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Neuö Zürcör Zäitung FOKUS DER WIRTSCHAFT Mittwoch, 22. Juli 2009  Nr.

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Wenn Milliardäre zu Wohltätern werden


Unternehmer übernehmen das Zepter
Parallel zum Aufschwung der Weltwirt- Millionären und Milliardären in ziellen Lage, in die sich öffent-
schaft und zum Anschwellen der Börsen- Grossbritannien und in den liche Verwaltungen durch die
blase in den letzten Jahren blühte das USA publiziert. Das Resultat Finanzkrise gestürzt sehen, will
lässt Hoffnung schöpfen: Trotz Gates die Aktivitäten seiner
Geschäft mit der Nächstenliebe. Der Rezession und Finanzsorgen ge- Stiftung nicht einschränken.
Börsencrash blieb nicht ohne Folgen. ben drei Viertel der Befragten Die fetten Börsenjahre ha-
Grossen Flurschaden richtete auch der an, sie hätten ihre Vergabungen ben der Wohltätigkeit Fluch und
Milliardenbetrüger Madoff an. nicht gekürzt, ein Viertel will Segen gebracht. Die Spenden-
diese im Verlauf der letzten 18 volumen erhöhten sich mit zu-
bau. Genf, im Juli Monate sogar erhöht haben. nehmendem Reichtum von Ein-
Wuchtige Kollateralschäden hat die inter- Sollte sich die Krise verschärfen zelpersonen. Almosen zu rei-
nationale Finanzkrise beim Geschäft mit der und müsste man sparen, so wer- chen, wurde leichter, weil man in
Wohltätigkeit hinterlassen. Betroffen waren in den die Wohlhabenden gemäss leicht gewonnenem Geld
erster Linie die Stiftungsvermögen grosser ge- dieser Umfrage zuerst auf Lu- schwamm. Banken und kleinere
meinnütziger Organisationen, dann aber auch xusgüter, teure Essen, Reisen private Organisationen wie etwa
privater, meist amerikanischer Universitäten und und Dienstpersonal verzichten, das Genfer Unternehmen «Wise
Kultureinrichtungen. Ein Philanthropie-Berater bevor sie das Spendenbudget Conseillers en philanthropie»
bei der Deutschen Bank in New York schätzt, einschränken. begannen, orientierungslosen
dass, im Einklang mit dem Börsencrash, die En- Kunden, die Gutes tun wollten,
dowments, das heisst die Vermögen, von deren Ausgetrockneter Markt spezielle Dienstleistungen, etwa
Zinsen viele dieser amerikanischen Institutionen Der optimistische Befund wird zur Errichtung von Stiftungen
leben, um 20 bis 30% geschmolzen sind. Die Ge- allerdings nicht von allen Beob- oder zur Durchführung von Pro-
schäftstätigkeit von sozialen Einrichtungen sei achtern geteilt. Unabhängige jekten, anzubieten. Vor dem
bedroht, weil die Zinseinnahmen fehlten. Zudem Vermögensverwalter und Mana- Ausbruch der Krise waren sich
beobachtet der Banker, dass bereits zugesagte ger von Family-Offices in Genf Anlageberater einig, dass dem
Sponsorengelder aufgekündigt werden, weil die sprechen offen von einem ausge- Geschäft mit der Philanthropie
jetzt vom Staat gestützten Banken und Versiche- trockneten Markt für Wohltätig- auch in Europa eine heitere Zu-
rungen sich nicht im Klaren sind, wie sie ihr ge- keit. Das Hemd sei auch den kunft bevorstand.
