Professional Documents
Culture Documents
Tigris, erblühten vor mehr als 5000 Jahren die ältesten Hochkulturen
der Menschheit. Hier wurden das Rad, die Töpferscheibe und – wichti
ger als vieles andere – die Schrift erfunden. Dabei handelte es sich um
die sogenannte Keilschrift. Die Keilschrifttafeln, die in gewaltiger, noch
längst nicht vollständig erschlossener Fülle erhalten geblieben sind,
überliefern ein lebendiges und facettenreiches Bild der Geschichte,
Gesellschaft und Kultur des Zweistromlandes.
Dietz Otto Edzard legt auf der Grundlage jahrzehntelanger eigener
Forschung mit diesem Buch eine allgemeinverständliche, informations
reiche und eindrucksvolle Gesamtdarstellung Mesopotamiens vor. Er
erläutert die Voraussetzungen und Anfänge der dortentstandenen
Hochkulturen und bietet einen Überblick über die Geschichte der
Reiche von Sumer, Akkade, Ur, Elam, Assur, Urartu und Babylon und
ihrer Beziehungen untereinander. Er beschreibt Grundzüge ihrer
Götterwelt und ihrer religiösen Vorstellungen, ihres Rechtswesens
und ihrer Wirtschaftsweise. Schließlich resümiert er den Niedergang
der alten Reiche, den Aufstieg der Perser bis zum Sieg Alexanders des
Großen über Dareios III. und das Verschwinden der Keilschrift im
Hellenismus.
GESCHICHTE
MESOPOTAMIENS
Von den Sumerern
bis zu
VERLAG C.H.BECK
Mit 13 Abbildungen, zwei Karten im Text und
Printed in Germany
www.beck.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
I. Die Anfänge 13
2. Zur Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
7. Ur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
˘
9. Lagaš . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
10. Lugal-zage-si . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
12. Mari . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
13. Ebla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
˘
15. Elam und «Iran» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
von Akkade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
6 Inhaltsverzeichnis
18. Sargon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
21. Utu-hegal von Uruk, Gudea von Lagas und seine Dynastie . 97
23. Der Niedergang von Urlll; hin als Nachfolgerin und die
Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
Inhaltsverzeichnis 7
Anhang
Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Für Babó
Vorwort
datieren wir die ältesten Tontafeln mit einem noch sehr oft bildhaften
Schriftsystem, aus dem sich die «Keilschrift» entwickelt hat. Freilich
bedeutet die Vertrautheit mit diesem archaischen Schriftsystem noch
nicht, daß wir nunmehr «Geschichte» schreiben können im Sinne
einer politischen, Wirtschafts-, Sozial- oder sonst einer Geschichte.
Wir müssen uns schrittweise vortasten, und wir begegnen erst um
2500 v. Chr. dem ersten «historischen» Individuum.
Wir streifen die Ur- und Vorgeschichte nur kurz, konzentrieren
uns auf die «historischen» Perioden und setzen als den Endpunkt der
etwas genaueren Darstellung die Eroberung Babylons durch Alexan-
der den Großen 331 v. Chr. Damit war zwar die altorientalische Ge-
schichte nicht zu Ende. Aber die Geschichte des klassischen Altertums
greift – nach Xenophons Anabasis – nun endgültig über auf das Ge
biet jener viel älteren Hochkultur, der die Griechen mehr zu verdan
ken hatten, als in unseren Geschichtsbüchern steht.
I.
Die Anfänge
nach Uruk transportiert. Die Steinlager, die man erst in der zweiten
Hälfte unseres Jahrhunderts wieder auszubeuten begonnen hat, sind
damals in Vergessenheit geraten, weil sie von Alluvialschichten
überlagert und von Sand und Erdstaub zugeweht wurden. Sehen wir
daher von Kalksteinbauten in der Frühzeit Uruks ab, so ist Babylo-
nien durch die Jahrtausende immer ein Land gewesen, wo man mit
Schilf und Lehm, luftgetrockneten oder – viel seltener – gebrannten
Ziegeln gebaut hat.
2. Zur Vorgeschichte
geschrieben. Welche Art von Herrschaft gab es, und war sie etwa erb-
lich? Welche Rivalitäten bestanden, welche Aggressionen, und wie-
weit waren sie gezähmt und gezügelt durch Verhaltenscodices? Da der
Kampf wie auch das Friedenschließen Gemeingut aller Primaten ist,
wird man auch bei den Bewohnern des Zweistromlands im Vorkera
mikum keine Ausnahme machen. Der über Land reisende Obsidian
händler mußte nicht nur gegen wilde Tiere gewappnet sein. Die Reise,
wie weit auch immer die Etappe führte, war nur lohnend, wenn das
Risiko stark eingeschränkt war, daß der Reisende unterwegs erschla
gen und beraubt wurde. Wir haben auch noch keine Vorstellung da
von, wie dicht die Siedlungen beieinander lagen, durch die der Fern
handel verlief.
Die Erfindung des Tonbrennens zur Herstellung dauerhafter Ge
fäße und die – erst langsam, dann schnell rotierende – Töpferscheibe
stellen einen der wichtigsten Entwicklungsschritte vor der Erfindung
der Schrift dar. Älteste Belege für gebrannte Keramik stammen aus
dem VII. Jahrtausend. Das «präkeramische» wird durch das «kerami
sche» Neolithikum abgelöst. Das war natürlich kein Vorgang, der sich
in kürzester Zeit abspielte wie die Erfindung der Taschenuhr. Er muß
sich über Generationen, wenn nicht Jahrhunderte hingezogen haben.
Da nun jegliche Art gebrannter Gefäße in der Zusammensetzung des
Scherbens, in Form und Verzierung (z. B. Einkerbung, Bemalung) der
Experimentierfreude und ständig sich wandelnden Mode unterworfen
war, bietet sie dem Forscher das beste «Leitfossil» für die Altersbe
stimmung einer Ausgrabungsschicht, an Genauigkeit nur noch über-
troffen vom Stempelsiegel, Rollsiegel und der beschrifteten Tontafel.
Ähnlich wie man in Europa etwa von «Schnur-» und «Bandkeramik»
spricht, hat es sich in der Vorderasiatischen Vorgeschichte eingebür
gert, Perioden nach den Erstfundorten charakteristischer Tonware zu
benennen, z. B. Tall Ḥ alaf (ca. 5000 v. Chr. ff.) nach der Fundstätte Tall
Ḥ alaf im Hābūr-Dreieck oder ῾Obēd (ca. 4000v. Chr. ff.) nach Tall al-
˘
῾Obēd (oder ῾Ubayd) knapp nordwestlich von Ur.
Mit einer bestimmten Keramik in gleicher Schicht gefundene son
stige Artefakte können einen über Hunderte von Kilometern sich er-
streckenden zeitlichen «Horizont» definieren; sie sprechen dann für
eine gewisse Einheitlichkeit in der Verbreitung und Annahme von Er-
zeugnissen der materiellen Kultur. Man darf freilich nicht darauf ver-
fallen, einen «Horizont» wie den von ῾Obēd mit einem Volk oder gar
Zur Vorgeschichte 19
Stierkalb, das einen Aufsatz trägt, und dieser ist von zwei «Schilfring
bündeln» bekrönt, dem Symbol der Stadtgöttin Inanna. Am Heck
kniet ein Ruderer. Er ist kahlköpfig und möglicherweise nackt. Das
Heck ist hochgezogen und durch eine senkrechte Strebe oder ein Seil
gehalten. Bei dem Fahrzeug handelt es sich entweder um ein läng-
liches Schilfboot; oder aber wir sehen den Querschnitt durch ein
Rundboot, das einer heutigen iraqischen Guffa entspräche.
Dargestellt ist eine Prozession zu Schiff. Die zentrale Gestalt könn-
te der Herrscher selbst oder eine hohe Kultperson sein. Die Schiffs-
mannschaft ist vielleicht nur als pars pro toto angedeutet. Jede weitere
Ausdeutung dieser Rollsiegelszene ist völlig in unser Belieben ge-
stellt. Wir können nichts wirklich beweisen. Wir wissen nicht, was für
eine Prozession es gewesen ist und an welchem Fest sie von wo wohin
gegangen ist. Und dennoch sind wir bei der Deutung viel weiter gera
ten als bei irgendeinem Vasenbild.
Was nun für uns wie eine Mitteilung aussieht, muß freilich für den
antiken Benutzer des Siegels keine gewesen sein. Die Funktion des
Siegels – des Rollsiegels wie auch schon seines Vorgängers, des Stem
pelsiegels – war es, eine Person oder ein Amt in einem von Fall zu Fall
zu definierenden Zusammenhang mit der Sache zu assoziieren, wel
cher das Siegel aufgedrückt wurde. Der gesiegelte tönerne Krugver
schluß identifizierte den Eigentümer oder Versender des Kruges und
seines Inhalts. Bei einer versiegelten Speichertür war nur derjenige,
der Zugang hatte, befugt, das Siegel zu erbrechen. Viel später, in der
26 I. Die Anfänge
Wenn das mit einem Bild, aber auch z. B. mit einem abstrakten Muster
versehene Siegel eine der ältesten Arten «sichtbarer Sprache» ist (für
uns nicht mehr rückgewinnbar sind ja etwaige noch ältere Verfahren,
etwas durch die Gestaltung von vergänglichem Material wie Pflanzen,
Wolle, Leder mitzuteilen), so bekam es doch Konkurrenz in zwei weit
verbreiteten «Systemen»: Das ältere von beiden sind geformte, zum
Teil auch geritzte oder eingekerbte Steinchen oder Tongebilde, deren
Gestalt nicht dem Zufall der Natur zu verdanken, sondern Ergebnis der
Auswahl oder der Formung durch Menschenhand war. Diese im Fach-
jargon als «tokens» bezeichneten Gebilde sind von den Ausgräbern bis
vor dreißig oder vierzig Jahren kaum zur Kenntnis genommen worden,
da man sie nie in einem sinnvollen Zusammenhang auffand und sie in
ihrer Schlichtheit auch kein Aufsehen erregten. Aufschluß wurde erst
gewonnen durch den Fund verschlossener Tonbullen, in deren Innerem
eine Anzahl «tokens» eingeschlossen war und deren Außenfläche die
Eindrücke solcher «tokens» trug. Hier mußte eine Art von primitivem
Zähl- oder gar Buchführungsmechanismus vorliegen. Als sensationell
stellte sich dann die Erkenntnis heraus, daß manche «tokens» so aussa-
hen wie dreidimensionale Vorläufer von zweidimensionalen mesopota
mischen archaischen Schriftzeichen: Eine flache Scheibe mit eingeritz-
tem Kreuz erinnert uns an das älteste Schriftzeichen für das Schaf (l),
Schrift, Sprachen und Schreiber 27
ein Zeichen, dessen Erklärung als Bild (Ganzbild oder Teilbild eines Tie
res) immer Schwierigkeiten bereitet hatte. Durch die Forschungen von
P. Amiet und vor allem D. Schmandt-Besserat hat sich die Theorie
herauskristallisiert, daß die «tokens» teils Zählsteine waren, teils aber
bestimmte Lebewesen oder transportable Sachen versinnbildlichen
sollten. Funde von «tokens» erstreckten sich über den ganzen Vorderen
Orient und reichen vielleicht bis ins VIII. Jahrtausend zurück. Man darf
dabei freilich auf keinen Fall mit einem weit über Raum und Zeit gülti-
gen «System» rechnen, und nicht alles, was man im Eifer als Zählsteine
definiert hat, stellte solche auch wirklich dar. Manchmal waren es viel
leicht nur Spiel- oder Amulettsteine.
Leider ist nichts darüber bekannt und auch kaum noch zu rekon-
struieren, wie häufig und in welcher Dichte «tokens» verwendet wor
den sind. Erst das zweite neben den Siegelbildern entstandene System
«sichtbarer Sprache» läßt sich voll und ganz entschlüsseln: Es ist die
Schrift, die der Mensch seit ihrer Erfindung am Ende des IV. Jahrtau
sends bis heute nie wieder aus der Hand gegeben hat.
Es besteht keine einhellige Meinung darüber, ob die Schrift nur
einmal erfunden worden ist und ob sich die Idee als solche über den
Erdball fortgepflanzt hat oder ob wir es mit einer Polygenese, einem
Mehrfach-Entstehen, zu tun haben. Sind Keilschrift und ägyptische
Hieroglyphenschrift mit ihrer voneinander so stark verschiedenen
äußeren wie inneren Form gedankenmäßig jemals aufeinander bezo-
gen gewesen? Wir müssen die Frage auf sich beruhen lassen. Dagegen
darf man getrost sagen, daß die – ebenfalls auf Tontafeln geschriebene
– Schrift, die in dem Mesopotamien benachbarten Elam entstand, die
sog. protoelamische Schrift, sich kaum ohne Kenntnis der «Proto-
Keilschrift» entwickelt haben kann. Die formale Ähnlichkeit springt
auch dem Laien ins Auge.
Bei der ältesten Form der zweidimensionalen, in Ton eingeritzten
mesopotamischen Schrift ist man bis vor drei oder vier Jahrzehnten
nur von dem Gedanken ausgegangen, der «Schreiber» habe zunächst
mit dem Versuch experimentiert, konkrete Dinge als Ganz- oder Teil
bilder (z. B. Tierköpfe für Tiere) wiederzugeben; man habe darüber
hinaus auch abstrakte Gebilde als für eine Sache stehend deklariert,
z. B. einen Kreis mit eingezeichnetem Kreuz für ein Schaf. Die forma-
le Verwandtschaft mancher dreidimensionaler «tokens» mit zweidi
mensionalen archaischen Schriftzeichen hat zu einer Revision der Idee
28 I. Die Anfänge
um die Wende vom IV. zum III. Jahrtausend eine seßhafte semitische
Bevölkerung zu vermuten. Die Vorstellung vom «Ursemiten» als
einem Nomaden ist antiquiert. Es haben zu allen Zeiten – und noch
heute ist es so – seßhafte und nomadisierende Sprecher semitischer
Sprachen nebeneinander existiert.
Viel ist über eine weitere Bevölkerungsgruppe spekuliert worden,
die in Babylonien neben oder noch vor den Sumerern gelebt hätte.
Man wollte sie erschließen auf Grund von Sprachgut, das auf uns
«unsumerisch» wirkt. Dabei handelt es sich teils um Ausdrücke für
Realien, aber auch um Orts- und Götternamen. Unser Urteil darüber,
was sumerisch und was nicht sumerisch sei, ist freilich äußerst sub-
jektiv. Eine mehr oder weniger genaue Vorstellung von der Ausspra
che des Sumerischen haben wir erst gegen Ende des III. Jahrtausends
v. Chr., und wir wissen nicht, wie stark sich die Sprache – bei gleich-
bleibender Schreibung – im vorangehenden Jahrtausend gewandelt
haben mag. Erfahrungsgemäß sind gerade Eigennamen besonders
stark für Verschleifungen und Veränderungen anfällig, so daß ein ur-
sprünglicher Klang bis zur Unkenntlichkeit umgestaltet sein kann. Im
übrigen ist unser Klangbild des Sumerischen stark von demjenigen
beeinflußt, das wir vom Akkadischen haben, weil ja fast alle Glossie
rungen sumerischer Wörter von akkadischen Schreibern stammen. Es
wäre aber auch ganz wirklichkeitsfern, mit einem «reinen» und allein
in dieser einen Sprache wurzelnden Eigennamenbestand zu rechnen.
Wie dem aber auch sei, es läßt sich eine sonstige Bevölkerung vor oder
noch neben den Sumerern nicht beweisen, und wir können uns nur
im Spekulieren verlieren.
Noch viele weitere Sprachen mögen vor Anbruch der historischen
Periode im weiteren Mesopotamien und in seinen Randgebieten ge
sprochen worden sein. Auch die Hurriter, die gegen Ende des III. Jahr-
tausends in Schriftquellen als ein immer stärker an Bedeutung gewin-
nendes Volk mit eigener Sprache auftreten, haben ja ihre Vorgeschichte
gehabt. Wir wissen aber nicht, wo wir sie ansiedeln sollten und wie früh
sie von der nordöstlichen Gebirgsfront Mesopotamiens in die Hügel
landschaft und Ebene hinabgestiegen sind. Verwandte der Hurriter, die
Urartäer, sind im 13. bis 6. Jahrhundert v. Chr. in Ostanatolien und im
Gebiet des heutigen Armenien anzutreffen. Man hat versucht, ihre
Sprache mit heutigen Sprachen aus dem Kaukasus in Verbindung zu
bringen.
Schrift, Sprachen und Schreiber 33
auch solche aus Stein oder Metall (manchmal implizierte der Name
auch schon das Material). Das Anordnungsprinzip ist rein linear, und
die einzelnen «lexikalischen» Einheiten folgen aufeinander nach ganz
verschiedenen Assoziationstypen: Bald ist die Verbindung rein sach
licher Art, z. B. auf die Form oder Funktion von Gefäßen bezogen, bald
ist sie lautlich, d. h. es wurden ähnlich klingende oder gleich anlauten-
de Wörter hintereinander gereiht; aber ebenso oft ist die Assoziation
auch optisch, d. h. an der Gestalt der Schriftzeichen (oder der Verbin
dung zweier oder mehrerer Zeichen) orientiert; auch Gegensätze zie
hen sich gelegentlich an. Die «lexikalischen» Listen sollten nicht nur
vom Schriftbild, sondern auch vom Klang her möglichst gut geeignet
sein für die Grundlage aller vorderorientalischen Wissenschaft: das
Auswendigwissen. Neben Listen über Gefäße gab es Verzeichnisse
von Metallen und Metallgegenständen, von Steinen, Mineralien und
Steingerät; der riesige Bereich der Erzeugnisse aus Schilf und Rohr
wurde «lexikalisch» verarbeitet; weiter Tuche und Textilien, Leder
und Lederwaren, die schon früh ungeheuer verzweigte Vielfalt der
Menschenklassen (Altersstufen, Verwandtschaftsbezeichnungen, Be-
rufe, Ämter) und dann die Welt, die der Mensch bewohnte: Felder und
Wasserläufe, Ortschaften, Städte und Länder sowie schließlich die am
Himmel widergespiegelte andere Welt der Sterne. Das alles ist in nuce
schon fast zu Beginn des sumerischen Schriftwesens angelegt, und es
ist faszinierend zu beobachten, wie oft eine einmal geschaffene Rei-
hung der Begriffe in den Grundzügen durch alle Wirren der Zeit hin
durch treu tradiert wurde.
Die «lexikalische» Liste, wie sie in der Assyriologie genannt wird,
konnte, wenn von Meisterhand geschrieben, auch ein Werk regelrech-
ter Kalligraphie sein, das uns noch heute ästhetisch anspricht. Es gibt
ja auf der Welt keine Schrift, die neben dem Zweck, praktisch zu sein,
nicht auch Schönheit anstrebte. Eindrucksvoll sind Übungstafeln, auf
deren einer Seite von Meisterhand vorgezeichnet ist, was der Schüler
auf der Rückseite gutwillig, aber noch rührend unbeholfen nach
schrieb.
Es sei hier noch angeführt, daß wir in der Keilschrifttafel aus Ton
ein so gut wie unvergängliches Schriftzeugnis besitzen, das nur durch
Bodenfeuchte und Versalzung beschädigt und zerstört werden kann.
Feuersbrunst dagegen, die Vernichterin so ungezählter Bibliotheken
aus Papyrus, Pergament und Papier, kann eine ungebrannte Tontafel
36 I. Die Anfänge
raum bis zu den archaischen Tafelarchiven von Ur; ED II für die Jahr
hunderte bis zu den Archiven von Šuruppak (modern Fāra) und ED III
für die Zeit von Šuruppak bis zu Sargon. Die Einteilung mag immer
noch praktisch sein; doch sind die jeweiligen Grenzpunkte willkürlich
gesetzt: Es sind durch den Grabungszufall bekannt gewordene Archive
und keine entscheidenden Einschnitte in der politischen Geschichte.
Wir werden folglich keinerlei Periodisierung im III. Jahrtausend vor der
Entstehung des Reiches von Akkade vornehmen.
Wir haben am Ende von Kapitel 4 Uruk auf seinem Höhepunkt verlas
sen. Es geht im folgenden nicht mehr an, die Geschichte Mesopota-
miens wesentlich aus der Sicht der einen Stadt Uruk zu schildern. Der
inschriftliche und archäologische Befund würde uns das nur in
äußerst eingeschränktem Maße erlauben, und wir würden die Bedeu
tung vieler anderer Orte unberechtigt herabmindern. Eine etwas jün-
gere Stufe der archaischen Texte von Uruk hat auffällige Parallelen an
anderen Orten Babyloniens. Besonders ergiebig erwies sich der Raum
um die Stadt Kis: der Fundort Ǧamdat Naṣ r ca. 30 km nördlich von
Kiš (und nur etwa 80 km südöstlich vom heutigen Baghdad), dessen
antiker Name noch nicht sicher feststeht; und Tall ῾Uqair ca. 40 km
nordnordwestlich von Kiš – vielleicht war es das antike Urum.
Hier finden sich viele der Typen von Wirtschaftsabrechnung, die
aus Uruk bekannt sind. Gegenüber den ältesten Tafeln hat der Schrei
ber jetzt einen ‹längeren Atem›. Eine einzelne Tafel kann bis zu fünf
Schriftkolumnen auf der Vorder- und auf der Rückseite haben. Mar-
kant sind auf der großen Mehrzahl der Tafeln nach wie vor Zahlzei
chen: für Gezähltes in der einfachen Reihe 1 ff. (Menschen, Tiere,
Gegenstände); für landwirtschaftliche Produkte, die im Hohlmaß ge
messen werden; und für Felderareale, gemessen in einem Flächen
maß-System, das über tausend Jahre lang Gültigkeit behielt. Die
größte in Ǧamdat Naṣ r gemessene Fläche hat einen Umfang von (5 ×
60) + (3 × 10) + 4/18 = 334/18 Bur, was über 20 km2 entspricht; auch
hier wird das oben (S.41) beschriebene Sexagesimalsystem angewen
det. Die Tafeln der beiden genannten Fundorte, um deren Verständnis
sich besonders R. K. Englund verdient gemacht hat, sind noch bei wei
tem nicht voll entziffert und inhaltlich gedeutet. Es scheint aber
unmißverständlich, daß den Abrechnungen komplizierte und umfang
reiche Verwaltungsstrukturen zugrunde liegen. Man kann einzelne
Verwaltertitel identifizieren wie beispielsweise sanga «Tempelverwal-
ter» (konventionelle Übersetzung), der manchmal durch den Zusatz
gal «groß» näher qualifiziert wird. Es kommt in Ǧamdat Naṣ r ein
ugula é-gal vor, ein «Vorsteher des großen Hauses», und es liegt nahe,
daß wir hier den ältesten Beleg für das sumerische Wort «großes
Haus» im Sinne von «Palast» vor uns haben. Am schwierigsten ist es,
44 II. Mesopotamien vorm Entstehen des Reiches von Akkade
Schreiber dieser Zeit bekannt waren, erfährt man aus einer Städteliste
aus Uruk, die keinerlei administrativen Zwecken diente, sondern Pro
dukt der Schreiberschule war (vgl. oben S.35 zu den Anfängen der
Lexikographie). Diese Liste beginnt, wiewohl aus Uruk stammend, mit
Ur; dann folgen Nippur und Larsa, und erst an vierter Stelle erscheint
Uruk selbst. Für die Schreiber dieser – übrigens in mehreren Exempla-
ren überlieferten – Liste war also Uruk nicht (oder nicht mehr) Anfang
und Mittelpunkt. Vielleicht sollte der Historiker überhaupt für die Vor
stellung offen sein, daß die Idee vom kulturellen Primat Uruks zu rela-
tivieren sei.
