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law letter

Bestätigung durch das Oberverwaltungs- INHALT


gericht: Boardinghäuser sind keine Hotels
Bestätigung durch das Oberverwaltungs-
gericht: Boardinghäuser sind keine
Mit Beschluß vom 29. November 2005 – VG 19
Hotels
A 272.05 – hat das Verwaltungsgericht Berlin
im einstweiligen Rechtsschutz entschieden, Schadensersatzansprüche gegen inter-
daß ein Appartementhaus, das als sogenann- nationale Entwicklungsbanken
tes Boardinghaus geführt wird, kein Hotel im
bauordnungsrechtlichen Sinne sei (vgl. Mai- Bundesnetzagentur: Untersagung der
Einzelbuchungsvariante beim Gasnetz-
ausgabe unseres Law Letter). Da an Hotels ge-
zugang
steigerte brandschutzrechtliche Anforderungen
gestellt werden, ist diese Unterscheidung von Landgericht Kiel: Netzübergreifender
nicht unerheblicher Bedeutung. Der Beschluß Gastransport beim Fehlen von Koopera-
des Verwaltungsgerichts ist nun in zweiter In- tionsvereinbarungen
stanz durch das Oberverwaltungsgericht Berlin
Neues Modell zur Förderung von Kino-
– OVG 2 S 2.06 – bestätigt worden.
filmen

Die Wohnungseinheiten von Boardinghäusern Die geplante Vereinfachung der GmbH


werden in der Regel nur für Wochen- oder Mo-
natszeiträume vermietet und verfügen häufig Vergaberechtliche Bindung öffentlich-
über Küchen oder Kochgelegenheiten, sanitäre rechtlicher Rundfunkanstalten?
Anlagen Waschküchen, sowie Kellerräume. Das
Oberverwaltungsgericht Berlin war vorliegend
zu Recht der Ansicht, daß das Boardinghaus
kein Beherbergungsbetrieb sei, sondern aus-
schließlich Wohnungen anbiete.

Entscheidend für die Unterscheidung zwischen Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises er-
Hotel und Wohnung sei das Nutzungskonzept. möglicht wird und andererseits die für Beher-
Nach der Diktion des Oberverwaltungsgerichts bergungsbetriebe typischen Servicebereiche
liegt eine Wohnung und kein Beherbungsbetrieb (Speise- und Aufenthaltsräume außerhalb der
vor, wenn einerseits die Ausstattung der ver- vermieteten Zimmer) fehlen.
mieteten Zimmer dem Nutzer eine eigenstän-
dige Haushaltsführung und die unabhängiger

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Boardinghäuser können bauordnungsrecht- Empfängerländer steht unter dem Vorbehalt
lich als Wohnungen einzustufen sein. Es rechtstaatlicher Verfahren bei der Vergabe der
muß im Einzelfall jedoch sichergestellt sein, Bauaufträge. Dementsprechend haben sich die
daß die Appartements jeweils tatsächlich Entwicklungsbanken selbst weitgehende Prüf-
eine eigenständige Haushaltsführung er- und Kontrollrechte hinsichtlich der Einhaltung
möglichen.
der Vergabestandards eingeräumt, inklusive
effizienter Sanktionsmöglichkeiten bis hin zur
Da Serviceangebote wie in Hotels ab einer
Kappung der Kredite.
bestimmten Umfang gegen eine Wohnnut-
zung sprechen können, ist die jeweilige
Ausstattung im Einzelfall entscheidend. Die Konditionalität der Kreditvergabe wird von
den Entwicklungsbanken offensiv als Investiti-
onsanreiz für westliche Unternehmer „vermark-
Dr. Bertrand Malmendier tet“, denn westliche Bieter sind zumeist nur
(030) 59 00 30 40 aufgrund der Garantiefunktion der hinter dem
malmendier@malmendier.com Projekt stehenden Entwicklungsbank bereit,
überhaupt mit dem Empfängerstaat Geschäfts-
beziehungen einzugehen und in die Teilnahme
am Bieterverfahren Zeit und Kosten zu inves-
tieren. Ein Versagen der Bank bei der Wahr-
Schadensersatzansprüche gegen inter- nehmung der Kontrollfunktion kann zur Folge
nationale Entwicklungsbanken haben, daß ein transparentes, rechtsstaatliches
Vergabeverfahren nicht mehr gewährleistet ist,
Regelmäßig berichten die Medien von Unregel- die ausländischen Bewerber aufgrund von Kor-
mäßigkeiten bei der Vergabe öffentlicher Auf- ruption und Seilschaften chancenlos sind und
träge für international geförderte Bauprojekte die Teilnahme am Bieterverfahren sich als völ-
– jüngstes Beispiel sind die Korruptionsvorwür- lig nutzlos erweist. Den hieraus entstehenden
fe im Zusammenhang mit dem Bogenbau zur wirtschaftlichen Schaden hat die Entwicklungs-
Abdeckung der Reaktorruine von Tschernobyl. bank in diesem Fall mit zu verantworten. Die
Kritik richtet sich auch an die projektfinanzie- Billigkeit fordert dann, daß sie dem benachtei-
renden internationalen Entwicklungsbanken, ligten Bieter zumindest für seinen Vertrauens-
die solchen „Unregelmäßigkeiten“ oftmals schaden haftet.
nicht energisch genug entgegentreten, ob-
wohl sie die Möglichkeit dazu haben, denn die Rechtlich ist die Inanspruchnahme der Ent-
Bereitstellung der Infrastrukturkredite an die wicklungsbank für ihr Kontrollversagen aller-

