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Launischer Wind oder die Stellung der Segel
Launischer Wind oder die Stellung der Segel
Launischer Wind oder die Stellung der Segel
Ebook314 pages4 hours

Launischer Wind oder die Stellung der Segel

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About this ebook

Ein Mann segelt mit zwei Freunden durch die Ägäis, um Abstand von den Ereignissen der letzten Monate zu finden.
Da er ein wichtiger Zeuge der Anklage gegen führende Köpfe der organisierten Kriminalität ist, sollte besser niemand erfahren, wo er mit seiner kleinen Yacht unterwegs ist.
Als seine Frau befürchten muss, dass man ihm bereits auf den Fersen ist, macht sie sich mit einer bunt zusammengewürfelten Crew auf den Weg, um ihn zu warnen.
Mitten in der Ägäis kommt es zu einem Showdown mit unerwarteten Begegnungen und Wettfahrten, die nicht nur das seglerische Geschick der Protagonisten auf die Probe stellen.
LanguageDeutsch
PublisherTWENTYSIX
Release dateOct 10, 2018
ISBN9783740720025
Launischer Wind oder die Stellung der Segel
Author

Maren Mewes

Mewes Maren kam nach langjähriger Tätigkeit im Bereich der wissenschaftlichen Analyse und Veröffentlichung statistischer Daten zu einer ernüchternde Feststellung: Es kommt weniger auf die Fakten selbst an, sondern darauf, ob und wie sie wahrgenommen werden! Bestimmt also der Empfänger einer Information ihren Inhalt? Eine Frage, die zu dem vorliegenden Roman inspirierte.

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    Launischer Wind oder die Stellung der Segel - Maren Mewes

    „Regierungen sind Segel, das Volk ist Wind,

    der Staat ist Schiff, die Zeit ist See!"

    (Carl Ludwig Börne, ´Gesammelte Schriften´ 1862)

    „Skipper richten die Segel nach dem Ziel aus,

    Politiker nach dem Wind!"

    (Maren Mewes, ´Wahrnehmungsfälle´ 2018)

    Inhaltsverzeichnis

    Motto

    Willy

    Schicksalsgenossen

    Lisa

    Scheidungsfragen

    Spurensuche

    Sana

    Gewissensbisse

    Athen

    Alkohol

    Lisa

    Eine unerwartete Begegnung

    Vor einem halben Jahr

    Willy

    Schiffsübernahme

    Stahls Programm

    Wellenschlag

    Vor mehr als 30 Jahren

    Ein Funkspruch

    Sana

    Farbe bekennen

    Eine Regatta

    Levitha

    Tobias Erbe

    Willy

    Jenny

    Lisa

    Gypsy King

    Überraschungsbesuch

    Willy

    Telefonate

    Lisa

    Sprengsätze

    Sana

    Ein Höllenritt

    Karlheinz

    Livebelt

    Lisa

    Geschafft

    Sana

    Manöverkritik

    Lisa

    Klärungsversuche

    Karlheinz

    Nebenkosten

    Willy

    Wohnungssuche

    Vor vielen, vielen Jahren

    Lisa

    Das Ende vom Lied

    Impressum

    Willy

    Schicksalsgenossen

    1. Kennst Du einen Otto Wagner? Wenn ein Polizist so etwas fragt, hat das meistens nichts Gutes zu bedeuten. Immerhin redete er nicht lange um den heißen Brei herum.

    Dieser Wagner hatte sich nach mir erkundigt und versucht meine Privatadresse herauszufinden. Karlheinz brachte das sofort in Verbindung mit dem anstehenden Prozess, in den auch mein Amt verwickelt war. Als alter Kriminalbeamter vermutete er sowieso ständig irgendwelche Zusammenhänge!

    Er war der Sache nachgegangen und hatte diesen Wagner aufgesucht. Aber außer, dass der mich sprechen wollte und eine Freundin namens Lily Stegenmeier hatte, nichts erfahren.

