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In mitten dieser unruhigen schwarzen Nacht, prasselt der rasiermesserscharfe Regen unaufhaltsam

auf die Windschutzscheibe des metallic grauen 69er Camaro. Helle, weiße Reflexionen der
Scheinwerfer eines entgegen kommenden Wagens, verschwinden wie von Geisterhand als die
klaren Tropfen von der rauen Gummilippe des Scheibenwischers davon getragen werden, nur um
im nächsten Moment von neuen ersetzt zu werden. Als das Licht an Claires Augen vorbei zischt,
wischt sie sich mit einer zügigen, ruckartigen Bewegung den Schlaf aus selbigen.
Hektisch streckt sie einen Arm Richtung Dach aus, während die Hand des anderen, eine feuerrote
Strähne aus ihrem Gesicht entfernt. Ein Licht erhellt den Innenraum des Wagens, als ihre
Fingerspitzen den kleinen grauen Schalter verschieben. Ihr erster Blick fällt auf die analoge Uhr im
Armaturenbrett.
„Was, schon so spät?“
Durchfährt es Claire, als sich ihre Augen endlich an das Licht gewöhnen. Sofort schweift ihr Blick
durch das Fahrzeuginnere: Die Knöpfe sind heruntergedrückt, alle Scheiben unversehrt und der
Schlüssel ist noch dort, wo sie ihn zuvor gelassen hatte, im Zündschloss. Schnell versucht sie sich
zu beruhigen und ihre hektische Atmung zu normalisieren.
„Reiß dich zusammen Claire! Das war nur ein Traum, ein Alptraum.“
Claire richtet sich auf und zieht sich den Gurt über die Schulter.
„Einfach weiter... irgendwo hier hatte ich sie doch.“
Ihre Finger wandern durch die Taschen ihrer Lederjacke, während sie den Gurt schließt. In einer
Tasche wird sie endlich fündig und kramt etwas heraus, eine recht mitgenommen
Zigarettenschachtel. Den Filter eines Sargnagel aus dem inneren der Box legt sie sich auf die
Lippen, während sie grinsend den Aufdruck „Rauchen kann tödlich sein“ liest.
„Das ist wohl mein geringstes Problem“
Wie aus einem Guss dreht sie den Schlüssel im Zündschloss und legt den ersten Gang ein. Ein
kräftiges V8-Brüllen ertönt und ist zugleich das einzige hörbare Geräusch. Mit Ausnahme des
Zirpen der Grillen, die es mühelos überschallt, bevor das Motorengeheul in ein ruhiges Blubbern
übergeht. Auf dem Weg zum Lenkrat macht ihr Finger einen kurzen Stopp am Zigarettenanzünder,
der mit einem leisen, fast unhörbaren Klicken nach unten rutscht. Die Reifen rotieren, bis sie
endlich in dem vom Regen aufgeweichten, lehmigen Boden Halt finden und das Fahrzeug
vorantreiben. Die Interstate ist leblos und verlassen, als sich Claire's Wagen wieder in Bewegung
setzt. Alles wirkt so trostlos. Die bei Tag so belebten Raststätten, die nach einem Zwinkern auch
schon wieder verschwunden sind, sind menschenleer und nur vereinzelt erhellt die eine oder andere
alte Neon-Leuchtreklame, die sonst so düstere Nacht.

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