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Katja Dörner / Börje Wichert

Was bewegt NRW vor der Kommunalwahl 2009?


Input zum Forum U 35, Düsseldorf Mai 2008

1. Der Rahmen
1.1. Wo stehen wir?

Bei der Kommunalwahl 2004 hatten die nordrhein-westfälischen Grünen ihr bestes
kommunales Ergebnis überhaupt und stabilisierten sich als drittstärkste Kraft in den
Räten. Landesweit erreichten sie 10,3 Prozent der Stimmen – nach 7,3 Prozent bei
der Wahl 1999 und 10,2 Prozent bei der Wahl 1994. In ihren Hochburgen wie
Münster (19,4 Prozent), Aachen (17,6 Prozent), Köln (16,6 Prozent) oder Bonn (16,2
Prozent) rückten die Grünen dicht an das Wahlergebnis der SPD heran. In einigen
Städten errangen grüne Kandidatinnen und Kandidaten erstmals Direktmandate in
den Wahlkreisen.

Die Kommunalwahl 2004 fand zu einem Zeitpunkt grüner Regierungsbeteiligung


sowohl im Bund als auch im Land statt. Die Hartz-Reformen waren zwar bereits
beschlossene Sache, ihre negativen Auswirkungen wurden seitens der Wählerinnen
und Wähler aber vorrangig der SPD zugeordnet. Die angebliche „VISA-Affaire“ um
den damaligen grünen Außenminister Fischer war noch in weiter Ferne.
Nichtsdestotrotz sind die Grünen spätestens seit den späten neunziger Jahren keine
„Protestpartei“ mehr.

Mittlerweile hat sich die Situation verändert. Weder im Bund, noch in Nordrhein-
Westfalen sind die Grünen in der Regierung. Insofern befinden wir uns nicht länger in
der komfortablen Lage, im Wahlkampf darauf verweisen zu können, dass Grüne im
Bund und im Land Etliches auf den Weg gebracht hätten. Wir stellen weder auf
Bundes- noch auf Landesebene Ministerinnen oder Minister, die im Wahlkampf als
Personen immer besonders wahrnehmbar sind und auch als Person positiv mit
bestimmten Regierungsprojekten bzw. grünen Inhalten verbunden werden
(Paradebeispiel: Bärbel Höhn und der Umwelt- und Verbraucherschutz). Das soll hier
nicht länger ausgeführt werden, kann aber in der kommunalpolitischen Erklärung der
Grünen NRW vom 14.12.2003 nachgelesen werden. Heute sieht man schwarz,
wohin man schaut: schwarz-rot im Bund, schwarz-gelb in NRW. Diese Situation
bedeutet für den Wahlkampf aber natürlich, dass wir das Handeln der Bundes- und
Landesregierung bewerten und an vielen Stellen kritisieren können und müssen.

Man sollte sich stets bewusst sein, dass Wählerinnen und Wähler nicht immer
zwischen den unterschiedlichen politischen Ebenen trennen. Die Ergebnisse der
vergangenen Kommunalwahlen zeigen sehr klar den Zusammenhang zu bundes-
bzw. landespolitischen Ereignissen. Deshalb ist es wichtig, sich zu
vergegenwärtigen, in welcher Rolle Grüne aktuell gesehen werden. Das Feld ist in
den letzten fünf Jahren neu bestellt worden. Einerseits haben Grüne mitregiert und
dabei den oder anderen Kompromiss machen müssen, für den nicht alle Verständnis
haben. Die Beteiligung der Grünen an den Hartz-Gesetzen oder die Zustimmung zu
Auslandseinsätzen der Bundeswehr wirken nach. Andererseits haben die Grünen auf
Landes- wie Bundesebene die Opposition für eine programmatische Erneuerung
genutzt und an einem eigenständigen grünen Profil gefeilt.

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Wichtig ist auch, dass die „klassische rot-grüne Koalition“ heute auch auf Bundes-
und Länderebene eine Option neben anderen ist – auf kommunaler Ebene ist sie das
ja bereits seit längerem. Man darf allerdings nicht davon ausgehen, dass das alle
potentiellen Wählerinnen und Wähler für unproblematisch halten. Eine schwarz-
grüne Koalition wie in Hamburg wird auch innerhalb der Grünen selbst sehr
unterschiedlich bewertet. Ohne Frage wirkt sich die Hamburger Koalition und die
Diskussionen um potentielle Koalitionen in anderen Ländern und im Bund positiv auf
die Medienpräsenz der Grünen aus – ein Faktor, der auch hinsichtlich der
Kommunalwahlen seine Relevanz hat.

