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ARKADIUSZ CHRUDZIMSKI
Für die Entwicklung der Theorie der intentionalen Gegenstände war, wie
gesagt, der Einfluss von Franz Brentano von entscheidender Bedeutung.
Die Stelle, auf die man sich bei jeder Diskussion der intentionalen Gegen-
stände fast automatisch bezieht, ist jene Stelle aus Brentanos Psychologie
vom empirischen Standpunkt (1874), wo er das Phänomen der Intentio-
nalität für die zeitgenössische Philosophie „neu entdeckt“ hat:
Jedes psychische Phänomen ist durch das charakterisiert, was die Scholastiker des
Mittelalters die intentionale (auch wohl mentale) Inexistenz eines Gegenstandes ge-
nannt haben, und was wir, obwohl mit nicht ganz unzweideutigen Ausdrücken, die Be-
ziehung auf einen Inhalt, die Richtung auf ein Objekt (worunter hier nicht eine Realität
zu verstehen ist), oder die immanente Gegenständlichkeit nennen würden. Jedes ent-
hält etwas als Objekt in sich, obwohl nicht jedes in gleicher Weise. In der Vorstellung
ist etwas vorgestellt, in dem Urteile ist etwas anerkannt oder verworfen, in der Liebe
geliebt, in dem Hasse gehaßt, in dem Begehren begehrt usw. [...]
Und somit können wir die psychischen Phänomene definieren, indem wir sagen,
sie seien solche Phänomene, welche intentional einen Gegenstand in sich enthalten.
(Brentano 1874/1924, S. 124 f.)
Brentano spricht hier klar von einem Gegenstand, der jedem intentionalen
Akt „immanent inexistiert“, das ontologische Gewicht dieser Aussage ist
jedoch umstritten. Die Idee der intentionalen Beziehung, die in der Psycho-
logie diese zentrale Stellung genießt, hat nämlich ganz bestimmte aristo-
telisch-scholastische Wurzeln und wurde bereits in Brentanos Dissertation
Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles (1862)
sowie in seiner Habilitationsschrift Die Psychologie von Aristoteles (1867)
als ein ontologisch unproblematisches Werkzeug der Analyse verwendet.
Brentano bedient sich dort der mittelalterlichen Lehre vom ens obiektivum.
Er sagt, dass des gemeinte Objekt eine „objektive Existenz im Geiste” des
Subjekts genießt, wobei diese Redeweise zunächst eine gewisse Suspen-
dierung der ontologischen Verpflichtungen bedeutet. Immer, wenn sich ein
Subjekt intentional bezieht, existiert das Objekt seiner Beziehung objektiv
in seinem Geist. Alles, was nur diese Seinsweise hat, wird aber von
Brentano aus dem Bereich der Ontologie ausgeschlossen. (Vgl. Brentano
1862, S. 37–39) Auch in seinen Vorlesungen zur Metaphysik, die er seit
1867 in Würzburg gehalten hat (Manuskript M 96), betrachtet er die Seins-
weise, die den gedachten Objekten als solchen zukommt, als ontologisch
belanglos.1
Es scheint aber relativ klar zu sein, dass in der Periode nach der Psy-
chologie die intentionale Inexistenz von Brentano doch „ontologisiert“
wurde. Die ontologischen Implikationen der Rede von der intentionalen
Inexistenz werden zu dieser Zeit immer deutlicher und die Seinsweise der
1
Zur mittelalterlichen Lehre vom ens objectivum vgl. Perler 2002, S. 228. Zur Version
dieser Lehre, die beim jungen Brentano zu finden ist, vgl. Chrudzimski 2004, Kap. 3.
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 85
2
Vgl. „1. Vor allem also ist es eine Eigenheit, welche für das Bewusstsein charakte-
ristisch ist, dass es immer und überall [...] eine gewisse Art von Relation zeigt, welche
ein Subjekt zu einem Objekt in Beziehung setzt. Man nennt sie auch ‘intentionale Be-
ziehung’. Zu jedem Bewusstsein gehört wesentlich eine Beziehung.
2. Wie bei jeder Beziehung finden sich daher auch hier zwei Korrelate. Das eine
Korrelat ist der Bewusstseinsakt, das andere das, worauf er gerichtet ist. Sehen und
Gesehenes, Vorstellen und Vorgestelltes, Wollen und Gewolltes, Lieben und Gelieb-
tes, Leugnen und Geleugnetes usw.
Bei diesen Korrelaten zeigt sich [...], dass das eine allein real, das andere dagegen
nichts Reales ist. [...] Der gedachte Mensch hat darum auch keine eigentliche Ursache
und kann nicht eigentlich eine Wirkung üben, sondern, indem der Bewusstseinsakt das
Denken des Menschen gewirkt wird, ist der gedachte Mensch, sein nichtreales Kor-
relat, mit da. Trennbar sind die Korrelate nicht von einander, außer [wenn sie] distink-
tionell [sind].“, Brentano 1982, S. 21.
