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André Rademacher
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Werfen wir noch einmal einen Blick auf die neun Felsen oder Stufen, so ist vor allem der Irrtum
abzuweisen, als ob hier von Stufen des Himmels die Rede wäre. "Es sind nicht die neun Chöre der
Engel", sagt die Antwort. Was hier dargestellt wird, das sind die neun Stufen der Erneuerung,
vom Anfang der neuen Geburt bis zum vollkommenen Alter Christi oder bis zur Vollendung.
1. STUFE: Der Mensch fürchtet Gott und hütet sich vor frechen Sünden. Dabei ist er aber
noch lau und träge, in der Natur gefangen und eigenliebig genug, seinen Zustand für den besten
zu halten. Ein solcher hat bis zu seiner Reinigung noch sehr viel zu erleiden und wird es jenseits
doch nicht hoch bringen.
2. STUFE: Der Mensch beginnt sich in einigem zu verleugnen und hält sich zu christlichen
Freunden. Aber er ist zu nachsichtig gegen sich selbst, nennt seine Trägheit Schwachheit, hält
noch sehr an der Welt und ärgert sich an der Strenge seiner Führer oder Lehrer. Da ist noch
sehr viel auszubrennen und wird doch keine große Seligkeit erreicht werden.
3. STUFE: Der Mensch ist sich strenge, bekämpft tapfer seine sinnliche Natur, aber sein
Beweggrund ist nicht die Liebe zum Herrn, sondern die Furcht vor der Hölle und der Wunsch, in
den Himmel zu kommen. Dabei ist er noch nicht völlig von der Welt los und hängt noch sehr in der
Eigenliebe. Das bringt noch viel Leiden.
Auf diesen drei Stufen ist die Liebe zur Welt noch in verschiedenem Grade vorhanden.
4. STUFE: Die Weltlust ist überwunden, redlich, treulich, völlig. Aber die Eigenliebe hat noch
sehr tiefe Wurzeln, und es ist sehr schwer, sie von ihren selbsterwählten Wegen abzubringen. Da
ist noch viel zu läutern.
5. STUFE: Die Mitte. Hier erst ist der ganz richtige Weg betreten. Der Mensch sieht ein,
wie eigenwillig er war,
er fängt an, nichts mehr aus seinem Eigenen zu tun, sondern sich Gott zu überlassen und der
Führung eines geübteren Christen zu folgen. Aber es ist darin noch keine Stetigkeit und gibt oft
Rückfälle.
6. STUFE : Nun kein Schwanken mehr zwischen Gottes Willen und der eigenen Wahl. Lautere
geistliche Armut. Aber der Mensch ist noch kein Mann in Christo; er will noch nach Kinderweise
genießen, will mehr noch Trost und Ergötzung, statt seinen Herrn und Schöpfer immer völlig
ungehindert wirken zu lassen. Darum muß noch viel ausgeläutert werden. Weltlust ist völlig
überwunden, Eigenliebe redlich und stetig bezwungen, aber diese ist noch nicht mit der letzten
Wurzel ausgerissen.
7. STUFE : Diese Menschen haben sich im innersten Grunde gelassen; der Geist hat das
Fleisch überwunden, und sie tun leiden gerne, was Gott will. Darum hat ihnen auch Gott Seine
besondere Gnade erteilt. Aber sie erfreuen sich noch mit einiger Eigenheit an der Gnade und
nehmen das hl. Abendmahl mit Verlangen nach Trost und Genuß und erkennen das nicht. Sie
werden deshalb noch heiße Arbeit haben.
8. STUFE : Sie haben sich Gott völlig übergeben, was immer Er mit ihnen tun will in Zeit und
Ewigkeit; sie suchen allein Seine Ehre, und alle Güter der Welt haben keinen Wert mehr für sie.
Darum hat sie auch Gott mit mehr Gnade erfüllt und mit hohem Lichte, also daß sie auch viele
seiner verborgenen Wunder sehen dürfen, doch noch in Bildern. Aber sie sind noch nach diesen
Offenbarungen begierig, und darin mangeln sie noch der rechten Vollkommenheit, und deshalb
müssen sie auch noch einige Läuterungen erfahren.
9. STUFE: Alles natürlich Wesen ist dahin, völlig gereinigt ist Blut und Mark, sie leuchten
inwendig wie klare Engel, sie haben keinen andern Wunsch, als daß die Ehre Gottes vollbracht
werde. Gott ist ihr alles.
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INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort zur neuen Ausgabe
Vorwort des früheren Herausgebers

WIE EIN MENSCH VON GOTT GEZWUNGEN WURDE


DAS BUCH ZU SCHREIBEN

WIE DIESEM MENSCHEN SELTSAME BILDER VORGESTELLT WURDEN

WIE DEM MENSCHEN DER SCHADEN DER GANZEN CHRISTENHEIT GEZEIGT


WURDE

Von den Päpsten


Von den Kardinälen
Von den Bischöfen
Von den Äbten

Von den Bettelmönchen


Von den Lehrern
Von den Frauenklöstern

Von den Weltgeistlichen


Von den Beguinen
Von den Begarden und Lollarden

Von den Kaisern und Königen


Von den Herzogen, Grafen und Freiherren Von Rittern und Edelleuten
Von den Bürgern
Von den Handwerkern
Von den Bauern
Von den weltlichen Weibern
Von den Eheleuten

VON DEN NEUN FELSEN

Von dem ersten Felsen und den Menschen, die darauf wohnen
Von dem zweiten Felsen
Von dem dritten Felsen

Von dem vierten Felsen


Von dem fünften Felsen
Von dem sechsten Felsen
Von dem siebenten Felsen
Von dem achten Felsen
Von dem neunten Felsen

* Die Randziffern beziehen sich auf die Abschnitte im Anhang

WIE DER MENSCH VON GOTT GEZWUNGEN WURDE IN DEN URSPRUNG ZU


SEHEN

Anhang (Fingerzeige des früheren Herausgebers)


Nachwort

VORWORT ZUR NEUEN AUSGABE INDEX

Worte, die Ewigkeitswert haben, können nicht nur einmal gelesen und dann zur
Seite gelegt, sondern sie sollten immer wieder im Herzen bewegt und verarbeitet
werden. So sind auch die vorliegenden Gespräche zwischen Gott und einem
Menschen, die im 14. Jahrhundert gegeben wurden, jetzt noch gültig und zeigen,
wie weit die Christen in der heutigen Zeit vom ewigen Ziel entfernt sind. Als wir ein
altes Exemplar dieser Gespräche zu lesen bekamen, drangen sie tief in unser Herz
ein und weckten in uns den Wunsch, möglichst vielen ernsthaft Suchenden dieses
Buch in die Hand zugeben.
Die Christenheit geht nicht den Weg nach oben, sondern rennt blind ins Verderben.
Diese Aufzeichnungen wollen uns mahnen und warnen, den Heimweg zu Gott mit
aller Konsequenz zu gehen, denn vor Gott sind keine Täuschungen möglich. Gottes
Worte sind Ja und Amen, und wer die göttliche Liebe nicht leben will, steht unter
dem Gesetz. Jesus Christus hat für uns sein Leben gegeben; wie weit sind wir
bereit, für Ihn alles zu geben?
Es nützt uns nichts, daß wir uns Christen nennen, wenn wir nicht in Wahrheit
Christus in uns auferstehen lassen. Es wird uns im Gegenteil zum Gericht werden,
wenn wir von Ihm wissen und doch der Welt in und um uns dienen. Auch Fromm Sein
ist Täuschung und Heuchelei, wenn wir nicht im tiefsten Innersten fühlen, was wir
mit dem Munde sprechen!
Mögen die folgenden Worte zu Herzen gehen und eine innere Wandlung bewirken.
Möge sich auch niemand stören an den alten Redewendungen, die mit Absicht nicht
verändert worden sind. Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig!
(2.Kor. 3,6)
Mögen alle Leser vom hl. Geist erfaßt werden und durch eine treue Hingabe an die
ewige Liebe mithelfen, diese Liebe auf der Erde zu verwirklichen. Liebe und Frieden
für alle Menschen! Im August 1971, zur alleinigen Ehre Gottes, unseres Vaters

Die Neuherausgeber

VORWORT DES FRÜHEREN HERAUSGEBERS (Ausgabe 1850) INDEX

Allen, die nach Gott fragen, Sein Wort beachten in der Tat, Gnade, Barmherzigkeit
und Frieden in unserem Herrn Jesu Christo!
Es trägt die ewige Liebe des Vaters solch treue Sorgfalt für uns, daß sie niemals
aufgehört hat, auch auf außerordentlichen und wunderbaren Wegen die irrenden
Schafe zu suchen. Nicht nur Weise und Schriftgelehrte, sondern auch Propheten
(Matth.23, 34) hat der Herr der Gemeinde allezeit gesandt, und der Geist der
Weissagung ist nie völlig verstummt, so selten man auch seine Stimme vernehmen
wollte. Denn es hat die Christenheit sich selbst vieler edlen Gaben beraubt, sie hat
den Geist gedämpft und die Weissagung verachtet (1. Thess. 5, 1921).

Bei solchem Widerstreben ist es natürlich eine gewagte Sache, und es geht nicht
wohl ab ohne die Schmach Christi, wenn jemand mit einem Worte der Weissagung
zumal als eindringliche Bußpredigerstimme vor die Leute tritt, denen solches
Torheit und Ärgernis ist. Aber das soll mich nicht hindern, denen, die noch vollen
Glauben an Gott und Seine Wunderwege haben, dieses Büchlein vorzulegen,
welches uns durch Engeldienst mittels eines sehr treuen Knechtes vor
fünfhundert Jahrengegeben worden ist. Wenn ich sage, es sei durch Engeldienst
kundgegeben worden, so habe ich diesen Ausdruck darum gebraucht, um Schriften
dieser Art vom ewigen Worte Gottes, der alleinigen Quelle unseres Glaubens, von
der Schrift von Gottes Geist eingegeben, zu unterscheiden. Denn alle
Weissagungen, alle Mitteilungen durch Engel, alle Träume und Gesichte, müssen
sich prüfen lassen und geprüft werden nach dem untrüglichen Worte Gottes
(Rom.12,7; 1.Kor. 14,29).

Und auch dieses Büchlein habe ich nach demselben geprüft, ehe ich es dem Drucke
wieder übergab; und dem Leser zur Erleichterung und Überzeugung habe ich einige
Schriftstellen beigefügt.
Fragt man aber, ob und wozu oder warum denn solche Mitteilungen von Engeln
nötig seien, wenn doch die hl. Schrift die Quelle der Wahrheit sei, und diese in Fülle
ausströme; so frage ich dagegen: wozu sind denn so viele Predigt, Erbauungs- und
Lehrbücher der Menschen nötig und gut?
Ich denke zur Neuanregung, zur Nachhilfe, zur Auslegung und Anwendung. Und nun
möge ein einfältiges Auge selber sehen, ob unser Büchlein recht auslege, anwende
und vermahne oder nicht! Wer mit Demut dasselbe liest, der wird es bewährt
finden, was voransteht: es wird ihn sicherlich bessern! Nicht leicht ist eine Schrift
dem Herausgeber wenigstens zu solchem Segen geworden, wie diese. Und ähnliches
haben alle Redlichen bezeugt, die es gelesen haben oder lesen hörten; also, daß man
sich billig wundern muß, warum ein Büchlein von so hohem Werte, das man keck den
besten Schriften eines Kempis, Rusbroch, Tauler, Suso u.a. älteren und neueren an
die Seite setzen darf, bisher nicht allgemein verbreitet gewesen ist. Dem solle nun
abgeholfen werden, so es Gottes Wille ist und die Leute es wollen aufnehmen.

Zwar, daß auch ein wenig Menschliches und Mangelhaftes durch den Hörer der
himmlischen Rede und den Schreiber dieses Büchleins mit eingeflossen sei, habe ich
wohl erkannt; aber wo ist außer etwa der hl. Schrift irgendein Buch, bei dem dies
nicht der Fall wäre? Das ist auch in dem Schriftchen sogar selbst angedeutet.
Aber desselben ist wenig, und es besteht hauptsächlich bei sonstiger großer
Klarheit und Wohlordnung in der Schwachheit der Worte; wie denn niemals ein
Schriftsteller in seinen Ausdrücken und Denkformen über die Bildung seiner Zeit
hinaus kann. Wer sich daran stößt, den erinnere ich ernstlich, daß das Büchlein
fünfhundert Jahr alt ist, zum andern aber, daß sich die ewige Weisheit selbst nicht
an dieser Schwachheit des sonst so lauteren Werkzeuges gestoßen hat.

Und daran sollten wir ein Beispiel nehmen und voll Geistes werden, damit wir die
Bücher und Geister vor allem nach dem Geiste zu prüfen im Stande wären.
Ungeistlich aber wäre es wohl, wenn den "neun Felsen" der Vorwurf gemacht würde,
daß sie die Lehre vom Glauben und der Rechtfertigung durch das Blut Christi nicht
trieben, daß sie zu viel Wert auf Übungen legten, mit einem Worte die rechte
evangelische Heilsordnung nicht hätten. Wer aber genauer hinsieht, der wird
erkennen, daß darin nur Christi Opfer für uns als Grund unserer Seligkeit erkannt
und vorzüglich die inwendige und wahrhafte Aneignung dieses Opfers gelehrt ist,
welche unmöglich ist ohne gründliche Weltentsagung und Selbstverleugnung.
Glaubenslehren in bestimmt ausgeprägter Lehrform sind von erleuchteten Lehrern
aus dem Worte Gottes zunehmen, das ist die Aufgabe des menschlichen,
kirchlichen Lehramts, nicht der Engels Mitteilungen; Weissagungen aber sind gleich
den Schriften der alten Propheten vor allem Mahn und Weckstimmen, wie dies am
Ende unseres Büchleins ausdrücklich gesagt ist.

Als eine solche Weckstimme wird es denn auch euch, geliebte Glaubensbrüder,
übergeben; euch, die ihr euch nicht leichtsinnig den Namen eines Gläubigen anmaß
et und das Christentum nicht zur Parteisache machet, sondern gerne mit Dem
sterben wollet, der für uns gestorben und auferstanden ist. Hier ist ein Spiegel, der
nicht schmeichelt und nicht verzerrt, trefflich zur heilsamen Selbstprüfung für
jedermann. Wer seinen Seelenzustand danach prüft, der wird vorsichtiglich
wandeln lernen und sich am meisten fürchten vor jener seelengefährlichen
Sicherheit, in welcher jetzt auch so viele Gläubige stehen. Auch wird der
aufmerksame Leser mit Verwunderung finden, wie das trotzige und verzagte
Menschenherz zu allen Zeiten die gleichen Abwege erwählte, also daß man heute
noch die uralten Winke und Ermahnungen gar wohl brauchen kann.
Der Schreiber dieses Büchleins hat sich, wie wir lesen, dringend erbeten, unbekannt
bleiben zu dürfen. Das ist ihm auch gewährt worden. Bis in die neueste Zeit glaubte
man, es sei von dem berühmten, tiefsinnigen Heinr. Suso, und erst vor wenigen
Jahren fand Prof .Dr. Schmidt in Straßburg, daß es von einem Laien herrühre, dem
Kaufherrn Rulman Merswin in Straßburg. Wahrlich, dieser Kaufmann hat edle
Perlen gesucht und gefunden!
A.Chr. Lammert (Pfarrer in Adolzhausen und Kirchheim a. N.)

INDEX

*1 WIE EIN MENSCH VON GOTT GEZWUNGEN WURDE, DAS BUCH ZU


SCHREIBEN
Es geschah zu einer Zeit an einem Advent vor Weihnachten, eines Morgens frühe,
daß ein Mensch ermahnt wurde, in sich einzukehren. Er tat dies mit ganzem
Ernste, ging an einen heimlichen Ort, wo er zu beten pflegte, und sammelte sich
ernstlich. Da geschah es, daß ihm wunderbare fremdartige Bilder vorgehalten
wurden, worüber der Mensch sehr erschrak, zu Gott rief und sprach: "O Du Liebe
meines Herzens, was meinst Du mit diesen fremdartigen Bildern? Du weißt ja, daß
ich nichts anderes liebe, denn Dich allein und nichts anderes begehre, meine und
will." Und er setzte sich mit all seiner Kraft dagegen.

Aber je mehr er dieses tat, desto mehr wurden es der Bilder. Innerlich aber wurde
ihm zugesprochen und gesagt:
"Wehre dich dieser Bilder nicht; du mußt sie entweder völlig hinnehmen oder bis an
deinen Tod haben.
Da sprach der Mensch: "Herzensliebe, zürne mir nicht; Dein Wille geschehe!
Alsbald, da er seinen Willen ließ, wurden ihm die wunderbaren, fremdartigen Bilder
wieder innerlich vorgestellt, doch währte dies kaum eine Minute lang. Darüber
erschrak er sehr und sprach: "Ach Liebe meines Herzens, was meinst Du mit diesen
seltsamen Bildern?"
Antwort: "Sie bedeuten nichts anderes, als daß sie ein Gleichnis der Dinge sind, die
Gott dich will sehen lassen, welche weit größer sind, als diese Bilder."

Der Mensch: "Ach meine Liebe, soll ich noch mehr Wunderdinge sehen, so fürchte
ich, ich könnte bei meiner großen Schwäche in Sünde und Strafe fallen. Du weißt
wohl, daß ich allen Kreaturen entsagt habe, um Dir in rechtem Gehorsam bis an
meinen Tod anzuhängen."
Antw. : "Tu auf deine inneren Augen und siehe!" Mit diesen Worten wurden dem
Menschen gezeigt alle die Wunder, die nachher beschrieben sind, daß er von Grund
seines Herzens erschrak. Dies Gesicht währte kaum eine Viertelstunde lang.

D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, Du weißt wohl, daß ich keines Trostes begehre,
denn Deiner allein: was willst Du mit diesen wunderbaren Dingen?"
Antw. : "Du sollst nachher alle diese Dinge erfahren."

Da wurde D. M. plötzlich schwach am ganzen Leibe und sprach: "Ach, Liebe meines
Herzens, ich bin gar sehr erschrocken; wie es scheint, so bist Du sehr zornig über
die ganze Christenheit, und diese kümmert mich von Grunde meines Herzens. Ach
dürft' ich Dich für sie bitten, wiewohl ich mich dessen unwürdig bekenne!“
Antw: "Alles, was du gesehen hast, das mußt du in ein Buch schreiben, der
Christenheit zur Hilfe und Warnung."

D.M: "Ach Liebe meines Herzens, was hilft das? Sie haben viele Bücher und viele
Lehrer; und was man ihnen sagt, das nehmen sie nur mit den Sinnen auf, und
vergessen es wieder und kehren sich nicht daran."
Antw. : "Sprich nicht also! Wär's möglich, Gott litte gerne noch einmal den Tod für
einen jeden Menschen, damit er nicht verloren gehe; darum, wenn auch nur ein
einziger Mensch dadurch gebessert würde, so solltest du es gerne schreiben, auch
wenn du wüßtest, daß du den bittern Tod darum leiden müßtest."

D.M. erschrak gar sehr und sprach: "Ach, Liebe meines Herzens, erlaß mir das
Schreiben, um Deiner grundlosen Barmherzigkeit willen!"
Antw. : "Was denkest du denn?"

D.M. : "Ach, Liebe meines Herzens, ich weiß wohl, daß Du viele als Lehrer hast, die
imstande sind, es zu tun; ich dagegen eine völlig arme Kreatur bin, die es der
Christenheit vorzustellen nicht vermag."

Antw. : "Du bist nicht der Erste, durch den Gott über die Christenheit Seine Gnade
ausgegossen hat, die ebenso ungelehrt waren wie du (Ap. Gesch. 4.13), laß diese
Gedanken und fang an."

D.M: Ach, Liebe meines Herzens, erlaß es mir, denn ich bin unwürdig" und fuhr fort
mit weinenden Augen
"ach, Liebe meines Herzens, erlaß es mir; was Du sonst willst, das will ich tun; denn
ich fürchte, daß mir der Feind etwas einbringe, wenn ich schreibe."
Antw. : "Gib Gott die Ehre, und siehe die Sache nicht als dein eigen an; was dir dann
der Feind einbringt, das nimm für Prüfung, und leide dich so gut in dieser Sache, als
in einer andern; denn niemand soll des Kreuzes ledig sein wollen, ehe ihn Gott
erledigt." (Hebr. 12, 6./7.)

D.M: "Das Kreuz gedenke ich nicht zu fliehen."


Antw. : "So beginne, und nimm dies Kreuz so gut als ein anderes."

D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, zürne mir nicht. Ich besorge dies gar gezwungen
und ungern, meiner Schüchternheit wegen."
Antw. : "Was hast du zu besorgen, armer, unreiner Wurm? Laß Gott die Ehre, und
sorge nicht und sei gelassen!“

D.M: "Ich fürchte, die Christenheit werde es als Unwahrheit verwerfen."


Antw. : "Das überlasse Gott; sie sollen wohl selbst in*2
ihrem Herzen empfinden, daß es lautere Wahrheit sei. Diese Sachen sind nicht
wider die hl. Christenheit und die Schrift. Wenn der Christenglaube annimmt, daß
Gott noch größere Wunder im alten und neuen Bunde mit Seinen besonderen
Freunden gewirkt habe: warum sollte denn Gott jetzt nicht mehr wirken wo und
was und wie Er will? So fang an zu schreiben; denn es tat der Christenheit in
hundert Jahren nie so Not,
*3 daß man sie warne, als jetzt; denn sie leben gefährlich jetzt in dieser Zeit, und
darum fang an zu schreiben."

D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, mir ist bange dabei; ich kann es nicht tun, Du
zwingest mich denn."
Antw. : "So muß dich Gott dazu zwingen, mit allem Leiden in Geist und Natur."

D.M: "Das leide ich willig, was Du willst."


Antw. : "Besinne dich nur nicht; es kann nicht anders sein, du mußt es tun!“

D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, zürne mir nicht! Ich tue darum ungern, weil ich zu
böse bin, und mir diese würdige Sache zu groß ist. Das erschreckt den Grund
meines Herzens."
Antw. : "Käme dein ungehorsames Wesen nicht aus der Demut, Gott würfe dich in
der Hölle Grund."(Hebr. 12, 25)

D.M: "Ist's möglich, so erlasse mir das Schreiben!"


Antw. : "Ich sehe wohl, man muß dich zwingen. Nun fange an, das gebiete ich dir, bei
der hl. Dreifaltigkeit, daß du nicht länger unterhandelst. Heute sogleich sollst du
beginnen!"

D. M. erschrak und sprach: "Ich bin ein armer Wurm und nicht würdig, Deine Kreatur
zu heißen und muß tun was Du willst. Ach, ich armes Geschöpf bitte Dich,
allerliebste einzige Liebe, daß es keiner Kreatur nimmermehr offenbar werde, durch
wen Du dieses geschrieben hast. Nun allerliebster Herr, wenn dies einmal
geschrieben sein muß, darf ich denn auch die kosende Rede schreiben, die ich mit
Dir habe, daß ich Dich "Liebe meines Herzens" heiße?"
Antw. : "Ja freilich ! Der Freunde Gottes Liebkosen fängt hier an und währet in
Ewigkeit. Und ob etwas vorkommt, das du nicht gleich verstehst, so frage mich, ich
soll es dir gleich sagen." *4 In diesen elf Wochen kam es mit dem Menschen oft
dahin, daß er auf der Stelle zu sterben glaubte und fiel oft in eine unerklärliche
Schwachheit, die man nicht beschreiben kann. Wollte man alle jene Reden schreiben
und den wundersamen Zustand des Menschen in diesen elf Wochen, es würde ein
ganzes Buch werden durch die Beschreibung des wunderbaren Verfahrens,
wodurch der Mensch endlich dazu gebracht wurde, zu schreiben. In dieser Zeit
geschah es gar oft und viel, daß der Mensch alle die wunderbaren Dinge, die in
diesem Buche geschrieben sind, sehen mußte zur gleichen Stunde, da er diese
Predigt an die Christenheit zum erstenmal sah. Darüber wurde er gar schwach im
Grunde seines Herzens, daß er zu sterben glaubte. Nach Verfluß dieser elf Wochen
wurde ihm eine gar schwere Last aufgelegt, es war in der Fasten und zu ihm gesagt:
"Nun beginne, was du gesehen und gehört hast zu schreiben!"

D.M: "O Liebe meines Herzens, ich will gerne gehorsam sein und schreiben in Deinem
Namen."

WIE DIESEM MENSCHEN SELTSAME BILDER VORGESTELLT WURDEN INDEX

Die Antwort sprach zu diesem Menschen: "Nun tu auf deine inneren Augen und
siehe wo du bist."
In diesem Augenblick sah der Mensch ein wunderbares *5 Gebirge, gar groß, hoch
und weit. Zuoberst des Gebirges war ein tiefes Wasser wie ein See oder Meer, ganz
helle (1. Mos. 2,10) und in demselben schwammen sehr viele Fische, große und
kleine. Da ward ihm gezeigt an einem Ende des Gebirges, wie das Wasser über seine
Ufer floß und vom oberen Rande des Gebirges über die hohen Felsen herabfiel zu Tal
und sich heftig stieß und brach; und das Wasser tobte gar gewaltig, so oft es von
einem Felsen auf den andern stürzte, also daß es dem Menschen Grausen erregte;
und er sah, daß die Fische oben sich zusammen machten auf dem Gebirge, eine sehr
große Zahl und mit dem Wasser herabfielen zu Tal über die hohen Felsen, je von
einem Felsen auf den andern.

Da sprach der Mensch im Grunde seines Herzens ergriffen: "Meine Herzensliebe,


sage mir, was bedeutet das, daß diese großen Fische sich so gesammelt haben und
dann alle samt dem Wasser über diese hohen Felsen herabstürzen?"
Antw. : "Dieses große Gebirge hat Gott also geschaffen und geordnet, daß es
dieser Fische Ursprung sein soll; und diese Fische haben das von Natur: wenn sie
gewachsen sind bis zu ihrem natürlichen Ziel, so machen sie sich zusammen und
wetteifern miteinander und fallen das Wasser hinab."

