Die Klinik am See 8 – Arztroman: Gibt es noch eine Rettung
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"Hallo, Herr Doktor Köhler, sehen Sie Gespenster?" Die Sekretärin von Oberarzt Dr. Brunner, die vorhin Melanie von Harden zum Stationsleiter gebracht hatte und gerade aus ihrem Vorzimmer gekommen war, blieb stehen und lächelte. "Sie machen ein Gesicht wie jemand, der einen Geist sieht."
Assistenzarzt Dr. Roland Köhler zuckte unmerklich zusammen. "Einen Geist?" murmelte er. "So könnte man es fast nennen." Aus den Augenwinkeln heraus konnte er gerade noch sehen, wie die Frau, derentwegen er stehengeblieben war und der er nachgeblickt hatte, gerade im Lift verschwand. "Ich habe mich wahrscheinlich geirrt", stieß er hervor.
"Wobei? Worin?" wurde die Sekretärin neugierig.
Dr. Köhler zögerte mit der Antwort, gab sich dann aber einen innerlichen Ruck. "Diese … diese Dame, die eben vorbeiging … hm, war sie beim … beim Chef?" fragte er etwas stockend.
"Ja", bestätigte die Sekretärin. "Weshalb interessiert Sie das?"
Dr. Köhler winkte ab. "Ach, nur so", erwiderte er. "Sie kam mit sehr bekannt vor."
"Es war Frau von Harden", gab die Sekretärin unaufgefordert Auskunft. "Kennen Sie sie denn?" fügte sie fragend hinzu.
"Ich dachte es", gab Dr. Köhler zurück. "Anscheinend habe ich mich geirrt, denn dieser Name ist mir fremd. Eine frappante Ähnlichkeit hat mich genarrt."
"Das kommt vor", entgegnete die Sekretärin lächelnd und wandte sich zum Gehen.
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Book preview
Die Klinik am See 8 – Arztroman - Britta Winckler
Die Klinik am See
– 8–
Gibt es noch eine Rettung
Cornelia darf nicht sterben
Britta Winckler
»Hallo, Herr Doktor Köhler, sehen Sie Gespenster?« Die Sekretärin von Oberarzt Dr. Brunner, die vorhin Melanie von Harden zum Stationsleiter gebracht hatte und gerade aus ihrem Vorzimmer gekommen war, blieb stehen und lächelte. »Sie machen ein Gesicht wie jemand, der einen Geist sieht.«
Assistenzarzt Dr. Roland Köhler zuckte unmerklich zusammen. »Einen Geist?« murmelte er. »So könnte man es fast nennen.« Aus den Augenwinkeln heraus konnte er gerade noch sehen, wie die Frau, derentwegen er stehengeblieben war und der er nachgeblickt hatte, gerade im Lift verschwand. »Ich habe mich wahrscheinlich geirrt«, stieß er hervor.
»Wobei? Worin?« wurde die Sekretärin neugierig.
Dr. Köhler zögerte mit der Antwort, gab sich dann aber einen innerlichen Ruck. »Diese … diese Dame, die eben vorbeiging … hm, war sie beim … beim Chef?« fragte er etwas stockend.
»Ja«, bestätigte die Sekretärin. »Weshalb interessiert Sie das?«
Dr. Köhler winkte ab. »Ach, nur so«, erwiderte er. »Sie kam mit sehr bekannt vor.«
»Es war Frau von Harden«, gab die Sekretärin unaufgefordert Auskunft. »Kennen Sie sie denn?« fügte sie fragend hinzu.
»Ich dachte es«, gab Dr. Köhler zurück. »Anscheinend habe ich mich geirrt, denn dieser Name ist mir fremd. Eine frappante Ähnlichkeit hat mich genarrt.«
»Das kommt vor«, entgegnete die Sekretärin lächelnd und wandte sich zum Gehen.
»Ist Doktor Brunner zu sprechen wollte der Assistenzarzt noch wissen. »Ich möchte mich verabschieden bei ihm.«
»Das hätte ich beinahe vergessen, Herr Doktor«, rief die Sekretärin. »Sie verlassen uns ja heute.«
»Richtig«, bestätigte Dr. Köhler. »Übermorgen bin ich schon in Auefelden, in der Klinik am See, im Dienst.«
»Das ist meines Wissens eine Frauenklinik«, meinte die Sekretärin. Forschend sah sie den Arzt an. »Gefällt es Ihnen bei uns nicht mehr?« fragte sie verhalten.