    Kenne ich nicht!, hörte ich mich sagen, spürte aber schon, wie die alte Lackierung abblätterte und dunkle Schwaden in meinem Kopf herum wabern ließ. Ich kannte mal eine Lily. Aber die hieß nicht Stegenmeier?

    Karlheinz schaute durch das große Fenster in den Garten. Vielleicht hat sie ja geheiratet! Kennst Du denn auch ihren Mädchennamen?

    Nein, aber gleich! Er wählte eine Nummer, gab die Personenangaben durch und wartete eine kurze Weile schweigend mit dem Handy am Ohr.

    Okay, vielen Dank. Also eine geborene Pernon, Lily Pernon! Er schaltete das Handy aus und legte es auf den Tisch.

    Ach du Scheiße! Meine Erinnerung lag mit einem Schlag wieder vor mir wie eine alte Giftmülldeponie.

    Was hat er denn gesagt? Eigentlich nichts! Karlheinz sah mich misstrauisch an. Hast Du ihr etwas getan?

    Hmh? Was konnte ich sagen, dass Lily nicht völlig anders sehen würde? Dieser Wagner tut so, als müsse er sie beschützen. Vor Dir! Falls das ein Vorwurf sein sollte, meinte er ihn hoffentlich nicht ernst. Ich musste an die merkwürdigen Gespräche mit ihren alten Freunden denken, die mich auch immer in so eine Ecke gedrängt hatten. Na gut, die wollten ja sowieso nie etwas mit mir zu tun haben.

    Vielleicht sollte ich mit ihm sprechen? Ich rückte ein wenig näher an Karlheinz heran. Kannst Du das organisieren?

    Kennst Du sie gut? Er sah mich an, als habe er mir eine völlig normale Frage gestellt. Ich hätte sie am liebsten ignoriert. Doch sie erreichte mich nicht nur; sie schlug regelrecht bei mir ein. Ich hätte gern gewusst, welchen Ausdruck mein Gesicht jetzt zeigte.

    Wie gut kennst Du sie?, wiederholte er. „Gut genug!" Meine Stimme schien ihn zu erschrecken, obwohl ich die zwei Worte nur geflüstert hatte.

    2. Zwei Tage später kam es zu dem gemeinsamen Treffen in Wagners Wohnung, die spartanisch eingerichtet, penibel aufgeräumt und sauber war. Der Gastgeber bot uns außer einem Sitzplatz nichts an. Wir hatten auch nichts anderes erwartet.

    Nach einem guten Tag stellten wir uns mit Vor- und Nachnamen vor. Es begann zäh. Obwohl doch er es war, der das Gespräch mit mir wollte, ignorierte Wagner mich zunächst.

    Karlheinz stellte seine Frage mit einer so streng dienstlichen Stimme, als sei die Untersuchungshaft bereits beschlossene Sache. Weshalb haben Sie versucht, seine Privatadresse herauszufinden? Was wollen Sie von Herrn Olten? Sie kennen ihn ja Ihren eigenen Angaben zu Folge nicht persönlich?

    Das habe ich schon gesagt. Er hat etwas, dass meiner Freundin gehört! Wagner antwortete ruhig und bestimmt, so als wäre er lediglich der Rechtsbeistand eines Verdächtigen. Vielleicht bildete ich mir das ja auch nur ein, weil er tatsächlich eine Anwaltspraxis hatte.

    Um was handelt es sich denn? Das habe ich auch schon gesagt. Es ist eine persönliche Angelegenheit zwischen Herrn Olten und Frau Stegenmeier!

    Lass uns mal kurz allein!, bat ich Karlheinz. Obwohl wir das schon vorher so besprochen hatten, ging er nur widerwillig hinaus.

    Ich wartete darauf, dass Wagner nun erklären würde, was er von mir wollte. Er sah mich aber nur vorwurfsvoll an.

    Sie halten nicht viel von mir!, stellte ich fest. Sein trotzig vorgeschobenes Kinn bestätigte, dass er eigentlich nichts mit mir zu tun haben wollte.