D.M: "Allerliebstes, wohin kommen sie denn oder was ist ihr Ziel?"
Da sah der Mensch, daß die Fische in dem Tale schwammen in fließenden Wassern;
je weiter sie kamen, desto weniger wurden sie; an allen Enden waren ihnen Strikke
gelegt, daß ihrer einer nach dem andern gefangen ward. So liefen sie durch alle
Wasser, bis sie an das Meer kamen und liefen dann auch durch das Meer. Hier sah
man nur noch die Hälfte, die andern alle waren gefangen, da sie so unbedächtig und
unvorsichtig unterwegs gewesen waren. Da sprach der Mensch mit großer
Verwunderung: " O Liebe meines Herzens, es scheint als ob diese Fische an des
Meeres Ende gekommen wären und nun nicht weiter können."
Antw. : "Das ist wahr. Sie haben sich so weit verlaufen; ehe sie wieder zu ihrem
Ursprünge kommen, so wird ihrer so wenig werden, daß du dich wundern wirst."
Und er sah, daß sie sich umwandten und durch das Meer gingen und durch alle
Wasser; je näher sie kamen, desto weniger wurden ihrer, denn an allen Enden fielen
sie in die Stricke, deren viele waren auf ihren Wegen; und da sie wieder unten an den
Berg kamen, dünkte es den Menschen, es wären so wenige, daß unter Tausenden
kaum einer wieder gekommen.

Nun sah der Mensch, daß diese Fische hinaufsprangen an dem großen
herabströmenden Wasser vom Tal zu Berg, bis sie auf den nächsten Felsen kamen
und dann von einem Felsen wieder bis zum andern; aber ihrer viele stürzten wieder
herab auf den harten Felsen und fielen zu Tode, so daß ihrer sehr wenige wurden.
Diejenigen aber, welche blieben, klimmten stetig über sich zu Berge, das fallende
Wasser hinauf und fuhren also fort, bis sie hinaufgedrungen waren über viele hohe
Felsen. Und nachdem sie mit großen Nöten diese alle überwunden hatten,
gelangten sie erst an einen besonders hohen Felsen.
Da sprach der Mensch: "Allerliebstes, müssen die Fische auch auf diesen Felsen?"
Antw. : "Ja, sie haben das von Natur, daß sie nicht ablassen. Sie wagen lieber ihr
Leben, um nur wieder in ihren Ursprung zu kommen." Und sie wagten das auch sehr,
daß sie alle über sich schwammen und sprangen, recht eifrig auf den hohen Felsen
begehrend. So oft sie aber hinaufsprangen, so oft stürzten sie wieder herab und
fielen auf dem untersten Felsen zu Tode, so daß nur sehr wenige von ihnen den
hohen Felsen erreichten. Diese letzteren aber liefen von da an auf das Gebirge und
waren wieder in ihrem Ursprung. Und da schienen sie so schwach, als ob sie gar
keine Kraft mehr hätten.

D.M: "O Liebe meines Herzens, was bedeutet dieses, daß so wenige
heraufgekommen sind und diese so recht schwach erscheinen?"
Antw. : "Das ist, weil sie alle recht sehr gearbeitet haben mit dem Emporklimmen.
Seit sie aber heraufgekommen sind, so sind sie so recht froh, in ihren Ursprung
zurückgekehrt zu sein, daß sie alsbald von Freuden stark werden. Und wie wenige
sie auch sind, so werden sie doch so fruchtbar, daß davon viele Fische kommen, daß
alle Wasser dieses Gebirges reich werden an Fischen. Wisse noch, welche Fische
wieder auf das Gebirge gekommen sind, die haben eine andere Farbe bekommen, und
wenn sie in ihren Ursprung gekommen sind, so wird ihnen ein anderer Name gegeben
(Jes. 53, 1012, 1. Mos. 17, 16, Jes. 1,18)

INDEX

WIE DEM MENSCHEN DER SCHADEN DER CHRISTENHEIT GEZEIGT WURDE

Der Mensch sprach: "O Liebe meines Herzens, was bedeuten diese wunderlichen
Dinge?"
Antwort: "Nichts anderes, denn daß du erkennest, wie gefährlich man lebt in dieser
gegenwärtigen Zeit und wie gefährlich es um die Christenheit stehet!"

D. M. erschrak über alle Maßen und sprach: "Ach, Liebe meines Herzens, ich bitte
Dich von Grund meines Herzens und der Seele, daß Du über mich verhängest den
bittersten, schmählichsten Tod, *6 den Du über keinen Menschen je verhängtest
und Dich dagegen erbarmen wollest über die arme Christenheit." (2.Mos. 32, 32,
Col. 1, 24, Eph.3,13)
Antw. : "Nein, nein, es soll nicht also sein. Du siehest doch, daß es wenig hilft, daß
der Sohn Gottes Selbst gestorben ist: was sollte denn dein Sterben helfen?"

D.M: "Ich hoffe doch, daß Dein Tod, o Herr, noch manchen Menschen erhalte."
Antw. : "Viel weniger, als die Christenheit meint, in dieser gefährlichen Zeit."

D.M: "Ich hoffe, wüßte die Christenheit, daß sie so unrecht tun, sie täten es nicht."
Antw. : "Damit können sie sich nicht entschuldigen. Denn welcher Mensch zu seinen
Jahren gekommen ist, und seine Vernunft hat, der ist schuldig, alle christliche
Ordnung zu wissen und zu halten."
D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, das ist eine erschreckliche Rede, wenn man diese
Zeit betrachtet."
Antw. : "Du mußt selbst sehen, wie gar gefährlich es in der Christenheit jetzt
steht, wie die Leute wider alle Ordnung leben und die Furcht Gottes völlig
vergessen ist."

D.M: "Meine Liebe, erlaß mich dessen, wo es sein kann; ich weiß ohnehin genug
davon, so daß, wenn ich daran denke, ich tief gebeugt werde und meine Kraft
vergeht."
Antw. : "Es muß sein; und zwar sollst du nicht allein die Toren sehen, sondern auch
die gutscheinenden und gutwilligen Menschen, wo und wie sie gefangen sind und wo
und wie sie noch hängen, daß sie nicht vorwärts kommen."

D.M: "O Liebe meines Herzens, tue was Du willst in allen Dingen."
Es wird dem Menschen ein großer hoher Berg mit neun Felsen gezeigt.
Die Antwort sprach: "Nun tue auf deine inneren Augen und siehe wo du bist." *7
In diesem Augenblick sah der Mensch, daß er gar weit geführet ward in ein Tal und
an einen äußerst hohen Berg; und es schien derselbe mit seiner Spitze den Himmel
zu berühren. An diesem Berge sah er die größten und höchsten Felsen liegen, je
einen über dem andern bis oben an, und auf jedem Felsen wohnten Menschen. Und
er sah, daß die allerschönsten glänzenden Bilder von oben herabfielen auf die Erde,
und der Bilder waren viele; und sobald sie herabgekommen waren, wurden sie
schwarz wie Kohlen und waren doch auf dem Berge so schön glänzend gewesen,
daß der Mensch sie kaum ansehen konnte; darum sprach der Mensch: "Ach,
Herzensliebe, was bedeutet dieses Wunder?"
Antw. : "Diese schönen wonniglichen Bilder sind edle Seelen, die Gott geschaffen
hat und nach Ihm selber gebildet und die auf Erden in die Erbsünde fallen."

D.M: "Was bedeutet denn dieser große hohe Berg und die mächtigen Felsen, die
daran liegen?"
Antw. : "Du mußt es noch selbst sehen (doch nicht auf diese Stunde), wie
gefährlich es um die Christenheit steht und mit allen Menschen, bis auf wenige; und
wie alle christliche Ordnung in dieser Zeit vergangen und verkehrt ist und wie
wenige Menschen leben, die die Ehre Gottes suchen oder meinen, und nicht sich
selbst, in keinen Dingen."

Da wurden ihm auch gezeigt verborgene, heimliche Sünden, die er nicht schreiben
durfte, von dem Elend der Leute, worüber er sehr erschrak im Innern und schmerzte
ihn tief, und sein Jammer ward groß, und weinte Ströme von Tränen, und er war so
krank, daß er zu sterben meinte. Da der Mensch wieder zu sich selber kam, gab ihm
Gott eine verborgene Kraft. Da stand er auf und fiel mit ausgespannten Armen zur
Erde und sprach: "Einzige, geliebteste Liebe meines Herzens, wäre es Dein Wille, so
möchte ich recht gerne heute noch Herz, Seel' und Leib wagen für die Christenheit,
daß Du Dich wolltest über sie erbarmen und sie sich bessern möchten."
Antw. : "Was hälfe das? Gott hat doch all Sein Blut vergossen (Ap. Gesch. 20,28)
und einen schmählichen Tod gelitten, und es ist gar wenig fruchtbar an denen, die
jetzt leben; denn Seiner ist gar vergessen in ihren Herzen, aber mit dem Munde
entheiligen sie Seinen Namen mit üblen Reden und
Fluchen."

D.M: "Herzensliebe, erbarme Dich über die Christenheit, um Deines bittern Todes
willen!"
Antw. : "Wie soll das Gott in die Länge dauern lassen? Du hast ja wohl gesehen, wie
gefährlich alle leben, ohne Gottesfurcht. Sie tun wider alle rechte christliche
Ordnung. Wer lebet nun noch nach den ersten Geboten?"

D.M: "Ach, Herzensliebe, erbarme Dich über die arme hl. Christenheit! (die durch
Dich geheiligt ward!)"
Antw. : "Du bittest für die hl. Christenheit? Sage mir, wie heilig die Menschen sind,
die in der Christenheit leben! Siehe an Laien und Geistliche. Ich will dich aber an die
Höchsten weisen."

*)Die folgenden Abschnitte mit den Titeln: "Von den Päpsten", "Von den Kaisern und Königen", "Von den
Bettelmönchen", "Von Rittern und Edelleuten", "Von den Handwerkern" usw. sind nicht etwa überholt,
sondern sie gelten für die heutige Zeit mehr als zuvor, denn der Schaden der Christenheit, sowie der
ganzen Menschheit ist weiter angewachsen. Auch wenn der Leser kein Kaiser, Ritter oder Bettelmönch
ist, so trägt mehr oder weniger jeder Mensch in seinem Herzen alle Neigungen und Leidenschaften dieser
Gruppen in sich. Diese in uns zu entdecken und uns anzuregen sie zu bekämpfen und zu überwinden, ist
der Sinn dieser Abschnitte und des ganzen Buches.

VON DEN PÄPSTEN INDEX

*8"Sage mir, hast du viele Päpste gesehen in vielen Jahren, die geheiligt seien, wie
vor Zeiten es der Fall war, da sie große Heilige wurden vor Gott?"
D.M: "Ach, Herzensliebe, was ist da der Grund?"
Antw. : "Ich sage dir, die Päpste, die vor Zeiten waren und geheiligt wurden, die
führten ein ganz anderes Leben denn die gegenwärtigen. Jene waren mit allem
Ernste besorgt, wie sie der Christenheit zu Hilfe kämen mit allem leiblichen und
geistlichen Gut, das sie gewähren konnten, und von sich selbst ganz absehend,
suchten sie in all ihrem Lassen und Tun vor allen Dingen die Ehre Gottes. Da sahen
sie nicht an Freunde, Macht, Gut und Ehre. All ihr Tun war zu Gott gerichtet mit
ganzem Gemüte, und allezeit standen sie in Seinem Willen; ehe sie wider Gott
etwas getan, hätten sie lieber einen schmählichen Tod erlitten, was auch einigen
geschah. Du sollst aber auch wissen, daß jetzt in dieser Zeit das Licht rechter
Ordnung völlig in ihnen erloschen ist. Siehe, ob sie nun etwa eine größere Sorge
haben als die, daß sie in Ehren bleiben und für sich selbst besorgt sind viele Güter
zu gewinnen, daß sie ihren Verwandten zu Hilfe kommen mit Ehren, Gütern, Gewalt,
statt im Innersten Gottes Ehre zu suchen. Sie denken in all ihrem Tun und Lassen
viel mehr an sich als an die Christenheit, und darum werden sie auch nicht geheiligt."

VON DEN KARDINÄLEN INDEX

Antwort: "Siehe nun weiter an die Kardinäle, die in jetziger Zeit leben. Siehst du
etwa, wie sie danach streben, daß Gott Seine Gnade in sie gieße und Seine
geheimen Werke in ihnen wirken möge? Sie sind jetzt gar verblendet mit Habsucht
und Hoffart und daß sie ihren Freunden zu großen weltlichen Ehren verhelfen und
stellen ihren Sinn darauf, Papst zu werden. Sonst wenn ein Papst abging, so
erschraken die Kardinäle von Grund ihres Herzens und fürchteten, Gott möchte
über sie verhängen, daß man sie zum Papst nähme und erwählte; und dieses
demütige Wesen kam aus einem guten Grunde, denn sie hielten sich für unwürdig;
und wenn man einen Papst wählen mußte, so fielen sie mit allen Gottesfreunden
Gott zu Füßen, daß Er ihnen einen bestimmte zu Seiner Ehre und nach Seinem
Willen. Das taten sie, weil sie nichts als Gottes Ehre suchten. Wo und wie ist nun
die Ordnung in dieser Zeit? Völlig vergessen! Die Päpste sollten vielmehr von Gott
erwählt sein, denn von den Leuten, wie früher auch geschah.

VON DEN ÄBTEN INDEX

Die Antwort: "Siehe nun weiter, wie man in den Klöstern lebt. Wenn ein Haupt
stirbt, sind auf der Stelle zwei andere da und fallen in einen Krieg, und jeder will es
sein, und solches bringt das Kloster in großen Schaden und zeitliche Armut. Zuvor,
wenn man ein Haupt wählen sollte und an sie kam, so taten sie alles was sie
vermochten und so viel sie durften vor Gott, daß man sie dessen erließ; und sie
mußten durch die Pflicht des Gehorsams gezwungen werden. Wenn es nun nicht
anders sein konnte, so nahmen sie die Weisesten und Heiligsten zu Rate und gingen
selbst aus, das Wort Gottes zu lehren."
D.M: "Herzensliebe, laß Dich das erbarmen."
VON DEN BISCHÖFEN (und anderen Oberhirten) INDEX

Die Antwort: "Nun siehe weiter die Bischöfe an. Sie sollten Tag und Nacht besorgt
sein, Hilfe zu tun ihren Untertanen mit Rat und heiliger Lehre, daß sie im
Christenglauben bleiben und darin befestigt würden; und wo es bei ihnen nicht
zureicht, so sollten sie Lehrer suchen, die die Lehre durch ihr Leben erfüllten und
bestätigen, denen sollten sie Gewalt geben und sie bitten ihnen zu helfen; und sie
selbst sollten ein reines, keusches Leben führen, daß alle diejenigen, welche es von
ihnen sähen und hörten, gebessert würden; sie sollten allezeit Gott und seine Ehre
vor allen Dingen lieben und suchen und nicht sich selbst. Diese Lebensweise ist aber
ganz vergessen, denn sie lieben und suchen Gut und Ehre und die ihrer Freunde und
Förderung der weltlichen Gewalt, statt um die Seelen zu sorgen, für die Gott Sein
Blut vergossen und die ihnen befohlen sind. Wenn ein Bistum erledigt wird, wie
unrechtlich darnach geworben werde, das weiß Gott wohl; darum weil es zu einer
solchen Gewohnheit gekommen ist, so läßt es Gott gehen, wie es geht. Einst
mußte Gott sie zur Übernahme eines Bistums zwingen, darum war Er ihnen
geneigt, und sie wurden große Heilige vor Gott.

VON DEN BETTELMÖNCHEN INDEX

Die Antwort: "Nun siehe, wie die Bettelorden leben, welche Beichtväter aussenden
und das Wort Gottes von der Kanzel predigen: wie viele derselben werden jetzt
noch geheiligt, wie vor Zeiten geschah?"
D.M: "O Liebe meines Herzens, ich habe das Vertrauen, daß der Beichtväter
(Seelsorger) noch viele leben, die heilige Leute sind."
Antw. : "Man findet viel fromme Leute unter ihnen. Aber derer sind es recht wenige,
die den wahren, rechten Weg gehen wollen, daß es ein Jammer ist. Hätten sie
früher so gelebt wie jetzt, man hätte ihnen nicht erlaubt, in den Klöstern zu wohnen
und Beichte zu hören. Die Welt ist voll Falschheit; wenn die Leute nun einen
Beichtvater finden, der ihnen schmeichelt und ihnen ihre Weise gestattet, den
wählen sie sich und heißen ihn einen gerechten Mann und sagen, er sei wohl gelehret
in der Schrift. Wisse, es wird sich da noch allerlei finden, wenn die Prüfung
geschieht, das man nicht drehen und deuten kann.

Man sagt jetzt, der Mensch sei schwach, man müsse ihn tragen, die Naturen seien
nicht mehr wie vor Zeiten; das ist nicht wahr. Es ist falsche Lehre und falsche
Auslegung. Gott hat nicht geboten, daß die Sünde die Natur stärken solle; Gott
hieß zwar niemand tun" über Vermögen, aber er hieß die Sünde fliehen. Gott sprach:
gehe hin und sündige hinfort nicht mehr. Er sprach nicht: geh' hin und verderbe die
Natur und dich selbst. Er gebot den Leuten, ihr Kreuz auf sich zu nehmen: da
meinte er, man sollte tun, was man vermöge, doch nicht mehr.
Wo findet man nun Beichtväter (Seelsorger), die bloß das göttliche Gebot vor
Augen haben und sich selbst und ihren Nutzen nicht suchen noch meinen? Daher
kommt es, daß die Beichtväter zuerst in die Grube fallen und ihnen diejenigen dahin
nachfolgen, welche sich einen falschen, durch Schriftverdrehung verderbten Weg
führen lassen, auf diese oder jene Weise. Deshalb soll der Beichtvater, der zur
Seelsorge verpflichtet ist und seine Aufgabe erfüllen will, die Wahrheit nicht
verschweigen, wenn er Buße predigt und Beichte hört; weder um Leben noch um
Sterben."

VON DEN LEHRERN INDEX

Die Antwort: "Siehe unter den Lehrern, wo sind die, die auf der Kanzel die Wahrheit
sagen mögen öffentlich und die Todes Schäden zeigen, die jetzt in der Christenheit
hervorkommen und die Leute warnen und ihr Leben wagen Gott zu Ehren?"
D.M: "Ach, die Lehrer meinen vielleicht, als Du auf der Erde warst, da waren auch
Deine Reden öfters sehr verborgen.“
Antw. : "Das ist wohl wahr; und zwar damals, als Seine Zeit noch nicht gekommen
war, den Tod zu erleiden; als aber die Zeit kam, da sagte Er öffentlich die Wahrheit
mit mündlicher Rede; Gott will, daß man den Leuten öffentlich die Wahrheit sage."
D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, die Lehrer meinen vielleicht, sagten sie ihnen die
Wahrheit unverhüllt, die Leute würden vielleicht darum das Wort fliehen und sie
verlören so einen nach dem anderen."
Antw. : "Gott wäre lieber das man in dieser gefährlichen Zeit kühnlich die Wahrheit
mit deutlichen Worten sagete, woran es läge und was der Schaden wäre, denn das
man es verschweigt. Ein Mensch wäre Gott lieber, der den rechten Weg der Gebote
Gottes und der heiligen allgemeinen christlichen Kirche ginge, als hunderttausend
andere; es wäre dem Menschen sicher um vieles besser, das Sie in Furcht und
Sorge wandelten nachdem Sie die Wahrheit erkannt haben, denn also fröhlich zu
gehen und meinen, recht zu wandeln, während sie doch auf falschem Wege sind.
D.M: "Herzensliebe, ich glaube doch, man finde Lehrer, die ihr Leben wagen möchten
um der Wahrheit willen.“
Antw. : "Wie wohl solche noch auf der Erde sind, so sind ihrer doch gar wenig,
dass es nicht gut wäre, wenn man es wüsste: und darum werden ihrer auch gar
wenig geheiligt, womit es ehemals auch besser gewesen.“
D.M: "Herzensliebe, erbarm Dich über die Christenheit!“

VON DEN FRAUENKLÖSTERN INDEX

Antwort: "Siehe, wie man in dieser Zeit in den Frauenklöstern lebt. Ehemals war bei
ihnen ein ehrbares, innerliches, ernstliches, heiliges Leben; wer sie ansah oder mit
ihnen redete, der ward in sich selbst von ihnen geschlagen und sehr gebessert.
Aber jetzt ist es nahezu dahin gekommen, wo ein recht guter Christenmensch
unter ihnen ist, der muß sich zurückziehen wegen ihres Betragens, ihrer Worte und
ihres bösen Wandels; denn ihr Wandel ist nicht in Schranken, noch in Wachsamkeit,
noch so göttlich, daß man von ihnen gebessert werden kann.

Die Klosterfrauen haben inwendig des rechten göttlichen Ernstes vergessen; sie
singen wohl mit dem Munde, sie beten wohl auch mit dem Munde viel, aber ihre
Herzen sind gar ferne von Gott. Ich muß dir klagen, daß es dahin gekommen ist:
welcher Mensch sich mit ganzem, eingekehrten Ernste der ewigen Wahrheit
zuwenden will, desselben spottet man und vernichtet sein Leben und ihn zumal; und
das geschieht in Manns und Frauenklöstern. Wisse, alle die in den Klöstern, die das
Leben jener Menschen schmähen, es sei heimlich oder öffentlich, hinter ihnen oder
vor ihnen, dieselben mögen sich wohl fürchten; obwohl sie den Namen eines
geistlichen Menschen vor der Welt haben, so heißen sie sie doch vor Gott
Gottesverstörer, denn sie treiben ihn aus. Wisse: in den Frauenklöstern ist wenig
Göttliches zu finden; Würden sie ernstlich acht haben, sie sollten gar wohl
empfinden, daß sie immer mit etwas gefangen seien, womit sie sehr übel wider Gott
tun und in große Sünde fallen.

Ein Teil ist gefangen mit Geiz, etliche mit Hoffart, etliche mit bitterem Zorn; etliche
mit Widerstreben und Ungehorsam, etliche mit Unkeuschheit. Wiewohl sie es nicht
äußerlich mit den Werken tun, so üben sie doch große Unkeuschheit auf
manchfache Weise in den Gedanken mit fremdartiger Liebe, mit unreinen Neigungen
und mit dem Willen, und ergeben sich den Kreaturen, und nehmen die Kreatur und
verunreinigen sich vor Gott; auch mit Reden und mit KleiderÜppigkeit und in
hoffärtigem weltlichem Wesen in Worten und mit Freundschaft der Menschen und
auch mit heimlichen Sünden, von welchen man nicht wohl schreiben darf; die es sind,
die wissen wohl was ich meine. Und wisse, daß so manche Sünden geschehen in den
Frauenklöstern, heimlich und offenbar, daß es gar gefährlich um sie steht. Wisse
auch, daß der rechte Weg eines inwendigen göttlichen Ernstes und lauterer reiner
Gottesgesinnung und Gottesliebe ganz durch Trägheit von ihnen verlassen ist,
innige Gemeinschaft mit Gott, wie es ehemals war, ist unter ihnen völlig entflohen
und ganz ausgegangen; und darum werden ihrer jetzt so wenige heilig gegen zuvor."
D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, wie betrübt mich das, daß diese Frauen also
verderben, da sie doch dazu vor allem bestimmt sind, daß sie sollten ihre Freude
allein in Dir haben."
Antw. : "Siehe denn, wie alle geistige Ordnung aufgehört hat in Manns und
Frauenklöstern, sie seien offene, Bettelorden oder andere."

D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, ich hoffe, daß man noch viele Klöster finde, die
inwendig ein ernsthaftes Leben führen."
Antw. : "Das ist wohl wahr; aber recht ernsthafte Klöster findet man so wenig, daß
es ein Jammer ist.

D.M: "Das laß Dich erbarmen! Ach, Herzensliebe, wie bin ich darüber von Grund
meines Herzens so gar erschrocken und betrübt."

VON DEN WELTGEISTLICHEN INDEX

Antwort: "Nun siehe, wie die Weltgeistlichen ihr Gut verschwenden, das Gut, das
sie von Gottes Gnaden empfangen, wie sie das so schamlos vertun und verzehren
mit Unkeuschheit, Schwelgerei und großer Hoffart. Und siehe, wie ungeistlich sie
sich in Kleidern tragen und in ihren Gebärden und anderer Üppigkeit. Und siehe, wie
der hl. Christenheit Gut unter ihnen verzehrt wird, wie die frommen Stiftungen
verschwendet werden von Geistlichen und Weltlichen; siehe bei ihnen allen, wie sehr
sie auf ihre Würde und Ehre halten und sehen und wie Gott so wenig im Innern
geliebt und gemeint wird, bei allen ihren Werken, Tun und Lassen. Denn aller
göttliche Ernst ist zumal in ihnen vergangen und vergessen, dazu sind sie von allem
inwendigen Leben so ferne, als ob es nicht für sie wäre, und es fällt ihnen selten ein,
denn ihre Gedanken sind mehr bei großen Kirchengülten, derer viel zu gewinnen,
auch etwa, wie sie große Geschicklichkeit erlangen, wodurch sie sich großen Ruhm,
Ehre und Gut erwerben, unter Geistlichen und Weltlichen. Denn dar rauf geht ihr
Meinung viel mehr, wie Sie den Leuten gefallen, denn daß sie Gott und Seine
inwendige Gnade durch Erfahrung An sich selber kennen lernen und schmecken;
darum nimmt r ihnen die Gnade und gibt Sie andren

D.M: "Das ist wundersam: nimmst Du dem, der wenig hat und gibst dem, der viel
hat?" (Matth. 25,29)
Antw. : "Wenn Gott Seine Gnade ausgießt und man sie dann töricht
vernachlässigt, so nimmt Gott diese Gnade und gibt sie dem, der viel hat und der
sie mit Liebe und mit Ernst bewahrt."

