Am anderen Ort: Zehn Erzählungenn
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About this ebook
Acrylgemälde und Fotos unterstreichen die besondere Atmosphäre dieser Geschichten.
Ingrid Leibhammer
Ingrid Leibhammer, Jahrgang 1949, verheiratet, zwei erwachsene Söhne, ist vom Saarland in den Westerwald gewandert. Sie schreibt Kurzprosa zu psychologischen und gesellschaftlichen Themen und möchte hinter die Kulissen schauen, herausfinden was dem Geschehen zugrunde liegt.Das Zusammenwirken von Text und Malerei fasziniert besonders.
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Book preview
Am anderen Ort - Ingrid Leibhammer
Inhaltsverzeichnis
Vogel-Frei
Der Schatz
Auf der anderen Seite
Sehnsucht
Minik
Drohnen-Moskitos
Aus der Höhle
Sühne oder Glück?
Der Kämpfer
Haariger Fund
Impressum
Vogel-Frei
Acryl: Ingrid Leibhammer
Ihr bunter filigraner Flügel spannte sich weit oben über ihrem Haar. Er war prall gefüllt, so dass sie voller Vertrauen schwebte, lautlos und weich. Gelöst von dem Unten, abgehoben aus dem Jammertal. Ohne Bodenhaftung war sie ein Vogel, der sich aufschwingt zur Sonne. Ihr Flügel würde nicht schmelzen. Unter ihren Füßen drehten sich winzig die Felder und Wiesen. Ein Jauchzen kam von ihren Lippen, sie tirilierte wie eine Lerche. Ihre Finger zogen an den Leinen, und sie tanzte in Kreisen. Neben ihr schraubte sich ein Adler in die Höhe und wackelte mit den Flügeln zum Gruß, als wolle er ihr zuzwinkern. „Jaaa, ich kann’s genauso gut wie ihr!" rief sie zu ihm hinüber.
Sie spürte die auffrischende Brise im Gesicht und schaffte es, im Sog zu bleiben. Frei und schwerelos schwebte sie aufwärts in der dritten Dimension. Näher mein ... , summte es in ihr. In den Wolken sah sie ein gütiges bärtiges Gesicht. Ein Zeigefinger streckte sich ihr entgegen.
Die Harfenmelodie löste alle Spannungen.
Plötzlich fuhr sie im Fahrstuhl rasend schnell in die Höhe. Wie ein Blatt im Wind verlor sie die Kontrolle, wurde hierhin und dorthin geschleudert. Die Füße waren eiskalt, die Hände blau gefroren, ihre Nase spürte sie nicht mehr. Es schmerzte, wenn sie ihre Finger zwang, die Leinen zu ziehen. Der Wind pfiff in den Ohren. Der Adler hatte sie im Stich gelassen und sich auf einer Felskante in Sicherheit gebracht. „Ich bin verloren ... kann nichts tun!" Das erniedrigende Gefühl der Ohnmacht überwältigte sie. Diesen Gewalten war sie ausgeliefert, hing hilflos an den Leinen. Dennoch trug ihr Flügel sie, fiel nicht in sich zusammen. Hoffentlich nicht!
Der Blitz blendete ihre Augen, das Grollen vibrierte durch ihren Körper und die kalten Tropfen durchnässten sie. Der Lift wurde noch schneller, eine Autobahn nach oben. Jeder Atemzug ein anstrengendes Ziehen nach Luft. Und ihr Kopf schmerzte. In ihren Ohren war das Dröhnen eines Düsenflugzeugs. Was machte sie hier in Finsternis und Nässe? Wie war sie in diese Teufelsstürme geraten? Die Pforte stand weit offen, aber sie wollte nicht hinein. Sie war doch viel zu jung. Sie strampelte und sträubte sich. Jedoch fiel ihr nichts ein, wie sie wieder hinunter kommen konnte. Ihre Tränen gefroren. Ein Engel dort drüben im aufblitzenden Licht! Seit der Schule waren ihr keine Engel mehr in den Sinn gekommen, damals kannte sie alle Hierarchien auswendig und der Pastor freute sich.
Ihr Kopf fiel nach vorne, sie wusste nichts mehr.
Die Strömung riss ab und der