)
Im Schatten der Finanzkrise
Im Schatten
der Finanzkrise
Muss das staatliche
Zentralbankwesen
abgeschafft werden?
OLZOG
ISBN 978-3-7892-8325-3
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
LAWRENCE H. WHITE
Reform der globalen Geldordnung: ein Plädoyer für
ein freies internationales Bankenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . 35
THORSTEN POLLEIT
Freiheit und das Sound Money Principle . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
GEORGE SELGIN
Zentralbanken als Ursache finanzieller Instabilität . . . . . . . 83
Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
1 Vgl. die glänzenden Ausführungen von Wilhelm Kasch, „Geld und Glaube.
Problemaufriß einer defizitären Beziehung“, in ders. (Hg.), Geld und Glaube
(Paderborn: Schöningh, 1979), S. 19–70.
der Geldproduktion. Auch das kann leicht aus dem Blick gera-
ten, denn die Berichterstattung über die Geldpolitik konzen-
triert sich in der Regel auf die Leitzinssätze, die von den jeweiligen
Währungsbehörden (in Europa ist das der Rat der Zentralbank-
chefs des sogenannten Eurosystems) monatlich oder auch in
kürzeren Abständen festgelegt werden. Aber die Zentralbanken
können eben nur darum und nur dadurch die kurzfristigen Zins-
sätze steuern, weil sie die Geldmenge beinahe unbegrenzt erhö-
hen können.
Geldpolitik ist also letztlich eine besondere Art der Geld-
produktion und als solche kann sie mit anderen Arten der
Geldproduktion verglichen werden. Der Vergleich kann unter
rein ökonomischen Gesichtspunkten (Wachstum, Stabilität
u. Ä.) erfolgen, aber auch ethische Kriterien heranziehen. Letz-
teres will ich im Folgenden tun, indem ich die Geldproduk-
tion insbesondere vom Standpunkt der christlichen Ethik be-
leuchte.
Der christliche Standpunkt empfiehlt sich aus drei Gründen:
(1) weil er auf einer sehr langen Denktradition beruht, die viele
wichtige Anstöße zur Entwicklung der Geldtheorie gegeben hat;
(2) weil sich die christliche Argumentation zur Währungsmoral
nicht auf Glaubenssätze stützt, sondern aus Prämissen abgeleitet
wird, die auch für Verfechter einer rein weltlichen Moral an-
nehmbar sind; (3) weil der ausdrücklich religiöse Standpunkt
mich von der Pflicht entbindet, die Allgemeinverbindlichkeit je-
ner Prämissen wissenschaftlich nachzuweisen; mit anderen Wor-
ten: Mir reicht es, sagen zu können, dass diese Prämissen für
Christen verbindlich sind und dass folglich die aus ihnen abge-
leitete Währungsmoral, sofern die Ableitung richtig ist, ebenfalls
für Christen verbindlich ist.
Die christliche Literatur und Tradition hat dem Umgang mit
Geld und Reichtum aus ersichtlichen Gründen große Aufmerk-
samkeit geschenkt. Sie hat sich dagegen mit der Frage der Pro-
duktion von Geld weniger intensiv und systematisch auseinan-
Bis zur Wende vom 17. auf das 18. Jahrhundert kannte der christ-
liche Westen nur Warengeld und insbesondere Münzen aus Edel-
metall. Die karolingische Münzreform des achten Jahrhunderts
hatte ein System von Silbermünzen geschaffen, das auf dem
Pfennig (Denarius) beruhte, der lange Zeit auch die einzige
Münze war, die überhaupt geprägt wurde. Erst im Hochmittel-
alter kam es zur Ausprägung größerer Silbermünzen und die ers-
ten Goldmünzen traten ebenfalls erst dann auf.
So lagen die Dinge auch schon im Altertum. Griechen und
Römer benutzten Warengeld. Dies waren wiederum vor allem
Münzen aus Kupfer, Bronze, Silber und Gold, auch wenn Athen
im Inlandsverkehr mit Zwangsgeld ohne eigentlichen Waren-
wert experimentierte. Die Israeliten verwendeten gleichfalls sol-
ches Warengeld und im Alten Testament werden die moralischen
Grundsätze der Geldproduktion daher auch unzweideutig aus-
gesprochen.
2 Siehe die Einführung meines Werkes Die Ethik der Geldproduktion (Leipzig:
Manuscriptum, 2007), insbesondere Abschnitt 1.
3 „An Erzes Statt will ich dir Gold bescheren und statt des Eisens Silber, Erz statt
der Hölzer, statt der Steine Eisen. Ich setze als Regierung dir den Frieden ein,
als deinen Obern die Gerechtigkeit.“ (Isaias 60: 17)
4 „Ihr sollt keine Verdrehung beim Rechtsprechen, beim Längenmaß, Gewicht
und Gefäß machen! Richtige Waage, richtige Gewichtssteine, richtiger Scheffel
und richtige Kanne sollen bei euch sein. Ich, der Herr, bin euer Gott, der euch
aus Ägypterland geführt hat.“ (Levitikus 19: 35–36)
„In deiner Tasche sollst du nicht zweierlei Gewichtssteine tragen, einen grö-
ßeren und einen kleineren! Nur volles und richtiges Gewicht sollst du haben,
vollen und richtigen Scheffel, auf dass du lange lebst in dem Land, das dir der
Herr, dein Gott, gibt! Denn ein Greuel für den Herrn, deinen Gott, ist jeder,
der solches tut und solche Unredlichkeit verübt.“ (Deuteronomium 25: 13–
16)
„Zweifach Gewicht und zweifach Maß, sie beide sind dem Herrn ein Greuel.
[…] Ein Greuel für den Herrn ist zweierlei Gewicht; nichts nützt die falsche
Waage.“ (Sprüche 20: 10,23)
5 „Dein Silber ward zur Schlacke, dein Trunk verwässert. Abtrünnige sind deine
Fürsten, Diebsgesellen, verliebt ist alles in Bestechung und auf der Jagd nach
Entgelt. Den Waisen schaffen sie nicht Recht; der Witwen Klagen dringen
nicht vor sie. Deshalb, so lautet jetzt ein Spruch des Herrn der Heeresscharen,
des Starken Israels: – ‚Ein Wehe, wenn ich meine Gegner rüge und mich an
meinen Feinden räche! Mit dir befasse ich mich gründlich und schmelze deine
Schlacken wie mit Lauge aus, entferne alle deine Bleiklumpen.‘“ (Isaias 1:22–
25)
nung „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was
Gott gehört!“ (Matt. 22: 21). Diese Stelle wird in Bezug auf mein
Thema zuweilen dahin gehend interpretiert, dass der Geldpro-
duzent (in der Praxis ist das in der Regel die Regierung bzw. der
Staat) ein dauerhaftes Eigentumsrecht an seinen Münzen behält,
auch nachdem diese in den Verkehr gelangen. Jedoch ist diese
Interpretation umstritten und wurde im Verlauf der Jahrhun-
derte von vielen christlichen Ökonomen aus guten Gründen ver-
worfen.