    Was sollte das denn? Er hatte mich doch um das Gespräch gebeten und nicht umgekehrt. Ausgerechnet dieses Stück Vergangenheit musste nun wirklich nicht unnötig in die Länge gezogen werden. Ich ahnte, in welcher Verfassung sich mein Gegenüber befinden musste.

    Seine verstockte Miene zeigte, dass der Stein schon ziemlich groß sein musste. Der, der ins Wasser geworfen für den nötigen Wellenschlag sorgen konnte.

    Ich riskierte es. Wie viel haben haben Sie in den letzten zwölf Monaten abgenommen und wie sehr hat sich ihr Alkoholkonsum erhöht?

    Meine Frage überraschte ihn. Er öffnete sichtlich verärgert den Mund, aber ich war noch nicht fertig. Bei mir waren es zwölf Kilo und ich habe dreimal soviel getrunken wie vorher!

    Mein anklagendes Geständnis verschlug ihm wohl die Sprache. Was hätte er auch sagen können?

    Es dauerte einen Moment bis er zum Gegenangriff überging. Du hast sie im Stich gelassen! Ich registrierte, das er mich duzte und nickte zufrieden. Er war außer sich!

    Irgendwie habe ich das wohl! Meine Augen wanderten durch seine Wohnung. Ich wunderte mich wieder über die beinahe sterile Ordnung und Sauberkeit. Was hat sie denn über mich erzählt?

    Otto sah auf seine Hände, verschränkte sie ineinander als müssten sie sich festhalten. Du hast Du sie verraten. Die anderen kannten ihre Geschichte nicht. Aber Du wusstest alles, und hast sie trotzdem im Stich gelassen!! Er hatte nur leise und so gesprochen, als wären es gar nicht seine eigenen Worte.

    Sie erreichten mich trotzdem. Wieso kommt sie ausgerechnet jetzt auf mich. Das ist doch mehr als zwanzig Jahre her?, erinnerte ich ihn und mich selbst widerwillig.

    Die Polizei hat Lily aufgesucht. Und rate mal, um wen es ging. Leider haben sie nicht gesagt, was Du ausgefressen hast. Ich hoffe aber, die kriegen Dich dran! Er schien sich wieder gefangen zu haben.

    Danke für die guten Wünsche. Vielleicht ermitteln die noch wegen des Anschlags auf mich im letzten Jahr?, vermutete ich achselzuckend.

    Davon hat sie mir nichts gesagt!, brummte er skeptisch. Schön und gut. Aber weshalb wolltest Du mich sprechen. Doch nicht nur, um mir alles Schlechte zu wünschen?, fragte ich das naheliegende.

    Der Besuch der Polizei hat sie um Jahre zurück geworfen. Es war plötzlich alles wieder da. Sie hat auch erfahren, dass Du inzwischen mit einer viel jüngeren Frau verheiratet bist! Das klang eher erstaunt als vorwurfsvoll.

    Es war aber keine Antwort auf meine Frage. Was will sie denn nun von mir? Das Tagebuch! Ausgerechnet Dir hat sie damals das Tagebuch ihres ersten Törns in Griechenland geschenkt. Das wäre eine Art Gelöbnis gewesen. Eine Liebeserklärung! Du weißt, wie abergläubisch sie ist. Sie denkt, das Buch verleihe Dir Macht über sie. Deshalb hat sie damals Monate lang Angstzustände gehabt. Während Du eiskalt Dein Ding durchzogen hast. Und nun ist die Angst wieder da. Sie kann erst wieder in Ruhe leben, wenn Du ihr das Tagebuch zurückgibst und sie es vernichten kann!

    War das sein Ernst? Ich wollte es schon als Hirngespinst abtun, doch dann fiel mir ein, dass sie sich bereits früher solchen esoterischen Kram zusammen konstruiert hatte.

    Wagner sah mich aufmerksam an. Deshalb wollte ich mir ein Bild von Ihnen machen. Einschätzen, ob Sie das Buch freiwillig zurückgeben. Auch weil mir Lilys Verhalten in Bezug auf Sie widersprüchlich erschien!

