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Planspiel oder Käfighaltung: Kurzgeschichten
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Planspiel oder Käfighaltung: Kurzgeschichten

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#9783863390112#Planspiel oder Käfighaltung ist ein schwarzes Buchvoller dunkler Geschichten, an denen schwarzer Humorklebt und in denen das Leben wie nebenbei passiert.Lakonisch erzählt Dorothee Vohl hier sechzehnKurzgeschichten über bizarre und autonome Typen, übereinsame und verwundete Herzen und Übeltäter, die einennicht kaltlassen.#
LanguageDeutsch
PublisherLIBU
Release dateDec 13, 2010
ISBN9783863390112
Planspiel oder Käfighaltung: Kurzgeschichten

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    Planspiel oder Käfighaltung - Dorothee Vohl

    www.fgb.de

    Home Office

    „Freie Texterin gesucht!, so hatte vor zwei Jahren der Anzeigentext gelautet. „Von Ihrem Home Office aus können Sie sich Ihre Zeit frei einteilen und in aller Ruhe Ihre Sprache finden. Das hatte für mich noch weit mehr als nur attraktiv geklungen. Genau das war es, das war „die Arbeit, nach der ich schon so lange gesucht hatte. Zwischen meinem Wohnort und dem der Arbeitgeber, einer Agentur, lag eine sichere Entfernung von mehreren hundert Kilometern. Keine Chance für Mobbing, keine Chance, dem absoluten Jugendwahn, der in meiner Branche noch mehr als in den meisten anderen herrscht, erneut zum Opfer zu fallen oder ihn überhaupt nur vor Augen zu haben. „Von Ihrem Home Office aus können Sie sich Ihre Zeit frei einteilen und in aller Ruhe ihre Sprache finden. Diese Worte klangen schon fast nach zu viel des Guten. Jedoch, ich bin und war immer schon Optimistin. Immerhin hatte ich in meinem Leben bisher noch alles, wenn auch nicht gerade mit links, aber na ja, irgendwie immerhin, geschafft. Klar, hatten da auch die ewig gleichen Phrasen vom „jungen Team et cetera in dieser Annonce gestanden. Es fanden sich sogar die markanten Sätze: „Bei uns finden Sie kein altes Eisen. Das haben wir schon längst ins ewige Feuer geworfen und verflüssigt. Wir sind alle jung und knusprig, denn man muss stets Gesicht zeigen, und das ist bei uns immer knackig, frisch und faltenlos! Aber selbst solche Worte verschreckten oder ärgerten mich in diesem Augenblick nicht einmal. Ich wollte unbedingt diesen Job, der mich doch wortwörtlich aufgefordert und angeregt hatte, meine eigene Sprache zu finden und zu verkaufen. Nichts anderes hatte ich schon immer gewollt und gekonnt. Sollte diese Firma doch ansonsten in ihrem Laden, in der Agentur, den ganz gewöhnlichen Wahnsinn abspulen lassen. Damit meine ich Afterwork-Partys und alles andere, das Schickimickis der Jetztzeit so abfeiern. Sollten sich diese Leute doch einbilden, sie seien das Optimum, weil sie gerade zurzeit noch jung an Jahren waren und den aktuellen Zeitgeist spiegelten. Was bedeutete das schon für mich – nichts! Hauptsache, ich wusste, was ich konnte, wollte, und bekam es auch. Das heißt, Hauptsache, sie leckten sich nach mir und meiner Spitzen-Arbeit die Finger.