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dings schwierig. Bankintern sind die Möglich- besonderem Vertrauen zu nennen, oder auch
keiten, Fehler im Vergabeverfahren zu rügen, das Konzept der Kreditgeberhaftung gegenü-
nach den Statuten der Bank auf konsultative ber vom Kreditnehmer geschädigten Dritten.
Besprechungen mit den zuständigen Abtei- Letzteres ist im anglo-amerikanischen Recht
lungsleitern beschränkt, ohne jegliche Mög- unter dem Begriff der „lender’s liability“ seit
lichkeit eines rechtsförmlichen Beschwerdever- langem anerkannt und in den USA im Bereich
fahrens. Die Entwicklungsbanken lehnen eine der Umwelthaftung sogar kodifiziert. Im konti-
Haftung gegenüber den Bietern kategorisch ab. nentaleuropäischen Recht findet sich der Ge-
Die Vergaberichtlinien der Entwicklungsbanken danke der Kreditgeberhaftung beispielsweise
enthalten diesbezüglich explizite einseitige Haf- in der Fallgestaltung der insolvenzverschlei-
tungsfreizeichnungen, nach denen vertragliche ernden gläubigerschädigenden Kreditvergabe
Beziehungen ausschließlich zwischen Kredit- wieder. Haftungsgrund ist dabei die Möglichkeit
nehmer (Empfängerstaat) und Bieter zustande des Kreditgebers, gegenüber seinem Kreditneh-
kommen und für Vergabeverfahren und Durch- mer Kontrolle auszuüben – genau wie sie die
führung der Verträge allein der Kreditnehmer Entwicklungsbank gegenüber dem Empfänger-
verantwortlich ist. staat hat.

Eine einseitige Haftungsfreizeichnung kann In prozessualer Hinsicht ist die Durchsetzung


jedoch nicht verhindern, daß ein Rechtssub- der Schadensersatzforderungen vor nationa-
jekt für von ihm verursachte Schäden zur len Zivilgerichten denkbar. Zwar berufen sich
Verantwortung gezogen wird. Sowohl nach Entwicklungsbanken regelmäßig auf die in den
völkerrechtlichen Prinzipien als auch nach na- Statuten verbürgte Immunität, die den Rechts-
tionalen zivilrechtlichen Grundsätzen haften weg zu staatlichen Gerichten versperrt. Dieses
Internationale Organisationen für unrechtmä- prozessuale Hindernis ist jedoch nicht unüber-
ßiges Verhalten – auch und gerade gegenüber windbar. Die Statuten der meisten Entwick-
betroffenen Individuen. Eine „tour d’horizon“ lungsbanken schränken die Immunität der Bank
verschiedener Rechtsordnungen zeigt, daß vie- dahingehend ein, daß solche Klagen vor natio-
lerorts Mechanismen existieren, mittels derer nalen Gerichten zulässig sind, die im Zusam-
eine Haftung der Entwicklungsbanken für Feh- menhang mit der Kreditvergabetätigkeit der
ler bei der Überwachung der Kreditnehmer be- Bank stehen. Diese Klausel kann dahingehend
gründbar ist. ausgelegt werden, daß sie auch Schadenser-
satzklagen benachteiligter Bieter umfaßt. Dar-
Beispielhaft sind die Grundsätze zur Haftung über hinaus versagen nationale Gerichte zu-
von Vertragsmittlern bei Inanspruchnahme von nehmend Internationalen Organisationen die

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Berufung auf ihre Immunität, wenn dadurch vom 25. Juli 2005) hat die rechtlichen Rahmen-
der private Kläger völlig ohne Rechtsschutz bedingungen für Gasnetzbetreiber und Trans-
bleibt. Da es vorliegend kein organisationsin- portkunden wesentlich verändert (vgl. Law Let-
ternes rechtsförmliches Beschwerdeverfahren ter 2006, 2005). Einer der zentralen Punkte ist
für die Bieter gibt, wäre eine Immunitätsein- hierbei der Wechsel des Netzzugangsmodells:
schränkung aus rechtsstaatlichen Grundsätzen Bislang mußten Gastransportkunden separa-
unzweifelhaft geboten. te Verträge mit allen Betreibern der zwischen
Einspeise- und Ausspeisepunkt gelegenen Net-
Die Finanzierung von Infrastrukturprojekten ze abschließen. Künftig sind die Netzbetreiber
durch Internationale Entwicklungsbanken verpflichtet, so eng zusammenzuarbeiten, daß
steht unter der Bedingung rechtsstaatlicher je ein Vertrag zur Einspeisung und Ausspeisung
Mindeststandards bei der Auftragsvergabe. genügt und der Transportkunde keine Rechts-
beziehungen mit anderen Netzbetreibern ein-
Kommt es trotzdem zu Unregelmäßigkeiten gehen muß (§ 20 Abs. 1b EnWG). Dies gilt
im Vergabeverfahren und trägt die Entwick- grundsätzlich seit dem 1. Februar 2006 (§ 118
lungsbank hieran eine Mitschuld, müssen Abs. 1a EnWG).
Schadensersatzforderungen der benach-
teiligten Bieter auch gegenüber der Bank Die Schaffung eines solchen netzübergreifen-
geltend gemacht werden können.
den entry-exit Systems erfordert komplexe Ko-
operationsvereinbarungen zwischen den betei-
Dr. Bertrand Malmendier ligten Netzbetreibern. Eine solche, durch BGW
(030) 59 00 30 40 and VKU entworfene Kooperationsvereinbarung
malmendier@malmendier.com haben seit dem 19. Juli 2006 bereits ca. 615
Netzbetreiber (aus einer Gesamtzahl von ca.
730) unterzeichnet; mit Hinweis auf begrenz-
te technische Möglichkeiten und wirtschaftliche
Zumutbarkeit (vgl. § 20 Abs. 1b Satz 5 EnWG)
Bundesnetzagentur: Untersagung der Ein- ist die netzübergreifende Abwicklung des Gas-
zelbuchungsvariante beim Gasnetzzugang transports nicht bundesweit, sondern nur in-
nerhalb einzelner, geographisch definierter
Die Reform des Energiewirtschaftsrechts im Marktgebiete vorgesehen. Vorgesehen waren
vergangenen Jahr (Energiewirtschaftsgesetz vorerst 19 solcher Marktgebiete; mittlerwei-
[EnWG] vom 7. Juli 2005, BGBl. I, S. 1970, le ist die Zahl gesunken. Darüber hinaus sah
sowie darauf beruhende Rechtsverordnungen die Kooperationsvereinbarung zwei verschie-

