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Komplette Vorlesungen der Pathwork Vol. 3 (Complete Lectures of the Pathwork Vol. 3: German Edition)
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- Pathwork Press
- Released:
- Oct 17, 2013
- ISBN:
- 9781931589598
- Format:
- Book
Description
Dieser Band enthält die Vorträge Unedited 101-148 von Eva Pierrakos den Jahren 1957 und 1979 gegeben, um Pathwork Gemeinschaften weltweit. Die Lehren, zutiefst mit Selbsterkenntnis, Selbstakzeptanz und Eigenverantwortung betrifft, sind voll von Weisheit und Liebe.
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Komplette Vorlesungen der Pathwork Vol. 3 (Complete Lectures of the Pathwork Vol. 3: German Edition)
Description
Dieser Band enthält die Vorträge Unedited 101-148 von Eva Pierrakos den Jahren 1957 und 1979 gegeben, um Pathwork Gemeinschaften weltweit. Die Lehren, zutiefst mit Selbsterkenntnis, Selbstakzeptanz und Eigenverantwortung betrifft, sind voll von Weisheit und Liebe.
- Publisher:
- Pathwork Press
- Released:
- Oct 17, 2013
- ISBN:
- 9781931589598
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Komplette Vorlesungen der Pathwork Vol. 3 (Complete Lectures of the Pathwork Vol. 3 - Eva Pierrakos
Energiestrom
Nr. 101
S I T Z U N G v o m April 1962
DIE VERTEIDIGUNG
Grüße, meine liebsten Freunde. Gott segne einen jeden von euch. Gesegnet sei euer Pfad. Gesegnet auch eure Bemühungen
Wir haben wiederholt über eure Abwehrmechanismen gesprochen. Wir haben an diesem Thema gearbeitet und sind sehr auf sie eingegangen, und ihr habt einigermaßen gelernt, ihre Existenz zu erkennen. Ihr versteht aber noch immer nicht ganz, was mit eurem Sy-stem geschieht, wenn ihr euch in Verteidigung befindet. Allein das schon zu wissen wird eurer weiteren Arbeit und Selbstbeobachtung sehr nützlich sein. Die Prozesse eurer physi-schen, mentalen, emotionalen und spirituellen Natur zu verstehen, was auf all diesen Ebe-nen eurer Persönlichkeit passiert, wenn ihr in Verteidigung seid, bedeutet schon viel. Ihr habt begonnen, das zu beobachten und diesen harten Knoten, diese innere Mauer aufzu-decken, wenn ihr euch aus Angst zurückzieht und mit der Absicht zumacht, euch zu schüt-zen. Doch die Reaktion, euch zu verteidigen, ist so tief in euch verwurzelt, ist euch so zur zweiten Natur geworden, daß euch zumeist nicht bewußt ist, daß ihr in Verteidigung seid. Also müßt ihr sie mehr verstehen, müßt Ausschau nach ihr halten und, um sie zu über-winden, euch ihrer Existenz noch mehr bewußt werden
Glaubt ihr, euch verteidigen zu müssen, so habt ihr Angst, fühlt euch bedroht und gefähr-det. Sicher, es gibt echte Gefahren, und das menschliche System ist dafür ausgestattet. Werdet ihr tatsächlich angegriffen, wird sich all eure Aufmerksamkeit von ihren üblichen Aufgaben zurückziehen und sich auf diese eine Gefahr richten und konzentrieren. Um ein so zwingendes Problem sofort zu meistern, müssen all eure Kräfte auf den Punkt konzen-triert sein.
Dafür durchläuft euer ganzes System einen Wandel nur zu dem einen Zweck, die Lage zu bewältigen. So setzt euer Drüsensystem augenblicklich eine Substanz frei, die durch euer ganzes Nervensystem schießt, euren Blutdruck hochjagt und euren Pulsschlag steigert. All das geschieht nur, um eure Fähigkeiten auf die Gefahr einzustellen, eure Reaktion zu be-schleunigen und eure Wahrnehmung zu erhöhen. Seid ihr wirklich in Gefahr, ist das gut und wichtig, denn mit euren normalen Fähigkeiten, eurer normalen Wahrnehmung könn-tet ihr sonst nicht das Nötige tun, um euch zu schützen. So entwickelt ihr in solchen Mo-menten körperlich und geistig mehr Kraft, als ihr normalerweise besitzt, um euch zu ver-teidigen. Ihr urteilt und entscheidet schnell, ob die beste Verteidigung, um mit der Situa-tion fertigzuwerden, im Gegenangriff oder in der Flucht liegt.
In einem Durchschnittsleben treten solche realen Gefahren nur ab und zu auf. Die Sub-stanz, die euer Drüsensystem absondert, beinhaltet ein bestimmtes Gift, das euch nicht schadet, wenn euer Abwehrmechanismus nur bei solchen seltenen Gelegenheiten arbeitet. Ist die Gefahr vorüber und ist euer System zur Normalfunktion zurückgekehrt, wird dieses Gift aufgenommen und zersetzt sich. Für den entsprechenden Moment ist es eine notwen-dige Stimulanz, ist sie aber ständig in eurem System, ist Schaden unvermeidlich. Es ist das-selbe wie bei gewissen Heilmitteln, die für eine bestimmte Kur wichtig sind, aber habt ihr euch an sie gewöhnt, sind sie auf Dauer schädlich.
Wenn ihr euch aufgrund psychischer Konflikte, aus irrationalen und irrealen Gründen, in Verteidigung befindet, zieht euer Drüsensystem das nicht in Betracht. Es prüft nicht den Wert eurer Gründe. Das Gift wird in dem Moment frei, sobald ihr Angst habt. Wenn ihr in Verteidigung seid, habt ihr Angst. Also ist es wichtig, daß die unrealistischen Ängste ver-schwinden und die grundlose Abwehrbereitschaft aus eurem Leben verbannt wird. Sonst wird die giftige Substanz euren Kreislauf und euer Nervensystem gefährden und ihr wer-det auf die eine oder andere Weise physischen Schaden nehmen. Entsprechend der indivi-duellen Verfassung und physischen Widerstandskraft der verschiedenen Organe wird frü-her oder später Schaden auftreten, in der einen oder anderen Körperregion, mehr oder weniger bemerkbar. Das ist die körperliche Seite.
In Bezug auf die mentale Seite eures Wesens, wenn ihr tatsächlich in Gefahr seid, werden sich alle eure geistigen Fähigkeiten mit Hilfe der giftigen Stimulanz automatisch auf das anstehende Problem konzentrieren. Dafür könnt ihr euch auf nichts anderes konzentrie-ren. Ihr werdet keinen Sinn für Wahrheit und Klugheit haben, sondern euch ausschließlich um die augenblickliche Gefahr kümmern und euch vor ihr schützen. Alle anderen Überle-gungen, die für ein harmonisches und sinnvolles Leben sonst wichtig sind, werden ausge-schlossen. Geschieht das in vereinzelten Momenten akuter Gefahr, ist das gut und zweck-mäßig. Wenn die wirklich echte Gefahr vorbei ist, geht ihr zur Normalität über, und euer Denken kann sich wieder auf die vielen Aspekte des Lebens, auf andere Menschen und auf euch selbst konzentrieren, die alle nichts mit eurem Schutzbedürfnis zu tun haben.
Dennoch seid ihr ständig oder oft psychisch darauf eingestellt, Gefahr und Angriff abzu-wehren. Wo weder das eine noch das andere existiert, muß die Entwicklung eurer geisti-gen Fähigkeiten leiden. Auch wenn ihr sehr intelligent seid, bleiben eure Vorstellungen unreif und beschränkt. Eure Lebensauffassung ist viel zu eng, um mit dem Leben wirklich fertigzuwerden. All das passiert auf so subtile, heimtückische Weise, daß ihr davon gar nichts merkt. Ihr könnt den Unterschied nicht benennen, weil euch der Zustand, in Vertei-digung zu sein, zur zweiten Natur geworden ist. Das hindert euch, die Wahrheit anderer, des Lebens und eure eigene zu sehen. Es verhindert, daß ihr eure Möglichkeiten und wah-ren Potentiale erkennt und angemessene Entscheidungen trefft. All das weil euer ganzes mentales System darauf eingestellt ist, eingebildete Gefahren abzuwehren und euch ge-gen sie zu schützen. Dieselben Prozesse sind zu Gange, als befändet ihr euch in echter Ge-fahr. Wenn dem so ist, bringt euch die übersteigerte Wahrnehmung dazu zu entscheiden, ob ihr einen Gegenangriff startet oder, wenn das hoffnungslos gefährlich und fruchtlos ist, flüchtet und euch schützt, indem ihr euch versteckt. All eure geistigen Fähigkeiten sind auf diese Aufgabe gerichtet. Da bleibt kein Raum für irgendwelche anderen Überlegun-gen. Bei eurem unrealistischen Abwehrmechanismus tritt ein sehr ähnlicher Prozeß ein. Entweder ihr greift zur Pseudolösung der Aggressivität und/oder zum Rückzug vom Leben und/oder zur Beschwichtigung, was euch die Integrität raubt. Alle diese Alternativen sind Regeln, die eurer Angst entspringen, Gefahren ausgesetzt zu sein. Ihr befindet euch stän-dig im Kriegszustand, wobei der Hauptteil eurer mentalen Fähigkeiten darauf gerichtet ist, euch zu verteidigen, was nicht genug Raum läßt, sich richtig mit dem Leben zu be-fassen. Ihr könnt leicht erkennen, daß diese einseitige Konzentration in seltenen Momen-ten tatsächlicher Gefahr nötig ist, aber extrem schädlich und einschränkend, wenn keine solche Gefahr besteht.
Die emotionale Seite eures Wesens läßt euch bei echter Gefahr kaum Zeit oder Raum, et-was anderes zu fühlen als Angst und Ärger. In den seltenen Momenten echter Gefahr ist das gut, weil diese beiden Emotionen den nötigen Anstoß und die nötige Kraft liefern, euch zu verteidigen. Alle seine Fähigkeiten zieht der Gefühlskörper dann zurück und richtet sie auf dieses eine konfrontierende Problem. Wäre es nicht so, wärt ihr in solchen Momenten zu allen möglichen Gefühlen fähig, wodurch euch die nötige Stärke fehlte, euch zu verteidi-gen. Ist aber die Gefahr vorüber, kann der normale und integrierte Mensch schnell zu ei-nem Zustand zurückkehren, wo auch andere Gefühle in seinem System Platz haben.