    Tatsächlich gefielen den Herren und der einen Dame der Chefetage meine Texte. „Pikant! Sie haben und sind die Initialzündung! Das ist die junge Frische, die wir gesucht haben. Der pure Esprit!, tönte es als Antwort. In der Bewerbung hatte ich mich weit mehr als zwanzig Jahre verjüngt, und da ich für diesen Job auch meine gesammelten Dokumente und meinen Lebenslauf für mich behalten durfte, niemanden hatte meine Lebensgeschichte interessiert, weil für diese Leute ausschließlich Fakten, mit anderen Worten, tatsächliche Arbeit zählte, war ich eben plötzlich heiß begehrt. Wir kannten uns folglich nur vom Telefon, durch E-Mail-Kontakt und natürlich durch meine Texte, die ich regelmäßig, bei Bedarf sogar täglich, produzierte und lieferte. In der Agentur war man begeistert von mir. „Sie sind die Originellste, einfach die Beste! Stets termingerecht beziehungsweise immer noch weit vor Termin. Die Ausnahme in jeder Hinsicht. Sie scheinen an der Quelle der Inspiration zu sitzen, stehen unter Strom, aus Ihnen quillt der echte Funke des Zeitgeistes, Sie sind immer im Fluss mit Ihren exzellenten Resultaten, wobei Sie absolut nicht Mainstream sind! Komplimente über Komplimente. Ein Übermensch, wer sich durch solche Worte nicht geschmeichelt fühlte. Auch ich konnte nicht anders und begann, mich nahezu sicher zu fühlen. Todsicher sozusagen – bis, ja, bis ich eines Tages diesen schrecklichen Anruf erhielt. „Liebe Frau Feldmann, wir müssen uns doch nun endlich auch persönlich kennen lernen! Das war ein Schlag in meinen Magen. Ich hatte das dringende Bedürfnis, mich zu übergeben. Kotzen, auskotzen, was ich alles so in mir hatte, meine Nahrung, mein Talent, einfach alles. Das war das Ende. Ich war geliefert, das war mir augenblicklich sonnenklar. Wie hatte ich mir nur einbilden können, dass ausgerechnet ich den Hunger der ewigen Jugend überlisten könnte? Dass ausgerechnet ich das Exempel sein könnte, das sich statuierte, das das Rad der Zeit umdrehen beziehungsweise täuschen könnte? Mannomann, ich war ja eine solche Idiotin gewesen! Wieso hatte ich mir kein Hintertürchen eingebaut oder offengehalten? Wieso hatte ich mich in meiner elenden Naivität und Euphorie ganz mit Herz und Verstand eingebracht und geglaubt, ich käme damit ungeschoren durch? Die Auftraggeber wollten mich besser und enger ans Unternehmen binden, hieß es mit einem Mal. „Aber wieso denn das so plötzlich? Hat denn nicht bislang alles bestens geklappt? „Das klingt ja beinahe so, als wollten Sie uns gar nicht persönlich kennen lernen, Frau Feldmann? Da müssten wir uns ja schon fast etwas beleidigt fühlen – oder?! Nein, mal ganz im Ernst, wo liegt denn das Problem? Mann, wenn ich das jetzt sagen würde, könnten und würden wir umgehend und gleich am Telefon die ganze Angelegenheit ad acta legen! Doch noch war ich bereit zu kämpfen, auch wenn ich weder einen Plan hatte noch wusste, wie ich meine Felle retten könnte. „Also mal ganz ehrlich, ich habe so viel zu tun und reise auch nicht gerne. Ich organisiere mir nicht umsonst alles von meinem Home Office aus, weil ich hier mein eigener Herr, ach nein, meine eigene Frau bin. Ich stehe nicht auf diesen ganzen üblichen Angestellten-Quatsch, verstehen Sie! Das hat nichts mit Ihnen persönlich oder mit Ihrer Agentur zu tun. Das ist alleine meine ganz persönliche Macke, wenn Sie so wollen. Aber ich stehe nicht auf Verbrüderung und zu viel Nähe. So kann ich einfach nicht arbeiten! Ich hörte ein deutliches Schlucken auf der anderen Seite der Leitung. Mit so viel Eigensinn hatte dort wohl keiner gerechnet. „Oder