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dene Varianten für den Gastransport vor. Nach schlußfristen, Bilanzausgleich, Netzpufferung,
der sog. Zweivertragsvariante schließt der etc.), die Transportkunden der Zweivertrags-
Transportkunde, wie oben beschrieben, einen variante benachteilige. Darüber hinaus führe
Vertrag über Einspeisung an der Grenze des das Angebot zweier Modelle zu einem höheren
Marktgebietes ab und einen weiteren Vertrag, Abwicklungs- und Organisationsaufwand, der
typischerweise mit einem anderen Netzbetrei- mit dem Gebot einer effizienten Energieversor-
ber, über die Ausspeisung beim Letztverbrau- gung (§ 1 Abs. 1 EnWG) nicht vereinbar sei.
cher. Im Rahmen der Einzelbuchungsvariante Schließlich, und das mag für die Untersagung
werden jeweils Ein- und Ausspeisevertrag mit ausschlaggebend gewesen sein, betont die
einem Netzbetreiber abgeschlossen. Typischer- Bundesnetzagentur, daß die Einzelbuchungs-
weise kommt es daher zu Vereinbarungen mit variante keinen wirksamen und unverfälschten
einem überregionalen Gasnetzbetreiber, mit ei- Wettbewerb auf dem Gasmarkt zulasse (vgl.
nem regionalen und einem lokalen Gasnetzbe- § 1 Abs. 2 EnWG). Die Verbindung von Trans-
treiber. Die Ausspeisung auf den beiden oberen port und Lieferung an einer Vielzahl von Re-
Ebenen ist jeweils an den Netzkopplungspunk- giogates und Citygates zersplittere den Markt
ten zur unteren Ebene (Regiogate bzw. Cityga- und entziehe dem Handel Liquidität. Nur bei
te) vorgesehen, was mit dem Erfüllungsort für einer Konzentrierung auf jeweils einen Punkt
die meisten Gaslieferverträge zusammenfällt. pro Marktgebiet – deren Zahl mittelfristig zu
reduzieren sei – könne ein reger Handel und
Unmittelbar nach der Unterzeichnung der Ko- aktiver Wettbewerb entstehen.
operationsvereinbarung leiteten verschiede-
ne Energieanbieter ein sog. besonderes Miß- Daher hat die Bundesnetzagentur den Abschluß
brauchsverfahren (§ 31 EnWG) gegen drei neuer Transportverträge auf der Grundlage der
ausgewählte Netzbetreiber ein. Zum Abschluß Einzelbuchungsvariante mit sofortiger Wirkung
das Verfahrens hat die Bundesnetzagentur mit untersagt. Die Kooperationsvereinbarung muß
Beschluß vom 17. November 2006 (Az. BK7-06- überarbeitet werden. Sämtliche Altverträge
074) die Einzelbuchungsvariante als unzulässig sind, abhängig von dem Abschlußdatum, bis
untersagt. Aus Sicht der Bundesnetzagentur zum 1. April bzw. 1. Oktober 2007 umzustel-
erfülle diese Variante nicht die Anforderungen len. Als Folge werden auch die Lieferverträge
des § 20 Abs. 1b EnWG und führe zur Diskri- entsprechend angepaßt werden müssen. Der
minierung von Gasversorgungsunternehmen. deutschen Gaswirtschaft steht daher in den
Begründet wird dies zum einen mit einer Reihe kommenden Monaten ein intensiver Umstel-
eher technischer Einzelpunkte in der Ausge- lungsprozeß bevor, der insbesondere kleinere
staltung der beiden Varianten (z.B. Vertrags- Netzbetreiber erheblich belasten wird. Durch

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die gestaffelte Anpassungsfrist werden vor Dr. Jörg Schendel
allem Gaslieferanten mit einer Vielzahl von (030) 59 00 30 40
Transportverträgen ein aufwendiges Vertrags- schendel@malmendier.com
management betreiben müssen, um nicht
Nachteile zu erleiden.