1.2. Was macht die Kommunalwahl wichtig?

Klar ist: Nur starke Grüne in den Räten können grüne Inhalte umsetzen. Nur starke
Grüne können eine ökologische, nachhaltige und soziale Politik vor Ort gestalten, die
immun ist gegen die auch von vermeintlich Linken aus SPD und PDL gern
mitgetragene Einschränkung der Nutzung des öffentlichen Raums. Links und frei –
ohne die libertäre Kraft der Grünen ist das vor Ort nicht realisierbar. Konsequenter
Einsatz gegen Freiflächenversiegelung, für den Ausbau der Kindertagesstätten und
der Ganztagsschulen, für unabhängige Jugend- und Kulturzentren ist nur von
Grünen zu erwarten. Ökologische Modernisierung bleibt für die anderen ein
„Modethema“, für uns ist sie Gründungsauftrag.

Wichtig ist aber auch: Die Kommunalwahl im Juni 2009 ist kein singuläres politisches
Ereignis, das mit Politik auf anderen Ebenen nichts zu tun hat. Vielmehr steht sie in
doppelter Hinsicht in Abhängigkeit zu anderen Wahlen. Erstens hat die schwarz-
gelbe Landesregierung aus taktischem Kalkül Europawahl und Kommunalwahl
zusammengelegt und erhofft sich dadurch eine bessere Mobilisierung ihrer Klientel
und damit bessere Ergebnisse für CDU und FDP. Zweitens zeigt die Vergangenheit,
dass „ein guter Lauf“ zu Beginn eines Wahlkampfmarathons erhebliche Vorteile für
die noch zu bestreitenden Wahlkämpfe mit sich bringt. Ein beachtliches Ergebnis wie
z.B. bei der Europawahl 2004 wird beachtet und bringt gerade für die mediale
Wahrnehmung Vorteile. Immer noch gilt die alte Weisheit: „Nichts ist erfolgreicher als
der Erfolg“.

Allein die zeitliche Lage der Kommunalwahl zu Beginn eines Wahlmarathons ist
möglicherweise hinreichend für die besondere Beachtung, die Grüne guten
Ergebnissen schenken müssen. Für eine ganzheitliche Argumentation ist das aber
zu kurz gesprungen. Die Grünen leben geradezu von ihrer kommunalen
Verankerung. Starke Fraktionen sowie Parteigliederungen vor Ort waren und sind ihr
Rückgrat und steter Quell der programmatischen und personellen Erneuerung. Die
sprichwörtliche „Nähe zur Basis“ sichert die Rückkopplung der Landes- und
Bundesebene und die Rücksichtnahme auf regional unterschiedliche Bedürfnisse
auch und besonders grüner Politik.

1.3.Schleichende Veränderungen
Vor Ort spielt sich ab, was sich im Bund nun langsam andeutet. Die Zersplitterung
des Parteiensystems hat hier schon mit der Beseitigung der 5%-Hürde durch den
Verfassungsgerichtshof für die Kommunalwahlen begonnen. Heute gibt es Räte mit
acht Fraktionen und Einzelbewerberinnen und -bewerbern, was nicht heißt, dass dies

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die Regel ist. Dabei betrifft die Zersplitterung sowohl das linke als auch das rechte
Spektrum. Wählergemeinschaften wildern im bürgerlichen Lager, unterschiedliche
linke Gruppen vornehmlich im SPD-Reservoir, aber auch durchaus bei Grünen. Dies
insbesondere im Ruhrgebiet, in den Großstädten der Rheinschiene und den
Universitätsstädten.

Neu für 2009 ist also keineswegs die Zersplitterung im System, sondern ein anderer
Faktor. Die PDL hat es geschafft, sich vom Stigma der Ostpartei zu befreien und in
den Orten, in denen sie stark werden will, ein buntes Spektrum unter dem
Markendach „Die Linke“ zu vereinigen. Neben einigen Sektierern und Ex-Grünen
werden die örtlichen Gliederungen der PDL von organisationserfahrenen
Gewerkschaftern geführt, die häufig schon lange für die SPD Politik gestaltet haben
und in ihrem sozialen Umfeld Anerkennung genießen. Dass eine mit dem
Markennamen „Die Linke“ gelabelte organisationserfahrene PDL chancenreicher
sein wird, als ein wilder Strauß von unbekannten oder alt-bekannten K-Gruppen mit
schwächlicher Basis, dürfte einleuchten, denn hinzu kommt die Schützenhilfe von
den Profis Lafontaine und Gysi aus Berlin und das dichte Netz von Büros örtlicher
Bundestagsabgeordneter der PDL. Festzuhalten bleibt, dass die PDL zumindest in
größeren Städten ein Faktor sein wird, der in die Wahlkampfplanungen einfließen
muss.

Das gleiche gilt im Übrigen für die bürgerlichen Wählergemeinschaften im ländlichen


Raum, die durch Aufstellen von „Honoratioren“, die vom Profil her Grüne sein
könnten oder durch dass massive Einbringen in Bürgerinitiativen selbstverständlich
auch Konkurrenten sind.