D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, des sei Dir immer gedankt, daß Du doch jemand
hast, der Deine Gnade behält und ihrer empfänglich ist."
Antw. : "Wisse, daß deren so recht wenig sind; und würden diese nicht mehr da sein,
so müßte die Christenheit auf der Stelle ein Ende haben."

D.M: "Einzige Herzensliebe, das laß Dich erbarmen; könnte ich darum mein Herzblut
aus meinen Augen vergießen, ich täte es gerne."
Antw. : "Das wäre recht gut, wenn es etwas hülfe."
VON DEN BEGUINEN *1 INDEX

Antwort: "Nun siehe, wie die Beginnen leben in dieser Zeit; und siehe, wohin ihr
inwendiges ernsthaftes Leben gekommen sei, das sie vor Zeiten geführt haben. Sie
denken nur, wie sie viele Güter gewinnen und viel Geld und schöne Häuser und darin
viel Hausrat und Gesinde, das ihrer mit allem Fleiße warte; und wie sie schöne
Kleider haben, die gut von Farbe seien und schöne Tücher und Kleinodien; und
jedermanns Gunst gewinnen und geehrt und vorgezogen werden; aber aller
inwendige nüchterne Ernst und innige demütige Gottergebenheit und Geduld ist
völlig bei ihnen vergessen. Dazu laufen, schwatzen und afterreden sie. Und wenn
das zwar etliche von ihnen anders machen, so sind derselben so wenige, daß es ein
Jammer ist. Sie wirken und leben beinahe alle aus ihrem Eigenen, denn sie wollen ihre
Weise nicht lassen. Ehemals hatten sie einen tapfern, einfältigen göttlichen Ernst
und waren gutherzig; und Gott war ihnen besonders geneigt und wirkte große
verborgene Dinge in ihnen."
D.M: "Das laß Dich erbarmen, o Liebe meines Herzens, daß Dir kein Mensch
gehorsam ist in Verleugnung seiner selbst."
*1
Christliche Gemeinschaften weiblicher Personen

VON DEN BEGARDEN UND LOLLARDEN *1 INDEX

Die Antwort: "Siehe nun hinüber auf die Brüder und auf die Begarden, die auf
Abwegen laufen; die haben des rechten, inwendigen, wahren Weges vergessen. Zwar
findet man wohl unter ihnen, die aus der Wahrheit sind. Aber ihrer sind gar wenige;
und wisse, würde Gott seine Gnade jemanden mitteilen um vieles vernünftigen
Schwätzens willen, so würden sie dieselbe reichlich haben. Wisse, daß es nicht liegt
an vielen vernünftigen, glänzenden Reden, es liegt an einem unterworfenen,
demütigen, gelassenen Grunde; daran gebricht es ihnen sehr und auch andern
Menschen."
D.M: "Herzensliebe, ich fürchte sehr, daß wenn die Geistlichkeit das alles wüßte, sie
ärgerten sich daran."
Antw. : "Du sollst noch so viel Unordnung von den Weltlichen sehen, daß niemand
den andern zu beschuldigen das Recht hat; denn die Schuld liegt auf einem jeglichen
selbst."
*1
Christliche Gemeinschaften männlicher Personen

VON DEN KAISERN UND KÖNIGEN INDEX

*9 Die Antwort: "Nun siehe aber auf der andern Seite die Hoffart der hohen und
gewaltigen Kaiser und Könige und ihrer Weiber. Sonst wenn man einen wählen
wollte, so weigerte er sich ernstlich und dünkte sich der Herrschaft unwürdig aus
Demut; und wenn er zum römischen Könige erwählet ward, so nahm er es gar
demütig, ungerne und bedenklich an und opferte Gott Leib und Seele, Gut und Ehre;
und hielt sich um deß willen für einen Knecht Gottes und nahm Gott zu Hilfe und
sorgte für Friede und Versöhnung in der Christenheit und stritt tapfer darum und
weihte Gott Leib und Seele im Dienste der Gerechtigkeit. Und sie stunden in der
Liebe Gottes und in all ihrem Tun und Lassen war ihr Wandel recht demütig, beider
Frauen und Männer, daß sie Gott zur Freude waren. Nun aber ist alles umgekehrt.
Hiermit hast du genug, zu erkennen wie es nun wider alle Ordnung ist in aller Weise
und siehest selbst, wie diese Wege gar verwüstet, verfallen und verlassen sind."

VON DEN HERZOGEN, GRAFEN UND FREIHERREN INDEX

Die Antwort: "Siehe, wie nun die Herzoge, Grafen und Freiherren und ihre Weiber
leben. Sonst wagten sie ihren Leib und ihr Leben Gott zu Ehren, daß Friede und
Gnade der Christenheit und ihrem Lande zuteil wurden; dabei hatten sie würdigen,
göttlichen Ernst und menschlichen Fleiß, und ihre Weiber waren recht züchtig und
demütig und recht guten Wandels. Wer mit ihnen, Herren und Frauen, Umgang
hatte, der wurde sehr durch sie gebessert. Sie schämten sich unrechter und
unzüchtiger Taten, und da war keine freche und mutwillige Frau. Und wenn eine
nicht in Gottesfurcht leben wollte, so zwang sie ihr Herr mit Gottes Hilfe, daß sie
recht tun mußte; und Männer und Frauen stunden in der Liebe Gottes. Aber nun
leben sie in allem erdenklichen Mutwillen und vollbringen ihren Übermut mit Hoffart
in all ihrem Wesen, zwingen dabei ihre armen Leute ungerechterweise und nehmen
ihnen den Lohn ihrer Arbeit ab und verschwenden denselben zur großen Gefahr
ihrer Seele gegen Gottes Gebot."
D.M: "Das wolle Dich, o Herzensliebe, erbarmen!"

VON RITTERN UND EDELLEUTEN INDEX

Die Antwort: "Siehe die Ritter und edlen Leute, die man Dienstknechte und
Edelleute heißt, wie bedenklich diese in unsern gefährlichen Zeiten leben; wie sie mit
ihren Kleidern sich auftun und wie schandbar und ganz unverschämt der Schnitt
ihrer Kleider ist und ihr ganzes Betragen. Ihre Weise ist ganz, als ob sie ohne
Überlegung wären, rechte Toren ohne alle Gottesfurcht; und in allen ihren Sitten,
als ob sie ohne Verstand wären, beide Weib und Mann; die ganze ritterliche Zucht
muß all dem Mutwillen weichen, den sie mit Leib und Gut auszuführen vermögen.
Sonst war es den Rittern wohl erlaubt zu turnieren und zu stechen, in der Meinung,
daß sie wohl streiten lerneten für den Fall, daß die Christenheit dessen bedürfe
und daß sie Witwen und Waisen beschirmen sollten. Sie hatten auch sonst ein so
züchtiges und demütiges Betragen, daß es erquicklich zu sehen war; man ward
durch sie sehr gebessert. Sie liebten und meinten Gott und Seine Ehre in all ihrem
Tun, und darum wurden ihrer viele geheiligt vor Gott in der Welt. "

VON DEN BÜRGERN INDEX

Die Antwort: "Nun siehe, wie die Bürger und die Kaufleute in den Städten leben.
Wisse, daß es gar gefährlich um diese Leute steht in dieser Zeit. Denn die
greulichste Habsucht hat sie in ihrer Gewalt, und davon sind sie so verblendet, daß
sie von den gefährlichen Schäden vor ihrem Tode kaum frei werden können; und
dieser Geiz kommt aus einem hoffärtigen Herzen, so daß jeder über den andern
hinaus will; und dieses Schätzesammeln geschieht mit Gutheißen etlicher
Beichtväter das weiß Der, der alle Dinge weiß und ihr Gewissen ist ihnen gar Weit
geworden.

Zuvor waren die Bürger und Kaufleute gottesfürchtige und tugendhafte Menschen
und zufriedenen Sinnes in all ihrem Tun und Lassen; und ließen sich mit wenigem
Gute genügen und machten keine Teuerung in Korn und Wein; und darum wohnte
Gott in ihnen, denn Er fand ihre Herzen nicht von Habsucht zerstört wie jetzt.
Wisse, daß Gott in kein geteiltes, noch verirrtes, noch unruhiges Herz kommen will
und kann; denn wo Er Wohnung haben soll, da muß ein ruhiges Herz sein. Wisse, wer
in solcher Habsucht erfunden wird an seinem Ende, um den steht es sehr übel; und
das wissen sie und erkennen es wohl, und wollen es doch nicht erkennen. Also wenn
sie so viel gewännen, daß sie und ihre Kinder genug hätten (was ihnen wohl erlaubt
ist, wenn es mit Gott und Recht geschieht), so sollten sie aufhören, und dann
ordentlich und göttlich leben und nicht der Habsucht die Herrschaft lassen. Aber
nun will jedermann dem andern gleich werden und über den andern und über seine
Vorfahren kommen mit seinem Gut; darum sind sie karg gegen Gott und gegen
Seine Freunde und vertun es wider Seinen Willen, mit Hoffart und Weltpracht; und
darum sind sie Tag und Nacht in großen Sorgen, wie sie des Gutes viel gewinnen."
D.M: "Herzens liebe, was ist Deine Absicht, wenn Du manchem Menschen so
großes, zeitliches Gut verleihst, daß zu fürchten ist, es sei seiner Seele gar nicht
nütze?"
Antw. : "Wisse, Gott ist so groß und gut, daß Er niemand ungelohnt lassen will.
Wenn Er siehet, daß des Menschen Herz und Gemüt so gänzlich auf diese
vergänglichen Dinge gewendet sind, so lohnt Er ihm mit denselben zeitlichen Dingen,
und erfüllt seine Begierde mit den Dingen, die der Welt zugehören; aber es steht
gar übel um die Menschen, die darin ihr Genüge finden in dieser Zeit."
D.M: "Herzens liebe, erbarme Dich über die Christenheit!“
VON DEN HANDWERKERN INDEX

Die Antwort: "Siehe von Handwerkern, wie gefährlich sie leben und wie voll
Habsucht sie in diesen Zeiten sind, und wie sie sich erheben, so sehr sie können und
sich dem gleich stellen, unter welchem sie nach Gottes Ordnung sein sollten. Sonst
waren die Handwerksleute gar demütig und einfältig von Herzen, so auch in Kleidern
und Benehmen; sie waren in allen ihren Werken so geistlich gesinnt, daß ihnen Gott
gar hold war. Aber nun übersteigen sie sich so sehr mit Hoffart, daß Gott in keiner
Weise in ihnen wohnen mag; denn Gott hat Seine Wohnung nicht in Hoffärtigen. "
(Jak. 4, 6)
D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, laß Dich das erbarmen; ich meinte, daß es gar ein
einfältiges Volk wäre."
Antw. : "Sie achten ihr Handwerk zu teuer, und nehmen zu großen Lohn; und einer
reizt den andern dazu, daß er teuer gebe; und haben auch Ungunst und Haß
gegeneinander in vielen Weisen und einer verdirbt des andern Sachen."

D.M: "Ach, Herzensliebe, erbarme Dich über die Christenheit!"

VON DEN BAUERN INDEX

Die Antwort: "Siehe die Bauern in den Dörfern leben in diesen Übeln Zeiten
unbekannt mit aller Gottesfurcht, wie das Vieh und ohne Zucht und Ehrbarkeit wie
sie mögen und können; dabei sind sie boshaft geworden und hoffärtig und sehr
bösen Herzens und Gemüts und sind so in die Herrschaft des Feindes geraten.
Wisse, wenn Gott nicht gebeten würde von Seinen Freunden, Er würde ganz anders
mit ihnen handeln um ihrer großen Untugend willen."

D.M: "Ach, Liebe meines Herzens, wäre mein armes Gebet etwas nütze, so wollt ich
Dich bitten, daß Du ihnen Frist schenken mögest."
Antw. : "Gott verträgt es so lange, bis er es nicht mehr leiden will, dann lasset Er
alles untergehen. Die Bauern waren sonst wohl recht gute, einfältige, demütige
Leute, daß ihnen Gott gar gnädig war und hold."

D.M: "Ach, Herzensliebe, ich weiß gar nicht, was ich noch sagen soll, denn daß Du
Dich erbarmest über die Christenheit um Deiner unaussprechlichen Güte willen.“

VON DEN WELTLICHEN WEIBERN INDEX

Die Antwort: "Nun siehe, wohin die Weiber geraten sind und wo nun ihre weibliche
Zucht ist. Siehe, wie alle göttliche Furcht und weibliche Scham bei ihnen vergangen
ist; und wisse, daß die Weiber in dieser bösen Zeit nach ihrer Weise viel frecher und
schamloser sind zu den Sünden, denn die Männer; ich meine nicht gute, ehrbare
Frauen, deren man noch viel findet in Zucht und Ehre ich meine vielmehr die Weiber,
die sich in die Welt einlassen, sie seien geistlich oder weltlich und den Leuten wollen
gefallen in Worten und in Werken, in Kleidern und Gebärden und weit mehr dahin
ihren Eifer wenden, denn auf Gott und geben der Kreatur ihre Zeit, ihr Herz und ihre
Sinne. Die Weiber sind geworden zu einer diebischen, höllischen Mordgrube und die
Güte Gottes verträgt sie, ist nachsichtig und läßt sich gefallen, aber es hilft alles
nichts. Sie wollen ehrsame Weiber heißen und sind oft Gott unwerter denn gemeine
offene Sünderinnen. Denn diese sündigen in Furcht und Angst und nicht so frech
wie jene tun; sie sind dem Teufel viel lieber denn die gemeinen Dirnen, denn sie sind
ihm viel nützlicher als diese. Siehe, wie so unkeusch und unverschämt sie vor allen
Männern gehen. Wären wilde gemeine Dirnen sonst so entblößt gegangen, gute
Frauen hätten sich von Grund ihres Herzens geschämt. Siehe sie an, unten und
oben, wie entblößt und wie schändlich sie gehen, daß sie sich billig in ihrem Herzen
vor allen Männern schämen sollten. Wie sind ihre Kleider? Wie ist ihr Schritt? Wie
ist ihre Gebärde, Wort und Werk öffentlich bei den Männern? und all ihr Wandel, ihre
Augen und äußeren Sinne? Wo ist nun weibliche Zucht und Scham? Wisse, daß
manches Weib hundert Todsünden des Tages tut, und doch wollen sie ehrsame
Frauen sein und von diesen Sünden allen nichts wissen und sind doch in der
Wahrheit an ihnen allem schuldig.

Denn wisse, wenn ein Mann solch ein ausgelassenes, üppiges Weib sieht und sie also
vor ihm und vor allen Männern entblößt geht, so kommt dann in der Männer Herz
(was oft geschieht) der Gedanke, ihrer zu begehren. Und so oft das mit
hingegebenem Willen wird gedacht, so oft geschieht eine Todsünde (Matth. 5,28),
wenn es gleich nicht zu den äußeren Werken kommt; und in alle diese Sünden fallen
sie mit ihnen, denn sie waren ihnen allen eine Ursache der Sünde mit dem genannten
bösen Gebrauch. Dies geschieht in Kirchen, in Straßen und wo sie beieinander sind.
Geschieht es denn, daß der Mann in Folge jener erweckten Neigung zu einer
gemeinen Dirne geht und mit ihr sündigt, derselben Todsünde des Mannes und des
Weibes wie das oft geschieht ist jenes üppige Weib die Urheberin; die Sünde fällt
alle auf sie, wiewohl sie es nicht wissen wollen; denn sie haben auf diese Weise sich
preisgegeben ohne alle Gottesfurcht und mit solch bösem Gebrauche jeglichem in
Unkeuschheit sich gelassen.

Nun merke, wie es um sie steht, wenn es mit ihnen zu Ende geht. Man gibt ihnen das
hl. Abendmahl und bereitet sie wohl; man wähnt, es stehe ganz gut um sie, so
kommt der Teufel und stellt ihnen ihre sündhafte Torheit vor, daß Sie verzweifeln
und des ewigen Todes sterben. Das geschieht gar häufig bei denen, die ihre Zeit
also mit Üppigkeit hinbringen; und die Beichtväter, die ihnen schön tun und
dergleichen gestatten, die fahren denselben bösen Weg (Mätth. 23, 13/24).
Wisse', daß etliche also in tausend Todsünden das hl. Abendmahl empfangen. Denn
nachdem sie da ein ganzes Jahr in der Üppigkeit herumgelaufen, kommen sie in der
Fastenzeit, denken an diese entsetzlichen Sünden gar nicht und haben den festen
Willen, nach Ostern es zu machen wie sie es zuvor gemacht hatten. Deshalb
behalten sie all ihr Geräte, das dazu gehört, Schmuck, Kleider und anderes mehr; es
wäre solchen besser und nützlicher, daß sie in hunderttausend Teufel führen, denn
daß sie den Leib des Herrn in solchen tödlichen Sünden empfangen (Matth. 18,
6/7). Wisse, wer dich in sein Haus laden würde und würde dich an einen unreinen,
stinkenden Platz setzen wie würde dir das gefallen, obwohl du eine arme Kreatur
bist!"
D.M: "Ach, Herzensliebe, erbarme Dich über die Christenheit!"

VON DEN EHE LEUTEN INDEX

Die Antwort: "Nun siehe, wohin es mit der heiligen Ehe gekommen ist. Erkenne, daß
der meiste Teil der Leute, die jetzt leben, die heilige Ehe zu einer Mistgrube machen.
Denn sie leben darin wie das Vieh nach all ihren Gelüsten und Willen, so viel ihre
viehische Natur leisten und tun kann; und leben wider alle Gesetze und Ordnungen
der hl. Ehe und wider alle Vernunft. Gott hat die Ehe nicht gestiftet mit der
Absicht, daß man nach Lust der verderbten Natur leben solle, sondern daß man in
heiliges, wachsames, göttliches Leben führen soll, in den Wegen die Gott bestimmt
hat, in rechter Ordnung, Sitte und Gesinnung.

'Wer die hl. Ehe so hielte, wie sie von Gott geordnet ist, dem wäre es zur Stärkung
der Seele und des Leibes; denn Gott ist nicht ein Zerstörer der Natur, Er macht sie
vollkommener; weil man aber nun wider Gesetz und Ordnung der hl. Ehe so vielfach
sich vergeht, so ist darum die menschliche Natur so verdorben und schwach
geworden. Und der größte Teil der Menschen ist voll Unflat und Unkeuschheit
geworden, im Ehestand und außerhalb, Geistliche und Laien, Nonnen und Mönche,
so daß selten jemand ist, der nicht etwa befleckt und besudelt wäre auf allerlei
Weise; und wenn nicht mit eigentlichen Werken, so doch auf andere Art, es sei
unter den Leuten oder für sich, inwendig oder auswendig. Wollte Gott die Welt
untergehen lassen der Sünden wegen, wie er zu Noahs Zeiten tat, Er müßte sie alle
Tage untergehen lassen, wie auch wohl einiges zum Vorzeichen in Kürze *10
geschehen kann. Gott hat vor kurzem die Leute freundlich und liebevoll gewarnt mit
dem Sterben und mit andern Strafen; und es half gar wenig, denn die Christenheit
ist recht undankbar darüber gewesen und hat es vergessen, als war es vor tausend
Jahren geschehen. Von Tag zu Tag werden sie schlechter, daß Gott zürnen wird
und verhängen, daß ein Mensch den andern morden wird, denn jedes ist bereit, dem
andern Leid zu tun, jedes ist bereit zu schlagen und zu morden; und des Übermutes
und der Hoffart ist so viel, daß man dahin gekommen ist, Sünde nicht mehr für
Sünde zu halten; ja in vielen Jahren sind die Leute nicht so böse geworden, wie sie
jetzt sind. Wir sollten Gott lieben lernen, denn wenn der Tod kommt, so wendet der
Teufel all seine Kraft an, den Menschen zu verderben; er stellt ihm sein ganzes
törichtes Leben so entsetzlich vor, daß der Menschen erstaunlich viele verzweifeln;
und Menschen werden verloren, auf die man große Stücke gebaut hatte. Auch sind
etliche Menschen, auf die Gott so zornig ist, daß sie in unmäßigen Leiden sein
müssen bis an den jüngsten Tag; dies sind gewöhnlich frevelnde Sünder, die ihre
Besserung sparen bis ans Ende und die es dann nicht mehr zu einer ernsten
Sammlung bringen können; über die ist Gott so zornig, daß Er nichts von ihnen
wissen noch ihrer gedenken will und will auch nicht, daß Seine Freunde für sie um
etwas bitten in dieser Zeit. Wisse, daß es viel anders und schlimmer um die Leute
steht, als man glaubt; die Teufel wenden alle Gewalt und Fleiß an, daß sie den
Menschen hindern (am Erwachen von seinem Sündenschlaf) vor seinem Ende; denn
alle Gewalt, welche die Teufel haben, ist ihnen zugefallen wegen der Sünde. Willst du
wissen, was die Juden umgebracht hat?"

D.M: "Ja, ich wüßte es gerne."


Antw. : "Wisse, das tat die Habsucht der Juden und ihre heimliche Sünde; diese
zwei Ursachen haben die Juden erschlagen. Nun wisse, wollte Gott die Christenheit
niederschlagen um ihrer heimlichen und offenbaren Sünde willen, Er hätte nichts zu
tun als zu schlagen; welcherlei auch in kurzen Zeiten wohl geschehen mag.
Siehe doch, wie schwer die Leute gestürzt sind in die Pfeile der Unkeuschheit, der
Hoffart und Habsucht, welche Sünden Gott sonderlich hasset, denn es fließet aus
ihnen Neid, Haß und alle andere Sünde; und davon sind Städte und Klöster voll,
Geistliche und Weltliche, Mönche und Laien, niemand darf das auf den andern
werfen. Die Schuld ist eines jeden; sähe jeder mit Fleiß auf sich selbst, er würde so
viel mit sich selbst zu tun bekommen, daß er eines andern wohl vergäße.
Der himmlische Vater wird ohne Unterlaß erzürnt, denn die Christenmenschen
haben Seines Sohnes vergessen, und bei allen christlichen Einrichtungen bessern
sie sich nicht. So fürchte ich auch, der Vater möchte Seiner Gerechtigkeit
zulassen die Barmherzigkeit zu überwinden, so daß alle Seine Freunde schweigen
müssen, bis er Seinen Sohn gerächt haben wird."

D.M: "Ach, einzige Herzensliebe, ich bin über diese Rede von Herzensgrund
erschrocken, mich dünket ich sei so schwach, als sollt ich sogleich sterben."
Antw. : "Diese Reden haben ein Ende."
VON DEN NEUN FELSEN INDEX

Wie der Mensch einen großen, hohen Berg sah mit neun großen, breiten Felsen, je
einer über dem andern bis oben hinan, und wie auf diesen Felsen Christenmenschen
wandelten.
Es kann niemand zu Gott kommen, er habe denn Wohnung auf diesen Felsen. Wer
also hier in dieser Zeit darnach streben wollte, in den Ursprung zu sehen, woher die
edle Seele gekommen ist, der müßte ein tapferes, kühnes Gemüt haben und müßte
über die hohen Felsen alle klimmen, bis er auf den obersten Felsen käme; da würde er
dann wohl dahin gewiesen werden, wohin er soll (Ps. 32, 8). Das wäre ein edler
Mensch, der sich auf diesen felsigen Berg wagen wollte. Derselbe würde hier in
dieser Zeit ein Überwinder aller seiner Feinde (Ps. 18, 36) und in dem ewigen Leben
ein großer Heiliger.
INDEX

VON DEM ERSTEN FELSEN UND DEN MENSCHEN, DIE DARAUF WOHNEN
Die Antwort sprach: "Ich sage dir, hättest du das Vorige länger gesehen, du
hättest es nicht zu ertragen vermocht. Du sollst nun sehen, was du gerne siehst
und hörst."
D.M: "Dein Wille geschehe."
Antw. : "Tue deine inwendigen Augen auf, und siehe wo du bist."

D.M: "Herzensliebe, ich sehe, daß ich wieder an der Stelle bin, da ich früher war,
unten an dem Berg; und möchte von Dir den Sinn dieser Sachen wissen. "
Antw. : "Das ist die Bedeutung, daß die Seele in das Tal hinabgefallen ist."
In diesem Augenblick erschien ein klarer, lauterer Glanz, den der Mensch kaum
ertragen konnte.

D.M: "Ist das eine Seele, die noch in ihrem Ursprung ist und so glänzet wie ich es
sehe?"
Antw. : "Du sollst wissen: ließe dich Gott eine Seele sehen, wie sie in ihrem
Ursprung ist und nach Gott gebildet, deine menschliche Natur könnte es nicht
ertragen und du könntest auch mit deiner sinnlichen Vernunft nicht begreifen, was
es wäre. Aber Gott hat dich darum die edle Seele sehen lassen, daß du es in Worte
fassen und der Christenheit zu Hilfe und Warnung aufzeichnen könnest. "
D.M: "Dein Wille geschehe."
Antw. : "Tue deine inwendigen Augen auf und schaue über dich."
Der Mensch sah, daß der Berg so entsetzlich hoch war, als ob er an den Himmel
reichte und so breit, daß er kein Ende erblicken konnte; und waren neun große
Felsen an dem Berge, je einer über dem andern, bis oben auf der Höhe; und ihre
Größe, Weite und Breite war entsetzlich und wunderbar anzusehen.

D.M: "Sage mir, o Liebe meines Herzens, was dies bedeute, daß ich diesen
entsetzlich hohen Berg zweimal gesehen habe."
Antw. : "Schaue, was an dem Berge ist und welche Leute darauf wohnen."