Inhaltlich wirft die Entscheidung der Bundes-


netzagentur eine Reihe höchst schwieriger Landgericht Kiel: Netzübergreifender Gas-
rechtlicher Fragen auf. Sie hat ein zusätzli- transport beim Fehlen von Kooperations-
ches Vertragsangebot untersagt und damit, vereinbarungen
um Diskriminierungen zu bekämpfen, letztlich
die Wahlfreiheit der Transportkunden einge- Noch in der Übergangsphase vor Unterzeich-
schränkt. Sowohl prinzipiell als auch in Ein- nung der Kooperationsvereinbarung vom 19.
zelfragen der Begründung wäre ein solcher Juli 2006 (siehe vorhergehenden Beitrag) hat
Ansatz zu diskutieren. Darüber hinaus hat die das Landgericht Kiel in einem einstweiligen Ver-
Bundesnetzagentur ihre Grundsätze sehr weit- fügungsverfahren entschieden, unter welchen
gehend auf Altverträge angewandt und damit Voraussetzungen Gastransportkunden unmit-
deren Bestandsschutz in einer Weise relati- telbar aus § 20 Abs. 1b EnWG ein Anspruch auf
viert, die in der juristischen Meinung so bisher netzübergreifenden Transport zusteht, auch
nicht diskutiert worden ist (vgl. § 115 Abs. 1 wenn und solange Kooperationsvereinbarun-
EnWG). Es wäre zu wünschen, daß diese Fra- gen fehlen (Landgericht Kiel, Urteil vom 24. Mai
gen höchstrichterlich geklärt werden. Zum 2006 – 14 O Kart. 57/06 –). In dem Verfahren
Zeitpunkt der Drucklegung war jedoch offen, verlangte die Klägerin, eine Gas vertreibende
ob überhaupt einer der Beteiligten des Verfah- Energiehändlerin, Zugang zum Netz der Be-
rens Beschwerde zum Oberlandesgericht Düs- klagten zwecks Ausspeisung von Gasmengen,
seldorf einlegen würde. die auf Grundlage eines separaten Vertrages in
ein unmittelbar vorgelagertes Netz eingespeist
werden sollten. Die Beklagte lehnte den Ab-
Die Bundesnetzagentur untersagt das sog.
Einzelbuchungsverfahren zum Gasnetzzu- schluß des Ausspeisungsvertrages ab, weil sie
gang als diskriminierend und unvereinbar noch nicht über Verträge verfüge, die an die
mit §§ 1 Abs. 2, 20 Abs. 1b EnWG und ver- neue Rechtslage angepaßt seien und weil die
pflichtet die Netzbetreiber, alle Transport- Umsetzung des neuen Modells für einen einzel-
verträge bis spätestens zum 1. Oktober nen Netzbetreiber technisch und wirtschaftlich
2007 umzustellen. unzumutbar sei.

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Dem ist das Gericht nicht gefolgt und hat aus größere Zahl von Netzbetreibern beteiligt wer-
§ 20 Abs. 1b EnWG einen direkten Anspruch den müßte. Derartige Transaktionen könnten
gegen die betroffenen Netzbetreiber abgelei- die Netzbetreiber ohne komplexe Kooperati-
tet, Gastransporte auf der Grundlage lediglich onsvereinbarungen und ein einheitliches Netz-
jeweils eines Einspeisungs- und eines Ausspei- zugangsmodell nicht durchführen.
sungsvertrages zu ermöglichen. Anderslauten-
de Vorschriften in Rechtsverordnungen, wie Die Entscheidung verdient Aufmerksamkeit,
etwa § 8 Gasnetzzugangsverordnung [Gas- da sie den Druck auf Netzbetreiber, ihre Trans-
NZV], seien unwirksam und nichtig, soweit sie portbedingungen an das neue Energierecht an-
mit dem höherrangigen Energiewirtschaftsge- zupassen, erhöht hat – und auch im Beschluß
setz nicht vereinbar seien. Hier lag der Ent- der Bundesnetzagentur vom 17. November
wurf der Gasnetzzugangsverordnung bereits 2006 (siehe vorhergehenden Beitrag) zweimal
vor, ehe der § 20 Abs. 1b EnWG im Juni 2005 zitiert wird. Potentielle Transportkunden kön-
im Vermittlungsverfahren eingefügt wurde; an nen mittels Zivilklage ihre gesetzlichen Ansprü-
die Endfassung des Gesetzes ist die Rechtsver- che unmittelbar gegenüber den Netzbetreibern
ordnung dann nicht mehr vollständig angepaßt durchsetzen, ohne die Umsetzung durch ak-
worden. tualisierte Rechtsverordnungen oder komple-
xe Kooperationsvereinbarungen abwarten zu
Im vorliegenden Fall sei der Beklagten die ge- müssen. Offen bleibt, ob dies die Umsetzung
setzlich vorgeschriebene Kooperation mit ledig- des Energiewirtschaftsgesetzes tatsächlich vo-
lich einem Betreiber eines unmittelbar vorgela- rantreiben wird oder ob Einzelfallösungen die
gerten Netzes, mit dem die Klägerin ebenfalls Schaffung eines bundeseinheitlichen Rahmens
vertraglich verbunden war, auch möglich und eher erschweren.
zumutbar (vgl. § 20 Abs. 1b Satz 5 EnWG).
Die Klägerin müsse ihren Anspruch auch sofort
Das Landgericht Kiel gewährt im Eilverfah-
realisieren können, da sie ohne Transportmög- ren einen Anspruch unmittelbar aus § 20
lichkeit im Wettbewerb zurückfalle; mögliche Abs. 1b EnWG auf Abschluß eines netzü-
Schadensersatzansprüche könnten dies nicht bergreifenden Gastransportvertrages, wenn
hinreichend ausgleichen. der Transport zwischen Ein- und Ausspeise-
punktbetreiber ohne Kooperation mit Drit-
Abgelehnt hat das Landgericht zum damaligen ten sichergestellt werden kann. Einen bun-
Zeitpunkt allerdings einen Anspruch auf wei- desweiten Entry-Exit-Zugangsanspruch hat
tergehenden, insbesondere deutschlandweiten das Gericht verneint, wenn und solange
netzübergreifenden Gastransport, an dem eine Kooperationsvereinbarungen zwischen den
Betreibern noch fehlen.