6 Siehe Fabian Wittreck, Geld als Instrument der Gerechtigkeit – die Geldrechts-
lehre des Hl. Thomas von Aquin in ihrem interkulturellen Kontext (Paderborn:
Schöningh, 2002).
mit Fug und Recht als Urvater des Postulats der Geldwertstabili-
sierung gelten. Doch er fand nie die Zeit, seine geldtheoretischen
Überlegungen zu einer geschlossenen Darstellung zu bringen.
Auch in seinem wichtigen Werk über die Regierungskunst De rege
ad regem Cypri (Über das Königtum an den König von Zypern,
ca. 1256) ist er nicht zur Behandlung dieser Fragen vorgedrun-
gen. Erst eine posthume „Nachbearbeitung“ durch Tholomäus
von Lucca fügte dem Text des Hl. Thomas einige Kapitel hinzu, in
denen u. a. auch währungspolitische Fragen erörtert werden. Die-
ser erweiterte Text erhielt den neuen Titel De regimine principum
(Über die Herrschaft der Fürsten, ca. 1300) und wurde lange Zeit
irrtümlich dem Hl. Thomas in Gänze zugeschrieben.
Der wichtigste geldtheoretische Denker des Mittelalters war
jedoch Nicolas von Oresme, seines Zeichens nicht nur ein hoch-
rangiger kirchlicher Würdenträger (er war Bischof von Lisieux
und Beichtvater des französischen Königs), sondern auch ein
wissenschaftliches Genie mit bahnbrechenden Arbeiten zur Ma-
thematik, zur Physik und eben zur Geldlehre. Um das Jahr 1358
verfasste Oresme seinen Tractatus de origine, natura, jure, et mu-
tacionibus monetarum (Abhandlung über den Ursprung, das
Wesen, das Recht und die Veränderungen der Währungen).7 Es
handelt sich dabei um eine systematische Abhandlung über Geld
und Geldproduktion. Oresmes Schrift gilt als erstes Werk der
Geistesgeschichte, das sich ausschließlich mit einem ökonomi-
schen Thema befasste. Auch wenn er hier keine im engeren Sinne
ökonomische Beweisführung vorlegt, kann er somit durchaus als
Begründer dieses Wissenszweiges angesehen werden.
Oresme konzentrierte sich insbesondere auf die „Veränderun-
8 Siehe wiederum die Einführung meines Werkes Die Ethik der Geldproduktion
(Leipzig: Manuscriptum, 2007), diesmal insbesondere den Abschnitt 2.
den hier die Spätscholastiker der Schule von Salamanca einen Be-
zugsrahmen, innerhalb dessen sie die im 16. und 17. Jahrhundert
aufkommenden Finanzindustrien vom christlichen Standpunkt
untersuchten. Selbst im Zuge der zunehmenden Verweltlichung
des nationalökonomischen Denkens lebten die von Oresme ent-
wickelten Grundsätze fort. Nicht zuletzt die von Adam Smith in-
spirierte klassische Ökonomie lehnt sich vor allem gegen den
bereits von Oresme verworfenen Glauben auf, dass sich das Ge-
meinwohl durch eine künstliche Ausweitung der Geldmenge för-
dern ließe. Auch in unseren Tagen wird dieser gleiche Gedanke
noch von der Österreichischen Schule wachgehalten.
Das christliche Denken zum Warengeld kann allerdings nicht
ohne Weiteres auf heutige Verhältnisse übertragen werden. Zwar
sind seine allgemeinen moralischen Grundsätze weiterhin zu-
treffend, aber die veränderten institutionellen Gegebenheiten er-
fordern eine Verschiebung in der Anwendung: von der Ebene der
Geldgegenstände zur Ebene der Regeln der Geldproduktion.
Dies will ich nun etwas näher erläutern.
12 Dieser Vorgang ist in der ökonomischen Literatur als das „Gresham’sche Ge-
setz“ bekannt. Ich betone nochmals, dass es sich dabei nicht um eine allge-
meine Gesetzmäßigkeit der Währungsmärkte handelt. Vielmehr ist dies ein
Gesetz des staatlichen Interventionismus.
14 Siehe insbesondere Ludwig von Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufs-
mittel (Neudruck der 2. Aufl., Berlin: Duncker & Humblot, 2005 [1924]); ders.,
Nationalökonomie (München: Philosophia Verlag, 1980 [1940]); ders., Human
Action (Auburn, Ala.: Mises Institute, 1998 [1949]); Murray N. Rothbard,
Man, Economy, and State (3. Aufl., Auburn, Ala.: Mises Institute, 1993); ders.,
The Mystery of Banking (New York: Richardson & Snyder, 1983); ders., The
Case Against the Fed (Auburn, Ala.: Mises Institute, 1994); F.A. Hayek, Free
Choice in Currency (London: Institute of Economic Affairs, 1976); Hans
Sennholz, Age of Inflation (Belmont, Mass.: Western Islands, 1979); ders.,
Money and Freedom (Spring Mills, Penn.: Libertarian Press, 1985); Salin, La
vérité sur la monnaie (Paris: Odile Jacob, 1990); Reisman, Capitalism (Ottawa,
Illinois: Jameson Books, 1996); Jesús Huerta de Soto, Money, Bank Credit, and
Economic Cycles (Auburn, Ala.: Mises Institute, 2006); H.-H. Hoppe, „How Is
Fiat Money Possible?– or, The Devolution of Money and Credit“, Review of
Austrian Economics, Bd. 7, Nr. 2 (1994); H.-H. Hoppe, J.G. Hülsmann, and W.
Block, „Against Fiduciary Media“, Quarterly Journal of Austrian Economics,
Bd. 1, Nr. 1 (1998), S. 19–50; J.G. Hülsmann, Logik der Währungskonkurrenz
(Essen: Management Akademie Verlag, 1996); sowie die Sonderausgabe über
„Deflation and Monetary Policy“ in Quarterly Journal of Austrian Economics,
Bd. 6. Nr. 4 (2003).
15 Vgl. Hülsmann, Die Ethik der Geldproduktion, Kap. 4.
Wie gesagt, diese Zeilen sind nicht der Ort, um die vorstehenden
Thesen zu beweisen. Ich will daher umgekehrt zur Beweislage
der Gegenposition – derzufolge sich aus der Verwendung von
immateriellem Zwangsgeld gesamtwirtschaftliche Vorteile zie-
hen lassen – zwei kurze Anmerkungen machen.