7. Ur
könnte falscher sein als solch ein Schluß. Wir wissen nicht, warum
Mes-kalam-dug fehlt.
Noch ein weiteres Rätsel harrt der Lösung. In dem sehr reichen Bil
derrepertoire zu Beginn des III. Jahrtausends erscheinen auch Schriftzei-
chen, die zur Darstellung von Städtenamen gebraucht wurden. Siegel-
abdrücke dieser Art sind bisher hauptsächlich aus Ǧamdat Naṣ r und Ur
bekannt geworden. Die «Städtenamen» kommen teils für sich allein und
in verschiedenen Kombinationen vor, teils auch vermischt mit anderen
Bildmotiven (zum Beispiel mit Tierköpfen oder abstrakten geometri
schen Mustern). Auffällig ist, daß bei der Reihung verschiedener «Städ
tenamen» eine weitgehend gleichbleibende Reihenfolge eingehalten
wird, die an die Reihung in den archaischen Städtelisten erinnert (s.
oben S. 35). Hatten die betreffenden Schriftzeichen nur einen rein deko
rativen Charakter, oder war in ihnen eine Mitteilung enthalten, etwa der
Ausdruck einer Zusammengehörigkeit (gemeinsame handelspolitische
Interessen)? Th. Jacobsen hatte schon 1957 von diesen Siegelabdrücken
aus eine regelrechte «sumerische Liga» erschlossen, und der Gedanke ist
1993 von R. J. Matthews wieder aufgegriffen worden; doch bleibt die Ba-
sis für einen so weitreichenden historischen Schluß sehr schmal.
Vor allem ist, wenn wir von literarischen Reflexen absehen (Sume-
rische Königsliste, «Gilgameš und Agga»), bisher nichts über das Ver
hältnis der verschiedenen Städte Babyloniens zueinander zu erfahren.
Zwar deutet ein bestimmtes Siegelmotiv in Uruk auf kriegerische
Auseinandersetzungen hin: Dargestellt sind zusammengekrümmt
und gefesselt am Boden liegende Gefangene, die von Wächtern mal
trätiert werden – ein rauher Kontrast zur friedlichen Welt der Siegel
mit Bildern aus dem Götterkult. Aber dergleichen ist für uns nur ein
schwacher Widerschein historischer Realitäten, die uns wohl auf im-
mer verloren sind. Dafür, daß die Städte sich nicht ungeschützt der
Außenwelt darbieten wollten, spricht das Aufkommen von Stadtmau
ern. Die von Uruk ist seit ca. 2800 bezeugt, und zwar in der imposan
ten Länge von über 9 km. Das akkadische Gilgameš-Epos preist diese
Mauer eingangs und ganz am Ende, und die altbabylonische Zeit sah
in ihr «das Werk des Gilgameš».
Eine These älterer Darstellungen der Geschichte Mesopotamiens,
die Hauptgegner der Sumerer zu Beginn des III. Jahrtausends seien
einwandernde Semitenstämme gewesen, deren jahrhundertelanger
Akkulturationsprozeß im Reich von Akkade gegipfelt hätte, läßt sich
48 II. Mesopotamien vorm Entstehen des Reiches von Akkade
9. Lagaš
Mit Ur-Nanše, dem Herrscher über den Staat Lagaš mit seiner Haupt-
stadt Girsu, ist das Stichwort für den Beginn einer chronologisch ge
nauer orientierten altorientalischen Geschichtsschreibung gefallen.
52 II. Mesopotamien vorm Entstehen des Reiches von Akkade
«Wir sind im Hafen nun, hurra!» könnten wir mit Puschkin im «Eu-
gen Onegin» ausrufen. Zwar sind wir noch genötigt, in Generationen
zu rechnen (20–30 Jahre) statt in genau abgezählten Regierungsjah
ren. Aber dieser verbleibende Ungenauigkeitsfaktor wiegt wenig,
wenn wir daran denken, wie in den weiter zurückliegenden Jahrhun
derten mit Zeiträumen gespielt wurde, die Jahrzehnte und Generatio
nen weit überstiegen.
Der Staat Lagaš-Girsu nahm einen Teil vom Südosten Babyloniens
ein und grenzte an Elam an. Die Tradition der Sumerischen Königs
liste hat Lagaš keiner Königlichen «Dynastie» für würdig befunden.
Dafür hat sich ein altbabylonischer Schreiber – wohl aus Girsu – ge
rächt, indem er eine satirisch gefärbte lokale Königsliste verfaßte.
Ur-Nanše nennt sich Sohn eines Gunidu, läßt diesen aber unbeti
telt; seine Nachfolger nannten sich immer ausdrücklich Söhne eines
«herrschenden» Vorgängers. Ur-Nanše könnte also ein homo novus
gewesen sein. Hier folgt das Familienstemma der von ihm abstam-
menden Dynastie:
Ur-Nanše (ca. 2520)
Stadtgottes NN» war. Mesilim «von Kiš», so fährt der Text fort, hatte
danach das Areal vermessen und eine Grenzstele in den Boden setzen
lassen. Hier ist auf einen Herrscher Bezug genommen, der als Ober
herr oder zumindest als Schiedsrichter anerkannt war. Mesilim han-
delte übrigens seinerseits auf Geheiß seines eigenen Gottes Ištaran,
der in Dēr jenseits des Tigris beheimatet war.
Soweit das Exposé; dann beginnt der Konflikt: Uš, ein Herrscher
von Umma, veränderte die Grenze zu seinen Gunsten, indem er Mesi-
lims Stele ausreißen ließ. Ningirsu griff ein und bewirkte einen Sieg
über Umma. E-ana-tum von Lagaš traf mit En-akale von Umma eine
neuerliche Grenzvereinbarung, ließ neue Stelen einsetzen und Mesi-
lims Stele an ihren Ursprungsort zurückbringen. Höchstwahrschein
lich bezieht sich der Text der Geierstele auf dieses Ereignis. Jedenfalls
stimmt En-metenas Formulierung, «Ningirsu habe das große Fang
netz auf Umma geworfen», hervorragend mit dem Bild der Geierstele
überein, das den Gott mit einem überdimensionalen Netz in der Hand
zeigt.
Grund für den generationenlangen Grenzkonflikt war nichts ande
res als der Streit um die Nutzung von Wasserrechten. Das stromauf
wärts gelegene Umma saß «am längeren Hebel» und konnte dem wei
ter unten liegenden Gegner die Wasserzufuhr schmälern, indem es
vom Fluß große Kanäle abzweigen ließ. Praktisch ging es um die Nut
zung einer optimalen Fläche von Ackerland.
Ein neuer Konfliktgrund trat ein, als Umma der Verpflichtung
nicht nachkam, die Gebühren für von Lagaš gepachtetes Land zu zah
len. En-metenas Vater und dann er selbst sind Gegner eines Ur-Lum-
ma von Umma. Schlacht und Verfolgung des Feindes werden genau
beschrieben. En-metena hatte schließlich auch mit einem den Thron
in Umma usurpierenden Nachfolger des Ur-Lumma zu tun, und hier
ist sogar – man ist an epische Breite erinnert – die Rede eines Boten
wiedergegeben. En-metena hat daraufhin durch eigene wasserbau
technische Maßnahmen erreicht, daß er sich der Bedrohung durch
Umma in Zukunft entziehen konnte.
En-metenas Text führt uns auf einen Höhepunkt der historischen
Überschau, der in einem so langen Atem auf Jahrhunderte nicht wie
der erreicht worden ist.
Vom letzten Herrscher der Dynastie von Lagaš, Iri-kagina (früher
wurde sein Name auch Uru-kagina oder Uru-inimgina gelesen),
Lagaš 57
men auf andere Tempelkomplexe in Girsu sowie auf die Tempel der
zahlreichen anderen Städte in Babylonien; oder ob wir es mit einem
zeitlich wie lokal beschränkten, dem heutigen Historiker freilich
höchst willkommenen Auswuchs einer Bürokratie zu tun haben.
Auf jeden Fall werden sanga «Tempelverwalter» des Staates Lagaš in
Iri-kaginas Reformtexten im Plural genannt, so daß mit einer Viel-
zahl paralleler Organisationen zu rechnen ist.
Das Personal war streng hierarchisch gegliedert. Zwar sind auch
«Priester» im engeren, rein kultischen Sinne bezeugt. Aber das aus-
schließlich Kultische tritt in den Texten der Ba᾿u-Archive hinter dem
Praktischen weit zurück. Die große Menge der Arbeitenden ist, soweit
nicht beruflich-handwerklich spezialisiert, als eren bezeichnet. Das
Wort meint die zu öffentlichem Dienst Verpflichteten und zwar, je
nach der Art des Einsatzes, Arbeiter oder Soldaten. Ziemlich häufig
kommen Sklavinnen vor (geme), die vorzugsweise beim Getreide
mahlen und in der Weberei angestellt waren. Männliche Sklaven sind
außerhalb der Privatsphäre, wo wir sie in Kaufverträgen kennenler
nen, selten bezeugt.
Ein Tempelkomplex wie derjenige der Göttin Ba᾿u verhalf einem
beträchtlichen Teil der Bevölkerung zu Arbeit und auf dem Wege der
«Redistribution» zu Brot. Entlohnt wurde in Viktualien, im wesent-
lichen Gerste, und durch Landzuweisung oder Pacht konnte Familien
die Existenzgrundlage gewährt werden. Alles Nähere aber, etwa die
Frage, welcher und ein wie hoher Teil der Bevölkerung wie lange im
Jahr zu öffentlichen Arbeiten (oder zum Kriegsdienst) herangezogen
werden konnte, welche Rechte diese Personen hatten und wie groß
der «private Sektor» war, d. h. von der Bindung an einen Tempel oder
an den Palast unabhängige Personen, ist noch nicht bekannt, und wir
werden wohl auch nie über die für solche Erkenntnisse nötigen Stati
stiken verfügen.
Neben Verwaltungsbeamten, Priestern, Richtern, Künstlern und
Kunsthandwerkern (im Altertum werden sie nicht unterschieden)
und den «ungelernten» Arbeitern (zum Beispiel eingesetzt zur Bewe-
gung von Erde, zum Streichen von Ziegeln oder zum Wasserschöpfen)
ist die berufliche Spezialisierung weit fortgeschritten. Es gibt eine fein
gegliederte Terminologie für das Handwerk und für seine Zulieferer.
So bezog, um nur ein Beispiel zu nennen, der Rohrmattenflechter sein
Material nicht durch eigenen Gang in die Schilfsümpfe, sondern über
60 II. Mesopotamien vorm Entstehen des Reiches von Akkade
10. Lugal-zage-si
Der aus Umma stammende Lugal-zage-si ist für uns der erste Herr
scher, der sich in seinen Titeln nicht mehr nur – oder primär – auf eine
lokale Residenzstadt bezieht, sondern der ein «gemein-sumerisches»
politisches Konzept vorführt. Lugal-zage-sis erster Titel ist «König
von Uruk, König des Landes», und er gebraucht hier das sumerische
Wort kalam, das das gesamte Gebiet von Sumer einschließt. Er nennt
als seine Untertanen «alle Throninhaber von Sumer» (bara-bara-
kiengi), und er führt in einem längeren Katalog die von ihm be-
herrschten Städte auf (Uruk, Ur, Larsa, Umma, Nippur und andere). In
seiner Phraseologie ist vieles von Akkade vorweggenommen: «Als
Enlil, der Herr aller Länder, dem Lugal-zage-si das Königtum (nam-
lugal) über das Land (kalam) gegeben, als er den Blick des Landes auf
ihn gerichtet, ihm alle Fremdländer unter die Füße gezwungen und
sie ihm von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unterworfen hatte,
Lugal-zage-si 61
da hat er ihm vom Unteren Meer, den Tigris und Euphrat entlang, bis
zum Oberen Meer den Weg geebnet. Von Sonnenaufgang bis Son
nenuntergang ließ Enlil ihn keinen Widerpart haben ...». Manche
Wendungen lesen wir hier zum ersten Mal, und vielleicht waren sie
tatsächlich erstmalig in der Geschichte. Nur sei nicht vergessen, daß
wir immer nur von einer durch den Fundzufall bestimmten Quellen-
lage ausgehen. Das oben (S. 37) zitierte Diktum von F. R. Kraus gilt
nach wie vor.
Das «Untere Meer» ist der Persische Golf, das «Obere Meer» das
Mittelmeer. Aber davon, daß Lugal-zage-si wirklich einen Zug von
«unten» nach «oben» unternommen hätte, steht in seinem Text nichts.
Die Wendung kann sich durchaus auch auf erfolgreiche Handelsverbin
dungen beziehen. Der geographische Horizont war in der Tat, wie uns
die Schrifttradition in Ebla lehrt, längst weit nach Nordwesten, bis nach
Syrien, ausgedehnt.
Lugal-zage-sis Regierung hätte der Sumerischen Königsliste zu
folge 25 Jahre gedauert, und diese Zahl liest sich plausibel. Am Ende
unterlag er Sargon von Akkade. Wie es dazu gekommen ist, daß er
sich von Umma aus zum König von Uruk aufschwang, liegt noch
gänzlich im Dunkel. Einer seiner Vorgänger dort, Lugal-kiniše-
dudu, hatte Uruk und Ur beherrscht und sich gar «König von Kiš»
genannt. All dies nur Einzelheiten, die uns symptomatisch erschei
nen für den raschen Wechsel politischer Konstellationen in Babylo
nien.
Merkwürdigerweise stellt sich der Norden Babyloniens in den
Jahrhunderten von Akkade mehr im Spiegel der Inschriften südliche-
rer Städte denn als historische Wirklichkeit mit eigenen lokalen Quel
len vor. Aber das beruht auf dem vielberufenen wie auch viel ge
schmähten Zufall der Funde. Der traditionsträchtige Herrschertitel
«König von Kiš» ist überwiegend bei Herrschern aus Südbabylonien
bekannt, und selbst bei dessen ältestem Träger, Mesilim, ist gar nicht
sicher, ob er ein in Kiš selbst oder vielmehr in Dēr residierender Fürst
war. Auf der anderen Seite hatten wir genug Grund, auf die Promi
nenz von Kiš hinzuweisen, die sich ja unter anderem darin äußert, daß
die Sumerische Königsliste den Dynastienreigen nach der «Flut» mit
Kiš eröffnet. Aber auch Sippar, das die Königsliste sogar einer Dyna
stie «vor der Flut» würdigt, ist bisher erst durch drei kümmerliche In
schriftenfragmente vertreten.
62 II. Mesopotamien vorm Entstehen des Reiches von Akkade
Es wäre nun reine Willkür, wenn wir uns den geographischen Begriff
«Babylonien» als etwas in sich Abgeschlossenes vorstellten. Wir müs
sen die Nachbarlandschaften einbeziehen: das Diyāla-Gebiet, die An-
rainer des Euphrats oberhalb vom «Flaschenhals», das spätere Assy-
rien und ganz im Südosten auch Elam. Danach müssen auch noch die
Region am Euphratnebenfluß Hābūr und Syrien westlich vom Ober
˘
lauf des Euphrat zu Wort kommen.
Nur 25 bis 60 km nördlich von Kiš liegen drei Städte, östlich vom
Tigrisnebenfluß Diyāla und im Winkel zwischen diesem und dem Ti-
gris: Akšak, Tutub und Išnun, die alle schon in der Zeit vor Akkade das
Interesse auf sich lenken, wo bisher aber nur ein Minimum an In
schriften gefunden wurde.
Akšak hat höchstwahrscheinlich einen späten Fortsetzer in der
hellenistischen Stadt Opis. Es gehörte um die Mitte des III. Jahrtau-
sends v. Chr. zu den Städten oder Stadtstaaten, mit denen E-ana-tum
von Lagas im Streit lag und die er besiegte. Man könnte meinen, daß
eben dieser Sieg E-ana-tum bewogen habe, den Titel «König von
Kiš» anzunehmen; denn Akšak lag noch weiter im Norden als Kiš.
Leider kann man über die womöglich hochbedeutende Stadt bisher
nichts Deutlicheres sagen. Die Sumerische Königsliste kennt eine
«Dynastie» von Akšak mit sechs Königen, von denen die Hälfte ak
kadische Namen hat. Eine gewisse Mystifizierung Akšaks zu Beginn
des II. Jahrtausends zeigt sich darin, daß der Stadtname als ein
gleichsam theophores (einen Götternamen darstellendes) Element in
Personennamen vorkommt: etwa Akšak-semi «Aksak (er)hört», wie
wenn hier auf die Stadt als Heiligtum hingewiesen wäre, dem man
sich zuwenden und von dem man «Erhörung» einer Bitte erwarten
konnte.
Tutub (meist wird es unter dem modernen Ruinennamen Hafāǧi
˘
zitiert) sticht hervor mit einer dort freigelegten riesigen Kultanlage:
Innerhalb einer ovalförmigen Einfriedigung lag ein Tempel auf einer
Terrasse, eine auch in Babylonien nicht unbekannte Architektur
form.
Historisch-diachronisch am besten bezeugt ist Išnun (oder
Išnuna). Die Stadt hieß unter der III. Dynastie von Ur Ašnuna, und
Das Diyāla-Gebiet 63
12. Mari
13. Ebla
näischen Zweig der semitischen Sprachen (zu welchem auch das He
bräische gehört). Dagegen ist aber einzuwenden, daß einerseits um die
Mitte des III. Jahrtausends v. Chr. wohl noch die meisten semitischen
Sprachen einander relativ nahe standen; vor allem aber, daß der Wort
schatz in Ebla urtümlicher ist als der des mesopotamischen Akkadisch,
weil die Akkader im Zweistromland viele der ihnen ursprünglich eige-
nen Wörter gegen Lehnwörter aus dem Sumerischen eingetauscht hat
ten. Nur ein Beispiel: kinnārum «Leier» (oder «Harfe»), bezeugt in
Mari und Ebla, klingt unmittelbar an hebräisch kinnōr an. Im Akkadi
schen von Babylonien heißt die Leier dagegen balangum oder balag
gum, und dieses Wort ist vom sumerischen balag abgeleitet.
Die Palastverwaltung befaßte sich auf der Einnahmeseite vor allem
mit Ernteerträgen, der Schafschur und dem Eingang von Wolle sowie
der Einnahme von Steuern und «Geschenken» (die Grenze läßt sich
für uns nicht immer scharf ziehen); auf der Ausgabenseite mit dem
Konsum, Zahlungen an Individuen, der Verteilung von Rationen und
besonders häufig von Textilien, für die eine reichhaltige Terminologie
entwickelt ist. Die in der Summe einzelner Tafeln genannten Quanti
täten übertreffen alles bisher aus Texten Babyloniens Gewohnte: zum
Beispiel 36100 Schafe, 150 Minen Silber oder 20 Minen Gold (das
Zähl- und Maßsystem ist im Gegensatz zu Babylonien dezimal). Der
Palast war also Zentrum eines sehr großen Einzugsbereiches. In der
Tat sind durch die Ebla-Texte Hunderte neuer Ortsnamen bekannt ge
worden (die meisten nicht lokalisierbar; meist waren es wohl Dörfer).
Nordsyrien muß damals sehr dicht besiedelt gewesen sein. Nur so
läßt sich der Reichtum erklären, von dem die Texte Zeugnis ablegen.
Eine Wirtschaftsgeschichte von Ebla unter Auswertung aller Quellen
ist allerdings noch eine Aufgabe der Zukunft.
Der Herrschaftsbereich von Ebla läßt sich zwar noch nicht genau
abstecken. Er schloß aber im Süden Hamath am Orontes ein (das heu
tige Ḥ amā), im Nordosten Karkemiš am Oberlauf des Euphrat (an der
heutigen türkisch-syrischen Grenze), im Nordwesten die Ebene von
Antiochia und mit diesen drei Eckpunkten zweifellos auch Ḥ alab
(Aleppo). Der Staat durchmaß also auf einer Achse von Südwesten
nach Nordosten wenigstens 270 km. Zwischen diesem Territorium
und dem von Mari lag ein anderer unabhängiger Staat mit dem Zen
trum in Emar am Euphratknie (aus Emar sind bislang erst Texte des
15. Jahrhunderts v. Chr. bekannt geworden – Grabungszufall!). Nord
Ebla 67
syrien war also keineswegs politisch geeint, aber auch nicht in dem
Maße zersplittert wie so häufig Babylonien.
Einer der Nachbarstaaten im Nordosten und wohl östlich vom
Euphrat unweit Karkemiš war Abār-sal. Im Palastarchiv von Ebla ist
eine – als kalligraphisches Meisterwerk zu bezeichnende – Tafel ent-
halten, die einen von Ebla diktierten Vertrag zum Gegenstand hat.
Auf eine Beschreibung des Verlaufs der gemeinsamen Grenze (man-
che der genannten Orte sind aus den Verwaltungstexten bekannt, aber
noch nicht lokalisierbar) folgen knapp 50 Einzelbestimmungen, von
denen einige durch das akkadische šumma «wenn» eingeleitet sind –
ganz so wie viele Jahrhunderte später in den altbabylonischen Rechts
«Codices». Behandelt werden in diesen «Paragraphen» unter anderem
(längst nicht alle sind schon voll für das Verständnis erschlossen) die
Angelegenheiten und die Sicherheit von Boten und Kaufleuten; Ver
letzung der Gastfreundschaft durch vom Gast verübten Diebstahl; die
Verpflichtung Abār-sals, Ebla über jegliche «unguten Angelegenhei-
ten» (d. h. wohl Pläne zum Aufruhr oder Umsturz) zu informieren;
das Verbot, entlaufene Sklaven (der Gegenseite) zu verbergen; den
Fall, daß ein Ermordeter über die Grenze geschafft wird, um die Ge
genseite zu beschuldigen; Raufhändel mit Todesfolge anläßlich eines
Festes. Statt Abār-sal haben einige Forscher vorgeschlagen, «Assur»
zu lesen. Es hat sich jedoch gezeigt, daß eine solche Lesung paläogra
phisch nicht begründet werden kann, von der Unmöglichkeit, eine
gemeinsame Grenze zwischen Ebla und Assur anzunehmen, ganz ab-
gesehen.
Die Herrscher von Ebla wurden in der Schrift mit dem «Sumero-
gramm» EN bezeichnet, dessen akkadische Lesung noch nicht sicher
ermittelt ist. Die Häupter abhängiger Territorien hießen, ebenfalls in
sumerographischer Notierung, LUGAL, und auch hier ist die Umset
zung ins Akkadische noch nicht klar: šarrum «König» (wie man es in
Babylonien erwarten würde) oder rubā᾿um «Großer» (so hieß der
Herrscher von Assur in der ersten Hälfte des II. Jahrtausends v. Chr. –
auch lugal heißt ja «große Person»)? Für die Frau des Herrschers wur-
de eine zu *malikum gehörige weibliche Form maliktum «Königin»
verwendet.