»Es gefällt mir hier schon, nur …« Er druckste ein wenig herum und beendete dann seine Rede. »Ich bekomme dort mehr für meine Arbeit bezahlt.«
»Hm, das ist ein stichhaltiges Argument«, meinte die Sekretärin. »Aber nun will ich Sie nicht länger aufhalten. Der Chef ist in seinem Zimmer.« Verabschiedend reichte sie dem Arzt die Hand. »Viel Glück und alles Gute in Ihrer neuen Stellung, Herr Doktor«, sagte sie und setzte ihren Weg fort.
»Danke«, murmelte Dr. Köhler und schritt weiter, dem Dienstzimmer von Dr. Brunner zu.
Die Verabschiedung von Dr. Brunner dauerte nicht lange. Minuten später war Dr. Köhler bereits wieder auf dem Rückweg. Mit der Stationsschwester und zwei anderen Schwestern sprach er dann noch ein paar freundliche verabschiedende Worte und machte sich anschließend sofort auf den Weg zu seinem kleinen Zweizimmerappartement, das er unweit der Universitätsklinik gemietet hatte. Er mußte noch seine Sachen packen, denn er wollte noch vor dem Abend in Auefelden, in seinem neuen Wirkungskreis in der Klinik am See sein. Gespannt war er jetzt schon, was ihn dort erwarten würde. Neugierig war er aber auch auf seinen neuen Chef, den Leiter der Klinik, Dr. Lindau, und auch auf die jener Klinik angeschlossene Kinderstation und deren Leiterin. Er wußte nur, daß diese die Tochter des Chefarztes war und erst vor kurzen geheiratet hatte – einen Berufskollegen.
In seine Überlegungen hinein meldete sich plötzlich die Erinnerung an jene Dame mit dem Namen von Harden. War es möglich, daß es derartige Ähnlichkeiten gab? Im ersten Augenblick hatte er tatsächlich geglaubt, daß diese Frau von Harden das Mädchen war, das er von früher her kannte, für das er so viel übrig gehabt hatte, daß er bereit gewesen war, seinen Junggesellenstand aufzugeben. Doch das Schicksal hatte es anscheinend nicht gewollt.
Vor fast einem Dreivierteljahr war diese junge Frau plötzlich sang- und klanglos verschwunden. Er hatte nie wieder etwas von ihr gehört und gesehen. Nachdenklich fuhr er seiner Wohnung zu. Erst als er dort angekommen war, gelang es ihm, die Gedanken an jene Frau von Harden, die ihn sehr – wenn auch nur für Sekunden – an die Frau erinnert hatte, die ihm sehr nahe gestanden hatte, zu verdrängen und sich auf die nächste Zukunft zu konzentrieren.
*
Oberarzt Dr. Brunner sah auf die Uhr und schob mit einer energischen Bewegung die Papiere auf seinem Schreibtisch zur Seite. Es waren einige Krankengeschichten, an denen er gearbeitet hatte, nachdem Frau von Harden ihn verlassen hatte. »Haben wir noch etwas?« fragte er seine Sekretärin, die gerade sein Zimmer betrat.
»Nein, Herr Oberarzt«, kam die Antwort. »Den Operationsplan für morgen haben Sie schon abgezeichnet, und die anderen Papiere sind unterschrieben.«
»Na fein, dann mache ich jetzt Schluß«, meinte Dr. Brunner, stand auf und vertauschte seinen weißen Arztkittel mit dem Jackett.
»Wo sind Sie dann in den nächsten Stunden zu erreichen, falls etwas …?«
»Wie immer um diese Nachmittagsstunde – im Börsenkeller«, fiel Dr. Brunner der Sekretärin lächelnd ins Wort. »Die Telefonnummer haben Sie ja, doch ich hoffe, daß ich ungestört meinen Kaffee genießen kann.«
»An mir soll es nicht liegen«, gab die Sekretärin lächelnd zurück. Sie wußte, daß ihr Chef fast regelmäßig um diese schon etwas vorgerückte Nachmittagsstunde – praktisch kurz vor dem offiziellen Dienstschluß – den Börsenkeller aufsuchte, um dort seinen Nachmittagskaffee zu trinken, bevor er dann in sein frauenloses Heim fuhr.