Zum einen leiden die einschlägigen theoretischen Beweise der
Gegenposition in fast allen Fällen darunter, dass sie ein mögliches
Szenario in unzulässiger Weise verallgemeinern. Das klassische
Beispiel ist die sogenannte Geldillusion der Arbeitnehmer. Diese
liegt dann vor, wenn die Beschäftigten durch eine (mit der No-
tenpresse finanzierte) Erhöhung der Geldeinkommen dazu er-
muntert werden, mehr Stunden zu arbeiten bzw. überhaupt zu
arbeiten, statt arbeitslos zu bleiben. Die positive Wirkung der
Notenpresse auf Beschäftigung und Wachstum entspringt hier
dem Umstand, dass die Beschäftigten Geldeinkommen und
Realeinkommen nicht auseinanderhalten. Das ist in der Tat ein
mögliches Ereignis, aber aus offensichtlichen Gründen – jeder
lokale Gewerkschaftsfunktionär absolvierte bereits seinen volks-
wirtschaftlichen Grundkurs – sollte man keine Wirtschaftspoli-
tik auf die Geldillusion bauen. Denn wenn sie nicht vorliegt,
kann die Betätigung der Notenpresse auch sehr schnell zum
umgekehrten Ergebnis führen: höhere Arbeitslosigkeit und so-
mit geringeres Wachstum.
Zum anderen fehlt jeglicher empirische Beweis für irgendwel-
che gesamtwirtschaftlichen Vorteile des immateriellen Zwangs-
geldes. Die Europäische Zentralbank und ähnliche Institutionen
haben zahlreiche Studien veröffentlicht, in denen die „Wirksam-
3. Schlussbemerkung
Literatur
1. Einleitung
„Das Entstehen der heutigen Krise und ihr Übergreifen auf die ge-
samte Welt stellen uns vor eine alte aber immer noch unbeantwortete
Frage: welche Art von internationaler Währungsreserve brauchen
wir, um globale finanzielle Stabilität zu gewährleisten und das Welt-
wirtschaftswachstum zu lenken? … Obige Frage, … wie die weiter an-
dauernde Finanzkrise zeigt, ist noch lange nicht beantwortet und hat
aufgrund der damit verbundenen Schwäche des aktuellen internatio-
nalen Geldsystems an Schärfe gewonnen.
Theoretisch sollte eine internationale Währungsreserve zunächst an
eine feste Größe gekoppelt sein und nach klaren Regeln ausgegeben
werden, um eine ordnungsgemäße Versorgung zu gewährleisten. Des
Weiteren sollte die Versorgung flexibel genug gestaltet werden können,
um rechtzeitige Anpassungen an die sich verändernde Nachfrage zu er-
möglichen. Drittens sollten solche Anpassungen losgelöst sein von den
wirtschaftlichen Bedingungen und Souveränitätsinteressen einzelner
Länder. … Das angestrebte Ziel der Reform des internationalen Geld-
systems ist daher die Schaffung einer internationalen Reservewährung,
die von Einzelstaaten losgelöst ist und auf lange Sicht stabil bleibt und
somit die bestehenden Fehlbeträge, die durch die kreditgestützten na-
tionalen Währungen verursacht wurden, ausgleichen kann.“1
Der Autor ist nicht etwa ein bekannter klassischer liberaler Wirt-
schaftswissenschaftler, sondern erstaunlicherweise ein Zentral-
banker, nämlich Zhou Xiaochuan, Leiter von Chinas Zentralbank,
in einer Stellungnahme mit dem Titel „Reform des Internatio-
nalen Geldsystems“. Die Unterstützung für eine grundlegende
Reform der internationalen Geldpolitik wird offenkundig im-
mer stärker. Natürlich ist die Schlüsselfrage: In welche Richtung
soll die Reform gehen?
Klassische Liberale können den drei Wunschkriterien für eine
globale Reservewährung von Zhou nur zustimmen: (1) Der Wert
sollte verankert sein, (2) die Menge sollte automatisch auf Verän-
derungen der Nachfrage auf dem Markt reagieren, um Stabilität
der realen Geldmenge zu gewährleisten, (3) die Menge sollte nicht
von nationalen Regierungen verändert werden können. Offen-
bar unbeabsichtigt hat Zhou hier drei Hauptmerkmale der klas-
sischen Goldwährung beschrieben.
Im Rest seiner Stellungnahme schlägt Zhou dann leider Maß-
nahmen vor, die nie zu den gewünschten Zielen führen würden.
Er ist der Meinung, dass ein stärkerer IWF eine entsprechende
Reservewährung herausgeben könnte, deren Sonderziehungs-
rechte neu denominiert werden. Ein solcher Vorschlag lässt
einige einfache grundlegende Tatsachen außer Acht. (1) Im Ge-
gensatz zu Gold sind die Sonderziehungsrechte des IWF an
nichts weiter als an eine Palette von nicht gekoppeltem nationa-
lem immateriellem Zwangsgeld gebunden (was Zhou als kredit-
gestützte nationale Währungen bezeichnet; eine unpassende
Bezeichnung, wenn man bedenkt, dass ihre Herausgabe auf im-
materielles Zwangsgeld und nicht auf Kredit im herkömmlichen
Sinne basiert). Wenn die Sonderziehungsrechte ihre eigene Ein-
heit von immateriellem Zwangsgeld wären, wären sie nicht ge-
bunden. (2) Im Gegensatz zu der Menge an Währungsgold wird
die Menge der Sonderziehungsrechte in jeglicher Form nicht von
Marktkräften gesteuert, die sie automatisch an die Nachfrage auf
dem Markt anpassen. (3) Im Gegensatz zu konkurrierenden Pri-
2. Liberale Währungsreform
3 Nicolas von Oresme, „De Moneta (Of Currency)“, [c. 1355], translated by
Charles Johnson, in Lawrence H. White, ed., The History of Gold and Silver
(London: Pickering and Chatto, 2000), vol. 1; David Hume, „Of the Balance of
Trade“, in Essays, Moral, Political, and Literary, ed. Eugene F. Miller (Indiana-
Wir sollten jedoch nicht außer Acht lassen, dass viele führende
Liberale der vorigen Jahrhunderte ihre Prinzipien nicht konse-
quent auf Geld anwandten. David Ricardo war für die Nationali-
sierung der Münzprägung und der Ausgabe von Banknoten sowie
für die zwangsweise Ersetzung von rückkaufbaren Papiernoten
durch Münzen für alle Zahlungen, ausgenommen sehr große
Summen. John Cobden, der Anhänger des Freihandels, unter-
stützte die Nationalisierung der Banknotenausgabe. Nach dem
Zweiten Weltkrieg schlossen die meisten Ordoliberalen und die
Monetaristen, angeführt von Walter Eucken und Milton Fried-
man, Frieden mit dem Zentralbankensystem und immateriellem
Zwangsgeld. Eine Ausnahme war Wilhelm Röpke, ein Ordolibe-
raler, der hartnäckig die Goldwährung verteidigte. Es muss au-
ßerdem festgestellt werden, dass Friedman sich der Idee des
freien Bankenwesens und der Abschaffung der Zentralbanken
um 1984 zuwandte. Der sonst radikale Theoretiker freier Märkte,
Murray Rothbard, bevorzugte erstaunlicherweise die Auferlegung
einer 100-prozentigen Mindestreserve mit einem Verbot für ka-
pitalistische Aktionen bei beiderseitigem Einvernehmen zwi-
schen Erwachsenen, die diese Regel umgehen wollen.4
polis: Liberty Fund, 1987); Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes
of the Wealth of Nations, ed. R. H. Campbell, A. S. Skinner, and W. B. Todd. (Ox-
ford: Oxford University Press, 1976); Vera Smith, The Rationale of Central
Banking [1936] (Indianapolis: Liberty Fund, 1990); Thomas Hodgskin, Popu-
lar Political Economy (London: Charles Tait, 1827); Herbert Spencer, „State-
Tamperings with Money and Banks“, in Essays Scientific, Political and Specu-
lative, vol. 3 (London: Williams and Norgate, 1891); Ludwig von Mises, The
Theory of Money and Credit [1912] (Indianapolis: Liberty Fund, 1980); Mises,
Human Action, 3rd ed. (Chicago: Henry Regnery, 1966); F. A. Hayek, Choice in
Currency (London: Institute of Economic Affairs, 1976); Hayek, Denationa-
lisation of Money, 2nd ed. (London: Institute of Economic Affairs, 1978).