wollen Sie nicht mehr mit mir zusammenarbeiten?, fügte ich möglichst ungerührt hinzu. Da war wieder ein erneutes Würgen zu vernehmen. Diesmal klang es schon beinahe gequält und zwanghaft. „Aber nein, aber nein, natürlich schätzen wir Sie über die Maßen! Das habe ich Ihnen doch bereits mehrfach versichert, Frau Feldmann. Wir sind mit Ihnen total d’accord! Mehr als mit jedem anderen unserer Texter. Wir wollten nur, wir dachten . . . „Ich denke auch, dass unsere Zusammenarbeit doch wohl nicht besser werden kann, als sie jetzt ist – oder? Von meiner Seite aus muss ich Ihnen ganz klar sagen, dass ich nichts verändern möchte! „Ich muss mich jetzt wohl noch einmal mit meinen Kollegen kurzschließen und melde mich später wieder. Ist das Okay für Sie, Frau Feldmann? Was blieb mir anderes übrig. Aber, ich spürte genau, dass die Sache noch nicht erledigt und vorbei war. Es war eindeutig, dass es wohl nicht so weitergehen würde, wie es bisher zwischen mir und meinem Arbeitgeber gelaufen war. Die Sicherheit meines Home Office sollte der offenen Schlacht geopfert werden. Sicher war man in der Agentur auf die glorreiche Idee verfallen, ihre anonymen Texter mit persönlichen Fotos ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Man wollte einfach sehen und zeigen, wer hinter den perfekten Worten steckte und dass dieser Jemand ebenfalls gemäß der Firmen- und Kundenphilosophie perfekt war. Die üblichen Marktgesetze würden mich von nun an auch hier zuhause wieder erreichen. Und haargenau so war es. Eine Stunde später kam der zweite Anruf. „Frau Feldmann, wir verstehen Ihre Gründe nicht so ganz, das heißt, wir akzeptieren sie nicht. Wenn Sie nicht reisen wollen, okay, dann kommen wir ganz einfach zu Ihnen. Wir sind fest entschlossen, Sie endlich persönlich kennen zu lernen. Vielleicht täuschen Sie sich ja und eine kurze Begegnung kann bei Ihnen doch einen anderen, positiveren Effekt erzielen, als Sie im Moment annehmen. Wir sind sicher, dass Sie das Ganze zu negativ sehen, und da wir ja immer bestens zusammengearbeitet haben, wird doch ein kleines, kurzes Treffen auch daran nichts verändern können – oder?! Im ersten Moment fiel mir nicht gleich eine Antwort ein, was bei mir wirklich etwas heißen will, denn um Worte bin ich eigentlich niemals verlegen, und ich verlege sie auch nicht, denn sie sprudeln meistens wie von selbst aus mir heraus. Stattdessen begann ich nun zu stammeln – von häuslichen Verpflichtungen und so weiter. Einfach jämmerlich klang das, und ich hörte deshalb nun auch einen ärgerlich langen Atemzug am anderen Ende der Leitung. „Also, wir beenden für den Moment dieses Telefonat, Frau Feldmann. Sie überlegen sich die Angelegenheit noch einmal und teilen uns morgen bitte das Ergebnis mit. Wir würden dann gleich übermorgen bei Ihnen anreisen. Es reicht uns ja eine kurze Begegnung. Sagen wir ein bis zwei Stunden. Sie sehen, was wir alles auf uns nehmen, um Sie endlich kennen zu lernen. Immerhin dauert unsere Anreise ja dreieinhalb Stunden mit dem PKW und die Rückreise ebenso lange. Wir sind bereit, einen ganzen Arbeitstag für Sie zu investieren, verstehen Sie?! Also, dann bis morgen, Frau Feldmann. Natürlich habe ich niemals mehr zurückgerufen. Ich habe auch das Telefon in den folgenden Tagen nicht abgenommen. Alle E-Mails, Briefe, die mich in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten von der Agentur erreichten, habe ich ebenfalls nicht beantwortet. Wirklich schade! Für beide Seiten, denke ich! Aber ich bin eine Frau mit Vergangenheit und in solchen Verhältnissen ohne Zukunft.