Wenn ihr aber ständig in Verteidigung seid, sind die vorherrschenden Gefühle Angst und Ärger. Ich muß wohl nicht erörtern, wie schädlich das für euch und eure Umgebung ist. Wenn man euch kränkt, haltet ihr das fälschlich für einen Angriff und deshalb für eine Ge-fahr für eure Sicherheit. So verdrängt ihr—als Primärreaktion—die Verletzung sofort, aber euer Ärger und eure Feindseligkeit bleibt euch als Ersatz für die ursprüngliche Reaktion be-wußt. Welches eure Pseudolösung auch ist, ihr laßt euren Abwehrmechanismus laufen. Selbstverständlich seid ihr nicht mehr im Kontakt mit eurer Wahrheit. Nicht nur, weil die erlebte Verletzung—wie unangenehm sie auch gewesen sein mag—keine Gefahr ist und keine umfassende Verteidigung braucht, die so unendlich viel schädlicher wäre, als es der ursprüngliche Schmerz je sein könnte, sondern auch weil euch das ursprüngliche Gefühl, der Schmerz, nicht mehr bewußt ist, sondern nur die sekundäre Reaktion—Ärger. Das setzt einen Prozeß der Selbstentfremdung in Gang.
Ich glaube, ihr alle beginnt zu erkennen, wie dominant diese Abwehrhaltung ist. Sie kann subtil sein und ist nicht leicht zu entdecken. Sobald ihr aber auf der richtigen Spur seid, wird euch ihre ständige Existenz voll bewußt. Ihr wehrt euch nicht nur gegen Verletzung als einer vermeintlichen Todesgefahr, sondern auch gegen die Vereitelung eures Willens, gegen alles, was euren Wünschen zuwiderläuft. Alles das stellt für euch eine unbewußte Bedrohung eurer Sicherheit dar, obwohl es eigentlich keine ist. Es mag unerwünscht sein, aber Unerwünschtes ist keineswegs unbedingt gefährlich. Trotzdem ist ein Abwehrmecha-nismus seinem Wesen nach ein Prozeß zur Gefahrenabwehr. Werden diese Prozesse für echte Gefahren eingesetzt, sind sie sinnvoll. Ist es nicht dafür, ist euer ganzes System aus dem Lot. Eure Fähigkeiten sind in dem Maße eingeschränkt, wie ihr es bisher noch nicht ganz versteht. Mit anderen Worten, euer Selbsterhaltungstrieb ist zu Werke, wo er nicht erforderlich ist. Immer wenn Fähigkeiten eingesetzt werden, die eigentlich für andere Zwecke bestimmt sind, ist die menschliche Psyche verzerrt und aus dem Gleichgewicht.
Was die spirituelle Seite eures Wesens angesichts realer Gefahr betrifft, ist es wieder wich-tig und nötig, daß eure Fertigkeit zu fühlen angesichts des anstehenden Problems einge-schränkt ist. Wie schon gesagt, der Spielraum eurer Gefühle ist auf Angst und Ärger be-schränkt, um so das Problem eures Selbstschutzes richtig zu handhaben. Das läßt keinen Raum für Liebe, Wärme, Zuneigung, Verständnis, Mitgefühl. Mit anderen Worten, in Ge-fahrenmomenten zieht ihr euch auf euch selbst zurück, um Kräfte für einen Gegenangriff oder die Flucht zu sammeln. Ihr geht nicht mehr aus euch heraus, um zu versuchen, die Kluft zwischen euch und anderen zu überbrücken. Ihr kümmert euch nicht darum, die Trennung zwischen euch und anderen durch Kommunikation und Einheit zu beseitigen. In Momenten realer Gefahr würden solche Gefühle tatsächlich ein Nachteil sein. Ist aber die Gefahr vorüber, kehrt ihr zu dem Zustand zurück, wo ihr all diese warmen, guten, heraus-gehenden und hinausreichenden Gefühle empfindet. Genauso ist es mit der Kreativität, die auch eine Seite eures spirituellen Wesens ist. Ungeachtet, wie kreativ ein Mensch norma-lerweise ist, in Momenten akuter Gefahr ist diese Kreativität vorübergehend angehalten, nur um, wenn die Gefahr vorbei ist, zurückzukehren.
Seid ihr mehr oder weniger immer in Verteidigung aufgrund der irrigen Ansicht, jeder Schmerz, jede Frustration, jede Kritik und Zurückweisung sei eine Gefahr, schränkt ihr den Spielraum eurer Gefühle, eure kreativen Potentiale, die Fähigkeit, ins Leben hinauszuge-hen und mit anderen zu kommunizieren, die Fähigkeit, zu fühlen und euch auszudrücken, ein und müßt euch gegen Liebe und Verständnis schützen. Kurz, euer spirituelles Leben ist ernsthaft beeinträchtigt. Durch diese selbstauferlegte Beschränkung isoliert ihr euch mehr und mehr und setzt gerade die Muster in Gang, mit denen andere euch um so mehr ver-letzen und frustrieren werden, weil ihr sie unbewußt zurückweist. Also müßt ihr euch mehr verteidigen, und so ist ein voll entwickelter Teufelskreis in euch und zwischen euch und an-deren im Gange, der eure wechselseitigen Abwehrmechanismen beeinflußt und dadurch fördert, daß sich beide Seiten gegenseitig zurückweisen.
Wenn es überflüssig und sinnlos ist, daß ihr euch verteidigt, weil keine echte Gefahr be-steht, setzt ihr die ganze Zeit über in eurem physischen Körper giftige Substanzen frei. Ihr schränkt euren Raum zu denken und zu fühlen und auch eure schöpferische Prozesse ein. Ihr seht nicht die unendlichen Möglichkeiten des Lebens, des Austauschs mit Menschen. Ihr seid in eurer geschäftigen Verteidigung gegen eine nicht vorhandene Gefahr isoliert.
Wie ich schon sagte, solche echten Gefahren, die euer gesamtes Rüstzeug zur Verteidigung brauchen, treten nur relativ selten auf. Ihr müßt nicht lernen, eure Verteidigungen zu be-nutzen. Das ist ein automatischer Vorgang, den jeder Mensch besitzt. Sogar ein Kind hat diese automatischen Reaktionen, ohne daß man ihm davon etwas gesagt hat. Es gibt über den richtigen Abwehrmechanismus in Bezug auf wirkliche Gefahr nur eines zu sagen: Je mehr ihr diese Fähigkeiten für unechte Gefahren nutzt und sie damit mißbraucht, um so weniger funktionieren sie richtig und spontan, wenn sie für wirklichen Schutz gebraucht werden. Es ist eines dieser Ungleichgewichte, denen ihr innerlich ständig begegnet. Das ist der Grund, warum ein Mensch, dessen inneres System ständig auf Abwehr unechter Ge-fahren ausgerichtet ist, oft unfähig ist, mit echtem Angriff und echter Bedrohung umzuge-hen. Er ist dann gelähmt und hilflos und wird wirklich zum Opfer, weil er sich dafür hält, wenn er tatsächlich keines ist. Dieser Umstand ist nicht dadurch zu beheben, daß man die Verteidigungen im Falle echter Gefahr ermutigt. So funktioniert das nicht.
Die Fähigkeit, sich bei echter Gefahr selbst zu verteidigen, wird sich automatisch erweisen und zu funktionieren anfangen, wenn ihr lernt aufhören, euch zu verteidigen, wo es nicht nötig ist.
Aus diesem Grunde müssen wir uns mit der Beseitigung substanzloser Verteidigung, den nur eingebildeten Gefahren beschäftigen. Das trifft auch auf den Schmerz, die Zurückwei-sung, Vereitelung eures Willens und Kritik zu. Fühlt ihr euch für etwas Wahres, Halbwah-res oder Unwahres beschuldigt, empfindet ihr Todesgefahr. Übersetzt ihr eure Gefühlsre-aktionen auf derartige Kritik, werdet ihr schnell erkennen, daß sie sagen: „Ich bin in Ge-fahr." Überprüfen wir nun die Angelegenheit auf ihren Wahrheitsgehalt. Seid ihr durch Schmerz, Frustration oder Kritik wirklich gefährdet oder bedroht? Ich muß das nicht be-antworten. Ihr werdet selbst erkennen müssen, daß das nicht stimmt. Auch unberechtigte Kritik kann euch nicht gefährden, vorausgesetzt, eure Einstellung darauf ist reif und rea-listisch. Ist es nicht oft der Fall, daß die Kritik, gegen die ihr euch so heftig wehrt, etwas aufzudecken droht, dem ihr euch nicht stellen wollt? Ihr wollt es nicht, weil ihr denkt, dann würde es nicht existieren, oder weil es zu unbequem ist, das zu verändern, oder weil ihr meint, käme die Wahrheit heraus, würde man euch nicht lieben oder Respekt zollen. Wel-cher Grund auch immer, ihr lauft vor der Wahrheit davon. Daher richtet, im richtigen Lichte betrachtet, eure Verteidigung sich oft gegen die Wahrheit, auch wenn diese Wahr-heit von außen kommt, von Menschen, die auf ihre Weise genauso unvollkommen sind wie ihr. Die vermeintliche Todesgefahr, gegen die ihr euch meint wappnen zu müssen, ist oft die Wahrheit an sich, meine Freunde. Und ihr wehrt euch dagegen, indem ihr den an-deren auf die Wahrheit hinweist, die er nicht sehen will. Vielleicht ist einer stärker und der andere schwächer, aber was für einen Unterschied macht das, hat doch schließlich jeder seinen eigenen Rhythmus, sein eigenes Wertsystem. Niemand kann sich mit jemand ande-rem vergleichen. Bewertung auf dieser Basis ist niemals stichhaltig. So weisen beide Seiten auf die Wahrheit des anderen hin, aber keiner will die eigene sehen.