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3
Vgl. „Nochmals also: Was bezeichnen die Namen? Der Name bezeichnet [i] in ge-
wisser Weise den Inhalt einer Vorstellung als solche[n], den immanenten Gegenstand;
[ii] in gewisser Weise das, was durch [den] Inhalt einer Vorstellung vorgestellt wird.
Das Erste ist die Bedeutung des Namens. Das Zweite ist das, was der Name nennt.
Von dem sagen wir, es komme der Name ihm zu. Es ist das, was, wenn es existiert,
äußerer Gegenstand der Vorstellung ist. Man nennt unter Vermittlung der Bedeutung.
Die alten Logiker sprachen [deswegen] von einer dreifachen Supposition der Namen:
[1] suppositio materialis: vide oben; [2] suppositio simplex: Bedeutung: Mensch ist
eine Spezies, d.i. die Bedeutung des Wortes ‘Mensch’ ist eine Spezies, d.i. der Inhalt
der Vorstellung eines Menschen ist eine Spezies; [3] suppositio realis: das Genannte:
Ein Mensch ist lebendig, ist gelehrt etc.“, Brentano EL 80, S. 34 f.
4
In einer besonders deutlichen Form findet sie sich beim jungen Marty und beim
jungen Meinong. Vgl. dazu Chrudzimski 2001b und Chrudzimski 2005.
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 87
Eigenschaften φ
"modifizierte"
Exemplifikation
"Kodieren"
immanenter Gegenstand x "normale"
Exemplifikation
IMM REPR
a INT b
intentionale Beziehung
Subjekt Objekt
eine passende Referenzentität gibt der nicht. Deswegen wurde der Refe-
renzgegenstand im unserem Schema mit gestrichelten Linien gezeichnet.
Dasselbe betrifft alle Relationen, die entfallen, wenn es keine passende
Referenzentität gibt.
Wenn es in der transzendenten Welt eine Referenzentität (b) gibt, dann
gibt es auch eine Relation der „Repräsentation“ zwischen x und b. Sie
kommt dadurch zustande, dass Eigenschaft φ, die von x in einem modifi-
zierten Sinne exemplifiziert war, von b in einem normalen Sinne exempli-
fiziert wird.
Ein wichtiges Merkmal der Theorie Brentanos ist die These, dass die
immanenten Gegenstände von ihren Subjekten ontologisch abhängig sind.
Das unterscheidet sie von der Theorie Meinongs. Brentano behauptet also,
dass es einen immanenten Gegenstand nur dann geben kann, wenn es ein
Subjekt gibt, das zu diesem Gegenstand in Relation IMM steht. Wir kön-
nen das in der Form eines Prinzips der ontologischen Abhängigkeit fest-
halten:
5
„[J]edermann muss es anerkennen: dass der intentionale Gegenstand der Vorstellung
derselbe ist wie ihr wirklicher und gegebenenfalls ihr äußerer Gegenstand und dass es
widersinnig ist, zwischen beiden zu unterscheiden. [...] Der Gegenstand ist ein ‚bloß
intentionaler’, heißt natürlich nicht: er existiert, jedoch nur in der intentio (somit als
ihr reelles Bestandstück), oder es existiert darin irgendein Schatten von ihm; sondern
es heißt: die Intention, das einen so beschaffenen Gegenstand ‚Meinen’ existiert, aber
nicht der Gegenstand.“, Husserl 1901, S. 439.
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6
Die Idee der adverbialen Theorie verdanken wir C. J. Ducasse. Vgl. „The hypothesis
[...] is that ‘blue’, ‘bitter’, ‘sweet’, etc., are names not of objects of experience, nor of
species of objects of experience, but of species of experience itself. What it means is
perhaps made clearest by saying that to sense blue is then to sense bluely, just as to
dance waltz is to dance ‘waltzily’ (i.e., in the manner called ‘to waltz’) [...].”, Ducasse
1951, S. 259.
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 91
Eigenschaften
ψ φ
Instantiierung
Implikation
VOR
REPR*
Instantiierung
Instantiierung
a REF b
erfolgreiche Referenz
Subjekt Objekt
Subjekt a bezieht sich intentional auf Objekt b. Es stellt Objekt b vor. Das
kommt dadurch zustande, dass das Subjekt eine komplizierte psychische
Eigenschaft hat. Erstens vollzieht es eine Vorstellung (es instantiiert
Eigenschaft VOR) und zweitens ist diese Vorstellung als Vorstellung von b
bestimmt (VOR instantiiert Eigenschaft ψ). Wenn es in der transzendenten
Welt Entität b gibt, die Eigenschaft φ instantiiert, besteht zwischen VOR
und b die Repräsentationsrelation REPR* und Subjekt a steht zu b in der
Relation der erfolgreichen Referenz (REF). Eigenschaft ψ ist also genau
die „adverbiale“ Eigenschaft, die man üblicherweise als „φ-lich“ (bzw. „φ-
ly“) bezeichnet. Was die Implikationspfeile zwischen dem Eigenschafts-
paar ψ und φ und den Relationen REPR* und REF zu bedeuten haben,
werden wir im Folgenden noch enthüllen.