    Schneewittchen

    Alle Welt kennt doch Schneewittchen. Allerdings wurde im Märchen so manche Unwahrheit überliefert – zum Beispiel, dass die Böse die Stiefmutter vom Schneewittchen war, stimmt überhaupt nicht, denn in Wahrheit waren da mehrere Böse, zum Beispiel ihre große Schwester, Olga, die Schneewittchen immer und überall zu schaden versuchte und ihr am Zeug flickte. Dazu aber später mehr. Es war natürlich auch kein Königssohn, der Schneewittchen zur Frau nahm, sondern nur ein ganz normaler Allerweltstyp, ein Büroangestellter, der hieß Joachim und war noch dazu nicht einmal besonders ansehnlich oder gar reich. Nur das Schneewittchen, das war so sagenhaft schön, zumindest in ihren jungen Jahren, und auch ihr Charakter war von einer Sanftmut und Reinheit, dass es absolut nicht übertrieben wäre, zu behaupten, dass sie zu gut für diese Welt war. Ihre Familie war nicht besonders wohlhabend gewesen und so erfüllte es Schneewittchen mit großem Stolz, als sie und ihr Mann sich ein kleines Häuschen bauen konnten. Zwar mussten noch die Schwiegereltern mit in die obere Etage des Hauses einziehen, weil Joachim und Schneewittchen nicht genügend Geld besaßen und das Häuschen nur mit den Mietzahlungen von Joachims Eltern finanziert werden konnte. Alte Leute lebten ja bekanntlich auch nicht ewig und so waren Joachim und sein Schneewittchen sehr zuversichtlich, in absehbarer Zeit ausreichend Platz für sich und ihre eigene Familie zu haben. Die Kinder hatten kurz nach der Hochzeit nicht lange auf sich warten lassen und waren wie die Murmeln, eins nach dem anderen alle Jahre wieder, aus Schneewittchen herausgepurzelt, bis es vier Stück waren, aber dann war doch wirklich Schluss mit dem Kinderkriegen, fand und beschloss Joachim. Schneewittchen war nicht nur gut und versorgte Mann und Kinder nach all ihren Kräften, nein, sie beackerte noch dazu den großen Garten hinter dem kleinen Haus. Der war zwar, ehrlich gesagt, nicht ganz so groß wie der des Nachbarn, was Joachim ziemlich ärgerte, aber immerhin war er so groß, dass die Erde alles Gemüse, Kartoffeln und Obst hergab, das die junge Familie zum Leben benötigte. Die Kinder, zwei Töchter und zwei Söhne, Annette, Bernhard, Christiane und Dieter, hatten ihre Eltern dem Alphabet folgend benannt. Vielleicht, weil Joachim befürchtete, dass es doch nicht nur bei den Vieren bleiben würde oder weil er einfach die Übersicht behalten wollte. Joachims Gehalt war nur bescheiden und so konnte sich die Familie niemals den Luxus erlauben, zu verreisen. Doch, Gott sei Dank, verreisten die Großeltern umso öfter und die Enge des Hauses stellte nur selten ein echtes Problem dar. Nach wenigen Jahren starb auch tatsächlich der Großvater und zwei der Kinder bekamen in der oberen Wohnung ihr eigenes Zimmer, was auch die höchste Zeit gewesen war, da Annette und Bernhard zum Gymnasium gingen und Ruhe zum Lernen brauchten. Im Laufe der Jahre wurde Schneewittchen nicht hässlicher, nein, nicht wirklich, sondern einfach nur älter, was Joachim ihr aber sehr übel nahm, obwohl es ihm selbst natürlich auch nicht anders erging. Immer noch arbeitete Schneewittchen im Gemüsegarten, säte, pflanzte, hegte, pflegte und erntete am Ende im Herbst. Nur die beiden jüngeren Kinder, Christiane und Dieter, halfen ihrer Mutter dabei. Die Großmutter verreiste nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr oft, sondern schaute stattdessen lieber aus dem Fenster in den Garten, um von oben aus Kommandos zu geben, die Schneewittchen samt den beiden Kleinen auszuführen hatten. Niemals widersprach Schneewittchen ihrer Schwiegermutter und auch nicht ihrer großen Schwester Olga, die sehr oft zu Besuch kam. Olga hatte bereits zwei erwachsene Töchter, war geschieden und hatte ziemlich viel freie Zeit, da sie nach der Scheidung so gut versorgt war, dass sie nicht arbeiten musste. Oft lag Olga im Badeanzug auf der Terrasse und sonnte sich, und wenn Joachim von der Arbeit nach Hause kam, legte er sich ebenfalls in einen Liegestuhl neben Olga und leerte mit seiner Schwägerin die eine und andere Bierflasche. Beide waren bester Laune und genossen in der Horizontalen ihr Leben. Wenn Schneewittchen aus dem Garten ins Haus kam, bereitete sie das Essen für alle zu, servierte für Olga und Joachim, die es sich weiterhin auf der Gartenmöbelgarnitur gemütlich machten, separat draußen das