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tendenzen beobach t e n

#18

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+++ 01Impressum +++ 02Essen: All-You-Can-Eat +++

+++++++ 05Trinken:Was gibt´s zu trinken? +++++++
+++ 08Kultur: Der Nachhall +++ 10Aufzugwissen +++
node18 I Editorial I 01

Redaktion: Editorial
Ji-Hun Kim
Jan-Peter Wulf

Layout:
Barbara Hanff

Kontakt:
node.contact@gmail.com

Web:
http://nodeland.org

Liebe node-Leserin, lieber node-Leser,

das Thema Essen und Trinken erscheint in heutiger
Medienaufarbeitung mittlerweile in vielfältigster Form
Hollywoodproduktionen wie Ratatouille und Rezept zum
Verlieben zeigen ein ähnliches Interesse an Gaumenfreuden
wie diverse auf der Frankfurter Buchmesse präsentierte Titel,
die in Romanform die Welt des Kulinarischen thematisieren.
Lebensaspekte bezüglich der Kultur rund um den Hunger
und den Durst präsentiert der diesmalige Schwerpunkt
mit All You Can Eat - Was kommt auf den Tisch? und
Was gibt´s zu trinken? Das Ende von Colafantasprite.
Hier werden zudem die aktuellen Trends der weltgrößten
Ernährungsmesse, der Anuga in Köln zusammengefasst.
node hat sich auf der Messe umgeschaut und skizziert die
wichtigsten Tendenzen.
Auch das Thema Nachhaltigkeit und Bio bestimmten die
Kölner Messe, aber ebenso ist in anderen Gebieten der
Erfindergeist nicht stehen geblieben und zeigt interessante
Produkte zur Verfolgung eines nachhaltigen Lebensstils auf.
Wird bald etwa von Sexy Lohas die Rede sein?
Das Aufzugwissen beschäftigt sich diesmal mit dem Thema
Sicherheit. Wie man sich im alltäglichen Leben gegen das
Übel der Welt verteidigen kann, zeigen die Beispiele hier.
Vom Lippenstift bis zum Männeken Pis im Gartenformat ist
einiges möglich, um seine Privatsphäre zu bewahren.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht,
die node-Redaktion

