Berauschende Opfer: Sex & Crime 5
By Harry Hold
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About this ebook
Nachdem in Frankfurt eine Frau tot aufgefunden wird, nimmt Esther Streit, Hauptkommissarin bei der Frankfurter Kripo, die Ermittlungen auf und stößt schnell auf merkwürdige Machenschaften in der gynäkologischen Gemeinschaftspraxis "Dr. Reuß & Dr. Hebauer" in Bockenheim.
Da sich Jörg Rock, neuerdings Bestseller-Autor und Esther Streits Lebensgefährte, lieber neuen Sinneserfahrungen widmet, als die Hauptkommissarin zu unterstützen, gerät sie in einen Strudel aus Möchtegern-Liebhabern, heißen Affären und unhaltbaren Verdächtigungen. Ein Verwirrspiel um Sex und Drogen beginnt.
Doch dann scheint sich das Rätsel um die "Berauschenden Opfer" zu lösen...
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Berauschende Opfer - Harry Hold
Glücksmoment.
Frankfurt, Montag, 3. Dezember
9.26 Uhr
Esther Streit betrat die Wohnung in Frankfurt-Eschersheim. Sie fühlte sich unbehaglich. Der Anblick eines weiteren Opfers kündigte sich an.
Sie ging ins Wohnzimmer und sah die Männer der Spurensicherung in ihren weißen Overalls. Ihr Blick traf Dieter Porst. „Klara Abendrot, sagte er, „29 Jahre alt, ledig. Etwa 1,65 m groß und 55 Kilo schwer. Arzthelferin. Wie es aussieht, wurde sie mit bloßen Händen erwürgt.
Esther Streit schaute in die starren Augen des Opfers.
Wie sie das hasste!
Die Frau mit den halblangen dunkelblonden Haaren lag in der Mitte des kleinen Raumes auf einem Läufer, umringt von einem Sessel, einem Tisch und mehreren Stühlen. Ihr Körper war leicht verdreht. Während der Rücken komplett auf dem Boden lag, war das eine Bein angewinkelt und ragte halb über das andere. Die Haltung sah unnatürlich aus. Die Frau trug eine Jeans, einen Wollpulli und dicke Socken, selbstgestrickt. Blut war keines auszumachen. Sie war nicht geschminkt. Sie wirkte wie die nette Nachbarin, mit der man einen Prosecco trinken und Spaß haben konnte.
Ein Gerichtsmediziner, den Esther lediglich einmal kurz im Präsidium gesehen hatte und dessen Namen sie nicht kannte, beugte sich gerade über das Opfer und untersuchte die Leiche.
„Hallo, sagte Esther, ohne dem Fremden die Hand zu reichen. „Esther Streit, Hauptkommissarin. Sie sind der Neue?
Der Mann trug Handschuhe und sah ebenfalls davon ab, ihr die Hand zu geben. „Genau. Heiner Trost."
Esther lächelte, obwohl ihr nicht danach war. „Todeszeitpunkt?"
„Kann ich noch nicht exakt bestimmen. Ich schätze gestern Abend oder frühe Nacht, also vor zehn bis vierzehn Stunden."
„Kampfspuren?"
„Außer den Würgemalen wenig. Einige Abschürfungen an Armen und Beinen. Zwei, drei blaue Flecken. Ein paar Kratzer im Gesicht. Aber ob die vom Täter stammen, wird die Obduktion zeigen."
„Hat sie sich gewehrt?"
„Lässt sich bislang nicht exakt rekonstruieren. Wenn ja, dann eher zaghaft. Oder sie wurde plötzlich überfallen und vom Täter überrascht."
„Gibt es Hinweise auf einen männlichen Täter, weil sie das so betonen?"
„Kräftig muss er gewesen sein, sonst hätte er sie nicht zu Tode würgen können."
„Anzeichen eines sexuellen Übergriffs?"
„Dazu kann ich noch keinerlei Aussage machen."
Wie sie das hasste!
Esther seufzte. „Irgendwelche weiteren Erkenntnisse?", fragte sie in die Runde, doch nahezu alle Spurensicherer gingen stoisch ihrer Arbeit nach. Bis auf Ines Freuke. Sie winkte Esther an die Eingangstür und deutete auf das Schloss.
„Hier, das ist unversehrt. Sieht so aus, als hätte sie ihm geöffnet."
„Keine Einbruchspuren? Also kannte sie ihn?"
„Durchaus möglich. Zumal in der Wohnung nichts durchwühlt wurde."