Ihr glaubt fälschlich, würden eure Schwächen oder wenigstens bestimmte davon aufge-deckt, daß andere das Recht hätten, euch abzulehnen und nicht zu lieben. Und das könnt ihr nicht ertragen. Deshalb setzt ihr eure Abwehrmechanismen mit all diesen Prozessen ein, um die ungeheure, eingebildete Gefahr abzuwehren, um euren Status als liebenswer-ter Mensch zu bewahren. Ihr denkt, würde einer eurer unliebsamen Züge bloßgelegt, wür-den die Menschen euch zurecht ablehnen. So benutzt ihr diese schwere Kampfausrüstung nur zu eurem Nachteil. Diese Einstellung ist nicht nur wegen all der Gründe, die ich in die-ser Lesung aufzeigte, nachteilig, sondern auch auf direktere Weise. Denn es stimmt nie, daß Menschen jemanden nur seiner Fehler oder Schwächen wegen ablehnen. Wenn ihr das Leben um euch herum näher betrachtet, werdet ihr ohne jeden Zweifel feststellen, daß ihr abgelehnt werdet, weil auf subtile Weise die Wahrheit zu verstecken Ablehnung verur-sacht. Aus diesem Grunde hat das freiwillige Zugeben schwerster Fehler oder Verzerrun-gen Akzeptanz zur Folge, während die Verteidigung dagegen, bloßgestellt zu werden, Ver-achtung, Abneigung, Zurückweisung, Angst zur Folge hat und den anderen dazu bringen muß, sich zu verteidigen. Wenn euch ein freiwilliges Geständnis noch nicht möglich ist, weil ihr es noch nicht voll erkannt habt, wird die Bereitschaft dazu, die nur bestehen kann, wenn man nicht in Abwehr ist, eine ähnlich angenehme Wirkung haben. Nur wenn ihr die-se neue Reaktion ausprobiert, werdet ihr sehen, wie viel positiver und lohnender sie ist!
Wenn ihr in Verteidigung seid, kann euer erstes Ziel nicht die Wahrheit sein. Geht es um echte Gefahr, ist es sozusagen die Wahrheit des Augenblicks. Aber geht es um eine unechte Gefahr, liegt die Wahrheit woanders. In solchen Momenten fragt ihr nicht, „Ist es wahr? Liegt nicht ein Körnchen Wahrheit darin? Vielmehr liegt euer Hauptaugenmerk dann da-rauf, „Bin ich im Recht, oder ist es der andere?
Es beschränkt sich auf, „Ich gegen den an-deren, was das Problem, was richtig oder falsch ist, vernebelt. Eure Verteidigung als einer Hauptlebensweise kann oft darin bestehen, euch nicht selbst mit einzubeziehen; seid ihr gefordert zu reagieren, wählt ihr ein direkteres Vorgehen: Entweder versucht ihr noch wegzulaufen, oder ihr weicht dem Problem aus, indem ihr es auf eine andere Ebene hebt, wo ihr beweisen könnt, „Recht zu haben
, oder ihr startet einen Gegenangriff, indem ihr auf den Fehler des anderen verweist. Es ist ein großer Unterschied, ob ihr das zur Verteidi-gung der eigenen unerwünschten Züge oder in Wahrheit und um der Wahrheit willen tut.
So sollte leicht einzusehen sein, daß eine Abwehrhaltung keine Wahrheit hervorbringt. Sie läßt Wahrheit und Realität keinen Raum zum Atmen. Wo eine solche Schutzmauer steht, muß gerade die Sorge der Abwehr einer Anschuldigung gelten, die, so glaubt ihr, Ableh-nung, Frustration und Schmerz bringen könnte. Auch wenn an dieser Anschuldigung eini-ges wahr sein sollte, ist es für euch in diesem Moment, anstatt die Aspekte der Wahrheit zu finden, die sie beinhaltet, auf subtile Weise wichtiger zu beweisen, daß sie unberechtigt ist. So lauft ihr vor der Wahrheit, daher auch vor euch selbst und dem Leben davon. Ausflüch-te und Selbsttäuschung, Selbstentfremdung und Isolation müssen die Folge sein. Mit einer Abwehrhaltung schadet ihr nicht nur eurem physischen Körper, ihr schränkt auch euer Denken, den Umfang eurer Gefühle, eurer Vorstellungen, eurer Kreativität, eures spirituel-len Lebens, der Fähigkeit, euch mit anderen zu verbinden, eurer inneren Freiheit, eurem Interesse an der Wahrheit an sich und deshalb eurer Fähigkeit, euch und andere zu lieben und zu respektieren, ein. Alles das wegen einer völlig falschen Vorstellung von Perfektion, von der ihr glaubt, euer Wert und eure Beliebtheit stünde eurer Unvollkommenheit wegen auf dem Spiel.
Würden die Menschen das nur lernen und dem innerlich auf den Grund gehen, um diesen Abwehrwall zu finden und zu beseitigen, könnte in dem Umfang, so groß wie die alltägli-che Verständigung zwischen den Menschen, viel Leid vermieden werden. Sie würden nicht so oft Abneigung füreinander empfinden und würden keine Angst voreinander haben. Es ist dieses trügerische Gefühl, angegriffen zu werden, gegen das ihr euch verteidigen müßt, das euch oft Angst einflößt, und weswegen ihr andere nicht mögt. Es ist der irreführende Schmerz, den ihr erleidet, wenn etwas ans Licht gebracht wird und ihr glaubt, es mindere euren Wert. Es ist das täuschende Gefühl der Unzulänglichkeit, wenn das Leben und ande-re Menschen nicht euren Wünschen entsprechen und sie vereiteln. Solche Unerfülltheit ist an sich nicht halb so schmerzhaft wie der Irrglaube, ihr wärt unzulänglich. Kritik als solche würde überhaupt nichts ausmachen, wenn euch bewußt wäre, daß andere euch nicht we-niger gern haben, wenn ihr Fehler habt und euch entschließt, euch ihnen zu stellen.
In der Abwehrhaltung denkt, erfahrt und habt ihr keine wahrhaftigen und vernünftigen Gedanken, empfindet ihr keine Wärme und Zuneigung, kein Verständnis, seid daher nicht in der Realität und könnt euch nicht vermitteln. Euer System konzentriert sich auf den ei-nen Punkt, auf die Verteidigung gegen eingebildete Gefahren. So bleibt vieles andere, das Teil eures Lebens und eurer Realität ist, unberücksichtigt.
Wie ihr wißt, kann diese Abwehrhaltung viele Formen annehmen. Sie kann so subtil sein, daß sie anderen unbemerkt bleibt, bis ein direkter „Angriff" erfolgt. Bei ruhigen, zurück-haltenden Menschen, die unauffällig ihren Weg gehen, kann diese Haltung viel stärker sein als bei Menschen, deren Abwehrmechanismus offensichtlicher ist. Ihre Angst vor An-griffen ist so stark, während ihr Vertrauen, damit umzugehen, so gering ist, daß sie stän-dig vor dem Leben und den Menschen fliehen. Aber ob nun die Verteidigung in direkter äußerlicher Aggression oder in Rückzug oder Flucht besteht, es ist gleichermaßen schäd-lich und hat identische negative Folgen. Beide Alternativen machen ein Ausreichen zu an-deren, zur Wahrheit, zum Beteiligtsein, ins Leben selbst unmöglich. Beide zwingen euch, auf der Hut zu sein und dem Leben, anderen und euch selbst gegenüber uneinsichtig zu sein. So ist der Schaden, den ihr für euch und andere bewirkt, der Mißklang, die Trennung, die durch eure Verteidigung entstand, und ihre volle Wirkung unmöglich zu beschreiben. Ihr könnt damit weder die Bedürfnisse anderer, noch eure eigenen befriedigen. Die Befrei-ung, die ihr erlebt, wenn ihr die Illusion dieses Abwehrbedürfnisses aufdeckt und euch des-wegen nicht mehr verteidigt, ist unmöglich zu vermitteln. Ihr müßt das einfach leben, um diese Freude kennenzulernen. Laßt los und empfangt, was immer auf euch zukommt. Be-trachtet es in Ruhe, mit dem vornehmlichen Ziel, die Wahrheit nicht abzuwehren, sondern sie zu suchen und zu erkennen. Mit dieser Einstellung werden sich eure Reaktionen ändern. Eure Ausstrahlung wird eine andere Qualität haben. Euer ganzes Leben wird anders.
Wenn ihr lernt, eure Abwehrhaltung zu beobachten, aufzudecken und zu verstehen und so schließlich zu beseitigen, befreit ihr euch von der Illusion. Es gibt keine größere Not, kein stärkeres Gefängnis als sie. Nichts ist destruktiver auf dieser Erde als Menschen, die sich unnötigerweise verteidigen. Nichts schafft mehr Mißklang, mehr Unwahrheit, Feindselig-keit und Reibung als die Abwehrhaltung, im persönlichen wie im öffentlichen Leben.
FRAGE: Du sagst, daß der Körper Gifte freisetzt, die dem physischen System schaden. Ist es auf diesem Pfad möglich, solche Schäden zu heilen?
ANTWORT: Natürlich ist das möglich. Und wenn diese Abwehrhaltung beseitigt ist, werden noch mehr Gifte aufhören, das System zu verseuchen. Das an sich wird schon erleich-ternd sein. Doch es ist möglich, daß der Schaden bereits so groß ist, daß die Folgen der Vergangenheit im Körper nicht völlig beseitigt werden können. Wann und ob das der Fall ist, hängt von so vielen Erwägungen ab, zu zahlreich, um sie jetzt aufzuzählen. Aber im Prinzip ist das möglich.
FRAGE: Du meinst, wir sollten einfach jemandem zuhören, ob er kritisiert?
ANTWORT: Hört ruhig zu und wägt ab: Könnte an der Kritik etwas Wahres sein? Achtet auf eure inneren Angstreaktionen. Ihr werdet bald merken, daß eure Angst unberechtigt ist, selbst wenn die Kritik falsch ist. Es kann euch nichts passieren, ihr seid nicht in Ge-fahr.