meinnütziges Engagement in Zukunft gestalten Reichen näher als der Rock, be-
sollen beziehungsweise können. merkt ein Fondsverwalter, der es Vergiftete Wohltätigkeit
in den Jahren der Börsenblase Gleichzeitig verkam Charity zu
Spenden oder Sparen gewohnt war, Millionenbeträge einem gesellschaftlichen Tum-
Geschrumpfte Vermögen sind nur eine Seite der für caritative Organisationen an- melfeld, wo längst nicht mehr nur
philanthropischen Medaille. Die andere Seite zulegen. An einem Genfer Bran- das gute Herz zählte. Partys für
sind die Neugelder, die ins Geschäft mit der Ge- chentreffen für Beteiligungsge- edle Zwecke wurden immer lu-
meinnützigkeit fliessen. Wie sich die globale sellschaften, die vor allem mit xuriöser, Fundraising zu einer
Finanzkrise auf das Spendenverhalten auswirkt, Venture-Capital arbeiten, wurde Verpflichtung für jeden, der sich
ist erst in Ansätzen sichtbar. Die Abteilung für Fondsmanagern vorexerziert, in der Geldelite selber darstellen
Vermögensverwaltung bei der Barclays Bank hat wie sie während der gegenwärti- wollte. Die Spitze des Eisberges
dieser Tage das Resultat einer Umfrage bei 500 gen Durststrecke durch ge- wurde sichtbar, als man Ende
schickte Strategien von der He- 2008 den amerikanischen Fi-
belwirkung der Vermögen phil- nanzjongleur Bernard Madoff
Spendierfreudige Schweizer anthropischer Stiftungen profi- unter Hausarrest stellte und Mil-
tieren können. Mit einem relativ liardenvermögen über Nacht ver-
bau. Für die Schweiz wird man einen Überblick kleinen Einsatz aus dem eigenen dampften. Betroffen waren nicht
über das Spendenverhalten in der Krise erst in Stiftungsvermögen gilt es andere nur naive Investoren und rück-
ein paar Monaten haben, dann nämlich, wenn Kapitalgeber an Bord zu ziehen, sichtslose Spekulanten. Den
die Spendenstatistik der Zertifizierungsstelle um gemeinsam in zukunftsträch- Schaden bekamen auch carita-
Zewo und der Spendenmonitor des Forschungs- tige Firmen zu investieren und tive Institutionen zu spüren, de-
instituts GfS Zürich vorliegen. Die steuerlichen so die Profitmargen zu erhöhen. ren Aufsichtsräte und Finanz-
Rahmenbedingungen für gemeinnützige Zwecke
Stiftungen, so der Berater, sind berater gutgläubig in Fonds des
haben sich in der Schweiz zunehmend verbes-
sert. Per Januar 2006 wurde der Spendenabzug aufgefordert, ihre gute Brand – Madoffschen Kartenhauses in-
bei der direkten Bundessteuer von 10% auf 20% will sagen das in der Vergangen- vestiert hatten. Geblendet von
des Einkommens beziehungsweise des Gewinns heit erworbene Prestige – besser den überdurchschnittlichen Ren-
des Spendenden erhöht. Der Dachverband ge- zu vermarkten. diten, hofften sie auf eine zau-
meinnütziger Stiftungen der Schweiz, Profonds, berhafte Vermehrung der Gel-
ist erfreut darüber, dass sich der stets postulierte Vorbild Bill Gates der, um Gutes zu tun.
Mindeststandard von 20% heute auch bei der Die Studie von Barclays bestä- Verschiedene Madoff-Opfer,
überwiegenden Mehrheit der Kantone durch- tigt einen Befund, zu dem auch die von privaten Spendengeldern
gesetzt hat. Spitzenreiter mit 100% bleibt unver- auf Philanthropie spezialisierte Dinieren und spendieren – eine Wohltätigkeitsveranstaltung in New York. GETTY leben, haben sich inzwischen ge-
ändert der Kanton Basel-Landschaft. Banken wie J. P. Morgan kom- outet. Betroffen sind in erster
Die letzte repräsentative Umfrage von GfS- men. In den letzten Jahren hat sich eine ehr- Philanthropen es vorziehen, in individuelle Pro- Linie grosse, vor allem amerikanische Stiftungen
Zürich zeigte die Schweizer Bevölkerung 2008 in geizige jüngere Spendergeneration entwickelt. jekte zu investieren statt Geld einer grossen mit jüdischem Hintergrund. Anfang Jahr bezif-