D.M: "Dein Wille geschehe. " In diesem Augenblick war der Mensch auf dem
untersten Felsen, und der Fels war so hoch, daß der Mensch die ganze Erde und
alle Welt mit einem Blicke übersah und sah, daß ein schauerlich Netz und Garn über
alle Welt gezogen war, nur nicht über diesen hohen Berg.
D. M. erschrak hierüber sehr und sprach: "Was bedeutet dies?"
Die Antw. sprach: "Gott hat dich das in diesen Bildern sehen lassen; denn wenn du
es unverhüllt sehen solltest, wie gefährlich und schrecklich die Welt jetzt in ihren
Sünden gefangen ist, deine Natur könnte es unmöglich ertragen."

D. M. sprach: "Ich glaubte die Sünden der Christenheit nun sattsam gesehen zu
haben."
Die Antw. : "Wüßtest du die Not und Gefahr, in welcher die Christenheit jetzt liegt
und in welchen Sünden und welche schmerzliche Pein, Marter und Angst sie darüber
wird leiden müssen, du könntest es nicht ertragen.“

D. M. sprach: "Herzensliebe, was hat das für eine Bedeutung, daß dieses Garn den
Berg nicht überzieht?"
Die Antw. sprach: "Das bedeutet, daß die Menschen, *11 die hier wohnen, in
Gottesfurcht und ohne Todsünde leben. Nun vergleiche die Zahl der Menschen, die
auf diesem Berge wohnen und die unter dem Garne liegen und unter dem Strick
gefangen sind und die doch Christen heißen."
Der Mensch sah, wie Hunderte in Todsünden gefangen lagen, während kaum einer
auf den Berg kam, der ohne Todsünde war und doch alle für Christen galten.

D.M. sprach: "Herzensliebe, sind der Menschen hier oben auf dem ersten hohen
Felsen viele?"
Die Antw. : "Es sind mehr denn die alle auf den andern Felsen, welche doch größer
und umfangreicher sind."

D.M: "Was für Menschen sind es denn, die hier auf dem untersten Felsen wohnen?"
Antw. : "Es sind laue, träge Menschen und kalt und ohne große Kämpfe. Sie haben
einen Abscheu vor großen Sünden, und damit sind sie zufrieden bis an ihren Tod; auf
diese Weise stehen sie in einer gewissen Einfalt und sie meinen, es gebe keinen
besseren Weg. Doch wisse, daß es gar bedenklich und gefährlich um diese Leute
steht, denn sie wohnen den Stricken gar nahe. "

D.M. sprach: "Sagemir, meine Liebe, werden diese Menschen nicht bewahrt
werden?"
Die Antw. sprach: "Ja, bleiben sie bis an ihren Tod ohne Todsünde, so werden sie
behalten. Aber es steht viel gefährlicher und übler um sie als sie glauben. Sie
meinen, Gott und der Natur miteinander dienen und leben zu können; das ist aber
gar schwer, und es kann kaum Einer bestehen; doch wenn er bleibt und besteht, so
wird er behalten. Er wird aber unaussprechlich große Not und Angst und heftige
*12 Flamme und Jammer leiden, und so lange darinnen bleiben als es Gott
geordnet hat, bis daß die allerkleinste Sünde ab getan wird auf das Völligste und
bis daß alles ausgelitten und ausgereinigt ist; denn das Allerkleinste, das er in der
Zeit je gesündigt hat, das muß bezahlt sein (Matth. 18, 34 Luk. 12, 59). Und
wenn der Mensch nach aller dieser Not in den Himmel kommt, so wird sein Lohn gar
klein sein gegen andere gute Menschen; denn seine Arbeit und sein Kampf und
seine Liebe zu Gott ist klein gewesen." Und der Mensch sah, daß derselbigen
Menschen viele von diesem Felsen hinabgestoßen wurden und unter die Stricke
fielen.

D.M: "Was bedeutet das, daß diese so schnell hinabgestoßen werden?"


Antw. : "Sie sind in Todsünde gefallen und dies kann dieser Fels nicht dulden."
Der Mensch sah, daß an vielen Stellen des Garnes Menschen
herausschlüpften, die gelb und schwarz waren, als wären sie
lange tot unter der Erde gelegen.

D.M: "Meine Liebe, was bedeutet dieses Gesicht?"


Antw. : "Es sind Leute, die in Todsünden in des Fein des Hand und Stricken gelegen
sind *13 und die nun zutiefst bereuen. Nun hat der Teufel keine Gewalt mehr über
sie und muß sie aus den Stricken lassen."

D.M: "Was bedeutet es, daß diese Menschen so todfarben sind?"


Antw. : "Ihre Reue ist noch nicht ganz vollbracht durch Bekenntnis ihrer Sünden
(Jak. 5,16) und Buße; Wenn dies geschehen ist, so werden sie denen gleich, die auf
dem Felsen wohnen."
Da sah dieser Mensch, daß auf diesem Felsen waren gar viele freundliche, blühende
Menschen; Jungfrauen, Jünglinge, Männer und Weiber, Geistliche und Laien, Mönche
und Nonnen; *14 und von allerlei Menschen, niemand ausgenommen von der ganzen
Christenheit. Diese jungen freundlichen Leute wurden nun noch viel blühender und
fröhlicher und liefen alle miteinander unter die Stricke.
D.M: "Was bedeutet das, daß diese Menschen so schnell unter das Garn laufen?"
Antw. : "Erinnere dich an das Gleichnis der Fische, die aus ihrem hohen Ursprung
von dem Berge herabstürzten und durch alle Welt liefen und von denen so viele
unterwegs mit Stricken gefangen wurden. Mit diesem Gleichnis meint

Gott diese jungen Menschen, die unter den Strick liefen; das sind junge Menschen
in aller Christenheit; wenn sie zu ihren Jahren kommen und sich zu ihrem Ursprung
wenden sollten, so tun sie wie die törichten Fische, folgen ihrer Natur und fallen, von
der eigenen Lust gereizet, unter das Garn dieser argen Welt, die der Feind voll
böser Stricke gelegt hat; und ihre Freunde tragen all das ihrige dazu bei, um die
Menschen unter die Stricke zu jagen in dieser Zeit."

D.M. "Ich sehe wohl, daß hier niemand überwinden kann, der nicht mit tapferem
Gemüt sich gänzlich davon abwendet."
Antw. : "Das ist gewiß wahr. Nun siehe, wie die jungen Leute wissentlich unter das
Garn gehen. Und je weiter sie gehen, desto tiefer fallen sie unter den Strick, und
desto mehr kommen sie in Schaden und Gefahr. Und je weiter sie unter denselben
gelaufen sind, desto saurer muß es ihnen werden, irgend wieder herauszukommen;
denn je längerund weiter sie laufen, desto mehr und mehr fallen sie in die falschen
Stricke dieser bösen Welt, von der sie toller Weise sich fangen ließen, so daß sie
nicht aus dem Garn zu kommen vermögen; und sie tun wie das Vieh, das ohne
Verstand ist und das nichts weiß, als was vor ihm ist, das liebt es. Nun siehe
weiter."
Der Mensch sah auf und sah, wie eine junge Tochter von vierzehn Jahren sogar
einen geistlichen Mann an einem Seile führte und an diesen war ein sehr ehrbarer
weltlicher Mann gebunden mit demselben Seil. Sodann kamen zwei Frauen. Die
waren auch damit gebunden. Die Tochter ging unter das Garn voran und zog die
andern nach.

D.M: "Herzensliebe, was bedeutet das?"


Antw. : "Dieser weltliche Mann und diese weltliche Frau waren ehrbare Leute und
lebten lange in Gottesfurcht und ohne Todsünde. Nun ist diese Tochter ihr
ältestes Kind und ist zu ihren Tagen gekommen und hat unter das Garn geschaut,
in die Üppigkeit der falschen Welt und falschen Freude und will auch dahin gehen
und sagt zu Vater und Mutter, sie wolle es auch machen und haben wie andere
Töchter ihresgleichen. Es sollten Vater und Mutter ihr Kind von Jugend auf
erzogen haben zu ihrem Ursprung das haben sie nicht getan. Und sind nun zu ihrem
Beichtvater gegangen und haben ihm das gesagt und ihn darum gefragt, und der
hat es ihnen erlaubt, in der Absicht, der reichen Leute Freundschaft zu behalten
und hat gesagt, es sei jetzt so Sitte, ihre Vorfahren hätten es auch getan und hat
ihnen zugestanden, daß die Hoffart unschädlich sei und gedachte nicht, daß der
Satan mit seiner ganzen Gesellschaft um des Hochmutes willen von Gott
vertrieben worden. Das ist der Grund, warum die junge Tochter den Beichtvater
voranführte und Vater und Mutter unter das Garn nachzog; und die zwei andern
Frauen nahmen ihr Beispiel an und sind ihr auch unter das Garn nachgegangen."
Die Antw. : "Du mußt weiter, an des Felsen Ende." Der Mensch ging weiter. Und da
er an das Ende kam und um sich schaute, da schien es ihm, als wäre er an dem Ende
der Welt; und er blickte bang und jammernd unter sich und sprach: "Ach, einzige
Liebe, hilf mir, ich kann das nicht ertragen, denn ich sehe hier ein so grausenhaftes,
schreckliches Wunder, daß mir ist, als wollte mein Herz zerspringen vor großer,
bitterer Angst; o hilf Du mir fest, denn ich muß vergehen, ich kann es nicht
ertragen; ichhabe eine sehr schreckliche Erscheinung gesehen, die mir unerträglich
ist. Dies gräßliche Gebild hat eine große Kette um sich gebunden und seine Kraft
erscheint so groß und fürchterlich und mächtig; und wäre Deine grundlose
Erbarmung nicht, womit Du die Welt behütest, es risse die ganze Welt ins Sterben
und Verderben."
Antw. : "Wisse, Gott hat dich dieses sehen lassen in diesem Bilde, daß du es
schreiben sollest; denn würdest du es in der Wirklichkeit sehen, wie es an sich
selbst ist, und hätte dein Herz die Kraft von tausend Herzen, es wäre zersprungen,
wenn die Kraft Gottes dich nicht gehalten hätte. "

D.M: "Ach, Herzensliebe, was ist das Bild?"


Antw. : "Dies greuliche Bild ist der Satan, und er hat wohl die Macht, daß er mit der
Kette die ganze Welt nach sich zöge, wenn es ihm etliche gute Menschen zuließen,
die noch in dieser Zeit leben. "

D.M: "Einzige Liebe meines Herzens, das sei Dir immer gedankt, daß noch solche
Menschen leben, durch welche die Christenheit besteht."
Antw. : "Du sollst sie noch sehen. Ihre Wohnung ist auf dem obersten Felsen."

D.M: "O allerliebste Liebe, hat der Feind noch große Gewalt über diejenigen, welche
auf dem untersten Felsen wohnen?"
Antw. : "Der Feind hat keine Gewalt über sie, äußer soweit sie selbst wollen und
solange sie ohne Todsünde sind; doch hat er eine gute Hoffnung und große
Zuversicht, ihrer habhaft zu werden. Denn er sieht, daß sie noch mit der Welt
verflochten und ihre Gedanken ungereinigt sind, geneigt zu Ehren und
Annehmlichkeiten in der Welt. Und obgleich sie keine Todsünde tun wollen, so sind
sie doch nahe bei dem Garn, und ihr Tun und Lassen ist in großer Gefahr; denn der
Feind ist ohne Unterlaß bemüht, sie hineinzutreiben und zieht sie mit einer Angel,
die er in sie geworfen hat, daß sie auf der rechten Straße nicht zu ihrem Ursprung
kommen. "

D.M: "O meine höchste Liebe, was ist diese Angel und die Art dieser Leute? Was ist
es für ein Geschlecht?"
Antw. : "Es sind so törichte Leute in der Christenheit, daß sie wähnen, man könne
Gott und der Natur miteinander dienen und leben, was doch gefährlich und mißlich
ist. Und sie wollen ehrsame, rechtliche Leute sein und wollen keine Todsünde tun,
daß sie nicht in die Hölle fahren; und sie bilden sich ein, daß ihnen Gott gar geneigt
sei, denn sie halten sich selbst für ehrsam, und ihr Leben und ihre Weise gefällt
ihnen gar wohl, daß sie keinen Kummer um ein innigeres Leben haben, und sie wollen
in ihrem Zustande sterben, da sie ja keine große Sünde tun. Und wer von ihrem
Leben sagt, daß es gefährlich sei und sie näher ziehen möchte, dem folgen sie nicht,
sondern folgen dem bösen Geist, der sie festhält mit der Angel ihrer Natur, welcher
sie leben wollen. Sie leben aus ihrem eigenen Guten und haben ihr Leben und ihre
Weise auserkoren mit der Überzeugung, daß es sicher sei, und es steht doch ganz
gefährlich um sie; denn sie wohnen nahe bei dem Garn. "

D.M.: "O meine höchste Liebe, wenn diese Menschen


sterben, kommen sie nicht in den Himmel?"
Antw. : "Ja, wenn sie an ihrem Ende ohne Todsünde erfunden werden; aber sie
müssen unsägliche Pein leiden um all die Wollust, die sie jemals in der Natur suchten
ohne Notdurft. Würde der Mensch erkennen, was für Jammer er leiden muß um die
kleinste Lust, die in der Natur wider Gott geübt wird ehe er eine tägliche Sünde
täte, ließe er sich lieber alle Tage sein Haupt abschlagen und einen neuen Tod antun;
und diese Menschen müssen großen ewigen Lohnes entbehren, um die mutwillige
Lust, der sie in ihrer Natur gedient haben."

D.M: "Mich wundert, daß nicht alle Menschen der Natur völligen Abschied geben, die
dieses hören; denn es ist nicht Frieden noch Freude, als in Gott allein."
Antw. : "Niemand mag Frieden oder Freude haben in dem hl. Geist, als der Mensch,
der sich Gott im innersten Grund übergeben hat. Und wollten die Menschen, die auf
diesem Felsen wohnen wie aufragst zu dieser Freude gelangen, so müßten sie
vorerst nach weisem Rate lernen, wie sie ihre Natur überwinden.
Nun weißt du also, welche Leute auf dem untersten Felsen wohnen. Jetzt soll ich
dich weiter sehen lassen, was für Leute auf dem zweiten Felsen wohnen und die
Übungen der Menschen, die hier oben über jenen sind." (Es will scheinen, als ob nun
die gewöhnlichen Kirchenchristen in diese Gesellschaft gehöreten?)

VON DEM ZWEITEN FELSEN INDEX

Antw. : "Öffne deine inneren Augen und blicke über dich!"


Der Mensch sah auf den nächsten Felsen, der über ihm war; und sah wie ein Teil der
Leute von dem ersten Felsen auf den zweiten gingen; und als sie ankamen, fiel von
diesen ein Teil gar schnell wieder hinab und ein Teil blieb darauf; und welche
dablieben, die waren so helle, daß er sie nicht ansehen konnte.

D.M: "Sage mir, o Herzensliebe, die Bedeutung dieser Dinge."


Antw. : "Alle die Menschen, die von dem ersten Felsen auf den zweiten laufen, sind
solche, die gesehen haben, daß es gefährlich ist auf dem ersten Felsen zu wohnen,
und es ist ihnen in den Sinn gekommen weiter zu gehen, und sie haben dem auch
gefolgt und haben sich mit tapferem, festem Gemüte aufgemacht und sind dahin
gekommen. "

D. M. sprach: "Was bedeutet es aber, daß ein Teil davon wieder abgefallen ist?"
Antw. : "Die Menschen, die hier oben wohnen, haben ein viel härteres Leben und
härtere Prüfungen als jene, die hier unten wohnen; deshalb mißfällt ihnen dies Leben
und dünkt sie zu strenge und lassen sich vom bösen Geist überwinden, da sie
denken: ach, du bist zu schwach, du kannst das nicht ertragen; darum fallen sie
wieder herab auf den ersten Felsen."

D.M: "Meine Liebe, welche Menschen wohnen auf diesem Felsen?"


Antw. : "Öffne deine inneren Augen und siehe, denn du mußt sie selbst sehen!"
In diesem Augenblick war der Mensch auf dem zweiten Felsen und sah, daß hier die
Menschen einen lieblicheren Wandel hatten als jene auf dem ersten Felsen, doch
waren es viel weniger als die ersten, und der Fels war gar weit und schön.

D. M. sprach: "Herzensliebe, was für Menschen sind diese? Sie gefallen mir gar wohl,
denn sie sind viel weiter denn die andern."
Antw. : "Dies sind die Menschen, die ihre Natur bezwingen und sich von der Welt
kehren mit unverzagtem Mut und wollen ihren eigenen Willen aufgeben und einem
Gottesfreunde folgen, dem der Weg bekannt ist und wollen ihm gehorsam sein an
Gottes Statt bis an ihren Tod. Dennoch sind dieselbigen Menschen gar weit von
ihrem Ursprung, und der Feind hat gar fleißig acht auf sie, denn er fürchtet, sie
möchten ihm entrinnen; und er hat eine Angel in sie geworfen, womit er sie hält, daß
sie stille stehen und nicht höher sich hinaufmachen zu dem Ursprung. "

D.M: "Meine höchste Liebe, was ist diese Angel?"


Antw. : "Das ist, wenn sie angefangen haben und beginnen zuzunehmen in dem
Leben, so gibt ihnen der Feind ein, sie seien zu schwach; und sie fangen dann an,
sehr zu erschlaffen und nehmen des Teufels Schalkheit nicht wahr, die in ihnen und
in ihrer Natur wohnt, und er gibt ihnen ein, sie sollen ein gutes Vertrauen zu Gott
haben; sie hätten ja der Welt entsagt, womit sie sich manches Jahr hätten
ergötzen können, und so bringt er sie in einen geistlichen Hochmut, den sie selbst
nicht erkennen und dünken sich selbst so weise, daß sie niemandes Rat noch Hilfe
bedürfen; und also macht er ihnen eine Zufriedenheit mit diesem Leben, und sie
wollen darin sterben."

D. M. sprach: "Meine Herzensliebe, sie haben sich doch Gottesfreunden übergeben,


warum zeigen diese ihnen den rechten Weg nicht?"
Antw. : "Die Gottesfreunde erkennen wohl die Angel dieser Menschen, womit sie
der Feind gefangen hat und fürchten, wenn sie dieselben zu strenge hielten, sie
möchten vielleicht völlig unter das Garn fallen und wären dann schlimmer denn
zuvor. (l.Kor. 3, 13). Aber werden sie auf diesem Felsen bleiben, so hat sie Gott viel
lieber als die hier unten sind; denn sie haben ihre Natur mehr angegriffen mit
anhaltendem Gebet als die ersten, und darum sind sie ihrem Ursprung viel näher als
die ersten. "

D.M: "Meine höchste Liebe, müssen diese Leute auch Pein leiden nach diesem
Leben?"
Antw. : "Ja, sie müssen große unmäßige Pein leiden, doch weniger als die auf dem
ersten Felsen und ihr ewiger Lohn wird auch mehr und größer als der Vorigen Lohn.
Ich sage dir aber, wer zu seinem Ursprung kommen will, der muß diese Felsen alle
überklimmen, die auf diesen Berg gehen, bis er zur obersten Höhe des Gebirges
kommt." (Luk. 14,2627)

D.M: "Ach Herzensliebe, ich erkenne Dich als liebevoll und getreu; hätte ein Mensch
ein ungeteiltes Vertrauen zu Dir in der Wahrheit und er hätte den tapferen Sinn
und Vorsatz, allen Kreaturen völligen Abschied zu geben und Dich allein zur Liebe
seines Herzens zu erwählen; ich glaube, daß er stete Hilfe bei Dir fände und behende
diese großen Felsen alle überstiege." (Luk. 18, 2630).
Antw. : "Das ist wahr; hätte jemand ein kühnes, tapferes Gemüt mit einem steten
bleibenden Willen, Gott käme ihm sicherlich zu Hilfe und führete ihn selbst weiter.
Aber solche Leute findet man in dieser Zeit wenige."
D.M: "Das laß Dich erbarmen, o Liebe meines Herzens!“

VON DEM DRITTEN FELSEN INDEX

Die Antwort sprach: "Öffne deine inneren Augen und blicke über dich."
Der Mensch sah hinauf auf den Felsen und ward gewahr, daß ein Teil der Menschen
von dem zweiten auf den dritten Felsen hinaufstiegen; und als sie oben
angekommen waren, fiel ein Teil davon wieder herab. Etliche aber blieben. Diese nun
waren behende gelaufen über den ersten Felsen bis zum zweiten und über den
zweiten bis zum dritten.
D.M: "Herzens liebe, was bedeutet das behende Laufen dieser Leute, um so hoch
hinaufzukommen?"
Antw. : "Es ist unbekannt und selten jetzt in dieser Zeit; aber vor Zeiten etwa
geschah es oft, daß die Leute sich oft sehr tapfer und schnelle zur ewigen
Wahrheit kehrten und mutig ihrer eigenen Natur samt allen Kreaturen Abschied
gaben; und sie kehrten so ernstlich zu ihrem Ursprung, daß sie mit der Hilfe Gottes
in einem Laufe über alle diese hohen Felsen liefen und an die oberste Höhe dieses
Gebirges kamen. " (Matth. 11, 12)

D.M: "Sage mir, was sind es für Leute, die auf diesem dritten Felsen wohnen?"
Antw. : "Das sollst du selbst sehen." Und alsbald war der Mensch auf dem dritten
Felsen und war in großen Freuden, denn die Menschen gefielen ihm besser denn die
andern alle, die er auf dem zweiten Felsen gefunden hatte.

Und er sprach: "Sage mir, meine Liebe, was sind dies für liebe Leute?"
Antw. : "Sie sind Gott weit lieber und werter als alle die, welche unterhalb sind. Und
ihre strengen Übungen haben sie darum, daß sie in das Himmelreich kommen und
vor der Hölle behütet werden und wenig Pein leiden. Sie haben viel mehr weltliches
Anliegen abgetan als die vorigen; doch obwohl sie jene übertreffen, so hat doch der
Feind seine Angel in sie geworfen, womit er sie hält, daß sie nicht vorwärts
kommen."

D.M: "Sage mir, meine Liebe, was ist diese Angel?"


Antw. : "Das ist es, daß sie noch einigermaßen sich um diese Welt kümmern und
sorgen (Luk. 10, 41/42) und dabei werden sie noch in der Selbstliebe erfunden,
und alle ihre strengen Übungen treiben sie noch mit ihrem Eigenen und mit
Selbstzufriedenheit. Das ist die große Angel, womit er sie hält und hindert, daß sie
nicht weiter kommen. "

D.M: "Sage mir, meine Liebe, müssen diese Menschen auch Pein leiden?"
Antw. : "Wenn sie in diesem Zustande sterben, so müssen sie große Pein leiden,
wenn auch nicht so, wie die Bewohner der vorigen Felsen. Doch werden sie auch
mehr Seligkeit haben als jene, da sie ihre Natur viel mutiger und tapferer
angegriffen haben."

VON DEM VIERTEN FELSEN INDEX

Antw. : "Öffne deine Augen und schaue über dich!" Der Mensch sah, wie ein Teil der
Menschen vom dritten auf den vierten Felsen stiegen. Und als sie dort
angekommen waren, fiel ein Teil gar bald wieder herab, ein Teil so weit, daß sie unter
das Garn gerieten. Da sah der Mensch diesen Berg hinab und ward gewahr, wie ein
Teil Menschen eilig kamen und gar behende gegen den Berg liefen und in einem Laufe
die drei Felsen übersteigend, oben auf den vierten kamen; und er fragte: "Meine
höchste Liebe, was bedeutet das?"
*15 Antw. : "Diejenigen Menschen, welche mit einem Falle
von dem vierten Felsen unter das Garn geraten sind, das sind solche, welche mit
strenger Übung und schwerer Mühe hinaufgekommen sind bis zu diesem vierten
Felsen; statt aber weiter aufwärts zu gehen, ließen sie sich vom Feinde und ihrer
Natur überwinden, daß sie hinter sich unter das Garn gefallen sind. Wisse, wenn sie
je wieder kommen, so wird es ihnen sehr sauer werden. (Gal. 4,19)

D.M: "O meine höchste Liebe, was bedeutet das, daß jener eine Mensch so rasch in
einem Laufe aus dem Garn über die drei Felsen auf den vierten lief?"
Antw. : "Diesen Menschen hat unter dem Garn die stärkste Reue ergriffen, die
ebenso groß als kräftig war; und wenn er sein Herzblut hätte ausschreien müssen,
er hätte es gern getan; daneben griff er seine Natur mit tapferer Übung an, so daß
er gar schwach wurde; als nun Gott sah, daß der Mensch so geschwind seine Natur
angriff, so half Er ihm weiter, daß er schnell zu dieser Gesellschaft kam. "

D. M.: "Was sind es denn für Menschen, die hier oben wohnen, und was ist ihr
Leben?"
Antw. : "Das sollst du sogleich sehen." In diesem Augenblick war der Mensch auf
dem vierten Felsen und sah diese Menschen mit großer Freude, denn sie waren weit
lieblicher als die andern alle.

D.M: "Sage mir, was für Übungen haben diese Menschen?"


Antw. : "Es sind Menschen, die ihre Natur streng und tapfer angreifen; und üben
sich Tag und Nacht, so gut sie es erleiden können."

D. M: "Sage mir, meine Liebe, sind dies ganz ausgezeichnete Menschen?"


Antw. : "ES sind gute Menschen, aber nicht ausgezeichnet. Sie haben noch gar weit
und hoch zu ihrem Ursprung, doch sind sie demselben viel näher, als die andern hier
unten. Aber der Feind hat eine Angel in sie geworfen und fängt sie, daß sie nicht
weiter kommen zu ihrem Ursprung."

D.M: "Meine Liebe, was ist diese Angel?"