FRAGE: Aber was ist, wenn wir uns darüber ärgern, ungerechterweise kritisiert zu werden?
ANTWORT: Gerade Ärger ist Ausdruck und Beweis eurer Abwehrhaltung. Ohne die Vertei-digung würdet ihr euch nicht ärgern. Wie könntet ihr sein? Ihr würdet abwägen und herausfinden, daß an der Kritik einiges, etwas oder überhaupt nichts wahr ist. Nur all-zu oft seid ihr überzeugt, daß sie unberechtigt ist, ehe ihr noch die Möglichkeit hattet, das herauszufinden. Oder besser, ehe ihr euch die Chançe laßt, das mögliche Körn-chen Wahrheit zu finden. Und wenn es keine Spur davon gibt, worüber solltet ihr euch ärgern müssen? Was kann Kritik euch anhaben, daß sie euch ärgert? Habt ihr euch das je aus diesem Blickwinkel betrachtet? Kritik, berechtigt oder unberechtigt, kann euch nicht wirklich schaden, es sei denn, ihr glaubt, man könne euch nicht lieben und respektieren, wenn sich in euch etwas findet, das zu kritisieren ist.
FRAGE: Was, wenn sie gelogen ist? Wenn sie unwahr ist?
ANTWORT: Ich sagte das schon. Sie kann euch nicht schaden, wenn ihr sie in Ruhe betrach-tet. Eure Verteidigung ist das schädliche. Die Lüge selbst oder das irreführende Urteil kann euch niemals schaden. Aber je weniger ihr auf der Hut seid, um so mehr werdet ihr fähig sein, eine unverblümte Lüge oder ein Mißverständnis klarzustellen. Damit will ich nicht andeuten, ihr dürftet euch gegen eine offenkundige Lüge, Verleumdung oder ein schmerzhaftes Gerücht nicht verteidigen. Das fällt unter die Kategorie reali-stischer Verteidigung, die man nur in dem Maße richtig handhaben kann, wie es an unrealistischer Abwehrbereitschaft mangelt.
FRAGE: Deckt die Beschuldigung einen Verrat, und ärgerst du dich naturgemäß darüber, mag dein Ärger eine Selbstverteidigung verdecken, aber es ist auch eine natürliche Re-aktion gegen jemanden, der Versprechungen gemacht hat, und wenn du deinen Teil erfüllt hast, stellst du fest, daß du verraten wurdest und das, was dir versprochen wur-de, und auf was du gehofft hast, erfüllt sich nicht. Ist das kein natürlicher Ärger?
ANTWORT: Ehe wir uns darum kümmern, was ´natürlich´ und was ´unnatürlich´ ist, will ich noch einmal sagen, daß ich nicht andeuten wollte, die Menschen sollten jede Unge-rechtigkeit, jeden Verrat hinnehmen, ohne zu tun, was immer nötig, konstruktiv und produktiv ist. Es gibt viele Umstände, wo es falsch wäre, sich zurückzulehnen und nichts zu tun. Das wäre krank und hieße, den Märtyrer zu spielen; es wäre eine Verzer-rung von Heiligkeit. Und es ist interessant festzustellen, daß der Mensch, je mehr er auf der Hut ist, um so weniger gerüstet ist, mit positiver Verteidigung oder Attacke fer-tigzuwerden, um so mehr wird er sich zum Opfer machen und zum Märtyrer werden. Es gibt eine richtige und gesunde Aggressivität und Selbstbehauptung. Wann sie ge-sund ist und wann nicht, läßt sich nicht in einer allgemeinen Regel fassen. Das ist zu subtil und kann nur durch ehrliche Selbstprüfung herausgefunden werden. In der Na-tur sind reale Gefahren nicht nur körperlicher Art, sie finden sich auch auf anderen Ebenen. Ich kann nur betonen, je mehr ihr von einer unrealistischen Abwehrhaltung frei seid, desto besser werdet ihr mit gesunder Verteidigung fertig. Oft vermischen sich die beiden, und die ungesunde schwächt und höhlt die gesunde aus und mindert ihre Wirkung.
Nun dazu, was ´natürlich´ ist. Das kann irreführend sein. Sicher ist es ´natürlich´, un-reife, unproduktive Reaktionen zu haben, weil alle anderen sie auch haben. Aber das heißt nicht, daß sie wirklich natürlich sind, oder daß es nicht möglich sei, aus ihnen herauszuwachsen. Nicht zwanghaft, nicht aufgesetzt, nicht durch Schuld dafür, noch kindische Reaktionen zu haben, sondern so, wie ich es immer empfehle. Ist das klar?
FRAGE: Ja. Wenn man zuerst die eigene Gefühlsverstrickung in der Beziehung in Ordnung bringt, wird man dann mit ihr realistisch umgehen?
ANTWORT: Ja, das ist richtig. Du siehst, deine ungesunde Gefühlsverstrickung macht es dir unmöglich, die Situation im rechten Licht einzuschätzen, und deshalb kannst du mit ihr nicht so umgehen, wie du es sonst tun würdest.
FRAGE: Was unser Freund über Lüge sagte, ist auch eine realistische Gefahr, glaube ich.
ANTWORT: Ja, das könnte sein. Das sagte ich. Es hängt alles davon ab, ob wir es mit Tatsa-chen, Handlungen oder Taten oder mit subtileren Sachen wie Neigungen, Einstellun-gen oder Qualitäten zu tun haben. Wenn es aber zu dieser Arbeit kommt und darauf hinausläuft, den eigenen Eindrücken und Gefühlen über andere Ausdruck zu verleihen, ist das keine Sache, die unbedingt sofort widerlegt werden kann. Dazu bedarf es einer gründlichen Untersuchung, um zu erkennen, ob darin ein Körnchen Wahrheit ist oder nicht, selbst wenn sie auf verzerrte Weise auftaucht, vielleicht wegen der Probleme desjenigen oder nur wegen seiner Beschränkungen als Mensch. In solchen Fällen kann man nicht einfach behaupten, „Das ist eine Lüge", weil diese Dinge so subtil sind.
FRAGE: Du hast über Situationen gesprochen, in denen unsere Emotionen anwachsen. Wie steht das mit Menschen, die getrübte und im Zaum gehaltene Gefühle haben und kei-ne Reaktionen zeigen?
ANTWORT: Wenn ein Mensch in diesen Zustand gerät, ist das das Ergebnis, daß er zu sehr in Verteidigung ist. Äußerlich und bewußt können Gefühle in einem erheblichen Maße getrübt werden, aber innerlich existieren sie noch. Sie schwelen im Verborgenen und richten Schaden an. Aus diesem Grunde ist es bei dieser Arbeit so wichtig, daß die Ge-fühle ans Licht geholt werden. Nur dann kann man sich richtig mit ihnen befassen und anfangen, mit all diesen anderen Betrachtungen zu arbeiten. Wenn zum Beispiel je-mand keinen Haß empfindet, kann er ihn nicht loswerden. Er muß aus der Verdrän-gung hervorkommen und das Wachbewußtsein erreichen, damit man seine Herkunft und seine Ursache versteht und die Persönlichkeit sich davon befreien kann. So ist es auch mit der Abwehrmauer. Wenn ihr von ihrer Existenz nichts wißt, könnt ihr nichts tun. Deshalb ist bei diesem Vorgehen die erste Überlegung, das ins Bewußtsein zu he-ben, was bisher unterdrückt war.
Es gibt jedoch niemanden, der bar aller Gefühle ist. Sie sind an der Oberfläche, wur-den aber nie benannt, nie auf ihren Sinn und ihre Bedeutung hinterfragt. Diese weni-gen Oberflächengefühle liefern genug Material, um damit zu arbeiten. Selbst wer in seinem Herangehen vorwiegend intellektuell ist und seine Gefühle absichtlich ab-stumpft, hat Gefühle. Wie zuvor festgestellt, je mehr man auf der Hut ist, kann seine private ´Lösung´ um so mehr die Abstumpfung seiner Gefühle sein, und desto mehr ist das Wirkungsfeld der Gefühle, die er empfinden kann, eingeschränkt. Aber er kann sich Mühe geben, sie hervorzuholen. In solchen Fällen werden die vorherrschenden Gefühle Angst und Ärger sein. Er mag sich nicht bewußt sein, daß dies Gefühle sind, weil er so gewöhnt ist, sie zu rationalisieren und zu erklären.
FRAGE: In meiner Einzelarbeit haben mein Mitarbeiter und ich herausgefunden, daß mei-ne Vorstellung vom Menschen ungenügend ist. Was ist ein Mensch?
ANTWORT: Wollte ich das beantworten, würde ich wahrscheinlich wenigstens einen Monat lang reden müssen. Und das, denke ich, mag für dich die beste Antwort sein, um deine Vorstellung einer genaueren anzupassen. Vergleicht diese Aussage mit der beschränk-ten Vorstellung eures „Er/sie ist dies oder das". Erkennt die unendliche Vielfalt, die un-geheure Komplexität, die Widersprüchlichkeit, die unendlichen Möglichkeiten und Po-tentiale des Denkens, die Gefühlstiefe des Menschen. Jedes Gefühl, jede Neigung, jedes Charakteristikum, das ihr benennen könnt, hat bei jedem Menschen beide Formen, positive und negative. Warum sich dieselbe Qualität einmal in ihrem positiven Aspekt und darauf in ihrem negativen zeigt, gehört zu den Kompliziertheiten der menschli-chen Psyche. Je mehr ihr die grenzenlosen Möglichkeiten und Potentiale eines Men-schen versteht, um so mehr kommt ihr dazu, einen bestimmten Menschen zu verste-hen. Je mehr ihr andererseits glaubt, bewußt oder unbewußt, ein Mensch sei dies oder jenes, anders gesagt, je beschränkter eure Vorstellung ist, desto weniger versteht ihr.