    Das war ihm immerhin aufgefallen. Nicht selbstverständlich, wenn sie unter Hinweis auf ihre schamanische Veranlagung jede einfache Logik ad absurdum führte. Und das war wohl immer noch so, sonst wäre er nicht hier.

    Ich versuchte, ihn verständnisvoll anzulächeln. Aber es ging doch nicht nur darum, sich ein Bild zu machen. Du wolltest auch sehen, wie Du mir eins auswischen kannst. Oder? Ich duzte ihn bewusst, obwohl er wieder zum distanzierten Sie übergegangen war.

    Er nickte. Einen konkreten Plan habe ich da nicht. Ich wollte erst mehr über Dich wissen. Dann hätte ich mit ihr über das weitere Vorgehen gesprochen! Du hättest mich im Amt erreichen können. War das mit den Nachforschungen nach meiner Privatadresse Deine Idee?

    Sie meinte, es wäre nicht schlecht Dein privates Umfeld zu kennen! Er schien sich inzwischen selbst zu fragen, was er mir eigentlich sagen wollte.

    Und warum? Es geht doch angeblich nur um das Tagebuch!, gab ich mich erstaunter als ich war. Darauf konnte oder wollte er mir keine Antwort geben.

    Was ist mit dem Tagebuch? Gibst Du es zurück?, fragte er stattdessen. Falls ich es noch habe. Das ist doch ewig her und ich bin x-mal umgezogen! Ich zuckte die Achseln.

    Du weißt es nicht? Die Empörung war ihm anzusehen. Mit Gefühlen belastest Du Dich wohl nicht!

    Ich bemühte mich ruhig zu bleiben. Dass mit den Gefühlen habe ich schon öfter gehört. An das Tagebuch erinnere ich mich gut. Sie hat in den zwei Wochen auf der Yacht viel über den Törn aufgeschrieben. Ja, sie hat mir die Aufzeichnungen quasi als Liebesbeweis geschenkt. Das stimmt. Sie hat mich während des Törns auch zweimal angerufen. Das war immer ganz kurz, eine oder zwei Minuten, weil sie wieder an Bord musste. Es schien dort disziplinierter zuzugehen als bei der Marineausbildung!, grinste ich. Otto verzog abfällig den Mund.

    Na ja. Handys gab es damals nicht. In dem Buch beschrieb sie auf fast hundert Seiten den Skipper. Viele Einzelheiten über das, was er gut und was er nicht gut gemacht hat, wann und warum er gut gelaunt oder nicht und ob er nett oder unfreundlich zu ihr gewesen war. Breiten Raum nahmen auch seine persönlichen und familiären Verhältnisse ein. Und wie dankbar er für ihr Verständnis und ihren Trost war. Einiges schrieb sie auch über seinen Freund und Konkurrenten, der sonst auf anderen Booten der Skipper war. Der wäre in Ordnung, aber meistens anderer Meinung als der Skipper. Sie erwähnte auch, das noch ein Pärchen an Bord gewesen sei. Ein- oder zweimal schrieb sie auch, dass sie mich vermisse. Das waren die Tage an denen der Skipper unfreundlich gewesen war. Ist ja auch zu verstehen. Und einmal schrieb sie: ´Ich habe Deinen Namen in den Wind gerufen!´ Das war, als der Skipper sie zwei Tage lang nicht beachtet hatte!

    Otto sah mich nun nicht mehr ganz so feindselig an. Dann hast Du es wenigstens genau gelesen! Ich glaubte, einen Anflug von Ironie gehört zu haben.

    Na ja, ich habe nach etwas bestimmtem gesucht, aber nur etwas anderes gefunden!, murmelte ich. Du meinst also, es wäre zwar eine Liebeserklärung gewesen. Aber nicht an Dich? Das klang ein wenig gehässig.

    Betreten versuchte ich die längst verweste Enttäuschung wieder zu entsorgen. Und nun? Auf seinen Blick hin ergänzte ich. Das Tagebuch?

    Er griff mit den Fingern nach seinem Kinn. Wie lange bist Du schon mit Deiner Frau zusammen?

    Ich zögerte. Wir haben uns vor 14 Jahren kennengelernt! Das war zumindest nicht gelogen.