Das Bild, das uns Husserl hier vorschlägt, scheint tatsächlich onto-
logisch einfacher zu sein als das, was wir beim mittleren Brentano vor-
finden. Der springende Punkt ist, dass wir hier keine Akt-abhängigen Enti-
täten haben, die ihre Eigenschaften in irgendeiner nicht-standardmäßigen
Weise exemplifizieren. Es gibt nur normale Eigenschaften und normale
Exemplifizierungen.
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Die Theorie der Logischen Untersuchungen sieht in der Tat sehr elegant
und attraktiv aus. Trotzdem hielt sein Erfinder nicht lange daran fest.
Schon 1908 fühlte sich Husserl in seinen Vorlesungen über Bedeutungs-
lehre gezwungen, die Entitäten, die sehr an Brentanos immanente Ge-
genstände erinnern, zurück ins Boot zu holen. Seine offizielle Begründung
für diesen Schritt lautet, dass uns die phänomenologische Beschreibung der
Sachlage unmissverständlich sagt, dass man in jeder intentionalen Be-
ziehung eine Entität hat, die dem betreffenden Subjekt in einer besonders
direkten Weise quasi „vor Augen“ steht. (Vgl. Husserl 1908, S. 36) Die
adverbialen Modifikationen der psychischen Eigenschaften werden aber in
einer direkten intentionalen Beziehung überhaupt nicht thematisiert. Man
braucht dafür eine auf die eigenen psychischen Akte gerichtete Reflexion,
um sie kognitiv zu erfassen. Das alles scheint dafür zu sprechen, dass ein
adverbialer Ausweg nicht das leisten kann, was er verspricht.
Husserl führt also wieder spezielle Gegenstände ein. In den Vorlesun-
gen über Bedeutungslehre heißen sie „ontische Bedeutungen“ und später,
in Ideen I (Husserl 1913), treten sie unter dem Namen „Noemata“ auf.
Husserl definiert sie als Gegenstände der intentionalen Beziehung genau so
genommen, wie sie in einem psychischen Akt gemeint werden.
Husserl betrachtet es als eine „rein deskriptive“ These, dass man in
jeder intentionalen Beziehung eine Entität braucht, die als Quasi-Ziel der
Intention dem betreffenden Subjekt vor Augen steht. Es scheint aber, dass
sie sich auch auf eine andre Weise theoretisch begründen lässt, was
deshalb wichtig sein könnte, weil viele am privilegierten Status „rein
deskriptiver“ Feststellungen zweifeln.
4. Ein Vergleich
Brentano Adverbialisten
Repräsentierende Entität Immanenter Gegenstand Eigenschaft VOR
Immannezrelation IMM Exemplifizierung
Repräsentationstrelation REPR REPR*
Repräsentierende φ ψ
Eigenschaft
Repräsentierte Eigenschaft φ φ
Die Relation zwischen der Eine modifizierte Normale Exemplifizierung
repräsentierenden Entität Exemplifizierung
und der repräsentierenden
Eigenschaft
Bemerkenswert ist hier zunächst, dass die Rolle, die in Brentanos Theorie
von dem immanenten Gegenstand gespielt wird, im Rahmen der adver-
bialen Theorie durch die mentale Eigenschaft des Vorstellens übernommen
wird. Das sind also die Entitäten, die in beiden Theorien die repräsen-
tierenden Eigenschaften tragen. Hier finden wir auch den ersten zentralen
Unterschied: bei Brentano ist die repräsentierende Eigenschaft genau die-
selbe Eigenschaft wie die, die sie repräsentiert. In beiden Fällen handelt
sich um φ, so dass man sagen kann, dass der immanente Gegenstand durch
die Identität repräsentiert. Bei den Adverbialisten hingegen sind die zwei
Eigenschaften verschieden und sie müssen es auch sein, denn auf einer
Seite handelt es sich um die Eigenschaft eines psychischen Aktes und auf
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Glücklicherweise brauchen wir, die Vor- und Nachteile der beiden Theo-
rien nicht pedantisch abzuwägen um festzustellen, welcher der beiden der
Vorrang gebührt. Denn man kann zeigen, dass eine adverbiale Intentionali-
tätstheorie aus prinzipiellen Gründen versagt. Wir versuchen jetzt, diese
Argumentation zu skizzieren.
Dass die intentionale Beziehung zu einem philosophischen Problem
wird, liegt daran, dass sie keine extensionale Relation ist. Das Kennzeichen
der Nichtextensionalität ist das Scheitern von zwei wichtigen logischen
Regeln: der Regel der existentiellen Generalisierung und der Regel der
wechselseitigen Substituierbarkeit der Glieder einer wahren Identitätsaus-
sage. Weder ist es logisch berechtigt, von dem Satz: „Peter stellt einen
Zentauren vor“ auf die Existenz von etwas, was Peter vorstellt, zu
schließen, noch darf man aus dem Satz „Peter denkt an den Morgenstern“
den Satz „Peter denkt an den Abendstern“ ableiten, obwohl die Identitäts-
aussage „Morgenstern = Abendstern“ wahr ist.