Berlin, Oktober 2007

node18 I Essen I 02
ALLYOU EAT
CAN
WAS KOMMT AUF DEN TISCH?
Essen liegt im Trend. Das klingt absurd – wie kann eine
Lebensnotwendigkeit im Trend liegen? Es ist aber so.
Eben deswegen, weil in den letzten Jahren die Betonung
dieses Wortes von „Notwendigkeit“ hin zu „Leben“
gewechselt zu haben scheint. Statt des Sattwerdens
wird Essen auf einmal zum Erlebnis, es wird inszeniert,
es wird mit anderen Dingen kombiniert, es rückt in den
Mittelpunkt der Wahrnehmung. Und das nicht nur im
Restaurant, wo front cooking als Zubereitung vor den
Augen der Gäste mittlerweile zum guten Ton gehört,
wie Vapiano und Co. beweisen, sondern eben auch
zu Hause. Schon die beim Wohnungsbau landläufig
etablierte räumliche Verschmelzung von Küche und
„Esszimmer“ in einen Raum, den sogenannten big
room, zeigt: Essen wird nicht hier zubereitet und da
verzehrt, sondern zusammen erlebbar. node hat sich
umgeschaut, was es zu essen gibt.
Vielfalt der Globalisierung
Grundlage für den Aufschwung, den das Thema Essen
erfährt, ist – natürlich – die Globalisierung. Früher gab es
gutbürgerlich deutsche Kü-che zu Hause, und wenn man mal
was erleben wollte, dann ging die Familie ins Chinarestaurant
Mykonos. Bitte aber nicht so scharf. Was dazu führte, dass
die (deutsche) chinesische Küche sich dem Geschmack
anpasste und etwas reproduzierte, das urdeutsch ist: das
klassische Gericht aus Fleisch (Acht Schätze), Gemüse und
Sättigungsbeilage (Reis statt Kartoffeln). Heutzutage bieten
die klassischen chinesischen Restaurants eine deutschere
Küche als neue deutsche Restaurants an.
Nun aber regiert Vielfalt. Die Vielfalt der kulinarischen
Einflüsse ist so rasant angestiegen, weil der weltweite
Produktaustausch, durch das Internet und Co. aber auch
die Bekanntheit dieser Produkte so stark beschleunigt
werden konnte, dass nicht nur Connaisseure, sondern
jedermann die Möglichkeit hat, diese Dinge zu verzehren.
Ein Beispiel: Sushi galt vor allem in den 80ern, aber bis noch
vor kurzem als Yuppie-Essen. Mittlerweile ist Rohfisch der
Megatrend, an jedem größeren Bahnhof zum Mitnehmen
Essen
zu kriegen und sogar daheim wird fleißig gerollt. Wenn in
einer nicht unbedingt trendsettenden Stadt wie Bochum in
einem Jahr (2006) drei Sushi-Läden eröffnen (und nicht
wieder schließen), dann ist der Massengeschmack erreicht.
Soll heißen: Der Masse schmeckt es. Und sie wird in den
nächsten Jahren viele neue Küchen kennen lernen. Gastro-
Ketten wie Mongo´S haben das Mongolian Barbecue nach
Deutschland gebracht (wenngleich die Mongolei hier von
Südamerika bis Australien reicht) und die Doppelsilben-
Läden MoschMosch, Cha Chà und SoupSoup den gesamten
asiatischen Raum über Food erlebbar gemacht, wo zuvor
nur amerikanisches Fast Food und TexMex-Fingerfood zu
kriegen waren. Der Asien-Impuls, überall in der Wirtschaft
prognostiziert, wird sich auch hier noch stärker bemerkbar
machen, davon gehen Hanni Rützler und Anja Kirig aus,
die für das Zukunftsinstitut die Trendstudie Food-Styles
verfasst haben. Asien wird die USA als Impulsgeber für die
Schnellgastronomie ablösen, so ihre Einschätzung. Schnell
essen wie bei Mäckes wird weiter gefragt bleiben, aber
jetzt soll es gesunder zugehen. Da bietet sich Asia-Food
geradezu an: „Als Folge des Megatrends Gesund­heit (ist)
eine schnelle und gesunde Küche gefragt.
Ein regelrechter Boom von Sushi-Läden, kleinen
asi­atischen Suppenküchen, fernöstlichen System-
gastronomiekonzepten, indischen, thailändischen und chi-
nesischen Restaurants überrollte die Gas­tro-Landschaften
in europäischen Städten.“ Und die Vielfalt, die die Konzepte
mitbringen, wird immer häufiger auch nachzukochen sein.
Rützler und Kirig nennen das Beispiel des thailändischen
Restaurant-Systems Blue Elephant (zwölf Outlets in elf
Ländern), in dem auch Kochkurse für Gäste angeboten
werden. Und auch in ersten Läden in Deutschland, zum
Beispiel in der Pastamanufaktur in Dresden, kann man beim
Kochen zuschauen oder sich halbfertige, frische Pasta zum
Weiterkochen mit nach Hause nehmen.
Das kannst Du auch
Und das bedeutet, dass die Vielfalt asiatischer, italienischer,
afrikanischer und sonstiger nationaler Küchen immer
node18 I Essen I 03
häufiger auf den deutschen Tischen landen wird.
Pionierarbeit leisteten hier vor allem Multiplikatoren, die
sich ein College-Shirt überstreiften statt einer blütenweißen
Dienstkleidung, die wild, aber bewusst alles ausprobierten
und zusammenschütteten und die ihren Zuschauern zwei