    Dann hast Du es sicher auf ihren Wunsch hin vernichtet. Stimmt doch. Oder? Hmh? Das war wohl ein Friedensangebot!

    Ich nickte heftig. Jetzt, wo Du es sagst. Genau so war es! Gut, dann ist das erledigt!, stellte er zufrieden fest, als sei für ihn nun alles geklärt.

    Für mich nicht! Der Gedanke war schon länger in meinem Hinterkopf. Nun holte ich ihn nach vorne und sprach ihn aus. Bist Du sicher, dass es nur um das Tagebuch geht?

    3. Ich weiß nicht, ob er mir darauf eine Antwort gegeben hätte. Jedenfalls kam es nicht dazu. Vielleicht war er ja auch froh, dass ich durch das Klingeln meines Handys abgelenkt wurde.

    „Ihr müsst die Wohnung sofort verlassen!, hörte ich die quäkende Stimme von Karlheinz. „Wie bitte?

    „Ich habe bereits Verstärkung und die Spurensicherung bestellt!", fuhr er fort als sei damit alles erklärt.

    Was sollte das denn? Es war doch noch gar nichts passiert! Aber ich kannte den alten Polizisten, der gerne mal einige Schritte weiterdachte und oft damit ins Schwarze traf.

    Ich fasste Ottos Arm und zog ihn hoch. „Wir müssen hier weg. Vielleicht knallt es gleich!"

    Er sah mich zwar ungläubig an und knurrte etwas von „Psychopath", aber er ließ sich von mir aus der Wohnung zerren.

    Wir rannten die relativ breite Treppe dieses Luxus sanierten Altbaus herunter. Da er immer wieder stehen bleiben und umkehren wollte, rempelten wir uns einige Male heftig an. Unser lautes Fluchen dauerte an, bis wir die erste Etage erreicht hatten.

    Ein ohrenbetäubender Knall in einer der Wohnungen über uns brachte uns zum Schweigen. Wir stolperten weiter hinunter. Dann standen wir auf der Straße.

    Aus zwei Streifenwagen, die auf der anderen Straßenseite anhielten, stiegen Uniformierte aus. Die vier Beamten gingen herüber zu Karlheinz. Der zeigte auf uns und sagte etwas zu ihnen, das ich nicht verstehen konnte. Zwei der Beamten warfen uns misstrauische Blicke zu, gingen aber an uns vorbei und ins Haus. Ihre beiden Kollegen postierten sich unten neben dem Eingang, als müssten wir daran gehindert werden, wieder hineinzugehen.

    Karlheinz hatte uns nun erreicht. „Sie sind weg!", brummte er verärgert. So, wie wir ihn ansahen, brauchten wir nicht zu fragen. Seine Erklärung kam prompt.

    Er hatte vor dem Haus einen dunklen Lieferwagen gesehen, vorsichtshalber telefoniert und erfahren, dass der als gestohlen gemeldet war! Der Klassiker! Natürlich hatte er sich den Wagen genauer ansehen wollen. Als er sich ihm näherte, stieg hinten ein Mann aus , ging nach vorn und setzte sich neben den Fahrer. Er hielt etwas in der Hand, dass laut Karlheinz, wie „ein Brikett mit Antenne aussah. „Dann habe ich Dich angerufen!

    4. „Ein ferngezündeter Sprengsatz! Die Wohnung ist ein einziger Trümmerhaufen!", informierte uns Karlheinz, der an unseren Tisch herangetreten war. Immerhin hatte er uns nicht aufs Revier geschleppt, sondern diese Kneipe in der Nähe von Ottos Wohnung ausgesucht. Zu dieser frühen Tageszeit waren wir die einzigen Gäste.

    Wenig begeistert beobachtete Otto, wie Karlheinz sich zu uns setzte. Sagen Ihnen die Namen Carlo und Rainer Karlow etwas? Worauf wollen Sie hinaus? Ottos Misstrauen war nicht zu überhören.