Die Theorien der Intentionalität, die wir besprochen haben, versuchen,
diese logischen Anomalien mit Hilfe ihrer repräsentierenden Entitäten zu
lösen. Was die Regel der existentiellen Generalisierung betrifft, so wird sie
insofern wieder hergestellt, als es berechtigt ist, bei jeder intentionalen
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 95
genau in derselben Weise repräsentieren, was soviel heißt wie, dass sie
genau dieselbe repräsentierte Eigenschaft φ spezifizieren. Der Kürze halber
werden wir sagen, dass zwei repräsentierende Entitäten in einem solchen
Fall intentional äquivalent sind.
Wenn man das logisch anomale Verhalten der Substituierbarkeitsregel
in dieser Weise erklärt, setzt man voraus, dass die entsprechenden reprä-
sentierenden Entitäten für das relevante Subjekt im folgenden Sinne
epistemisch transparent sind: das betreffende Subjekt kann sich bezüglich
ihrer intentionalen Äquivalenz nicht irren. Wäre dies nämlich möglich,
würden sich alle Probleme, die wir bei den transzendenten Referenzgegen-
ständen haben, auch in Bezug auf die immanenten repräsentierenden Enti-
täten wiederholen.
Wie stehen nun die beiden zu vergleichenden Theorien zu diesem
Postulat der epistemischen Transparenz? Die Theorie der immanenten
Gegenstände trägt dem direkt Rechnung. Was dem Subjekt „vor Augen“
steht, ist ja in erster Linie die repräsentierte Eigenschaft φ. Die Ontologie
immanenter Gegenstände erlaubt es zu sagen, dass sie jetzt „direkt da“ ist.
Es wird damit auch deutlich, dass die Brentanosche Immanenzrelation
(IMM) sowohl eine ontologische als auch eine epistemische Immanenz be-
deutet. Ein immanenter Gegenstand ist ontologisch immanent, weil er ein
ontologisch unselbständiges Korrelat des psychischen Aktes ist. Einen psy-
chischen Akt zu vollziehen heißt definitorisch, in Relation IMM zu einem
immanenten Gegenstand zu stehen. Es heißt aber auch, dass diese Gegen-
stände für das betreffende Subjekt epistemisch transparent sind in dem
Sinne, dass es sich bezüglich der intentionalen Äquivalenz solcher imma-
nenter Entitäten nicht irren kann.7
Für einen Adverbialisten ist die Sache viel komplizierter. Einen direk-
ten Zugang zur Eigenschaft φ gibt es bei ihm nicht, denn er will die
Einführung gerade dieser Eigenschaft vermeiden. Der Hauptgedanke der
adverbialen Theorie besteht ja darin, dass wir keine speziellen immanenten
Gegenstände brauchen, die die Eigenschaft φ in irgendeiner speziellen
7
Bei dem historischen Brentano ist es überraschend nicht so. Er nimmt explizit kogni-
tiv unzugängliche Aspekte des immanenten Objekts an. Vgl. dazu Chrudzimski 2001a,
S. 128–134. Wir sind allerdings der Meinung, dass er das nicht tun sollte.
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 97
Weise haben sollen. Alles was wir brauchen, so die Theorie, ist ein psychi-
scher Akt (die Eigenschaft VOR) mit einer adverbialen Modifizierung ψ.
Das genügt aber nicht. Denn wir brauchen auch eine Garantie, dass die
repräsentierende Entität (d.h. die Eigenschaft VOR mit der Modifizierung
ψ) für das Subjekt im geforderten Sinne kognitiv transparent ist. Die
Ontologie der intentionalen Beziehung, die uns ein Adverbialist bietet,
unterstützt diese Annahme nicht. Das Subjekt und die repräsentierende
Entität stehen hier in der Relation einer normalen Exemplifizierung, und
das verrät uns noch nichts über einen privilegierten epistemischen Zugang.
Das ist einer der Punkte, an dem deutlich wird, dass die ontologische
Sparsamkeit der adverbialen Theorie nur vorgegaukelt ist, indem die ge-
heimnisvolle, epistemisch aufgeladene Relation IMM durch eine angeblich
normale Exemplifizierung ersetzt wird. Denn die ganze epistemische Auf-
geladenheit wandert auf diese Weise aus der Relation IMM in die Eigen-
schaft VOR. Wenn VOR wirklich eine Eigenschaft des Subjekts ist, dann
muss sie komplex genug sein, um zu garantieren, dass die Repräsentations-
weise durch die adverbiale Modifikation im gewünschten Sinne episte-
misch transparent ist.
Es gibt einen Weg, wie ein Adverbialist eine solche Erklärung ganz
leicht geben kann. Er müsste nur behaupten, dass eine ψ-modifizierte VOR
zu haben, nichts anders heißt, als in einer IMM-Relation zu einer Entität zu
stehen, die die Eigenschaft φ kodiert. Die ursprüngliche Formulierung der
adverbialen Theorie ist so allgemein, dass sie sich ohne Probleme in jede
beliebige Intentionalitätstheorie umwandeln lässt. Damit verzichtet ein
Adverbialist jedoch auf die Eliminierung der intentionalen Gegenstände,
die das Ziel seiner Theorie sein sollte, wie wir angenommen haben.