Antw. : "Alle diese Leute haben ihre Übung, ihr Werk und Wesen mit eigener
angenommener Weise getrieben und lassen sich durch niemand davon abwendig
machen.“
D.M: "So gebricht diesen Leuten, wie mich dünkt, nichts als völlige Übergabe in
Gott?"
Antw. : "Ja, sie sollten sich selbst verlassen; denn du sollst wissen, daß kein
eigenwilliger Mensch in dieser Zeit zu seinem Ursprünge kommt. Wisse, daß es oft
mit ihnen versucht wird, ob sie sich verlassen wollen, aber es hilft nichts; und wenn
ihnen Gott das Licht der Selbstübergabe vorhält, so ist sogleich der Feind da und
wirft die Angel der Selbstheit in sie, mit all ihrem eigenen Treiben; denn er hat sie
gefangen mit dem Seile ihrer Eigenheit, aus der sie alle ihre Werke, Übungen und
Lebensweise wirken; darauf hält er, denn er weiß wohl und erkennt. Ließen sie im
Innersten völlig von sich ab und unterwürfen sich in Demut unter diejenigen, denen
der Weg besser bekannt ist, an Gottes Statt, sogleich ließe sie Gott ihrer großen
Übung und Arbeit genießen und zöge sie im Augenblick sehr hoch hinauf auf
verborgenen, heimlichen Wegen, die ihnen zuvor unbekannt waren."

D.M: "O Herzensliebe, diese gefallen mir wohl; denn sie haben ein gar gutes und
liebliches Ansehen."
Antw. : "Obgleich das wahr ist, so werden sie doch schnell zum Zorn bewegt und ein
Teil zu andern Untugenden; und obwohl sie sich davor hüten, so gut sie können,
dennoch geschieht es ihnen; und dies darum, weil sie noch ungelassene Menschen
sind und ungestorben und sich nicht geübt haben in rechter Hingabe ihres Selbsts.
Doch sind sie Gott lieber als alle Menschen, die du zuvor gesehen. Aber wisse
fürwahr, daß diese Menschen einen weit andern Weg gehen müssen, als sie jetzt
haben, wenn sie auf die rechte Straße und zu dem Ursprung kommen wollen. "

D.M. sprach: "O meine höchste Liebe, müssen diese Menschen auch Pein leiden, die
all ihre Tage in so großer, strenger Übung verbracht haben?"
Antw. : "Alle die Ungelassenheit, so klein sie immer ist, die der Mensch
hinüberbringt, muß völlig abgelegt werden am Reinigungsort, und die Menschen
müssen auch ihrer Ungelassenheit willen eine hohe Stufe ewiger Ehre entbehren.
Wisse, wenn sie in diesem Zustande getroffen werden, so müssen sie harte Pein
deshalb leiden, doch weniger als die andern. Sie haben es auch viel besser als die
andern auf den vorigen Felsen."

D.M: "Herzensliebe, genießen diese Menschen Deiner heimlichen, verborgenen,


besonderen Gnaden, die Du Deinen Freunden zu mancher Zeit hast widerfahren
lassen und geschenket?"
Antw. : "Solange sie in der Ungelassenheit stehen, so genießen sie der besonderen
Freundlichkeit nicht, welche Gott in dieser Zeit seinen besondern geistlichen
heimlichen Freunden erwiesen hat."

D.M: "Ach Herzensliebe, dürfte ich, ohne Dich zu beleidigen, bitten, daß Du mir Deine
heimlichen Freunde zeigtest, so möchte ich es gerne tun. "
Antw. : "Es soll geschehen; aber du sollst noch viel und weit höher hinaufklimmen, je
von einem Felsen auf den andern, bis du oben auf die Höhe des Gebirges kommst,
wo du sie dann sehen sollst. Ich sage dir auch: du wirst sogar noch in den Ursprung
sehen. "

D.M: "Herzensliebe, das ist nicht meine Absicht. Ich bitte Dich, wenn es sein kann,
so erlaß mir solche Ehre; denn ich erkenne mich als eine arme Kreatur, ungeübt und
unerfahren; weshalb ich dessen unwürdig bin. Doch Dein Wille geschehe und nicht
der meine!“

VON DEM FÜNFTEN FELSEN INDEX

Die Antwort sprach: "Öffne deine Augen und sieh über dich!" Der Mensch sah über
sich, daß der fünfte Fels so erstaunlich hoch war über die andern alle und von denen
die da unten waren, gar wenige Leute den Weg hinauf gingen und daß zwar die von
dem vierten Felsen oft sich wagten hinauf zu gehen, aber wenn sie oben ankamen,
der größte Teil wieder herabfiel und gar wenige darauf blieben; und er fragte: "Sage
mir, meine Liebe, was bedeutet das, daß so wenige Menschen auf diesen hohen
Felsen kommen und darauf bleiben?"
Antw. : "Dieser Berg ist gar hoch; wer hoch steigen will, dem wird es sauer und
schwer. Ich sage dir auch: wer auf diesen fünften Felsen gekommen ist und stets
darauf bleibt, der ist erst auf die rechte Straße gekommen, die zum Ursprünge
führt."

D.M. sprach: "Ach, meine Herzensliebe, was sind das für Menschen, die hier
wohnen?"
Die Antw. sprach: "Öffne deine Augen und sieh!" In diesem Augenblick war der
Mensch auf dem Felsen und sah mit Freuden, daß die Menschen so leutselig und
gütig waren, weit mehr denn die andern.

D.M: "Allerliebste Liebe, was sind es für Leute, die ich jetzt gesehen habe, und was
ist ihr Leben und ihre Übung? denn ihrer sind gar wenig. "
Antw. : "Es sind Leute, die ihren eigenen Willen aufgegeben und haben ihn Gott
übergeben und haben den festen Willen, nimmermehr aus eigenem Willen und Leben
etwas zu tun, zu wissen und zu wirken; und wollen einen Gottesfreund aussuchen,
dem der Weg wohl bekannt ist und der ihn selbst gegangen ist; dem wollen sie sich
lassen an Gottes Statt, bis an ihren Tod." (Matth. 18,4 Sir. 6,36 Matth. 5, 3/5).

D.M: "Herzensliebe, diese Menschen gefallen mir besser als die andern alle hier
unten und sind mir sehr lieb, und es dünkt mich, sie seien es Dir auch."
Antw. : "Es ist also; und es ist wahr, sie sind Gott liebe, werte Menschen, denn sie
sind auf die rechte Straße gekommen; und bleiben sie darauf, so sind sie Gott sehr
lieb.“

D.M: "Ach, Herzensliebe, sind diese Menschen nahe bei dem Ursprung?"
Antw. : "Nein, sie sind noch gar fern von ihrem Ursprung und haben noch gar weit
dahin. Der Feind hat sie gesehen, daß sie auf rechter Straße sind und setzt sich
dagegen und hat eine Angel in sie geworfen, womit er sie hält, daß sie nicht
weiterkommen."

D.M: "Ach, Herzensliebe, was ist diese Angel?"


Antw. : "Das ist, daß sie nicht allezeit mit Stetigkeit auf diesem Felsen bleiben
(1. Joh. 3,6 Joh. 15,4. 18,17).
D.M: "Sage mir, Herzensliebe, sind die Leute alle gleich in einem Tun und Lassen?"
Antw. : "Ja; aber der böse Feind hat diese Leute alle gefangen mit einer großen
Angel die heißt Unstetigkeit!"

D.M.: "Herzensliebe, was ist die Unstetigkeit, die diese Leute haben?"
Antw. : "Das ist es, daß diese Leute zu mancher Zeit abgehen von dem fünften
Felsen auf den vierten und nehmen ihre selbst angenommene, eigene Weise wieder
an sich, und machen es ebenso wie die Menschen auf dem vierten Felsen, der unter
diesem liegt; so laufen sie denn auf und ab von einem Felsen auf den andern und
haben also keine Stetigkeit und kein Bleiben auf dem fünften Felsen."

D.M.: "Was hat das für einen Grund, daß sie nicht stetig bleiben?"
Antw. : "Es hat darin seinen Grund, daß ihr eigener Wille noch nicht völlig tod ist;
aber' diese Menschen sind Gott viel lieber als die unteren, denn Gott liebt diese
Menschen gar sehr, die von ihrem eigenen Willen frei geworden sind. Und obwohl
diese Menschen nicht allezeit stetig bleiben, so bleiben sie doch meistens in dem
gelassenen Zustande."

D.M.: "Herzensliebe, müssen diese Menschen auch Pein leiden, wenn sie in diesem
Zustande sterben?"
Antw. : "Ja; wenn sie so erfunden werden, so müssen sie große Pein leiden, doch
weniger als jene unter ihnen und werden größerer ewiger Seligkeit teilhaftig
werden."

D.M. : "Ach, Herzensliebe, wie lauter muß man doch sein, wenn man zu Dir kommen
will! Und das ist wohl billig."
VON DEM SECHSTEN FELSEN INDEX

Antwort: "Öffne deine Augen und sieh über dich!"


Der Mensch blickte über sich und sah, daß der sechste Fels
sich gar hoch über die andern erhob und daß gar wenige Leute vom fünften auf den
sechsten gingen und wenn sie oben ankamen, so fielen sie schnell wieder herab, daß
es schien, als ob sie auf den Kopf geschlagen worden wären, und es schien ihm, daß
unter Hundert kaum einer auf diesem Felsen blieb.

D.M. : "Herzensliebe, was bedeutet das?"


Antw. : "Öffne deine Augen und schaue." In diesem Augenblick war der Mensch auf
dem sechsten Felsen und sah über sich die allerliebevollsten Menschen und sehr
herrlich gestaltet über alle diejenigen, welche er weiter unten gesehen hatte; und
der Fels war gar weit und gar schön. Aber der Menschen, die darauf wohnten, waren
sehr wenige, so waren sie doch schön und lieblich anzusehen.

D.M.: "Ach, Herzensliebe, wie gefallen mir diese Leute so innig wohl! Was sind es für
Leute? Sie gefallen mir weit besser, denn alle die Menschen, die ich bisher gesehen
habe. "
Antw. : "Sie gefallen auch Gott und sind Ihm liebe Menschen."

D.M.: "Ach, was sind es für Menschen?"


Antw. : "Es sind Menschen, die sich Gott überlassen und Gottesfreunden an seiner
Statt; ihren eigenen Willen haben sie aufgegeben und wollen fest bleiben bis an ihren
Tod" (Matth. 26,39; 1. Mos. 22,112).

D.M.: "Meine höchste Liebe, sind dies die Menschen, die zu ihrem Ursprung gelangt
sind?"
Antw. : "Du sollst wissen, daß diese Leute noch gar weit zu ihrem Ursprung haben;
sie müssen noch gar hoch steigen, um den Ursprung zu erreichen.“

D.M. : "Meine Herzensliebe, was bedeutet das?"


Antw. : "Der Feind hat eine große Angel in sie geworfen, daß sie nicht weiter
kommen. Er ist in Furcht, denn er sieht wohl, daß sie auf die rechte Strasse
gekommen sind. Es sind auch unter allen Menschen, die du noch gesehen hast,
diese ihrem Ursprung am nächsten."

D.M.: "Was ist die Angel, womit er sie gefangen hat?"


Antw. : "Das ist es, daß der Mensch gerne etwas .Genuß und etwas Freude aus
dem Wissen von Gott haben möchte, wie andere Menschen; und obwohl das nicht
böse ist, so ist es doch dem Ursprung nicht am nächsten. Denn dieser Begierde
wohnt ein heimlicher Schaden inne, daß nämlich der Mensch sich mit andern
Menschen gerne vergleicht und nicht Gott wirken läßt, was, wo und mit wem Er will.
Das wissen sie wohl und folgen doch dem Einblasen des Feindes."

D.M.: "O meine höchste Liebe, sind diese wonniglichen Menschen nicht des
Läuterungsstandes überhoben?"
Antw. : "Werden sie (im Tode) also erfunden, so müssen sie schwere Pein leiden;
doch nicht so sehr als die hier unten und ihre ewige Seligkeit ist viel größer."

D.M.: "Ach, was ist denn das, daß diese lieben Menschen nicht weiter gehen?"
Antw. : "Das ist es, daß sie das heimliche Wünschen der Natur und ihr listiges
Begehren nicht ganz von Grund aus abgeschnitten haben. Denn es ist sehr nötig,
dies zu erkennen und abzulegen."

VOM SIEBENTEN FELSEN INDEX

Die Antwort: "Öffne deine Augen und schaue über dich!" Der Mensch sah, daß
dieser Fels entsetzlich hoch über den sechsten Felsen sich erhob und daß wenige
Menschen vom sechsten auf den siebenten kamen; und waren sie angekommen, so
fielen sie gar bald wieder hinab und wenige blieben da.

D.M.: "Herzensliebe, was bedeutet das? oder was sind es für Leute?"
Antw. : "Das sollst du sehen. " In diesem Augenblick war der Mensch auf dem
siebenten Felsen, welcher viel schöner war, als die andern alle; aber die darauf
wohnten, deren waren weniger als auf irgendeinem Felsen, den er vorher gesehen
hatte.

D.M.: "Herzensliebe, was bedeutet das, oder was sind dies für Menschen?"
Antw. : "Es sind die Menschen, die sich Gott im innersten Grunde gelassen haben
und daran fest wollen bleiben bis zu ihrem Tod. All ihr Bestreben ist, wie sie ihre
Natur nach aller ihrer Macht überwinden und unter die Herrschaft ihrer geistigen
Weisheit bringen. Sie sind auch gerne bereit zu allem, was Gott von ihnen haben will,
sei es äußerlicher oder innerlicher Art, seien es äußere Liebeswerke oder Einkehren
in sich selbst, sie suchen nur Seinem allerliebsten Willen zu dienen. Und daß sie so
außerordentlich leuchten und glänzen, das kommt daher, daß Gott Seine
lichtreiche Gnade ihnen in außerordentlichem Maße mitgeteilt hat; davon leuchten
sie so gar weit vor den andern, die hier unten wohnen." (Matth. 6,22)

D.M. : "Herzensliebe, sind dies die Menschen, die zu ihrem Ursprung gekommen
sind?"
Antw. : "Nein; sie haben noch sehr weit dahin."

D.M.: "Warum haben denn so gar wenige Menschen ihre Wohnung in dem Ursprung?"
Antw. : "Das sollst du alles noch selbst sehen." D.M.: "Was hindert denn die lieben
Menschen daran?" Antw. : "Der Feind hat einen großen Haken in sie geschlagen;
damit hält er sie, daß sie nicht weiterkommen können."

D.M.: "Was bedeutet es denn, daß er in diese lieben Menschen einen Haken
geschlagen und befestigt hat, in die andern aber eine Angel geworfen?"
Antw. : "Der Feind fürchtet sehr, diese Menschen möchten ihm in den Ursprung
entgehen."

D.M. : "Was ist der Haken, womit er sie hält?" Antw. : "Das ist das, daß diese
Menschen die große lichtreiche Gnade, die sie von Gott empfangen haben, heimlich
mit natürlichem Sinne auf mancherlei Weise gebrauchen und es nicht recht
einsehen; auch gebrauchen sie die große göttliche Gnade mit Ergötzen ihrer Natur
und erkennen es doch nicht und achten nicht darauf, wie sie schuldig wären,
obgleich sie es merken könnten; aber der Feind, der dies eingibt, der merkt es wohl,
denn er ist gar behende; und wenn sie auch den erwünschten Trost von Gott haben,
so nehmen sie auch noch das hl. Abendmahl darum, weil sie gerne erquickende
Süßigkeit von Gott genießen möchten.

Und das ist nicht das Höchste; du wirst noch andere Leute sehen, die diesen
Dingen allen abgestorben sind; aber die Menschen, die hier wohnen, die gebrauchen
dieser und anderer Ergötzungen und Genüsse zu viel und heimlich mit natürlichem
Sinne. Und obwohl dir dies nur ein kleines Hindernis zu sein scheint, so müssen sie
doch große Pein deshalb leiden, doch viel weniger als die hier unten und werden auch
viel größeren ewigen Lohn haben als die andern. "

VON DEM ACHTEN FELSEN INDEX

Die Antwort sprach: "Nun siehe wieder über dich!" Der Mensch sah auf zum achten
Felsen: der lag in ungeheurer Höhe über den andern allen und wenige Menschen
wandelten darauf.

D.M.: "Herzensliebe, was sind dies für Leute? und was ist ihre Übung hier oben?"
Antw. : "Das sollst du sehen." In diesem Augenblick war der Mensch auf dem achten
Felsen und sah, daß die Menschen wonniglicher und leuchtender und schöner waren
als die andern alle, die er da unten gesehen hatte. Darüber war er in seltener und
hoher Freude und sprach: "Herzensliebe, was sind dies für Leute?"
Antw. : "Es sind Gott gar liebe Menschen, solche, welche diese Leute auf den
darunterliegenden Felsen alle überklommen haben und haben sich Gott im Grunde
gelassen und Ihm übergeben, zuallem, was Er mit ihnen tun will in Zeit und Ewigkeit."
D.M. : "Ach, Herzensliebe, gäbe es doch recht viele dieser Menschen!"
Antw. : "Wie sollten dieser Menschen viel sein? Du siehst doch wohl, daß jene gar
wenig sind, die dieser zeitlichen, natürlichen Dinge sich um Gottes Willen gänzlich
wollen begeben und davon lassen und lauterlich in der Wahrheit ihrem Gott zu
Ehren verleugnen wollen; wie sollten denn die Menschen je so weit kommen, daß sie
sich in eine ganz redliche und völlige Verleugnung dessen geben könnten, das
da ewig und unermeßlich und unaussprechlich ist? (daß sie nämlich die himmlische
Herrlichkeit nicht begehren, sondern nur Gott)."

D.M. : "Ach, meine Herzensliebe, wenn Du so sprichst man solle alle zeitlichen Dinge
völlig verleugnen, so verstehen sie, daß sie sich alles ihres zeitlichen Gutes
entledigen sollen und darüber erschrecken sie." (Mark. 10, 22)
Antw. : "Das muß auch sein; wer auf diesen achten Felsen zu diesen Menschen
kommen will, der muß all seiner Mittel und Güter ledig werden oder er muß es also
haben, daß ihm gar nichts daran liege, ob er es habe oder nicht und daß es ihm
immer mehr eine Förderung sei zu Gott zu kommen, als eine Hinderung; die es also
haben, die mögen es wohl haben. Lieben sie darin nicht sich selbst, sondern suchen
sie allein die Ehre Gottes, so erlaubt es ihnen Gott wohl, daß sie ihre leibliche
Notdurft davon nehmen, ohne Eigenwillen (1.Kor. 9, 13-14) und das andere alles
Gott geben, dem es auch gehört."

D.M.: "Herzensliebe, ich bin gar froh und glaube, daß diese Menschen zu ihrem
Ursprung gekommen sind."
Antw. : "Nein; aber sie sind dem Ursprung am nächsten unter allen, die du noch
gesehen hast. Und diese Menschen haben mehr reiche und lichtvolle Gnade von
Gott empfangen denn alle die andern, und Gott hat diese Menschen größere
Wunder sehen lassen, doch alles in Bildern und Figuren."

D.M.: "Herzensliebe, was ist aber das, das über Bild und Figur ist?"
Antw. : "Diesen Menschen wird zuweilen ein gar kleiner Blick in den Ursprung zuteil,
und das können sie zu kei-nem, Bilde bringen, noch mit Worten auslegen oder
sagen."

D.M.: "Meine höchste liebe, ich glaube, daß diese Menschen dem
Läuterungszustand entronnen seien."
Antw. : "Nein, sie müssen auch hinein."

D.M.: "Was ist der Grund davon, und warum kommen auch sie so schwer zu ihrem
Ursprung?"
Antw. : "Der Feind hat zwei große Haken in sie geschlagen und heftet ihnen diese in
jede Seite, daß sie ihm nicht entrinnen."
D.M.: "Was sind die Haken?"
Antw. : "Das ist es, daß diese Menschen einen kleinen Blick in den Ursprung getan
haben und sind begierig darauf verfallen, noch mehr davon_zu_empfangen; das ist
aber nicht das Höchste; sie haben also noch einen verborgenen vorwitzigen Willen
und zwar so heimlich, daß sie es selbst nicht erkennen und sonach auch nicht von
Grund aus abgelegt haben."
D.M.: "Was ist der andere Haken?"
Antw. : "Wisse, Gott hat diese Menschen gar wunderbare seltsame Wege geführt
und hat sie große seltsame Wunder sehen lassen, alles in bildlicher Gestalt; und
daran sind diese Menschen gar heimlich und verborgen mit Eigenliebe gehängt, was
sie selbst nicht wissen. Aber Gott weiß es wohl, doch darf Er ihnen nicht trauen,
daß Er ihnen diese geistliche Gnade entziehe und verberge; und Er muß ihrer
schonen, denn Er erkennt ihren heimlichen Grund wohl, der in der Natur verborgen
liegt, ohne daß sie es selbst erkennen. Das ist der andere Haken womit der Feind
diese Menschen von ihrem Ursprung zurückhält."

D.M. : "Ach, Herzensliebe, wie müssen diese Leute sein, wenn sie den beiden Haken
entrinnen wollen?"
Antw. : "Es müssen ganz erstorbene Menschen sein und im tiefsten Grunde
gelassen und ergeben, die Natur aber muß im tiefsten Grunde getötet sein; auch
müssen sie den Weg der Natur genau erkennen mit lichtreicher
Unterscheidungsgabe, sonst kommen sie ihrem Ursprung nicht näher."

D.M.: "Das tut mir wehe, daß diese lieben Menschen auch noch in die Läuterung
sollen."
Antw. : "Wären dieser Menschen viel in der Christenheit, so stünde es gar viel
besser als es jetzt der Fall ist. Wisse, ihr Leiden wird viel geringer sein, als bei allen
den Unteren, und ihre ewige Seligkeit wird auch weit größer."

VON DEM NEUNTEN FELSEN INDEX

Die Antwort: "Nun tu deine Augen auf und schaue über dich mit Freuden!"
D. M. sah auf den neunten Felsen und sah, daß er von ungeheurer Höhe war, so daß
es ihm vorkam, er könne gar nicht hinauf sehen, als ob er am obersten Himmel
stünde. Auch sah er, daß gar wenige Menschen von dem achten auf den neunten
Felsen gingen: und wie wenige sie auch waren, doch wenn sie oben ankamen, fiel ein
Teil derselben wieder herab; und sie wagten sich gar oft und fielen immer wieder
herab, also daß ihrer gar wenige darauf blieben, und es schien, als ob ihrer kaum drei
wären; und die von dem Felsen herabfielen, sahen ganz aus, als ob sie zu Tode fielen.
D, M: "Ach, Herzensliebe, was bedeutet dies Wagen und dies Fallen und daß so
selten jemand hier oben bleibt?"
Antw. : "Was hoch ist, wird sauer zu erklimmen; und weil so selten jemand in dieser
Zeit sich völlig bis in den Tod wagen will, darum kommt auch so selten jemand
herauf. Wenn sie sehen, wie diese Menschen so gar abgeschieden leben, so
erschrecken sie und fallen zu Tode. "

D. M. sprach: "Ach Herzensliebe, das tut mir weh von Grund meines Herzens. "
Die Antw. sprach: "Nun schaue über dich mit Freuden!" In diesem Augenblick war
der Mensch auf diesem hohen, weiten, ungeheuer großen neunten Felsen, und es
kam ihm vor, daß alle die Felsen, die er bisher gesehen hatte, zusammen nicht so
hoch, so groß, so weit, noch so schön gewesen seien als dieser Fels allein; es war
aber gar selten jemand darauf; dennoch empfing dieser Mensch mehr Freude und
Wonne von dem Angesicht derselben als von den andern allen.
D. M. fragte, warum es da so weit und schön wäre und doch so selten jemand
darauf wohne.
Antw. : "Gott hat diesen Felsen nicht dazu bestimmt, daß so wenige Menschen
darauf wohnen sollen. Wisse auch, daß hier die Pforte sich öffnet, die zu dem
Ursprung führt, von wo alle geschaffenen Dinge im Himmel und auf Erden
ausgeflossen sind."

D. M. "Was bedeutet das, daß diese Menschen äußerlich so schwach scheinen und
doch inwendig so klar wie die schönsten Engel?"
Antw. : "Es ist kein Wunder, wenn sie schwach geworden sind über dem Erklimmen
all der hohen Felsen; *16 wisse daß in ihnen kein Tropfen Blut noch Mark geblieben
ist: es ist alles verdorret und verdorben. Davon sind sie schwach."

D.M.: "Meine Herzensliebe, wie kann ihnen aber denn ihr leibliches Leben geblieben
sein?"
Antw. : "Derjenige gibt ihnen reines keusches Blut und Mark, um dessentwillen sie
ihr natürliches unreines Blut und Mark verzehret haben. Nun ist ja in dir selbst all
dein Mark und Blut verdorret und erstorben." (2.Kor. 4,16)

D.M.: "Meine Herzensliebe, davon weiß ich nichts."


Antw. : "Das ist wahr; du hast es vergessen, und das machte die überschwängliche
Liebe, die in dir blüht."

D.M.: "Warum leuchten diese Menschen inwendig wie klare Engel?"


Antw. : "Gott hat sie mit so unaussprechlich großer Liebe erfüllt, daß es aus ihnen
leuchten muß, und das wissen sie selbst nicht (Luk. 1, 28/29), und begehren es
auch nicht zu wissen. Wie wenige dieser Menschen auch sind, so läßt doch Gott die
Christenheit auf ihnen stehen, und wo sie nicht wären, so ließe Gott die
Christenheit untergehen (Matth. 5,13). Er gäbe alsobald dem Teufel Gewalt, die
Welt mit dem Garn hinunterzuziehen."

D. M. : "Ach, daß dieser Menschen so wenige sind! Ach, meine Herzensliebe, waren
es sonst nicht mehr als es jetzt sind?"
Antw. : "Wisse, es waren dieser Menschen vor gar nicht langer Zeit viel mehr als
jetzt."

D.M.: "Ach, Herzensliebe, so hätte es mir notwendig geschienen, daß Du sie der
Christenheit zur Hilfe hier gelassen hättest."
Antw. : "Gott wollte nicht, daß diese lieben Menschen unter den falschen Christen
lebten und wandelten, welche wider alle christliche Ordnung leben." (Weish. 4,
1315).