Auf seltsame Weise ist das unbewußte Ziel des Menschen, die menschliche Persönlich-keit zu begrenzen, weil er glaubt, es wäre einfacher, einander zu kennen, wenn man geringer wäre. Aber das stimmt nicht. Je mehr ihr die unendlichen Möglichkeiten er-kennt, die Schwierigkeit, all die Kompliziertheiten und Aspekte eines Menschen zu er-kennen, wahrzunehmen oder sogar zu spüren, um so mehr Verständnis und Einsicht werdet ihr haben. Das ist die beste Antwort, die ich für dich habe. Jede Beschreibung, egal, wie ausführlich, würde ihr nicht gerecht werden. Sie wäre beschränkt, eine Über-vereinfachung.
FRAGE: Ist sich der Mensch über seine verborgenen Ströme weitgehend im Klaren—neh-men wir hypothetisch an, er ist sich zu 75% der an die Oberfläche gekommenen Strö-me bewußt und kann sehen, wie sie funktionieren—was kann nun derjenige tun, um sein Unterbewußtsein zu trainieren? Oder ist das notwendig?
ANTWORT: Ich will wiederholen, was ich viele Male gesagt habe. Beobachtet bloß die fal-schen, kindischen, verzerrten Reaktionen und Vorstellungen. Je mehr ihr das tut, um so besser lernt ihr, warum sie der Realität und der Wahrheit nicht entsprechen. Ver-schafft euch eine klare Sicht dafür, in welcher Weise sie trügerisch, unangemessen, de-struktiv, nachteilig und unrealistisch sind. Vergleicht diese Reaktionen mit dem wenn auch bisher nur theoretischen Wissen über realistische, wirklich positive Reaktionen, ohne euch zu zwingen, letztere empfinden zu müssen. Vergleicht nur und versteht, wa-rum die eine Art zu reagieren unrealistisch und unproduktiv ist, während die andere realistisch und positiv ist. Gesteht euch ein, daß ihr bisher nicht angemessen reagieren und empfinden könnt, und akzeptiert euch ohne Schuld, ohne zwanghafte Ströme so, wie ihr seid, erkennt aber eure Unreife. Wenn ihr das tut, ohne euch zu ärgern oder mit euch ungeduldig zu werden, werden eure Gefühle schließlich anfangen, vom Ge-hirn das Wissen zu bekommen, das eure Gefühle bisher nicht durchdringen konnte. Es wird euch Frieden schenken, einfach die kindischen Gefühle am Werke zu sehen, wäh-rend ihr wißt und immer besser versteht, warum und in welcher Hinsicht sie unpro-duktiv sind.
FRAGE: Du wolltest uns sagen, was hinter den sieben Todsünden steckt.
ANTWORT: Wie gesagt, ich schlage vor, ihr bereitet eine Liste vor, vielleicht zum nächsten Mal. Das würde eine neue Lesung bedeuten, weil es zu lange dauert. Ich sagte schon letztes Mal, daß das nicht an eine Lesung angehängt werden kann. Schreibt jede Tod-sünde einzeln auf und fragt entsprechend, dann werde ich antworten. Das ergibt eine eigene Lesung.
FRAGE: In den traditionellen Schriften des Judentums und des Islam sind die Texte sehr be-stimmt, was den Verzehr von Fisch, Fleisch und Geflügel betrifft. Sie verlangen, „Von ihrem Fleische sollen wir nicht essen. Das Christentum kennt für das Schwein keine Ächtung. In Matthäus, Vers 15, sagt Christus, „Nicht, was zum Mund eingeht, macht den Menschen unrein, sondern was aus dem Mund herauskommt.
Doch werden von den Christen während der Fastenzeit diätische Beschränkungen befolgt. Meine Fragen sind: 1.) Gründen sich die diätischen Vorschriften auf das, was unrein ist, oder auf das, was heilig ist, und 2.) was ist die Bedeutung der Fastenzeit und des Zählens der Tage?
ANTWORT: Zu deiner ersten Frage: All diese Gesetze wurden zu einer Zeit erlassen, als das wissenschaftliche und hygienische Wissen des Menschen noch so unzureichend war, daß solche Informationen, wie sie die Menschheit heute besitzt, mit der Religion ver-knüpft waren. Es waren bloß sanitäre oder gesundheitliche Gründe, die diese Gesetze erforderten. In bestimmten geschichtlichen Phasen, unter anderen Umständen, wur-den diese Gesetze geändert. Heute braucht die Religion solche Regeln nicht mehr auf-zustellen. Zu keiner Zeit hatten sie etwas mit dem spirituellen Leben des Menschen zu tun. Sie waren bloß eine Vorsichtsmaßnahme, um seine Gesundheit zu schützen. Wenn die Menschheit heute noch an ihnen als einer spirituellen Notwendigkeit festhält, weist das auf ein grobes Mißverständnis hin, was echte Spiritualität ist. Es zeigt das ober-flächliche Herangehen des Menschen, seine Abneigung zu denken. Eure Wissenschaft mag heute gewisse Umstände finden, die es notwendig machen, bestimmte Gesetze so lange zu beachten, wie diese Bedingungen herrschen. Ändern sie sich, werden diese Gesetze beseitigt. Sie dann beharrlich weiter zu befolgen, ohne Zweck oder Sinn, wäre sinnlos.
Zu deiner zweiten Frage: Die ursprüngliche symbolische Bedeutung der Fastenzeit be-steht darin, dem Menschen eine Zeit zu geben, in der er in sich geht oder sein System läutert, nicht nur sein körperliches, sondern alle Ebenen seines Seins. Wieder, das äu-ßere ist lediglich Symbol für das innere. Oft ist es für Körper und Seele gesund, wenn das miteinander verbunden wird, vorausgesetzt, es geschieht individuell, auf überleg-te und persönliche Weise und nicht bloß, indem man einem Dogma anhängt. Unter welcher Verkleidung ein Dogma auch auftritt, es zeigt sich rigide und mit einem Man-gel an selbstverantwortlichem Denken. Die ursprünglich symbolische Bedeutung war die der Läuterung, der Kontemplation, einer Zeit der Innenschau und der Vorberei-tung für einen neuen Einfluß und daher für eine neue Kraft empfänglich zu sein.
Mögen euch all eure Verteidigungen immer bewußter werden. Mögt ihr erkennen, was sie eurem gesamten System, eurem Denkvermögen, eurer Fähigkeit zu fühlen, eurem physi-schen System, eurem spirituellen Leben antun. Und möge das euch dazu befähigen, loszu-lassen, zu empfangen, zu untersuchen, zu unterscheiden, ein Problem objektiv anzusehen, ohne euch zu verteidigen, ohne noch weiter in den Kategorien von ´richtig oder falsch´ zu denken und zu fühlen und dadurch imstande zu sein, andere zu erfahren und sie zu errei-chen. Wenn ihr auf der Hut seid, zieht ihr euch von ihnen zurück und versucht nicht mal, sie zu erreichen. Möge euch der Segen, der sich heute wieder über euch ausbreitet, beson-ders in dieser Hinsicht, bei eurer weiteren Arbeit helfen und euch von besonders schädli-chen inneren Behinderungen zu befreien helfen. Seid gesegnet, jeder von euch, empfangt unsere Wärme und unsere Liebe, ein jeder von euch. Lebt in Frieden. Lebt in Gott!
Nr. 102
S I T Z U N G v o m 27. April 1962
DIE SIEBEN TODSÜNDEN
Grüße. Gott segnet euch, meine lieben Freunde. Gesegnet sei diese Stunde. Ich versprach euch eine psychologische Erklärung der Bedeutung der sieben Todsünden. Vieles von dem, was ich sagen will, ist nicht neu. Ich werde die Wiederholungen auf ein Minimum be-schränken, außer es ist nötig, eine Verbindung und den tieferen Sinn einer spirituellen Wahrheit im psychologischen Sinne aufzuzeigen.
Was ihr Sünde nennt, ist die äußere Erscheinung psychischer Abweichung und Unreife im Tun oder Denken. Mit anderen Worten, die sogenannte Sünde ist die Folge einer inneren Verzerrung. Ihr psychologischer Hintergrund wird immer viele Bedingungen aufzeigen, die wir in der Vergangenheit besprochen haben. Sie lassen sich immer auf den gemeinsa-men Nenner seelischer Unreife zurückführen, also auf die Unfähigkeit, Beziehungen zu knüpfen, zu kommunizieren oder zu lieben. Im weitesten Sinne ist Sünde Mangel an Liebe. Die unreife Seele ist zur Liebe nicht fähig. Sie ist egoistisch, ich-bezogen und blind. Sie kann andere nicht verstehen. Unreife bedeutet Isoliertheit. In der Isoliertheit liebt man nicht und lebt daher in Sünde. Im psychologischen Sinne hat man eine Neurose. Der einzige Unter-schied zwischen dem spirituellen und dem psychologischen Ansatz besteht darin, daß er-stere das Ergebnis betont, während letztere die eigentlichen Gründe, verschiedene Ströme und Komponenten aufzeigt, die zur Isoliertheit, zur Neurose oder Sünde führt.
Die erste Hauptsünde ist Stolz. Über ihn habe ich schon soviel gesagt, daß ich es hier nicht wiederholen muß. Ihr alle kennt seine Wurzel, warum es ihn gibt, seine Wirkungen und Nebeneffekte. Laßt mich nur kurz festhalten, daß Stolz immer eine Kompensation für Min-derwertigkeit, für Unzulänglichkeitsgefühle ist. Daß die Wirkung zu Isolation führen muß, versteht sich von selbst.