Unter dieser Voraussetzung kann ein Adverbialist keine modifizierte
Exemplifizierungsweise annehmen, die es ihm erlauben würde zu sagen,
dass die Eigenschaft φ dem betreffenden Subjekt direkt „vor Augen“ steht.
Kann er dann dem Postulat der epistemischen Transparenz überhaupt noch
Rechnung tragen? Unsere Antwort lautet: „Nein“. Der Grund dafür wird
klar, wenn wir die Relation zwischen den Eigenschaften ψ und φ etwas
genauer unter die Lupe nehmen.
Eine ψ-modifizierte VORstellung zu haben, soll eine hinreichende Be-
dingung dafür sein, dass die intentionale Beziehung zu einem φ-Gegen-
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stand besteht. Das bedeutet, dass, wenn in einer Welt ein Subjekt mit einer
ψ-modifizierten VORstellung und ein φ-Gegenstand existieren, die rele-
vanten Repräsentationsrelationen (REF und REPR*) automatisch entste-
hen. Das ist der Sinn der Implikationspfeile, die in unserem Schema von
dem Eigenschaftspaar ψ und φ zu den Relationen REF und REPR* ver-
laufen.
Relationen, die in ihrem Bestehen bzw. Nicht-Bestehen völlig von den
monadischen Eigenschaften ihrer Glieder abhängen, werden seit Russell
als interne Relationen bezeichnet. Man sagt auch, dass sie auf den monadi-
schen Eigenschaften ihrer Glieder supervenieren. Dass derartige Repräsen-
tationsrelationen in diesem Sinne intern (bzw. supervenient) sein müssen,
ist klar. Auch die Relation REPR in Brentanos Schema ist intern, nur dass
in diesem Fall die Supervenienzbasis besonders „einfach“ ist. Sie besteht
in der Identität der repräsentierenden und repräsentierten Eigenschaft.
Was dem Subjekt der adverbialen Theorie zur Verfügung steht, ist eine
ψ-modifizierte VORstellung. Ist Eigenschaft VOR epistemisch ausrei-
chend aufgeladen, könnte man behaupten, dass das Subjekt einen kognitiv
privilegierten Zugang zur repräsentierenden Eigenschaft ψ hat. Da die
Relation REPR* eine interne Relation ist, ist das vielleicht alles, was das
Subjekt braucht.
Dieser Schein trügt aber. Die adverbialen Eigenschaften höherer Ord-
nung repräsentieren nach der adverbialistischen Auffassung die identifizie-
renden Eigenschaften der Referenzentitäten. In unserem Fall repräsentiert
die Eigenschaft ψ die Eigenschaft φ. Einen derartigen „Repräsentations-
mechanismus“ gibt es aber nur, wenn zwischen den repräsentierenden und
repräsentierten Eigenschaften eine systematische Zuordnung besteht.
Genau das legen Adverbialisten nahe, wenn sie eine adverbiale Eigen-
schaft, die φ repräsentieren als „φ-lich“ bezeichnen.
Wie diese Zuordnung zwischen den repräsentierenden und repräsen-
tierten Eigenschaften in Einzelheiten aussieht, davon haben wir aber keine
Ahnung. Dass man die relevanten Eigenschaftspaaren als „φ-lich“ und „φ“
bezeichnet, suggeriert, dass diese Zuordnung etwas Selbstverständliches
ist. Es ist aber nur ein nächster dialektischer Schachzug, der eine onto-
logische Einfachheit dort vortäuscht, wo sich in Wahrheit die Hauptprob-
leme verbergen. Wir erfahren dadurch nur, dass der Eigenschaft φ des
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 99
φ Eigenschaften
ERF "normale"
direktes Exemplifikation
mentales
Erfassen
a
INT b
intentionale Beziehung
Subjekt Objekt
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 101
Dieses Bild ist tatsächlich viel einfacher als das ursprüngliche Bild der
adverbialen Theorie. Wir behaupten, dass ein Adverbialist alle Gründe hat,
zu dieser Auffassung überzugehen.
Das Chisholmsche Bild ist natürlich auch im Vergleich zur Theorie der
intentionalen Gegenstände viel einfacher, und so stellt sich die Frage, ob es
auch diese Theorie überbietet. Was die Theorie der intentionalen Gegen-
stände im Vergleich zur Chisholmschen Theorie attraktiv machen kann, ist
die Tatsache, dass man in ihrem Rahmen keine „schlicht“ nicht-exempli-
fizierten Eigenschaften einführt. Jede Eigenschaft, mit der man dort han-
tiert, ist entweder „normal“ oder „modifiziert“ exemplifiziert (kodiert). In
diesem Sinne kann man sagen, dass die Theorie der intentionalen Gegen-
stände mit einem weit verstandenen Aristotelismus zu vereinbaren ist,
während die Theorie Chisholms (und, wie wir gesehen haben, auch die
adverbiale Theorie) unausweichlich einen Platonismus in Kauf nimmt.
8
Vgl. Peter Simons „Ingarden and the Ontology of Dependence“, Kapitel 2 in diesem
Band.