    Ich habe mich natürlich ein wenig auf unser Gespräch vorbereitet. Daher weiß ich, dass Frau Stegenmeier in letzter Zeit des öfteren Besuch von den beiden bekommen hat. Die Karlows sind vorbestraft. Unter anderem wegen Freiheitsberaubung. Das damalige Opfer war die Ehefrau des hier anwesenden Willy Olten. Und nun stellen Sie Nachforschungen über ihn an!

    Otto starrte ihn entgeistert an. Sie spinnen doch! Karlheinz schüttelte den Kopf. Die beiden arbeiten auch für eine Organisation. Nennen wir sie der Einfachheit halber ´die Mafia´. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei ihrer führenden Köpfe. Und ein wichtiger Zeuge ist der hier anwesende Willy Olten.

    Der ´hier anwesende´, also ich, war wenig überrascht, dass er über diesen Zusammenhang spekulierte. Im Gegensatz zu Otto, dessen Adamsapfel einen schnellen Hüpfer machte.

    Also entweder sagen Sie uns ganz offen, was sie wissen. Oder ich muss davon ausgehen, dass sie mit denen unter einer Decke stecken!, kam Karlheinz sofort zur Sache.

    Otto hob empört die Hände, öffnete den Mund um zu protestieren, sagte aber dann doch nichts. Stattdessen verschränkte seine Arme vor der Brust und verfiel in tiefes Grübeln.

    Ich schaute Karlheinz skeptisch an. „Und deshalb sollte er in die Luft fliegen? Der verdrehte die Augen. „Sei doch nicht so naiv. Das galt uns beiden. Otto Wagner wäre nur ein Kollateralschaden gewesen!

    Der Kollateralschaden starrte ihn entgeistert an. Es brauchte einige Zeit, bis er der wiederholten Aufforderung zu reden einigermaßen ruhig nachkommen konnte.

    Anfangs enthielten die an Otto gestellten Fragen vermutlich mehr Informationen für ihn als seine Antworten für uns. Erst als er nach und die Hintergründe verstanden hatte, wurden seine Antworten ergiebiger. Er schien allerdings selbst nicht glauben zu können, was er nun von sich gab.

    Vor zwei Wochen hatte er erfahren, dass Lily umziehen musste, weil der Vermieter Eigenbedarf geltend gemacht hatte. Sie hatte ihm das Schreiben gezeigt. Immerhin ließ man ihr noch knapp sechs Monate Zeit, sich etwas Neues zu suchen. Sie konnte jedoch, wenn sie wollte, auch früher aus dem Mietvertrag raus.

    Sie hatte dann überraschend schnell eine neue Wohnung gefunden, sogar mit einem Zimmer mehr als die jetzige. Aber natürlich war nun eine Menge zu tun und sie konnte sich nicht mehr so oft mit Otto treffen.

    So ein Umzug erfordert ja eine Menge an organisatorischer Vorbereitung. Vor allem, wenn man nicht zu viel Geld ausgeben will!, rechtfertigte er seine Freundin.

    Er hatte ihr natürlich seine Hilfe angeboten, allerdings zugeben müssen, dass seine handwerklichen Fähigkeiten gering waren. Deshalb bin ich ja Anwalt geworden!, grinste er.

    Den Spruch hatte ich schon öfter gehört. Ich nickte ihm aufmunternd zu. Ja ja! Wer zwei linke Hände hat, studiert die Rechte!

    Deshalb hatte sie sich in ihrem alten Bekanntenkreis umhören müssen. Der war nicht klein, aber viele Leute für einen einzigen Termin unter einen Hut zu bringen, war ja nicht leicht. Und die meisten der alten Freunde und Bekannten hatte sie lange weder gesehen noch gesprochen. Die konnte sie nicht einfach anrufen und fragen, ob die sich den Tag freihalten, damit sie ihr für den Umzug zur Verfügung stehen würden, hatte sie Otto erklärt. Sie müsse sich wenigsten einmal mit denen verabreden. Und dann könnte sie sie im Laufe des Abends mal fragen. Natürlich erst nach dem man ein wenig über alte Zeiten geplaudert hatte. Aber dann würden die von selbst ihre Hilfe anbieten. Wusch! Das müsste er doch kennen.