Die zweite Sünde ist Habsucht. Wieder, aus früheren Lesungen kennt ihr ihre tiefere Be-deutung. Begehrt ihr etwas, was ihr nicht habt, dann seid ihr blind und glaubt, sein Besitz müsse euch die Glückseligkeit bringen, wobei Glück ein innerer Zustand ist, den äußere Mittel niemals bewirken können. Blindheit ist die Unkenntnis eures eigenen Anteils daran, nicht zu besitzen, was ihr haben wollt. Bei eurer Suche, euch selbst zu verstehen, seid ihr dahin gelangt zu erkennen, daß das, was euch im Leben fehlt, vorausgesetzt, euer Wunsch ist gesund, durch einen Konflikt in euch verursacht ist, vielleicht weil ihr unbewußt gerade vor dem Angst habt, was ihr am stärksten wollt, oder weil ihr widersprüchliche Wünsche habt oder die vielen Faktoren nicht kennt, die ihre Erfüllung verhindern. Nicht zuletzt wißt ihr nicht mal, was ihr wirklich wollt. Unter diesen Umständen mögt ihr andere beneiden, ihr mögt begehren, was sie haben, eben weil ihr eure Probleme nicht lösen könnt, die euch davon abhalten, euch selbst zu befriedigen. Was ihr begehrt, mag ein Ersatzwunsch für eure echten Bedürfnisse sein, die ihr nicht kennt. Stolz und Begehren trennen euch vom anderen Menschen wie auch von eurem wahren Selbst. Daher führen sie zu und rühren aus Selbstentfremdung. Sie sind das Gegenteil von Liebe, Austausch und Beziehung zu eu-ren Mitmenschen. Sie helfen euch nicht, euch zu vereinen, sondern stellen euch abseits und über andere. Sie setzen euch an einen besonderen, isolierten Platz. Oder ihr seid von dem Wunsch eingenommen, den Platz einzunehmen, den jemand anders einnimmt, wie ihr glaubt. All das ist die innere Blindheit, die zu äußerem Egoismus und Isoliertheit führt.
Die dritte Sünde ist Wollust. Sie wird oft mißverstanden. Ihr glaubt, sie bezöge sich auf Se-xualität. Das ist nicht oder nicht unbedingt so. Was nun bedeutet sie? Es ist jeder leiden-schaftliche Wunsch in einer ich-bezogenen, isolierten Haltung, ob er nun mit Sexualität zu tun hat oder nicht. Es ist die kindische Haltung, ´Ich will haben, bekommen´, ohne echten Sinn für Gegenseitigkeit. Dieser Mensch mag wohl geben wollen, vorausgesetzt, er be-kommt, was er will, die eigentliche Betonung liegt aber subtil bei ihm selbst, statt auf Ge-genseitigkeit. Die ist nicht möglich ohne die Fähigkeit zum Verzicht, zum Widerstand, nicht immer seinen Willen nach seinen Bedingungen zu bekommen. Die Reife, der Vereitelung des eigenen Willens zu widerstehen, ihn loszulassen, ist Voraussetzung für echte Gegensei-tigkeit. Wenn das Bedürfnis zu bekommen gierig und wirklich einseitig ist, dann kann man von Wollust sprechen.
Wie ich oft gesagt habe, ist es leicht, sich zu täuschen, weil derjenige um so mehr opfert, sich unterwirft, zum Märtyrer wird, je stärker dieses einseitige Bedürfnis ist. All das dient unbewußt dem Zweck, seinen Willen zu bekommen. Da diese Neigung sehr subtil und ver-borgen ist und oft nichts mit sexuellen Leidenschaften zu tun hat, mag das nicht als Wol-lust zu erkennen sein. Doch haben alle Menschen davon etwas. Wo eine Zwangsströmung besteht, ein dringendes Bedürfnis, auf das man nicht verzichten kann, herrscht Wollust. Ihr alle habt sie, und sie ist stärker, wenn sie noch nicht bewußt erfahren ist. Ihr könnt euch auch darin täuschen, da das so heftig begehrte an sich positiv sein mag. Jedoch seid ihr in eurem Verlangen das bedürftige Kind, das haben will und der Nabel seines Univer-sums ist. Das rasende Bedürfnis, ob bewußt oder nicht, ist vom Erkennen der Faktoren, die die ursprüngliche Unerfülltheit bewirkten, getrennt. In dieser Unkenntnis wächst das Be-dürfnis oder die Wollust unerträglich an und wird immer frustrierender, weil ihr das Heil-mittel nicht seht: Eine Änderung der inneren Richtung. Anders gesagt, ein unerfülltes Be-dürfnis, das in seiner ursprünglichen Form nicht erkannt ist, erzeugt Wollust. In dem Ma-ße, wie ihr eure Bedürfnisse merkt, erlangt ihr automatisch Reife. Ein unbewußtes Bedürf-nis zeugt von Unreife. Es findet eine Verlagerung statt, und ein Drang nach Ersatzbedürf-nissen setzt ein, ganz gleich, wie legitim, konstruktiv oder vernünftig sie an sich sein mö-gen. Je stärker der Drang, desto mehr kann man von Wollust reden. Sie zeigt die Dring-lichkeit der Frustration eines unbewußten Bedürfnisses an. Es macht nichts, wenn es sich auf Sexualität, Gier nach Macht, Geld, gemocht zu werden oder auf eine bestimmte Sache bezieht. Werden diese Emotionen auf ihren Ursprung, auf das eigentliche Bedürfnis, und was seine Erfüllung verhindert, auf gesunde, organische Weise untersucht, könnt ihr an-fangen, die Wollust aufzulösen. Ihr könnt mit dem ursprünglichen Bedürfnis ins Reine kommen, aber mit seinem Ersatz nie. Ist dieses Bedürfnis noch kindisch und destruktiv, könnt ihr es nur reifen lassen, wenn ihr es zutage fördert. Ein euch bewußtes Bedürfnis kann zur Gegenseitigkeit reifen, in einen Zustand, wo zwei Menschen ihre jeweiligen Be-dürfnisse erkennen und auf eine Art ausdrücken, um dem anderen zu helfen, Befriedigung zu finden. Ein unbewußtes Bedürfnis muß immer einseitig sein.
Anzunehmen, der Sexualtrieb sei an sich sündhafte Wollust, ist eine völlige Verzerrung. Wie ich oft gesagt habe, ist er ein natürlicher, gesunder Instinkt. Wenn er richtig reift, ver-bindet er sich mit Gegenseitigkeit. Er führt zu Liebe und Einheit. Bleibt er isoliert, ist esWollust, aber nicht mehr als die Gier nach Macht, nach Geld, Ruhm oder danach, immer Recht zu haben oder irgendetwas anderes.
Die vierte Sünde ist Wut. Was ist das, meine Freunde? Wut ist in gewissem Sinne immer ei-ne Lüge. Das primäre Gefühl ist oft Verletzung. Wenn ihr es eingesteht, hättet ihr es nicht nötig, wütend zu sein. Seid ihr verletzt worden, fühlt ihr euch aufgrund der Unterlegenheit in eurem Stolz gedemütigt, weil ihr jemandem die Macht dazu gegeben habt. Deshalb ersetzt ihr die primäre Verletzung durch Wut. Sie scheint euch weniger beschämend. Sie erhebt euch über den anderen, anstatt ihm unterlegen zu sein, wie es euch vorkommt. Sie erhebt euch über eure wahre Lage, eure Verletztheit. In eurem Stolz leugnet ihr das echte Gefühl. Daher sind Stolz und Wut miteinander verbunden. Die Lüge ist Selbsttäuschung und daher Selbstentfremdung. Sie ist eine Verlagerung. So produziert sie negative Wirkun-gen, wogegen das Eingeständnis, ein dem echten Gefühl gemäßes Leben, es nicht tut. Ver-letzung, wenn sie frei von Wut ist, kann niemanden negativ beeinflussen und kehrt daher nie zu ihm zurück. Ist das primäre Gefühl, Schmerz oder Verletzung, nicht mehr bewußt, auch nicht, daß es mit dem sekundären Gefühl der Wut vermischt ist, dann wird es de-struktiv. Ob die Wut sich in Taten oder Worten oder bloß als Ausstrahlung zeigt, macht keinen Unterschied. Wenn ihr die Verletzung eingesteht, brecht ihr die Brücke zum ande-ren nicht ab. Mit der Wut aber wohl. So steht das echte, primäre Gefühl der Liebe und dem Austausch nicht entgegen, wohl aber sein Ersatzgefühl.
Ihr wißt, gewöhnlich scheue ich den Ausdruck ´Sünde´, weil er die selbstzerstörerische und unproduktive Schuld stärkt. Ich konzentriere mich lieber auf die Bedingungen darunter. Aber in diesem Kontext muß ich das Wort benutzen. Daher ist Wut, die vom Austausch wegführt und die Kluft zwischen den Menschen erweitert, Sünde.
Natürlich gibt es so etwas wie gesunde Wut, aber darüber sprechen wir nicht. Es sollte da-für wirklich ein anderes Wort geben.
FRAGE: Hier möchte ich eine Zwischenfrage stellen. Warum hält die Bhagavad Gita Wut für das schlimmste aller Übel, das völlige Verwirrung erzeugt?
ANTWORT: Weil ihr in Wut, in einer sekundären Reaktion nicht mehr wißt, was ihr wirklich fühlt. Ihr befindet euch im Irrtum über euch selbst und könnt deshalb andere unmög-lich erkennen und verstehen. Bei vielen anderen sogenannten Sünden mögt ihr das primäre Gefühl durchaus kennen. Weil bestimmte Glieder fehlen, mögt ihr nicht an-ders fühlen können, wißt aber, was ihr fühlt. Doch wenn ihr wütend seid, habt ihr kei-nen Kontakt zu der primären Reaktion. Und deshalb schafft Wut immer mehr Verwir-rung. Schlimmer noch ist natürlich, wenn euer Perfektionismus euch sogar das sekun-däre Gefühl der Wut verdrängen läßt, so daß ihr nicht einmal sie merkt. Dann müßt ihr alle diese Ebenen erforschen und zuerst der Wut gewahr werden, worauf ihr dann tiefer eindringen und die Verletzung oder den Schmerz darunter merken könnt.
Ich möchte noch anfügen, daß viele andere destruktive Gefühle, ob Eifersucht, Neid oder Wollust und so weiter, auch Wut umfassen. Wut kann ein sich ausbreitender See-lenzustand sein, zu subtil, zu hinterhältig und verborgen, um erkannt zu werden. Wenn ich euch also auf diesem Pfad ermahne, das, was ihr wirklich fühlt, zu erken-nen,wird euch nun dieser so überaus wichtige Grund verständlich. Ob ihr das Unmut oder Feindseligkeit oder Wut oder Haß nennt, macht keinen Unterschied. Es ist alles dasselbe. Die meisten Menschen wissen nicht einmal, daß sie wütend sind. Doch sind sie sich dessen bewußt, ist das schon viel besser. Es ist dann leichter, an das eigentliche primäre Gefühl zu gelangen.
