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Alles für Allah: Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert
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Ebook215 pages2 hours

Alles für Allah: Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert

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About this ebook

Nina Scholz studierte Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und arbeitete u.a. am Ludwig Boltzmann-Institut für historische Sozialwissenschaft in Wien.
Heiko Heinisch studierte Geschichte und arbeitete am Institut für Islamische Studien der Universität Wien. 2017 war er Koautor des ÖIF-Forschungsberichts zur Rolle der Moscheen im Integrationsprozess.
Beide forschten und publizierten zu den Themen Nationalsozialismus und Antisemitismus. Seit mehreren Jahren widmen sich die gefragten Experten integrationspolitischen Fragen sowie dem Themenkomplex Europa, Menschenrechte und Islam.
LanguageDeutsch
PublisherKneipp Verlag
Release dateApr 3, 2019
ISBN9783990405147
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    Alles für Allah - Nina Scholz

    Nina Scholz

    Heiko Heinisch

    Wie der politische Islam

    unsere Gesellschaft verändert

    INHALT

    COVER

    TITEL

    AUFTAKT: EINE BESTANDSAUFNAHME

    DIE ISLAMISTISCHE HERAUSFORDERUNG

    POLITISCHER ISLAM: SEINE URSPRÜNGE UND SEIN SELBSTVERSTÄNDNIS

    Ein Brief an den IS

    WAS IST POLITISCHER ISLAM?

    Islamische Unduldsamkeit

    ISLAMISMUS – GESCHICHTE UND GEGENWART

    DIE ISLAMISIERUNG DER ISLAMISCHEN WELT

    DER WEG NACH WESTEUROPA

    DER MARSCH DURCH DIE INSTITUTIONEN

    ISLAMISTISCHE GRÜNDERZEIT IN EUROPA

    Ein eigener Fatwa-Rat für Europa

    Rein in gesellschaftspolitische Bewegungen

    Rein in die Parteien

    SOZIALES ENGAGEMENT ALS MITTEL DER BEEINFLUSSUNG

    IDENTITÄTSPOLITISCHE DISKURSE

    MUSLIMIFIZIERUNG – GEWOLLT UND UNGEWOLLT

    „Hausmuslime"

    OPFERDISKURSE

    DIE IDEOLOGIE DER GEWALT

    HAT DER TERROR MIT DEM ISLAM ZU TUN?

    MUSLIME ALS OPFER ISLAMISCHER AGITATION

    MIT ISLAMISTEN GEGEN DEN TERROR?

    MEINUNGSFREIHEIT

    GEWALT ALS MITTEL DER EINSCHÜCHTERUNG

    „RELIGIÖSE GEFÜHLE"

    KAMPFBEGRIFF ISLAMOPHOBIE

    ANTISEMITISMUS

    ANTISEMITISMUS IN DER ISLAMISCHEN WELT

    Originär islamische Judenfeindschaft

    „Schutzbefohlene" – eine lange Geschichte

    FEHLENDES GESCHICHTSBEWUSSTSEIN

    MORAL- UND EHRVORSTELLUNGEN: GESCHLECHT ZÄHLT

    MORALVORSTELLUNGEN IM GEPÄCK

    DAS KOPFTUCH – AUSHÄNGESCHILD DES POLITISCHEN ISLAM

    TRENNUNG DER GESCHLECHTER

    PARALLELGESELLSCHAFTEN

    PARALLELJUSTIZ

    RAN AN DIE KINDER!

    Ein islamistisches Lehrstück

    Koranschulen

    Religiöse Konflikte in der Schule

    Erziehung zur Segregation

    AUSSICHTEN UND EINSICHTEN

    INTEGRATION STATT SEGREGATION

    DIE FREIE GESELLSCHAFT VERTEIDIGEN

    RELIGIONSFREIHEIT UND MENSCHENRECHTE GELTEN FÜR ALLE

    ANMERKUNGEN

    IMPRESSUM

    AUFTAKT:

    EINE

    BESTANDSAUFNAHME

    „Es gibt keinen Islam und Islamismus.

    Es gibt nur einen Islam.

    Wer etwas anderes sagt, beleidigt den Islam."