D.M.: "Herzensliebe, was für ein Leben haben diese Menschen oder wissen sie, daß
sie dem Ursprung nahe sind?"
Antw. : "Sie wissen es nicht für gewiß; aber je zuweilen wird ihnen ein kleiner Blick
aus dem Ursprung geschenkt, woran sie wohl merken, daß sie ein anderes inneres
Aussehen und Leuchten besitzen. Aber sie haben sich gar lauter und bloß Gott
ergeben und gelassen im Glauben. Sendet ihnen Gott einige vergnügende
Erquickung, so erschrecken sie mehr darüber als wenn Er sie darben ließe: denn sie
begehren nichts als dem Bilde Christi einfältig im Glauben nachzufolgen (1. Kor.
2,2). Sie lieben und suchen und begehren keine tröstliche Ergötzung (l.Kor. 2,3).
Sie haben sich so einfältig und lauter zum Glauben gewendet, daß sie nicht
begehren, noch suchen, etwas zu wissen. Sie sind auch so demütig, daß sie sich
unwürdig dünken aller göttlichen, verborgenen, trostreichen Geschenke und
dieselben auch nicht verlangen (1. Kor. 15, 810).

D.M. sprach: "Meine Liebe, haben diese Menschen also ganz und gar keinen
Wunsch?"
Antw. : "Sie haben keinen andern Wunsch, als daß die Ehre Gottes vollbracht werde
und sonst nichts. Sie haben sich Gott so völlig überlassen; was Er mit ihnen und
mit allen Dingen tut, das gefällt ihnen alles im Innersten wohl. Gibt Er ihnen, so
lassen sie es gut sein; nimmt Er ihnen, so lassen sie es gut sein und stehen also in
allen Dingen frei. Sie scheuen mehr süß als sauer, denn sie lieben das Kreuz."

D.M.: "Haben sie keine Furcht?"


Antw. : "Sie fürchten weder Hölle, noch Hades, noch Feinde, weder Tod noch Leben;
alle Furcht hat sie verlassen außer daß es ihnen vorkommt, sie folgen dem Bilde
Christi nicht so nach, wie sie gerne möchten und schuldig seien.
(Rom. 8, 3139, l.Joh. 4,18). Sie sind so demütig, daß sie sich selbst und alle ihre
Werke, die sie je getan haben, für völlig nichts achten; sie stellen sich unter alle
Kreatur und wollen sich niemand vergleichen, weder in Zeit noch in Ewigkeit; und sie
haben alle Menschen lieb in Gott, und wer Gott liebt, den lieben sie auch und sind
der Welt im Innersten abgestorben und alles Wirken der eigenen Vernunft hat in
ihnen aufgehört; sie sind es, die Gott lieben und Ihn meinen mit all ihrem Tun und
Lassen. Sich selbst aber meinen noch lieben sie nicht, noch suchen sie irgend das
Ihre oder sich selbst in Zeit und Ewigkeit. Sie haben sich selbst im Innersten
verloren und alle Kreatur mit ihnen selbst, und alles, was je geschaffen wurde in Zeit
oder Ewigkeit. Sie leben in einem Unwissen und begehren auch nichts, denn sie
halten sich für unwürdig. Wisse, durch diese Menschen sind die Feinde gefahren mit
allen Anfechtungen, die jemand erdenken mag, wovon ein Teil über menschliche
Weise und Sinne geht (2. Kor. 12, 79);

und sie haben keinen andern Willen, als, wollte Gott dieselben wieder gegen sie
senden, sie mit Freuden zu empfangen. Alle Kreaturen sind ihnen ein Kreuz und
haben sie durchgelitten; und gäbe ihnen Gott dieses Kreuz wieder, sie wollten es
gern empfangen, denn ihr Herr und Gott ist mit dem Kreuz vorangegangen, und sie
begehren nur diesen Weg und nicht anders zu gehen bis an ihren Tod. Auch sind sie
der Welt unbekannt, aber die Welt ist ihnen wohlbekannt. Diese Menschen, die auf
dem neunten Felsen wohnen, sind die rechtgläubigen Menschen, sie sind die wahren
Anbeter, die den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit."

D.M. sprach: "Meine Liebe, ich fürchte, daß diejenigen, die dieses Buch lesen sollten,
sich daran ärgern, und man soll ja die Perlen nicht vor die Säue werfen."
Die Antw. : "Das empfiehl Gott! Wisse, daß dieser letzte Teil, der hier geschrieben
ist von dem neunten Felsen, der Christenheit nützlicher sein sollte als alles, was in
dem ganzen Buche steht. Wisse auch, daß einer von diesen Menschen Gott teurer,
lieber und werter und der Christenheit nützer ist denn tausend andere Menschen,
die aus ihrer eigenen Weise leben.

Daß vielerlei Sachen hier in Bildern vorgetragen sind, daran soll man sich nicht
stoßen; auf andere Weise wüßte man nicht, was es wäre und könnte es nicht
verstehen. Gott ist ein so großes Gut, daß kein menschlicher Sinn Ihn zu begreifen
vermag. Du fürchtest, daß man diese Rede, die ich dir zu schreiben geboten habe,
nicht verstehen könne? Nun gibt es doch Menschen auf der Erde, die in ihrem Leben
dies erreicht haben (obwohl ihrer wenige sind), und die verstehen es wohl. Hätte ich
dich geheißen von den neun Chören der Engel zu schreiben, das wäre eine
unverständliche und fremde Rede, denn menschliches Verständnis möchte das
nicht verstanden noch begriffen haben."
D.M. sprach: "Ach, Herzensliebe, kann kein Mensch anders zu dem Ursprünge
kommen, außer wenn er mit diesen Leuten auf diesem neunten Felsen wohnt?"
Antw. : "Ja, es geschah dem hl. Paulus; aber er mußte darnach ein schweres Kreuz
tragen bis an seinen Tod und zuletzt sein Leben darum geben. Wisse, ungeübten
Tugenden ist nicht zu trauen, ebensowenig in dieser Zeit, als vor Jahrhunderten.
Der allersicherste Wegwäre, daß der Mensch diese großen, hohen Felsen mit
gleichmäßigem Gange in rechter Gelassenheit alle überstiege bis zu dem neunten
Felsen: so käme er erst zu wahrem Frieden."

D.M. : "Ach, Herzensliebe, ich fürchte, daß eine Menge Menschen viele Jahre seien
umhergelaufen und irre gegangen, so daß sie nie zu diesen friedsamen Menschen
kommen konnten, die auf diesem Felsen wohnen. "
Antw. : "Wen sieht man denn in dieser Zeit große Begierde darnach haben?"

D.M.: "Ich hoffe, daß gar viele Menschen darnach begehren."


Antw. : "Das ist wohl wahr, wenn sie es durch ihr Wissen haben könnten und nach
ihrem Willen: aber sie greifen die Werke nicht an." (Jak. 2,14)

D.M.: "Allerhöchste Liebe, sind diese Menschen auf diesem Berge nicht vom
Läuterungszustand befreit?"
Antw. : "Ja, wenn sie darauf bleiben bis an ihren Tod."

D.M.: "Allerhöchste Liebe, können denn die Menschen von da wieder hinabfallen?"
Antw. : "Es ist schon geschehen, daß von diesem hohen Felsen etliche hinabgefallen
sind bis unter das Garn. Der Grund war, daß der Feind etwas Selbstgefallen in sie
brachte, und sie widerstanden ihm nicht, wie sie billig gesollt hätten; und durch
eben diese Sünde ward der Feind verstoßen aus dem Himmel mit aller seiner
Gesellschaft. Und welche Menschen von diesem hohen Felsen auf den Boden und
unter das Garnfallen das werden die allerschädlichsten Menschen, die in der
Christenheit sind. Und zwar darum: sie haben von Gott die allerlichtvollste Gnade
empfangen, und dieses Licht verkehren sie in eine falsche Lehre, womit sie die
Christenheit irreführen; man sollte sie mehr fliehen denn die Feinde von der Hölle.
Das wäre einfältigen Leuten (besonders) nötig, daß sie sich vor ihnen hüten
könnten in dieser gefährlichen Zeit; denn das Unkraut beginnt sehr überhand zu
nehmen..Solange_die_Seele bei dem Leibe ist, kann sich der Mensch nicht höher
(als auf diesen Felsen) erheben, noch tiefer in den Ursprung dringen; dazu hängt
ihm der Feind an, ihn herabzuziehen, was er an Christus bewies, den er selbst anfiel
und versuchte."

D.M. sprach: "Ach, Herzensliebe, wie wert sind diese Menschen, die auf diesen
Felsen gekommen sind !"
Antw. :*17"Gott hat diese Menschen so unsäglich lieb, daß wenn es geschähe, daß
einer dieser Menschen allein Gott um eine Sache bäte und alle Christenheit in
dieser Zeit bäte miteinander wider die Sache, so erhörte Gott lieber den Menschen
allein, als eine Christenheit miteinander."

D.M. : "Ach, Herzens liebe, wie wundersam fröhlich erscheinen mir diese Leute!
Welche Freude und Wonne mag dann da sein, wo man Dich ohne Mittel sucht!"
D. Antw. sprach: "Wäre es möglich, daß ein Mensch aller Menschen und aller Engel
Sinn, Kräfte und Vermögen hätte, er möchte mit aller dieser Kraft nicht die
kleinste Freude begreifen, die Gott an seinen Freunden hat in Ewigkeit."

D.M.: "Ach meine höchste Liebe, ich möchte noch gerne sagen, daß es höchst nötig
wäre, es möchten hier auf diesem Felsen viele Menschen sein, um für die
Christenheit zu beten."
Antw. : "Daß derselben nun so wenig ist, dessen soll die Christenheit wohl eines
Tages gewahr werden."

D.M. : "Ach, Herzensliebe, ich hoffe doch, solange nur eines derselben lebt, daß Du
Dich um seinetwillen über die Christenheit erbarmen wollest!"
Antw. : "Wisse, wenn es Gott nicht mehr leiden will und es Seine Gerechtigkeit
verdrießt, so nimmt Er diesen Menschen allen die Kraft und Macht, für die
Christenheit zu bitten."

D.M.: "Herzensliebe, ich hoffe, daß die Zeit noch nicht gekommen sei, daß Du die
Welt untergehen lassen wollest; denn mich dünkt, daß die Zahl der Auserwählten
noch nicht voll sei."
Antw. : "Das ist wohl wahr. Aber wisse, daß Gott einst die Welt um ihrer Sünde
willen untergehen ließ bis auf acht Menschen, und von diesen kam eine neue
Menschheit; so wisse auch, daß Gott die große Unordnung, die jetzt herrscht,
nicht lange dulden will."

D.M.: "O meine höchste Liebe, nun fragete ich gern, wie lange Du diese Menschen auf
diesem Felsen wohnen lassest, die ihr Blut und Mark ertötet und hingegeben haben
um Deinetwillen, ehe Du sie lassest in den Ursprung sehen?"
Antw. : "Einigen wird dies zuteil, ehe sie darauf kommen; es muß ihnen aber hernach
gar sauer werden bis zu ihrem Tod, wie dem hl. Paulus geschah. Auch läßt Er
hineinblicken etliche Menschen, sobald sie auf diesen Felsen kommen, andere im
zweiten oder dritten Jahre, etliche im fünften oder im zehnten Jahre; so läßt auch
Gott etliche Menschen da liegen, darbend bis an ihren Tod, und wenn sie zu ihrem
Ende kommen, so läßt er sie dann hineinschauen; einem Teil wird der Ursprung
verdeckt, daß sie darben bis ihr Odem entweicht. Das sind die verborgenen
heimlichen Wege Gottes, die niemand zu wissen berechtigt ist. Warum Er aber mit
diesen lieben Menschen so ungleich verfährt, davon ist der Grund, daß Er wohl weiß,
was einem jeden gebührt und ihm gut und nütze ist. *18 Nun siehe, wie wenig ganz
gehorsame Menschen es in dieser Zeit gibt, denn nur die sind es, welche auf diesem
Felsen wohnen."

D.M. : "Ach, Herzensliebe, dürfte ich unwürdige Kreatur Dich bitten denn für mich
ist es zu viel, Du aber vermagst alle Dinge daß Du mich wolltest bei diesen
Menschen wohnen lassen hier auf diesem Felsen! Ach, Herzensliebe, zürne doch
nicht über solche Bitte; wenn es irgend sein kann, so hilf Du, der alle Dinge vermag,
daß ich dieser lieben Menschen Knecht sein dürfte, denn ich selbst bin dessen ganz
unwürdig."
Antw. : "Gott ist leicht zu überwinden mit Demütigkeit; diese hat er angesehen bei
dir und will dich nicht nur bei diesen Leuten wohnen, Er will dich auch sogar in den
Ursprung sehen lassen."
D.M.: "Ach, Herzensliebe, dies dünkt mich eine seltsame Rede; wie soll ich
Aller unwürdigste Kreatur dazu kommen, dessen ich so gar unwürdig bin?"

WIE DER MENSCH VON GOTT GEZWUNGEN WURDE


INDEX
IN DEN URSPRUNG ZU SEHEN
Die Antwort: "Nun sei gehorsam und öffne deine inneren Augen. Du mußt selbst in
den Ursprung sehen."

D.M. erschrak von Grund seines Herzens und seiner Seele und sprach:
"Allerliebstes Leben, erlasse mir Armen diese große Ehre, denn ich bin derselben
sehr unwürdig und dabei unfähig zu dieser Sache; dies bitte ich dringend um Deiner
selbst willen und um alles Guten willen, so sehr ich nur Deine Güte bitten darf; wenn
es doch Dein göttlicher Wille wäre, so erlaube mir dagegen zu bitten, da es mir eine
so gar schwere Aufgabe ist. "
Die Antw. sprach: "Gib diese Rede auf, denn es muß sein; du mußt alles schreiben,
was man ausdrücken und sagen kann oder der Vernunft erfaßlich ist."

D.M. : "Ach, Herzensliebe, wie geht es zu, daß Du mir zeigen willst was Deinen lieben
Freunden verborgen und unbekannt ist und es denen verbirgst, die so lange auf
diesem hohen Felsen gewohnt haben mit großer starker Übung? Ich bitte Dich um
Deiner selbst willen, erlasse mir Unwürdigen diese seltenste hohe Ehre."
Antw. : "Erlasse du mich dieser Bitte; denn es muß sein! aber wisse, du mußt es vor
deinem Tode sauer und bitter verdienen."

D.M.: "Ich erschrecke nicht davor; hast Du ja doch um Deines armen Knechtes willen
auch so viel erlitten. O allerliebstes Leben, tu mit mir armem unwürdigen Geschöpf
was Dein Wille ist in Zeit und Ewigkeit!" So wie sich nun der Mensch drein ergab und
überließ, ward ihm alsbald die Pforte des Ursprungs aufgetan, und er sah in den
Ursprung so, als ob es kaum ein Augenblick wäre. Als dies Gesicht ein Ende
genommen hatte, fand er sich so voll Freuden und Licht in seinem ganzen Innersten,
daß er ganz von sich selbst kam und von der Zeit nichts mehr wußte.

Als er wieder zu sich kam, so war die inwendige Freude und das Licht so
unermeßlich und unaussprechlich, so überschwänglich groß, daß er in seinem
natürlichen Menschen erschrak und sich besann und dachte: Wo bist du gewesen
und was für ein Wunder ist mit dir geschehen, daß deine Seele wie deine leibliche
Natur so überfließet von höchster Freude? So saß und dachte er lange. Aber je
länger er daran dachte, je weniger wußte er, was es war.

Er dachte, er wollte gerne davon schreiben und reden wie er geheißen war, doch
konnte und vermochte er nicht das Allerkleinste von dem, was er in dem Ursprung
gesehen hatte, sagen oder schreiben. Er besann sich nun darauf, wie er es in Bildern
und Formen zur Erkenntnis bringen möchte; aber er brachte es nicht zustande,
denn es ging weit über solche hinaus. Darnach nahm er sich vor, so lange es zu
erwägen, bis er es mit der Vernunft und der geistigen Anschauung darstellen
könnte: da ging es weit über alle Vernunft. Da dachte er, er wolle so oft und viel
daran denken, daß er es endlich erkennen lerne; je mehr er aber daran dachte, desto
weniger erkannte er's, denn es war eben über all seine Erkenntnis, über alles, was er
je verstund und gehört hatte (2.Kor. 12, 4). Je mehr er sich auf solche Weise
bemühte, desto weniger und immer weniger wußte er, was es war.

So sprach er (D.M.): "O Herzensliebe, mich wundert sehr, was Du meintest, als Du
sprachst, ich solle sehen und es schreiben, was man zu sagen vermöge. Nun kann
ich darüber nicht ein Wort zuwege bringen, noch mit meiner Vernunft es erreichen,
auch weiß und kann ich nicht verstehen, wo ich gewesen bin und was ich gehört
habe; denn ich bin ganz voll reicher Freude und weiß nicht wie ich diese unsägliche
Freude überwinden und dämpfen möge, daß sie nicht ungestüm ausbreche."
Antw. : "Wisse: die allerkleinste Freude, die in Gott ist, geht weit über alle Freuden
dieser Welt und ob sie auch alle in einer Stunde beisammen wären."

D.M. sprach: "Ach Herzensliebe, mich wundert, daß mir mein Herz nicht zerspringt
von überströmender Freude. Ach mein allerliebstes Leben, dürfte ich Dich fragen
und Du wolltest mich bescheiden, was das gewesen ist, was ich sah und wo ich war,
denn ich kann davon weder reden noch schreiben."
Die Antw. sprach: "Wisse, du hast in den Ursprung gesehen. Daß du dies nun weder
aussprechen, noch verstehen, noch begreifen kannst, das laß dich nicht wundern;
denn wenn es möglich wäre, daß ein Mensch aller Menschen, die je gelebt haben,
Sinn und Vernunft hätte, er könnte mit eigener Kraft nicht das Allermindeste von
dem begreifen, was du gesehen hast. Darum laß dir das kein so großes Anliegen
sein, denn es wäre über alle menschliche Vernunft und Verständnis. Und da du das
sähest, da warst du los von allen geschaffenen Dingen, und der Schöpfer wurde dir
zum Bräutigam gegeben, und du wärest in der erhabenen Schule, wo der hl. Geist
der Meister ist.

Und da deine Seele in die hohe Schule kam, da sah sie, daß dieselbe ganz voll war von
Schriften, die waren voll wahren Lichtes und wahrer Weisheit; und als dies deine
Seele ansah, da wurde sie so unsäglich froh und war so begierig, daß sie vor
Freuden aus ihr selbst unter diese Schriften sprang und sich um und um wandte,
bis sie ganz erfüllt von wahrem Lichte den wahren Geist der Weisheit und der
Unterscheidung gewann. Zugleich aber wurde in dieser hohen, würdigen Schule
deiner Seele vom obersten Meister so viel überströmender Liebe geschenkt, daß es
überfloß in den äußeren Menschen. "
D.M. sprach: "Ach, Herzensliebe, ich muß Dir sagen, sobald ich in den Ursprung kam,
empfand ich in meiner Seele so unsäglich große Liebe, daß ich gerne alle Pein
gelitten hätte, welche alle Seelen im Stande der Läuterung leiden, um sie zu
befreien; auch empfand ich so große Liebe in meiner Natur (doch auf übernatürliche
Weise), daß mir Dein Leiden so tief zu Herzen ging und Dein Tod mir so
unaussprechlich und grenzenlos lieb wurde, daß ich nach dem größten Leiden und
nach dem schmählichsten Tode dürstete, den man erdenken könnte. Dabei ergriff
meine Seele auch eine heftige Sehnsucht darnach, Deinen Tod zu ehren und meine
Natur wurde von einer Begierde erfüllt, zu leiden für alle Sünder und für die Leiden
aller Menschen, die auf Erden sind, wenn es Dein Wille gewesen wäre."
Antw. : "Wisse, du hast diese Liebe und die überschwängliche Gabe geholt in dieser
hohen und erhabenen Schule des hl. Geistes."

D.M.: "Herzensliebe, sollt' ich all das Leiden allein gelitten haben, das alle Menschen
leiden müssen, Dir zu Lob und Ehre, es wäre mir eine große Freude gewesen."
Antw. : "Wisse, daß sich nie ein Mensch in so hoher göttlicher Liebe befindet, wenn
er nicht auf dieser Stufe steht."

D.M.: "Wäre es Dein Wille, so wollte ich mich gerne in die ewige Hölle geben Dir zu
Ehren, wenn dadurch alle Menschen das erkennen würden, was Du mich unwürdige
Kreatur hast sehen lassen von Deinem grundlosen Erbarmen."
Antw. : "Wisse, wollten die Menschen, die jetzt leben, von ihrem eigenen Willen auf
das ernstlichste los werden und sich männlich über diese neun großen hohen Felsen
wagen; welcher Mensch Gott also folgen möchte, den würde Er selbst führen und
ihm helfen, wie Er dir getan hat."

D.M. : "Meine Herzensliebe, ich weiß keinen Menschen, dem ich es nicht von Grund
meines Herzens gönnte, so wohl als mir selbst. Mich wundert, daß ich so große,
grenzenlose Freude in mir finde."
Antw. : "Nun baue nicht zu viel auf die so große Gabe; denn wenn es Gott Zeit
dünkt, so nimmt er sie völlig hinweg und läßt dich so arm und unwissend als ob du
nie etwas von Gott erlangt hättest."

D.M.: "Herzensliebe, zürne nicht darüber, was ich nun sage: Du bist mir so inniglich
lieb geworden, daß ich nicht weiß, was Du mit all Deiner Macht tun könntest, das
mir leid sein sollte, denn alles was Du tun kannst, das muß mir in allen Stücken
Wohlgefallen um der großen Liebe willen, die ich zu Dir habe. Stünde es bei mir, so
wüßte ich nichts besseres, denn all Dein Tun ist über alles gut; gibst oder nimmst
Du mir, es ist mir gleich lieb. "
Die Antw. sprach: "Siehe du, daß dir nicht geschehe, wie es dem hl. Petrus ging, der
auch große Verwegenheit und Keckheit hatte; als aber die Not hereinbrach, da
entwich ihm seine Stärke."

D. M. "Herzensliebe, ich überlasse mich Deinem Erbarmen."


Antw. : "Nun siehe über alle diese 9 Felsen und unter das Garn, das über alle diese
Welt gezogen ist." Der Mensch sah unter das Garn, wie zwei Menschen unter
demselben wandelten; der eine war durch und durch schön anzusehen, wie ein heller
Engel; der andere Mensch war durch und durch schwarz und finster anzusehen, wie
der Feind, ausgenommen, daß er noch Menschengestalt hatte.

D.M. sprach: "Allerliebste Herzensliebe, wer sind diese beiden Menschen?"


Die Antw. sprach: "Wisse, der Mensch, welcher unter dem Garn geht so gar
schwarz wie der Feind, derselbe hatte den Aufenthalt bei denjenigen Menschen, die
auf dem neunten Felsen wohnen; und er ward hinabgestoßen wie Luzifer, denn er
fand etliches Wohlgefallen an ihm selbst und hatte aus diesem Selbstgefallen viel
Redens mit den Leuten und wollte etwas sein für sich selbst; und nun ist derselbe
der schändlichsten Menschen einer, den es auf der Erde geben kann; denn seine
Lehre ist falsch, und er ist mehr zu fliehen als alle bösen Geister. "
Und der Mensch sah viele dieser Art, die ihre Wohnung unter dem Garn hatten, daß
es ihn sehr jammerte; denn diese Leute sind die allerschändlichsten Menschen in
der Christenheit.

D. M. sprach: "Wie soll man diese falschen Menschen erkennen?"


Die Antw. : "Sie lehren einen schnellen, sanften Weg, zu dem auch die Natur geneigt
ist, besonders in dieser Zeit.' (Matth. 7,15)

D.M. : "Herzensliebe, wer ist der Mensch, der so durch und durch leuchtet unter
dem Garn?"
Antw. : "Wisse, daß dieser auch in den Ursprung gesehen und bei der Gesellschaft
dieser lieben Menschen gewohnt hat; aber bewegt von großer Liebe und Erbarmung
zu seinem Nächsten ist er hinabgegangen unter das Garn zu den armen Sündern,
ob er etwa mit Gottes Hilfe einen bekehren und ihm aus den Sünden helfen könnte.
Dieser Mensch sieht gar weit und weiß, wie jämmerlich die Christenmenschen unter
dem Garn in erschrecklichen Gefahren liegen; und er wollte gern einen leiblichen Tod
leiden darum, wenn er ihnen aus den Sünden helfen könnte; denn die strengen
Gerichte Gottes nach dieser Zeit sind ihm wohlbekannt."

D.M.: "Ach, Herzensliebe, sind dieser leuchtenden Menschen wohl viele in der
Christenheit?"
Antw. : "Du sollst wissen, daß dieser Menschen gar wenige sind, so daß es dir
schwer wäre zu ertragen, wenn du es sehen würdest."
D.M. : "Haben diese Menschen noch Furcht?"
Antw. : "Ja, sie haben Furcht, aber keine andere als die, daß sie ihrem Herrn und
Gott zu wenig dienen und Seinem Bilde nicht so nachfolgen, wie sie gerne möchten;
und obgleich diese Furcht leicht könnte hinweggenommen werden, so läßt sie doch
Gott eine kleine Weile darin. Sie fürchten aber weder Unterwelt, noch Hölle, noch
Teufel, noch Menschen, weder Sterben noch Leben, denn alle Furcht hat sie
verlassen, außer allein der kindlichen Furcht; diese müssen sie manchmal haben bis
an ihren Tod."

D.M.: "Haben diese Leute noch zu leiden?"