Der Staat von Ebla ist in der Forschung und in allgemeineren Dar
stellungen öfters als ein «Reich» (impero) bezeichnet worden, und
man hat damit einen Ausdruck vorweggenommen, der sonst dem
68 II. Mesopotamien vorm Entstehen des Reiches von Akkade
Fundplätze Tall Ḥ alaf, Čāġ ir Bāzār und Tall Brāk und auch der schon
erwähnte Tall Baidar, wo Tontafeln entdeckt wurden, die zeitlich in
den Zusammenhang mit den vorsargonischen Tafeln von Mari und
Ebla gehören.
100 km weiter östlich stoßen wir an den mittleren Lauf des Tigris
mit Ninive und Assur. Aber diese Landschaft, die später als Assyrien
Weltruhm erlangte, ist zwar reich an prähistorischen Altertümern;
doch ist sie in der Zeit vor der Dynastie von Akkade noch stumm, was
schriftliche Quellen betrifft. Gut möglich, daß dieser negative Befund
nur dem vielbeschriebenen Grabungszufall anzulasten ist. Es mag
aber auch sein, daß die ganz andere Verkehrslage, das Fehlen einer na
turgegebenen leicht zu bewältigenden Verbindung zu Babylonien, mit
im Spiel war. Der Weg tigrisaufwärts ist viel weniger verkehrs- und
daher auch weniger handelsfreundlich als die Euphratstrecke. Der
schneller fließende Tigris eignet sich schlecht für die Schiffahrt oder
das Treideln stromaufwärts. Südlich von Assur ist auf dem Landweg
der Gebirgszug Ǧabal Ḥ amrãn zu überqueren.
Diese geographischen Verhältnisse haben sich auch sprachlich nie
dergeschlagen. Während zu Beginn des II. Jahrtausends von Babylonien
euphrataufwärts bis nach Mari ein kaum differenzierter «babyloni
scher» Dialekt des Akkadischen (das Altbabylonische) geschrieben
wurde, haben Babylonien und Assyrien im II. und I. Jahrtausend v. Chr.
grundverschiedene Dialekte gesprochen, und – erstaunlicherweise oder
gerade auch nicht – genau diese Dialektverteilung spiegelt sich auch
beim Arabischen des heutigen Iraq und der syrischen Euphratanrainer
nahe der iraqischen Grenze wider. Wir müssen aus all diesen Gründen
«Assyrien» im hier behandelten Zeitraum noch außer acht lassen.
Wir beenden den Rundblick, indem wir nach Südosten zurückkeh
ren – nach Elam und zu den Landstrichen am Persischen Golf.
Elam im engeren Sinne, die Susiana der Griechen, entspricht etwa der
heutigen persischen Landschaft Hūzistān, durch die die Flüsse Diz,
˘
Kārūn und Karha fließen. Im weiteren Sinne schließt Elam auch einen
˘
Teil vom späteren Medien sowie die Landschaft Fārs (die griechische
Persis) ein. Dieses größere «Elam» war wie Mesopotamien kaum je
70 II. Mesopotamien vorm Entstehen des Reiches von Akkade
laden» auf den Fernhandel durch den Golf. Das bedeutet, daß die Til
muniten, gewiß nicht ohne gehörigen Gewinn, den Weitertransport
besorgten.
Vom hohen Alter der Besiedlung Tilmuns und seines Küstenhin-
terlandes sprechen die zahlreichen Funde von Scherben der Keramik
des ῾Obēd-Horizonts (seit ca. 4000 v. Chr., s. oben S. 10), die auf
Baḥ rain, in Qatar und längs der weiter nordwestlich verlaufenden
Golfküste gemacht wurden. Magan selbst, das als Kupferlieferant
berühmte ῾Omān, kommt in den Texten vor der Akkade-Zeit noch
nicht vor – vielleicht wieder nur durch den Fundzufall bedingt.
Zu welchem Volk die hier genannten Golfanrainer gehörten und
welche Sprache sie gesprochen haben (eine semitische?), ist bisher un
bekannt.
«Männer» für akkadisch *aṭ lūtum. Mit der Zeit hat sich das Akkadi
sche von diesen unbeholfenen Anfängen freigemacht und ist weitge
hend zur Schreibung mit Silbenzeichen übergegangen. Gänzlich hat
man die Sumerogramme aber nie aufgegeben. Denn auf der einen
Seite waren sie, mit Maßen verwendet, nicht unpraktisch. Man
schrieb schneller und erzielte manchmal auch einen optisch klareren
Eindruck. Was das Verständnis betraf, so war ja die Leseerwartung
beim antiken Schriftkundigen eine andere als bei uns heute. Die mei
sten wußten im voraus, um was es sich im Text handelte. Auf der an-
deren Seite gehört es aber zur Selbstgefälligkeit der Schreiberkasten
aller Zeiten, konservativ zu sein und dem Komplizierten nicht aus
dem Weg zu gehen.
Dies sind nur die gröbsten Umrisse. Für alles, was bei der Keil-
schrift weiter ins einzelne geht, müssen Fachbücher zu Rate gezogen
werden.
Man kann zusammenfassend sagen, daß die Keilschrift an der
Schwelle zum Reich von Akkade ein voll entwickeltes Medium war,
fähig zur eindeutigen Mitteilung, geeignet auch zum Ausdruck kom-
plizierter, satzmäßig verschachtelter Gedankengänge (wir haben das
anläßlich der Königsinschriften von En-metena und Iri-kagina be-
tont) und – das sei nicht vergessen – imstande, neben nüchternen All
tagsnachrichten auch Literatur in erlesenem Stil und schöner Sprache
wiederzugeben.
III.
Das «Reich» ist, was die altorientalische Geschichte angeht, eine mo-
derne Bezeichnung, die keinen antiken Gegenbegriff hat, wenigstens
nicht im Sinne von «Reich von ...». Die Könige der «Dynastie von
Akkade» – wir haben «Dynastie» anläßlich der schon oft erwähnten
Sumerischen Königsliste definiert – haben sich seit ihrem ersten Ver-
treter, Sargon, «Könige der Gesamtheit» genannt (šar kiššatim), und
dieser Titel macht von einem eleganten Wortspiel Gebrauch, dem An
klang des Stadtnamens Kiš und des Wortes kiššatum «All, Gänze».
«König von Kiš» ist ja ein altehrwürdiger Herrschertitel gewesen, der
einen weit über den Stadthorizont von Kiš hinausreichenden Herr
schaftsanspruch anmelden sollte. Die altmesopotamischen Schreiber
sind allerorts und zu allen Zeiten zu lautlichen oder graphischen, d. h.
mit den Bedeutungen der Keilschriftzeichen operierenden Spielereien
aufgelegt gewesen, und sie haben dabei auch nicht vor der höchsten
Herrschertitulatur Halt gemacht.
Das «Reich von Akkade» ist der Nachwelt in wehmütiger Erinne-
rung geblieben als Verkörperung der immer wieder vermißten Ein
heit der von Sumerern und Akkadern besiedelten Landstriche. Daß
aber die gut anderthalb Jahrhunderte währende Gegenwart von den
Untertanen der fünf großen Könige von Akkade tatsächlich als eine
«Reichszeit» empfunden worden wäre, muß man bezweifeln. Denn
diese Zeit hat sich in ihrem politischen Ablauf kaum von der Vergan
genheit und von dem, was folgte, unterschieden. So sehr war sie er
füllt von Versuchen der Erhebung und von Zersplitterungstendenzen.
Dennoch sollte unser Urteil weniger zurückhaltend sein. Denn eine
Konstante läßt sich in dieser Zeit nicht leugnen, und sie muß den
Zeitgenossen von vier oder fünf Generationen bewußt gewesen sein:
Bezugspunkt war der Anspruch, ganz «Sumer und Akkad» zu beherr
schen und zu regieren.
Die fünf Herrscher sind genealogisch, wie folgt, anzuordnen (Re-
gierungsjahre nach der Sumerischen Königsliste):
Sargon 77
37 Jahre)
24 Jahre)
Die Regierungsjahre sind durch keine andere Quelle bestätigt, und die
Varianten bei Rãmuš und Man-ištušū sowie die Zahlengleichheit bei
Sargon und seinem Enkel Narām-Suen mahnen zur Skepsis. Auch für
die Generationenfolge können wir uns nur auf die Königsliste bezie
hen, die noch die bemerkenswerte Tatsache überliefert, Man-ištušū
sei der ältere Bruder seines Vorgängers Rãmuš gewesen.
Das Haupthindernis, in der zweiten Hälfte des III. Jahrtausends
v. Chr. ein mehr oder weniger zuverlässiges chronologisches System
zu errichten, ist die ungelöste Frage, wieweit sich die beeindruckend
lange Regierungszeit Sargons mit der des von ihm besiegten Lugal-
zage-si von Uruk überschnitten hat. Denn daß Sargon, wie es die Su
merische Königsliste mit ihrer Konstruktion der glatten Herrschafts
abfolgen glauben machen will, nach seinem Sieg über Lugal-zage-si,
den Herrscher von Uruk, überhaupt erst sein erstes «akkadisches» Re
gierungsjahr angetreten hätte, ist ganz unwahrscheinlich.
18. Sargon
Sargons Herkunft ist dunkel, und sie war schon früh sagenumwoben.
Die akkadische Geburtslegende ist eine «Aussetzungsgeschichte». Ihr
zufolge wurde Sargon von einem Gärtner als Ziehsohn angenommen.
Später hätte die Göttin Ištar an dem jungen Sargon Gefallen gefunden
und ihm den Weg in eine große Zukunft gebahnt. Eine in sumerischer
78 III. Das Reich von Akkade
von – außer den Sprachen – ist nur noch in Resten greifbar; unsere
Quellen vermitteln freilich den Eindruck eines allmählich immer stär-
keren Zusammenwachsens. Zunächst erscheint die sumerische Kultur
als der überwiegend gebende Teil, bis sich gegen Ende des III. Jahrtau
sends die Einflußrichtung umkehrte.
Frühestes Zeugnis für das «Geben» der Sumerer ist die Übernahme
eines Großteils der Götter des sumerischen Pantheons durch die Ak
kader. Bemerkenswert ist darüber hinaus, daß bis ins I. Jahrtausend
v. Chr. so gut wie alle mesopotamischen Tempel sumerische Namen
haben. Die Durchsetzung der akkadischen Sprache mit sumerischen
Lehnwörtern kann man, ohne zu übertreiben, vergleichen mit der Be-
reicherung des Deutschen durch lateinische Lehn- und Fremdwörter.
Ur-Zababa von Kiš, Sargons ehemaliger Oberherr, hatte einen
«hybrid» gebildeten Namen, der sich zusammensetzte aus dem sume
rischen Element ur «Mann», «zugehörig zu» und dem nichtsumeri-
schen Götternamen Zababa. Dabei war der König von Kiš zweifellos
Akkader und kein Sumerer. Für En-hedu-Ana war es eine Selbstver-
ständlichkeit, daß sie ihren in Liedform gekleideten, an die Göttin
Inanna (oder, wenn man will: Ištar) gerichteten Protest in einem Su
merisch von höchster Eleganz formulierte.
Wenn Sargon betont, er habe in die Stadtfürstenämter «Söhne von
Akkade» eingesetzt, so hatte er damit keine «Akkadisierung» ethni-
scher oder sprachlicher Art im Sinn – eine solche Annahme wäre ganz
anachronistisch. Wie auch immer wir uns diese Maßnahme genau
vorzustellen haben, sie zielte darauf ab, eroberte Städte (und das wa
ren ja keineswegs nur sumerische) mit Personen zu besetzen, die den
Herrscherfamilien clanmäßig verbunden oder sonst loyal ergeben
waren.
Wir können zu dem in der Altorientalistik oft und kontrovers disku
tierten Thema des «sumerisch-akkadischen Gegensatzes» resümierend
feststellen, daß sich in der unverkennbaren Symbiose von Sumerern
und Semiten beide Teile viel öfter aufeinander zubewegt haben, als daß
sie auf Distanz gegangen wären. Im Konflikt von Ur und Akkade war
Ur der ungewünschte Andere, aber nicht der Feind par excellence, wie
dies bereits im vorsargonischen Konflikt der sumerischen Stadtstaaten
von Girsu-Lagaš und Umma der Fall gewesen war.
Wir sprechen von «Akkade», ohne daß wir diese in den zeitgenössi-
schen Quellen aufs reichlichste bezeugte Stadt bisher genau lokalisie
82 III. Das Reich von Akkade
Gewiß ist es Sargons Sohn Rãmuš (er regierte neun, Variante: fünf-
zehn Jahre) nicht in den Schoß gefallen. Er mußte es sich erst wieder
«erwerben, um es zu besitzen». Andernfalls würden seine – ebenfalls
84 III. Das Reich von Akkade
sen. Die aus der Zeit seiner Herrschaft in besonders großer Fülle über-
lieferten Ereignisse können wir bisher nur sehr grob in ein zeitliches
Raster einfügen.
Das bedeutendste – und das Reich in seinem Kern bedrohende – Er
eignis war «der große Aufstand»: In Uruk und in Kiš wurden zwei
Könige eingesetzt, die die Unabhängigkeit voneinander und von Ak
kade beanspruchten. Narām-Suen besiegte und zerstörte Kiš, eine
Stadt mit hochberühmter Vergangenheit, und war auch erfolgreich
im Kampf gegen Uruk und dessen neue Verbündete. Wie Rãmuš brü
stet sich der König mit Zahlen der Erschlagenen und Gefangenen: 13
«Statthalter», 23 «Stadtoberhäupter», 1210 «Große» und 118140
sonstige Personen – was auch immer man von der Glaubwürdigkeit
solcher Zahlen halten mag. Narām-Suen stilisierte die Summe seiner
Gegner als die «vier (Welt-)Ufer», d. h. die Gesamtheit der Erde, die
man sich wohl als ein riesiges wasserumgebenes Feld vorstellte. Er
selbst nahm dann den Titel «König der vier (Welt-)Ufer» an, der sich
in den folgenden Jahrhunderten fest in der mesopotamischen Herr-
schertitulatur verankerte.
Von noch größerer Tragweite jedoch war die Vergöttlichung des
Königs. Einer Statueninschrift zufolge war sie ihm von acht bedeuten-
den Reichsstädten einschließlich der Hauptstadt Akkade selbst als
Dankesgestus im Namen der jeweiligen Stadtgottheiten angetragen
worden. Diese Vergöttlichung manifestierte sich im Bau eines eigenen
Tempels für den König und – graphisch sichtbar – darin, daß man dem
Namen des Königs, wie es bei einer Gottheit üblich war, das sog. Got
tesdeterminativ voransetzte: So wie man z. B. für den Sonnengott Utu
DINGIR (= Gott) Utu zu schreiben pflegte, schrieb man nun auch
DINGIR (= Gott) Narām-Suen.
Sollen wir das Hybris nennen? Nicht jeder Mitspieler der Weltge
schichte darf für seinen ersten kühnen Griff moralisch gerügt werden.
Die Vergöttlichung des mesopotamischen Herrschers erscheint
durchaus nachvollziehbar als die logische Fortführung der Idee, der
zufolge der Herrscher «nur» der von der Stadtgottheit eingesetzte
Verwalter sei, der für das Wohl und Wehe seiner Untertanen zustän
dig und verantwortlich ist. Insofern ist der Herrscher in seiner Funk
tion schon immer ein Schutzgott oder «persönlicher Gott» (d. h. ein
für ein Individuum oder eine Körperschaft zuständiger Gott) gewe-
sen. Wenn sich also Narām-Suen oder sein Nachfolger Šar-kali-šarrã
88 III. Das Reich von Akkade
«Gott von Akkade» nennen, so läßt sich das als «Schutzgottheit von
Akkade» auffassen. Ein Jahrhundert später wird der «Stadtfürst»
(ensi) Gudea von Lagaš (s. Kap. 21), der seinen Namen nicht mit dem
vorangestellten «Gottesdeterminativ» schreiben ließ, dennoch als der
«ensi, der Gott seiner Stadt» bezeichnet. Gudea hatte allerdings kei-
nen eigenen Tempel.
Wie dem auch sei, unter Narām-Suen entstand die Idee des zur
Gottheit erklärten Königs. Sie sollte ihre Wiedergeburt in der III. Dy-
nastie von Ur erleben und setzte sich dann, erst noch kräftig und
überzeugend und schließlich immer mehr verblassend, in verschiede
nen Dynastien der altbabylonischen Zeit fort.
Eines der eindrucksvollsten Denkmäler der akkadischen Kunst des
III. Jahrtausends v. Chr. ist die Narām-Suen-Stele. Sie ist aus rotem
Sandstein gefertigt und ca. 2 m hoch. Sie zeigt den mit Pfeil und Bo
gen bewaffneten König, der wie ein Gott die «Hörnerkappe» trägt
(d. h. eine mit Hörnern besetzte Kopfbedeckung), im Gefolge seines
Heeres triumphierend in einer Gebirgslandschaft. Die Szene ist voller
Bewegung: bergan steigende oder nach oben grüßende Krieger, hin
sinkende, sich krümmende, abstürzende oder bittflehende Feinde, eine
schroffe Bergspitze und darüber zwei Gestirne (ein drittes befand sich
wohl auf dem weggebrochenen Teil links oben). Es ist dies eine Kom
position, die in einem scharfen Kontrast steht zu der meist ruhigen,
wenig Bewegung verratenden sumerischen Kunst der vorsargoni
schen Zeit. Die Narām-Suen-Stele verewigt einen Sieg im Gebirge,
und sie evoziert ikonographisch zum ersten Male jene «Bergvölker»
östlich vom Tigris, die immer zugleich gefürchtete Gegner, aber auch
Tributbringer und damit Rohstofflieferanten waren. Da Narām-Suen
in einer seiner Inschriften Kämpfe «in den Bergen von Lullubum» er
wähnt, ist es durchaus möglich, wenn auch nicht sicher, daß die Geg
ner auf der Stele die Lullubäer im Gebiet der heutigen iraqischen
Stadt Sulaimānãya (100 km östlich von Kirkuk) waren.
Hybris oder nicht? – haben wir gefragt. Narām-Suen nannte einen
seiner Söhne, der auch sein Nachfolger wurde, Šar-kali-šarrã, was auf
Akkadisch «König aller Könige» bedeutet (die sumerischen und akka-
dischen Personennamen waren – ganz anders als Namen in unseren
heutigen Sprachen – der lebendigen zeitgenössischen Umgangsspra-
che immer voll verständlich). Mit dem Namen Šar-kali-šarrã war
nicht etwa der Namensträger selbst gemeint, und es war auch kein
Rãmuš und seine Nachfolger 89
der Elamer). Sandstein, Höhe 200 cm. Heute Musée du Louvre, Paris.
zu bestreiten. Aber das ist nur eine der denkbaren Erklärungen und
Interpretationen.
Narām-Suen hat, sicher schon betagt, auch seinerseits das Reich
noch einmal an einen Sohn vererben können, Šar-kali-šarrã, der ein
Vierteljahrhundert lang regierte. Šar-kali-šarrã restaurierte das große
Enlil-Heiligtum Ekur in Nippur und bewies damit wohl eine glück
lichere Hand als sein Vater. Er zog bis an die Quellen von Euphrat und
Tigris. Wir hören von Kämpfen gegen die Gutäer, die sehr bald nach
Babylonien eindringen sollten, und zum ersten Mal wird während
seiner Herrschaft auch von einem Gegner Mesopotamiens berichtet,
der in den kommenden Jahrhunderten Furore machte: Šar-kali-šarrã
kämpfte im Gebirge Basar gegen die Amurriter. Das waren Sprecher
einer dem Akkadischen verwandten semitischen Sprache. In der Zeit,
wo uns die Amurriter erstmals in den Quellen begegnen, waren sie
Nomaden. Aber sie haben sich im Verlauf der Generationen und Jahr
hunderte immer stärker an die mesopotamische Kultur assimiliert, bis
sie ganz in ihr aufgingen. Das Gebirge Basar, wo Šar-kali-šarrã die
Amurriter schlug, liegt an der nordwestlichen Flanke des Reiches von
Akkade, westlich vom Euphrat auf der Höhe des heutigen Dēr al-Zōr,
und sein Name (neuassyrisch hieß es Bisuru) lebt noch im heutigen
arabischen Ǧabal Bišrã fort.
Manche der im Zusammenhang mit der Dynastie von Akkade be
richteten Ereignisse entstammen nicht nur den Königsinschriften,
sondern einer anderen Quellengattung, die sich uns allerdings erst ge
gen Ende der Dynastie von Akkade erschließt – den Jahresnamen. Es
sind dies kurze, zur Urkundendatierung benutzte Formeln vom Typ
«Jahr: König NN hat das und das unternommen» oder – ohne Nen-
nung eines Herrschernamens – «Jahr: das und das ist geschehen». So
heißt es etwa «Jahr: Šar-kali-šarrã hat die Amurru besiegt» oder «Jahr:
die Gutäer wurden geschlagen». Man verwendete also ein für das zu
dokumentierende Jahr besonders bedeutendes Ereignis als Erinne-
rungsmerkmal. Dabei wurden keineswegs nur militärische Erfolge be-
richtet. Datierenswert waren auch abgeschlossene Bauvorhaben, die
Ernennung hoher Priester oder Priesterinnen, bedeutende religiöse
Stiftungen, die Anlage eines neuen Kanals und vieles andere. Jedes
einzelne Regierungsjahr erhielt einen entsprechenden Namen. Der
brauch der Jahresbenennung ist möglicherweise noch älter als das
Keich von Akkade; man trifft ihn jedenfalls auch schon in altsume
92 III. Das Reich von Akkade
rischen Texten aus Nippur und in Ebla an (s. oben Kap. 13). Chronolo-
gische Relevanz hatte ein Jahresname zweifellos für den mit dem Ge
schehen vertrauten Zeitgenossen. Für uns ist er heute dagegen nur
von relativem Wert, solange wir das berichtete Geschehen nicht aufs
Jahr genau festlegen können. Aber auch das Gedächtnis der antiken
Schreiber war wohl überfordert, und daher wurden – spätestens in der
Zeit der III. Dynastie von Ur – regelrechte Datenlisten angelegt, in
denen man die Jahresnamen einer Anzahl von Herrschern in ihrer
genauen Abfolge ablesen konnte. Unnötig zu betonen, daß solche
Datenlisten für den modernen Historiker in der chronologischen Dis
kussion an oberster Stelle rangieren.
Die Datierung mit Jahresnamen ist bald nach dem Ende der altba
bylonischen Zeit außer Gebrauch gekommen. Danach datierte man in
Babylonien auf eine sehr viele praktischere Weise nach den Regie-
rungsjahren der einzelnen Herrscher, zum Beispiel «Kurigalzu Jahr
2». In Assyrien ist das System der Jahresnamen nie heimisch gewor
den. Dort wurden die Jahre nach markanten Persönlichkeiten be
nannt, sogenannten Eponymen (griech. «Benannte»); zwecks besserer
chronologischer Übersicht wurden Eponymenlisten geführt.
Es ist bisher unbekannt und aus den vorhandenen Quellen auch nicht
zu rekonstruieren, unter welchen genauen Umständen es spätestens
nach dem gewaltsamen Tod Šar-kali-šarrã zur Auflösung des Reichs
von Akkade gekommen ist. Die Sumerische Königsliste hat hier die
einzigartige Formulierung gefunden: «Wer war König, wer war nicht
König?», will sagen «Wer war denn dann eigentlich König?». Wir
kennen zwar noch Königslistenvermerke und die kurzen Inschriften
zweier Epigonen, die sich «König von Akkade» nannten; aber über de
ren Verhältnis zu den großen Vorgängern ist uns nichts bekannt.