    Recep Tayyip Erdoğan, 2008

    W

    ir haben ein Problem mit dem islamischen Mainstream. Dieses „Wir umfasst alle, die – unabhängig von Herkunft und Religionszugehörigkeit – in einer freien, pluralistischen und demokratischen Gesellschaft leben wollen. In den vergangenen 40 Jahren ist innerhalb des Islam eine politische Bewegung herangewachsen, die, auf ältere islamische Konzepte zurückgreifend, im Islam ein ganzheitliches Programm sieht, das den einzelnen Menschen sowie Staat und Gesellschaft von Grund auf bestimmen soll. Diese Entwicklung, die der syrische Islamwissenschaftler Aziz Al-Azmeh als „Islamisierung des Islam bezeichnete, hat längst auch die muslimischen Communitys außerhalb der islamischen Welt erreicht. Das vorliegende Buch geht diesen Entwicklungen in Europa, insbesondere in Österreich und Deutschland, nach.

    Eine wachsende konservative Bewegung innerhalb des Islam stellt die Werte der europäischen Aufklärung und die pluralistische Gesellschaft infrage, betrachtet sie als Zumutung, als Kränkung und als Angriff auf ihre Identität. Anhänger dieser Strömung wollen zwar in Europa leben, aber nicht als Teil der europäischen Gesellschaft, sondern als nach eigenen Regeln lebende Community.

    Im Verbund mit islamistischen Organisationen, Islam-Lobbyisten und

    -Lobbyistinnen

    zwingen sie so westlichen Gesellschaften jenen Kulturkampf auf, der seit den 1970er-Jahren in der islamischen Welt tobt und diese in eine Krise geführt hat, deren Ausmaß noch nicht absehbar ist. Sie erzwingen im Namen der Religionsfreiheit eine permanente Debatte über den Islam, über religiöse Anliegen und Forderungen, indem sie die Gesellschaft, in der sie leben, immer wieder mit den Regeln und Moralvorstellungen des Islam konfrontieren. Gleichzeitig versuchen sie, jede kritische Debatte über islamische Vorstellungen und die in Europa tätigen Islamverbände zu unterbinden und als rassistisch und „islamophob zu diskreditieren. Letztlich geht es ihnen darum, dem Islam eine exklusive Stellung in der Gesellschaft zu verschaffen und für fundamentalistische Communitys Freiräume für ein Leben nach streng islamischen Regeln durchzusetzen. Einem polarisierenden Weltbild folgend, das die Welt in Muslime und „Ungläubige einteilt, ziehen sie eine klare Grenzlinie zwischen die Menschen.

    Diese Debatten und Auseinandersetzungen sind für europäische Gesellschaften relativ neu, während sie die islamische Welt schon sehr lange beschäftigen. In nahezu allen islamischen Ländern hat eine puritanische islamische Strömung gesellschaftliche Hegemonie erlangt. Wir haben es letztlich mit einer globalen politischen Bewegung zu tun, die von diversen Organisationen und Staaten (vor allem Saudi-Arabien, Katar, Türkei und Iran) getragen wird, die sich oft genug gegenseitig bekämpfen, aber in ihren Utopien Übereinstimmungen aufweisen.

    Im Kern laufen diese Utopien auf eine Gesellschaft hinaus, die sich islamischen – als göttlich imaginierten – Regeln unterwirft. Islamisten träumen von einer unter einem Kalifat geeinten idealen islamischen Weltgemeinschaft, von „der Herrschaft Gottes in der ganzen Welt"¹, oder, weniger poetisch ausgedrückt, von der Weltherrschaft. Yusuf al-Qaradawi, der Chefideologe der Muslimbruderschaft und wohl einflussreichste Fernsehprediger der arabischsprachigen Welt, offenbarte bereits vor einem Jahrzehnt unverblümt, was in Europa lebende und wirkende Proponenten des politischen Islam antreibt: „Ich erwarte, dass der Islam Europa erobern wird, ohne zum Schwert oder zum Kampf greifen zu müssen – mittels Dawa [Missionierung, Anm.] und durch die Ideologie. Die Muslime müssen zu handeln beginnen, um diese Welt zu erobern."²