Antw. : "Ja, sie haben zu leiden und begehren auch nichts anderes, als dem wahren
Bilde Jesu nachzufolgen bis an ihren Tod. Ihr größtes Leiden ist, daß sie wohl
erkennen, wie gefährlich es mit der Christenheit steht, mit der sie das liebevollste
Mitleiden haben; (Rom. 9, 13). sie sind nämlich so hoch erleuchtet, daß sie wohl
sehen bei allen Menschen, woran sie hängen, daß sie nicht vorwärts gehen zu ihrem
Ursprung. Und wenn diese edlen, erleuchteten Menschen sehen, wie die gefangenen
und festklebenden Menschen mit ihren selbsterwählten Lebensweisen und auch
mit andern Dingen gebunden sind, so haben sie großes Mitleiden mit ihnen und dies
Kreuz tragen sie Christo, ihrem Haupte, nach bis an ihren Tod."

D.M. : "Herzensliebe, sind diese Menschendes ewigen Lebens gewiß?"


Antw. : "Sie sind von ihnen selbst ausgegangen und mit Gott eins geworden: wo
wollte Gott mit Seinen Freunden hin? Sollte Er die Seinen dem Feind übergeben?
Das wäre nicht nach Seiner Weise. Darum wenn diese Menschen sterben, so treten
sie mit einem Schritte aus der Zeitlichkeit in das ewige Leben; denn diese edlen
erleuchteten Menschen kann niemand erfreuen als Gott allein mit Ihm selbst."
(Offenb. 7,1317 und 14,13).

D.M. : "Herzensliebe, was ist die Ursache, daß alle Ordnung so ganz verschwunden
ist in der hl. Christenheit?"
Antw. : "Zuvor in den vergangenen Zeiten wandte man sich in allen wichtigen Dingen,
die man vorhatte, an Gott und an die Freunde Gottes; wäre aber die Christenheit
jetzt in Nöten und es träte einer dieser edlen Menschen, die den Rat des hl.
Geistes haben, auf und wollte den Leuten raten in weltlichen und geistlichen
Sachen, sie machten es zu einem Spott und achteten ihn für einen Toren. Nun
wisse auch: wäre einem dieser Menschen die ganze Christenheit befohlen, er würde
sie gar viel besser regieren mit aller Ordnung als irgend jemand sonst vermöchte,
und es wäre ihm auch leicht solches zu tun; aber obgleich der hl. Geist in ihnen ist,
dennoch werden sie unterdrückt, für nichts geachtet und verspottet.
Aber lassen wir diese Rede fallen. Sage mir: Hast du das wohl verstanden, was
Gott damit wollte, daß Er dich zuerst ein hohes Gebirge sehen ließ, worauf so viele
Fische waren und daß diese Fische vom Gebirge herabstürzten über die Felsen und
wie sie herabgekommen durch alle Wasser und durch alle diese Welt liefen und wie
dabei viele von ihnen gefangen wurden und wie, nachdem sie durch die Welt gelaufen
und darauf wieder zum ersten Gebirge gekommen, ihrer so wenige geworden waren;
und wie sie die Wasser und das Gebirge hinaufklimmten über die hohen Felsen bis
zum Ursprung des herabströmenden Wassers und wie sie herabfielen, so oft sie
hier oben auf das Gebirge gekommen waren und ein Teil davon zu Tode fiel; da
sähest du, daß sie das so oft und viel wiederholten, ehe sie über die hohen Felsen
kamen, also, daß derer gar wenige wurden, die oben auf den Berg kamen; hast du
nun das alles wohl verstanden, was Gott damit meine?"

D.M.: "Ja, Herzensliebe, ich habe wohl verstanden, daß dies alles ein Merkzeichen
gewesen ist. Ach allerliebste einzige Liebe, erbarme Dich über die Christenheit!"
Antw. : "Was soll ich mich erbarmen? Sie verachten das alles. Gott hat sie hievor
gütlich gemahnt und gewarnt mit der großen Pest und noch vorher mit manchem
Merkzeichen, bald mit Liebe, bald mit Leid. Es hilft alles nichts, nach Gottesfurcht
fragen sie nichts; das will Gott in die Länge nicht leiden, und sie sollen ein anderes
empfinden, denn in viel hundert Jahren sind sie nie gar so böse geworden wie sie
jetzt sind. Sie laufen recht wie verirrte Schafe und wollen den Gottesfreunden (und
also ihren wahren Freunden, die sie warnen) nicht glauben.
Gott hat auch in dem alten Bunde und in dem neuen Bunde Seine Geheimnisse
Seinen besonderen Freunden geoffenbart, und das tut Er noch ebensowohl als
sonst und kann es auch ebensowohl als sonst; wer das nicht glaubt, dessen Fall
fängt hier an und soll ewiglich währen!"
D.M.: "O Herzensliebe, welch eine erschreckende Rede ist das für alle anfangenden
Menschen, die ihr Leben gerne besserten und doch keinen großen Glauben haben an
die Freunde Gottes, denn sie verstehen ihre Rede nicht."
Antw. : "Wie sollten sie die Freunde Gottes verstehen, solange sie ihrem Leben so
ungleich sind? Sie sagen, sie begreifen es nicht und sind nicht wert es zu begreifen.
Der Grund davon ist, daß sie nicht bereit sind, ihnen zu folgen. Wisse, daß es
anfangenden Menschen gar nützlich wäre, wenn sie sich einen Gottesfreund
erwähleten und ihm folgten, sich ihm an Gottes Statt übergäben und mit ihm allein
ihren Umgang hätten und sich hinfort mit allem Fleiße hüteten vor allen Gleißnern,
die Hinterwege laufen mit viel gewandteren Worten, welche man jetzt viel häufiger
hört als die Wahrheit aus der hl. Schrift. Allen einfältigen Menschen täte Not, daß
sie fliehen würden unter das Kreuz Christi und sich vor dieser falschen
Gesellschaft und ihren Räten hüteten. "

D.M.: "Herzensliebe, ich meine, wo ein einfältiger Mensch wäre, der einen ganzen,
unverwandten Zug zu Dir hätte, Dir allein zu leben und allen Kreaturen Abschied zu
geben, Du würdest ihm bald zu Hilfe kommen und ihm Deine Gnade schenken."
Antw. : "Gott ist bereit, Seine Gnade zu schenken wo Er bereite Gefäße fände, die
dafür empfänglich wären. Die jetzigen Menschen suchen alle das Ihre und lieben die
Gabe. Und diesen wird die barmherzige Gabe Gottes nicht zuteil; darum erlangen
die Menschen, die jetzt leben, wenig besondere Gnade, denn sie sind derselben
nicht empfänglich; sie kehren sich nicht ein mit einem tapferen, kühnen Gemüt und
mit einer rechten, demütigen Selbstverleugnung und Unterwerfung. Wo aber solch
ein Mensch wäre, der es täte, in dem wäre Gott jetzt bereiter als je, gute Dinge zu
wirken."

D.M. : "Ach Herzensliebe, gäbe es viele Menschen, die das täten, ich glaube, Du
würdest Dich erbarmen über die Christenheit."
Antw. : "Gott erbarmet sich in viel hundert Jahren nicht so sehr als jetzt in dieser
Zeit, denn Er verträgt jetzt so viel und schonet und warnet und gibt zu und wieder
zu; denn der Vater wollte vor langen Zeiten die Welt untergehen lassen bis auf
etliche Menschen, aber der Sohn trat dazwischen und bat den Vater, daß Er noch
zugab und stehen ließ."

D.M.: "Ach meine Herzensliebe, gedenke an Deine große Marter und an Deinen
bittern Tod und an all Dein elendes Leiden; und erbarme Dich über die Christenheit
und verziehe noch länger, daß sie sich bessern! Kannst Du denn keine Wege oder
Mittel finden, die dazu gut wären, daß sie wieder etwas in Ordnung kämen, daß sie
Dich mehr vor Augen hätten?"
Antw. : "Was soll ihnen Gott tun? Du siehst ja, daß alles nicht hilft, was Gott mit
ihnen tut; sie leben so gar verkehrt und manche sind ohne alle Gottesfurcht; das
will der Vater in keiner Weise mehr leiden."
D. M. : "Herzensliebe, erbarme Dich über sie."
Antw. : "Wie soll Gott sich erbarmen? Sind sie doch so sehr hinter sich gegangen,
daß es die Gerechtigkeit in die Länge nicht mehr dulden will; und wenn die Zeit
kommt, da dein und aller Menschen Gebet aus ist, dann muß die Barmherzigkeit
schweigen, und der Vater muß Seinen eingebornen Sohn rächen lassen alle die
Unehre, die Ihm angetan ist und noch angetan wird in diesen gefährlichen Zeiten."

D.M. : "Ach, hochgeliebte Liebe meines Herzens, nun weiß ich nicht mehr was ich
sagen soll, als wieder, daß Du nach Deinem grundlosen Erbarmen mit ihnen
handelst. Doch ja, o Herzensliebe, erlaube mir noch eine Frage und dann genug:
Haben die Menschen, die würdig sind, in den Ursprung zu sehen, darüber
vollkommene Freude in der Zeit?"
Antw. : "Ich sage dir, sie haben so große Freude, daß es ganz unaussprechlich ist;
dennoch ist diese volle Freude der ewigen Seligkeit so ungleich, wie die Zeit der
Ewigkeit. Ich sage dir: Ein inwendig verborgenes Kreuz sollst du tragen bis an deinen
Tod, und das sei auch deine Aufgabe, denn ich will nun nicht mehr mit dir reden."
D.M. "Ach, Herzensliebe, Dein Wille geschehe; ich verlange Deinem Vorbilde
nachzufolgen, so weit ich Armer vermag, bis an meinen Tod."

Als dies Buch ganz fertig geschrieben war, da nahm Gott alle die schönen Gaben
wieder und machte den Menschen so arm, als ob er von Gott nie etwas empfunden
hätte und gab ihm dazu die allergrößte Anfechtung, die über alle menschlichen
Begriffe war. Und dieser Mensch lebt noch und glaubt, er solle es bis zu seinem
Tode haben und begehrt auch nichts anderes als Leiden.
Dies Buch ward angefangen zu schreiben in der Fasten, nach Christi Geburt im
Jahre 1352. Niemand soll noch darf fragen, durch wen Gott dies Buch geschrieben
habe; denn derselbe vertrauet der Güte Gottes, daß es in seinem Leben nimmer
auskomme, noch keiner Kreatur in dieser Zeit bekannt werde, wiewohl er auch das
dem Willen Gottes übergeben hat, ob es geschehe oder nicht!

ANHANG INDEX

Fingerzeige des früheren Herausgebers (Sie beziehen sich auf Abschnitte im Text)
1)
An heiligem Tage in einer heiligen Zeit, in der heiligen Stille des frühen Morgens; zu
einer Stunde, da die Sinne des Menschen nüchtern sind und das Blut ruhig wallt
(Ap. Gesch. 2,15), erging an einen Mann, der gewohnt war, eine Stimme von Oben
zu hören (1. Sam. 3, 4) als vom Herrn und sich zu sammeln in der Tiefe seines
Geistes, der Befehl, sich für eine außerordentliche Mitteilung zu bereiten. Dieser
Mann hieß Rulmann Merswin, ein Kaufherr zu Straßbürg.
Sein frommer Sinn nimmt den Redenden für Gott; diesem gemäß redet er Ihn an
und nennt Ihn seine Herzensliebe, aber die Stimme selbst spricht von Gott als von
einem andern; es ist wohl die Stimme eines Engels des Herrn, der im Namen Gottes
spricht, und so konnte auch gleich Abraham und Gideon (1. Mos. 18, 14/25. Rieht.
6, 12/23) der Mensch, der nur in Gott selbst allein sein Genüge fand, über den
Boten hinaus mit dem Herrn selbst reden. Den Engel erkennt er als "Stimme
Gottes" und stellt ihn so weder zu hoch noch zu tief. **
Und eben weil er, los von sinnlichen Ergötzungen, nur dem Herrn allein anhängen
wollte, darum weigert sich der Mensch so beharrlich, daß es nahe an Eigensinn
streift, der Gesichte, welche die inneren Sinne in Anspruch nehmen; so wie zugleich
Demut und Furcht sich zu versündigen und Eigenes mit einzubringen, ihn so stark
beherrscht, daß er fort und fort dem Auftrag zu schreiben widersteht; wiewohl er
sogleich gehorcht, sobald dieser Auftrag als strenger göttlicher Befehl
ausgedrückt wird.
*) Die Nummern beziehen sich auf die Randziffern im Hauptteil.
**) Der Allgegenwärtige vernimmt ja sehr wohl die direkte Anrede Seines Kindes und demgemäß inspiriert der Herr
als Vater Seinen Gesandten, damit so das schwache Menschenkind frei und unbefangen mit demselben verkehren
könne.

Zugleich sehen wir dabei auch die große Herablassung der ewigen Liebe, welche mit
den Ihrigen väterlich redet, ihnen Freiheit lasset, sogar ihre Weigerung duldet. (2.
Mos. 3,11; 4,10/13; Jerem. 1,6). Obwohl nun solche Weigerungen von Gott immer
durch Seines Geistes Bestrafung überwunden werden, so werden sie doch
zugelassen, damit man sehe, daß keine menschliche Liebhaberei und Spielerei mit
Wunderbarem dergleichen hervorgebracht habe, sondern daß es die heilige Gnade
Gottes gebe, die weiseste ewige Liebe, deren Ziel und Absicht stets die Besserung
und Rettung der Menschen ist. Darnach sollen auch wir fragen, wenn wir dieses
Büchlein lesen und nicht am Wunderbaren hängen bleiben.

2)
"Dies Büchlein ist für alle Menschen, sie seien Sünder oder Heilige." Die ganze
Christenheit soll und kann, wenn sie will, sich darin spiegeln. Es wird aber ein
Unterschied gemacht zwischen heiliger und gemeiner Christenheit. Die "heilige
Christenheit" ist das Licht der Welt und das Salz der Erde; sie ist geheiligt durch
das Blut Christi, erfüllt von dem heiligen Geiste, kann und soll geistliche Dinge
richten; das Wort Gottes hat sie lebendig in sich aufgenommen und besitzt
dadurch den Geist der Unterscheidung; was sie verwirft, das ist nicht das Wahre,
was sie annimmt, das ist es. Aber sie ist nicht die Quelle der Wahrheit, sondern das
Wahre und Heilige ist aus Gott und wird nicht erst durch die Gläubigen, die es
bekennen und in sich bewahren, recht und gut. Die hl. Christenheit unterscheidet
also nur durch den hl. Geist, ob etwas dem Wort Gottes gemäß sei oder nicht. Sie
hat den Dienst am Worte für die Schwächeren und für die Welt, sie hat das
Predigtamt, wodurch der Glaube kommt.
Diese hl. Christenheit ist aber nicht die äußerlich gegliederte Kirchenordnung,
worauf sich besonders das Papsttum so viel zugute tut, es ist nicht die ganze
christliche Kirche in der Welt, es gehören weder alle Christen zu ihr, noch alle
Prediger, noch alle Kirchenoberen. An diesen hat im Ganzen der Herr viel zu richten!
Denn der größte Haufe hat Gottes Wort und Geist verlassen und wird darum billig
die "unheilige Christenheit" genannt. Die hl. Christenheit aber ist kein äußerer Bund,
obwohl sie mit der ganzen unheiligen Christenheit auch äußerlich verbunden, also
auch keine Sekte ist. Nur Gott kennet und zählet sie, nur ein Kind Gottes erkennt
das andere. Diese Auserwählten sind offenbar nach ihrem Wandel und verborgen
nach ihrem Inwendigen; sie sind die "Gemeinschaft der Heiligen", die unsichtbare
Kirche, welche zu leugnen die Protestanten am meisten sich hüten sollten. Diese
unsichtbare Kirche obgleich ihre Glieder noch mehr oder minder Sünde habensteht
immer in gleicher Herrlichkeit vor Gott als eine reine Braut; die ganze Christenheit
aber, die Gesamtheit der Glieder der äußeren Kirche ist sehr wandelbar, bald
besser, bald schlimmer und tut der Sünden viel; sie ist voll Heiden und Juden.

Die wahre Kirche ist die unsichtbare,


Sie ist in Jesu Geist allein;
Lebst du in Ihm, hast du das Wahre!
Die Liebe muß dir's Höchste sein
In jeder Kirche zählt sie Glieder
Der kleinen Auserwählten Schar,
Denn wir sind alle Schwestern, Brüder,
Die wahre Kirch' ist unsichtbar.
Folg Jesu nach, getreu, still, fromm und klein
So wirst du in der wahren Kirche sein!

3)
Und schlimm, sehr schlimm stand es mit der Christenheit zur Zeit, als die neun
Felsen geschrieben wurden (1352). Weltliche und geistliche Macht waren stets
untereinander in Händeln, desgleichen Geistliche und Laien unter dem Volke; sie
warfen sich gegenseitig die schlimmsten Sachen vor und taten dergleichen wirklich.
Die Liebe war längst erkaltet, denn die Ungerechtigkeit hatte arg überhand
genommen. Das Nähere sieht man in dem Büchlein selbst.
4)
Elf Wochen lang währte der Widerstand des Sehers, bis er sich Gott überließ und
zum Schreiben entschlossen war. Wen das wundert, der bedenke, daß diese elf
Wochen nicht nutzlos verflossen mit Kämpfen zwischen dem Engel des Herrn und
dem Menschen, sondern daß nicht täglich und in einem fort die Gesichte sich
darstellten, Gott aber Seinen Weg dennoch fortging und durch wiederholte
Vorstellungen das Ganze dem Menschen tiefer und klarer einprägte. Die
körperlichen Leiden, welche der Seher dabei hatte und die fast übermenschliche
Anfechtung, die er leiden sollte bis an seinen Tod, sind uns eine Gewähr weiter für
die Echtheit der himmlischen Gesichte ; denn Leiden macht nüchtern und wachsam
und erinnern uns neben mehreren alttestamentlichen Propheten besonders an
Paulus, dem mit den hohen Offenbarungen auch des Satans Engel als Pfahl ins
Fleisch gegeben und nicht abgenommen wurde auf sein dreimaliges Flehen.
(2.Kor. 12,110)
Daß der ganze erste Abschnitt: "Wie ein Mensch gezwungen wurde zu schreiben"
nur eine kurze Zusammenfassung dessen sei, was in jenen elf Wochen der
demütigen und ängstlichen Weigerung zwischen der "Antwort" und "dem
Menschen" verhandelt worden, braucht wohl kaum erinnert zu werden.

5)
Der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Das war, ehe das ordnende Licht von
Gott erschaffen worden und die Welt ihre Gestalt bekommen hatte. Wasser ist
das irdische Grundelement, aus Wasser kommt das, was geboren wird. Darum ist
hier das Wasser als Sinnbild des Ursprungs dargestellt, als Bild der Natur und des
Naturlebens, sowohl des reinen, als des gefallenen und entarteten. Das Meer auf
dem Gebirge ist der reine Naturzustand; das Meer in der Welt der tiefverderbte,
der höllische.
Die Fische und Netze erinnern an Habakuk (1, 1317). Das himmlische Gegenbild
des zweiten Abschnittes von den Wassern, die sich reich an edlen Fischen zur Zeit
der Vollendung des göttlichen Reiches über die ganze Erde ausbreiten, findet sich
in Hesek. (47, 110) und wolle dort nachgelesen und mit unserem Abschnitt
verglichen werden.

6)
"Wie durch eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sind, also auch
durch Eines Gerechtigkeit werden viele Gerechte. Durch eine Gerechtigkeit ist
gekommen über alle Menschen die Rechtfertigung des Lebens." (Rom. 5) Nach
diesen Worten schiene es vielleicht jemanden nicht richtig zu sein, wenn es in
unserm Büchlein heißt, es helfe wenig, daß der Sohn Gottes gestorben ist.
Dennoch "sind diese Sachen nicht wider die Schrift". Denn es sagt ja auch nicht nur
Johannes: "die Seinen nahmen Ihn nicht auf;" sondern auch der Herr, daß wenige den
schmalen Weg finden; und: "viele sind berufen, aber wenige auserwählt". Es ist also
ein Unterschied zu machen.
Die Gerechtigkeit Christi wird allen angeboten, und es ist der Wille Gottes, daß
allen geholfen werde; und der Tod und die Auferstehung Jesu Christi bleibt der
Lebensgrund für die einstige Wiedergeburt der Menschheit; aber wenige von der
ungeheuren Zahl Menschen nahmen bisher Christum tatsächlich an.
Wenn gleich ferner gesagt ist, daß das Sterben eines einzelnen Menschen der
Christenheit nicht helfen könne, so ist es doch gewiß nach der Schrift, daß ein
einzelner Auserwählter für einzelne leiden kann, aber freilich kann er das nur,
nachdem er selbst des Leidens Christi teilhaftig worden ist, durch die
Gerechtigkeit Christi; und wiederum so, daß die Seligkeit eines Menschen sich nie
auf des Bruders stellvertretendes Leiden gründet, sondern nur auf das Leiden und
Sterben des Herrn Jesu Christi. Das Leiden eines Bruders für den andern ist nur
eine Handreichung der Liebe. Auf diese Weise sind folgende Stellen zu vereinigen
(Hebr. 7,2328, 9,28, Kol.1,24, Eph. 4, 1516).

7)
Es gibt eine Ausgabe der "Neun Felsen", welche dieselben ein "Stufengemälde
christlicher Vollkommenheit" nennt. Diese Bezeichnung ist nicht treffend. Vielmehr
erklärt sie der Seher unter Beistimmung des Engels selbst für eine
Warnungsstimme. Sie sind eine Bußpredigt und warnen "Sünder und Heilige", daß
keines sicher sei. Deshalb ist es sehr wohl angelegt, wenn zuerst die Sünden der
Menschen und zwar ihre gröbsten und auffallendsten nach den einzelnen Ständen
gestraft, dann aber bei der Lehre von der Rückkehr zu Gott die inneren Gefahren
hauptsächlich gezeigt werden. Das ist auch die Weise in der Offenbarung Johannis,
im Propheten Jesaias, ja in der ganzen Bibel, vom Paradies und dem Sündenfalle an
bis zum Neuen Jerusalem.

Der Leser behandle also die kurzen Straf reden an einzelne Stände doch ja nicht
nachläßig. Er meine nicht, das gehe ihn nichts mehr an. Gewiß wird er in diesem und
jenem Stück sich selbst getroffen finden. Wer sich nicht gründlich prüft, noch
gründlich kennt, wird nie sich gründlich bessern. Überhaupt ist es merkwürdig, wie
sehr das Bild einer Zeit, die schon ein halbes Tausend von Jahren hinter uns liegt,
noch für uns paßt* wie jetzt noch Geistliche und Laien, Hohe und Niedrige,
Pietisten und Weltleute sich müssen von der fünfhundertjährigen Strafpredigt
getroffen fühlen. Wer sich darüber wundern wollte, dem müßte es noch
merkwürdiger sein, daß Schilderungen eines fremden Volkes und seiner Sünden,
noch zweitausend Jahre älter: die Reden der Propheten des Alten Testamentes in
hundert Zügen, oft bis in das einzelne Wort hinaus, auch auf unsere Zeit für unser
Volk passen. Das kommt aber daher, daß das Herz des Menschen allezeit von
Natur dasselbe trotzige und verzagte Ding gewesen, ein Sitz und eine Quelle aller
Laster und daß jeder Mensch zu allen Zeiten will er gerettet werden dieselben
bösen Neigungen zu überwinden, dieselben Versuchungen zurückzuschlagen hat.
Wenn aber allerdings die gleichen Stände in die gleichen Standeslaster fallen und
wenn in Beziehung auf die mancherlei Arten der Übertretung, nach ihrem Grunde
betrachtet, alle Zeiten unter allen Völkern sich gleichen, so ist doch immer und
überall auch ein Unterschied vorhanden.

Wie es Jahre gibt, in welchen die verheerendsten Seuchen wüten und wieder andere,
die gesund und fruchtbar sind, also gibt es Zeiten, in welchen dem Satan mehr
Macht gegeben ist als sonst; im Ganzen aber scheint die Christenheit tiefer und
tiefer zu sinken, 'und der Riß zwischen denen, die Gott fürchten und jenen, die ihn
nicht fürchten, immer größer und schrecklicher zu werden. Bei aller Ähnlichkeit nun,
die unsere Zeit mit dem 14. Jahrhundert hat nämlich christlich angesehen ist doch
ein deutlicher Unterschied da, und das ist, daß jene alte Zeit unter allen Lastern
doch noch so viel geistige Armut hatte, das erste Gebot unangetastet zu lassen,
während jetzt die Zahl der Frechen immer größer wird, die auch leugnen, daß es
einen Gott gebe. War man damals lasterhaft, so nannte das doch niemand Tugend,
jetzt aber ist es soweit gekommen, das man ein völlig Gottloses und sinnliches
Leben mit frechem Munde für die eigentitliche Sittlichkeit aus schreit".'" Wir sind
also inzwischen weit genug herab gekommen. Denn wo die allerersten Gebote
weggeworfen werden, da fliehet alles Leben aus dem Geiste und das Fleisch führt
sein TodesRegiment. Vor fünfhundert Jahren haben sehr wenige die hl. Schrift
gekannt, jedermann aber hat sie hoch geachtet; jetzt kennt man sie allgemein und
große Haufen treten sie mit Füßen.
*Ausgabe 1850; gilt aber auch heute, im Jahre 1971 mehr denn je für uns im einzelnen, wie für die Völker! und wird
immer gültig sein.

8)
Obgleich uns die Päpste, Bischöfe, Kardinäle, Mönche, Nonnen usw. nichts angehen,
so durfte doch von dem Herausgeber kein Teil des Büchleins weggelassen werden.
Es gehört alles genau zusammen. Dabei möchte es wohl sein, daß manche Leute
sich auch in diesem Spiegel besehen könnten.

Den Päpsten wird vorgehalten ihre Herrschsucht und ihr Eigennutz; den Kardinälen
ihr Ehrgeiz; den Bischöfen ihre Nachläßigkeit und ungeistliche Sitte; den
Bettelmönchen, welche damals hauptsächlich die Seelsorge hatten, ihre Lauheit
und falsche Menschenfreundlichkeit, den Predigern Menschenfurcht, den Nonnen
ihr scheinfrommes, ungöttliches Leben und heimliche Gebundenheit in groben
Sünden; den Weltgeistlichen ihre Üppigkeit; den Beguinen ihre Prunkliebe und
Schwätzerei, den Lollarden ihre Hohlheit und Selbstgefälligkeit. Das wird den
Geistlichen (von damals) gesagt (und dürfte auch jetzt noch passen).