4 David Ricardo, „Plan for the Establishment of a National Bank“ [1824] in The
Works and Correspondence of David Ricardo, ed. Piero Sraffa with the Colla-
boration of M. H. Dobb (Indianapolis: Liberty Fund, 2005), vol. 4, Pamphlets
and Papers 1815–1823; Richard Cobden in 1840 Parliamentary testimony
cited by Lawrence H. White, Free Banking in Britain, 2nd ed. (London: Institute
of Economic Affairs, 1995), S. 84; Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschafts-
politik (Tübingen: J. C. B. Mohr, 1952); Milton Friedman, A Program for
Monetary Stability (New York: Fordham University Press, 1960); Friedman,
„Monetary Policy for the 1980s“ in John H. Moore, ed., To Promote Prosperity
(Stanford: Hoover Institution Press, 1984); Murray N. Rothbard, „The Case
for a 100 Percent Gold Dollar“ in Leland Yeager, ed., In Search of a Monetary
Constitution (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1962).
3. Grundlegende Reform
6 Für detaillierte Informationen, wie Angebot und Nachfrage auf den Goldfluss
und -bestand wirken, siehe Lawrence H. White, The Theory of Monetary Insti-
tutions (Oxford: Basil Blackwell, 1999), Kapitel 2.
7 Hugh Rockoff, „Some Evidence on the Real Price of Gold, Its Cost of Produc-
tion, and Commodity Prices“, in Michael D. Bordo and Anna Jacobson
Schwartz, eds., A Retrospective on the Classical Gold Standard, 1821–1931
(Chicago: University of Chicago Press, 1983); Arthur J. Rolnick and Warren
E. Weber, „Money, Inflation, and Output under Fiat and Commodity Stan-
dards“, Journal of Political Economy 105 (December 1997), S. 1308–1321.
8 George A. Selgin, „Legal Restrictions, Financial Weakening, and the Lender of
Last Resort“, Cato Journal 9 (Fall 1989), S. 429–459.
„Die logische Wahl läge wohl zwischen einem System von ‚freien Ban-
ken‘ einerseits, in dem alle Banken nicht nur das Recht haben, Noten
auszugeben, während sie gleichzeitig auf ihre eigenen Reserven ange-
19 Lawrence H. White, „Will the Gold in Fort Knox Be Enough?“, in Prospects for
a Resumption of the Gold Standard: Proceedings of the E. C. Harwood Memorial
Conference [Economic Education Bulletin vol. 44, no. 9] (Great Barrington,
MA: American Institute for Economic Research, 2004), S. 23–32.
20 Polleit, op. cit.
21 Die zwei folgenden Kapitel basieren auf Lawrence H. White, „Monetary
Nationalism Reconsidered“, in Kevin Dowd and Richard H. Timberlake,
eds., Money and the Nation-State (New York: Transaction Publishers, 1998),
S. 377–401.
wiesen sind, und das ihnen aber auch ermöglicht, ihren Arbeitsbereich
und ihre Korrespondenzbanken unabhängig von nationalen Grenzen
auszuwählen, oder einer Zentralbank auf der anderen Seite.“22
9. Stabilität
28 George A. Selgin and Lawrence H. White, „How Would the Invisible Hand
Handle Money?“, Journal of Economic Literature 32 (December 1994),
S. 1718–1749. Siehe auch George A. Selgin, The Theory of Free Banking: Money
Supply Under Competitive Note Issue (Totowa, N. J.: Rowman and Littlefield,
1988).
titut ist vertraglich gebunden (und ohnehin sehr auf seinen Ruf
bedacht), eine Goldrückzahlung zum vertraglich vereinbarten
Kurs zu gewähren. Abwertung ohne negative Konsequenzen ist für
das Kreditinstitut keine Option, im Gegensatz zu den Zentral-
banken. Somit verschwindet die Begründung für die Existenz des
IWF. Die klassische Goldwährung hat sich auch ohne ihn geregelt.
Selbst in einer Welt der immateriellen Zwangswährungen ver-
schwindet der Sinn des IWF, wenn Länder nur klar frei schwan-
kende Wechselkurse annehmen oder sich mit einer externen
Währung zusammenlegen (Dollarisierung und Euroisierung).
Literatur
1. Einleitung
Mises’ Arbeiten zeigen, dass gutes Geld ein Geld ist, das durch
den freien, ungehinderten Marktprozess bereitgestellt wird. Denn
nur freies Marktgeld fügt sich nahtlos in eine freiheitliche, d. h.
kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ein, die
sich durch den unbedingten Respekt vor dem Privateigentum
der Individuen auszeichnet, das wiederum für alle Beteiligten
vorteilhafte Markttransaktionen sichert.
