November-Rose: Eine Rede über den Tod
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About this ebook
Ausgezeichnet mit dem Independent Publisher Book Award 2008. Diese Rede über den Tod ist in ihrer Einfachheit ein philosophisches Schwergewicht. Diskret und bestimmt durchdringt die Autorin persönlich Erlebtes und legt zugleich den Blick auf den philosophischen Untergrund einer der schmerzlichsten menschlichen Erfahrungen frei: des Todes des geliebten Anderen. Mit messerscharfer philosophischer Intuition und unerbittlicher Klarheit wird die Komplexität der persönlichen und sozialen Situation des den Tod des geliebten Anderen Überlebenden beleuchtet. Was da zum Vorschein kommt, läßt manche unserer Umgangsweisen mit Überleben und Tod fragwürdig erscheinen.
Kathrin Stengel
Kathrin Stengel, Ph.D., cofounder and president of Upper West Side Philosophers, Inc., Studio & Publishing, studied philosophy at the Universities of Leuven (Belgium), Munich, and Konstanz (Germany). She has taught philosophy at Seattle University and the Rhode Island School of Design, and has published widely on ethics, aesthetics and epistemology, including "Yoga for the Mind: A New Ethic for Thinking and Being & Meridians of Thought" (with Michael Eskin) and "Das Subjekt als Grenze" (The Subject as Threshold) — a comparative study on Ludwig Wittgenstein’s philosophy of language and Maurice Merleau-Ponty’s philosophy of perception. Her book "November Rose: A Speech on Death" — a philosophical meditation on loss, grief, and survival — has won the 2008 Independent Publisher Book Award. A frequent guest on radio programs throughout the US and Europe, Kathrin Stengel has designed and organized international philosophical events, including ‘What is Space? A Philosophical Inquiry into Space and the Imagination’, ‘About Style: A Philosophical Meditation on the Question of Style’, and ‘On Imagination: A Philosophical Studio’ (all three at the Rhode Island School of Design), as well as ‘Thinking and Experiencing Space’ (Germany), ‘Philosophical Walks with Nietzsche’ (Switzerland), ‘Pain and Beauty in Philosophy and the Arts’ (Seattle University), and ‘Image and Music: Improvisations on the 14 Stations’ for the Interfaith Assembly for Homelessness and Housing in New York City, video documentation of which was on display at the Brooklyn Museum of Art in 2005. For many years, Kathrin has also taught Vipassana Meditation. She lives in Manhattan with her husband and three sons.
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Book preview
November-Rose - Kathrin Stengel
Prolog
Teach us to care and not to care
Teach us to sit still
Even among these rocks …
(T. S. Eliot)
Der Tod ist ein Wendepunkt im Leben. Eine Kehre für den, der ihn stirbt. Ein Angelpunkt für den, der ihn erlebt. Je näher er dem eigenen Leben kommt, umso mehr greift der Tod um sich und dreht die Zeit um seine unsichtbare Achse. Er beendet eine bis dahin offene Zukunft ohne unsere Zustimmung und friert die Vergangenheit ein, indem er sie ihrer Lebendigkeit beraubt, sie auf einem Auge erblinden läßt, sie im Echo einer einzigen Stimme verhallen läßt. Zugleich entführt er den einen und beraubt den anderen seiner gewohnten Identität. Und obwohl die Entgleisung durch den Tod nur einen Teilaspekt der Identität zu betreffen scheint, lediglich ein oder zwei der vielen Rollen zu affizieren scheint, die man sich bisher zusprach – Mutter, Ehefrau, Geliebte, Freundin, Schwägerin – , so kann man doch nicht einfach nur diesen Teil der Identität gehen lassen und den ganzen Rest intakt halten, genauso wenig wie man einen Zug weiterfahren lassen kann mit einem entgleisten Waggon.
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Der Tod eines geliebten Menschen ist ein Erdbeben, dessen Epizentrum im Allerinnersten unserer Identität liegt und auf alle ihre Bereiche übergreift. Nicht nur erfaßt dieses Erdbeben meine Identität, es erfaßt auch alle Identitäten um mich herum. Der Schwager ist nicht mehr im gewohnten Sinne »Schwager«, der Onkel nicht mehr »Onkel«, die Oma nicht mehr »Oma« – alle Familienbeziehungen werden aufs Neue gefordert und geformt. Im Falle des Verscheidens gibt könnte, um sie gleichsam wieder für den Sprachalltag verfügbar zu machen. Man bleibt der, der man war, in Bezug auf den Verstorbenen und kann diese Beziehung doch nicht mehr leben ohne Gegenpart. Wie der Schlüssel zu einem zerstörten Haus, führt dieser Teil unserer Identität ins Nirgendwo.
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Die Grenze des Todes wird von den Lebenden gezogen. Manchmal bleibt die Todesgrenze eine bloße Vorstellung, wie die Vorstellung vom eigenen Tod, manchmal rückt der Tod jedoch hautnah an einen heran, erschüttert die eigene Existenz, mischt das Identitätspuzzle neu. Die, die wir waren, werden wir nach der Begegnung mit dem Tode des geliebten Anderen nie mehr sein. Das Überleben gibt mit einem Mal dem eigenen Leben eine Negativdefinition: Wir wissen, daß wir nicht mehr die sind, die wir vorher waren,