»Also dann bis morgen«, verabschiedete sich der Oberarzt und ging. Wenig später schon saß er in seinem Wagen und fuhr zum Börsenkeller, einem gemütlichen Lokal, in dem man ebenso einen guten Kaffee wie auch einen gepflegten Wein trinken konnte. Doch das allein war nicht der Hauptgrund für Dr. Brunner. Dort traf er sich sehr häufig mit Menschen, zu denen er eine innere Beziehung hatte – vor allem aber mit seinem Schulfreund, dem Bankier von Harden, dessen Bank sich nur einen Häuserblock weiter befand. Mit Thomas von Harden, dem knorrigen und traditionsbewußten Blaublütler, unterhielt er sich immer gern. Seit ihrer beider gemeinsamen Schul- und Studienzeit hatten sie sich nicht mehr aus den Augen verloren. Wenn er auch nicht immer der gleichen Meinung wie Thomas war, so waren sie beide doch wirklich gute Freunde bis zum heutigen Tag geblieben. Nicht zuletzt hatte Dr. Brunner, der schon seit mehr als zehn Jahren verwitwet war, in Thomas von Harden einen guten Berater in finanziellen Angelegenheiten und einen guten Verwalter seines kleinen Vermögens einschließlich der von seiner Frau geerbten Aktien. Ebenso wie er selbst, trank Thomas von Harden auch sehr gern einen guten Kaffee – eben im Börsenkeller.
Als Dr. Brunner nach einer kurzen Fahrt dort ankam, war er erfreut, den Bankier schon anzutreffen. »Du bist schon da?« begrüßte er den Freund.
»Wie du siehst …«, brummte Thomas von Harden und nippte an der Kaffeetasse. »Schließlich bin ich mein eigener Herr und kann meine Zeit einteilen, wie es mir beliebt.«
»Da bist du besser dran als wir Ärzte«, entgegnete Dr. Brunner und ließ sich von der Bedienung auch einen Kaffee bringen. Erst als dieser vor ihm auf dem Tisch stand, ergriff er wieder das Wort. »Was Neues?« fragte er.
Thomas von Harden schüttelte den Kopf.
»Was soll es in einer Bank schon Neues geben?« antwortete er mit einer Gegenfrage. »Höchstenfalls spielt die Börse mal verrückt oder die Kurse schnellen hoch, um dann gleich wieder abzusinken …«
»Das ist ja das lukrative Geschäft der Banken«, fiel Dr. Brunner dem Freund lächelnd ins Wort.
»Ich bin glücklicherweise auf Geschäftemacherei nicht unbedingt angewiesen«, brummte der Bankier.
»Ich weiß, denn Geld hast du ja genug«, meinte Dr. Brunner ohne Neid. »Es reicht jedenfalls«, gab der Bankier zurück. »Und was hast du Neues zu vermelden?« fügte er fragend hinzu.
»Nichts, was dich als Bankmann interessieren könnte«, erwiderte der Oberarzt. »Doch halt – etwas schon«, wurde er ein wenig lebhafter. »Ich habe nämlich heute zum ersten Mal deine Schwiegertochter gesehen. Eine sehr aparte Frau übrigens.«
»Meine Schwiegertochter?« Thomas von Hardens Gesicht verfinsterte sich etwas. »Was wollte die denn bei dir?«
»Das weißt du nicht?« Dr. Brunner zeigte sich erstaunt.
»Ich spreche kaum mit meiner Schwiegertochter«, erwiderte der Bankier abweisend. »Obwohl sie mit meinem Sohn unter dem gleichen Dach wie ich wohnt, gibt es nur sehr wenig Kontakt zwischen ihr und mir.«
Nachdenklich blickte Oberarzt Brunner den Freund an. »Du magst sie nicht, wie?« warf er die Frage auf.
»Jedenfalls war ich mit der Wahl meines Sohnes nicht einverstanden«, gab Thomas von Harden ausweichend zurück. »Doch du hast mir nicht geantwortet. Was wollte sie bei dir?« fragte er noch einmal. »Ist sie krank?«
»Nein, sie nicht, aber deine Enkelin…«
»Cornelia? So?« Uninteressiert klang diese fragende Bemerkung. »Ich sehe das Kind kaum. Mein Enkel Herwig ist mir wichtiger. Dem allein gilt meine Sorge, und ihn werde ich erziehen, wie ich es für richtig halte. Der Junge soll einmal anders werden als mein labiler Sohn, der sich von meiner Schwiegertochter so hat einwickeln lassen, daß er sie heiraten mußte.«
»Aha, verfrühte Schwangerschaft, nehme ich an«, meinte