Staatliches Monopolgeld läuft den Prinzipien der freiheitli-
chen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht nur zuwider,
es untergräbt sie vielmehr; Staatsgeld und eine freiheitliche Ge-
sellschaftsordnung sind unvereinbar.3 Die Geldproduktion ist
abgekoppelt von den Transaktionen, die in einem Marktsystem
den Wohlstand vermehren: Dies sind Landnahme (Homestead-
3 In seiner Schrift „What has Government done to our Money?“ aus dem Jahre
1963 machte Rothbard deutlich, dass das heutige staatliche Fiat-Geldsystem
nur durch einen staatlichen Enteignungsakt der Goldbesitzer etabliert werden
konnte; diese Konklusion folgt aus Mises’ Regressionstheorem. An dieser Stelle
ist anzumerken, dass bereits Carl Menger (1840–1921) eine (logisch-histo-
rische) theoretische Erklärung des Entstehens des Geldes entwickelte. Danach
hat sich Geld spontan aus dem freien Marktgeschehen herausgebildet. Dem-
jenigen Gut, das am vergleichsweise besten die Tauschmittelfunktion erfüllt,
wurde die Geldfunktion zugewiesen. Mises zeigte dann im Zuge seines Re-
gressionstheorems im Jahre 1912 logisch auf, dass Geld aus einem Sachgut mit
intrinsischem Wert entstanden sein muss.
räumen der Welt Fuß gefasst hat, könnte also nicht weiter von
Mises’ Sound Money Principle entfernt sein: Überall halten staat-
liche Zentralbanken das Monopol über die Geldmenge. Geld
wird durch die Kreditgewährung der Geschäftsbanken aus dem
Nichts „geschöpft“. Die Bedeutung dieses Geldsystems für Wirt-
schafts- und Finanzkrisen soll nun skizziert werden.
8 Für die Erklärung des Zinses aus Sicht der Österreichischen Schule siehe z. B.
Rothbard (2004), Part 6, Production: The Rate of Interest and Its Determina-
tion, S. 313–386.
9 Siehe in diesem Zusammenhang auch z. B. Garrison (2004).
Eine solche Geldpolitik löst jedoch nicht etwa die von ihr ver-
ursachte Fehlentwicklung, sondern kann allenfalls ihre Bereini-
gung in die Zukunft verlagern; die durch zusätzliches Geld ange-
heizte Scheinblüte wird quasi abgelöst von einer neuen monetär
verursachten Scheinblüte. Das fortwährende Aufschieben der
Bereinigungsrezession kann dann jedoch den Korrekturbedarf
so weit vergrößern, dass das Kredit- und Geldsystem letztlich zu-
sammenbricht, weil die Gesamtverschuldung der Volkswirt-
schaften relativ zum Einkommen im Zeitablauf immer weiter
anwächst und zu einer nicht mehr tragbaren Schuldenlast führt.
Wie aber sähe der Kredit- und Geldangebotsprozess aus in
einem System des freien Marktgeldes? Könnten die wirtschaft-
lichen Störungen, die das Staatsgeldsystem verursacht, und seine
interventionistischen Konsequenzen verhindert werden? Diese
Fragen sollen im nun folgenden Teil adressiert werden, der die
Funktionsweise des Bankgeschäfts in einem System des Free
Banking illustriert.
Ein freies Marktgeldsystem liefe auf ein System des Free Banking
hinaus: Den Marktakteuren stünde es frei, das Geld(-Medium)
zu wählen und jederzeit und ungehindert in das Einlagen- und
Kreditvergabegeschäft ein- und auszutreten.10 Im Free Banking
Abb. 1 Einlagegeschäft
Geldlagerhaus
Lager: Gold (Unzen) + 100
(Geldlagerhaus-Schein + 100)
Geldlagerhaus
Lager: Gold (Unzen) + 100
(Geldlagerhaus-Schein + 100)
Geldlagerhaus
Lager: Gold (Unzen) + 100
(Geldlagerhaus-Schein + 100)
13 Hoppe, Hülsmann und Block (1998). An dieser Stelle sei lediglich darauf
hingewiesen, dass die Diskussion über die Frage, ob eine Teilreserve von we-
niger als 100 Prozent möglich ist/sein darf, nach wie vor nicht abgeschlossen
scheint. Während z. B. Hoppe, Hülsmann und Block (1998) und Hülsmann
(2003) für eine 100-prozentige Reservehaltung eintreten, stehen ihnen Selgin
und White (siehe hierzu z. B. Selgin [1987, 1988], Selgin and White [1996],
White [1993], White [1992], White [1989]) gegenüber mit Forderungen nach
einer weniger als 100-prozentigen Teilreserve.
17 So jüngst auch die Forderung von Reismann (2008); siehe auch ders. (1998),
S. 954 ff.
Literatur
1 Auf der Website der Bank von Frankreich heißt es beispielsweise, dass Napo-
leon sie gegründet hat, „um nach der schweren Rezession der Revolutionszeit
neues Wirtschaftswachstum zu schaffen“. Zu den Ursprüngen der Zentral-
banken in Westeuropa und den Vereinigten Staaten siehe Smith (1936).
lichen Banken selbst die Ursache für Instabilität waren und dass
ihr viel gepriesenes stabilisierendes Potenzial im Grunde nicht
viel mehr als ein Potenzial der Selbstdisziplin war, dazu auch
noch ein recht begrenztes.
3 Für weitere Informationen siehe Selgin (1988, S. 37–85), Selgin (1994) und
Selgin (2001). Letzteres geht gerade auf die Möglichkeit einer koordinierten
Überexpansion ein.
Zahlungen RS RD
(MV)*
Reserven
4. Zentralbanken: Kredit-Rattenfänger
4 Die gedankenlose Ausweitung des Peel’s Act auf Schottland 1845 löste dort
einen Prozess der Währungszentralisierung aus, der immer noch andauert.
Zum schottischen freien Bankensystem in seiner Blütezeit siehe White (2009).
„Ich weiß, dass gesagt werden wird, dass ich in diesem Buch eine
schwere Krankheit aufgezeigt habe, aber nur ein oberflächliches Heil-
mittel. Ich habe sehr darauf beharrt, dass das natürliche Bankensys-
tem eines ist, in dem viele Banken ihre eigene Reserve halten (d. h.
Hartgeld) und mit Zahlungsunfähigkeit bestraft werden, sollten sie
sich nicht daran halten. Ich habe gezeigt, dass unser System aus einer
einzigen Bank besteht, die mit ihrer gesamten Reserve nicht der Ge-
fahr der effektiven Zahlungsunfähigkeit unterliegt. Und dennoch
schlage ich vor, dieses System beizubehalten und mache nur den Ver-
such, es zu kurieren und zu verbessern.