Essen, während sie selbst mit den Kindern in der Küche aß. All das war für Schneewittchen so selbstverständlich, dass sie sich niemals irgendeinen Gedanken darüber gemacht hätte, dass eventuell in ihrem Leben etwas nicht stimmen und nicht Ordnung sein könnte. Auch die Schwiegermutter bekochte Schneewittchen, denn seit dem Tod des Großvaters hatte die alte Frau einfach keine Lust mehr zu kochen. „Es gelingt mir einfach nichts mehr!, hatte sie eines Tages behauptet, was Schneewittchen nur allzu gut verstehen konnte, denn auch sie selbst hätte sich ganz bestimmt kein Menü für sich alleine zubereitet, weil es doch viel mehr Spaß machte, etwas für andere zu tun als für sich selbst. So musste Schneewittchen eben fast täglich für acht Personen kochen, aber der Garten half ihr, ihren Speiseplan abwechslungsreich zu gestalten und die Unkosten zu überschauen. Schneewittchens Leben war so arbeitsreich, dass sie kaum Zeit fand, auf sich selbst zu achten. Um ein Haar wäre es ihr nicht einmal aufgefallen, dass sie krank wurde. Der Schwiegermutter war oben von ihrem Fenster aus schon seit einigen Wochen aufgefallen, dass sich Schneewittchen nur sehr mühsam und langsam zwischen ihren Gemüsebeeten bewegte. „Was ist denn nur mit dir los? Du bewegst dich ja genauso lahm wie die Schnecken durch dein Gemüsebeet, du schläfst ja fast ein bei der Arbeit. „Ich bin immer so müde, Mutter, meine Hände wollen einfach nicht so schnell, wie ich es will. „Ach, Papperlapapp! Du gehst zum Arzt und lässt dich mal durchchecken. Du brauchst einfach etwas Eisen. Es kann doch nicht angehen, dass du deine Arbeit nicht schaffst! Wir und die Kinder brauchen dich. Der Doktor soll dir ein paar Pillen verschreiben und dann geht es schon wieder. Natürlich gab Schneewittchen der Schwiegermutter recht, denn sie hatte ja schon die ganze Zeit ein ziemlich schlechtes Gewissen gehabt, dass sie derart langsam geworden war. Allerdings ging Schneewittchen nicht so gerne zum Arzt. Sie war schüchtern, wenn sie sich dort ausziehen sollte, und der Arzt war doch immerhin ein fremder Mann. Aber es half nichts, das Problem musste gelöst werden, und daher ging sie schließlich zum Doktor. Der machte auch eine ernste Miene, und nachdem er Schneewittchen eingehend untersucht hatte, schickte er auch noch Schneewittchens Blut, Urin und Stuhl in ein Labor ein und dann wurde Joachim zum nächsten Arzttermin miteinbestellt. Das passte ihm zwar überhaupt nicht, denn nach seiner Arbeit war er immer sehr müde und saß dann einfach nur noch gerne auf der Terrasse, aber wie hätte das denn ausgesehen, wenn er der Einladung des Herrn Doktors nicht gefolgt wäre. „Sie haben Krebs!, eröffnete der Mediziner Schneewittchen völlig unverhohlen. Joachim war tatsächlich im ersten Moment ebenso erschreckt wie seine Frau und nahm sie sogar kurz tröstend in seine Arme. Zwei Wochen später wurde Schneewittchens Gebärmutter entfernt. Olga war als Haushaltshilfe zu Joachim und den Kindern gezogen. Die Großmutter machte vorsichtshalber kurzfristig eine Reise zu einer alten Freundin. „Also, nein, das kann ich in meinem Alter nicht mehr leisten, nein, wirklich nicht. Überhaupt, ein so großer Haushalt wie eurer einer ist, wäre auch noch niemals etwas für mich gewesen. Ich habe nicht umsonst nur ein Kind bekommen. Großmutter war schon immer sehr konsequent gewesen. Nach dem Krankenhausaufenthalt machte Schneewittchen direkt anschließend eine Reha-Kur. Die beiden Kleinen vermissten ihre Mutter schrecklich. „Mama, der ganze Garten verwildert. Wir schaffen das einfach nicht alleine ohne dich. Papa und Tante Olga gehen lieber in den Supermarkt. Dort sei alles viel sauberer, meinen sie, als aus dem Garten. Aber die Zwiebeln und die Kartoffeln haben wir alle geerntet und auch eingelagert. Nur das Obst einwecken und Marmelade kochen, das können wir nicht ohne dich. Schneewittchen war den Kleinen sehr dankbar, aber doch ziemlich verzweifelt, weil sie wusste, dass das Haushaltsgeld ohne die Vorräte niemals für die nächsten Wochen reichen würde. In ihrer Not bat sie sogar Annette, ihre Älteste, um Hilfe, aber die lachte die Mutter nur aus. „Glaubst du wirklich im Ernst, dass ich da im Garten herumwühle und mich dann noch an den Herd stelle. Nee, also mal ehrlich, dafür ist mir meine Zeit viel zu schade! Also vergammelte das Obst

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