss
sich bewegte – ohne Schuh...
Krampfhaft habe ich versucht, den
Stiefel mit herauszubekommen. Und
ich hatte „Glück“, wie man sieht.
Als ich auf dem letzten Kilometer so vor mich her schimpfte, wie man einen solchen Weg als
„trocken“ ausschildern kann, hörte ich plötzlich hinter mir Tierlaute. Erstarrt blieb ich stehen und
traute mich erst gar nicht umzudrehen. Dann wendete ich den Blick nach hinten und mir blieb fast
das Herz stehen: ein WOLF!! Ein Aufschrei und ich dachte nur „Jetzt bin ich sooo weit gegangen
und nun werde ich noch kurz vorm Ziel gefressen.“ Ich drehte mich nochmals um und sah dann
eine Frau – und der Wolf war ein Hund... Ganz besorgt kam die Frau dann auf mich zu. Sie hat
wohl gemerkt, dass ich fast zu Tode erschrocken war. Wir plauderten dann noch ein Weilchen auf
dem Weg nach unten.
Nach insgesamt 56,5 km
mit einem Totalanstieg von
4.400 m kam ich nach den
4 Tagen mit durchweichten
Schuhen, bis zu den Knien
verschlammter Hose, einer
Mörderblase, einem kaum
fühlbar leichter
gewordenen Rucksack und
einem „Fast-Herzkasper“
am Ziel Lønsdal an.
Aber im Gepäck auch viele
viele wunderschöne
Eindrücke von einer
grandiosen Natur,
Erholung, Ruhe,
Entspannung pur. Und ein
kleines bisschen Stolz,
diese Tour allein bewältigt
zu haben.

Es war die erste aber definitiv nicht die letzte Tour dieser Art!  Ein tolles Erlebnis!!

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