nach wie vor guter Spenderlaune. Pro Haushalt Der erfolgreiche Unternehmer sieht sich immer Organisation zu schenken. ferte die amerikanische Nonprofitorganisation
wurden im Jahresdurchschnitt rund 450 Fr. ge-
stärker als verantwortungsbewusster Philan- Vorbild für die Unternehmer-Philanthropen GuideStar, die auf ihrer Web-Plattform Geber
spendet, ähnlich viel wie in den vorangegange-
nen Jahren. Die Autoren des Berichts schrieben
throp, als «go-giver». Allerdings will er verfolgen der Zukunft sind Warren Buffett oder Bill und wohltätige Institutionen zusammenführt, den
Ende letzten Jahres, man könne unschwer vor- können, wie sein Geld von gemeinnützigen Gates. Beide glauben, dass mehr privatwirt- vorläufigen Schaden auf mehrere Milliarden. Un-
aussagen, dass das Bild 2009 ein ganz anderes Organisationen investiert wird und welche Wir- schaftliches Denken und erfolgsorientiertes mo- ter den reputierten Institutionen, die zu Schaden
sein werde, denn die Krise der Finanzbranche kung jeder gespendete Dollar hat. 40% der dernes Management verstaubter Charity wohl kamen, befinden sich etwa die New York Univer-
und die entsprechenden Hiobsbotschaften hät- Superreichen trauen der Arbeitsweise traditio- anstehe. Die beiden befreundeten Milliardäre sity, die 24 Mio. $ verlor. Bei der Yeshiva Univer-
ten bis im November 2008, als die Studie abge- neller wohltätiger Institutionen. 53% hingegen finanzieren die Bill & Melinda Gates Foundation, sity in New York waren es 14,5 Mio. $. Beim Mil-
schlossen wurde, noch nicht auf die Stimmung finden, die meisten Organisationen seien nicht in die weltweit grösste private Charity. Ein Tross liardär und Pressemogul Mortimer Zuckermann
der Schweizer Bevölkerung übergegriffen. der Lage, Spendengelder effizient einzusetzen. von 700 Mitarbeitern verwaltet ein Jahresbudget gingen 10% seiner 300 Mio. $ starken wohltätigen
Es erstaunt wenig, dass die Hälfte der befragten von 3 Mrd. $. Angesichts der schwierigen finan- Stiftung flöten.

Patronale Wohlfahrtsfonds unter Beschuss


Ständerat vor einem wegweisenden Entscheid
Von Franziska Bur Bürgin*

Obwohl freiwillige Zusatzleistungen des patronalen Wohlfahrtsfonds nachträglich zu er- Umgehungen. Dass das BSV den Arbeitgebern Lebenslage gleich viel zugewandt wird wie der
Arbeitgebers besonders in Krisenzeiten heben. Um dies als rechtlich zulässig zu erachten, solch kollektives Misstrauen entgegenbringt, ist alleinerziehenden Mutter im Teilzeitjob? Und ist
eine wichtige sozialpolitische Ausgleichs- muss man nicht nur darüber hinwegsehen, dass umso enttäuschender, als die freiwillige Personal- Gerechtigkeit tatsächlich nur zu finden, wo der
Arbeitgeber und patronale Wohlfahrtsfonds ver- fürsorge in der Schweiz eine langjährige Tradition Weg zum Richter offensteht? Als beitragsfrei zu-
funktion haben, pochen die Behörden auf schiedene Rechtssubjekte sind. Man muss ausser- hat und Schweizer Arbeitgeber mit Ausnahme lässige Leistungen ausserhalb der Risiken Alter,
eine AHV-Beitrags-Unterstellung auch bei dem auch negieren, dass Leistungen aus der zwei- weniger schwarzer Schafe mit ihrer sozialen Ver- Tod und Invalidität schlägt der Ständerat unter
Wohlfahrtsfonds. Die Autorin des folgen- ten Säule Vorsorgeleistungen sind und kein Ent- antwortung durchaus umzugehen wissen. anderem an alle Arbeitnehmer ausgerichtete Bei-
den Beitrags stellt sich gegen solche gelt für Arbeitsleistung. Mit seiner Praxis be- Im Oktober 2008 setzte das Bundesgericht der träge für die Krankenversicherung oder zur Be-