Ich kann darauf nur antworten, dass ich für die Erhaltung dieses
Systems bin, weil ich mir sehr sicher bin, dass der Vorschlag, es zu ver-
ändern, keinen Sinn hätte. Genauso gut könnten Sie versuchen, die
englische Monarchie abzuschaffen und durch eine Republik zu er-
setzen.“5
Heute scheint es in der Tat so, als ob der Vorschlag, die englische
Monarchie abzuschaffen, auf weit weniger Widerstand stoßen
würde als die Abschaffung des Monopols der Bank of England für
Papierwährung!
Trotz Bagehots deutlicher Ablehnung der Bank of England hat
die Nachwelt es geschafft, ihn nicht als einen Gegner des Zentral-
bankenwesens darzustellen, sondern eher als einen seiner Ho-
henpriester – wenn er von diesem Schicksal wüsste, würde er sich
sicher dreimal im Grabe umdrehen. Und so wurde Generationen
von monetären Wirtschaftswissenschaftlern – meiner Ansicht
nach fälschlicherweise – gelehrt, dass Zentralbanken unabding-
bar für Stabilität auf den Finanzmärkten sind. Trotzdem haben
die mittlerweile hofierten Zentralbanker selbst dem Mann, der
ihr (zugegebenerweise unfreiwilliger) Vorreiter war, wenig Ge-
nüge getan und seine Letzte-Instanz-Regel für die Kreditvergabe
hauptsächlich nur auf Überschreitungen angewandt.
Abb. 2: Nationale (linke Skala) und kanadische (rechte Skala) in Umlauf be-
findliche Banknoten, 1880 bis 1900.
= USA
350 000 = Kanada
50 000
300 000
40 000
250 000
150 000
20 000
100 000
10 000
50 000
0 0
Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan
1880 1882 1884 1886 1888 1890 1892 1894 1896 1898
Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan
1881 1883 1885 1887 1889 1891 1893 1895 1897 1899
9 Redish 1993.
Literatur
Bagehot, W.: Lombard Street: A Description of the Money Mar-
ket, London 1873: Henry S. King.
Breckenridge, R. M.: The Banking System of Canada 1817–1890,
New York 1895.
Redish, A.: Anchors Aweigh: The Transition from Commodity
Money to Fiat Money in Western Economies, 1993.
Selgin, G.: The Theory of Free Banking: Money Supply under
Competitive Note Issue, Totowa, NJ 1988.
Selgin, G.: Free Banking and Monetary Control, The Economic
Journal 104 (427), 1994, 1449–1459.
Selgin, G.: In-Concert Overexpansion and the Precautionary
Demand for Bank Reserves, Journal of Money, Credit, and
Banking, 2001.
Smith, V.: The Rationale of Central Banking, London 1936.
White, L. H.: Free Banking in Britain: Theory, Experience and
Debate 1800–1845, 2nd ed., London 2009.
1. Einleitung
1 Hayek (1929) und Minsky (1986) stellen auf ähnliche Gesetzmäßigkeiten zur
Entstehung von Finanzmarktkrisen ab. Wenngleich beide Ansätze als monetäre
Überinvestitionstheorien bezeichnet werden dürfen, unterscheiden sie sich hin-
sichtlich des zu erwartenden Verlaufs der Krise. Zudem folgern Hayek und Min-
sky gegensätzliche Implikationen für die Politik. Siehe hierzu Schnyder (2002).
2 Die Rede ist von der Geldmenge, die die Kreditaggregate der Banken einschließt.
6 Nominalzins
Inflation
5
4
Prozent
0
Dez 99 Jun 00 Dez 00 Jun 01 Dez 01 Jun 02 Dez 02 Jun 03 Dez 03 Jun 04 Dez 04
11
10
9
Prozent
5
1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006
1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005
12 Osman 2007.
250
Internetblase platzt
200
150
100
50
0
Jan 90 Jan 92 Jan 94 Jan 96 Jan 98 Jan 00 Jan 02 Jan 04 Jan 06 Jan 08
3.1 Ostasien
Viele der ostasiatischen Zentralbanken (insbesondere China)
koppelten ihre Währungen in den 1990er-Jahren an den US-
Dollar. Diese Wechselkursbindung erscheint aus zwei Gründen
sinnvoll: Erstens sind die USA der Haupthandelspartner der Ost-
asiaten. Da diese nicht über internationale Reservewährungen
verfügen, wurden Transaktionen ohnehin in US-Dollar abgewi-
ckelt. Und zweitens garantiert ein fixierter Wechselkurs den Wert
durch bereits akkumulierte Reserven. Es ist deshalb häufig von
einem Welt-Dollarstandard die Rede.13
Durch die Wechselkursfixierung importierten diese Volks-
1800 4
Mrd. $
2
800
1,5
600
1
400
200 0,5
0 0
Jan 80 Jan 84 Jan 88 Jan 92 Jan 96 Jan 00 Jan 04 Jan 08
250 350
USA (l. Sk.)
230 Deutschland (l. Sk.)
Japan (l. Sk.) 300
210
China (r. Sk.)
190 Estland (r. Sk.)
250
170
2004 : 03 = 100
2004 : 03 = 100
150 200
130
150
110
90
100
70
50 50
Mrz 04 Mrz 05 Mrz 06 Mrz 07 Mrz 08 Mrz 09
3.2 Europa
Bis 1999 gestand die Deutsche Bundesbank der Geldmengenent-
wicklung eine zentrale Bedeutung beim Erreichen der Geldwert-
stabilität zu. Mit der Übernahme der Geldpolitik durch die Euro-
päische Zentralbank verlor die Geldmenge an Bedeutung. Anstatt
wie bei der Bundesbank auf eine Geldmengensteuerung abzustel-
len, wurde nunmehr das geldpolitische Instrumentarium auf das
Erreichen des Konsumentenpreisinflationsziels unter, aber nahe
zwei Prozent ausgerichtet. Die europäische Geldpolitik näherte
sich der amerikanischen Geldpolitik an.