Schon öfters haben wir betont, daß das Reich von Akkade bei aller
Größe doch ein sehr zerbrechliches Gebilde gewesen ist. Allem voran
fehlte eine, wie wir heute sagen würden, «staatstragende Idee», ein
allen gemeinsames Interesse an dem «Reich» – zweifellos ein anachro-
nistisches Verlangen. Nicht zu unterschätzen ist der beträchtliche Blut
zoll, den die beständigen Kämpfe der Akkade-Könige verlangt haben
Das Ende von Akkade – Rückblick 93
nach dem Sturz der Dynastie von Akkade entstand eine breitgefächer
te Literatur, die sich um die Herrscher Sargon und Narām-Suen rank
te; die Geburtslegende Sargons haben wir bereits erwähnt (oben
S. 77). Das Werk «der König der Schlacht» handelt von einem Feldzug
Sargons gegen die kleinasiatische Stadt Purušhanda, wo akkadische
˘
Kaufleute in Bedrängnis geraten waren – wir würden das heute als
einen Vorläufer des Abenteuerromans bezeichnen. Der «König der
Schlacht» ist lange tradiert und nach der Mitte des II. Jahrtausends
auch ins Hethitische übertragen worden. Ein langer episch ausgestal
teter Text hat den «großen Aufstand» Babyloniens gegen Narām-
Suen zum Gegenstand. Erst aus dem I. Jahrhundert ist ein Text auf
uns gekommen, der das Reich Sargons in seiner riesigen Ausdehnung
zu beschreiben versucht – vielleicht, wie A. K. Grayson vermutet hat,
das Elaborat eines neuassyrischen Schreibers, der seinem Herrn, Sar
gon II. von Assyrien (721–705), schmeicheln oder imponieren wollte.
Dieser Text beschreibt das Reichsterritorium, indem er beispielsweise
den Durchmesser einer Landschaft in «Doppelstunden» (insgesamt
etwa 108 000 m) angibt: «90 Doppelstunden, das ‹Geviert› des Landes
Elam». Anachronistisch erscheint die Einbeziehung von Kaptara (bi
blisch Kaphthor), d. h. Kreta. Der Autor hat die ihm vorschwebenden
Ideen des I. Jahrtausends v. Chr. (die wiederum nicht mit unserem
Landkartenbild gleichgesetzt werden dürfen!) auf Sargon von Akkade
übertragen.
IV.
Die zwei oder drei Generationen zwischen dem Ende des Šar-kali-šarrã
von Akkade und dem 1. Jahr Ur-Nammas von Ur werden zwar in Ge-
schichtsdarstellungen oft als die «Gutäer-Zeit» bezeichnet; es ist in-
dessen nicht klar, wie stark und in welchem Ausmaß jenes «Bergvolk»
seinen Einfluß geltend machen konnte. Ein Privatbrief aus Girsu, noch
aus der Zeit des Šar-kali-šarrã, deutet an, daß Anwesenheit von Gutä-
ern zeitweise die Felderbestellung unmöglich gemacht habe und daß
Vieh geraubt worden sei. Solche unsicheren Verhältnisse werden in
der Siegesinschrift des Utu-hegal von Uruk literarisch überhöht dar
˘
gestellt: «die Gutäer, Gebirgsdrachen, Revolte gegen die Götter, die
das Königtum von Sumer ins Bergland davongebracht, die Sumer mit
Unheil erfüllt, dem Ehemann die Frau, den Eltern die Kinder entführt,
die Unheil und Gewalt ins Land gebracht hatten». Auf der anderen
Seite hat sich einer der Gutäer-Könige, Erridupizir, um das Enlil-Hei
ligtum Ekur in Nippur bemüht (vgl. S. 93). Eine Verwaltungsurkunde
aus Adab (undatiert) verbucht die Ausgabe eines Quantums Bier an
den «Gutäer-Dolmetscher»; leider fehlt sein Name, so daß man nicht
weiß, ob es ein Einheimischer oder ein Gutäer war.
Ohne Zweifel hat es, wenn Mesopotamien durch eine Fremdherr-
schaft stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, doch auch Nischen ge
geben, wo sich das Leben im Rahmen traditioneller Stadtstaatenver
hältnisse ungestört abspielen konnte. Ob die Gutäer überhaupt eine
Stadt Südmesopotamiens zu ihrer Hauptstadt erhoben haben, läßt
sich bisher nicht nachweisen.
IV. Utu-hegal, Gudea von Lagaš 97
˘
21. Utu-hegal von Uruk, Gudea von Lagaš und seine Dynastie
˘
Utu-hegal aus einer Herrscherfamilie von Uruk gilt nach eigenem
˘
Zeugnis als der endgültige Überwinder der Gutäer-Fremdherrschaft.
Er besiegte einen gewissen Tirigan, König der Gutäer, samt zwei Statt-
haltern (oder Generälen – der Titel šagina läßt beiderlei Deutung zu)
mit Namen Ur-Ninazu und Nabi-Enlil. Die beiden hatten einen sume-
rischen (Ur-Ninazu) bzw. akkadischen (Nabi-Enlil) Namen, und wenn
es keine Gutäer waren, die sich bereits mesopotamisch benannten,
würde die Tatsache Bände sprechen für das opportunistische Verhal
ten Einheimischer.
Utu-hegal nennt sich in seinen Inschriften regelmäßig «König der
˘
vier Himmelsecken», hatte also die sumerische Version des in Akkade
entstandenen Titels «König der vier (Welt)-Ufer» übernommen. Das
läßt hohe Ansprüche erkennen. Er hatte offenbar Ansehen genug, in
einem Grenzstreit zwischen Ur und dem Staat Lagaš zu vermitteln.
Lagaš mit seiner Hafenstadt Gu-aba war für Ur – wenn kein gefähr-
licher, so doch ein ärgerlicher – Handelsrivale. Womöglich weit
reichende Ambitionen zu verwirklichen, blieb Utu-hegal keine Zeit.
˘
Er war der Bruder von Ur-Namma, zunächst Statthalter und dann Kö
nig von Ur, und Ur-Namma begründete ein Reich, das spätestens un
ter seinem Sohn Šulgi zurückfand zu den Dimensionen von Akkade.
Ob die Thronfolge von Utu-hegal auf Ur-Namma legal und in allem
˘
Frieden vor sich gegangen ist, wissen wir nicht.
Wir haben den Staat von Lagaš in der vorsargonischen Zeit be-
trachtet (s. Kapitel 9). Unter Akkade war er Reichsprovinz. Die Archi
ve der Stadt Girsu zeigen besonders deutlich, wie Akkadisch als Ver
waltungssprache das Sumerische überlagerte – ohne es freilich zu
verdrängen. Unabhängigkeitsbestrebungen des sumerischen Südens
hat Lagaš wohl nur halbherzig mitgemacht. Nach den generationen
langen und zweifellos im höchsten Grade belastenden Kämpfen mit
dem Nachbarstaat Umma entwickelte sich, wie es scheint, die Einsicht,
daß es besser sei, «andere die Kriege führen zu lassen», um selber zu
prosperieren. Lagaš verfügte mit Gu-aba «Meeresrand» über einen
Seehafen – oder zumindest einen Hafen an einer Lagune, die mit dem
offenen Meer verbunden war – und damit über die Möglichkeit, mü-
helos Fernhandel zu betreiben. Die Herrscher von Lagaš haben sich
98 IV. Utu-hegal, Gudea, die III. Dynastie von Ur
˘
seit Iri-kagina stets – und vielleicht nicht ohne diplomatische Klugheit
– mit dem Titel ensi «Stadtfürst» begnügt, der rang- und prestigemä-
ßig unter dem eines lugal «Königs» lag. Von Weltherrschaftsansprü-
chen findet sich in der Titulatur ihrer zahlreichen Bau- und Weihin
schriften keine Spur. Wir erinnern uns auch daran (s. oben S. 52), daß
die Kompilatoren der Sumerischen Königsliste Lagaš ganz beiseite ge
lassen haben.
Aus der Reihe der Stadtfürsten unter und im halben Jahrhundert
nach Akkade ragt Gudea heraus, wahrscheinlich bereits ein Zeitge
nosse des Ur-Namma von Ur. Das von ihm überlieferte sumerische In-
schriftenwerk ist das umfangreichste eines Herrschers im ganzen
III. Jahrtausend, das uns bisher bekannt geworden ist. Prunkstücke sind
zwei je ca. 60 cm hohe Tonzylinder mit 30 bzw. 24 Schriftkolumnen
und insgesamt 1363 Zeilen. Sie enthalten die hymnische Schilderung,
wie Gudea den Tempelturm Eninnû des Ningirsu, des Stadtgottes von
Girsu, restaurierte. Umfangsmäßig übertreffen die «Gudea-Zylinder»
fast alles, was sonst an sumerischen Literaturwerken überliefert ist.
So wie der Codex Hammurāpi (18. Jahrhundert v. Chr.) unser Bild von
Aufbau und Eigenart der akkadischen Sprache gleichsam normierend
geprägt hat, so verhält es sich sumerischerseits mit dem Tempelbau
hymnus Gudeas. Stilistisch schließt Gudeas Sprache an die Sprache
der vorsargonischen Schriftdenkmäler aus Girsu/Lagaš an; aber
inhaltlich trägt es unverkennbar den Stempel der Erfahrungen der
Akkade-Zeit. Die Länder, aus denen Gudea die Rohstoffe für sein Bau
vorhaben bezog, spiegeln den geographischen Horizont des Reiches
von Akkade wider: So fehlen Magan (῾Omān) und Meluhha (Indusge-
˘˘
biet) ebensowenig wie etwa das «Zederngebirge» Amanus (der heuti-
ge Gāvur Dağ an der Grenze von Nordwestsyrien und der Türkei).
Keine einzige Urkunde der staatlichen Wirtschaftsverwaltung ist
bisher auf uns gekommen, aus der hervorginge, auf welchem Wege
Gudea die immensen Kosten des Riesenbaus bezahlt hätte. Tributlei-
stungen müssen nach Lage der politischen Verhältnisse ausscheiden.
Der Bau ließ sich jedenfalls nur ausführen mit einer in langen Frie-
denszeiten wohlgefüllten Staatskasse.
Dem aufstrebenden Ur hat sich Lagas nicht widersetzen können. Un-
ter einem der Nachfolger Gudeas wurde es wieder eine abhängige Pro
vinz, und seitdem hat der Staat, über den einst E-ana-tum, Iri-kagina
und auch Gudea geherrscht hatten, nie wieder Selbständigkeit erlangt.
Das Reich der III. Dynastie von Ur 99
Die «III.» Dynastie von Ur nennt man heute so, weil sie zufolge der
Sumerischen Königsliste die dritte Herrscherreihe dieser Stadt war.
Unter ihren fünf Königen Ur-Namma (auch Ur-Nammu gelesen),
Šulgi, Amar-Suena, Šū-Suen und Ibbi-Suen dauerte sie 108 Jahre (ca.
2112–2004 nach der hier zugrunde gelegten «Mittleren Chronolo
gie»). Das große Reich von «Ur III» tritt uns in den zeitgenössischen
Quellen erst um die Mitte der 48jährigen Regierung von Ur-Nammas
Sohn Šulgi in voller Machtentfaltung gegenüber. Wie Ur-Namma
vom Statthalter von Ur unter seinem Bruder Utu-hegal (s. oben
S. 97) zum König aufgestiegen ist, wissen wir nicht, und es ist auch
chronologisch noch unklar, wie er (oder erst sein Nachfolger Šulgi?)
Lagaš als selbständigen Staat und Handelsrivalen ausgeschaltet hat.
Ur-Namma hat allerdings als erster den neuen Herrschertitel «König
von Sumer und Akkad» geführt und damit weitreichende Ansprüche
angemeldet.
Unter der – modernen – Bezeichnung «Codex Ur-Namma» ist ein
Werk in die altmesopotamische Rechts- und Literaturgeschichte ein-
gegangen, das den ältesten uns bisher bekannten Vertreter der Gat
tung «Gesetzessammlungen» darstellt. Jünger bezeugt sind der sume-
rische Codex Lipit-Ištar (etwa 1920 v. Chr.), auf Akkadisch der Codex
von Ešnunna sowie der Codex Hammurāpi (19./18. Jahrhundert) und
aus dem 14. Jahrhundert noch die Mittelassyrischen Gesetze. Diese
Reihe ließe sich gewiß verlängern, hätten wir einen vollständigen
Überblick, was jemals in Keilschrift geschrieben worden ist. Wir sind
aber ja wie immer bei unserer Denkmälerkenntnis auf das angewie
sen, was uns der Zufall der Ausgrabungsergebnisse und des Antiken
handels beschert.
Die Rechtspflege durch den Monarchen im Alten Orient ist im
Prinzip schon sehr viel früher bezeugt (vgl. oben S. 56 f. zu den «Re
formen» des Iri-kagina von Lagaš); aber der Versuch einer systemati
schen Darstellung von Rechtsverhältnissen ist vor Ur-Namma noch
nicht bekannt. Der Codex Ur-Namma ist eine von einem Prolog und
einem Epilog eingerahmte Sammlung von Sätzen, die dem Schema
«Wenn A, dann (ergibt sich) die Rechtsfolge B» folgen. Rein formal
sind es also Bedingungssätze. Der Codex Ur-Namma ist zwar bisher
100 IV. Utu-hegal, Gudea, die III. Dynastie von Ur
˘
nur aus Tontafel-Kopien der altbabylonischen Zeit bekannt; doch dür
fen wir als Original eine Statue oder Stele voraussetzen, wie wir sie
vom Codex Hammurāpi kennen. Unter dem Ausdruck «Codex» soll
nun keinesfalls ein irgendwie «kodifiziertes» Recht (etwa im Sinne
des Codex Iustinianus) verstanden werden. Über die tatsächliche
Funktion der altorientalischen «Codices» wird noch immer ein ge-
lehrter Streit ausgefochten: Verfügten sie ein für den Richter verbind
liches Recht; waren es Rechtsempfehlungen als Entscheidungshilfe;
waren es Sammlungen von Präzedenzfällen mit der angeschlossenen
Ausarbeitung analoger Fälle ...? Der Codex Ur-Namma umfaßt u. a.
Rechtsgebiete wie das Strafrecht (Mord, Raub, Körperverletzung,
Vergewaltigung, falsche Anschuldigung), Ehe- und Familienrecht (bei
Freien und Sklaven; auch Scheidung, Erbe), und Rechtsfragen, die z. B.
Sklavenflucht, Zeugnis vor Gericht, Felderbewirtschaftung betreffen,
und schließlich auch Lohnsätze. Manche der hier erstmals erscheinen
den Rechtssätze begegnen uns im Codex Lipit-Ištar und im Codex
Hammurāpi wieder, so daß wir durchaus von einer jahrhundertelan
gen Rechtstradition sprechen können, auch wenn wir anläßlich des
Codex Hammurāpi zugleich auf Änderungen und Neuerungen ein-
gehen müssen.
Im Prolog seines «Codex» verfügt Ur-Namma regelmäßige Opfer
gaben für seine, des Herrschers, Statue. Ur-Namma beschreibt das
Ende seines Herrschaftsbereichs im Südosten als «die Grenze der
Magan-Schiffe». Das ist recht verschwommen formuliert; gemeint
war ein Hafen, bis zu welchem Schiffe aus Magan (῾Omān) segelten,
und wir denken hier an die Insel und Handelsstation Tilmun (heute
Baḥ rain; vgl. oben Kapitel 16). Der Seehandel war in der Tat für eine
Stadt wie Ur lebenswichtig. Was den Nordwesten betrifft, so will Ur-
Namma, wie er im Prolog des «Codex» sagt, die Städte Akšak, Marada
und Kazallu vom «Sklavendienst für Anšan» befreit haben. Anšan lag
südlich von Elam; der Name konnte aber auch summarisch für die
gesamte Region am Nord- und Nordostufer des Persischen Golfes
gebraucht werden. Hier spielt Ur-Namma an auf uns sonst nicht be
kannte Einzelheiten der wechselhaften Beziehungen zwischen Baby-
lonien und seinem östlichen Nachbarn.
Es sind dies alles wieder Einzelnachrichten, zum Teil nicht einmal
aus authentischer zeitgenössischer Quelle, sondern aus Inschriften-
kopien späterer Jahrhunderte. Wir getrauen uns, wie wir immer be
Das Reich der III. Dynastie von Ur 101
daß sie im Staat von Ur III ein stark zentralisiertes politisches Gebilde
sehen, mit einem absoluten Herrscher an der Spitze. Bei dieser Rekon
struktion sollten aber zwei Punkte nicht unterschätzt werden. Zum
einen war der König genötigt, höchst taktvoll und diplomatisch mit sei
nen Provinzverwaltern umzugehen, um zentrumsfeindlichen Bündnis
sen unter ihnen sowie Abfall und Rebellion vorzubeugen. Zum ande
ren mag diese Interpretation auch nur das Resultat einer problematisch
einseitigen Abhängigkeit der Forschung von der staatlichen Textdoku
mentation einiger wichtiger Städte im zentralen und südlichen Babylo
nien sein: Nippur, Puzriš-Dagān, Umma, Girsu und Ur selbst. Die Zahl
der Tontafeln, die regulär ausgegraben oder aber – und das viel häufiger
– durch Raubgrabung in den Handel und in die Museen und Privat
sammlungen gebracht worden sind, beläuft sich auf weit über 30 000.
Nur ein Teil davon ist bisher zufriedenstellend ausgewertet worden.
Besonders eindrucksvoll sind die staatlichen Archive von Puzriš-Dagān,
einem vor den Toren von Nippur gelegenen gigantischen Viehhof, des-
sen primäre Funktion die Belieferung der Tempel von Nippur mit
Schlachtopfern war, der aber natürlich auch die Voraussetzungen für
eine florierende Leder- und Wollindustrie bot. Die Textdokumentation
reicht von der Verbuchung einzelner, genau nach Monat, Tag und Jahr
datierter Empfangsquittungen, Ausgabevermerken oder Berichten über
verendete Tiere bis zu komplizierten Monats- oder sogar Jahresresü-
mees. Eine andere schier unübersehbare Textgruppe stellen Listen über
die Ausgabe von Rationen an solche Personen dar, die vom Tempel oder
Palast abhängig waren. Solche Ausgaben oder – aus der Sicht der Emp
fänger – Einnahmen bewegen sich, je nach der Rangstelle der Empfän
gerinnen), zwischen Minimallöhnen und Einkünften, die die persön-
lichen Bedürfnisse einer Familie weit überstiegen und folglich als
«Anlagevermögen» genutzt werden mochten. Die Ausgaben bestanden
in Korn (Gerste), Öl, Wolle und möglicherweise auch schon verarbeite
ten Textilien. Es fand keine «abstrakte» Zahlung in Wertmetall (Silber)
statt; aber die empfangenen Naturalien waren stets zum Tageskurs in
Silber konvertierbar. Die unter Šulgi eingeführte Relation zwischen
Korn und Wertmetall war – idealiter – 1 Kor (= 300 Liter) Korn = 1
Schekel (= ca. 8,4 g) Silber.
Gegenüber diesem «embarras de richesse» der offiziellen Verwal-
tungstexte der III. Dynastie von Ur ist der sogenannte private Sektor
stark unterrepräsentiert. Wir verstehen darunter jene Bürgerschicht,
104 IV. Utu-hegal, Gudea, die III. Dynastie von Ur
˘
die eigenes Land besaß und von staatlichen Zuwendungen, d. h. Zutei-
lungen durch den Palast oder durch einen Tempel, unabhängig war.
Wir kennen diesen privaten Sektor zwar aus Verträgen (Darlehen,
Sklavenkauf, Felderverpachtung), haben aber bisher keine Vorstellung
davon, wie sich die vom Palast und von den Tempeln völlig unabhän
gige Schicht zahlenmäßig zur restlichen Bevölkerung verhielt.
Daß unser Bild vom stark zentralisierten Staat von Ur III einseitig
und verzerrt ist, beruht möglicherweise auch darauf, daß uns eine lo
kale schriftliche Dokumentation aus dem Norden Babyloniens sowie
aus der weiteren Peripherie noch gänzlich fehlt – einmal abgesehen
von einigen Texten aus dem Diyāla-Gebiet. Es wäre also übereilt,
wenn wir Verwaltungstypen und -strategien aus Mittelbabylonien
und aus dem durch Ur geprägten Süden weiter auf das restliche Ge-
biet des Reiches übertragen würden.
In ethnischer Hinsicht war Mesopotamien zur Zeit von Ur III in
gleicher Weise heterogen wie in den zurückliegenden Jahrhunderten.
Das akkadische Bevölkerungselement überwog zwar, und das zahlen
mäßige Verhältnis zwischen Sprechern des Sumerischen und Akkadi
schen änderte sich von einer Generation zur nächsten zugunsten des
Akkadischen. Doch machen sich in Ur III Vertreter zweier weiterer
Ethnien bemerkbar, die beide eine große Zukunft in der Geschichte
haben sollten: die Amurriter und die Hurriter. Semitische Amurriter
haben wir als reichsbedrohende Gegner zuerst unter Šar-kali-šarrã ge-
sehen (vgl. oben S. 91). In Ur III treffen wir Amurriter gelegentlich
schon als Inhaber hoher Ämter an; aber die Mehrzahl von ihnen lebte
noch nomadisch und war nach Stämmen organisiert. Šulgis zweiter
Nachfolger, Šū-Suen, sah sich genötigt, Babylonien mit einer Mauer
oder einer Reihe von Kastellen (das sumerische Wort bad kann beides
bedeuten) zu durchziehen, die er «Mauer, die (den Stamm) Tidanum
fernhalten soll» benannte. Der militärische Druck der Amurriter war
also nicht zu unterschätzen. Das vierte Bevölkerungselement nach
Sumerern, Akkadern und Amurritern waren die Hurriter, die sich
vornehmlich im nördlichen Mesopotamien und im osttigridischen
Gebiet ansiedelten. Wir haben sie schon einmal kurz erwähnt
(s. S. 32). Die Bewohner Elams sind dagegen nie in ein mesopotami-
sches Reich integriert worden. Sie haben bis in die Achämenidenzeit
ihre Eigenständigkeit bewahrt, und wenn man auch nicht von «Erb
feindschaft» sprechen will, so könnte der Ausdruck dem Verhältnis
Das Reich der III. Dynastie von Ur 105
zwischen Mesopotamien und dem auf dem Boden des heutigen Iran
gelegenen Elam doch nahekommen.
Der geographische Horizont des Reiches von Ur III hat den des Rei
ches von Akkade nicht überragt. Es mutet merkwürdig an, daß sich in
den Texten nicht der geringste Hinweis auf Beziehungen zu Ägypten
finden läßt. Dieser negative Befund setzt sich auch noch in die altbaby-
lonische Zeit fort. Erst nach der Mitte des II. Jahrtausends v. Chr. rückt
Ägypten in das Blickfeld der Keilschriftdenkmäler (s. Kapitel 35).
Bei aller ethnischen Vielfalt war das Geistesleben noch weitgehend
sumerisch geprägt. Sumerisch war nicht nur die Verwaltungssprache
in Mittel- und Südbabylonien. Sumerisch waren auch die Bau- und
Weihinschriften der Könige (akkadisch formulierte Inschriften sind
eher die Ausnahme) und ein kaum überschaubarer Bestand an Perso-
nennamen dieser Sprache. Sumerisch waren schließlich auch die
Hymnen auf Ur-Namma und Šulgi. Der Königshymnus als literari
sche Gattung ist eine Errungenschaft der Ur III-Zeit. Er richtet sich an
den Herrscher als vergöttlichten König und ist insofern eine Spielart
der Götterhymnen. Wie in den letzteren kann der Gefeierte in der
3. Person gepriesen werden oder auch sich selbst in der 1. Person ver
herrlichen.