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Dr. Jörg Schendel seits muß der antragstellende Produzent be-
(030) 59 00 30 40 stimmte Qualifikationsmerkmale erfüllen.
schendel@malmendier.com Liegen die Voraussetzungen vor, richtet sich
die Höhe der Förderung nach der Höhe eines
sogenannten „German Spent“, womit im Er-
gebnis ein gewisser deutscher Regionaleffekt
der zu erstattenden Produktionskosten gefor-
Neues Modell zur Förderung von Kinofilmen dert wird.

Nach einigem Ringen um die konkrete Ausge- Nach dem Eckpunktepapier muß der Film folgen-
staltung der von der Bundsregierung beschlos- de Voraussetzungen erfüllen:
senen Förderung von Kinofilmproduktionen
mit einem jährlichen Fördervolumen von ma- • programmfüllender Film, der für eine Kino-
ximal 60 Millionen Euro, wurden die Rahmen- auswertung (zumindest in einer deutsch unter-
bedingungen des neuen Modells vor kurzem titelten) Fassung vorgesehen ist;
von Kulturstaatsminister Neumann bekannt • bestimmte Höhe der Gesamtherstellungs-
gegeben. Nach dem Eckpunktepapier werden kosten (Spielfilme mind. € 1 Mio., Dokumentar-
ab dem Jahr 2007 unter bestimmten Bewilli- filme mind. € 200.000, Animationsfilme mind.
gungsvoraussetzungen in den kommenden drei € 3 Mio.);
Jahren Filmherstellern mit Sitz oder Niederlas- • Drehbeginn/Beginn der Animationsarbeiten
sung in Deutschland auf Antrag 20 % der in nicht vor 2007 und nicht später als 30. Juni
Deutschland ausgegebenen Produktionskosten 2009;
für Kinofilme (Spiel-, Dokumentar- und Anima- • antragstellender Produzent erbringt Eigen-
tionsfilme) erstattet. Ziel des Modells ist es, anteil gemäß FFG;
Deutschland als Produktionsstandort attrakti- • „German Spent“ beträgt bei Filmen von Ge-
ver zu machen –insbesondere im Wettbewerb samtherstellungskosten unter € 20 Mio. min-
mit anderen europäischen Standorten – und destens 25 % der Gesamtherstellungskosten,
hiermit positive volkswirtschaftliche Effekte zu bei Gesamtherstellungskosten über € 20 Mio.
erzielen. mindestens 20 % der Gesamtherstellungskos-
ten. Ab einem „German Spent“ von € 15 Mio.
Die Bewilligung von Fördermitteln ist einerseits entfällt das Erfordernis eines prozentualen Min-
an bestimmte Rahmenanforderungen an destanteils des „German Spent“;
das zu fördernde Projekt sowie an einen „Ei- • die Höhe staatlicher Förderungen darf in der
genschaftstest“ des Filmes geknüpft. Ander- Regel 50 % nicht übersteigen.

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Der Antragsteller muß: (wobei Ausnahmen für Außendreharbeiten im
Ausland möglich sind). Für personengebun-
• Hersteller im Sinne des § 94 UrhG sein, d.h. dene Leistungen muß dabei eine Steuerpflicht
für die Herstellung des Films bis zur Lieferung der Einnahmen in Deutschland bestehen; bei
verantwortlich und aktiv in die Herstellung in- firmengebundenen Leistungen muß die Firma
volviert sein; ihren Sitz oder eine Niederlassung in Deutsch-
• seinen Sitz oder eine Niederlassung in land haben und die Lieferungen bzw. Leistun-
Deutschland haben; gen müssen vollständig in Deutschland erbracht
• einen programmfüllenden Kinofilm innerhalb worden sein;
der letzten fünf Jahre hergestellt und kommer- • nicht als „German Spent“ gelten: Vorkosten,
ziell ausgewertet haben (Referenzfilm); Kosten für Stoffrechte und vorbestehende Wer-
• bei internationalen Koproduktionen einen ke, Rechtsberatungskosten, Versicherungen,
Anteil von mind. 20 % der Gesamtherstel- Finanzierungskosten, Reise- und Transportkos-
lungskosten leisten. ten für Schauspieler, Handlungskosten sowie
Schauspielergagen, die 15 % der Gesamther-
Bei der Durchführung des sogenannten „Eigen- stellungskosten überschreiten.
schaftstests“ muß der Film bestimmte Kriteri-
en erfüllen, insbesondere: Für den Antrag auf Produktionskostenerstat-
tung, der gestellt werden kann, wenn min-
• einen bestimmten kulturellen Inhalt haben; destens 75 % der Finanzierung nachgewiesen
• die Erbringung bestimmter Leistungen durch werden können, ist die FFA zuständig. Die Ge-
kreative Talente gewährleisten; währung erfolgt durch Bewilligungsbescheid,
• die Ausführung bestimmter Herstellungsleis- der zurückgenommen werden kann, wenn sich
tungen in Deutschland sichern. nach Fertigstellung des Films herausstellt, daß
die Bewilligungsvoraussetzungen nicht vorlie-
Für eine Anerkennung von Ausgaben als „Ger- gen. Die Auszahlung der Mittel erfolgt auf der
man Spent“, nach dessen Höhe sich die Höhe Grundlage eines Auszahlungsbescheides nach
der Produktionskostenerstattung richtet, müs- Fertigstellung des Films. Auf Antrag kann ge-
sen folgende Voraussetzungen vorliegen: gen eine Verwaltungsgebühr jedoch auch eine
ratenweise Auszahlung erfolgen, bei einer Pro-
• Es muß sich um filmnahe Lieferungen und duktionskostenerstattung über € 2 Mio. jedoch
Leistungen, die von Firmen (bzw. deren An- nur gegen Vorlage einer Fertigstellungsversi-
gestellten und Mitarbeitern) oder Selbständi- cherung oder eine Bürgschaft.
gen in Deutschland erbracht werden, handeln