Ein Grund für die Abkehr von der Friedman’schen Geldmen-
gensteuerung liegt in der empirischen Beobachtung, dass das
Niveau der Konsumentenpreise trotz schnellen Geldmengen-
wachstums in den 1990er-Jahren weitgehend stabil blieb. Daher
wurde der monetaristisch geprägte Zusammenhang zwischen
Geldmengenwachstum und Preisentwicklung im wissenschaftli-
chen Diskurs angezweifelt.16 De Grauwe und Polan17 gehen noch
weiter, indem sie behaupten, dass das Geldmengenwachstum
keinen Einfluss auf die Entwicklung des Preisniveaus habe, da
die Geldnachfrage nicht konstant sei. Bei einer steigenden Geld-
nachfrage bzw. fallenden Umlaufgeschwindigkeit des Geldes,
kann die Geldmenge schneller steigen als unter der Friedman-
Regel. Da die Geldmenge nicht mehr als relevanter Indikator für
zukünftige Preisentwicklungen angesehen wird, sollte daher die
gegenwärtige Entwicklung des Preisniveaus und die Entwick-
lung des BIP als Indikator für zukünftige Preisentwicklungen he-
rangezogen werden.18
Im Juni 2001 senkte die Europäische Zentralbank den Haupt-
refinanzierungszinssatz, um auf Deflationsgefahren zu reagie-
3 Eurozone Realzins
US-Realzins
2
1
Prozent
-1
-2
-3
Aug 01 Aug 02 Aug 03 Aug 04 Aug 05 Aug 06 Aug 07
Feb 02 Feb 03 Feb 04 Feb 05 Feb 06 Feb 07
21 Jaffee 2009.
26 Vanberg 1998.
6. Zusammenfassung
Die Ursache der Finanzkrise ist u. a. auf die Fehlleitung der Geld-
politik seit dem Jahr 2000 zurückzuführen. Im Rahmen der welt-
weit betriebenen Politik des „billigen Geldes“ wurden die Refi-
nanzierungsanreize für die Geschäftsbanken so verzerrt, dass die
globalen Finanzmärkte von einer Investitionsflut überschwemmt
wurden. Den historisch günstigsten Refinanzierungskonditio-
nen der Zentralbanken begegneten die Geschäftsbanken mit der
Ausweitung des Investitions- und Kredit- bzw. Finanzierungsge-
schäfts, die das Verschuldungsniveau erheblich anhob. Die insti-
tutionellen Rahmenbedingungen begünstigten nicht nur die
Weitergabe von strukturierten Kredit- und Hypothekenproduk-
ten an Dritte, sondern auch die Kreditvergabe an Kunden gerin-
ger Bonität. Die fragwürdige Bewertung dieser Risiken und die
starke Nachfrage nach Anlageprodukten verstärkte die Verbrei-
tung verbriefter Kreditrisiken. Es entstand eine global getriebene
Spekulationsblase im US-Häusermarkt. Nach dem Platzen der
Blase im Sommer 2007 und damit verbundenen Auswirkungen
auf die zusammenhängenden Märkte und Unternehmen wurden
alle großen Volkswirtschaften, die bereits unter der Abschwä-
chung der verlangsamten Weltkonjunktur litten (über den Han-
delskanal) von der uns bekannten Finanzmarktkrise heimge-
sucht.
Literatur
Adalid, R./Detken, C.: Liquidity Shocks and Asset Price Boom
and Bust Cycles, ECB Working Paper Series, No. 732, 2007.
Bernanke, B. (2005): The Global Savings Glut and the US Cur-
rent Account Deficit, BIS Review, 16/2005.
Bernholz, P.: Der deutsche Neoliberalismus und das Problem
einer stabilen Währungsverfassung, in: Walter-Eucken-Insti-
tut (Hrsg.): Geldwertstabilität und Währungsordnung, Tü-
bingen 1989, 1–36.
„Die Vorteile des Wettbewerbs hängen nicht davon ab, dass er ‚voll-
kommen‘ ist.“1
Friedrich August von Hayek
1 Friedrich A. von Hayek: Recht, Gesetzgebung und Freiheit. Band 3: Die Verfas-
sung einer Gesellschaft freier Menschen. Eine neue Darstellung der liberalen
Prinzipien der Gerechtigkeit und der politischen Ökonomie, Landsberg am Lech
(Moderne Industrie) 1981, S. 97.
2 Vgl. Holger Steltzner: „Mehr Kapital, weniger Risiko“, in: Frankfurter Allge-
meine Zeitung vom 14. September 2009, Nr. 213, S. 1. Diese Zahlen hat die
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich berechnet.
3 Siehe die immer noch lesenswerte volkswirtschaftliche Dissertation des spä-
teren Vorsitzenden der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz und Köl-
ner Erzbischofs Joseph Kardinal Höffner, die er zu Beginn des II. Weltkriegs
bei Walter Eucken in Freiburg i. B. verfasst hat: Joseph Höffner: Wirtschafts-
ethik und Monopole im 15. und 16. Jahrhundert, unveränderter Nachdruck der
Ausgabe, Jena 1941, 2. unveränderte Auflage, Darmstadt (Wiss. Buchges.) 1969,
S. 107, dort auch Fn. 10.
4 Zum Begriff „Westen“ siehe Philippe Nemo: Was ist der Westen? Die Genese der
abendländischen Zivilisation, Tübingen (Mohr) 2005. Interessant ist, dass
China im Frühjahr 2009 im Zuge der Finanzkrise die Frage nach gedeckten
Währungen aufgeworfen hat, ohne freilich das staatliche Geldmonopol in-
frage zu stellen. Chinas Affinität zu gedeckten Währungen beruht vermutlich
auf seinen negativen historischen Erfahrungen mit ungedecktem Papiergeld
und Teilreservebanken zwischen ca. 960 und ca. 1455 n. Chr. Vgl. Jörg Guido
Hülsmann: Die Ethik der Geldproduktion, Waltrop und Leipzig (Manuscrip-
tum) 2007, S. 277.
5 Friedrich A. von Hayek: Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der Theorie
und Praxis konkurrierender Umlaufmittel, Tübingen (Mohr) 1977, S. 7.
6 Siehe auch Friedrich A. von Hayek: Entnationalisierung des Geldes. Eine Ana-
lyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufmittel, Tübingen (Mohr)
1977, S. 13.
7 Die folgenden Ausführungen zur Blasenwirtschaft und Zinspolitik der Zent-
ralbanken beruhen weitgehend auf Frank Schäffler: „Neue Geldordnung statt
verhängnisvoller Zinspolitik“, in: Börsen-Zeitung vom 30. Januar 2009, Nr. 20,
S. 8 und auf Thorsten Polleit, Michael von Prollius, Frank Schäffler und Nor-
bert F. Tofall: „Überwindung der Krise durch gutes Geld“, in: Frankfurter Allge-
meine Zeitung vom 5. Juni 2009, Nr. 128, S. 12.
10 Zur Definition des Begriffs „gutes Geld“ und zur modernen Falschmünzerei,
die aus gutem Geld schlechtes Geld macht, siehe Thorsten Polleit, Michael
von Prollius, Frank Schäffler und Norbert F. Tofall: „Überwindung der Krise
durch gutes Geld“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Juni 2009, Nr.
128, S. 12.