Dinge vermitteln konnten: „Schaut mal her, was es alles
gibt, und so schwierig zu machen ist es auch nicht.“
Die Rede ist natürlich von Jamie Oliver, Epigonen wie
Tim Mälzer und Formaten wie Kerner Kocht, die mit
„Volkesnähe“ die Welt des Essens zugänglich gemacht
haben, während die Witzigmänner und Lafers dieser Welt
eher für eine elitäre Entfernung „sie her, was Du nicht kannst“
standen. Übrigens: Die „das kannst Du nicht“-Haltung haben
1 Front cooking im Mongo´s 2 Pastamanufaktur 3 Food Styles 4 Enzyklopädie zur Kochkunst 5 Rattatouille
jetzt wiederum Molekularköche wie Hervé This oder Ferran
Adrià inne, deren Gemüse-Gelees oder Olivenöl-Bonbons
wohl erst in einigen Jahren auf den Mainstream-Tellern
landen. Aber das ist ein anderes Thema.
Das hier vereinfacht dargestellte Phänomen Jamie Oliver
ist natürlich hinreichend bekannt, aber darum geht
es: Es ist bekannt. Seine Bücher haben es bis in die
Küchenausstellungen deutscher Möbelhäuser geschafft,
und Mälzers TV-Show wird mit 18/1-Außenplakaten und
Hühnerballett beworben wie sonst nur Blockbuster-Filme.
Die Nachkoch-Quote der TV-Rezepte wird allerdings immer
wieder überschätzt. Denn das Zusehen ist schon ein Genie-
ßen, ein „interpassives“ Genießen, sagen Medienphiloso-
phen, das meinen echten Essens-Genuss auf den für mich
„Hmm“ sagenden Biolek verschiebt.
Aber dennoch: Das Thema ist heiß, im Buch und im Film.
Kulinarische Romane, das zeigt auch die Frankfurter
Buchmesse, sind hoch im Kurs, der alterwürdige Brockhaus
legt dieser Tage zum ersten Mal eine Enzyklopädie zur
Kochkunst auf und selbst Disney-Ratten träumen davon,
chef de cuisine zu werden. Wer die internationalen
Rezepte nachkochen und eigene Beiträge einreichen
will, findet natürlich auch für das Essen sein Web 2.0-
Portal: Beispielweise Open Source Food, das mittlerweile
umfangreicher und spannender ist als jedes „naked chef“-
Kochbuch.
Deutsche Küche als Ethno-Trend
Durch den Vielfalt-Trend ist eine Küche (wieder-) entdeckt
worden, die in der Pasta-Domäne und US Fast Food-
Dominanz der Neunziger zum absoluten Underdog
geworden ist: die deutsche. Berlin-Hipsterkids entdecken
das Wurstbrot wieder (berichteten wir schon in node 2), die
lange Zeit verpönte (wenn überhaupt bekannte) Trias Birnen,
Bohnen und Speck taucht in norddeutschen Restaurants
wieder auf. Eine aktuelle Umfrage des Caterers Aramark
unter 43.000 Gästen hat ergeben, dass der Wunsch nach
einheimischen Gerichten, „neu und leicht interpretiert“, um
12 % gestiegen ist, und die CMA promotet die Deutschen
Tapas: „Omas Küche kann nun mit viel Raffinesse, Frische
und Leichtigkeit genossen werden. Heidelamm-Spießchen
in Wacholdermarinade mit Honig, Linsen-Maultäschle mit
Walnüssen und Röstzwiebeln, Westfälische Mini-Pickerts
aus Spinat, Nüssen, Pumpernickel und Ziegenkäse
oder Revier-Rouladen in Form eines gerollten Speck -
Pfannkuchens mit Kartoffelpüree und Endiviensalat sind
nur einige Beispiele der insgesamt 24 Tapas-Vorschläge.
Mit dabei sind natürlich auch Renner wie Curry-Wurst oder
Reibekuchen.“ Die zur WM eingeführte CMA-Promotion,
die in Restaurants wie der Schnitzelei in Berlin und Essen
umgesetzt wird, ist beispielhaft: Die neue Food-Welt sorgt
dafür, dass das deutsche Essen, parallel zu allen anderen
Essen, als Ethno-Thema wahrgenommen wird, nicht als
althergebracht, sondern als etwas, bei dem man Kohleintopf
genauso entdecken darf wie Coleslaw oder Kimchi.
node18 I Essen I 04
Hofladen-Gedanke als USP
Wer sich für den Kohleintopf entscheidet, fährt zusätzlich
noch einen Bonus ein: Er konsumiert etwas, das im Idealfall
um die Ecke angebaut wurde. Im Zuge des allgemeinen
Ökologismus-Trends bezieht der demonstrative Konsum
nämlich auch die Wahl von Erzeugnissen ein, die zum einen
biologischen Produktionsstandards genüge tragen und aus
der Umgebung stammen. Das ist nämlich gar nicht mehr
so leicht: Die ständig wachsende Nachfrage nach Bio-
Produkten fegt die Supermärkte geradezu leer. Innerhalb der
Europäischen Union ist Deutschland der größte Absatzmarkt
für Bioprodukte. Von insgesamt 14,5 Milliarden Euro, die in
der EU mit ökologischen Erzeugnissen erwirtschaftet werden,
setzt der Handel hierzulande rund 27 Prozent um. Allein
Edeka verzeichnete 2006 ein Umsatzplus von gigantischen
60 Prozent im Bio-Bereich. Deswegen reichen Bio-Äpfel
aus dem Alten Land nicht mehr und müssen mittlerweile
aus Afrika importiert werden, was die Zweischneidigkeit des