Neben den Hymnen ist auch ein Teil der Korrespondenz der Köni-
ge mit ihren hohen Beamten in die sumerische Literatur eingegangen.
Diese Briefe sind zweifellos von den Schreibern sprachlich verfeinert
und literarisch ausgestaltet worden; dennoch bilden sie für uns eine –
wenn auch nicht primäre – historische Quelle.
Alles in allem stellt sich uns der Staat von Ur III als ein politisches
Gebilde dar, das zweisprachig – sumerisch und akkadisch – geprägt
war und wo das Sumerische noch als eine lebendige Sprache gespro
chen wurde. Die von manchen Forschern vorgetragene Meinung, Su
merisch sei in Ur III als Umgangssprache schon ausgestorben gewe
sen, läßt sich mit dem Quellenbefund schwer vereinbaren. Auf der
anderen Seite dürfen wir uns aber auch nicht das öfters gebrauchte
Schlagwort einer «sumerischen Renaissance» zu eigen machen, dem
die Vorstellung zugrunde liegt, daß ein in Akkade unterdrücktes Su
merertum mit Gudea von Lagaš und in Ur III politisch wieder erstarkt
sei. Beide Elemente, Sumerer und Akkader, haben seit der vorsargoni-
schen Zeit nebeneinander bestanden, und erst nach etwa 1800 v. Chr.
et die sumerische Sprache zur Bildungssprache – einer Art Latein des
106 IV. Utu-hegal, Gudea, die III. Dynastie von Ur
˘
Alten Orients – geworden, ohne daß man sie noch länger gesprochen
hätte.
Wir sahen (oben Kapitel 20), daß das Reich von Akkade die Erinne-
rung und Phantasie der Nachwelt bis hinein ins I. Jahrtausend v. Chr.
aufs lebhafteste beschäftigt und daß man sich heimlich nach der – wir
können aus unserer heutigen Sicht nur sagen: vermeintlichen – Ein
heit Akkades gesehnt hat. Das Reich von Ur III ist dagegen in der hi-
storischen Tradition Mesopotamiens viel schneller verblaßt. Hier
könnte denn doch die Sprache eine Rolle gespielt haben. Die Akka
disch sprechenden Babylonier und Assyrer des II. Jahrtausends
konnten sich mit Akkade leichter identifizieren als mit dem primär
sumerisch geprägten Staatsgebilde von Ur III.
Ein Vermächtnis gänzlich unpolitischer und unemotionaler Natur,
das die Nachwelt über Ur III letzthin von Akkade übernommen hat,
ist das System der Gewichts- und Hohlmaße, der Längen- und Flä-
chenmaße sowie eine sehr glückliche Verschwisterung dezimaler und
sexagesimaler Zählweise, die bis zum Ende der Keilschriftkultur be
standen hat. Was in Akkade als Reform begonnen worden war – näm
lich der Versuch, viele lokale Maßsysteme miteinander zu vereini-
gen –, wurde in Ur III konsequent zu Ende geführt. Will man großräu-
mige Verwaltungs- und Kommunikationsstrukturen errichten, sind
lokal divergierende Systeme hinderlich. Nicht ohne Grund sind in den
letzten zweihundert Jahren unserer neuesten Zeit Maße, Währungen
und Längengrade großflächig oder gar global vereinheitlicht worden.
hat. Ibbi-Suen führte in den frühen Jahren seiner Regierung Krieg ge-
gen Elam, als ihm in der Person des Išbi-Erra von Mari, eines Statthal-
ters oder sonstigen hochrangigen Beamten, ein ehrgeiziger Rivale er
wuchs. Išbi-Erra schilderte in seinen Briefen die von den Amurritern
drohende Gefahr in düstersten Farben und drängte den König, ihm
zwecks Abhilfe den Schutz der eng benachbarten zentralbabyloni-
schen Städte Isin und Nippur anzuvertrauen. Das war praktisch Er-
pressung. Išbi-Erras Briefe zeigen, daß er höchst diplomatisch sowohl
mit den Amurritern als auch mit verschiedenen ensis zu verhandeln
und sie aufzuwiegeln wußte, so daß sich einige ensis auf seine Seite
schlugen. Išbi-Erra scheint andererseits Nutzen daraus gezogen zu
haben, daß Ibbi-Suen von Ur zutiefst deprimiert war, weil, wie er in
einem Brief sagt, «der Gott Enlil ihn haßte». Diese Aussage erfolgt
vermutlich vor dem Hintergrund eines ungünstigen Leberomen-Be
scheids – zu welchem Ende auch immer Ibbi-Suen eine Omenanfrage
gestellt haben mag.
Išbi-Erra baute Isin zu seiner eigenen Festung aus, und vom 10. Re-
gierungsjahr Ibbi-Suens an benutzte er seine eigenen Jahresdaten an-
stelle der Zählung nach Ibbi-Suen – ein Zeichen dafür, daß er seinem
Herrn die Treue aufgekündigt hatte. Im übrigen wähnte sich Išbi-Erra
selbst in der Gunst Enlils, des Gottes von Nippur und obersten Gottes
im sumerischen Pantheon. Nicht lange danach beanspruchte Išbi-Erra
die Oberherrschaft über Ur selbst, d. h. er wollte, wiewohl Dynast in
einer anderen Stadt, doch die Herrschaftsnachfolge antreten.
Ibbi-Suen regierte noch 14 Jahre über einen Rumpfstaat von Ur, bis
ihn eine regelrechte Unglücksserie vollends zu Fall brachte: Während
einer Hungersnot war Ur gezwungen, Tempelgut an Isin zu veräu-
ßern, um Getreidelieferungen zu bezahlen, was einem Sakrileg nahe
kam. Eine Invasion der Elamer und benachbarter iranischer Völker
führte zur Belagerung von Ur, wobei die Stadt schließlich erobert und
zerstört wurde. Ibbi-Suen wurde gefangen nach Anšan weggeführt.
Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Die «Klage über die
Zerstörung von Ur» schildert in einem Sumerisch von höchster litera
rischer Qualität all die Schrecken und Greuel, die die Eroberung und
Vernichtung einer Stadt mit sich brachte – letzten Endes verursacht
durch den «Zorn Enlils».
So wie Akkade war auch Ur allem äußeren Glanz zum Trotz ein
labiles Gebilde gewesen, ganz und gar abhängig von der zentralen
108 IV. Utu-hegal, Gudea, die III. Dynastie von Ur
˘
Hausmacht des Königs, der Loyalität seiner Provinzgouverneure,
einer soliden wirtschaftlichen Lage und der – zumindest unmittelba-
ren – Beherrschung der wirtschaftlich sehr wichtigen osttigridischen
Gebiete und der nördlichen Randzonen. Eine Schwachstelle im Ge
samtgefüge konnte schnell eine verhängnisvolle Kettenreaktion aus-
lösen. Es mag sein, daß Ur III schon mit dem Tode Šulgis nach dessen
48jähriger Regierungszeit seinen Höhepunkt überschritten hatte. In
diesem Zusammenhang fällt z. B. auf, daß uns im Vergleich zu den
über fünfzehn an Šulgi gerichteten Königshymnen kein einziger an
einen seiner drei Nachfolger überliefert ist.
Neben den uns am besten bekannten Faktoren, die den Verlauf der
Geschichte beeinflußt haben, wie Herrschermacht, straff gehaltene,
wohlorganisierte und weitblickende Verwaltung, Kriege und Siege gibt
es andere, die uns verborgen bleiben oder nur sehr selten einer schrift-
lichen Quelle zu entnehmen sind: So wissen wir fast nichts über mög
liche Seuchen, Naturkatastrophen wie gehäuft auftretende Deichbrü-
che, Überschwemmungen und das damit verbundene Sich-Verlagern
von Flußbetten, über Mißernten und Hungersnöte, die nicht nur für
viele den Tod bedeuteten, sondern auch die Versklavung plötzlich ver-
armter Schichten zur Folge hatten: Der Verkauf von Familienangehöri
gen oder sogar der Selbstverkauf eines Familienoberhaupts waren keine
außergewöhnlichen Maßnahmen, wenn es galt, das nackte Überleben
zu retten. So ist es ein reiner Zufall, daß wir von jener Hungersnot er
fahren, die mit zum Sturz der III. Dynastie von Ur beigetragen hat.
Išbi-Erras neue «Dynastie von Isin» hielt sich von 2017 bis 1794
und übertraf zeitlich die von Ur III um mehr als das Doppelte. Išbi-
Erra fand bald Nachahmer in Städten wie Dēr, Ešnunna, Sippar, Kiš
und Larsa, und zweifellos noch weitere ensis des Ur III-Staates kün-
digten ihre Abhängigkeit auf und etablierten sich als lokale Könige.
So entstand nach und nach jene Palette kleiner und kleinster Stadt
staaten, die typisch ist für die Jahrhunderte bis zu Hammurāpi und
Samsu-iluna von Babylon (1792–1750, 1749–1712). Es war ein Rück-
fall in die politischen Verhältnisse der vorsargonischen Zeit oder auch
der Jahre zwischen Akkade und Ur III. Vielleicht sollten wir aber sogar
sagen, daß sich die politische Landkarte Babyloniens wieder «normali-
siert» hatte; denn in der Rückschau auf die Jahrhunderte erscheinen
die Reiche von Akkade und Ur – mit Blick auf ihre Dauerhaftigkeit –
eher als die Ausnahme.
Der Niedergang von Ur III; Isin als Nachfolgerin 109
Genau genommen ist «Assyrien», wenn wir den von viel jüngeren
griechischen Vorstellungen geprägten Begriff Assyria auf die Zeit vor
1500 v. Chr. anwenden, ein Anachronismus. Denn anders als die
«Stadt Assur» ist ein «Land Assur», also ein wahrhaftiges «Assyrien»,
als politische Größe vor der Jahrtausendwende schwer greifbar. Aller
dings hat die historische Tradition der Assyrer – gewiß unter dem
Eindruck der Sumerischen Königsliste (vgl. Kapitel 5) – eine «Assyri
sche Königsliste» geschaffen, um eine seit alters ununterbrochene
Herrschaftsdauer zu dokumentieren. In ihrem zweiten Teil, der die
Zeit vom 15. Jahrhundert v. Chr. an umfaßt, ist die Assyrische Königs-
liste das Rückgrat der altorientalischen Chronologie geworden. Diese
Liste beginnt mit einer Reihe von «Königen, die in Zelten wohnten».
Dies sollte ihre nomadische Abkunft dokumentieren. Man war also
auch in Assur vom Andrang der Amurriter beeindruckt.
Was das spätere «Assyrien» oder das «Land Assur» geographisch
genau umfaßte, läßt sich viel schwerer definieren als der geographi-
sche Raum Babylonien. Assyrien lag nördlich vom Durchbruch des
Tigris durch den Gebirgszug Ǧabal Ḥ amrãn, und es endete, wenn wir
tigrisaufwärts wandern, nördlich von Ninive. Es umfaßte das Land
Assur und «Assyrien» 113
aus dem Inneren Anatoliens: aus Kaniš nahe dem heutigen Kayseri,
aus der späteren Hethiterhauptstadt Hattuša und aus einigen weite-
ren Fundplätzen. Hier wurden die Archive assyrischer Kaufleute ge
funden, die in einer Entfernung von 800 bis 1000 Kilometern Luft-
linie von ihrer Mutterstadt einen höchst lebhaften und einträglichen
Handel trieben. Die Handelsstationen hießen kārum; das ist das akka-
dische Wort für «Hafen», «Hafen als Handelsplatz», das man in seiner
sekundären Bedeutung ins trockene Hochland übertrug. Gehandelt
wurde, wenn man es auf eine sehr vereinfachte Formel bringen darf,
mit Textilien und Metall: Import von Zinn nach Anatolien, Export
von Kupfer (aus beiden Metallen wurde ja die vor der Eisenzeit herr
schende Bronze legiert). Die assyrischen Kaufleute lebten in den
kleinasiatischen «Kolonien» in eigenen Wohngebieten, die dem loka
len Herrscher unterstanden, wo ihnen aber eine eigene – assyrische –
Gerichtsbarkeit zugestanden war – Handel ohne Rechtsstreit als Be-
gleiterscheinung ist ja undenkbar. Die Assyrer waren im Prinzip will-
kommene Fremde, und sie konnten sich auch auf ihren Karawanen
routen großer Sicherheit erfreuen. Ein öfters auftretender Konfliktfall
war die – entdeckte! – Zollhinterziehung, wenn Waren auf dem
Schleichweg ins Land gebracht wurden. Die Kaufleute betrieben ihren
Handel privat und auf eigenes Risiko, ohne durch irgendeinen «Pa-
last» gedeckt zu sein.
Für den Transport auf beiden Wegen über die viele Hunderte von
Kilometern langen Routen wurden jeweils eigene Verträge mit Kara
wanenführern abgeschlossen, und so sind wir auch über viele einzelne
Kontingente genau orientiert. Abgesehen vom Import-Export-Ge-
schäft haben die Assyrer aber auch – z. B. im Kreditgeschäft – mit
Mitgliedern der einheimischen Bevölkerung Kontakt aufgenommen.
Dabei blieb es, wie nicht anders zu erwarten, nicht aus, daß sie auch
Ehen mit Frauen aus den Gaststädten ihrer «Kolonien» eingingen. Ein
uns noch heute rührendes Zeugnis ist der Brief eines Kaufmanns aus
Kaniš nach Assur an seine Braut: Wenn sie sich nun nicht endlich ent-
schließen könne, sich zu ihm auf die Reise zu begeben – und zwar mit
dem zurückkehrenden Boten – werde er eine junge Einheimische zur
Frau nehmen.
Diese etwa ein Jahrhundert währenden Handelsaktivitäten in Ana
tolien – die Archive bezeugen drei Generationen – brachen Ende des
19. Jahrhunderts v. Chr. ab. Es läßt sich vermuten, doch nicht bewei
Assur und «Assyrien» 115
kommt, ist Haṣ ura, das alttestamentliche Ḥ āṣ ōr im Hügelland von
˘
Juda.
Akkadisch, und zwar seine babylonische Variante, war die Sprache
des internationalen Verkehrs im 19. und 18. Jahrhundert. Wieweit es
tigris- und euphrataufwärts tatsächlich auch noch Umgangssprache
war, ist schwer festzustellen. Einige nordsyrische Korrespondenten
(bzw. deren Schreiber), die wir aus Mari kennen, verraten durch Un-
geschick, wenn nicht gar Fehlerhaftigkeit beim Gebrauch des Akkadi
schen, daß sie es nur als zweite Sprache handhabten.
Sicher greifbar sind die Hurriter, deren Sprache möglicherweise
noch heute im Kaukasus Nachfahren hat (vgl. oben S. 32). Personen
mit – meist leicht als solche erkennbaren – hurritischen Namen sind
weit über hundert in den Archiven von Mari anzutreffen (oft in Ar
beiterlisten, wo sie zusammen mit Amurritern erscheinen). Aber das
Hurritische war auch literaturfähig geworden (und dies im Gegensatz
zum Amurritischen); denn aus Mari sind einige Beschwörungen in
hurritischer Sprache bekannt. In Texten des 18. Jahrhunderts aus Ala-
lah am Orontes, 30 km von der Mittelmeerküste entfernt, kommen
˘
ebenfalls hurritische Personennamen vor. Wenn man sich also an der
Streuung der Namen orientiert, kann man sagen, daß sich die Hurri
ter im ersten Viertel des II. Jahrtausends v. Chr. von ihren älteren
Siedlungsgebieten östlich vom Tigris stetig nach Westen vorgescho
ben haben. Ihre große Zeit mit dem Reich von Mittani nach
1500 v. Chr. und mit ihren literarischen Hinterlassenschaften in der
Hethiterhauptstadt Hattuša stand damals aber noch bevor.
Mari 121
VI.
Die von uns so genannte I. Dynastie von Babylon hat von ihrem
Gründer Sumu-abum bis zum letzten Vertreter Samsu-ditāna
300 Jahre gewährt (1894–1594). Zu ihrer Zeit war ohne Zweifel Ham
murāpi (1792–1750) eine der eindrucksvollsten und bis heute auch
wohl am besten bekannten Gestalten des Alten Orients (anstelle von
«Hammurāpi» erscheint in den gängigen Geschichtsdarstellungen
auch «Hammurabi»). Er verdankt seinen Nachruhm der großen Stele
mit seinem «Codex» (s. unten S. 123 ff.). Hammurāpis Dynastie hat
den Namen Babylon für alle Zeiten berühmt gemacht. Ganz ähnlich
wie Akkade seinen Namen auf seine Sprache übertragen hat, wurde
Babylon zur Verkörperung einer ganzen Landschaft, eben jenes grie
chischen «Babylonia». Die Stadt hieß ursprünglich Babilla; aber dieser
Name war schon zur Zeit von Ur III auf dem Wege der in Mesopota
mien allzeit beliebten etymologischen Spekulation umgedeutet wor-
den zu Bāb-ili(m) «Tor des Gottes», «Gottestor».
26. Politik
Die I. Dynastie von Babylon hat bescheiden begonnen. Als 1894 ein
Mann amurritischer Herkunft namens Sumu-abum König wurde,
hatte er zunächst noch nicht einmal das nur 22 km entfernte Kiš unter
sich. Aber Kiš war selbst kein bedrohlicher Nachbar mehr, und seine
Größe in der vorsargonischen Zeit lag fast ein halbes Jahrtausend zu-
rück. Erst Hammurāpis Vater Sin-muballiṭ und dann Hammurāpi
selbst vermochten durch geschicktes Spiel auf dem Instrument der
Koalitionspolitik zu größerer Macht zu gelangen. In seinem 30. Jahr
eroberte Hammurāpi Larsa und bereitete der dortigen Dynastie ein
122 VI. Babylonien im 19.–17. Jahrhundert
Ende. Sein Gegner, Rãm-Sin, war ein Greis, der auf eine sagenhaft lan-
ge Regierungszeit von 60 Jahren zurückblickte. Hammurāpi installier-
te seine Verwaltung und war bemüht, so wenig wie möglich an den
bestehenden Verhältnissen zu ändern. Wir wissen das aus seiner Kor
respondenz, die er mit dem Gouverneur von Larsa führte. In der Da-
tumsangabe seines 30. Regierungsjahres feierte Hammurāpi den Sieg
mit der gewichtig-altertümlichen Formel, daß er «die Grundlagen von
Sumer und Akkad gefestigt» habe.
Drei Jahre danach eroberte Hammurāpi Mari, wo er zerstörte, statt
zu integrieren. Wir wissen nicht, was sich wirklich abgespielt hat. Im
Prolog seines «Codex» führt Hammurāpi uns in langem Bogen, be
gleitet von kunstvoll gewählten Herrscherepitheten, 24 Städte auf, die
ihm Untertan waren oder denen er zumindest seine Gunst und die
Verehrung der lokalen Gottheiten habe angedeihen lassen: Von Süd
osten nach Nordwesten waren das Eridu am Persischen Golf, Ur, Lagaš
und Girsu, Zabalam, Larsa, Uruk, Adab, Isin, Nippur, Keši, Dilbat, Bor
sippa, Babylon selbst, Kiš, Malgium, Maškan-šapir, Kutha, die Stadt
des Totengottes Nergal (vgl. oben S. 86), Sippar, Ešnunna im Diyāla-
Gebiet, Mari, Tuttul am Balãh, Assur und sogar noch Ninive. Hier tre
˘
ten uns – und sei auch die Hälfte nur Rhetorik und nicht Realität –
geographische Proportionen entgegen, die an die Größe von Akkade
gemahnen.
Schon unter Hammurāpis Sohn Samsu-iluna (1749–1712) ist das
Reich wieder geschrumpft. Nicht nur revoltierte in jahrhundertealter
Tradition der «Süden» – und wenn er längst nicht mehr sumerisch
war, so ist doch die geistige Distanz des «Südens» zum «Norden» er-
halten geblieben; es treten vielmehr unter Samsu-iluna zum ersten
Mal auch Vertreter eines Volkes in den Gesichtskreis der Geschichte,
die – ähnlich wie die Hurriter – eine große Zukunft hatten: die Kassi-
ten. Sie waren keine ephemeren Störenfriede wie einstmals die Gutä-
er gegen Ende des Reiches von Akkade. Anfangs wohl gefürchtete
Feinde, gegen die Samsu-iluna im Diyāla-Gebiet eine Festung «Sam
su-iluna-Burg» erbauen ließ, haben sich die Kassiten dann mit den
Babyloniern arrangiert, bis sie ganz und gar dem Sog und der Faszina-
tion der mesopotamischen Kultur erlegen waren.
Recht 123
27. Recht
Der Text des Codex Hammurāpi befindet sich auf einer 225 cm hohen
Stele aus Basalt, bekrönt von einer Bildszene: Der König steht in Ge
betshaltung vor dem sitzenden Sonnengott Šamaš von Sippar, dem
Gott des Rechts. Die Stele ist ein Kunstwerk, und als solches wurde
das Denkmal während eines Krieges nach Susa in Elam verschleppt
(vgl. oben S. 88 zur Stele des Narām-Suen von Akkade), wo es 1890
bei französischen Ausgrabungen entdeckt wurde. Der den Mittel- und
Unterteil bedeckende, in einer regelmäßigen und ästhetisch ungemein
ansprechenden Schriftform eingemeißelte Keilschrifttext enthält 280
Entscheidungen oder «Paragraphen» (die Zählung, z. B. § 10, ist mo
dern). Dieser eigentliche Gesetzesteil ist umrahmt von einem Prolog
und Epilog. Die Sprache ist altbabylonisches Akkadisch in einer ma-
kellos fehlerfreien Form. Die erste gelehrte Publikation 1902 hatte ge
wichtige Folgen: Es wurde ein besonderer Zweig der antiken Rechts-
geschichte begründet, die «Keilschriftrechte»; und die damals noch
junge Wissenschaft der Assyriologie wurde mit einem Mal gewahr,
daß es so etwas wie eine «klassische» Sprache gegeben hatte, von
mustergültiger Klarheit und Regelmäßigkeit und einer ganz uner-
warteten Prägnanz der Aussage. Damit gelangte die akkadische Philo
logie auf eine solide Grundlage.
Die juristische Thematik des Codex Hammurāpi betrifft, wenn man
es gerafft darstellt, die folgenden Gegenstände: falsche Anschuldigung,
korrupte Rechtsprechung. – Diebstahl, Hehlerei, Raub, Plünderung,
Einbruch. – Mord, Totschlag und Körperverletzung, Entführung. – Die
Rechte und Pflichten palastabhängiger und für öffentliche Dienste (ein
schließlich Kriegszug) verfügbarer Landpächter. – Haftung bei Schäden
durch unsachgemäße Bewässerung, Flurschaden durch Weidevieh,
Baumfrevel in Dattelgärten. – Rechtsfälle bei Handelsunternehmen
und insbesondere das Verhältnis zwischen Kapitalgeber und dem über
Land reisenden Kaufmann; Veruntreuung von Waren. – Hinterlegung,
Zins bei Darlehensgeschäften, die Rechtsstellung der (auch als Kredit
geberin tätigen) Schankwirtin. – Sklavenrecht: Lösegeld, Schuldsklave
rei, Flucht, Kauf und Freilassung, Anfechtung der Sklaveneigenschaft.