15 Siehe Friedrich A. von Hayek: „The Use of Knowledge in Society“, in: The
American Economic Review, Volume XXXV, September 1945, Number Four,
S. 519–530 und insbesondere auf S. 519: “If we possess all the relevant infor-
mation, if we can start out from a given system of preferences and if we com-
mand complete knowledge of available means, the problem which remains
is purely one of logic … This, however, is emphatically not the economic
problem which society faces … The reason for this is that the ‘data’ from
which the economic calculus starts are never for the whole society ‘given’ to a
single mind which could work out the implications, and can never be so
given.” Siehe auch James M. Buchanan: „What Should Economists Do?“, in:
The Southern Economic Journal, Volume XXX, January 1964, Number 3,
S. 213–222.
16 Siehe Thorsten Polleit, Michael von Prollius, Frank Schäffler und Norbert F.
Tofall: „Überwindung der Krise durch gutes Geld“, in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung vom 5. Juni 2009, Nr. 128, S. 12.
17 Das ist nach ausführlicher Diskussion die einstimmige Meinung der Teilneh-
mer des wirtschaftspolitischen Kolloquiums „Free Banking – Die Überwind-
ung der Krise durch gutes Geld“, das auf Einladung der FDP-Bundestagsfrak-
tion am 1. Juli 2009 im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages veran-
staltet wurde.
18 Siehe Ludwig von Mises: The Theory of Money and Credit, edition following the
text of 1953, Indianapolis (Liberty Fund) 1981, insbesondere den 1952 ver-
fassten vierten Teil „Monetary Reconstruction“, S. 451–500, der in den bisheri-
gen deutschen Ausgaben leider nicht enthalten ist; und Murray N. Rothbard:
The Case for a 100 Percent Gold Dollar, Auburn (Mises Institute) 1991.
19 Das ist die Haupteinsicht, die Norbert F. Tofall 1995 bis 1997 durch seine Mit-
„Der konkrete Vorschlag für die nahe Zukunft (…) besteht darin, dass
sich die Länder des Gemeinsamen Marktes (möglichst einschließlich
der neutralen Länder Europas, vielleicht später auch der Länder Nord-
amerikas) gegenseitig durch formalen Vertrag binden, weder dem Han-
del in ihren gegenseitigen Währungen (inklusive Goldmünzen) noch
einer in gleicher Weise freien Ausübung von Bankgeschäften seitens
jeder in einem ihrer Territorien gesetzlich niedergelassenen Bank ir-
gendwelche Hindernisse in den Weg zu legen.“26
doch verteuert. Das heißt, der Staat würde durch die Zulassung
von konkurrierenden Privatwährungen und eines allumfassenden
Währungswettbewerbs gezwungen, eine nachhaltigere Haushalts-
politik zu verfolgen. Die Zulassung von konkurrierenden Privat-
währungen und ein allumfassender Währungswettbewerb wären
deshalb eine weit wirksamere Schuldenbremse als die Grundge-
setzänderungen des Jahres 2009.
Vorschriften bezüglich der materiellen Deckung von Wäh-
rungen oder gar ein Goldstandard sind sowohl unnötig als auch
schädlich. Denn der „Wettbewerb würde sicherlich die emittie-
renden Institutionen weit wirksamer dazu zwingen, den Wert ih-
res Geldes (in Bezug auf ein festgesetztes Güterbündel) konstant
zu halten, als es irgendeine Verpflichtung zur Einlösung des Gel-
des in diese Güter (oder in Gold) könnte“.27 Natürlich könnte es
geschehen, dass sich bei freiem Wettbewerb zwischen verschiede-
nen Geldarten zunächst Gold als die beliebteste Geldart erweist.
Die zunehmende Nachfrage nach Gold würde aber vermutlich
zu einem solchen Anstieg und eventuell zu heftigen Schwankun-
gen des Goldpreises führen, dass Gold aufhören würde, sich als
Geldeinheit für den Geschäftsverkehr und das Rechnungswesen
zu eignen.28
Inwieweit in einer marktwirtschaftlichen Geldordnung ge-
deckte Währungen dominieren werden, lässt sich ex ante nicht
bemessen, weil die einzelnen Menschen die freie Wahl haben, so-
wohl gedeckte als auch ungedeckte Währungen zu produzieren
oder nachzufragen. Diese Währungen werden wie zurzeit auch
über Kredite oder durch Verkauf gegen andere Währungen ver-
fügbar gemacht. Inwieweit in einer marktwirtschaftlichen Geld-
ordnung Kredite, die nicht durch reale Ersparnisse gedeckt sind,
vergeben werden können, hängt vom Verhältnis von Angebot
und Nachfrage nach ungedeckten Währungen ab. Da niemand
27 Ebenda, S. 32.
28 Vgl. ebenda, S. 102 und 127.
Literatur
Ackermann, J.: Der Einfluß des Geldes auf das reale Wirtschafts-
geschehen, eine theoretische Analyse, Bern, Frankfurt a. M.:
Peter Lang, 1977.
Berger, J.: Was behauptet die Modernisierungstheorie wirklich –
und was wird ihr bloß unterstellt?, in: Leviathan, Zeitschrift
für Sozialwissenschaft, 1996, S. 45–62.
Binswanger, H. C.: Wie Blasen verhindert werden können, in:
Financial Times Deutschland vom 14. August 2009.
Borchert, M.: Geld und Kredit. Einführung in die Geldtheorie
und Geldpolitik, 8., überarbeitete und erweiterte Auflage,
München, Wien: Oldenburg, 2003.
Buchanan, J. M.: What Should Economists Do?, in: The South-
ern Economic Journal, Vol. 30, Januar 1964, Nr. 3, S. 213–
222.
de Soto, J. H.: Die Österreichische Schule der Nationalökono-
mie – Markt und unternehmerische Kreativität, Wien: Hayek
Institut, 2007.
Hayek, F. A. v.: Das intertemporale Gleichgewichtssystem der
Preise und die Bewegungen des ‚Geldwertes‘, in: Weltwirt-
schaftliches Archiv, Band 28, 1928.
Hayek, F. A. v.: The Use of Knowledge in Society, in: The Ameri-
can Economic Review, Vol. 35, September 1945, Nr. 4, S. 519–
530.
Hayek, F. A. v.: Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der
Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufmittel, Tübin-
gen: Mohr, 1977.
Hayek, F. A. v.: Recht, Gesetzgebung und Freiheit. Band 3: Die
Verfassung einer Gesellschaft freier Menschen. Eine neue Dar-
stellung der liberalen Prinzipien der Gerechtigkeit und der
politischen Ökonomie, Landsberg am Lech: Moderne Indust-
rie, 1981.
Höffner, J.: Wirtschaftsethik und Monopole im 15. und 16. Jahr-
www.olzog.de