Bio-Ansatzes nur allzu deutlich macht. Denn wenn ohne
Pestizide angebaut und dann virtuell wieder mit Kerosin
überschüttet, ist Bio eine Worthülse. Vielleicht wird es ja
bald aus Marokko importierte Bio-Erdbeeren geben, bei
denen man per Strichcode gleich sein schlechtes Gewissen
mit Atmosfair-Ablass beruhigen kann.
Eine „Ethik des Bio-Foods“ ist zweifellos notwendig, schaut
man sich die Wachstumszahlen dessen an, was als Bio
gelabelt wird. Auf der diesjährigen Anuga, der wichtigsten
Food-Fachmesse der Welt, haben 1.500 Anbieter neue
Bio-Produkte angemeldet, das ist ein Viertel der Gesamt-
Ausstellerzahl und ein Drittel mehr als noch vor zwei
Jahren. Viele der Produkte glänzen mit Zertifizierungen für
Herstellungsverfahren noch und nöcher, aber das Thema
Transport bleibt ein Tabu.
3 Anuga - Trend Heimat-Food 4 Anuga - World Food 5 nat - fine bio food
Einen Schritt weiter denkt da zum Beispiel die im November
in Hamburg ihr erstes Outlet öffnende Systemgastronomie-
Kette nat: Hier wird es z.B. keine Erdbeeren geben, wenn
keine Erdbeer-Zeit ist, kündigt der Erfinder Jan Rosenkranz
an. Das ist weniger Verzicht als mehr Haltung: Wenn ich
etwas immer haben kann, dann konsumiere ich es umso
demonstrativer, indem ich es nicht konsumiere. Darauf
baut das ganze Konzept der nat-Kette auf, die 2011 50
Restaurants nach dem aus den USA übernommenen „Feel
Good Fast Food“-Prinzip eröffnen will: Die Produkte sind
allesamt biologisch, teilweise sogar vegan hergestellt, und
richten sich wie in der guten alten Zeit nach den Gesetzen der
Natur. Viermal im Jahr wird die Speisekarte wechseln, und
so gibt es dann im Winter keine Erdbeeren. Der Hofladen-
Gedanke wird hier zur Unique Selling Proposition. Und
das muss kein Rapunzel-Demeter-Image haben, sondern
funktioniert auch beim Burger: Die Burgerbar Die Kuh Die
Lacht aus Frankfurt macht es vor. Hier gibt es immer noch
den guten alten Hamburger mit Pommes, aber eben nicht
über Tausende von Kilometern transportiert, sondern mit
Fleisch und Kartoffeln von umliegenden Bio-Bauernhöfen.
100-Meilen-Diät, so nennt die oben zitiert Food-Styles-
Studie das Phänomen. Wobei nur die Entfernung, nicht die
Kalorien diese Grenze markieren.
Fazit
Und genau das macht die neue Food-Welt aus: Sie kann
gesund sein und schnell, aber auch tendenziell ungesund und
fair gehandelt. Sie vereint viele Facetten unter einem Dach:
Essen als gemeinsames Erlebnis versus Individualisierung.
Gesundheit versus Schnelligkeit. Convenience versus
Genuss. Globale Küchen versus Kohlroulade.
Hände waschen und hinsetzen!
1 Open Source Food 2 Anuga - Forum Taste
node18 I Trinken I 05
WASGIBT´SZUTRINKEN?
DAS ENDE VON COLAFANTASPRITE
Im zweiten Teil unserer Essen&Trinken-Issue soll es
nun um die Getränkewelt gehen. Auch hier hat sich in
den letzten Jahren einiges getan, und besonders der
deutsche Getränkemarkt wandelt sich enorm. Allein die
Menge der verbrauchten Drinks zeigt das: 1970 wurden
pro Kopf und Jahr zum Beispiel gerade einmal 12,5
Liter Mineralwasser getrunken. Heute sind es 132 Liter,
Weltspitze. Genauso beim Fruchtsaft, hier liegt der
deutsche Markt mit 40 Liter pro Kopf und Jahr ebenfalls
ganz vorne. Bei den verbrauchten Mengen ist das
Bedürfnis nach Vielfalt natürlich stark ausgeprägt. Das
zeigt sich auch in anderen Getränkebereichen. Auch
hier haben wir uns mal umgeschaut und die wichtigsten
Innovationen zusammengetragen.
Kommt jetzt die Sinconade?
Zum Beispiel bei den Limonaden: Die Colafantasprite-
Monopolwelt ist brüchig geworden, Bionade hat 2006
73 Millionen Flaschen verkauft, das ist so viel wie eine
mittelgroße Brauerei. Weil Bionade bisher jeden Bieter
inklusive Coca Cola Absagen erteilt hat, wollen die
Mitbewerber jetzt eigene Klons auf den Markt bringen. Die da
heißen sollen (keine Gewähr): Nox (von Beck´s), Aloha (von
Warsteiner) oder Sinconade (von Sinalco), die mit großem
Bohei auf der Anuga vorgestellt wurde. Bionade ist das Para-
debeispiel für das derzeitige Aufbrechen und Überlappen
Trinken
aller alkoholfreien Getränkesegmente, AfG genannt. Klare
Trennungen gibt es nicht mehr, auch die Wasserhersteller
wie Volvic mit Volvic Frucht oder Gerolsteiner mit Linée
springen auf den Gesund-Geschmack-Zug auf und bringen
Wasser mit Vitaminen, Frucht- oder Tee-Aromen und
anderen funktionalen Zusatzstoffen auf den Markt. Near-
Water-Produkte wird diese Gruppe etwas unsouverän
genannt, mit dem oben genannten Riesenbedarf an Wasser