1.4. Die Masterfrage


Gern diskutiert wird in diesen Tagen die Frage, ob Grüne vor Ort eine eigene
Kandidatin bzw. einen eigenen Kandidaten für die OB/BM/LR-Wahl aufstellen. Das
ist wichtig. Gerade vor dem Hintergrund des von schwarz-gelb durchgedrückten
Wahlrechts, das nun ermöglicht, dass in nur einem Wahlgang gegen den Willen der
Mehrheit der Wählerinnen und Wähler diejenige oder derjenige die Wahl gewinnt, die
oder der die meisten Stimmen auf sich vereinigt hat. Grüne haben also jetzt die Qual
der Entscheidung, entweder das Zünglein an der Waage zu sein, oder mit einer
eigenen Kandidatur grün pur zu unterstreichen und damit gegebenenfalls ein
ungewolltes Ergebnis herbeizuführen. Eine Situation, in der mehr
Verhandlungsgeschick denn je gefragt ist.

Auf die Einzelheiten soll hier nicht eingegangen werden, zumal die Situation in den
einzelnen Kommunen aufgrund unterschiedlicher Koalitionen, einer
unterschiedlichen Kandidatinnen- bzw. Kandidatenlage etc. sehr unterschiedlich ist.
Nur so viel in Stichworten:

Für eine eigene Kandidatur spricht die Sichtbarkeit im Wahlkampf. Gerade in


zugespitzten Auseinandersetzungen spielen Köpfe eine Rolle. Eine eigene
Kandidatur kann auch eine gewünschte, sinnvolle und auch wahrnehmbare
Abgrenzung gegenüber anderen Kandidatinnen und Kandidaten sein.

Gegen eine eigene Kandidatur spricht, dass eine ungewünschte Kandidatin bzw. ein
ungewünschter Kandidat sich schon mit relativ niedrigem Zustimmungswert

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durchsetzen kann. Das ist kein symbolischer Sieg. Die gewählte Kandidatin bzw. der
gewählte Kandidat macht konkret Politik, sowohl inhaltlich als auch personell.

Manches spricht also für gemeinsame Kandidaturen. Nach dem neuen


Kommunalwahlgesetz ist eine gemeinsame Kandidatur mehrerer Parteien möglich.
Ebenfalls möglich sind die Varianten der Unterstützung einer Kandidatur einer
anderen Partei gegen inhaltliche Zugeständnisse. Eine andere Variante ist die einer
Wahlempfehlung zu einem sehr späten Zeitpunkt. So kann unter bestimmten
Rahmenbedingungen zusätzlicher Druck aufgebaut werden.

2. Konkret vor Ort


Kommunalpolitik spielt sich im örtlichen Kontext ab. Nichts wäre unsinniger, als
Meta-Weisheiten einfach zu übernehmen. Ihr wisst am besten, was bei Euch los ist!
Worüber wird gesprochen, was sind die Defizite vor Ort, wo habt Ihr konkrete
Verbesserungsvorschläge und was ist kommunal nicht zu ändern? Aufbauend auf
diesen Überlegungen, lohnt es sich, sich Gedanken über die Wahlkampfplanung zu
machen. Ein deutlicher Hinweis sei gestattet: Das hier sind kleine Auszüge, die wir
mit Blick auf unseren Adressatenkreis – U35 – für wesentlich halten und keine
vollständige To-Do-Liste.

2.1. Wo bin ich überhaupt


Entscheidend für eine gute Kampagne ist, zu wissen, wo man ist. Die Probleme einer
Großstadt sind nicht die gleichen wie die eines Dorfes. Die personellen Ressourcen
für den Wahlkampf sind in für Grüne strukturschwachen Regionen natürlich ebenfalls
andere als in den Hochburgen. Die Lösungswerkzeuge sind auch andere. Deshalb
ist es sinnvoll, sich Gedanken über die Struktur des jeweiligen Ortes zu machen.

2.2. Was interessiert hier überhaupt


Fragt in Eurem weiteren Umfeld, in der Kneipe, an der Uni oder wo auch immer, was
für Veränderungen sich die Wählerinnen und Wähler wünschen. Schreibt diese
Wunschliste auf. Überlegt, was machbar ist und mit welchen Wünschen ihr Euch
identifizieren könnt. Streicht Illusorisches oder Dinge, für die ihr nicht den Kopf
hinhalten wollt, weg. Manche Kandidatinnen und Kandidaten meinen immer noch, die
halbe Miete sei ein dickes Kommunalwahlprogramm. Ihr werdet feststellen, dass dies
aber die wenigsten potentiellen Wählerinnen und Wähler lesen wollen. Niemand
verlangt von Euch, dass ihr eine zweite Bibel schreibt. Viel sinnvoller ist es in
wenigen Punkten kurz zusammenzufassen, was ihr in der nächsten Wahlperiode in
Eurem Ort konkret erreichen wollt. Das sollte dann aber richtig durchdacht sein, um
kritischen Nachfragen stand zu halten.

2.3. Eure „zehn Gebote“ bekannt machen


Überlegt Euch, wie ihr Eurer Programm an die Öffentlichkeit bringt. Das hier
auszuführen ist nicht Sinn des Papiers. Dazu später mehr...

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