– Personen-, Tier- und Schiffsmiete mitsamt Tarifempfehlungen, Ver
stöße von Lohnarbeitern, Haftung bei Stößigkeit eines Stieres. – Fami
124 VI. Babylonien im 19.–17. Jahrhundert
6 Stele mit dem «Codex Hammurāpi» (Oberteil). Der König vor dem
Recht 125
29. Literatur
sehr viel von Analogie und Abstraktion, also denn doch von vor-phi-
losophischen Verfahrensweisen, Gebrauch gemacht haben.
Die lexikalische «Literatur», wenn wir sie so nennen dürfen, ist ein
nicht minder weit gespanntes Gebiet. Alles ist hier in der Form von
Schriftkolumnen oder Listen angeordnet, weshalb man auch von me
sopotamischer «Listenliteratur» spricht. Die Schreiber haben fast von
den Zeiten der Schrifterfindung an – um die Wende vom IV. zum
III. Jahrtausend v. Chr. – versucht, die Welt dadurch zu erfassen und
geistig zu beherrschen, daß sie – so viele wie möglich – Begriffe be-
stimmter Kategorien zusammenstellten: Bezeichnungen für Berufe,
Ämter und Funktionen, Ortsnamen, Tierarten, Metalle und Metallge-
genstände und vieles andere. Alles dies wurde anfangs in einer sume-
rischen Schriftkolumne aufgereiht. Die enge Symbiose der Sumerer
und Akkader hat dann dazu geführt, daß man in einer zweiten Ko
lumne die akkadischen Entsprechungen der sumerischen Begriffe an-
fügte. So entstanden die ältesten regelrechten lexikalischen Werke,
Vokabulare. In der altbabylonischen Zeit ist allerdings erst ein kleine-
rer Teil dieser «Listenliteratur» zweispaltig und zweisprachig ange-
legt.
Das Bestreben, die Welt begrifflich zu erfassen und «lexikalisch» zu
ordnen, hat in der altbabylonischen Zeit auch dazu geführt, daß sich
die Schreiber bemühten, das ungeheuer komplizierte sumerische Ver-
bum zu analysieren und akkadisch zu verstehen. Es entstanden, eben-
falls in zweispaltiger Listenform, lange Reihen sumerischer Verbal-
formen mitsamt ihren akkadischen Übersetzungen. Man kann die
intellektuelle Glanzleistung jener Schreiber und Gelehrter, deren Na-
men wir nie kennen werden, nicht hoch genug einschätzen.
Zweisprachigkeit hat sich auch in manchen Literaturgattungen
ausgedrückt. Königsinschriften waren schon in der Akkade-Zeit
manchmal in beiden Sprachen ausgefertigt worden. In der altbabylo
nischen Zeit wurden – ausgehend von der akkadischen Glossierung
einzelner sumerischer Wörter – ganze sumerische literarische Texte
übersetzt. Nach der altbabylonischen Zeit entwickelte sich die soge
nannte «Interlinearbilingue», wo auf eine sumerische Textzeile je-
weils eine – meist eingerückte – akkadische Übersetzungszeile folgt.
Hier ist interessant zu beobachten, daß sich im Verlauf der jahrhun
dertelangen literarischen Überlieferung vielerlei Verderbnisse im su-
merischen Text und Fehler oder Mißverständnisse im Übersetzungs
Religion und Kult 135
men; denn es ist von Fall zu Fall herauszufinden (oft ist es auch längst
bekannt), ob ein Name einer ganz bestimmten individuellen Gottheit
entspricht oder ob er Beiname ist, vielleicht auch eine lokale «Erschei-
nungsform» einer anderswo – und dort unter anderem Namen – ver
ehrten Gottheit. Die Schreiber haben die Götterwelt ebenso wie die
Welt der Begriffe in «lexikalischen» Listen zusammengefaßt; die äl-
testen solchen uns bekannten Listen gehen hinauf ins 25. Jahrhundert
v. Chr. Das Pantheon ist nie erstarrt und konserviert weitergegeben
worden. Es blieb stets im Fluß. Gottheiten konnten obsolet werden;
lokal unbedeutende konnten dagegen zur Weltmacht aufsteigen wie
Marduk in Babylon nach Hammurāpi und Assur in seinem gleichna
migen Ausgangskultort wenige Jahrhunderte später.
Der Staatskult – der staatserhaltende Kult – grenzte sich scharf ab
von den Gefühlen, die der einzelne der Götterwelt entgegenbrachte.
Wir sehen beim Herrscher den Zwang, seiner Verantwortung für die
Bevölkerung seines Herrschaftsbereiches nachzukommen. Diese Ver-
antwortung bedingte das Einverständnis der Götter mit dem Herr-
scher und somit sein Bemühen um ihr Wohlwollen (vgl. oben S. 126 f.
zu den Götterreisen nach Nippur). Ein solches Bemühen realisierte
sich in so vielen Arten der offiziellen Kultäußerungen – regelmäßige
Opfer, Pflege der Götterbilder, Gebet und Hymnengesang, das Feiern
von Festen, Abhalten von Prozessionen –, daß es dem einzelnen Herr
scher unmöglich war, allem nachzukommen. Ihm stand seit eh und je
ein verzweigtes und hierarchisch gegliedertes Kultpersonal zur Seite
(und zu Zeiten auch entgegen!), das wir «Priesterschaft» nennen, ob
wohl es neben den vielen Einzelbezeichnungen für Kultpersonen den
Begriff des «Priesters» oder der «Priesterin» weder auf Sumerisch
noch auf Akkadisch gegeben hat. Der altbabylonisch erst selten zu
findende Ausdruck «Hausbetreter» (d. h. Tempelbetreter) mag dem
von uns vermißten allgemeinen Ausdruck am nächsten kommen.
Wie sehr sich der Herrscher mit seiner «Hirten»-Rolle wirklich
identifizierte, können wir nicht nachvollziehen. Wir müssen immer
damit rechnen, daß es neben echtem Engagement auch Fälle gab, wo
Gottergebenheit und die Sorge für die Schwachen, Witwen und Wai
sen nur literarische Phrase der Inschriften waren.
Offizielle Kultstätte war das «Haus» der Gottheit; es gab kein
eigentliches Wort für den Tempel. Die Namen der «Häuser» haben bis
ans Ende der Keilschriftkultur gleichsam ein Monopol auf sumerische
Ausblick 137
31. Ausblick
VII.
Der Hethiterkönig Mursili (um 1600 v. Chr.) soll im 32. und letzten Jahr
des babylonischen Königs Samsu-ditāna Babylon erobert und damit die
gut dreihundertjährige von uns so genannte I. Dynastie von Babylon
beendet haben. Lägen uns hierüber nicht Nachrichten aus gut 50 Jahre
jüngeren hethitischen Quellen und aus einer babylonischen Chronik
des 7. Jahrhunderts v. Chr. vor: «Zur Zeit des Samsu-ditāna zog der He-
thiter gegen ‹Akkad›», so wüßten wir nichts von jenem Ereignis, das
unsere Geschichtsdarstellungen nachträglich ins Monumentale und
historisch Wegweisende hochstilisieren. Denn aus zeitgenössischen
Quellen verlautet uns darüber bisher nichts. Mursili I. hatte Nord
syrien mit Aleppo erobert, und es ist gut denkbar, daß er auch einen
euphratabwärts führenden Vorstoß bis nach Babylonien unternommen
hat; daß er kurzfristig mit den Kassiten verbündet war, die seit der Zeit
Samsu-ilunas in Babylonien zu siedeln begonnen hatten; daß er den
Kassiten – direkt oder indirekt – zur Herrschaft in Babylonien verhol
fen hat. Aber solche Überlegungen sind voll der Spekulation, von der
wir uns freihalten wollen.
Wie dem aber auch sei, wir sehen uns bei unserer Betrachtung der
altorientalischen Geschichte gegen Ende der I. Dynastie von Babylon
und danach in einer neuen Welt und – immer aus unserer heutigen
Sicht! – in einem neuen Zeitalter. Nicht nur die nach Kleinasien einge
wanderten Hethiter, Indogermanen ebenso wie die ihnen eng verwand
ten Luwier, sind in unseren Gesichtskreis getreten. In Babylonien
haben sich die Kassiten schon Generationen vor dem Ende der I. Dy
nastie von Babylon als ein maßgeblich bestimmender Bevölkerungsteil
etabliert, und dabei hatten sie bald nicht die Rolle eines grimmen Fein-
des inne wie einst die Gutäer (vgl. oben S. 96). Sie sind vielmehr gute
Nachbarn geworden, brachten das Pferd und die Pferdezucht nach Ba-
bylonien, lebten anfangs in geschlossenen Siedlungen (Häusern – bãtā-
tu), und wenn sie nach dem Thron strebten, dann nicht als Unterjocher
einer älteren Bevölkerung, sondern als einheimisch Gewordene.
142 VII. Die mittelbabylonische Zeit
Der Negativbefund für die Sprache der Kassiten gilt aber nicht voll-
ständig. Es gibt Zeugnisse für ihre Sprache, wie spröde sie auch sein
mögen: Götter-, Personen- und Pferdenamen sowie allerhand Lehn
wörter im Akkadischen, etwa für Gebrauchsgegenstände oder für
Farbbezeichnungen der Pferde. Außerdem hat ein aufgeweckter
Schreiber in Nippur eine Art von Vokabular hinterlassen, in welchem
kassitische Götter- und Menschennamen sowie einige ausgewählte
Wörter ins Akkadische übersetzt sind. Leider können wir aus diesen
«lexikalischen» Gleichungen doch nichts darüber erfahren, wie die
Sprache der Kassiten einzuordnen und linguistisch zu klassifizieren
ist, d. h. wo wir sie auf dem Sprachatlas um die Mitte des II. Jahrtau
sends v. Chr. im Vorderen Orient anzusiedeln haben.
Die «Kassitenzeit» Babyloniens – als ein Teil oder sogar als der
Großteil der mittelbabylonischen Zeit – ist benannt nach einer
Herrscherreihe zwischen dem 16. und dem 12. Jahrhundert v. Chr.
Damals hatten Herrscher den Thron von Babylon inne mit Namen
wie Kaštiliaš (I., II., III., IV.), Abirattaš, Burna-Buriaš (I., II.),
Ulamburiaš, Kadašman-Harbe (I., II.), Karaindaš, Kurigalzu (I., II.),
˘
Nazimaruttaš, Kadašman-Enlil (I., II.), Karahardaš, Nazibugaš,
˘
Kadašman-Turgu, Šagarakti-Šuriaš, Melišipak, mit wenigen rein ak
kadischnamigen Herrschern darunter. Die Präsenz von Personen mit
kassitischen Namen äußert sich auch in Rechts- und Verwaltungs
texten des 15. bis 12. Jahrhunderts in Babylonien (vor allem in Nip-
pur), wo so benannte Personen als Gläubiger, Schuldner, Belehnte
erscheinen wie auch in anderen Rechts- und Verwaltungszusam
menhängen. Man darf also wohl eine Zeit – beschränkt auf einen
Raum wie Babylonien (unter Ausklammerung von allem außen Be
findlichen) – als «Kassitenzeit» benennen, wenn in ihr außerordent
lich gehäuft Personen(namen) erscheinen, die wir als «kassitisch»
bezeichnen. Dabei ist die Identifizierung einer Person als Kassite nur
auf Grund des Namens manchmal eher auf dem Wege des linguisti
schen Ausschlusses zustande gekommen: Ein bestimmter Name ist
weder sumerisch noch akkadisch (oder sonst semitisch) noch hurri-
tisch noch elamisch.
Die «Kassitenzeit» Babyloniens mutet dem Historiker bis heute ein
Problem der Chronologie zu: Es handelt sich um die Einbindung die-
ser «Kassitenzeit» in die gesamte Zeitrechnung des Alten Vorderen
Orients.
144 VII. Die mittelbabylonische Zeit
aber erst seit Puzur-Aššur I. (Nr. 30) vor. Ilušuma (Nr. 32) war Zeitge
nosse des Sumu-abum von Babylon (ca. 1894–1881). Šamšã-Adad I.
(Nr. 39, 1813–1781) war – grob gesprochen – ein naher Vorgänger von
Hammurāpi von Babylon (1792–1750). Am Anfang der «Assyrischen
Königsliste» stehen 17 Könige, die «in Zelten gewohnt» haben sollen
und von denen viele amurritische Namen haben (s. schon oben S. 112).
Eine solche sich noch im Namengut spiegelnde Beschreibung noma-
discher Vergangenheit hat deutliche Parallelen unter den amurritisch
namigen Herrschern altbabylonischer Dynastien wie der von Larsa,
Ešnunna oder Babylon.
Aber von höherem chronologischen Wert wird die «Assyrische Kö
nigsliste» für uns erst mit dem 48. Herrscher (einem Bēlu-bāni). Denn
fortan notiert die Liste so gut wie lückenlos die Zahl der jeweiligen
Regierungsjahre. Damit ist nun von Herrscher zu Herrscher eine rela
tive chronologische Genauigkeit gewonnen, jedoch noch keine abso
lute, d. h. eine auf die Zeitenwende unserer Ära beziehbare Jahres-
rechnung. Denn wenn auch die verschiedenen «Manuskripte» (d. h.
die uns überlieferten Keilschrifttafeln) der «Liste» erstaunlich wenige
Zahlenvarianten aufweisen, so bleiben doch noch kleinere Unsicher-
heiten. Sie bewegen sich indes nur noch innerhalb einer Zehnerein
heit und nicht mehr in Generationen, wie wir es von der Chronologie
des III. und des frühen II. Jahrtausends gewohnt sind.
Aus der «Amarna-Korrespondenz» (s. unten Kapitel 35) erhalten
wir die folgenden – groben – «Synchronismen», d. h. Datumsüberein
stimmungen: Aššur-uballiṭ I. von Assyrien (1353–1318) // Burna
Buriaš II. von Babylonien (1359–1333) // Amenophis IV. von Ägyp-
ten (XVIII. Dynastie, 1364–1347, Var. 1352–1336). Ungesichert ist
eine genauere Chronologie aber bisher in den vorausgehenden beiden
Jahrhunderten bis hinauf zum Ende der I. Dynastie von Babylon, wes-
halb man auch von einem «Dunklen Zeitalter» («Dark Age») in Meso
potamien gesprochen hat.
Das Ende des Königs Samsu-ditāna von Babylon ist nun in keiner
Weise eine «Stunde Null» gewesen. Vieles aus der altbabylonischen
Tradition hat sich – wie könnte es anders sein – noch jahrhunderte
lang unter den Kassitenherrschern fortgepflanzt. So wurde zunächst
noch die ältere Datierungsweise nach markanten Ereignissen (Jahres-
raten, s. oben S. 91) weitergeführt, und zwar durchaus auch in altan
gestammter sumerischer Sprache, noch unter König Burna-Buriaš II.
146 VII. Die mittelbabylonische Zeit
(1359–1333). Im 14. Jahrhundert setzte sich dann aber die für die
Verwaltung ungleich praktischere Datierung nach Regierungsjahren
des Königs durch, z. B. «König NN Jahr 16». Assyrien hat in zähem
Festhalten an einem schon altassyrisch belegten Brauch bis ans Ende
des Assyrerreiches die Eponymen-Datierung beibehalten (der König
selbst und dann hohe Beamte liehen ihren Namen, um ein Jahr X zu
identifizieren – vgl. schon S. 119).
In der Stadt Nippur hat sich – z. B. in Sklavenkaufverträgen – auch
noch weit über das Ende der I. Dynastie von Babylon hinaus das
sumerische Urkundenformular erhalten. Daß damals allerdings Su-
merisch wirklich noch gesprochen worden wäre, ist im höchsten Gra
de unwahrscheinlich. Allzu sehr sind die Versuche zeitgenössischer –
also mittelbabylonischer – Schreiber, Inschriften auf Sumerisch zu
verfassen, derart stark von sprachlichen «Akkadismen» durchdrun
gen, daß man dies nicht mehr – wie noch in der altbabylonischen Zeit
– auf das «Konto» einer sumerisch-akkadischen linguistischen Ge-
meinschaft, eines «Sprachbundes», buchen könnte.
Das mittelbabylonische Akkadisch, wie es auch die Kassiten als eine
selbstverständlich vorhandene Gegebenheit für sich übernommen ha
ben, ist linguistisch ganz die normal anmutende Fortsetzung des alt
babylonischen Akkadisch. Es gibt beträchtliche Neuerungen in der
Morphologie der Sprache; der Wortschatz ändert sich – wie es seit
Jahrhunderten üblich ist – durch das Ausscheiden (oder wenigstens
Ausdrängen) von Altem und den Erwerb von Neuem: Neuerung nicht
nur durch den Zuerwerb von Wörtern aus fremden Sprachen (hier
vornehmlich aus dem Kassitischen), sondern auch dadurch, daß die
Wörter der eigenen akkadischen Sprache neue Bedeutungen erlangen.
Entwicklungen solcher Art sind uns aus dem Deutschen und aus vie
len europäischen Nachbarsprachen aufs beste bekannt. Die Varianten
Altbabylonisch und Mittelbabylonisch des Gesamt-Akkadischen er-
scheinen uns aus unserer heutigen Jahrtausendperspektive als bei
weitem nicht so gravierend wie die Übergänge vom Alt- zum Mittel-
hochdeutschen oder vom Alt- zum Mittelenglischen.
Das Mittelbabylonische hat sich um die Mitte der zweiten Hälfte
des II. Jahrtausends v. Chr. im gesamten «Fruchtbaren Halbmond»,
aber auch darüber hinaus bis nach Kleinasien, Zypern, Syrien-Palästi
na und schließlich auch Ägypten als eine allgemein akzeptierte Ver
kehrssprache herausgebildet. Die assyrische Variante des Akkadischen
Babylonien und die Kassiten 147
ist hier ganz beiseite geblieben. Es ist noch nicht klar, was genau dem
mittelbabylonischen Akkadisch zu seinem so viele Jahrhunderte über-
dauernden Prestige verholfen hat. Am ehesten sind bei dieser Frage
Schreiberschulen und ihre Rolle beim Übernehmen, Beibehalten und
Weiterverbreiten von kostbarem Schriftwissen aufzuführen. Hier
darf der von Babylonien her euphrataufwärts führende Strang nicht
unterschätzt werden, der sich uns – aus der Rückschau – als eine Art
Konstante erweist, wohl weil die Tal- und Bergfahrt auf dem Euphrat
ganz hindernisfrei verläuft; es gibt keine von Natur gegebenen Sper
ren. Noch heute reicht die im südlichen Iraq gesprochene Variante des
Arabischen euphrataufwärts bis ans Euphratknie. Schon für Ebla im
24. Jahrhundert v. Chr. haben wir den Euphrat als Beförderungsweg
von «babylonischem» Geistesgut betont (s. Kapitel 13).
Ganz anders die geographische Lage am Tigris zwischen dem «Fla-
schenhals» auf der Höhe des heutigen Baghdad und der Stadt Assur.
Hier durchbricht der Fluß das Gebirge Ǧabal Ḥ amrãn ca. 40 km nörd-
lich von Tikrãt, und dieser Gebirgszug hat seit Jahrtausenden Nörd
liches und Südliches getrennt, wie es sich auch wieder in der heutigen
Sprachenlandschaft des Iraq dartut: im Norden Turkomanisch als Ein
sprengsel eines türkischen Dialekts und dann der vom Südiraqischen
grundverschiedene arabische Dialekt von Mosul und Umgebung
(s. schon oben S. 69).
«Dunkles Zeitalter» – es fehlt uns für Babylonien jene Säule der
Chronologie, die wir altbabylonisch besitzen in Gestalt von Jahresda-
ten-Listen und einer oft lückenlos von Herrscher zu Herrscher fort
schreitenden Reihe von Bau- und Weihinschriften. Wenn der mittel-
babylonische – kassitische – König Burna-Buriaš in einer Quelle
auftaucht, so ist oft nicht einmal sicher, ob es der I. dieses Namens ist
oder aber der II. (1359–1333). Sind wir folglich noch nicht imstande,
das Kapitel «Babylonien und die Kassiten» von Anbeginn an zeitlich
sinnvoll zu beschreiben, so belassen wir es bei einigen Schlaglichtern.
(Die Insistenz auf der Chronologie kann nur den merkwürdig anmu
ten, der daran gewohnt ist, daß man ihm die «Geschichte» eines Zeit
abschnitts unter vollkommen selbstverständlicher Voraussetzung der
chronologischen Grundlagen darlegt.)
So gut wie untrennbar ist mit den Kassiten der Begriff des «Kudur
ru» verbunden. Dieses Wort bezeichnet sowohl die «Grenze» als auch
ein die Grenze markierendes Steinmonument (es stand allerdings
148 VII. Die mittelbabylonische Zeit
trale Kleinasien und bis nach Ägypten gedrungen. (Es tut nichts zur
Sache, daß es bei der Anwendung des Babylonischen durch lokale
Schreiber zu mancherlei «Barbarismen» gekommen ist – sie halten
sich immer noch innerhalb einer babylonischen – und nicht assyri-
schen – Richtlinie.)
Aber selbst die assyrischen Königsinschriften sind doch eher über
wiegend babylonisch abgefaßt, wobei «Assyriasmen» – d. h. das gele
gentliche Ausgleiten des Schreibers in seine «assyrische» Mutterspra
che, gleichsam ein «Assyriakeln» – eher als peinliche Entgleisungen
wirken.
Auf jeden Fall hat das Babylonische bei der Mitteilung akkadischer
Verlautbarungen bis ans Ende der Keilschrift-Kultur unbestritten die
Oberhand behalten – und das völlig unabhängig von den politischen,
stärker assyrischen oder babylonischen, Machtverhältnissen.
sind, ist bisher noch nicht wiederentdeckt. Daß dieses Zentrum hurri
tisch war, zeigt der (gerade zitierte) – in der Hurriterforschung be-
rühmt gewordene – hurritische Brief Tušrattas, das bislang überhaupt
längste Zeugnis für die Sprache der Hurriter.
Hurritisch, mit ins III. Jahrtausend v. Chr. hinaufreichenden Origi-
nalquellen, gehört neben dem Sumerischen, Akkadischen, Elamischen
und Hethitischen zu den altorientalischen Sprachen, die – bis hin zu
regelrechter Literatur – verschriftet worden sind und weite Verbrei-
tung gefunden haben.
Mit den Kassiten teilten die Hurriter in der zweiten Hälfte des
II. Jahrtausends v. Chr. ein starkes Engagement in der Pferdezucht und
der Führung des Streitwagens. Man sollte diese Erscheinung aber eher
vorderorientalisch-«global» sehen und nicht primär als Eigenheit
eines bestimmten Volkes (zum möglichen indoarischen Beitrag s.
unten S. 152 f.).
Hurriter sind – abgesehen vom Gebrauch ihrer eigenen Sprache –
unschwer an ihren Namen erkennbar, wenn man es denn als Regel
anerkennen will, daß eine Person mit einem eindeutig der Sprache X
zugehörigen Namen auch selbst Angehöriger der Sprechergemein
schaft des X-ischen war. Wir haben das im Prinzip für das Kassitische
und das Amurritische angenommen, aber auch darauf hingewiesen,
daß eine jahrhundertelange Symbiose von Sprechern der Sprachen A
und B (z. B. Sumerisch und Akkadisch) dazu führen kann, daß die
Sprache eines Personennamens und die tatsächliche ethnische Zuge-
hörigkeit neutralisiert werden.