FRAGE: Was ist gesunde Wut?
ANTWORT: Es ist objektive Wut, wenn die Gerechtigkeit objektiv auf dem Spiel steht. Sie bewirkt, daß ihr euch behauptet. Sie läßt euch für das Gute und Wahre kämpfen, un-geachtet, ob es sich dabei um ein eigenes Problem handelt oder um das eines ande-ren, oder ob ein Prinzip auf dem Spiel steht. Ihr könnt objektive Wut sogar über ein ganz persönliches Problem fühlen, während ihr ein subjektives Gefühl auf ein allge-meines Problem übertragt. Ob die Wut gesund ist oder nicht, läßt sich durch Beurtei-lung der Sache selbst unmöglich feststellen. Bei gesunder Wut empfindet ihr ganz an-ders als bei ungesunder. Letztere vergiftet euer System, sie schreit nach eurem Ab-wehrmechanismus und ist gleichzeitig seine Folge. Gesunde Wut läßt euch nie ange-spannt und schuldig und befangen sein. Sie zwingt euch nicht, euch zu rechtfertigen, und wird euch nie schwächen. Jedes gesunde Gefühl wird euch Kraft und Freiheit brin-gen, auch wenn es äußerlich negativ erscheint, während ein scheinbar positives euch schwächen muß, wenn es unehrlich ist und Verlagerung und Ausflüchte zu Werke sind. Wenn ihr eine Wut habt, die euch freier und stärker macht und weniger durchein-ander bringt, ist sie gesund. Die ungesunde ist immer eine Verlagerung der primären Emotion. Gesunde Wut ist ein unmittelbares Gefühl.
FRAGE: Ist das der Zorn Gottes im Alten Testament?
ANTWORT: Ja, ganz recht.
FRAGE: Hat das irgendetwas mit rechtschaffener Entrüstung zu tun?
ANTWORT: Ja, auch das ist gesunde Wut. Aber, meine Freunde, seid vorsichtig bei eurer Selbstprüfung. Habt ihr ein äußeres Problem, bei dem ihr zurecht wütend seid, muß das nicht heißen, daß das, was ihr fühlt, gesunde Wut ist. Die einzige Art, das zu be-stimmen, ist ihre Wirkung, die sie auf euch und andere hat. Niemand außer euch selbst kann bestimmen, was wahr ist. Nur mit äußerster Aufrichtigkeit zu euch selbst werdet ihr das unterscheiden können.
Die fünfte Sünde ist Völlerei. Ihre tiefere Bedeutung hat mit Bedürftigkeit zu tun. Ein Bedürfnis, das lange unerfüllt und frustriert ist und immer wieder sozusagen durch-kreuzt wird, wird sich Ventile suchen. Ein solches Ventil kann unter vielem anderen Völ-lerei sein. Warum würde sonst altehrwürdige Weisheit sie für Sünde halten. Nicht bloß, weil sie für eure körperliche Gesundheit destruktiv ist. Das wäre sicher kein aus-reichender Grund, sie Sünde zu nennen.
Es gibt viele Aktivitäten im Leben eines Menschen, die unerwünscht und seiner Gesund-heit abträglich sind und dennoch nicht Sünde genannt werden. Etwas viel wichtigeres,vitaleres steht auf dem Spiel. Das heißt, wenn ihr eure ursprünglichen Bedürfnisse nicht merkt, ihr also nicht dafür sorgen könnt, daß sie erfüllt werden, indem ihr eure inneren Behinderungen beseitigt, dann könnt ihr euch selbst nicht befriedigen, euer Potential nicht erfüllen. Ihr könnt nicht glücklich werden und keines schenken, wenn ihr eure kreativen Fähigkeiten nicht entfalten könnt. Ihr habt der menschlichen Gesell-schaft und ihrer Entwicklung auch nicht das Geringste zu geben. Ungeachtet, wie sehr ihr auf jemanden herabseht oder seine Existenz für unbedeutend und nutzlos erachtet, jeder Mensch hat die Möglichkeit, dem evolutionären Plan etwas beizusteuern. Das aber kann er nur, wenn er sich selbst erfüllt. Was er nicht kann, wenn er seine echten Bedürfnisse nicht kennt, und dann nicht ohne zu verstehen, warum sie unbefriedigt bleiben. Wenn er es versteht, wenn ihn dieses Verständnis der Erfüllung immer näher bringt, steuert er dem unermeßlichen Reservoir kosmischer Kräfte etwas bei und be-einflußt so die Evolution und die allgemeine spirituelle Entwicklung. Die Erfüllung, das Glück jedes Menschen ist für die Evolution der menschlichen Rasse eine Notwendigkeit.
Zu sagen, die Menschen seien wegen ihrer Selbstsucht unerfüllt und daher unglücklich, wäre einseitig. Es kann Selbstsucht sein. Es kann auch kindisches Eigeninteresse sein. Doch es gibt einen Teil in der Psyche, der die Notwendigkeit, glücklich zu sein, erkennt; er weiß, daß man nur, wenn man glücklich ist, etwas beitragen kann, und deshalb ver-paßt man etwas, wenn man es nicht tut. Dieses nagende Gefühl, etwas zu verpassen, veranlaßt denjenigen, sich zu bemühen. Wer sich um die richtige Richtung bemüht, wird schließlich einen Weg finden, sich nach innen zu wenden und den Grund für seine Unzufriedenheit zu suchen. Aber es gibt viele falsche Wege, sich zu bemühen, die nach außen führen und den inneren Druck für kurze Zeit erleichtern. Einer davon ist Völle-rei. Ich wies zuvor darauf hin, daß es viele Formen der Sucht gibt, Alkohol zum Bei-spiel, um nur eine zu nennen.
FRAGE: Einige Psychologen sagen, Masturbation sei eine primäre Sucht. Ist sie mit Völlerei verbunden?
ANTWORT: Ich meine, das hängt sehr vom Ausmaß und vom Alter ab. Ist das im fortge-schrittenen Alter ständige Praxis, hat es sicher viel damit zu tun, wenn auch die Verla-gerung des echten Bedürfnisses nicht ganz so weit wie bei der Völlerei geht. Es ist leich-ter zu erkennen, daß das echte Bedürfnis Sehnsucht nach einer lohnenden Beziehung auf reifer Basis ist. Bei Völlerei geht die Verlagerung so weit, daß das echte Bedürfnis darunter schwerer zu erkennen ist. Dennoch ist Masturbation auch ein Ersatz. Sie mag ein einfacher Ausweg sein, Erleichterung und Entlastung zu finden, ohne in einer Bezie-hung zu stehen, ohne Verantwortung, ohne Bloßlegung. Masturbation ist einigerma-ßen normal. Aber ab einer bestimmten Stufe, abhängig von Häufigkeit und Alter des Menschen wie auch gewisser zeitlicher Lebensumstände mag sie eine ähnliche Flucht anzeigen, sich dem eigenen echten Bedürfnis zu stellen und ihm gerecht zu werden. Ist sie regelmäßige Praxis im Erwachsenenleben, deutet sie sicher auf dieselben Neigun-gen und Aspekte hin, wie wir sie in Verbindung mit Völ-lerei erörtert haben.
Die sechste Sünde ist Neid. Auch darauf brauche ich nicht weiter einzugehen, weil ich es schon früher getan habe. Was ich über Habsucht sagte, gilt auch für Neid. Auch über ihn habe ich schon gesprochen.
FRAGE: Gibt es so etwas wie gesunden Neid?
ANTWORT: Nein. Unter gewissen Umständen könnte er zu einer gesunden Aktivität führen. Angenommen, jemand hat keinen Ehrgeiz, und es gibt so etwas wie gesunden Ehrgeiz. Er ist lethargisch, zurückgezogen, abgestumpft, gleichgültig und kommt mit jeman-dem in Kontakt, den er einfach beneiden muß. Das mag ihn aus seinem teilnahmslo-sen Zustand herausreißen und ihn vielleicht sogar in die richtige Richtung führen. Es kann sein, daß ein destruktives Gefühl ein positives Ergebnis hat genauso wie ein an sich positives Gefühl eine ungesunde Wirkung. Das ist möglich. Das hängt bezogen auf ihre Lebensumstände von den vielen Kompliziertheiten der menschlichen Persönlich-keit ab. Aber daß ein destruktives Gefühl in bestimmten Fällen positive Ergebnisse ha-ben kann, macht das Gefühl an sich nicht positiv, gesund oder produktiv.
Die siebente Sünde ist Faulheit, eben diese Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit, die ich gerade erwähnte. Sie stellt die Pseudolösung des Rückzugs vom Leben und der Liebe dar. Wo Apathie herrscht, besteht eine Zurückweisung des Lebens. Wo Gleichgültigkeit ist, be-steht Trägheit des Herzens, das nicht fühlen, andere nicht verstehen und so zu ihnen nicht in Beziehung treten kann. Nichts schafft größere Vergeudung als Faulheit oder Teilnahms-losigkeit oder Rückzug, oder wie ihr es sonst nennen wollt. Wer eine positive, konstruktive Haltung zum Leben einnimmt, wird nicht faul sein. Wer sich nicht übermäßig mit der ei-genen Sicherheit beschäftigt, wird sich nicht zurückziehen und deshalb auch nicht teil-nahmslos werden. Faulheit weist immer auf Egoismus hin. Wer um sich selbst zuviel Angst hat, wird nicht riskieren, vorwärts und auf andere zuzugehen. Wer es tut, riskiert, verletzt zu werden und nimmt es in Kauf. Wer faul ist, gibt weder dem Leben, noch sich selbst, noch anderen eine Chançe. Mit dieser Selbstbeschäftigung, wo es nur um die Pseudolö-sung Rückzug oder Apathie oder Faulheit geht, könnt ihr anderen niemals Glück besche-ren. Sie ist lebensverneinend. Eine solche Lebensverneinung ist nicht auflösbar, es sei denn, der Mensch käme dahin, diesen grundlegenden Egoismus und dieses Eigeninteresse als ungesund zu erkennen. Faulheit ist einer der Abwehrmechanismen, über die ich gespro-chen habe. In eurer Angst vor Verletzung verteidigt ihr euch dagegen, indem ihr träge im Herzen werdet, gleichgültig für alles, was das Leben hervorbringt. Daher nennt man sie zurecht Sünde.