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Das neue Modell zur Förderung der Film- Nach dem Entwurf soll das Mindeststamm-
wirtschaft läßt auf eine Steigerung der At- kapital der GmbH von bisher EUR 25.000,00
traktivität des Filmstandortes Deutschland, auf EUR 10.000,00 herabgesetzt werden, um
insbesondere für internationale Koproduk- insbesondere Dienstleistungsunternehmen die
tionen hoffen. Gründung von Unternehmen zu erleichtern.
Geschäftsanteile können nach dem Entwurf
Das Eckpunktepapier steht noch unter dem
leichter gestückelt werden, da der Entwurf
Vorbehalt der Zustimmung des Bundesfi-
Anteile im Nennwert von EUR 1,00 ermöglichen
nanzministeriums sowie der Europäischen
würde. Auch das Verbot, bei Gründung der Ge-
Kommission.
sellschaft mehrere Geschäftsanteile zu über-
nehmen, würde aufgehoben.
Konstantin von Reden-Lütcken
(030) 59 00 30 40 Die Übertragung von Geschäftsanteilen
reden@malmendier.com soll erleichtert werden. Künftig soll ein Gesell-
schafter mehrere Teile von Geschäftsanteilen
gleichzeitig übertragen können. Der Entwurf
möchte zudem den gutgläubigen Erwerb von
Geschäftsanteilen ermöglichen. Ist jemand
Die geplante Vereinfachung der GmbH als Gesellschafter in der sogenannten Gesell-
schafterliste eingetragen, gilt er gegenüber
Nach dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) einem gutgläubigen Anteilserwerber auch als
im Jahre 2003 in seinem Urteil „Inspire Art“ Gesellschafter (§ 16 Abs. 3 GmbHG RegE).
festgestellt hat, daß sich auch europäische Ge-
sellschaften in Deutschland niederlassen dür- Die Bedeutung der Gesellschafterliste wird
fen, sehen viele die englische Limited (Ltd.) darüber hinaus noch gestärkt. Nach dem Ent-
in Deutschland auf dem Vormarsch, da diese wurf gilt gegenüber der Gesellschaft künftig
wesentlich flexibler sei als die deutsche GmbH. nur derjenige als Gesellschafter, der auch in
Nach einem Vorschlag des Bundesjustizministe- die Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16
riums soll die GmbH nun jedoch reformiert, ver- Abs. 1 Satz 1 GmbHG RegE). Der eintretende
einfacht und so auch für die Konkurrenz der Ltd. Gesellschafter soll einen Anspruch auf Eintra-
fitgemacht werden. Der Entwurf eines Gesetzes gung in die Liste erhalten (§ 16 Abs. 1 Satz 2
zur Modernisierung des GmbH Rechts (RegE), GmbHG RegE).
dessen Inkrafttreten 2008 geplant ist, sieht im
wesentlichen die folgenden Änderungen vor: Die Handelsregistereintragung soll wesent-