In Nuzi haben die in den Archiven genannten Personen zum aller
größten Teil hurritische Namen; akkadische oder kassitische Namen
befinden sich demgegenüber in einer wenig relevanten Minderheit.
Die Sprache der Nuzi-Archive ist allerdings durchweg mittelbabylo-
nisches Akkadisch; diese ist jedoch wieder dermaßen von Hurritismen
durchsetzt, daß wir leicht erkennen, daß die dem Urkundenschreiber
eigene Sprache nicht das intendierte Akkadisch war. Mittelassyrischer
sprachlicher Einfluß ist dagegen ganz selten.
Für das Urkundenwesen von Nuzi ist typisch die «Verkaufsadop-
tion». Da es offenbar unüblich oder sogar untersagt war, Landeigentum
außerhalb der Familie zu veräußern, wurde der Käufer vom Verkäufer
in den Status eines «Sohnes», eines «Bruders» oder – bei einer Käufe
rin – einer «Schwester» überführt. Auf diese Weise sind Landaufkäu
152 VII. Die mittelbabylonische Zeit
35. «Amarna»
die radikale Fixierung des Kults auf den Gott Aton sowie ein bisherige
Normen hinter sich lassender Kunststil. Der Altorientalist verbindet
mit «Amarna» dagegen einen Überraschungsfund – ein dort entdeck
tes Archiv von über 300 Tontafeln aus der Mitte des 14. Jahrhunderts:
weit überwiegend Briefe, aber daneben auch Texte der akkadischen
schönen Literatur sowie Schreiberübungen, die auf die Existenz einer
regelrechten Schule für die Korrespondenz in mittelbabylonischer
Keilschrift schließen lassen. Achetaton war Empfangs- und Absende
ort für einen den gesamten Vorderen Orient umspannenden Briefver-
kehr. Da sich ein Teil der Briefe an Amenophis III. wendet, fragt es
sich, ob das Archiv anfangs noch in Theben aufbewahrt worden war.
Ägypten am nächsten gelegen waren Korrespondenten aus der Le-
vante: Gubla = Byblos, Ursalim = Jerusalem, Magidda = Megiddo,
Asqaluna = Askalon, Ugarit, Bērūtu = Beirut, Ṣ urri = Tyros und ande-
re. Dann sind vertreten Karduniaš – Babylon(ien), Assur, Mittani,
Hatti und Alašia = Zypern. Abgesehen von Assur, wo der Absender
˘
Aššur-uballiṭ I. Mittelassyrisch schreibt, von Mittani mit dem Hurri-
tischen und von Arzawa in Südwestkleinasien, wo man sich des He-
thitischen bediente, ist die gesamte sonstige Korrespondenz im Prinzip
Mittelbabylonisch formuliert. Allerdings lassen die Briefschreiber der
Levante Ausdrücke und grammatische Formen ihrer «kanaanäisch-
semitischen» Muttersprache in einem solchen Ausmaß einfließen,
daß man von einer künstlichen Mischsprache reden könnte. Dem
Sprachhistoriker sind diese «Kanaanismen» von höchstem Wert; denn
sie sind praktisch das älteste Zeugnis für den «kanaanäischen» Zweig
der semitischen Sprachen, zu welchem u. a. das Hebräische und das
Phönizisch-Punische gehören (falls die Sprache der Amurriter eben-
falls schon dem «Kanaanäischen» zuzurechnen ist, wofür vieles
spricht, ist doch zu betonen, daß uns das Amurritische nur in Gestalt
von Personennamen und wenigen Lehnwörtern im altbabylonischen
Akkadisch vorliegt – vgl. oben S. 104).
Gegenstand der Briefe aus der Levante ist fast immer Lokalpolitik,
Bitte um Hilfe, Beschwerde über Nachbarfrevel u. a. m., also Dinge,
die geographisch-verwaltungsmäßig noch in die Kompetenz Ägyp-
tens fielen. Um so erstaunlicher ist, daß sich die Absender des Akkadi
schen bedienten und nicht Ägyptisch schrieben. In den Briefen aus
Babylonien, Assyrien, Mittani, Hatti und Alašia sind dagegen zwei
˘
ganz andere Themen tonangebend: Handel und Heiratspolitik. Über
Die Hethiter 157
alles begehrt war ägyptisches Gold, für das der Lapislazuli ein wichti
ges Tauschobjekt war. Die oft blumige, fast ins Bitten und Betteln
spielende Redeweise in Gold-Angelegenheiten darf nicht darüber hin-
wegtäuschen, daß hart abgerechnet wurde und daß «der Ägypter»
keinen Schekel Gold verschenkte.
«Politische» Heiraten sind ein zeitloser Faktor der Geschichte; so
waren sie auch in «Amarna» stets an der Tagesordnung – ein beliebt
sicheres Mittel, Frieden und Machtäquivalenz zwischen mehr oder
weniger ebenbürtigen Staaten aufrechtzuerhalten. Bestes Zeugnis für
den Handelscharakter eines großen Teils der außerlevantinischen
«Amarna»-Briefe sind die höchst penibel ausgeführten «Geschenk
listen», die wir letztlich als nichts anderes interpretieren können denn
als «Warenbegleitscheine».
Die «Amarna»-Korrespondenz ist auch eine interessante Quelle
für das von Hof zu Hof gepflegte «Protokoll»: Wie redete man den
Adressaten an, und wie bezeichnete man sich selbst? Die levantini-
schen Fürsten konnten sich nicht genug tun in zeremoniell verlang
ter Selbsterniedrigung: «sich sieben mal sieben Mal auf den Bauch
(und auf den Rücken) werfen». Dagegen stehen die übrigen Absen-
der dem Pharao frei gegenüber. Ihre Glück- und Begrüßungswün
sche richten sich an den Empfänger, dessen Harem, aber auch – wa-
ren sie nicht Bestandteil der Familie? – an Pferde und Wagen (und
das meint: Streitwagen).
Die «Amarna»-Korrespondenz, die wir hier extrem verkürzt zu be-
schreiben versuchen, darf nicht den Eindruck erwecken, als habe –
und sei es nur kurzfristig – eine pax orientalis geherrscht. Die Über-
landstrecken waren unsicher (von Babylon bis Achetaton war der
Bote mehrere Monate unterwegs); es gab Überfälle, Raub und Mord.
Der Korrespondenzton ist bisweilen höflich-gereizt. Aber daß man
empfangene Handelsware mit Mängeln rügte, mag zum zeitlosen
Spiel des Bazarfeilschens gehören.
Hälfte des II. Jahrtausends v. Chr. immer wieder im Geben und Neh
men, Leiden Schaffen und selbst Leiden äußert.
Es erscheint müßig, darüber zu streiten, ob die indogermanische
Völkerschaft der Hethiter (samt ihren sprachlich nahen Anverwandten,
den Luwiern und Palaern) vom Westen her über den Bosporus oder
aber aus dem Osten – also am wahrscheinlichsten über den Kaukasus
– nach Anatolien eingewandert ist. Sie hatten dabei auf keinen Fall,
wie Ferdinand Sommer es parodierend ausgedrückt hat, die Frage auf
den Lippen: Wie gelangen wir am schnellsten nach Hattuša? Älteste
sprachliche Zeugnisse, die einen Rückschluß auf die Anwesenheit von
Hethitern erlauben, stammen schon aus den Texten der altassyrischen
Händler in Kaniš (hethitisch Neša, s. oben Kapitel 24). Diese «Einhei
mischen», d. h. das nichtassyrische Gastvolk, werden von den Assy-
rern nuwā᾿ū genannt, die «Nu᾿ischen». Dieser Ausdruck, vielleicht
ein Spitzname, ist noch nicht sicher erklärt. Waren es womöglich Leu
te, die – wie die Hethiter – ihre Sätze mit Vorliebe mit der Partikel nu-
begannen?
Lokale Fürsten der altassyrischen Periode – was immer ihre Spra
che gewesen sein mag – bedienten sich bei gelegentlicher Korrespon
denz des altassyrischen Akkadisch. Hethitisch war damals jedenfalls
noch nicht «Schriftsprache» geworden.
Daß die Hethiter schließlich – und wann? – die längst als altassyri
scher Handelspunkt bestehende Stadt Hattuša zu ihrer Hauptstadt er-
koren und monumental ausbauten, mag wieder wegen strategischer
Lagevorteile erfolgt sein.
Die hethitische Sprache – dokumentiert in auf über vier Jahrhun-
derte verteilten Keilschrifttexten – ist uns heute nur so gut und so weit
erkennbar, wie wir sie «durch die Brille» der akkadischen Silbenschrift
lesen, die für die Darstellung von Konsonantenhäufungen (wie z. B.
sta-, stra-, -astra-, -ast, -arst) ungeeignet war. Man muß also wohl
mit einer nicht unbeträchtlichen Distanz rechnen zwischen unserer
Lateinschrift-Transliteration des Keilschrift-Hethitischen und der
dahinterstehenden realen Sprache. Von einiger Hilfe ist aber beim Ver-
such, eine wenigstens annähernde Vorstellung vom Klang des Hethi
tischen zu erlangen, der nachgewiesen indogermanische Charakter
dieser Sprache.
Wenn wir die ethnische und sprachliche Umwelt der Hethiter von
Hattusa aus betrachten, so können wir die Landkarte nur teilweise be
160 VII. Die mittelbabylonische Zeit
nigs der Kassiten. Ich trat auf seinen Herrschernacken wie auf einen
Fußschemel. Gefangen und gebunden brachte ich ihn vor meinen
Herrn Assur. So wurde ich Herr über ganz Sumer und Akkad ... und
setzte das ‹Untere Meer› vom Sonnenaufgang (= Persischer Golf) als
die Grenze meines Landes fest». Die Identität der beiden Könige vor
ausgesetzt, wird man sagen, daß sich kein größerer Kontrast denken
läßt als die Siegesfanfare der Königsinschrift auf der einen und die
nüchtern-praktische Briefnotiz auf der anderen Seite, die auf einen
höchst würdigen «Gefangenen»-Status des Besiegten schließen läßt.
Man wird möglicherweise auch viele ähnliche Nachrichten aus den
Königsinschriften, die von der Gefangennahme und Verschleppung
feindlicher Herrscher handeln, in anderem Licht sehen. Wie es sich
bei Tukulti-Ninurta I. mit der Inbesitznahme von «Sumer und Akkad»
und dem Persischen Golf als Grenze des Assyrerreiches in Wirklich
keit verhalten hat, muß offen bleiben. Tukulti-Ninurta hätte – späte
rer Chronik zufolge – in Babylonien eigene Statthalter eingesetzt. In
der Titulatur mancher seiner Inschriften bezeichnet er sich als «König
von Assyrien und Karduniaš (= Babylonien), des Landes Sumer und
Akkad, König der Stadt Sippar und der Stadt Babylon, König von Til
mun (= Baḥ rain) und Meluhha (= ein Gebiet jenseits vom Ausgang
˘˘
des Persischen Golfes, manchmal = Indusgebiet), ...». Dergleichen
kann nur ein Schreiber höchstbeflissener Art oder einer mit selbst für
die damalige Zeit nur extrem vagen geographischen Vorstellungen
verfaßt haben. Was ja dem Ruhm des König prinzipiell keinen Ab
bruch tun soll.
Wie dem aber auch sei, es hat sich ein tiefgreifender Antagonismus
zwischen Assyrien und Babylonien herausgebildet, der sich wie ein
roter Faden durch die Geschichte Mesopotamiens zieht bis zum Ende
des assyrischen Reiches. Es mag unter Aššur-uballiṭ I. (1353–1318)
noch eine «politische» Heirat stattgefunden haben zwischen dem ba-
bylonischen König Burna-Buriaš II. und einer assyrischen Prinzessin.
Doch innerbabylonische Intrigen gaben dem assyrischen König Anlaß
einzuschreiten. Sonst war aber auch Grenzzwist, jene zeitlose Kon-
stante der Weltgeschichte, Grund für viele weitere Auseinanderset
zungen.
Tukulti-Ninurta I. hat nur drei Kilometer tigrisaufwärts eine neue
Residenz gründen lassen samt den Kultstätten aller großen Götter. Er
nannte sie Kār-Tukulti-Ninurta «Tukulti-Ninurta-Hafen». Die Grün
Assyrien: Erster Höhepunkt 167
de für die Schaffung eines «Versailles» vor den Toren von Assur sind
unklar, und Spekulation (Beengung, Unsicherheit in Assur selbst, die
zeitlose Bausucht des Potentaten) hilft als Erklärung nicht weiter. Die
enormen Kosten eines solchen Unternehmens kann der König nicht
aus dem lokalen Steueraufkommen bestritten haben. Hier wurden
ohne Zweifel in hohem Maße Tribut und Kriegsbeute investiert. Ver
waltungstexte nennen als Bauarbeiter Hurriter, Kassiten und Bewoh
ner der Nairi-Länder (s. unten), also wohl insgesamt Deportierte.
Nairi-Länder ist ein Sammelbegriff für kleine Gebirgsfürstentümer
auf dem armenischen Hochland, nördlich vom Kašiaru-Gebirge (dem
heutigen Ṭ ūr ῾Abdãn) – «40» sollen es laut Tukulti-Ninurta I. gewesen
sein. Es ist noch unklar, ob die Bewohner dieser Nairi-Länder ver
wandt (oder gar identisch) waren mit den Uruaṭ ri, den Urarṭ äern der
neuassyrischen Zeit (s. Kapitel 43), und zudem auch den Hurritern
sprachlich nahe verwandt. Auf jeden Fall ist Assyrien nach dem Ver
schwinden des Mittani-Reiches Erbe nördlicher Nachbarn geworden,
die bedrohlich auftraten, aber oft besiegt und damit tributpflichtig ge
macht wurden. Kriege waren sehr oft Handelskriege, und Siege wirk-
ten sich höchst positiv auf den assyrischen Staatshaushalt aus.
Wichtiger aber als die Aufreihung oft nicht einmal genau datierba
rer Differenzen zwischen Assyrien und seinen Nachbarn sind Strö
mungen der Geistesgeschichte, die sich im Strudel des politischen Hin
und Her noch stets als bestandskräftig erwiesen haben. Was oben (Ka
pitel 36 Ende) zum literarischen Verpflichtetsein des Hethiterreiches
gegenüber Babylonien angedeutet werden konnte, gilt – mutatis mu
tandis – auch für Assur und das ihm viel näher gelegene Babylonien.
Assur und später Ninive mit seiner Bibliothek Assurbanipals (s. Kapi-
tel 48) sind als Zentren der Schöpfung und Überlieferung schöner ak-
kadischer (aber auch noch sumerischer) Literatur unvorstellbar ohne
ein gebendes Babylonien. Doch darf man deshalb der assyrischen Sei
te nicht jegliche Eigenheit und Eigenbetätigung absprechen. Ganz un
abhängig stehen ja – neben vielem anderen – die mittelassyrischen
Königsinschriften da, die sich – vom dürren Grundformular abgese
hen – nicht selten zu einem Höhenflug gepflegtester Sprache auf
schwingen.
Dabei fällt freilich auf, daß sich die Schreiber Assyriens, wenn sie
literarische Texte abfassen oder für ihre Herren aufsetzen mußten, so
gut wie immer der babylonischen – und nicht der beträchtlich anders
168 VII. Die mittelbabylonische Zeit
ren: Es steht nicht einmal die Reihenfolge der auf verschiedenen Ta
feln überlieferten Abschnitte sicher fest.
Breiten Raum nimmt das Recht (oder besser: Minderrecht) der
Frauen ein, formuliert aus einer extrem patriarchalischen Sicht: Gü
terverhältnisse, Mitgift, Verfahren gegenüber beiden Parteien beim –
provozierten oder forcierten – Ehebruch. Drakonische Strafen sind die
Regel, z. B. Kastration, Zwangsarbeit, eine womöglich lebensgefähr
lich hohe Zahl von Stockschlägen. Die Sparten Grundbesitz- und Erb
recht sind weniger vollständig erhalten.
Die «Hof- und Haremserlasse» mit ihren über alle Maßen peinlich
genauen Vorschriften für das Verhalten der Hofdamen und der sie «be-
treuenden» Eunuchen mag genuin assyrisch sein; aber man fühlt sich –
babylozentrisch – in einer fremden Welt und möchte eher an einen Im
port von auswärts denken: an die hethitischen Ritualvorschriften und
manchmal Schritt für Schritt rekonstruierbaren Zeremonielle. Ein un-
mittelbarer Einfluß ist wohl auszuschließen; doch denkt man an die
vielberufene, wiewohl noch nicht konkret dokumentierte Nachbar
schaft von Mittani (vgl. Kapitel33) als Übermittlerin.
Eine epische Dichtung (babylonisch abgefaßt, nur sehr bruchstück-
haft bekannt, im Gesamtaufbau kaum schon sicher rekonstruierbar)
beschreibt die Kriegstaten Tukulti-Ninurtas I. im sich anbahnenden
Kampf gegen den Vertragsbrüchigen – so die stereotype Rechtferti
gung – Kaštiliaš IV. von Babylonien (vgl. oben S. 165 f.). Daß das Werk
jahrhundertelang in den Schreiberschulen tradiert wurde, zeugt vom
Nachruhm des Königs. Auch von Tukulti-Ninurtas Vater Adad-nārā-
ri I. ist ein Epentorso überliefert, so daß wir womöglich mit der Schaf
fung einer neuen literarischen Gattung rechnen können.
Wenn wir babylonisch-assyrischer Historiographie folgen, die am
besten in den sogenannten «Chroniken» erhalten ist, so müssen wir
Tukulti-Ninurta I. zu den zahlreichen Herrschern des Alten Orients
rechnen, die ein gewaltsames Ende fanden. Der König wäre demzufol
ge während eines Aufruhrs in seiner Residenz Kār-Tukulti-Ninurta
eingeschlossen und dann getötet worden. Eben diese Historiographie
– aber keine zeitgenössische Quelle – berichtet von einer Plünderung
des Marduk-Tempels in Babylon und der Entführung des Kultbildes
nach Assur. Die Glaubwürdigkeit der Jahrhunderte später entstande-
nen – oder wenigstens für uns erst dann bezeugten – «Chroniken» ist
bisher kaum mit zwingender Beweisführung untersucht worden.
170 VII. Die mittelbabylonische Zeit
Die Sprache der Aramäer ist – bei aller vollkommen klaren Ver-
wandtschaft – grundverschieden vom Akkadischen, vom Amurriti-
schen und Kanaanäischen sowie auch vom Arabischen innerhalb der
semitischen Sprachfamilie. Ihre Sprache trat einen Siegeszug durch den
gesamten Vorderen Orient an. Sie hat bis zum Ende des I. Jahrtausends
v. Chr. das Akkadische völlig verdrängt. Sie hat sich auch in Syrien-Pa
lästina durchgesetzt und das «kanaanäische» Phönizisch wie ebenso das
«kanaanäische» Hebräisch zum Aussterben gebracht oder zu einer nur
noch im Kult und Gebet benutzten Sprache gemacht. Die Kommentare
zu den hebräischen heiligen Schriften sind im sogenannten Biblisch-
Aramäischen abgefaßt. Längst vorher, im Achämenidenreich, war das
«Reichsaramäisch» lingua franca geworden. Durch manichäische Mis
sion in Zentralasien wurde syrisch-aramäische Schrift den Uiguren und
Mongolen für ihre Sprachen übermittelt (nur daß man nun, chinesi
schem Vorbild folgend, von oben nach unten schrieb). Neuaramäische
Sprachen leben noch weiter im Libanon, in Syrien, im Iraq, in der Ost
türkei, im südlichen Kaukasus, und sie haben sich durch die sich «Assy
rer» nennenden neuaramäischen Christen auch nach Europa und Ame
rika verpflanzt. Man findet nicht leicht einen anderen solchen die
Jahrtausende durchziehenden Überlieferungsstrang.
Zurück zu den Anfängen: Die transeuphratischen Kämpfe Tiglatpi
lesers I. gegen die Aramäer lassen sich nicht einfach vergleichen mit
den ein Jahrtausend älteren Bemühungen der Sumerer und Akkader,
dem plötzlich einsetzenden Ansturm der Amurriter zu begegnen. Da
mals wurde – defensiv – eine Mauer (oder eine Reihe von Kastellen)
errichtet, aber man ging nicht in die Offensive über, soweit wir in die
ser Hinsicht wenigstens ein Schweigen der Quellen deuten dürfen. Es
mögen hier wieder geographische Gegebenheiten eine Rolle spielen:
Der «Flaschenhals» im Norden Babyloniens ließ sich unschwer sper-
ren; aber das nördliche Mesopotamien, offen nach allen Himmelsrich
tungen, erlaubte keine vergleichbaren Defensivmaßnahmen.
39. Rückblick
einem ganz anderen Blatt stehen die Klagen des «Gerechten Leiden-
den» (das Hiob-Motiv) – zuerst altbabylonisch bezeugt. Bei ihnen geht
es um das Verhältnis des einzelnen nicht zum Herrscher oder zur Ge
sellschaft, sondern zum pünktlich verehrten Gott, der dennoch seine
Strafen ausmißt.
Gab es eine Entwicklung auf dem Gebiet der bildenden Kunst? – Ja,
ganz entschieden, wie auch kaum anders zu erwarten. Mangels genü-
gender Kompetenz und auch weil hier ja keine altorientalische Kunst-
geschichte geschrieben wird, beschränken wir uns auf drei willkürlich
herausgegriffene Beispiele. Der Tempel, den der Kassitenkönig
Karaindaš (Ende des 15. Jahrhunderts v. Chr.) für die Göttin Inanna in
Uruk erbauen ließ, hat eine nischenartig gegliederte Außenwand, an
welcher gefäßehaltende Götter und Göttinnen, aus Formziegeln ge-
mauert, dargestellt sind. Tukulti-Ninurta I. von Assyrien hat sich auf
einem Kultsockel abbilden lassen, wie er vor einer Gottheit zuerst
ganz links steht und dann in der Mitte der Szene kniet, geradezu
«kinematographisch» dargestellt. Das Denkmal ist solide gearbeitet,
fasziniert durch die Idee seiner Darstellung, bleibt aber künstlerisch
innerhalb des Gewohnten. Die babylonischen Kudurru (s. Kapitel 32)
haben den bildenden Künstler vor eine ganz neue Herausforderung
gestellt: Der Kudurru ist eine unregelmäßig geformte, oben abgerun
dete Steinstele, auf deren Oberteil Göttersymbole angebracht sind,
während die rechtsverbürgende Inschrift die Seitenflächen des auf
recht stehenden Steins einnimmt. Bis zu einem gewissen Grade, aber
nie vollständig, entsprechen einander die in der Inschrift genannten
Gottheiten und die oben skulptierten Symbole.
Die Darstellung von Personen in den Bilddenkmälern der «mittel-
babylonischen Zeit» ist aber nach wie vor im Gesicht starr und gänz-
lich unbewegt. Viele Jahrhunderte harren wir noch des «archaischen
Lächelns».