jedoch ist hier großes Potential vorhanden.
Bling-Bling-Wasser
Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile Wassermarken,
die auf absolute Purheit setzen und deswegen aufwändigen
Verfahren unterzogen werden, um das zu garantieren. Voss
aus Norwegen ist „artesisches Quellwasser. Durch Steine
und Eis vor Schadstoffen geschützt, produziert die Quelle
eines der reinsten Wasser der Welt.“ Und das kostet pro 800
ml-Flasche knapp fünf Euro.
Oder Fiji (Literpreis bei rund acht Euro), schwer angesagt
bei US-Models und Yuppies, abgefüllt auf der abgelegenen
Südseeinsel Levu, erzielt seine Reinheit durch ein spezielles
Abfüllverfahren: Es kommt nämlich nicht mit der Atmosphäre
in Berührung. Wo sind wir hingekommen… Umso mehr
berührt die Atmosphäre der weite Transport in die USA.
Kritiker haben sich die Mühe gemacht, die Umweltbelastung
der Herstellung akribisch aufzurechnen. Weniger weit
1 Sinconade 2 Gerolsteiner Linée 3 Bling H2O
node18 I Trinken I 06
angeliefert, aber weitaus teurer ist das US-Wasser bling h20:
Es wird einer Ozonbehandlung, Ultraviolett-Bestrahlung
und Mikrofiltration unterzogen und dann kommt es in eine
mit Swarovski-Kristallen besetzte Flasche und kostet soviel
wie zehn Kisten Billigbrunnen bei Trink und Spare: 45
Euro. Die Absurdität des Ganzen ist hier das erfolgreiche
Alleinstellungsmerkmal.
Auch eine deutsche Firma hat jetzt ein Pur-Wasser
à la Voss gelauncht: Ea. Das Wasser wird in einem
vergoldeten Strömungsgerät aktiv verwirbelt, um ihm
einen frischeren und weicheren Gesamtcharakter zu
verleihen. Anschließend wird das Wasser pasteurisiert
und ist dann von allen Mineralstoffen, Salzen und Ionen
befreit, die die physiologischen Funktionen von Wasser
sowie dessen Lösungskraft einschränken, so der Hersteller.
Kerosinbedenken muss man hier aber nicht haben: Ea
kommt aus dem harmlosen Osnabrück. Von purem Wasser
zu purem Sprit ist es nur scheinbar ein Sprung. Zumal Voss
In den USA schon seit langer Zeit ein beliebter, weil die
Abwehrkräfte stärkender Drink, kommen die Berrys jetzt
nicht mehr nur als Spezialität für Cocktailbars, sondern im
Supermarkt-Format nach Deutschland, vor allem von Ocean
Spray. Und – Stichwort Mixbarkeit – auch als Longdrink
sollen die Berrys der Raverbrause den Garaus machen. So
startet Granini Ende des Jahres eine Promotion für Berry-
Mixes zusammen mit Smirnoff Wodka. Gesundheit meets
fühlbaren Alkoholgehalt. Smoothies hat noch keiner getraut,
mit Schnaps anzureichern (oder?). Dafür sind sie aber auch
einfach zu süß, im Geschmack, aber vor allem im Aussehen.
Innocent heißt treffenderweise der Europa-Marktführer, der
gerade von seinen Fans unter dem Motto „The Big Knit“
Mützchen für die kleinen Plastikgebinde stricken lässt.
Das ist süß und hat einen guten Zweck: Die behüteten
in manchen Bars sogar beim Kauf einer Flasche Wodka
dazugestellt wird. Auch beim Wodka nämlich geht es
– abgesehen von den unzähligen Flavoured Vodka-Sorten
von Raspberry bis Pepper – vor allem um Reinheit. Die
edelsten, bis zu siebenfach destillierten Wodkas wie Oval
oder Stolichnaya Elit werden in Flaschen abgefüllt, die eher
wie Parfumflakons aussehen. Warum gerade Wodka Rum
und Gin hinter sich lässt? Weil es nach nichts schmeckt und
deswegen mit allem mixbar ist.
Smoothiemania
Zum Beispiel mit Fruchtsaft. Und auch hier gesellen
sich zu Dickschiffen wie O-Saft und A-Saft neue
Geschmacksrichtungen hinzu. Gesundbombensäfte aus
Acai- und Goji-Beeren wurden 2007 erstmalig auf der Anuga
dem deutschen Fachpublikum vorgestellt, während sie in
London schon frisch auf den Wochenmärkten verkauft werden.
Einen Schritt weiter ist da zum Beispiel der Cranberrysaft.
1 EA Wasser 2 Edelwodkas
Säfte werden im November bei Sainsbury´s verkauft, die
Handelskette legt für jeden verkauften Mützendrink 50 Pence
drauf. Das Geld geht an Elder Concern, eine Organisation,
die gegen Armut im Alter kämpft. Schon letztes Jahr kamen
dabei 115.000 Pfund zusammen, mit denen warme Kleidung
für mittellose ältere Menschen gekauft werden konnte.
Smoothies sind gepresste und pürierte, Zusatzstoff-freie
Direktsäfte, deswegen nennen sie sich auch so: Ehrlich
Trinken oder true fruits heißen zwei weitere Hersteller. Aber
auch Branchenriesen wie Schwartau oder Chiquita haben
schon Smoothies im Sortiment.
Bier-Fruchtsaft
Auch Bier schmeckt mit Fruchtsaft, vor allem den Kids.
Biermixgetränke schießen immer noch wie Pilze aus dem
node18 I Trinken I 07