102 ARKADIUSZ CHRUDZIMSKI
Ingarden sagt, dass die reinen Qualitäten (Ingardens Terminus für die
platonisch verstandenen Universalien) im Gehalt eines rein intentionalen
Gegenstandes „aktualisiert“ sind, während das Verhältnis der normalen
Exemplifizierung bei ihm „Vereinzelung“ heißt. Wenn einem solchen rein
intentionalen Gegenstand ein reales Zielobjekt in der Welt entspricht, dann
muss dieses Zielobjekt dieselben idealen Qualitäten, die im Gehalt des rein
intentionalen Gegenstandes aktualisiert sind, als seine Eigenschaften exem-
plifizieren. (Ingarden 1964/65, Bd. II, Teil 1, S. 206)
Wir finden hier alle wesentlichen Elemente der Brentanoschen Auffas-
sung: (i) die These der ontologischen Abhängigkeit des intentionalen Ge-
genstandes, (ii) die Unterscheidung zwischen einer normalen und modifi-
zierten Exemplifizierung und (iii) die Identitätstheorie der intentionalen
Repräsentation.
Ingarden trägt übrigens auch dem Postulat der epistemischen Trans-
parenz explizit die Rechnung. Er definiert zunächst eine Art der epistemi-
schen Transzendenz, die für die Dinge der Außenwelt charakteristisch ist:
Transzendenz der Seinsfülle [...] zeichnet einen seinsautonomen Gegenstand dem ihn
vermeinenden Bewusstseinsakt gegenüber aus, weil die Fülle seines Seinsbereiches,
die in der unendlichen Mannigfaltigkeit seiner Eigenschaften und Momente liegt, in
keinem Erkennen seiner einzelnen Eigenschaften, das sich in einem einzelnen Akt
oder in einer endlichen Mannigfaltigkeit solcher Akte vollzieht, erschöpft werden
kann. (Ingarden 1964/65, Bd. II, Teil 1, S. 226)
Es scheint indessen, dass der rein intentionale Gegenstand sich hinsichtlich der
bestimmten Momente seines Gehaltes durch keine Transzendenz der Seinsfülle dem
ihn vermeinenden und ihn konstituierenden Akte gegenüber auszeichnet. Hier findet
eine Adäquation zwischen dem Inhalt des Aktes und der Mannigfaltigkeit der bestim-
mten Eigenschaften und Momente, die in dem Gehalte des zugehörigen intentionalen
Gegenstands auftreten, statt. (Ingarden 1964/65, Bd. II, Teil 1, S. 226)
Es gibt aber einen Aspekt der Ingardenschen Lehre, in dem er von der
Theorie Brentanos deutlich abweicht. Er nimmt nämlich an, dass in einer
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 103
9
Vgl. vor allem Twardowski 1894.
10
Außer wenn wir uns auf unsere eigenen Erlebnisse beziehen.
104 ARKADIUSZ CHRUDZIMSKI
In der Theorie, die sowohl intentionale Gegenstände als auch einen zusätz-
lichen mentalen Inhalt annimmt, werden zwei Probleme systematisch ver-
mischt. Der psychische Inhalt soll derjenige Aspekt eines mentalen Aktes
(d.h. eines mentalen Zustands) sein, der bestimmt, auf welchen inten-
tionalen Gegenstand er sich bezieht. Da aber die intentionalen Gegenstände
in den hier für uns interessanten Theorien11 als ontologisch abhängige
Entitäten interpretiert werden, kann das sowohl eine repräsentative als
auch eine quasi-kausale Rolle bedeuten. In diesem Abschnitt besprechen
wir den repräsentativen Aspekt der Inhaltstheorien. Im nächsten werden
wir uns dem quasi-kausalen Aspekt zuwenden.
Wenn der in einem psychischen Zustand involvierte mentale Inhalt den
intentionalen Gegenstand dieses Zustands in diesem Sinne bestimmt, dann
bestimmt er in erster Linie die Eigenschaften, die dieser Gegenstand
kodiert, denn es sind die kodierten Eigenschaften, die die für die Intentio-
nalität des psychischen Zustands relevante Seite des intentionalen Gegen-
standes konstituieren. Nach dieser Auffassung involviert also jeder psy-
chische Zustand weiterhin eine Beziehung auf einen intentionalen Gegen-
stand, die wir IMM genannt haben. Diese Beziehung verliert aber ihren
bisherigen Status eines primitiven, weiter unerklärbaren Nexus. Denn
durch die Einführung des psychischen Inhalts versuchen wir nichts anderes
11
D.h. beim späten Husserl und Ingarden. Bei Twardowski und Meinong sind die
Gegenstände von den psychischen Akten ontologisch unabhängig.
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 105
Eigenschaften
ψ φ
Instantiierung Instantiierung
Kodierung
Implikation
intentionaler
Gegenstand
VOR
REPR* x
REPR
Instantiierung IMM
a REF b
erfolgreiche Referenz
Subjekt Objekt
einzige wichtige Unterschied besteht darin, dass im Fall der Relation IMM
eine der relevanten Eigenschaften nicht instantiiert sondern kodiert ist.