Beutezüge und hofft auf eine reflektierte drohte das BSV die Existenz der Wohlfahrts- Praxis des BSV ein Ende und hielt in aller Deut- zahlung von Arzt- und Spitalkosten vor. Dass die-
fonds, denn eine ihrer wichtigen Aufgaben be- lichkeit fest, dass Leistungen aus Vorsorgeeinrich- ser Vorschlag just eine Kategorie von Leistungen
Haltung des Ständerats. (Red.) steht darin, Notlagen bei Massenentlassungen tungen – auch solche patronaler Wohlfahrtsfonds betrifft, die die BVG-Aufsichtsbehörden über
oder erzwungenen vorzeitigen Pensionierungen – keiner AHV-Beitrags-Pflicht unterstehen. Seit- Jahrzehnte aus der zweiten Säule zu verbannen
Patronale Wohlfahrtsfonds scheinen dem Bun- zu mildern. Solche Massnahmen wird ein Arbeit- her hat sich die Diskussion von der rechtlichen auf versuchten, zeigt, wie praxisfern solche Vorschlä-
desamt für Sozialversicherungen (BSV) unverän- geber nur aus einer eigenen Notsituation erlassen. die politische Ebene verlagert. Während der ge erarbeitet werden. Dasselbe gilt für die Limi-
dert ein Dorn im Auge zu sein. Kaum hat das Wird er aber gezwungen, auf den Leistungen des Nationalrat einem Gesetzesartikel zustimmte, der tierung beitragsfreier Leistungen zum Auskauf
Bundesgericht in einem Urteil (vgl. NZZ vom Wohlfahrtsfonds 10% AHV-Beiträge zu bezah- ein für alle Mal die AHV-Beitrags-Freiheit von von Rentenkürzungen auf knapp 55 000 Fr.
29. 10. 08) dieses seit Jahrzehnten gepflegte sozia- len, kann oder will er sich freiwillige Sozialleis- Vorsorgeleistungen geregelt hätte, ist der Stände-
le Institut geschützt, setzt der Ständerat zum tungen nicht mehr leisten. Wohlfahrtsfonds er- rat zu einem anderen Ergebnis gelangt. Wenig Vertrauen in die Arbeitgeber
nächsten Angriff auf diese Einrichtung an – ge- geben unter diesen Umständen keinen Sinn mehr. überraschend tat er dies gestützt auf einen Bericht Es bleibt zu hoffen, dass sich die Räte in der
stützt auf einen Bericht des BSV. des BSV. Was der Ständerat nun verlangt, ist in nächsten Session nochmals vertieft und kritisch
Eine Ohrfeige des Bundesgerichts erster Linie, dass nur noch solche Vorsorgeleistun- mit dem Bericht des BSV auseinandersetzen. Da-
Abfederung von sozialen Härtefällen Was das BSV stört, ist die Tatsache, dass Wohl- gen AHV-Beitrags-frei sein sollen, die im Voraus bei müsste auch klargestellt werden, dass Vor-
Die ersten Angriffe des BSV auf patronale Wohl- fahrtsfonds ihre Leistungen nicht im Voraus und in einem Reglement normiert und für die Begüns- sorgeleistungen und Lohn zweierlei sind und dass
fahrtsfonds begannen vor zirka drei bis vier Jah- für alle Destinatäre einheitlich normieren, son- tigten einklagbar sind. Ausserdem müssten stets die BVG-Aufsichtsbehörden durchaus aktiv dar-
ren. Damals wurden die AHV-Ausgleichskassen dern im Einzelfall und nach Ermessen zuspre- alle Arbeitnehmer gleich behandelt werden. über wachen, dass Wohlfahrtsfonds keine Ar-
angewiesen, im Zuge von Revisionen von den chen. Anstatt anzuerkennen, dass sich das Unge- Was sich BSV und Ständerat von dieser Giess- beitsleistungen entgelten, was viele Politiker zu
Arbeitgebern AHV-Beiträge auf Leistungen aus ahnte im Leben nicht planen lässt und daher flexi- kannen-Gerechtigkeit versprechen, ist schwer denken scheinen. Schliesslich fehlt nur ein Quent-
ble Reaktionen erfordert, wähnt das BSV hinter nachvollziehbar: Werden Fürsorgeleistungen ge- chen Vertrauen in die Schweizer Arbeitgeber, da-
* Die Autorin ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Vischer AG. jeder Ermessensleistung Ungerechtigkeiten und rechter, wenn dem Generaldirektor in jeder mit eine vernünftige Lösung möglich wird.

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