Aber ebenso wird mit den Weltlichen ein scharfes freies Wort geredet, denn "die
Schuld liegt auf beiden". Wenn nun die himmlische Rede mit wenigen Worten erklärt,
daß kein Stand dem andern etwas vorzuwerfen habe, so ist diese Erinnerung
damals höchst notwendig gewesen, wo nicht nur die Geistlichen über die Weltleute
klagten, welche in Hochmut, Herrschsucht, Geiz und viel anderem Unrecht gefangen
seien, sondern auch die Weltlichen das so ganz ungeistliche Leben der Geistlichkeit
scharf durchzogen.

Aber niemand hat das Recht, den andern zu beschuldigen, wenn er nämlich sich
selbst ansieht. Und das sollten wir uns heute noch immer wieder sagen. Denn
obgleich lebendige Christen unter allen Ständen noch hin und her zu finden sind,
welche am meisten über das Verderben des eigenen Standes seufzen, so ist es
doch allgemein bekannt, wie vielfach von Geistlichen und Pietisten und sonst etwas
gläubigen Leuten die Schuld unseres jetzigen tiefen Falles von sich selbst ab und
auf die andern Mitschuldigen gewälzt werden will; während sie erkennen sollten,
daß sie doch in jedem Falle die größte Verantwortung haben und daß das
Stückchen Christentum, das sie etwa besitzen, noch lange keine ernste, heilige,
lebendige, treue Nachfolge des Heiligsten sei, dessen Namen sie stets im Munde
führen.

Desgleichen wenn auf der andern Seite weltliche Leute den Geistlichen Lauheit und
Trägheit, irdische Gesinnung und Hochmut, den Pietisten Geiz, Unsauberkeit und
Eigenliebe, den Gläubigen Engherzigkeit und Lieblosigkeit, nebst einem ganzen
Heere anderer Sünden vorwerfen, so dürften sie doch auch mitunter fragen, ob sie
das Unrecht nicht zweimal üben, das sie an andern strafen, und ob sie nicht so
manches Gute und Rechte von denen lernen könnten und sollten, die sie richten und
schmähen. Am betrübtesten ist es aber, daß diejenigen, welche Christum wirklich
wollen, über den Unbedeutenderen sich untereinander entrüsten und so lieblos und
enge gegeneinander sind. Wenn diese Zeit der gemeinschaftlichen Gefahr sie nicht
zusammentreibt und verbindet, welch ein Ende wird es denn auch mit ihnen
nehmen?

9)
In jener alten Zeit waren Päpste und Kaiser hart wider einander; beide aber waren
wider Gott. Darum ist auch das Schwert der Wahrheit wider beide. Da wird nicht
Partei genommen, wie es päpstliche Schriftsteller gegen den Kaiser und Kaiserliche
wider den Papst taten; hier spricht der Mund der unparteiischen, heiligen
Gerechtigkeit und straft mit den Päpsten auch Kaiser und Könige. Zwar berichtet
uns die Geschichte noch manche der Sünden, deren sich diese schuldig machten,
und das ist auch angedeutet in unserem Büchlein, allein hier sollten die besonderen
Standessünden hervorgehoben werden. Ein König soll nicht geschmähet werden; so
wird auch hier dem Obersten des Volkes nicht geflucht, und die göttliche Ordnung
in ihm geehrt. Aber es wird ihm ein schönes Bild eines rechten, demütigen und
tapferen Gottesknechtes vorgehalten, in welchem jeder Zug wohl genaue
Beachtung verdient!

Dem Adel wird vorgehalten seine Härte gegen die Untertanen, sein weichliches,
üppiges, ausgelassenes, verschwenderisches Leben; den Handelsleuten ihre
ungemessene Habsucht und Prachtliebe; den Bauern ihre Rohheit, Bosheit und
Hoffart. Mit besonderer heiliger Schärfe aber wird bei den "weltlichen Weibern" und
den Eheleuten die Unsauberkeit und Zuchtlosigkeit gestraft. Wer diese Abschnitte
ernstlich liest, den wird es schauern. Denn obwohl die freche Tracht der Weiber, wie
sie auch im vorigen Jahrhundert auf schändliche Weise in der Mode war, im
Allgemeinen gegenwärtig (1850) nicht gefunden wird, so mag sich doch manche
Dame im Ballkleide auch noch heutzutage in diesem heiligen Zornspiegel besehen,
und so sollen diese Worte doch alle jene eitlen Weibspersonen zu Herzen nehmen,
welche voll jämmerlicher Gefallsucht sich bemühen, mit ihrem Leibe und

Gewände, die beide dem Moder entgegeneilen, zu prangen und nicht sich, sondern
dem Teufel Seelen fangen; und so wünschte ich, daß dieses Schriftchen mancher
Ehemann läse, der der heimliche Mörder seines Weibes ist. Ja, die Ehen die
sogenannten Ehen sie schreien zum Himmel! Buchstäblich gilt es unserer Zeit: "der
größte Teil der Menschen ist voll Unflates geworden, im Ehestand und außerhalb",
und die Prediger sollten viel mehr dagegen zeugen (können!)

10)
Der Schluß der Strafreden spricht vom tiefen Verfall der Menschen im
Allgemeinen; er schildert sie in ihrem äußersten Verderben und nennt die gröbsten
Grundlaster: Unkeuschheit, Hoffart und Habsucht. Ach, und auch bei uns ist diese
traurige Schilderung wahr! Gott hat vor kurzem die Leute gewarnt mit allerlei
Zeichen, Krieg, Brand, Erdbeben hin und wieder, mit Seuchen in vielen Gegenden, mit
Mißwachs und Teuerung, mit Gewerbsnot und Armut; es hilft wenig.
Eins tut dem andern mit lachendem Munde Leides; Mord und Raub wird für recht
erklärt, man predigt in Büchern und Zeitungen, daß Sünde nicht Sünde sei. Aber so
frech auch viele in den Tagen der Gnadenfrist sind, so viele werden im Tode
verzweifeln.
Bedenklich ist es, daß in dem Büchlein gesagt ist, Gott wolle nicht, daß Seine
Freunde für jene frechen Lasterknechte in dieser Zeit bitten sollen. Zwar steht im
alten Testament (Jerem. 7,16; 11,14; 14,11), daß der Prophet für die in völlige
Abgötterei und Lasterdienst versunkenen Leute nicht bitten solle; aber ich weiß
nicht, ob man die Fürbitte unterlassen dürfe, ohne bestimmten göttlichen Befehl.
Wenn es aber in unserem Büchlein heißt: "Gott will nicht, daß Seine Freunde um
etwas bitten in dieser Zeit", so scheint mir dies dahin verstanden werden zu
müssen, daß eine Fürbitte für diese Abtrünnigen keine Erhörung finden könne. *
Was von den Juden gesagt ist, wird wohl nicht auf die alten Juden vor Christus und
zu der Apostel Zeiten zu beziehen sein, sondern auf jene Juden im 14. Jahrhundert,
die so oft grausam verfolgt wurden und über welche Gott harte Gerichte zuließ.
(Und an die der Herr auch vor 100 Jahren durch J. Tennhardt spezielle Mahn und
Lockrufe ergehen ließ.)
*) Auch diese barmherzige Fürbitte soll ja, wie jede Bitte, allerbestens schließen mit dem: doch nicht mein
(kurzsichtiger) sondern Dein allein heiliger, d.h. unfehlbar, alle und alles umfassender Liebewille geschehe.

11)
Es wird vielleicht mancher fragen, was Todsünden seien?
Johannes redet von einer "Sünde zum Tode" in seinem ersten Briefe und spricht, er
sage nicht, daß man dafür bitten solle. Damit meint er wahrscheinlich die
Lästerung des hl. Geistes. Aber dies ist hier nicht gemeint. Hier ist es viel mehr ein
alter katholischer Ausdruck (an dem man sich nicht
engherzig stoßen soll) und hat man unter Todsünden verstanden: Mord, Ehebruch,
Meineid, Hurerei, Gotteslästerung und dergl.
kurz solche Sünden, wodurch der Mensch sich vom Gnadenstande entschieden
ausschließt, eigentliche Gottlosigkeiten.

12)
Von allen denen, welche noch nicht völlig wiedergeboren sind, ist gesagt, daß sie
noch zu leiden hätten, ehe sie in den Himmel kommen und zwar große Pein bis zur
achten Stufe, ja auf den unteren Stufen unsägliche. Hieran möchte sich jemand
stoßen. Nun ist es allerdings wahr, daß uns Worte wie: "unaussprechlich große Not
und Angst und heftige Flamme und Jammer" fast zu stark vorkommen, daß man
versucht ist zu sagen: das ist eine harte Rede, wer kann sie hören? Allein es ist zu
bedenken, daß das im Vergleiche zu der himmlischen Seligkeit geredet ist, und wenn
auch der Zustand eines unseligen oder noch nicht seligen Geistes keine
Verdammnis ist, so ist es doch ein Stück Hölle und in vielen Fällen gewiß viel
schwerer als irdische Leiden. Dabei ist auch an das zu denken, was Jesus von dem
"reichen Manne" sagt, der "in dem Hades (die Übersetzung Hölle ist ungenau) und in
den Qualen" war. Hades ist die Geisterwelt, der Läuterungsstand.
13)
Es ist gesagt, daß der Teufel keine Gewalt mehr über die Bußfertigen habe, und
doch heißt es bis zur achten Stufe, daß er noch eine Angel oder einen Haken in sie
geworfen habe. Aber aus den Stricken muß er sie lassen. Sie sind nicht mehr unter
seiner Herrschaft, sind nicht mehr sein, aber sie sind noch nicht von seinem
Einfluße frei. Wir wollen über diesen Punkt den teuren Spener hören.
Er sagt: (Katech. 1027 u.f.)
"Wie der ganze Mensch Fleisch vom Fleische geboren und verderbt ist, also muß
auch der ganze Mensch durch die Wiedergeburt zu einem Kinde Gottes werden. Die
Wiedergeburt geschieht aber so, daß Gott den Menschen aus Gnaden zu seinem
Kinde annimmt und alsdann auf unaussprechliche Weise den Geist und neuen
Menschen in ihm schafft (zeugt) und damit den ganzen Menschen zu einer andern
Natur verändert, so daß derselbe nun ein geistiges Leben und neue Kräfte hat,
auch Gutes tun kann, welches, ob es wohl schwach und unvollkommen ist, dennoch
Gott wohlgefällt, weil Er es gegeben hat.

Allein damit ist der alte Mensch nicht ganz abgetan, obwohl der neue vorhanden
ist. So sind sie denn einander entgegen. Der alte Mensch folgt seiner Vernunft, der
neue will sie gefangen nehmen unter den Gehorsam Christi; der alte Mensch hat nur
Lust zum Bösen und einen Ekel am Guten, der neue Mensch aber hasset das Böse
und hat Belieben an dem Guten, der alte Mensch sucht sich in allen Dingen, der
neue verleugnet sich selbst und sucht seines Gottes Ehre und des
Nebenmenschen Bestes; der alte setzt sein Wesen auf das Irdische und Zeitliche,
der neue strebt allein nach dem Geistlichen und Ewigen und erkennt in diesem sein
Heil. Daher ist ein steter Kampf in dem Wiedergeborenen, den Geist gelüstet wider
das Fleisch und das Fleisch wider den Geist. "
Fährt nun aber, so lehren die neun Felsen, der Mensch mit tapferem Gemüte in der
Bekämpfung des alten Menschen fort, so wird der Geist endlich zur vollkommenen
Herrschaft gelangen und obgleich dies sehr selten geschieht, so ist es doch auf
Erden möglich, und es ist gefordert in dem Worte Jesu Christi: ihr sollet
vollkommen sein wie euer Vater im Himmel vollkommen ist. Aber von Versuchungen
ist niemand frei.

14)
Die natürliche Freundlichkeit ist sehr weit entfernt von der Freundlichkeit im
Geiste und die "heiteren Gemüter", wie man sie oft so "liebenswürdig und
angenehm" findet, sind ganz andere Leute, als jene Traurigen und Ertöteten, die
allezeit fröhlich und lebendig sind. Je fröhlicher vielmehr die Natur oder das Fleisch
ist, desto gefährlicher steht es mit dem Geiste. In Spiel und Lust tändeln sich
Tausende in den Abgrund, ehe sie es ahnen. Sie genießen die sogenannten
"unschuldigen Freuden" so lange, bis sie von Sünde und Schuld beladen und in dem
Netze des Verderbers sind. Dann gehen ihnen wohl manchmal die Augen auf, aber
meist zu spät.

15)
Ein anderes ist ein Rückfall derjenigen, welche die höchsten Stufen erlangt haben,
ein anderes derer, welche weniger fest in Christo eingewurzelt sind. "Es ist
unmöglich, daß die, so einmal erleuchtet sind und geschmeckt haben die himmlische
Gabe und teilhaftig geworden sind des hl. Geistes und verkostet haben das gütige
Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, wo sie abfallen und wiederum
ihnen selbst den Sohn Gottes kreuzigen und für Spott halten, daß sie sollten
wiederum erneuert werden zur Buße". (Hebr. 6, 46) Wenn aber Paulus die
abgewichenen und zurückgefallenen Korinther und Galater straft und ermahnt und
sie das annehmen, so ist es ja ein Zeichen, daß auch die Gefallenen wieder umkehren
können, wenn sie nicht zu hoch herabfallen und zerschmettert sind. Sehr begreiflich
aber ist es auch, daß viele liegen bleiben und die sich wieder aufmachen, doch sehr
schwer den bessern Zustand wieder erlangen können.

16)
Daß in denen auf dem neunten Felsen kein Tropfen Blut noch Mark geblieben, das
ist von den natürlichen bösen Fleischeskräften gesagt. Der ganze Mensch muß
wiedergeboren werden. Aber bis er dahin kommt, sind heiße Kämpfe, auch
körperliche und den Körper tief angreifende, nötig; und daß solche schwach
machen, sehr schwach, das wissen die, so es erfahren haben. Andere aber sollten
sich hier des Urteils enthalten.

17)
Der Herr sagt: "Wo zwei oder drei versammelt sind in Meinem Namen, da bin ich
mitten unter ihnen" ; und vorher: "Wo zwei unter euch eins werden auf Erden, warum
es irgend ist, daß sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im
Himmel." (Matth. 18, 19.18.) Wer nun, wie das so oft geschieht, nicht
unterscheidet was doch immer so nötig ist zu wem der Herr redet, wer nicht acht
darauf hat, daß er da mit den Aposteln spricht, wer mit seinem bisschen
Christentum und seinem halben Glauben sich den Auserwählten beizählt, der muß
sich freilich ärgern, wenn er oben liest, daß das Gebet eines einzigen Menschen von
dem neunten Felsen oder eines Vollkommenen mehr wert sei als das der ganzen
Christenheit. Allein obgleich die Worte nicht ganz genau gefaßt sind, so sind doch
offenbar unter "der ganzen Christenheit" hier eben nur diejenigen verstanden
welche unter dem neunten Felsen sind und in welchen der Feind noch Angel und
Haken hat. Die hohe, tröstliche Wahrheit im obigen Ausspruch ist die, daß VOR
Gott die Kraft und die Macht nicht in der Menge und Masse liegt, sondern in der
inneren Reinheit. Ob also auch in unseren Zeiten die Welt" Immer massenhafter in
die Netze fiele, wenn einzelne hohe und reine Auserwählte da sind, so wird die wahre
Gemeinde Gottes keinen Schaden leiden und ein gesunder Samen übrig bleiben für
die neue Erde und den neuen Himmel.

18)
Werfen wir noch einmal einen Blick auf die neun Felsen oder Stufen, so ist vor allem
der Irrtum abzuweisen, als ob hier von Stufen des Himmels die Rede wäre. "Es sind
nicht die neun Chöre der Engel", sagt die Antwort. Was hier dargestellt wird, das
sind die neun Stufen der Erneuerung, vom Anfang der neuen Geburt bis zum
vollkommenen Alter Christi oder bis zur Vollendung.
1. STUFE: Der Mensch fürchtet Gott und hütet sich vor frechen Sünden.
Dabei ist er aber noch lau und träge, in der Natur gefangen und eigenliebig genug,
seinen Zustand für den besten zu halten. Ein solcher hat bis zu seiner Reinigung
noch sehr viel zu erleiden und wird es jenseits doch nicht hoch bringen.
2. STUFE: Der Mensch beginnt sich in einigem zu verleugnen und hält sich zu
christlichen Freunden. Aber er ist zu nachsichtig gegen sich selbst, nennt seine
Trägheit Schwachheit, hält noch sehr an der Welt und ärgert sich an der Strenge
seiner Führer oder Lehrer. Da ist noch sehr viel auszubrennen und wird doch keine
große Seligkeit erreicht werden.
3. STUFE: Der Mensch ist sich strenge, bekämpft tapfer seine sinnliche Natur,
aber sein Beweggrund ist nicht die Liebe zum Herrn, sondern die Furcht vor der
Hölle und der Wunsch, in den Himmel zu kommen. Dabei ist er noch nicht völlig von
der Welt los und hängt noch sehr in der Eigenliebe. Das bringt noch viel Leiden.
Auf diesen drei Stufen ist die Liebe zur Welt noch in verschiedenem Grade
vorhanden.
4. STUFE: Die Weltlust ist überwunden, redlich, treulich, völlig. Aber die
Eigenliebe hat noch sehr tiefe Wurzeln, und es ist sehr schwer, sie von ihren
selbsterwählten Wegen abzubringen. Da ist noch viel zu läutern.
5. STUFE: Die Mitte. Hier erst ist der ganz richtige Weg betreten. Der Mensch
sieht ein, wie eigenwillig er war,
er fängt an, nichts mehr aus seinem Eigenen zu tun, sondern sich Gott zu
überlassen und der Führung eines geübteren Christen zu folgen. Aber es ist darin
noch keine Stetigkeit und gibt oft Rückfälle.
6. STUFE : Nun kein Schwanken mehr zwischen Gottes Willen und der eigenen
Wahl. Lautere geistliche Armut. Aber der Mensch ist noch kein Mann in Christo; er
will noch nach Kinderweise genießen, will mehr noch Trost und Ergötzung, statt
seinen Herrn und Schöpfer immer völlig ungehindert wirken zu lassen. Darum muß
noch viel ausgeläutert werden. Weltlust ist völlig überwunden, Eigenliebe redlich
und stetig bezwungen, aber diese ist noch nicht mit der letzten Wurzel
ausgerissen.
7. STUFE : Diese Menschen haben sich im innersten Grunde gelassen; der
Geist hat das Fleisch überwunden, und sie tun leiden gerne, was Gott will. Darum
hat ihnen auch Gott Seine besondere Gnade erteilt. Aber sie erfreuen sich noch
mit einiger Eigenheit an der Gnade und nehmen das hl. Abendmahl mit Verlangen
nach Trost und Genuß und erkennen das nicht. Sie werden deshalb noch heiße
Arbeit haben.
8. STUFE : Sie haben sich Gott völlig übergeben, was immer Er mit ihnen tun will
in Zeit und Ewigkeit; sie suchen allein Seine Ehre, und alle Güter der Welt haben
keinen Wert mehr für sie. Darum hat sie auch Gott mit mehr Gnade erfüllt und mit
hohem Lichte, also daß sie auch viele seiner verborgenen Wunder sehen dürfen,
doch noch in Bildern. Aber sie sind noch nach diesen Offenbarungen begierig, und
darin mangeln sie noch der rechten Vollkommenheit, und deshalb müssen sie auch
noch einige Läuterungen erfahren.
9. STUFE: Alles natürlich Wesen ist dahin, völlig gereinigt ist Blut und Mark, sie
leuchten inwendig wie klare Engel, sie haben keinen andern Wunsch, als daß die Ehre
Gottes vollbracht werde. Gott ist ihr alles.
Möchte nun jemand fragen, warum es hier gerade neun Stufen seien? so könnte
darauf geantwortet werden, es sei dies den neun Chören der Engel oder den neun
Stufen des Himmels entsprechend. Allein es sind nicht notwendig gerade neun
Stufen. Das sehen wir aus diesem Büchlein selbst. Denn diese neun Stufen lassen
sich auch in drei oder in zwei abteilen. Ferner lesen wir, daß mehrere der untersten
Stufen in einem Laufe können zurückgelegt werden, ja daß es Gott möglich sei, auf
einmal in den Ursprung zu erheben. Doch sei ungeübten Tugenden nicht zu trauen
und der gleichmäßige, stetige Weg der sicherste.

Wir finden aber auch in der hl. Schrift Stufen und Zahlen beachtet. So hat der
119. Psalm achtmal zweiundzwanzig Verse; stufenweise tritt die Schöpfung in
ihre Vollendung, den sieben Seligpreisungen entsprechen sieben Bitten des
Vaterunsers, den sieben Geistern, die vor Gott sind, sieben Engel und sieben
Gemeinden, und der Herr selbst teilt das Wachstum des Himmelreichs in drei
Stufen ein. (Mark. 4,28)
Das innere Leben nach Stufen abzuteilen, war in alten Zeiten bei den tiefsten und
geistreichsten Christen beliebt. Es ist wahr, es kann das auf eine sehr ungeistige
Weise getrieben werden, aber in unserem Büchlein ist das nicht der Fall, und daß
man jetzt zu wenig auf die Stufen achtet, daß man Kinder, Jünglinge und Väter
(1. Joh. 2.) zu wenig unterscheidet, das bringt der praktischen Anwendung der
Lehre vom Heil und von der Heiligung nicht wenig Schaden,
(Daher die Bezeichnung "Älteste", d.h. Gereifte).
Noch könnte der Leser den Anstand haben, daß zwar die ersten von den neun
Felsen sich leicht voneinander unterscheiden lassen, z.B. der erste vom zweiten,
der zweite vom dritten, aber der Unterschied des siebenten, achten, neunten
Felsen ein ganz unbedeutender scheint und doch so groß sein soll. Allein erstens
erkennt, wer im Tale steht, auch in der Natur die unteren Lagen eines Gebirges viel
deutlicher, als die oberen; sodann aber ist ja auch im Gewissen eines geförderten
Christen und eines Anfängers ein großer Unterschied.

Was einem Kind der Welt nicht Schaden bringt noch Pein,
Kann einem Kind des Lichts Schuld und Befleckung sein.

Wir hätten zwar der Anmerkungen zu den tiefsinnigen Gedanken und Winken der
neun Felsen noch viele machen können, allein wir wollen weiteres dem Leser
überlassen und nur noch das sagen, daß auch in Bezug auf die Beschaffenheit
außerordentlicher Mitteilungen aus dem Jenseits nebenbei nicht wenig hier
ersehen werden kann. Doch lasse das ja niemand sein Hauptaugenmerk sein, denn
man kann auch in dem klaren Wasser ertrinken, das den reinsten Himmel
spiegelt.

A.L.L.

Ja wohl, wenn der Herr es zuläßt, kann man sogar an einem Tropfen Wassers (oder
selbst an Himmelswein) ersticken, (was gleich ist dem Ertrinken); aber Er kann auch
gar wohl jemand erhalten, der in den großen Ozean gefallen ist; da gilt eben überall
das GrundWort der wahren Lebensweisheit: Übermut tut nicht gut; den Demütigen
aber gibt Gott Gnade
-ja:
Mit Ihm alles,
Ohne Ihn nichts ! (Joh. 5,5)

Sein Wille geschehe!


C.F.L.

NACHWORT INDEX

Nun könnte es sein, daß sich manche von der Höhe des neunten Felsens
abschrecken lassen, ihn zu erklimmen und denken: das können nur wenige Menschen
erreichen. Sind die Bedingungen scheinbar noch so schwer zu erfüllen, so ist es
doch jedem möglich und von Gott aus für jeden vorgesehen, dort hinzugelangen und
bis in den Ursprung zu gehen, da ja jeder auch daraus hervorgegangen ist.
Die Jünger entsetzten sich über die Worte Jesu, als Er sprach: "Wie schwer ist's,
ins Reich Gottes zukommen. Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr geht,
als daß ein Reicher ins Reich Gottes kommt." Sie entsetzten sich aber noch mehr
und sprachen untereinander: "Wer kann dann selig werden?" Jesus aber sah sie an
und sprach: "Bei den Menschen ist's unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge
sind möglich bei Gott." (Mark. 10, 2427)
Jedem, der sich ehrlich auf den Weg zu Gott begibt, schenkt Er Seine Gnade und
zieht ihn zu Sich empor. Wer immer das Gute anstrebt in absoluter Ehrlichkeit,
dem wird geholfen werden. Doch das Herz des Menschen ist es, das entscheidet,
ob Gott ihn zur Vollendung führen kann. Ist die Sehnsucht nach dem himmlischen
Vater und nach wahrer und treuer Erfüllung Seines Willens da, so wird Er in dem
Herzen die Führung übernehmen.
"Siehe, Ich stehe vor der Tür und klopfe an", spricht Jesus und wartet auf unsere
Hingabe und Bereitschaft. "So jemand Meine Stimme hören wird und die Tür auf
tun, zu dem werde Ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit Mir.
Wer überwindet, dem will Ich geben, mit Mir auf Meinem Throne zu sitzen, wie Ich
überwunden habe und Mich gesetzt mit Meinem Vater auf Seinen Thron."
(Offenb. 3, 2021)
Allen Lesern wünschen wir von Herzen Kraft und Ausdauer im Bestreben, die Liebe
Gottes zu erfassen, welche das menschliche Wesen befähigt, den Willen des Herrn
zu tun und damit frei zu werden von allen Fesseln der irdischen Schwächen und
Neigungen und heimzufinden zum Vater.
Die Herausgeber

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