„Das heißt, es liegen keinerlei Anzeichen eines Raubmordes vor?"
„Exakt."
Als Esther den Kopf hob, kam Carlo Funke die Treppe zur Wohnung im ersten Stock hoch und blieb vor ihr stehen.
„Auch schon da, Carlo-Bärchen?!" Sie schmunzelte.
Den Spitznamen hatte er seit einer kurzen Liaison mit der Cousine von Jörg Rock, Esthers Freund. Sie hatte ihn aufgrund seiner Leibesfülle und der Vorliebe für Süßes so genannt.
„Sorry, Stau ohne Ende in der Stadt. Was ist denn hier los?"
„Tote Sprechstundenhilfe. Wir teilen uns die Arbeit. Schnapp dir die Jungs und klingel die Nachbarschaft ab. Sie wurde erwürgt. Vielleicht hat jemand einen Schrei gehört oder jemanden wegrennen sehen. Jemand muss in ihrer Familie und ihrem Freundes- und Bekanntenkreis recherchieren..."
„...übernehme ich", sprach Funke dazwischen.
„Okay. Ich fahre in die Praxis, in der sie gearbeitet hat. Ich würde vorschlagen, wir treffen uns in drei oder vier Stunden im Präsidium zur Lagebesprechung."
10.54 Uhr
Die gynäkologische Gemeinschaftspraxis Hebauer & Reuß lag in Bockenheim in der Markgrafenstraße, in Sichtweite der beliebten Leipziger Straße, auf der es Geschäfte und Läden aller Art gab.
Esther hatte ihren Besuch angekündigt und darum gebeten, alle Mitarbeiter der Praxis, soweit derzeit verfügbar, zusammenzutrommeln. Sie wollte sich einen Überblick verschaffen und alle mit dem Tod der Kollegin konfrontieren. Eine Schocktherapie konnte ihren Ermittlungen eventuell dienlich sein.
Als Esther die Praxis betrat, erwarteten sie etliche Augenpaare, die sie wie gebannt anblickten. War etwas durchgesickert? Wussten sie bereits Bescheid? Woher?
Einer der Gynäkologen nahm sie in Empfang und gab ihr die Hand. Dr. Hebauer, wie Esther anhand des Schildes an seiner Brust erkannte.
„Womit können wir Ihnen behilflich sein?", fragte er forsch mit einer butterweichen Schleimstimme.
Als Esther darauf bestand, zunächst mit allen Mitarbeitern reden zu wollen, wies er an, in den nebengelegenen Warteraum zu gehen.
Im Warteraum saß nun keine einzige Patientin mehr, dafür ein weiterer Arzt, Dr. Reuß, vier Sprechstundenhilfen und das Mädchen für alles, Herr Arno Kling, 54 Jahre alt, Kurierfahrer, Hausmeister, Handwerker, Kopierer und Frühstücksholer in einer Person.
Nachdem Esther ihren Blick durch die Runde hatte schweifen lassen und dabei jeden eine Weile fixierte, probierte sie es auf die direkte Tour. „Mein Name ist Esther Streit von der Frankfurter Kripo. Ich überbringe ihnen schlechte Nachrichten. Klara Abendrot ist gestern spätabends Opfer eines Gewaltverbrechens geworden."
Esther beobachtete sehr genau die Reaktionen der Anwesenden. Links von sich registrierte sie Aufschreie aus zwei verschiedenen Kehlen. Eine dralle Braunhaarige und eine schlanke Schwarzhaarige hielten sich die Hände vor den Mund.
„Das ist ja furchtbar", erklang es aus dem Mund von Dr. Reuß.
„Du lieber Himmel!", fügte Dr. Hebauer hinzu.
Die beiden anderen Sprechstundenhilfen schienen so geschockt, dass sie keinen Laut über die Lippen brachten.
Nach Esthers Offenbarung schauten die meisten verschämt zu Boden, trauten sich nicht, einander anzublicken oder etwas zu sagen.
„Zum Tathergang und zum Täter lässt sich derzeit noch nichts Näheres sagen. Wir sind auf ihre Mithilfe angewiesen. Jede Information kann hilfreich sein. Hat jemand von ihnen mitbekommen, dass Frau Abendrot bedroht wurde?"
Schweigen.
„Weiß jemand von ihnen, ob Frau Abendrot Feinde hatte?"
Schweigen.
„Hatte Frau Abendrot Streit mit jemandem?"
Schweigen.