Was bedeutet das für die Interpretation der Relation IMM im Rahmen
dieser Theorie? Nichts weniger als dass sie ihre zentrale Rolle endgültig
verliert. Sie ist jetzt eine Relation, die automatisch generiert wird, wenn
das Subjekt eine bestimmte Vorstellung hat. Wenn wir uns an die Bespre-
chung der adverbialen Theorie erinnern, wird klar, dass die Rolle, die die
Relation IMM dort gespielt hat, jetzt komplett im Begriff der Vorstellung
steckt.
Unglücklicherweise vererbt aber die so „verbesserte“ Theorie auch alle
Schwierigkeiten der adverbialen Theorie. Wie wir gesehen haben, kann
diese Theorie erst dann funktionieren, wenn man annimmt, dass die Eigen-
schaft φ für das Subjekt „sowieso“ zugänglich ist. Die „Vermittlung“ zwi-
schen dem Subjekt und dem intentionalen Gegenstand, die man durch den
adverbialen Zusatz gewinnt, ist somit völlig überflüssig.
Von der Idee, dass man durch die Einführung des psychischen Inhalts in
der repräsentativen Funktion irgendetwas gewinnen kann, muss man sich
also endgültig verabschieden. Es gibt aber auch eine andere Funktion, die
man dem Inhalt zugebilligt hat, die mit der Idee der ontologischen
Abhängigkeit des intentionalen Gegenstandes zusammenhängt.
Intentionale Gegenstände sind, wie gesagt, ontologisch abhängige Enti-
täten. Es gibt keine frei schwebenden immanenten Gegenstände. Jeder sol-
che Gegenstand braucht ein Subjekt, das zu ihm in der Relation IMM steht.
Es liegt somit der Gedanke nahe, dass ein intentionaler Gegenstand in der
jeweiligen intentionalen Beziehung irgendwie „erzeugt” wird. Wenn man
das einmal so formuliert, dann wird man vielleicht auch auf die Idee
kommen, den Mechanismus dieser Erzeugung erklären zu wollen. Es steht
außer Zweifel, dass die Rede vom „Bestimmen“ des intentionalen Gegen-
standes durch den mentalen Inhalt bei Ingarden auch (und vielleicht sogar
vor allem) diesen quasi-kausalen Beigeschmack hat.
Es ist klar, dass dieser quasi-kausale Aspekt des mentalen Inhalts mit
seiner repräsentativen Funktion prima facie nichts zu tun hat, und da wir
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 107
Eigenschaften [?]
ω ρ φ
Instantiierung Instantiierung
Instantiierung Kodierung
quasi-kausale
Implikation
intentionaler
quasi-kausale x Gegenstand
Beziehung
REPR
IMM
a REF b
erfolgreiche Referenz
Subjekt Objekt
Der Teil, der der Brentanoschen Theorie entspricht, ist uns schon vertraut.
Er befindet sich vorwiegend auf der rechten Seite des Schemas. Wir haben
dort den intentionalen Gegenstand, der die identifizierende Eigenschaft φ
kodiert, die, falls es zu einer erfolgreichen intentionalen Beziehung kom-
men sollte, auch von einem Gegenstand in der transzendenten Welt
108 ARKADIUSZ CHRUDZIMSKI
wird die quasi-kausale Beziehung zwischen dem Subjekt und dem intentio-
nalen Gegenstand einer intentionalen Beziehung zu einer internen Rela-
tion.
Wir haben angenommen, dass diese Beziehung auf den Eigenschaften
superveniert, die sowohl auf der Seite des Subjekts als auch auf der Seite
des intentionalen Gegenstandes instantiiert (und nicht kodiert) sind. Des-
wegen finden wir bei dem immanenten Gegenstand neben der kodierten
Eigenschaft φ auch die instantiierte Eigenschaft ρ. Die quasi-kausale Rela-
tion soll nun (unter der Voraussetzung der quasi-kausalen Gesetze) auf
dem Eigenschaftspaar <ω, ρ> supervenieren.
Die Annahme, dass die quasi-kausale Beziehung ausschließlich auf den
instantiierten Eigenschaften supervenieren darf, finden wir plausibel. Die
kodierten Eigenschaften scheinen von der kausalen Struktur der Welt
ziemlich eindeutig abgekoppelt zu sein. Den Nexus der Kodierung hat man
doch gerade deswegen erfunden, um Eigenschaften einführen zu können,
die vom Kausalnetz der Welt ausgeschlossen bleiben. Es ist gerade der
Hauptgewinn der Theorie der intentionalen Gegenstände, dass man sich
nicht darum kümmern muss, dass eine (bloß kodierte) Schwere eines vor-
gestellten Elefanten vielleicht den Boden strapaziert oder dass die (bloß
kodierte) Laute eines vorgestellten Klavierspiels die Nachbarn weckt. Dass
die bloß kodierten Eigenschaften keine kausalen Kräfte haben, scheint so
gut wie definitorisch festgelegt.