    Die Kraft islamistischer Überzeugungen wird von vielen unterschätzt, obwohl die Geschichte reich an Beispielen ideologischer Verblendung, dem Glauben an das vermeintlich „Richtige und Wahre" und dem daraus resultierenden Eifer ist. Wir brauchen uns nur den Nationalsozialismus, die Beseeltheit seiner Anhänger, die Begeisterung unzähliger Frauen und Männer vor Augen halten, von denen sich allzu viele zu allem bereitfanden. Oder den Fanatismus der Kommunisten unter Stalin, die Verfolgung von Dissens und den Gulag für eine historische Notwendigkeit hielten. Sie alle waren überzeugt, das Richtige zu tun und für eine gerechte Sache zu kämpfen, die am Ende der ganzen Welt zum Heil gereichen sollte.³ Ihre Ideologen meinten, was sie sagten, und ihre Anhänger haben versucht, die Welt in diesem Sinne zu gestalten. Wir sollten davon ausgehen, dass auch die islamistischen Ideologen ernst meinen, was sie sagen, und dass ihre Anhänger ebenso beseelt sind von der Idee, das „gute und richtige Leben in die Welt zu tragen. Sie glauben, im Wortsinn, „Alles für Allah zu tun. Mit dem Islamismus ist eine neue totalitäre Ideologie in Europa angekommen, die in muslimischen Communitys wachsenden Zuspruch erhält, andererseits jedoch ihre vehementesten Gegnerinnen und Gegner unter denjenigen findet, die selbst oder deren Vorfahren aus islamischen Ländern stammen.

    › Europa befindet sich in einer historisch neuen Situation.

    Nach langem Ringen hatten westeuropäische Gesellschaften zu einem Konsens des religiösen Friedens gefunden. Dieser Konsens wird durch fundamentalistische Muslime infrage gestellt, die in ihrer Religion nicht alleine eine Anleitung zur persönlichen Lebensführung sehen, sondern ein Regelwerk aus Geboten und Verboten, die gesellschaftlich durchgesetzt werden und dem Islam eine privilegierte Stellung verschaffen sollen. Hinzu kommen extrem patriarchale, gewaltbegünstigende Traditionen innerhalb muslimischer Communitys, die, ob religiösen Ursprungs oder nicht, gegen die Menschenrechte verstoßen, Autoritarismus, der sich auch in Erziehungsmethoden niederschlägt, daraus resultierende Gewaltaffinität, Kompromisslosigkeit und tradierte Frauen verachtende Moral- und Ehrvorstellungen. Diese im heutigen Europa ungewohnte Erfahrung stößt keineswegs nur bei ressentimentbeladenen Teilen der Bevölkerung auf Befremden, Misstrauen und Angst vor religiöser Unduldsamkeit, Intoleranz und Gewalt. Vor ihrer Ausbreitung fürchten sich auch Angehörige anderer Einwanderergruppen und alle Muslime, die es schätzen, frei von Bevormundung durch Tradition oder Religion leben zu können.

    Die Gesellschaft scheint in dieser Frage gespalten, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass das Erkennen von Veränderungen immer auch von der eigenen Lebensrealität abhängt: davon, in welchem Viertel man lebt, in welche Schule die Kinder gehen, welcher gesellschaftlichen Schicht man angehört – kurz gesagt, davon, inwieweit man von den Veränderungen, die der fundamentalistische Islam mit sich bringt, persönlich betroffen ist. So werden die Diskussionen mit Menschen aus Stadtvierteln, deren Kinder in „Problemschulen" von religiösen Peergroups unter Druck gesetzt werden, anders verlaufen als solche mit Eltern, deren Kinder Privatschulen oder angesehene öffentliche Schulen besuchen und die solchen Konflikten bislang aus dem Weg gehen konnten.

    „Tun wir nicht länger so, als stünde kein rosa Elefant im Raum. Er geht nicht weg, wenn wir ihn ignorieren, schreibt die Schweizer Politikwissenschaftlerin Elham Manea am Ende ihres jüngsten Buches „Der alltägliche Islamismus.⁴ Streng islamische Lebens- und Gesellschaftsvorstellungen beeinflussen seit etwa zwei Jahrzehnten zunehmend unser Zusammenleben. Auf die Frage, wie wir als Gesellschaft auf religiös motivierte Forderungen reagieren, auf Moscheen und Koranschulen, in denen zur Segregation vom Rest der Bevölkerung aufgerufen wird, auf islamistische Organisationen und auf Hassprediger, haben Gesellschaft und Rechtsstaat bislang keine angemessene Antwort gefunden. Diesen Problemen, die sowohl rasche Konsequenzen erfordern als auch eine langfristige Strategie, gehen viele politische Entscheidungsträger nach wie vor aus dem Weg; sei es aus Naivität, aus Wunschdenken oder aus wahltaktischem Kalkül.