Boden. Was mit Mixery und dimix begann, hat 2007

Neuigkeiten wie Bit Copa (Bier mit Caipirinha-Geschmack)
oder Schöfferhofer Grapefruit hervorgebracht. Letzteres
ist besonders interessant: Es ist nämlich erstmalig ein
Weizenbier, das mit Fruchtzusatz in der Flasche verkauft wird
und auch direkt aus der Flasche getrunken wird. Ein Unding
für Ur-Bayern. Aber mit über 200.000 Hektolitern (das ist
sehr viel für einen Biermix) das Erfolgsprodukt des Jahres.
Hauptgrund: Vor allem Frauen mögen den Geschmack.

Wein aus dem Pak

Geschmack-los scheint auf den ersten Blick für jeden
Connaisseur ein neuer Wein-Trend zu sein: Der wird nämlich
von den US-Kids aus dem Tetra Pak getrunken. Nein, nicht
auf der Parkbank, sondern im Club oder auf Open Air-
Veranstaltungen, wo kein Glas erlaubt ist. Der Vorteil: Einen
nicht unerheblichen Teil des Preises beim Wein macht die
Glasflasche aus, der Tetra Pak ist billiger und so kann bei
gleicher Qualität ein geringerer Preis angesetzt werden.
Und, ja, es sieht cool aus. Vor allem die Marke French Rabbit
ist angesagt (Video im iPod-Style anschauen!) und ist auch
schon in Dänemark und natürlich in Frankreich zu haben.

Fazit: neue Vielfalt

Auf Produktebene, wie in diesem Überblick der Getränke-
Innovationen dargestellt, vergegenständlichen sich viele der
neuen Konsumentenbedürfnisse, wie sie Colafantasprite
nur noch in geringem Maße befriedigen können – das hat
übrigens auch der Softdrinkgigant selbst erkannt: Unter
dem Claim „Wissen, was drin steckt“ wird aktuell versucht
Aufklärung über die Inhaltsstoffe der Softdrinks zu betreiben,
und auf die Vielfalt – immerhin 50 Produkte im Portfolio –
hinzuweisen.
Das scheint bitter nötig. Denn die Getränkevielfalt ist
geradezu unübersichtlich groß geworden. Und es wird sich
noch einiges bewegen. Ist ja nicht das Schlechteste.