FRAGE: Was geschieht spirituell betrachtet mit einem Leben, das in Faulheit verschwendet wurde?
ANTWORT: Es muß ständig wiederholt werden, bis derjenige endlich damit aufhört. Ihr seht, hier gilt dasselbe Gesetz, wie ihr es so oft um euch beobachtet. Je mehr ihr in ei-nem Teufelskreis steckt, um so schwerer ist es, aus ihm auszubrechen. Je tiefer ihr in die eigenen Konflikte und Probleme verstrickt seid, die letztlich nur deshalb entstehen, weil ihr nicht aus ihnen heraus und euch ändern wollt, um so schwerer wird es. Je öf-ter ihr davor weggelaufen seid, euch der Notwendigkeit eines Wandels zu stellen, und fortfuhrt, euch dem zu widersetzen, um so schwerer wird es. Das setzt sich fort, bis eu-er äußeres Leben so unerträglich wird—als Folge davon, daß ihr immer tiefer in den Teufelskreis geratet—daß gerade dieses Elend euch letztlich dazu bringt, eure Lage an-schauen zu wollen und euch zu ändern. Brächte man den Mut dazu auf, ehe das Leben so unerträglich ist, ließe sich viel Unglück vermeiden. Daher trifft man so oft auf Men-schen, die in ihren inneren Problemen gefangen bleiben wollen, solange sie nur damit ´durchkommen´. Wirklich ändern sie sich erst, wenn sie es nicht mehr ertragen kön-nen. Dasselbe gilt auch im größeren Rahmen. Wird ein Leben immer wieder in Faul-heit vergeudet, können schließlich die Umstände einer Inkarnation so unbequem wer-den, daß sich derjenige zusammenreißt und sich da herauszieht. Unglücklicherweise ruft Faulheit nur allzu oft die Einstellung hervor, den Weg des geringsten Widerstan-des zu gehen, solange die Umstände nicht zu schlimm sind. Das bringt dem nächsten Leben psychologische Bedingungen, die es schwer machen, in Faulheit zu leben, weil der Selbsterhaltungstrieb übernimmt, wenn es zu schlimm wird. Nur wann dieses Her-ausziehen beginnt, liegt an jedem selbst. Es kann sein, bevor das Leben wirklich uner-träglich wird. Solch ein Leben ist nicht von einem strafenden Gott gegeben, sondern ist die Folge der psychischen Bedingungen, die ihr euch selbst geschaffen habt. Der Um-kehrpunkt mag in einer neuen und schwierigeren Inkarnation oder auch im Verlaufe der jetzigen kommen.
FRAGE: Ich frage mich, warum einige Todsünden Wirkungen statt Ursachen darstellen. Und warum zum Beispiel nicht Haß und Angst erwähnt werden. Sie sind auch beides, Ursache und Wirkung, zu gleicher Zeit.
ANTWORT: Religiöse Lehren sprechen so oft von Wirkungen und nicht von Ursachen. Frü-her war die Menschheit noch nicht bereit, tiefer zu gehen, um die Ursachen zu erken-nen. Das Beste, was sie erhoffen konnte, war, sie von destruktivem Handeln abzuhal-ten, auch wenn die eigentlichen Ursachen beim Einzelnen noch nicht beseitigt waren. Zumindest wurde die Ansteckung seines Tuns und die direkte äußere Wirkung gerin-ger, wenn nicht gar völlig beseitigt. Ihr wißt, wie ansteckend das Verhalten des Men-schen ist. Auch Gedanken und Gefühle sind ansteckend, aber nicht auf derselben Ebe-ne. Mit anderen Worten, äußeres Verhalten wird das äußere Verhalten beeinflussen, während Gedanken auf Gedanken einwirken oder unbewußte Gefühle auf unbewußte Gefühle. Wenigstens wurden die ansteckenden Handlungen in ihrer gröbsten Form in Schach gehalten. Deshalb wurde früher mehr Aufmerksamkeit auf die Wirkungen, statt auf die Ursachen gelegt. Da die Menschheit sich nun entfaltet, muß sich die Auf-merksamkeit mehr auf die inneren Ursachen richten.
FRAGE: Nach Matthäus läßt sich Angst nur durch Gottvertrauen überwinden. Wie beziehst du das auf unsere Lehre?
ANTWORT: Wie ihr alle nun wißt, kann es Vertrauen zu Gott auf echte, sichere, aufrichtige und ernsthafte Weise nur geben, wenn ihr zuerst euch selbst vertraut. In dem Maße, wie euch das fehlt, könnt ihr auch kein Vertrauen zu Gott haben. Ja, ihr könnt es euch überstülpen, aus dem Bedürfnis, an einer liebevollen Autorität festzuhalten, euch et-was vormachen, aber auf realistische, echte Weise kann das nicht gehen, es sei denn, ihr hättet die Reife erlangt, Vertrauen zu euch selbst zu haben. Wie könntet ihr euch al-so selbst vertrauen, außer ihr versteht euch selbst so gut wie möglich? Solange ihr ver-wirrt seid und im Dunklen tappt, was die Wirkung betrifft, die ihr auf andere habt und die das Leben und andere auf euch haben, laßt ihr einige vitale Informationen über euer eigenes Seelenleben außer acht. Und diese Unkenntnis ist Folge eures inneren Un-willens und oft unbewußten Widerstandes, die Wahrheit zu finden. Nur mit Überwin-dung dieses Widerstandes und Unmuts werdet ihr es schaffen, euch besser zu verste-hen, euer Selbstvertrauen und so euer Vertrauen zu Gott zu steigern. Nur so könnt ihr die Angst überwinden.
FRAGE: Mir scheint, die sieben Todsünden stellen eine subtilere Erklärung der Zehn Gebote dar, die deutlich auf Angst beruhen oder sie bei ihrer Anwendung erzeugen.
ANTWORT: Ja. Jede falsch angewendete und verstandene Lehre erzeugt Angst. Ein rigides Gebot, ausgesprochen, ohne dem Menschen die Möglichkeit zu geben festzustellen, was ihn wirklich daran hindert, dem Ideal solcher Gebote nachzueifern, statt die Ursa-chen zu beseitigen, wird Angst und Schuld und damit Haß hervorrufen. Heute ist es dem Menschen nicht länger möglich und konstruktiv, ein Gebot nur aktiv zu befolgen. Da das nicht reicht, wird euer innerstes Selbst Angst haben, auch wenn euer Tun völlig richtig ist und den Geboten entspricht. Letzte Autorität liegt nicht außerhalb von euch, sondern in eurer eigenen Seele. Und zwischen den Über-Forderungen eures ideellen Selbst und seinem Perfektionismus und der Realität des produktiven Lebens, von dem euer wahres Selbst möchte, daß ihr es führt, besteht ein großer Unterschied.
FRAGE: Ich merke, daß die Sünden, die du aufzähltest, fließend sind. Sie fließen irgendwie ineinander. Manchmal scheinen sie Gegensätze wie etwa Faulheit und Wollust oder Völlerei. Sie sind nicht genau Gegensätze, aber auf gewisse Weise doch. Und dennoch können sie gleichzeitig bestehen. Ich frage mich, ob es eine deutliche Verbindung, sa-gen wir, zwischen Faulheit und Völlerei gibt?
ANTWORT: Es sind Gegensätze, weil Völlerei aus einem frustrierten Bedürfnis das gierige Zugehen auf den anderen ist, Faulheit hingegen ein gleichgültiges Zurückziehen, das nicht auf den anderen zugeht. Doch haben sie denselben gemeinsamen Nenner, die-selbe Unkenntnis des ursprünglichen Bedürfnisses, dieselbe Feigheit, es zu finden und die Bedingungen zu ändern, die zu seiner Erfüllung nötig sind, dasselbe kindische Ei-geninteresse und Selbstsucht. Da beide aus Verwirrung und Unordnung rühren—das verlagerte, unbewußte echte Bedürfnis—erzeugen sie mehr davon.
Völlig richtig, alle diese Sünden vermischen und überlappen sich. Sie mögen einander widersprechen, dennoch existieren sie gleichzeitig, weil sie alle denselben gemeinsa-men Nenner haben. Da der Mensch sich im Konflikt befindet und nicht einseitig ist, kann eine Seite von ihm eine Einstellung annehmen, die zu einer anderen im Wider-spruch steht. Ihr habt alle bei euch und anderen solche Widersprüche gefunden. Des-halb wird ein reifer Mensch vom anderen nie denken, er wäre dies oder das. Er wird die Widersprüchlichkeit des Menschen als solche erkennen und sie auf individuelle Fäl-le in seinem Umfeld anwenden können.
Diese Sünden wie auch jedes Gebot stellen universelle Tendenzen dar. Da die mensch-liche Seele nicht in klar bestimmte Unterteilungen getrennt ist, wo die eine nichts mit der anderen zu tun hat, aber fließend ist, mit Berührung zu anderen Bereichen und gegenseitiger Beeinflussung, ist es bei diesen Sünden auch so.
FRAGE: Ergibt sich aus dem, was du sagst, daß es keinen wirklichen Unterschied in der Ge-wichtung dieser Todsünden gibt? Manchmal heißt es, Faulheit sei schlimmer als Stolz.
ANTWORT: Das zu bewerten, ist schwer. Es kann fehlleiten. Es mag stimmen, wie leicht zu sehen ist, daß man aus Faulheit schwerer herauskommt, weil sie inaktiv ist. Sie lähmt die Fähigkeiten und ist so länger schädlich. Aber an sich sind es alles Symptome der-selben Ursachen darunter.
FRAGE: Ich möchte etwas zur Furcht vor dem Herrn fragen. Es heißt in der Bibel, „Die Furcht vor dem Herrn ist der Beginn der Weisheit". Haben wir diese Furcht richtig ver-standen? Haben
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