Und dennoch muss man im Rahmen einer quasi-kausalen Inhaltstheorie
um einen Zusammenhang zwischen der kodierten Eigenschaft φ und der
instantiierten Eigenschaft ρ sorgen. Der Grund dafür besteht darin, dass es
uns im Grunde wie immer um die identifizierende Eigenschaft φ geht. Die
Einführung des quasi-kausalen psychischen Inhalts soll uns nicht nur erklä-
ren, warum das Subjekt irgendeinen intentionalen Gegenstand vor seinem
geistigen Auge hat. Sie soll uns vielmehr erklären, warum er vor seinem
geistigen Auge eben diesen bestimmten intentionalen Gegenstand hat; und
„diesen bestimmten“ bedeutet hier: den Gegenstand, der diese bestimmten
Eigenschaften kodiert.
In unserem Schema finden wir deswegen die Relation [?], die zwischen
φ und ρ verläuft. Sie wurde mit dem Fragezeichen versehen, weil ihr onto-
logischer Charakter rätselhaft bleibt. Es ist aber klar, dass das Kodieren
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von φ das Instantiieren von ρ implizieren soll. Die einfachste Lösung dafür
wäre, wenn man die Eigenschaft ρ einfach als die Eigenschaft φ-zu-kodie-
ren betrachten würde. In diesem Fall hätten wir es mit einer logischen
Implikation zu tun.
Wie es auch sein mag, eines steht fest: Letztlich wird auch die identifi-
zierende Eigenschaft φ durch die Eigenschaft ω plus die quasi-kausalen
Gesetze bestimmt. Das heißt aber, dass die Relation IMM, ähnlich wie in
der adverbialen Variante der Inhaltstheorie, im Grunde wegerklärt wird.
Sie wird diesmal durch die quasi-kausale Beziehung ersetzt und es fragt
sich, ob eine solche Beziehung das leisten kann, was man von der Relation
IMM erwartet.
Das erklärt auch, warum in den meisten Theorien, die mentale Inhalte
neben den intentionalen Gegenständen einführen, die quasi-kausalen und
repräsentativen Aspekte des Inhalts systematisch vermisch werden. Wenn
nämlich die Relation IMM ohnehin schon durch die quasi-kausalen Ver-
hältnisse ersetzt zu werden scheint, ist es ein sehr natürlicher Schritt, auch
die repräsentative Funktion in dieses quasi-kausale Verhältnis zu verlegen.
Wir haben aber gesehen, dass das Wegerklären von IMM nicht funktio-
nieren kann. Die Schwierigkeiten, die für diese quasi-kausale Version der
Repräsentationstheorie sofort ins Auge springen, betreffen das Postulat der
epistemischen Transparenz. Eine quasi-kausale Beziehung kann uns viel-
leicht erklären, wie ein intentionaler Gegenstand entsteht, sie garantiert
aber als solche keine epistemisch ausgezeichnete Zugangsweise.
Soviel steht also fest, dass man neben der quasi-kausalen Entstehungs-
geschichte des intentionalen Gegenstandes unbedingt noch die epistemisch
aufgeladene Relation IMM beibehalten muss, durch die das Subjekt den
intentionalen Gegenstand direkt erreicht. Das scheint schon das erste
Warnsignal zu sein, dass man hier vielleicht zu großzügig Entitäten multi-
pliziert. Um diesen Eindruck zu entkräften, müsste man zeigen, dass uns
diese zusätzliche quasi-kausale Beziehung tatsächlich etwas erklärt.
Das scheint nun aber mehr als fraglich. Oben haben wir bereits das
Prinzip der ontologischen Abhängigkeit der intentionalen Gegenstände
(ABH) formuliert. Es besagt, dass es einen Gegenstand x, der eine Eigen-
schaft φ kodiert, genau dann gibt, wenn es einen Gegenstand gibt, der kei-
ne Eigenschaft kodiert und der zu x in der IMM-Relation steht. Liefert eine
INTENTIONALE GEGENSTÄNDE 111
9. Schluss
Wir können jetzt die Ergebnisse unserer Analyse für die Ingardensche
Theorie der intentionalen Gegenstände zusammenfassen. Das erste Resü-
mee ist positiv: Die Einführung von intentionalen Gegenständen ist keine
ontologische Extravaganz. Es spricht vieles dafür, dass eine Intentionali-
tätstheorie erst dann überzeugend funktionieren kann, wenn man zur
identifizierenden Eigenschaft, die wir als φ bezeichnet haben, einen Zu-
gang gewährleistet, der dem Postulat der epistemischen Transparenz Rech-
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nung trägt, und die Einführung intentionaler Gegenstände kann uns hier
vor einem extremen Platonismus bewahren.12 Das zweite Resümee ist
weniger erfreulich. Der mentale Inhalt, den Ingarden zusätzlich einführt,
erweist sich als keine gute Idee. Klug wäre es gewesen, bei der Brenta-
noschen Version ohne den mentalen Inhalt und mit der eindeutig externen
Relation IMM zu bleiben.
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12
Für Ingarden ist dieser Vorteil ohne Bedeutung, denn er huldigt sowieso einem
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