„Hat Frau Abendrot in letzter Zeit etwas erwähnt, was ihr Kummer bereitet hat?"
Schweigen.
„Hatte sie Sorgen? Ängste? Probleme, die sie mit jemandem von ihnen geteilt hat?"
Niemand im Raum machte Anstalten, etwas sagen zu wollen. Esther verstummte, schaute der Reihe nach alle an. Betretene Gesichter. Sie fühlten sich unwohl, das spürte sie. Aber das war gut so. Früher oder später würde jemand etwas sagen. Jemand, dem etwas auf dem Herzen lag oder der sich in die Enge getrieben fühlte.
„Okay, fuhr Esther fort. „Scheint so, als hätte es ihnen allen die Sprache verschlagen.
„Ja, wissen Sie, das ist so ungewohnt für uns alle", setzte Dr. Reuß zu einer Erklärung an.
„Zum Glück, erwiderte Esther. „Stellen Sie sich vor, sie wären an so etwas gewöhnt.
Wieder Schweigen. Den Witz hatte niemand mitbekommen.
„Wir sind erschüttert, schaltete sich auch der andere Arzt, Dr. Hebauer, ein. „Es ist so entsetzlich und unerwartet. Gestern hat sie hier noch gearbeitet. Ich darf gar nicht dran denken. Es tut mir leid, dass niemand Ihnen weiterhelfen konnte. Aber vielleicht fällt uns noch etwas ein, wenn sich das alles etwas gesetzt hat. Wir können ja noch nicht realisieren, was geschehen ist.
„Keine Sorge, ich melde mich wieder bei ihnen, antwortete Esther und schaute wieder in die Runde. „Ich lasse ihnen einige Karten hier. Bitte rufen sie mich sofort an, sobald ihnen im Zusammenhang mit Frau Abendrots gewaltsamen Ableben etwas einfällt. Egal was.
Sie drückte den Anwesenden ihre Visitenkarten in die Hand. Ein Blick weckte ihre Aufmerksamkeit. Die Arzthelferin, auf deren Schild der Name Iris Jung stand, schluchzte plötzlich: „Sie war doch erst 29. Es klang wie die Inschrift auf einem Grabstein. Und kaum ausgesprochen, fügte sie mit bitterem Ton hinzu: „Ich glaube, ich drehe durch. Ich kann nicht allein sein heute.
Eine ihrer Kolleginnen namens Jenny Nord nahm sie in den Arm. Sie umarmten sich lange. Tränen flossen. Die beiden anderen Arzthelferinnen, Isabell Tenhagen und Lisa Fontano, stimmten ein.
Esther beobachtete die vier eine Weile und warf noch einen Blick in die Runde. Die beiden Ärzte und Herr Kling standen fassungslos da. Alle wirkten zutiefst verstört. Oder waren sie passable Schauspieler, die ihre wahren Gefühle kaschieren und ihr Gesicht unter einer Maske aus Fassungslosigkeit verdecken konnten? Sie hätte zu gern die Gedanken der Anwesenden gelesen, aber sie konnte nicht hinter die Fassade schauen.
Esther wandte sich an Dr. Hebauer. „Können Sie mir eine Liste zukommen lassen mit allen Namen, Adressen und Telefonnummern Ihrer Mitarbeiter inklusive Ihrer eigenen?"
„Selbstverständlich. Das gebe ich sofort in Auftrag."
„Danke. Bitte mailen Sie die Liste an die Adresse auf der Visitenkarte." Der Arzt nickte.
Anschließend verließ Esther die Praxis. Sie fühlte die Blicke auf ihrem Rücken. Wenn jemand darunter war, der etwas aussagen wollte und sich nicht vor den anderen getraut hatte, würde sich dieser Jemand nicht viel Zeit lassen und sie kontaktieren.
14.11 Uhr
Während sich Carlo eine Packung Nippon Puffreis gönnte, saß ihm Esther an seinem Schreibtisch gegenüber und berichtete von ihrem Besuch in der Praxis bei den Gynäkologen und ihrem Team. Sie spürte, während sie die Details schilderte, wie ein inneres Aufbäumen, das sich langsam ausbreitete, bis in die letzten Nervenendungen vordrang. Solche Fälle hatte sie satt wie sonst was. Sie machten sie aggressiv. Die Suche nach dem Mörder, nach Indizien und Motiven, das Wühlen im Dreck, ging ihr zunehmend gegen den Strich. Sie hätte ein Himmelreich für eine Alternative gegeben. Aber sie hatte verdammt nochmal keine Idee, was sie sonst mit ihrem Leben hätte anfangen sollen.