1 Berry Drink 2 Smoothies 3 Berrylicious

node18 I Kultur I 08
NACHHALL
DER
ASPEKTE FÜR EIN „BESSERES“ LEBEN
„Und erst wenn der letzte Baum gefällt ist werdet ihr
sehen, dass man Geld nicht essen kann.“
So oder ähnlich prangte ein Aufkleber auf vielen
Kofferraumhauben von Autos, die in den 80er Jahren durch
die Gegend fuhren. Auch wenn man Geld nicht isst, so kann
man es zumindest weiterhin ausgeben. In Zukunft dann für
eine bessere Sache? Das Thema Nachhaltigkeit ist oder
wird immer mehr zum bestimmenden Thema für daheim
und die Politik. In heutigen Zeiten scheint es dann gar fast
selbstverständlich, dass Al Gore, im Kern ein gescheiterter
Politiker, wegen seiner ökoaktivistischen Aufklärungsarbeit
den diesjährigen Friedensnobelpreis entgegennehmen darf.
Interessant ist in diesem Falle, dass die Thematik und die
Lösungsansätze von unsereins bereits vor einigen Jahren
auf der Schulbank bearbeitet wurden. Die neu-globale und
medial präsentierte Relevanz scheint allerdings eine neue
Phase der Dringlichkeit einzuläuten. Teils unterhaltsam,
teils praktisch und teils realitätsfern sind in diesem
Zusammenhang diverse Produkte, die als nachhaltig
beworben werden und mutmaßlich sein sollen. Auf jeden
Fall werden immer mehr Aspekte des urbanen Lifestyles
abgedeckt. Oder heißt das in Zukunft Sexy LOHAS? node
stellt hier einige der interessantesten Neuheiten auf dem
Markt vor. Vor allem wird eins sehr deutlich. Das „bessere“
Leben kann teils sehr kostspielig werden.
Kultur
Fangen wir mit dem Thema Trinken an. Nicht nur dass die
Getränke immer mehr in Richtung sophisticated gehen (siehe
den vorigen Artikel), auch die Anwendungsgebiete für die
Weiterverwertung von PET-Flaschen scheinen von neuer
Dimension. Also: wem die Flasche mehr wert ist als die 25
Cent, die man als Einwegpfand zurückerstattet bekommt,
der bastelt sich mit den passenden Designerzusätzen eine
Gießkanne oder gar einen Kleiderbügel. Die Frage nur: Wie
viele Gießkannen brauch ich eigentlich zuhause? Und wie
bekomm ich jetzt meine vielen Jacken auf die Kleiderstange?
Aber auch im Bereich Essen wird überlegt wie man die
Einwegkultur nachhaltiger umsetzen kann und zwar gibt es
nun aus den USA das erste kompostierbare Einwegbesteck
namens SpudWare. Sieht aus wie Plastikbesteck, soll auch
genauso praktisch sein, besteht aber aus 80% Kartoffelstärke
und 20%Sojaöl. Und das Beste ist: nach 180 Tagen lösen
sich Messer und Gabel quasi in Luft auf. Ein Set bestehend
aus je 50 Gabeln, Messern und Löffel kostet etwa 20 Dollar.
Zum Vergleich: 2000 Plastikgabeln kosten im deutschen
Versandhandel ungefähr das Gleiche.
Aber Geld soll im Namen der Umwelt bekanntlich
keine Rolle spielen und daher kann auch im exklusiven
Wintersport nach dem Prinzip Lexus gepunktet werden.
Die Firma Zweyerdingers.com stellt „nachhaltige“ Skier aus
hessischen Apfelbäumen her. Nicht nur der Apfel soll bitte
schön aus heimischen Gefilden kommen, sondern auch
1 Gießkanne 2 Kleiderbügel 3 SpudWare
node18 I Kultur I 09