    Die massive Migration aus islamischen Ländern ist ein Novum in der modernen europäischen Einwanderungsgeschichte, obwohl gerade Österreich eine lange Migrationsgeschichte vorzuweisen hat. Spätestens seit 1848 strömten immer mehr Menschen aus verschiedensten Teilen der Habsburgermonarchie in die Hauptstadt Wien, was angesichts der Tatsache, dass damals halb Mitteleuropa zum Habsburgerreich gehörte, zu einem bunten Gemisch aus Menschen verschiedenster Völker führte. Ein echter Wiener ist, wer mindestens eine tschechische Großmutter oder einen ungarischen Großvater hat, behaupten manche. Gängige Familiennamen wie Novak, Swoboda, Novotny oder Horvath legen Zeugnis davon ab.

    Auch in Deutschland gab es ähnliche Entwicklungen: Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wanderten circa 500.000 Polen ins Ruhrgebiet ein und stellten dort binnen weniger Jahrzehnte rund 15 Prozent der Bevölkerung. Zwar kam es, wie bei jeder Einwanderung größerer Gruppen, auch hier zu Verwerfungen und Konflikten, aber nach zwei Generationen waren sie bestens integriert. An die Geschichte der polnischen Einwanderung ins Ruhrgebiet erinnern heute nur noch die deutschen Orlowskis, Schimanskis und Kowalskis. Sie waren gekommen, weil sie ein besseres Leben suchten, und die meisten von ihnen waren dem Land gegenüber positiv eingestellt.

    Das scheint für einen nicht unerheblichen Teil der Einwanderer aus islamischen Ländern, auch im Unterschied zu anderen aktuellen Einwanderungsgruppen, aber nicht der Fall zu sein, denn im Gegensatz zu diesen bringen viele von ihnen eine Ideologie mit, die in Widerspruch zu der Gesellschaft steht, in die sie einwandern. Wie sollen wir auf Menschen reagieren, die zwar in europäischen Ländern leben wollen, aber die westliche Gesellschaft als unmoralisch und sündhaft verachten und als Gefahr für ihre Kinder betrachten? Was bedeutet die steigende Zuwanderung aus kollektivistischen Gesellschaften jener Länder, die von islamistischen Vorstellungen geprägt sind und in denen der Einzelne und seine Würde eine untergeordnete Rolle spielen, für Europa? Es ist illusorisch, anzunehmen, die Neuankömmlinge würden der Strahlkraft von Freiheit und Selbstbestimmung erliegen, wenn sie ihnen nur gut genug erklärt würde. Das ist nicht nur eine sträfliche Unterschätzung der Macht von Ideologien, es nimmt auch andere und ihre Überzeugungen vom „guten und richtigen Leben" nicht für voll, sondern hält diese für bloß vorübergehende Erscheinungen.

    Der politische Islam ist angetreten, die Gesellschaft nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Von den Veränderungen, die er für unsere Gesellschaft mit sich bringt, handelt dieses Buch. Darüber hinaus gibt es einen Überblick über die wichtigsten Akteure und ihre Strategien. Die alte Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen, stellt sich angesichts eines neuen religiösen Totalitarismus mit aktueller Dringlichkeit. Es geht um nichts Geringeres als einen Gesellschaftsvertrag, der das friedliche und den individuellen und voraussetzungslosen Menschenrechten verpflichtete Zusammenleben der Menschen weiterhin gewährleisten kann.

    DIE

    ISLAMISTISCHE

    HERAUSFORDERUNG

    „Nicht der Koran muss mit der Demokratie verträglich sein, sondern umgekehrt, die Demokratie muss mit dem Koran vereinbar sein."

    Der Imam einer Moschee der Türkischen Föderation in Wien, 2017

    I

    n den vergangenen 40 Jahren ist es fundamentalistischen Strömungen in nahezu allen mehrheitlich islamischen Ländern gelungen, ihre Auslegung der Religion in die Mitte dieser Gesellschaften zu tragen und diese Lesart zum Mainstream zu machen. Diese Veränderung hat auch Auswirkungen auf muslimische Communitys in Europa. Während diese Entwicklung bis vor wenigen Jahren nur in kleinen Zirkeln zur Kenntnis genommen wurde, sprechen inzwischen auch Politik und Medien immer häufiger vom „politischen Islam. Der Begriff hat sogar Eingang in das Regierungsprogramm der türkis-blauen Koalition in Österreich gefunden. Unter der Überschrift „Kampf dem politischen Islam findet sich dort ein eigenes Kapitel, das unter anderem strafgesetzliche Bestimmungen gegen den politischen Islam ankündigt.

    Man gewinnt jedoch den Eindruck, dass weder Politik (quer durch alle Parteien) noch Medien eine adäquate Vorstellung vom Phänomen politischer Islam oder Islamismus haben. Das mag der

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