Nachdem sie ihre Schilderungen beendet hatte, kommentierte Carlo schmatzend. „Wenn dabei was rauskommen soll, müssen wir die einzeln vernehmen."
„Wird ein Marathon, erwiderte Esther. „Ich nehme sie mir morgen einzeln vor. Und bei dir?
„Immerhin gibt es ein paar Hinweise. Der Nachbar, ein Jonas Becker, scheint interessant zu sein. Er ist die ganze Zeit im Treppenhaus herumgeschlichen, hat geguckt und geguckt und als er von ihrem Tod erfahren hat, war er wie aufgelöst. Ein Arzt musste ihm eine ordentliche Dosis Beruhigungsmittel reinjagen, sonst wäre er womöglich kollabiert. Natürlich konnten wir ihn in dem Zustand nicht vernehmen."
„Dann wissen wir ja, was wir morgen vorhaben. Ist er einbestellt?"
„Ja. Um 11 Uhr. Willst du bei seiner Befragung dabei sein?"
„Nicht unbedingt. Hast du was zu ihren familiären Verhältnissen?"
„Sie ist ledig, war nie verheiratet. Und laut der Aussage einer älteren Nachbarin, die direkt unter ihr wohnt, hatte sie keinen Freund. Der letzte war vor einigen Monaten im Haus ein- und ausgegangen. Sie achte sehr auf Männerbesuche, meinte sie." Carlo schmunzelte.
„Für was ältere Damen alles gut sein können."
„Genau. Übrigens sind die restlichen Mitbewohner alles Greise oder kurz vor scheintot. Keiner unter 75."
„Bist du sicher, dass du nicht im Altersheim warst?"
„Bin ich."
„Und? Hat keiner von denen was gehört oder gesehen?"
„Fast alle schwerhörig, Carlo lachte herzhaft und biss in ein frisches Nippon. „Aber mal im Ernst. Die alten Leutchen pennen meistens schon vor der Tagesschau ein. Und wenn es draußen dunkel ist, noch früher. Keiner konnte eine halbwegs vernünftige Aussage machen. Einer hat wohl eine Art Stöhnen gehört, ein anderer eine Tür zuschlagen. An die Uhrzeit erinnern sie sich nicht mehr. Die Nachbarin hat jemanden im Treppenhaus gehört.
Funke legte eine kurze Denkpause ein, während er ein weiteres Puffreis aß. „Also weiter. Klara Abendrots Eltern leben beide nicht mehr. Sie hat keine Geschwister und nur entfernte Verwandtschaft. Ein Onkel und eine Tante im Osten. Schwerin, um genau zu sein. Und eine Cousine, die am Bodensee lebt. Mit allen hatte sie nicht viel zu tun gehabt."
„Kontaktscheues Mädel? So sah sie gar nicht aus."
„Laut der Aussage der Nachbarin hat sie sehr viel gearbeitet. War jeden Tag 11 bis 12 Stunden außer Haus, manchmal länger."
„Wofür gibt es eigentlich Arbeitszeitgesetze?"
„Wir prüfen noch, ob sie tatsächlich so lange in der Praxis gearbeitet hat oder vielleicht noch einen Zweitjob hatte, Hobbys, viel Sport getrieben hat oder so?"
„Okay, also können wir familiäre Streitigkeiten oder eine Erbangelegenheit vorerst ausschließen, genauso wie Raubmord und einen Unbekannten, sonst hätte sie wohl kaum die Tür aufgemacht. Wir müssen uns auf ihr unmittelbares Umfeld konzentrieren. Wen gibt es da noch?"
„Bis auf den Nachbarn Fehlanzeige."
„Aber es muss doch eine beste Freundin oder so etwas geben."
„Okay, ich kümmere mich darum. Die Auswertung der Mails, der SMSe und der eingegangenen und angerufenen Telefonnummern wird noch eine ganze Weile in Anspruch nehmen. Übrigens: Um 17.30 Uhr haben wir einen Termin bei Ölbrich und Klaus. Sie wollen informiert werden."
„Bis dahin brauchen wir aber noch einige handfeste Infos, sonst können wir den Bossen wenig erzählen."
„Ich schaue, was sich machen lässt."
17.37 Uhr
„Kommen Sie am besten gleich auf den Punkt", sagte Henning Klaus, Leiter der Mordkommission, der sich mit der