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ZUR ABSTIMMUNG VOM 8.

FEBRUAR 2009 ÜBER


DIE ERWEITERTE PERSONENFREIZÜGIGKEIT
MIT BULGARIEN UND RUMÄNIEN.

WAS IST RICHTIG?

I. Die ursprünglichen Fragen über die "Weiterführung der bilateralen Verträge mit der EU" und
"Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien" wurden durch das Parlament
aus taktischen Gründen für die bevorstehende Abstimmung zusammengeknüpft. Ist es richtig, dass
Bürgerinnen und Bürger ihrer Wahlfreiheit beraubt werden und nicht getrennt auf zwei Fragen
antworten können?

II. Die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien ist primär im Interesse der
Europäischen Union hinsichtlich der Gleichbehandlung ihrer Mitgliedstaaten. Ist es richtig, dass die
Schweiz in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit den Arbeitsmarkt und die Sozialwerke auch für
Personen aus Bulgarien und Rumänien zugänglich macht und hierfür keine Gegenleistung fordert?

III. Die Personenfreizügigkeit ist seit Juni 2007 in Kraft und die Befürworter der Vorlage verweisen auf
die positiven Erfahrungen seither. Ist es richtig, dass man über Erfolg urteilt, wenn sich der
Beobachtungszeitraum lediglich auf eine Zeitspanne der Hochkonjunktur begrenzt?

IV. Die Finanzierung unserer Arbeitslosenversicherung beruht auf einer Annahme von 100'000
Arbeitslosen pro Jahr. Im Dezember 2008 waren über 118'000 Personen als arbeitslos registriert, obwohl
rezessionsbedingte Kündigungswellen noch bevorstehen. Zudem wuchs das Defizit der
Arbeitslosenversicherung selbst während den Hochkonjunkturjahren um durchschnittlich 1,2 Milliarden
Franken pro Jahr. Ist es richtig, dass man ohne gesicherte Finanzierung der Arbeitslosenversicherung,
die Leistungen gerade zum jetztigen Zeitpunkt auch für Bulgaren und Rumänen zugänglich macht?

V. Unternehmen müssen in wirtschaftlich guten Zeiten die richtigen Arbeitskräfte rekrutieren können,
um im Wettbewerb erfolgreich zu bestehen. Abgesehen davon, dass Schweizer Unternehmen auch vor
den Bilateralen I internationale Fachkräfte rekrutierten, ist der administrative Aufwand hierfür
durchwegs geringer seit der Einführung der Personenfreizügigkeit. Ist es richtig, dass man
administrative Erleichterungen (für Rekrutierungen aus Bulgarien und Rumänien) und damit
kurzfristige Interessen höher bewertet als langfristige Komponenten, wie die Sicherung unserer
Sozialwerke, der Löhne und letztendlich den sozialen Frieden?

VI. Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Medien, staatliche Institutionen, grosse Unternehmen sowie


Links- und Mitteparteien befürworten mehrheitlich die Erweiterung der Personenfreizügigkeit. Ist es
richtig, dass kritische Aspekte nicht in der breiten öffentlichen Auseinandersetzung diskutiert
werden?
Die zur Abstimmung anstehende Vorlage beschäftigt in vielerlei Hinsicht:

Zum Einen geht es um eine besorgniserregende demokratische Komponente. Man soll einer
Modifikation eines bestehenden Vertrages zustimmen oder gleich den bestehenden Vertrag, welcher
ursprünglich akzeptiert wurde, ablehnen. Angenommen, das Parlament wollte die Sozialwerke mit
zusätzlichen MWST-Prozenten finanzieren und das Referendum kommt zustande, wird dann die
Abstimmungsfrage lauten: Erhöhung der MWST oder Abschaffung der Sozialwerke? Solche
Machenschaften müssen Bürgerinnen und Bürger an der Urne stoppen!

Zum Zweiten beinhaltet die Erweiterungsvorlage keine nennenswerten Vorteile für die Schweiz. Sollte
der Ausdehnung dennoch zugestimmt werden, müsste bei künftigen Problemen im Zusammenhang
mit diesen Staaten gleich die gesamte Freizügigkeit aufgekündet werden (und somit alle Bestandteile
der Bilateralen I). Während diverse EU-Staaten bereits heute Sonderregelungen in der
Personenfreizügigkeitsfrage mit Bulgarien und Rumänien suchen, wäre die Schweiz gut beraten, diese
Entscheidung noch ein paar Jahre hinauszuzögern.

Zum Dritten beunruhigt die überwiegend positive Grundstimmung gegenüber der Vorlage.
Grossflächig angelegte Kampagnen zeigen Verbände und Unternehmen wie auch Parteien und
Politiker, die alle das Gute in dieser Vorlage erkennen wollen. Das Argumentarium der Befürworter
konzentriert sich allerdings darauf, was nicht passiert wenn die Vorlage abgelehnt wird. Verträge, die
nur für eine Partei Vorteile beinhalten sind auch als Kolonialverträge bekannt!

Die meisten Fehler in Politik und Wirtschaft werden in Zeiten der Hochkonjunktur und unter Hochmut
begangen. Während in der Wirtschaft die Eigentümer für die Fehler des Managements bezahlen, sind
dies im Staat die Steuerzahler. Als solche haben wir am 8. Februar die Möglichkeit, die Notbremse zu
ziehen und ein NEIN zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien in die
Urne zu legen. Es braucht jetzt ein Zeichen einkehrender Vernunft und Achtung gegenüber der
Demokratie und des Souveräns.

Wird die Vorlage abgelehnt, kann der Bundesrat die "Weiterführung der Personenfreizügigkeit" dem
Parlament erneut vorlegen. Es ist davon auszugehen, dass dagegen kein Referendum zustande kommt,
womit alles beim Alten bliebe. Bezüglich der Ausdehnung muss man neu verhandeln – nachdem die
Hausaufgaben gemacht worden sind.

Mit freundlichen Grüssen

Gregor Arn,
Mitglied FDP Stadt Luzern

Diese Aktion ist unabhängig von Parteien, Verbänden und Komitees.

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