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lich beschleunigt werden. Die zur Gründung daß er ihr in der Krise ein Darlehen gewährt,
erforderlichen Unterlagen sollen künftig nur wird dieses Darlehen nach geltendem Recht
noch elektronisch, z.B. via Internet, beim als Eigenkapital behandelt, so daß eine Rück-
Handelsregister eingereicht werden können. zahlung des Darlehens an den Gesellschafter
Nach dem Entwurf soll die Handelsregister- unzulässig ist (§§ 32a, 32b GmbHG und § 31
eintragung unabhängig von verwaltungs- GmbHG analog). Nach dem Regierungsentwurf,
rechtlichen Genehmigungen (Eintragung soll die Rückzahlung eigenkapitalersetzen-
in die Handwerksrolle, Gaststättenerlaubnisse der Darlehen künftig zulässig sein. Auf der
etc.) erfolgen. Bei der Gründung von Ein-Per- anderen Seite sollen aber sämtliche Formen
sonen-GmbHs sollen, anders als bisher, keine von Gesellschafterdarlehen nach dem Entwurf
besonderen Sicherheitsleistungen erforderlich generell nachrangig befriedigt werden, wenn
sein. über das Vermögen der GmbH das Insolvenz-
verfahren eröffnet wurde (§ 39 InsO RegE).
Der Gesetzesentwurf möchte das Cash-Pooling Damit würde das Eigenkapitalersatzrecht einer-
in Konzernen erlauben. Cash-Pooling bedeu- seits aus dem GmbH-Recht gestrichen. Anderseits
tet, daß die Tochtergesellschaften regelmäßig wären in der Insolvenz künftig auch normale
Mittel an den zentralen Cash-Pool, häufig die Gesellschafterdarlehen nachrangig.
Muttergesellschaft, zum Zweck eines zen-
tralen Cash-Managements weiterleiten. Ob- Nach geltendem Recht trifft die Insolvenzan-
wohl Cash-Pooling ökonomisch sehr wertvoll sein tragspflicht ausschließlich die Geschäftsführer
kann, ist ihre rechtliche Zulässigkeit unsicher, der GmbH. Nach dem Entwurf sollen auch die
da die Abführung von Gewinnen an die Mutter- Gesellschafter selbst verpflichtet sein, den
gesellschaft gegen den gesellschaftsrechtlichen Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Gesell-
Kapitalerhaltungsgrundsatz (§ 30 GmbHG) schaft keinen Geschäftsführer hat und somit
verstoßen kann. Da § 30 Abs. 1 GmbHG RegE führungslos ist (§ 64 Abs. 1 Satz 2 GmbHG
nun vorsieht, daß das Zahlungsverbot des § 30 RegE). Die Insolvenzantragspflicht soll durch
GmbHG nicht gilt, wenn die Leistung im Inte- Abtauchen der Geschäftsführer nicht umgan-
resse der Gesellschaft liegt, wäre zumindest gen werden können. Künftig können sich somit
das ökonomisch sinnvolle Cash-Pooling gesell- auch Gesellschafter wegen Verstoßes gegen
schaftsrechtlich künftig als zulässig anzusehen. die Insolvenzantragspflicht strafbar machen
können (§ 83 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG RegE).
Das sogenannte Eigenkapitalersatzrecht soll
erheblich vereinfacht werden. Erhält ein Ge- Auch wenn im Gesetzgebungsverfahren sicher
sellschafter die Gesellschaft dadurch am Leben, noch mit Änderungen im Detail zu rechnen ist,

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dürfte der Trend hin zur Modernisierung und Vergaberechtliche Bindung öffentlichrecht-
Vereinfachung des GmbH-Rechts wohl nicht licher Rundfunkanstalten?
mehr aufzuhalten sein. Insgesamt ist die Re-
form des GmbH-Rechts sicherlich zu begrüßen. Mit Beschluß vom 13. Februar 2006 hat die
Bei der Entscheidung zwischen der englischen Vergabekammer Köln entschieden, daß öffent-
Ltd. und der GmbH sollten diese Änderungen lichrechtliche Rundfunkanstalten grundsätzlich
langfristig berücksichtigt werden. Bestehende dem Vergaberecht unterfallen und damit zu der
GmbHs sollten zudem das Gesetzgebungsver- kontrovers diskutierten Frage Stellung genom-
fahren künftig beobachten, um ihre Satzungen men, ob öffentlichrechtliche Rundfunkan-
und Geschäftsordnungen rechtzeitig an die zu stalten öffentliche Auftraggeber im Sinne
erwartenden Erleichterungen und Änderungen des § 98 Nr. 2 GWB sind (Vergabekammer
anpassen zu können. Köln, Beschluß vom 13. Februar 2006 – VK VOL
31/2006 –, NZBau 2006, 268 – nicht rechts-
Der Regierungsentwurf wird GmbH- Grün- kräftig). Eine entsprechende Auftraggeberei-
dungen in Deutschland und im Ausland er- genschaft hätte zur Folge, daß Aufträge, die
leichtern. oberhalb bestimmter Schwellenwerte liegen, in
Ausschreibungsverfahren nach den Vorgaben
Die Entscheidung zwischen der Rechtsform des Vierten Teils des GWB vergeben werden
GmbH und ausländischen Gesellschaftsfor- müssen. Bejaht man eine vergaberechtliche
men, wie z. B. der englischen Ltd., sollte Bindung von öffentlichrechtlichen Rundfunkan-
auch vor dem Hintergrund der geplanten stalten, so schließt sich hieran die Frage an,
Gesetzesreform getroffen werden. ob die vergaberechtliche Bindung auch für pro-
grammbezogene Aufträge gilt, insbesondere
Dr. Truls Hebrant für solche, die die Produktion von Rundfunk-
(030) 59 00 30 40 und Fernsehsendungen betreffen.
hebrant@malmendier.com
Der Streit um die Auftraggebereigenschaft
öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten ent-
zündet sich insbesondere an der Frage, ob bei
ihnen eine überwiegende staatliche Finanzie-
rung oder staatliche Beherrschung im Sinne
des § 98 Nr. 2 GWB vorliegt. Gegen eine ver-
gaberechtliche Bindung öffentlichrechtlicher
Rundfunkanstalten wird insoweit vorgebracht,