die Schneebretter passend zum Bognerdress. Wer es hat

zahlt 1200 Euro für das Paar, um sich damit die Gelenke im
alpenländischen Atomkraftkunstschnee zu ruinieren.
Und wer es mit dem Wintersport nicht so hat, der betätigt
sich im nachhaltigen Kurbelsport. Mit dem Side Winder kann
man sein Handy per Kurbel wieder aufladen. Zwei Minuten
Kurbeln machen Fünf Minuten Telefonieren und da ein
langer telefonreicher Businesstag somit recht anstrengend
werden kann, genießt man im After Work Club am besten
eine handgekurbelte Erdbeer-Margherita. Aber auch für
daheim scheint der Vortex Blender einen Riesenspaß zu
versprechen.
Wem das Kurbeln zu blöd ist, der muss sich den Saft für
sein technisches Spielzeug anderweitig besorgen. Juice
Bags nutzen die gute Solarenergie, um GPS, iPod
und Notebook wieder aufzuladen. Einfach in der Tasche
angedockt, verspricht sie im Dschungel der Großstadt nie
wieder auf verzweifelter Steckdosensuche zu sein. Die
stylishe Laptoptasche kommt für schlappe 299 Dollar. Ach
ja, und wer zwei von den Juice Bags sein eigen nennt, kann
die Ladezeit sogar verkürzen. Sehr praktisch.
Und wenn der digitale Bohemien des Arbeitens und
Bionadesüppelns müde ist, dann will auch dieser einen
korrekten Tanzschritt wagen. In Holland gibt es dafür z.B.
den Sustainable Dance Club. Dieser glänzt neben Ökobier
und nachhaltiger Wasserversorgung vor allem mit folgendem
Geniestreich: die Tanzfläche wurde mit ausgefeilter
Piezotechnik ausgestattet, so dass die Tanzschritte und
die Bewegung der Remmidemmimeute direkt in Strom
umgewandelt werden können. Seit einem Jahr gibt es
bereits diesen Club, aber wer sich das kurze Promovideo
anschaut, der mag sich berechtigterweise fragen, wie viel
des dort benötigten Stroms für Lightshow und Anlage wirklich
regeneriert werden kann. Da ist man fast dazu verleitet sich
alten Hippiedogmen zu unterwerfen und wieder die Gitarre
am Lagerfeuer auszupacken.

1 Side Winder 2 Vortex Blender 3 Juice Bag

node18 I Aufzugwissen I 10
Aufzugwissen
Für die Sicherheit in der node – Beispiele für mehr
Sicherheit im modernen Leben
„Im Verlauf der letzten Jahre ist antisoziales Verhalten zu
einer der größten Bedrohungen in unserer Gesellschaft
geworden.“
So lautet es auf der Website von swiss-mosquito. Wir
berichteten bereits davon in einer vorigen Ausgabe. Der
Schallinsektenschutz eignet sich nicht nur gegen fliegende
Blutsauger, sondern auch gegen Jugendliche und Kinder,
die nerven. Nun endlich kann dieses Produkt auch in
Deutschland erworben werden. So kann vom frustrierten
Rentnernachbarn endlich die Kirschen klauende Kinderbrut
ferngehalten werden. Anderes „friedliches“ Arsenal
verwendet eine Erfindung von Tim Higgins: Der Waterhobo
verscheucht mit eingebauter Nachtsichtkamera und
flexiblem Wasserstrahl Kinder und andere Störenfriede vom
eigenen Vorgarten. Die armen Kinder, will man meinen.
Heranwachsende junge Mädchen können sich aber auch
1 Swiss-Mosquito 2 Waterhobo 3 Taser 4 Pepper Spray 5 Colaautomat 6 Briefkasten 7-10 Running from Camera
stilgemäß gegen sabbernde Nachbarn zur Wehr setzen:
handbagkompatibel kommen der Taser in Pink und das
Lipstick Pepper Spray daher. Das erste ist eine praktische
Elektroschockpistole im Handtaschenformat und das zweite
ein Pfefferspray in Lippenstiftform. Unentbehrlich für die
weibliche, urbane Kriegsführung.
In Japan vertraut man sich in diesen Bereichen eher dem
Prinzip der Tarnung an. Neuerdings kann man nämlich am
besten seinen Schuldnern und Verfolgern entkommen,
indem man sich wie herumstehende alltägliche Gegenstände
verwandelt. Am besten sind die Modelle Colaautomat und
Briefkasten für den Pennäler. Und wenn dies alles nicht mehr
hilft, dem sei vor den Bösewichtern dieser Erde nur noch
das Weglaufen empfohlen. Wie dies aussieht zeigt die Seite
Running from Camera sehr gut auf. Die Regeln sind einfach
erklärt. Der Selbstauslöser wird auf zwei Sekunden aktiviert,
und dann rennt man soweit man kann. Das Ergebnis ist
beeindruckend. Und außerdem ist Laufen weitaus schöner
als Prügeln und Elektroschocken…