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Obwohl freiwillige Zusatzleistungen des patronalen Wohlfahrtsfonds nachträglich zu er- Umgehungen. Dass das BSV den Arbeitgebern Lebenslage gleich viel zugewandt wird wie der
Arbeitgebers besonders in Krisenzeiten heben. Um dies als rechtlich zulässig zu erachten, solch kollektives Misstrauen entgegenbringt, ist alleinerziehenden Mutter im Teilzeitjob? Und ist
eine wichtige sozialpolitische Ausgleichs- muss man nicht nur darüber hinwegsehen, dass umso enttäuschender, als die freiwillige Personal- Gerechtigkeit tatsächlich nur zu finden, wo der
Arbeitgeber und patronale Wohlfahrtsfonds ver- fürsorge in der Schweiz eine langjährige Tradition Weg zum Richter offensteht? Als beitragsfrei zu-
funktion haben, pochen die Behörden auf schiedene Rechtssubjekte sind. Man muss ausser- hat und Schweizer Arbeitgeber mit Ausnahme lässige Leistungen ausserhalb der Risiken Alter,
eine AHV-Beitrags-Unterstellung auch bei dem auch negieren, dass Leistungen aus der zwei- weniger schwarzer Schafe mit ihrer sozialen Ver- Tod und Invalidität schlägt der Ständerat unter
Wohlfahrtsfonds. Die Autorin des folgen- ten Säule Vorsorgeleistungen sind und kein Ent- antwortung durchaus umzugehen wissen. anderem an alle Arbeitnehmer ausgerichtete Bei-
den Beitrags stellt sich gegen solche gelt für Arbeitsleistung. Mit seiner Praxis be- Im Oktober 2008 setzte das Bundesgericht der träge für die Krankenversicherung oder zur Be-
Beutezüge und hofft auf eine reflektierte drohte das BSV die Existenz der Wohlfahrts- Praxis des BSV ein Ende und hielt in aller Deut- zahlung von Arzt- und Spitalkosten vor. Dass die-
fonds, denn eine ihrer wichtigen Aufgaben be- lichkeit fest, dass Leistungen aus Vorsorgeeinrich- ser Vorschlag just eine Kategorie von Leistungen
Haltung des Ständerats. (Red.) steht darin, Notlagen bei Massenentlassungen tungen – auch solche patronaler Wohlfahrtsfonds betrifft, die die BVG-Aufsichtsbehörden über
oder erzwungenen vorzeitigen Pensionierungen – keiner AHV-Beitrags-Pflicht unterstehen. Seit- Jahrzehnte aus der zweiten Säule zu verbannen
Patronale Wohlfahrtsfonds scheinen dem Bun- zu mildern. Solche Massnahmen wird ein Arbeit- her hat sich die Diskussion von der rechtlichen auf versuchten, zeigt, wie praxisfern solche Vorschlä-
desamt für Sozialversicherungen (BSV) unverän- geber nur aus einer eigenen Notsituation erlassen. die politische Ebene verlagert. Während der ge erarbeitet werden. Dasselbe gilt für die Limi-
dert ein Dorn im Auge zu sein. Kaum hat das Wird er aber gezwungen, auf den Leistungen des Nationalrat einem Gesetzesartikel zustimmte, der tierung beitragsfreier Leistungen zum Auskauf
Bundesgericht in einem Urteil (vgl. NZZ vom Wohlfahrtsfonds 10% AHV-Beiträge zu bezah- ein für alle Mal die AHV-Beitrags-Freiheit von von Rentenkürzungen auf knapp 55 000 Fr.
29. 10. 08) dieses seit Jahrzehnten gepflegte sozia- len, kann oder will er sich freiwillige Sozialleis- Vorsorgeleistungen geregelt hätte, ist der Stände-
le Institut geschützt, setzt der Ständerat zum tungen nicht mehr leisten. Wohlfahrtsfonds er- rat zu einem anderen Ergebnis gelangt. Wenig Vertrauen in die Arbeitgeber
nächsten Angriff auf diese Einrichtung an – ge- geben unter diesen Umständen keinen Sinn mehr. überraschend tat er dies gestützt auf einen Bericht Es bleibt zu hoffen, dass sich die Räte in der
stützt auf einen Bericht des BSV. des BSV. Was der Ständerat nun verlangt, ist in nächsten Session nochmals vertieft und kritisch
Eine Ohrfeige des Bundesgerichts erster Linie, dass nur noch solche Vorsorgeleistun- mit dem Bericht des BSV auseinandersetzen. Da-
Abfederung von sozialen Härtefällen Was das BSV stört, ist die Tatsache, dass Wohl- gen AHV-Beitrags-frei sein sollen, die im Voraus bei müsste auch klargestellt werden, dass Vor-
Die ersten Angriffe des BSV auf patronale Wohl- fahrtsfonds ihre Leistungen nicht im Voraus und in einem Reglement normiert und für die Begüns- sorgeleistungen und Lohn zweierlei sind und dass
fahrtsfonds begannen vor zirka drei bis vier Jah- für alle Destinatäre einheitlich normieren, son- tigten einklagbar sind. Ausserdem müssten stets die BVG-Aufsichtsbehörden durchaus aktiv dar-
ren. Damals wurden die AHV-Ausgleichskassen dern im Einzelfall und nach Ermessen zuspre- alle Arbeitnehmer gleich behandelt werden. über wachen, dass Wohlfahrtsfonds keine Ar-
angewiesen, im Zuge von Revisionen von den chen. Anstatt anzuerkennen, dass sich das Unge- Was sich BSV und Ständerat von dieser Giess- beitsleistungen entgelten, was viele Politiker zu
Arbeitgebern AHV-Beiträge auf Leistungen aus ahnte im Leben nicht planen lässt und daher flexi- kannen-Gerechtigkeit versprechen, ist schwer denken scheinen. Schliesslich fehlt nur ein Quent-
ble Reaktionen erfordert, wähnt das BSV hinter nachvollziehbar: Werden Fürsorgeleistungen ge- chen Vertrauen in die Schweizer Arbeitgeber, da-
* Die Autorin ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Vischer AG. jeder Ermessensleistung Ungerechtigkeiten und rechter, wenn dem Generaldirektor in jeder mit eine vernünftige Lösung möglich wird.