    Ich ahnte, wie es weiter gehen würde. Vor allem ihr ´Wusch!´ hatte ich in nicht so guter Erinnerung. Und dann?

    Ottos Frage, ob er nicht mal zu so einer ihrer Verabredungen mitkommen solle, hatte sie lachend abgetan. Sie könne sich ja schlecht zu einem Gespräch über die guten, alten Zeiten verabreden und dann ihren Neuen mitbringen. Das ginge genau so wenig, wie sich mit mehreren von den alten Freunden gleichzeitig zu treffen. Mit jedem verbinde sie ja eine andere, eigene Geschichte.

    Er schaute mich an, als warte er auf etwas bestimmtes. Eine Bestätigung? Kenne ich. Erzähl weiter!, brummte ich also.

    Nach diesem Gespräch mit ihr hatte er sie nur noch einmal zu Gesicht bekommen, so sehr war sie mit der Personalbeschaffung für den Umzug beschäftigt. Sie hatte ihm anfangs auch genau erzählt, mit wem sie sich warum und weshalb sie sich mit manchen eben öfter traf oder schon mal jemanden auch zu sich nach Hause einladen musste.

    Als ihm einmal die Bemerkung herausgerutscht war, dass es sich ausschließlich um Männer handelte, hatte sie ihn ausgelacht. Schwere Möbel und Kisten schleppen wäre ja wohl nichts für Frauen. Und für Elektroinstallation oder Küche einbauen sollte er ihr doch bitte seine Freundinnen vorbeischicken, die das könnten! Gas, Wasser, Sanitäranlagen! Das wären eben alles Kerle. Und die bräuchte sie. Da müsste sie sich ganz schön anstrengen.

    Solche Typen hätten einen großen Freundeskreis. Warum wohl? Die würden gerade noch darauf warten, dass eine alte Bekannte, die sie zehn Jahre nicht gesehen haben, sie um Hilfe bittet.

    Das hat Dir nicht gefallen!, nickte ich verständnisvoll, aber Du hast gehofft, dass das auch mal vorbei gehen würde. Doch es ist Dir auch aufgefallen! Ihre Begründung war so ausführlich und redundant, dass sie möglicher Weise nur vorgeschoben ist!

    Er wich meinem Blick aus. Nach dem vorletzten Telefonat mit ihr war ich das komische Gefühl überhaupt nicht mehr los geworden. In diesem Gespräch war sie anders. Obwohl sie meine Nummer ja sehen konnte, fragte sie förmlich, wer denn am Apparat wäre. Und als ich das erklärte, antwortete sie nur steif, dass sie keine Zeit habe. Ich fragte noch, ob alles in Ordnung sei. Bevor sie antworten konnte, hörte ich im Hintergrund eine Männerstimme grölen, wo sie denn bleiben würde. Dann legte sie auf.

    Hmh? Sicher nicht schön für ihn, dachte ich. Dann bemerkte ich seinen prüfenden Blick. Ich brauchte einen Moment bis ich es verstanden hatte.

    Mir war es ja damals nicht anders gegangen. Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. Kommt mir bekannt vor!

    Komischer Weise hatte ich das Gefühl einen Fehler gemacht zu haben. Am nächsten Tag rief sie mich zurück. Das letzte Telefonat erwähnte sie nicht. Ich auch nicht. Sie klang wieder normal freundlich und wollte wissen, ob ich inzwischen Kontakt mir Dir aufgenommen hätte. Ich erzählte von der ersten Begegnung zu Ihnen, er schaute Karlheinz an, und dass wir heute einen Termin zu Dritt haben würden. Sie bat mich, aber erst mit Dir, er sah wieder mich an, alleine zu sprechen. Damit ich mir ein eigenes Bild machen könnte!

    Er grinste schief. "Dann ging es nur noch darum, dass sie die alte Wohnung renovieren musste. Meine Hilfe hat sie wieder abgelehnt. Aber darauf hingewiesen, dass sie Handwerker in

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