Impressionismus: Zusammenspiel von Licht und Farbe
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Impressionismus - SERGES Medien
d’Orsay
KAPITEL I
DAS 19. JAHRHUNDERT:
DIE HINTERGRÜNDE
Lichtjahre voraus – Die anti-klassische Bewegung – Corot, Millet und die Schule von Barbizon – Klassizismus und Rustizismus.
Jean-Baptiste Camille Corot, die Vaterfigur des Impressionismus
Paris, Bibliothèque Nationale
Die Wirkung, die die Landschaften und Porträts der Impressionisten auf das Auge des heutigen Betrachters ausüben, läßt sich ganz einfach in einem Wort zusammenfassen: Optimismus. In keiner anderen Kunstrichtung kommt die Kraft der Farben und die Lebensfreude so stark zum Ausdruck. Denken wir nur an die schimmernde Pfirsichhaut in Renoirs Aktgemälden; oder an die leuchtenden, sonnenbestrahlten Szenerien, die Monet in Argenteuil oder Antibes gemalt hat; oder an die Sorglosigkeit der Menschen in Cafés und Konzerten, die Degas und Toulouse-Lautrec so treffend einfingen. Jedes impressionistische Gemälde besitzt eine derartige Ausstrahlung, daß man den Rhythmus des Lebens in ihm zu erkennen meint. Jedes Bild vibriert, leuchtet, schimmert und hält – wenn auch nur für einen flüchtigen Moment – die Atmosphäre und poetische Wirklichkeit der dargestellten Szene fest. Es liegt an dem grenzenlosen Enthusiasmus und Optimismus der impressionistischen Werke, daß sie unser Herz auch heute noch, fast hundert Jahre später, im Sturm erobern. Die Künstler Monet, Renoir, Degas, Sisley und Pissarro traten 1874 mit einer Gruppenausstellung zum ersten mal in Frankreich an die Öffentlichkeit. Das revolutionäre an ihren Werken war nicht nur die neue Maltechnik, sondern auch, daß die Künstler ihre Bilder im Freien malten und statt Form oder Inhalt das Licht als einzige Richtlinie ihrer Kunst proklamierten.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in der französischen Kunst die alten klassischen Wertvorstellungen, die aus der Renaissance und dem Barock übernommen worden waren, ernsthaft in Frage gestellt. Die wichtigste davon war, daß Schönes nur in Nachahmung des Alten entstünde. Aber nun durchdrang der neue Geist des Rationalismus und der Wissenschaft jeden Lebensbereich. Das Ergebnis war die Abkehr von allem Alten. Nach der Französischen Revolution, die in den Werken von David und anderen französischen Neo-Klassizisten so idealisiert wurde, zeigte sich zum ersten Mal die Kraft des Realismus mit seiner rücksichtslosen, detailgetreuen Darstellung in den Bildern von Courbet, Daumier und Millet, der ersten Generation des 19. Jahrhunderts. Unter den Werken, die in nationalen Institutionen wie der Royal Academy und im Salon de Paris ausgestellt wurden, dominierten noch die Gemälde über heroische, mythologische oder historische Themen, die pflichtschuldigst Jahr für Jahr Medaillen einheimsten. Dennoch war die ursprüngliche Antriebskraft hinter dieser Kunstrichtung – die Verherrlichung von Imperialismus und Militär, bereits erschöpft. Auch die bombastische Musik, die stets so laut in Lobreden über die Napoleonischen Siege geschwelgt hatte, klang auf einmal dünn und blechern.
Statt weiterhin nach der Eroberung neuer Territorien zu streben, wollte Frankreich jetzt den Frieden im eigenen Reich sichern und sich zugleich um politische und geistige Nahrung für sein Volk kümmern.
GUSTAVE COURBET
Die Klippen von Etretat nach dem Sturm, 1869
Leinwand, 133 × 162 cm (Detail)
Paris, Musée d’Orsay
JEAN-BAPTISTE CAMILLE COROT
Blick auf Dünkirchen von einem Fischerbecken aus, 1873
Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart
JEAN-BAPTISTE CAMILLE COROT
Die Brücke von Narni, 1826
Papier auf Leinwand, 34 × 48 cm
Paris, Musée National du Louvre
ALFRED SISLEY
Überschwemmung in Port-Marly, 1876
Leinwand, 48 × 61 cm
Rouen, Musée des Beaux-Arts
In Europa, dessen Ressourcen erschöpft und zerstört waren, richtete man sein Augenmerk hauptsächlich auf Kunst und Religion.
In Frankreich waren es Maler wie Corot, Millet und die Künstler der Schule von Barbizon, die aus den vom Krieg verwüsteten und übervölkerten Städten aufs Land zogen. Sie hofften, dort die Energiequellen ihrer Kunst wiederzubeleben, indem sie den Alltag der einfachen Landbevölkerung beobachteten.
Der Stoizismus und der lange Leidensweg dieser Bauern und Landarbeiter wurde bald zum Symbol für die nationale Stärke – dem Kern des französischen Charakters. Die Landschaftsmalerei gewann zunehmend an Wichtigkeit, und die Impressionisten stürzten sich nicht nur mit Begeisterung auf dieses neue Thema, sondern sie zerstörten dabei auch einige der landläufigen Auffassungen über dieses Genre.
Eine dieser Auffassungen lautete, daß jedes Bild einen narrativen Inhalt besitzen solle: Monet und Degas befreiten ihre Gemälde von jeglicher literarischen Bedeutung. Eine andere Vorstellung besagte, daß eine Landschaft künstlich arrangiert werden müsse, um eine harmonische Ausgeglichenheit zu erhalten. Die Impressionisten wehrten sich gerade dagegen. Sie waren an der Natur interessiert wie sie war und nicht wie sie sein sollte. In Gemälden wie Monets „Die Seine bei Bougival (1869) oder Sisleys „Überschwemmung in Port-Marly
(1876) konzentriert sich die Aufmerksamkeit ganz und gar darauf, wie Form und Farbe vom Spiel des Lichtes und der Atmosphäre beeinflußt werden. Alle pittoresken Elemente wurden aus dieser Szene verbannt. Es ist, als blicke man auf einen Schnappschuß, der alles genauso wiedergibt, wie es im Moment des Fotografierens war.
THEODORE ROUSSEAU
Weiden, 1856
Leinwand, 24 × 32 cm
Genf, Musée d’Art et d’Histoire
CHARLES-FRANÇOIS DAUBIGNY
Landschaft, 1854
Holz, 13,5 × 24,5 cm
Aargau, Aargauer Kunsthaus
CLAUDE MONET
Die Seine bei Bougival, 1869
Leinwand, 63 × 91 cm
Manchester, New