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daß sie einer nur eingeschränkten staatlichen fung, etwa in Form eines Ankaufs fertiger Pro-
Aufsicht unterliegen, da ihre Aufsichtsgremien gramme ist vom Schutzbereich der Rundfunk-
eine binnenpluralistische Struktur aufweisen, freiheit erfaßt. Diesem besonderen Stellenwert
sich also aus verschiedenen gesellschaftlichen der Rundfunkfreiheit, insbesondere dem gebo-
Gruppen zusammensetzen. Zudem würden tenen Schutz des Kernbereichs der zur Rund-
die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten funkfreiheit gehörenden Tätigkeiten trägt das
hauptsächlich durch Gebühreneinnahmen und Vergaberecht durchaus Rechnung, namentlich
Werbung finanziert und nicht von den Gebiets- in § 100 Abs. 2 j GWB sowie in Art. 16 b der
körperschaften und deren Sondervermögen. Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parla-
Dem wird entgegen gehalten, daß eine verfas- mentes und des Rates vom 31. März 2004 über
sungsrechtliche Verpflichtung der öffentlichen die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe
Hand besteht, die für den Bestand des öffent- öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und
lichen Rundfunks erforderlichen Finanzmittel Dienstleistungsaufträge (Koordinierungsricht-
zur Verfügung zu stellen. Insofern sei auch die linie).
durch staatliche Gebührenfestsetzung geregel-
te Finanzierung als überwiegende Finanzierung So wird in Art. 16 b der Koordinierungsricht-
durch den Staat anzusehen, selbst wenn diese linie eine Anwendung des Vergaberechts auf
nicht direkt aus Haushaltsmitteln erfolgt. Diese Aufträge über „Kauf, Entwicklung, Pro-
Position nahm auch die Vergabekammer Köln duktion oder Koproduktion von Program-
in dem oben zitierten Beschluß ein. men, die zur Ausstrahlung durch Rund-
funk- oder Fernsehanstalten bestimmt
Sofern man eine vergaberechtliche Bindung sind, sowie die Ausstrahlung von Sendun-
öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten befür- gen“ ausgeschlossen. In Erwägungsgrund 25
wortet, stellt sich die Frage nach dem Umfang der Richtlinie heißt es insoweit, daß bei Auf-
einer entsprechenden Bindung. Eine unein- trägen über bestimmte Dienstleistungen im
geschränkte Anwendung des Vergaberechts ist Rundfunkbereich kulturelle und gesellschafts-
insofern problematisch, als alle wesensmäßig politische Erwägungen die Anwendung der Ver-
mit der Veranstaltung von Rundfunk zusam- gabevorschriften „unangemessen erscheinen
menhängenden Tätigkeiten – von der Informa- lassen“. Hierzu zähle insbesondere der Bereich
tionsbeschaffung über die Produktion der Sen- der Beschaffung gebrauchsfertiger Program-
dung bis hin zu ihrer Verbreitung – durch das me sowie anderer Vorbereitungsdienste „wie
Grundrecht der Rundfundfunkfreiheit gemäß z.B. Dienste im Zusammenhang mit den für
Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verfassungsrechtlichen die Programmproduktion erforderlichen Dreh-
Schutz genießen. Auch die Programmbeschaf- büchern oder künstlerischen Leistungen, sowie

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Aufträge betreffend die Ausstrahlungszeit von
Sendungen.“ Die Ausnahme des Art. 16 b der Aufträge öffentlichrechtlicher Rundfunkan-
Koordinierungsrichtlinie soll indes nicht „für stalten, die einen unmittelbaren Programm-
bezug aufweisen, sind vergaberechtlich
die Bereitstellung des für die Produktion, die
unantastbar. Einer uneingeschränkten An-
Koproduktion und die Ausstrahlung dieser Pro-
wendung des Vergaberechts unterliegen
gramme erforderlichen technischen Materials
indes Aufträge, die die Bereitstellung des
gelten.“ Die Frage, ob das Vergaberecht auch für die Produktion, die Koproduktion und
auf andere rein technische Dienstleistungen die Ausstrahlung dieser Programme erfor-
– etwa im Bereich Postproduktion – uneinge- derlichen technischen Materials betreffen.
schränkt anwendbar ist, beantwortet die Richt- Ob dies auch für sonstige, rein techni-
linie nicht. Hier eröffnet die Richtlinie vielmehr sche Dienstleistungen im Rahmen der Pro-
Auslegungsspielräume. grammherstellung gilt, ist ungeklärt.

Auch wenn die nationale Vorschrift des § 100 Abs.


2 j GWB nur Verträge „über die Ausstrahlung von Dr. Henrike Maaß
Sendungen“ vom Vergaberecht ausnimmt, soll (030) 59 00 30 40
auch hier eine der Koordinierungsrichtlinie ent- maass@malmendier.com
sprechende Ausnahme für den Kauf, die Entwick-
lung, Produktion und Koproduktion von Program-
men bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen
sein. Teils wird dieses Ergebnis mit verfassungs-
rechtlichen Erwägungen, teils mit einer unmittel-
baren Anwendbarkeit der Richtlinienbestimmung
begründet. Andere – wie beispielsweise auch die
Vergabekammer Köln im oben genannten Be-
schluß – gehen von einem Redaktionsversehen
im Wortlaut des § 100 Abs. 2 j GWB aus, da in
der Bestimmung eindeutig zum Ausdruck kom-
me, daß sich die Privilegierung auf den rundfunk-
rechtlichen Kernbereich insgesamt beziehe. Im
Ergebnis bedeutet dies, daß Beschaffungen, die
einen Programmbezug im Sinne des Richtlinien-
textes aufweisen, nicht den Beschränkungen des
Vergaberechts unterliegen.

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