Ist die Beherrschung der Natur, ist die «Technik» fortgeschritten? –
Ja. Die Fortbewegungsgeschwindigkeit ist durch die Benutzung des
Pferdes gewachsen. Der schnell bewegliche Streitwagen (mit Spei-
chenrädern) wurde eingeführt. Noch unklar ist, ob Randgruppen Me
sopotamiens (die Aramäer?) bereits am Ende des II. Jahrtausends
v. Chr. das Kamel gezüchtet und eingesetzt haben.
Das Eisen (akkadisch parzillu) wird immer häufiger benutzt, nach-
dem es in der altbabylonischen und altassyrischen Zeit nur ganz
180 VII. Die mittelbabylonische Zeit
(s. Kapitel 32), wird mit ihren angeblich 36 Königen nur noch von der
Reihe der assyrischen Herrscher übertroffen. Tatsächlich betreten wir
aber erst mit ihrem 19. König, Burna-Buriaš II. (1359–1333), chrono-
logisch sicheren Grund. Die Dynastie endet 1157 mit einem Enlil-nā-
din-ahi. Mit dieser langen Dynastie war zeitweilig die I. Dynastie des
˘
«Meerlandes» synchron gewesen (vgl. oben Kapitel 32), von der bis-
her kaum mehr als die Herrschernamen bekannt sind – und auch die-
se nur aus der historischen Retroperspektive. In einer anschließenden
«II. Dynastie von Isin» (so benannt wegen der «I. Dynastie», s. Kapi-
tel 23) sticht Nebukadnezar I. (1124–1103) hervor als Herrscher mit
ausgeprägtem Nachruhm. Eine «II. Dynastie des Meerlandes» und
drei weitere wenig bedeutende «Dynastien» mögen das Bild Babylo
niens in der Zeit von Assurnasirpal II. von Assyrien abrunden, ohne
daß es uns gelingen könnte, eine sinnvoll zusammenhängende Ge
schichte Babyloniens, einsetzend mit dem 12. Jahrhundert v. Chr., zu
schreiben, geschweige denn für die Zeit davor.
Nebukadnezar I., ein Zeitgenosse der ersten Dekade Tiglatpilesers I.,
hat sich anhaltenden Nachruhm erworben durch seinen erfolgreichen
Kampf gegen den immer drohenden Feind Elam (dazu näher Kapi-
tel 42). So wie schon bei «Sargon» von Akkade hat es sich auch bei
«Nebukadnezar I.» eingebürgert, ihn – strenggenommen anachroni-
stisch – mit jener Namensform zu zitieren, die das Alte Testament
einem viel späteren Herrscher dieses Namens gegeben hat: Nebukad
nezar II. (verschrieben aus Nebukadrezar) als hebräischer Reflex von
akkadisch Nabû-kudurri-uṣ ur.
In einer Kudurru-Inschrift (vgl. Kapitel 32), der zufolge ein Šitti-
Marduk für militärische Leistungen im Kampf Nebukadnezars I. ge-
gen den Elamiterkönig Hulteludiš-Inšušinak belohnt wurde, lautet
eines der den König preisenden Epitheta «der die Amurriter besiegt,
der den Kassiten Beute abgejagt hat». Amurriter und Kassiten stehen
hier für nomadisierende Völkerschaften auf mesopotamischem und
elamischem Boden. Dabei ist beachtenswert, daß fremd-feindliche
«Kassiten» nicht als Widerspruch zu der Tatsache empfunden wurden,
daß doch seßhaft gewordene Kassiten in Babylonien längst in der me-
sopotamischen Kultur und Tradition aufgegangen waren.
Neben den seit dem 12. Jahrhundert v. Chr. im Fruchtbaren Halb
mond allgegenwärtigen Aramäern erscheint bei Assurnasirpal II. im
Zusammenhang mit Babylonien erstmals auch der Name einer weite
184 VIII. Jahrhunderte großer Konstellationen
Das Corpus der Inschriften Assurnasirpals II. (883–859 v. Chr.) hat keine
Parallele in der Aufzählung und Häufung scheußlicher Strafgerichte:
Schinden der Gegner (ihre Haut wird über die Stadtmauer gebreitet);
Abschlagen von Gliedmaßen, Ohren, Nasen; Blenden, Pfählen, Ver-
brennen von Gefangenen, selbst junger Männer und Mädchen. Das
Pfählen und Schinden ist nachdrücklich auch auf neuassyrischen Re
liefdarstellungen verewigt – zweifellos zur Warnung palastbesuchender
Fremder.
Die Frage ist schwer zu beantworten, wie es zu der so stark konzen-
trierten Beschreibung von Kriegsgreueln gerade bei Assurnasirpal II.
gekommen ist. Es fällt grundsätzlich schwer, durch offizielle Texte, ja
selbst durch persönliche Briefe zum Charakterbild eines Herrschers
vorzudringen. Altorientalische Physiognomie laßt sich im Bild schon
gar nicht wiederfinden (vgl. oben S. 179) – und doch: Das 190 cm hohe
Herrscherbild eines Salmanassar (858–824 v. Chr.) wirkt auf uns so
hochgradig abstoßend, daß er selbst heute noch das Fürchten lehrt.
Die Aufzählung der Beute nimmt immer größere Ausmaße an, z. B.
300 Talent Eisen von Aramäern, die es zu enormem Wohlstand ge
bracht haben müssen. Tribut und Tributbringer sind ebenfalls in der
Bildkunst dargestellt, besonders auf den assyrischen Obelisken.
Die Inschriften Assurnasirpals II. enthalten mit ihren Hunderten
von Ortsnamen (Städten, Bergen, Ländern) einen unbezahlbaren
Schatz an geographischer Information. M. Liverani hat musterhaft ge-
zeigt, wie es bei peinlich genauer philologischer Analyse der Inschriften
gelingen kann, Feldzugsverläufe in alle Himmelsrichtungen zu karto
graphieren und Beute und Tribut nach ihrer Herkunft zu klassifizieren:
Gold, Silber, Bronze, Zinn, Eisen, Holz, Elfenbein, Textilien, Wein, Pfer-
de, Maultiere und Gefährte, Kamele, Edel- und Schmucksteine.
Assurnasirpal II. 185
8 Standbild
Salmanassars III.
Basalt,
Müzesi, Istanbul.
42. Elam
Mit Elam (s. auch schon Kapitel 15) assoziieren wir Persien, Iran, frei-
lich nicht den Staat in seinen heutigen Grenzen, dessen Umfang mehr
als das Dreifache vom modernen Iraq einnimmt. Je weiter wir von
Mesopotamien aus nach «Iran» in nordöstlicher, östlicher oder süd
östlicher Richtung einzudringen versuchen, desto mehr verblassen
unsere geographischen Vorstellungen vom Land vor der Zeit des
Achämenidenreiches.
Einen Fixpunkt eher am Rande und nicht im Zentrum Elams bil-
det die Metropole Susa, nicht weit vom Fuß des Zagros-Gebirges
und nahe dem Fluß Karha, in der Luftlinie 240 km von Ur und
˘
355 km von Babylon entfernt. Elam ist ein vager Begriff. Im engeren
Sinne entspricht es mehr oder weniger der heutigen Landschaft Fārs;
im weiteren Sinne bezieht es mindestens die Susiana ein, also die
Landschaft um Susa. Ein fast noch bedeutenderes Zentrum war Ende
des III. Jahrtausends Awan, im Nordosten von Susa; es ist aber noch
nicht vollkommen sicher lokalisiert. Von dort stammte eine Dyna-
stie, mit der sich Herrscher der Dynastie von Akkade auseinander-
setzen mußten.
Die bequemste Definition von «Elam» bestünde darin, das Gebiet
zu umreißen, wo man Elamisch sprach (und schrieb). Doch für die tat
sächliche geographische Streuung des Elamischen wie überhaupt für
die Sprachenlandschaft «Irans» im III., II. und frühen I. Jahrtausend
v. Chr. fehlen uns exakte Belege. Die wahrscheinlich der ältesten me
sopotamischen Keilschrift nachgeformte «proto-elamische» Schrift
(vgl. oben S. 31) hatte gegen Ende des III. Jahrtausends ein Einzugsge
biet, das im Osten bis nach Šahr-i Sohte reichte (knapp 1200 km öst
˘
188 VIII. Jahrhunderte großer Konstellationen
lich von Susa, schon an der Grenze zu Afghanistan). Ob man sich hier
aber noch auf genuin elamischem Sprachgebiet befand, läßt sich nicht
beweisen. Es ist übrigens versucht worden, einen sprachlichen Zu-
sammenhang herzustellen zwischen dem Elamischen und dem Proto-
Dravidischen (d. h. der Grundsprache der heute in Indien gesproche
nen Dravida-Sprachen, die womöglich auch in den noch immer un-
entzifferten Siegelinschriften der Induskultur vertreten sind – vgl.
S. 31). Träfe diese These zu, dann könnten wir sozusagen linguistisch
den Bogen spannen von Susa ganz im Westen entlang der Nordküste
des Persischen Golfes bis hin ins riesige Einzugsgebiet des Pandschab
und des in den Indischen Ozean einmündenden Indus.
Die Küstenebene Hūzistāns (heute weitgehend arabisch besiedelt),
˘
durchflossen vom Kārūn, ist kaum etwas anderes als eine östliche
Ausweitung der Alluvialebene der Zwillingsflüsse Euphrat und Ti-
gris, und so waren Babylonien und Elam zu vielen Zeiten – auch wenn
durch «die Mode streng geteilt» – eine gemeinsame Kulturlandschaft:
gemeinsame Schrift seit der altakkadischen Zeit; bürokratische Ver-
waltung; gemeinsame Grundzüge des Pantheons; Errichtung monu-
mentaler Tempeltürme.
Und dennoch gestaltete sich – was aber kein Widerspruch sein muß –
das Verhältnis zwischen Mesopotamien und Elam oft beinahe in der
Art einer «Erbfeindschaft», und sehr bemerkenswerterweise hat sich
die Sprachengrenze durch die Jahrtausende bis heute behauptet. Weder
ist Südmesopotamien zu irgendeiner Zeit «elamisiert» worden noch
überlagerte die akkadische Sprache das Elamische – das geschriebene
sargonische Verwaltungsakkadisch (vgl. oben S. 70 f.) als Sprache einer
verwalteten elamischen Bevölkerung kann darüber ebensowenig hin
wegtäuschen wie die Tatsache, daß uns aus dem altbabylonischen Susa
Hunderte von akkadischen Rechts- und Verwaltungstexten überkom
men sind; Akkadisch war nur Mittel der Administration, aber nicht
Spiegel gesprochener Sprache. Interessanterweise ist auch im Akka
dischen, das jederzeit offen für die Aufnahme von Fremdwörtern war,
der Anteil von Wörtern elamischen Ursprungs ganz auffällig klein (die
heutigen Wörterbücher verbuchen allenfalls 30–40 Beispiele).
Elam soll hier nur ganz knapp und auch nur in seinem unmittelba
ren Verhältnis zu Mesopotamien behandelt werden. Ein ganz wesent-
licher Teil der uns – weitestgehend unbekannten – Geschichte Elams
ist ins iranische Landesinnere gespiegelt. Doch eine intensive Berüh
Elam 189
stens zufolge der Aussage der sumerischen Dichtung «Klage über die
Zerstörung von Ur» – den Hauptanteil. König Ibbi-Suen soll in elami
sche Gefangenschaft, genauer: nach Anšan (= Tall-i Mālyān nördlich
vom heutigen Šãrāz) weggeführt worden sein, vielleicht in ein äußerst
ziviles Exil – doch wurde in der Folge von ihm nichts mehr vernom-
men. Eine elamische Besatzung hat sich noch mehrere Jahre in Ur
festgesetzt, bis sie von Išbi-Erra von Isin vertrieben wurde.
Neben der ebenen südwestlich führenden Strecke gab es von Susa
aus eine zweite, südlich am Zagros entlangführende Straße nach Dēr
im Osttigrisland, von dort weiter ins Diyāla-Gebiet und dann direkt
zum «Flaschenhals» von Euphrat und Tigris. Diese Route wurde von
Elam immer dann bevorzugt, wenn das dichtbesiedelte Innere Baby
loniens vermieden und umgangen werden sollte – z. B. in der altbaby-
lonischen Zeit im militärisch-diplomatischen Zusammenspiel mit
Mari oder später im I. Jahrtausend v. Chr. im gegen Assyrien gerichte-
ten Zusammenhang.
Bei Erstürmungen und Eroberungen spielten neben der Beute, die
sich real in vergleichbare Werte umsetzen ließ, stets auch historische
Monumente und Götterkultbilder eine Rolle. Das berühmte Sieges
denkmal Narām-Suens von Akkade, die Stele mit dem Codex Hammu
rāpi, aber auch manche mittelbabylonischen Kudurrus (vgl. Kapitel 32)
sind nicht etwa in babylonischem Fundzusammenhang entdeckt wor
den, sondern in Susa, wohin sie als Beute verschleppt und von wo sie
nie an ihren Ursprungsort zurückgekehrt sind. Geraubte Kultbilder
prägten sich der geschändeten Gemeinde als ein «Immer-daran-den
ken» ein, und es war heilige Verpflichtung der lokalen Herrscher, das
Kultbild in ein verwaistes Heiligtum zurückzubringen. Kutir-Nahhun-
te von Elam brachte den letzten König der Kassitendynastie, Enlil-nā-
din-ahi (1157–1155) zu Fall, und er raubte das Kultbild Marduks. Eine
˘
Generation später brachte Nebukadnezar I. (1125–1104) es zurück.
Eine plausibel zusammenhängende innerelamische Geschichte zu
schreiben, ist bisher kaum in befriedigender Weise möglich; denn die
Quellen sind geographisch und zeitlich so unterschiedlich gestreut,
daß selbst der Entwurf «großer Züge» fast nicht zu verantworten ist.
Die herkömmliche, sehr grob vollzogene chronologische Einteilung
lautet: Ca. 2350–2150 v. Chr. regierte die Dynastie von Awan, deren
letzter Herrscher laut einer altbabylonisch überlieferten Königsliste
Puzur-Inšušinak war, Zeitgenosse des Šar-kali-šarrã von Akkade; es
192 VIII. Jahrhunderte großer Konstellationen
folgte ca. 2100–1900 eine Phase parallel zur III. Dynastie von Ur und
den ersten drei Königen der altbabylonischen Dynastie von Isin; eine
Dynastie von Šimaški tritt hervor (die Landschaft Šimaški ist noch
nicht sicher lokalisiert – vielleicht nördlich des heutigen Hurramā-
˘
bād); ein von Ur ausgehender, zeitlich dichter und regelmäßiger Bo-
tenverkehr nach Šimaški ist bezeugt. Die Zeit von ca. 1900–1500 gilt
als die sukkalmah-Periode. Sumerisch sukkal-mah, was etwa «Groß
˘ ˘
wesir» bedeutet, wurde als Herrschertitel ins Elamische übernommen.
Von ca. 1450–1100 dauerte die Mittelelamische und, nach einem noch
nicht überbrückbaren Intervall, von 750–500 v. Chr. die Neuelamische
Periode.
Die Kontakte zwischen Elam und Mesopotamien haben im Laufe
der Jahrhunderte nicht etwa zu wachsender Annäherung und anstei
genden Gemeinsamkeiten geführt, sondern sie haben – vielleicht wi-
der Erwarten – jene ewige Feindschaft bewirkt, von der schon so oft
die Rede gewesen ist.
Das hier nur sehr kurz eingeführte Elam wird noch öfter Gegen-
stand in den folgenden Kapiteln sein.
43. Urarṭ u
wieder unterbrochen von der Wendung «Es spricht König NN». Hier
fühlen wir uns in die Welt der achämenidischen Königsinschriften
versetzt, die doch aber einige Jahrhunderte jünger sind. War diese be
sondere Wendung eine Schöpfung der Urarṭ äer, oder haben die Urar-
ṭ äer wie auch viel später die Achämenidenherrscher aus einem
gemeinsamen, «inneriranischen» Formenschatz geschöpft, dessen Ur-
sprung uns heute verschlossen ist?
Die Urarṭ äer befanden sich, was alles Technische betrifft, auf dem
für ihre Zeit und im Vergleich mit anderen Völkern höchsten Stand.
Das bezeugen nicht nur ihre der Felsenformation angepaßten Ge
birgsfestungen. König Minua (ca. 810–785/80) hat für die Stadt Tušpa
Wasser aus einem Gebirgsquell in einen kunstvoll geführten Kanal
geleitet (einen zeitweise «Semiramiskanal» genannten, noch heute er-
haltenen Wasserlauf), wo der vor der Tür gelegene Van-See selbst we
gen seines viel zu hohen Salzgehalts als Trinkwasserreservoir aus-
scheiden mußte.
Neben Eigenständigkeit ist aber auch kulturelle Abhängigkeit zu
unterstreichen: So läßt urarṭ äische Wandmalerei leicht eine Ver-
wandtschaft und Abhängigkeit von assyrischen Vorbildern (in Til
Barsip oder Dūr-Šarru-kãn) erkennen.
von Byblos, Kameleinheiten des Arabers Gindibu und sogar gegen ein
Kontingent von Ägyptern. Die Summe der angeblich Beteiligten er-
reichte rund 50000, die der Erschlagenen 14000. Der Ort der Schlacht
lag nicht allzuweit von Qadeš, wo über 400 Jahre früher Hethiter und
Ägypter einander gegenüber standen (vgl. oben Kapitel 36). Bei Qar-
qar ging es der antiassyrischen Koalition darum, den gefährlichen und
freiheitsbedrohenden Expansionsdrang Assurs aufzuhalten.
Jahr 7: Tribut der Nairi-Länder. Keine Erwähnung der Levante, also
wohl kein entscheidender Sieg bei Qarqar.
Jahr 8 und 9: Intervention in Babylonien. Der König von Karduniaš,
wie Babylonien aus assyrischer Sicht noch immer genannt wurde,
Marduk-zākir-šumi, bat Salmanassar um Beistand gegen seinen auf-
rührerischen Bruder. Salmanassar siegte und huldigte dem Marduk in
Babylon. Tributempfang von den südbabylonischen, chaldäischen,
Königtümern Bãt-Dakkūri und Bãt-Amukkāni; Vorstoß bis zum Persi
schen Golf.
Jahre 10 und 11: Zug nach Karkemiš und erneute Auseinanderset
zung mit Hadad-ezer von Damaskus, Irhuleni von Hamath und deren
˘
Verbündeten.
Jahr 12: Zug gegen eine Stadt Paqarahubuna.
˘
Jahr 13: Zug gegen Matiāte (heute = Midyat) im östlichen Ṭ ūr ῾Ab-
dãn.
Jahr 14: Hadad-ezer und Irhuleni in die Flucht geschlagen.
˘
Jahr 15: Kriegszug nach den Nairi-Ländern.
Jahr 16: Zug nach Mazamua und Namri (vielleicht beim heutigen
Hāniqãn östlich des Flusses Diyāla). Der Herrscher dort hat einen ak
˘
kadischen Namen, Marduk-mudammiq; vor seiner Flucht plündert er
noch nach altbewährter – und oft wiederholter – Manier seinen Palast
aus, d. h., er nimmt die «Staatskasse» mit.
Jahr 17: Tribut von Hatti, Zedernfällen im Amanus-Gebirge, Jagd-
˘
bericht.
Jahr 18: Zug in die Levante, endgültiger Sieg über Hadad-ezer von
Damaskus.
Jahr 19: Tribut von Hatti, Zedernfällen im Amanus, Jagdbericht
˘
(Wiederholung von Jahr 17!).
Jahr 20: «Musterung» der Könige von Hatti, die jetzt wohl als sichere
˘
Untertanen des Reiches betrachtet werden. Vorstoß westwärts bis zum
kleinasiatischen Qu᾿e (nördlich von Tarsis und südlich von Tabal).
198 VIII. Jahrhunderte großer Konstellationen
Das mit dem Jahr 20 endende Exemplar der Annalen summiert die
Beute der Jahre 1–20: 110610 Gefangene, 82600 Erschlagene, 9920
Pferde und Maultiere u. a. m. Wenn Salmanassar III. auch – anders als
sein Vater Assurnasirpal II. – weitgehend auf die Schilderung grausa
mer Strafgerichte verzichtet, so steht er seinem Vorgänger doch in der
stolzen Reihung der Gefallenen- und Gefangenenzahlen in nichts
nach.
Jahr 21: Kriegszug gegen Haza᾿el von Damaskus.
Jahr 22: Vorstoß nach Tabal, südlich vom heutigen Kayseri.
Jahr 23: Tribut von Tabal.
Jahr 24: Vorstoß nach Namri (vgl. Jahr 16); Tribut von 27 Königen
von Parsu(a), östlich vom Oberlauf der Diyāla; Erwähnung der Meder.
Die später zur Weltmacht aufsteigenden Perser erscheinen vage am
Horizont.
Jahr 25: Vorstoß nach Qu᾿e; Einnahme einer Festung des Aramu
von Bãt-Agūsi (= das Land Jahan zwischen Karkemiš, Patin am Mittel
˘
meer und Hamath). Der Zugang zum Mittelmeer ist also doch noch
nicht völlig freigekämpft.
Jahr 26: Vorstoß nach Qu᾿e, Tarsis; Zedernfällen im Amanus.
Jahr 27: Kriegszug gegen Urarṭ u und Zusammenstoß mit Sēduru =
Sarduri I.
Jahr 28: Aufruhr in Patin niedergeschlagen.
Jahr 30: Kriegszug gegen Hubuškia, Mannäer, Parsua.
˘
Jahr 31: Kriegszug gegen Muṣ aṣ ir, Urarṭ u und Namri. Salmanassar
schreibt seine Siege dem überwältigenden «Strahlenglanz» des Gottes
Assur, aber auch des Marduk zu.
Nimmt man diese Jahresberichte für bare Münze, so drängt sich
einem etwa eine solche Folgerung auf: Assyrien ist in ständiger Of
fensive und im beständigen Versuch, sich auszudehnen, begriffen.
Wenn Rückschläge vorkommen, so werden sie traditionellerweise
sehr sorgsam verschwiegen. Manche Ziele (Bãt-Adãni, Jahre 2, 3, 4),
Hubuškia (1, 3, 30), Mazamua (5,16, das dann endgültig zu einer as-
˘
syrischen Provinz wurde), Namri (16, 24), Nairi (7, 15, 24, 31) keh
ren in kürzeren oder längeren Jahresabständen wieder. Die levanti
nische Koalition unter Damaskus kommt eher geballt in den Jahren
6, 10–11, 14, 18, 21 vor, ohne daß ein endgültiger Erfolg zu sehen
wäre: d. h. die Verwandlung der Feindesgebiete in Provinzen oder
zumindest Tributbringer.
Assyrien von Salmanassar III. bis zu Tiglatpileser III. 199
den urämischen König Argišti (I.), indem er sich selbst in aller Form
als den – von den Göttern begünstigten – Sieger ausgibt. Solcherlei
«Siege» mögen sicher auch frühere Heerführer namens ihrer könig-
lichen Auftraggeber errungen haben; es bedurfte aber wohl einer sich
immer weiter aufbauenden Stärke eines höchsten Amtes (und einer
damit einhergehenden relativen Schwächung der königlichen Posi-
tion), daß es möglich wurde, die strategische Realität objektiv darzu
legen. Šamši-ilu schmückt sich auch mit herrscherlichen Epitheten,
z. B. «der die Länder Muski und Urarṭ u niedergeworfen hat», erweckt
also ganz den Anschein, daß er dem herrschenden König kaum in etwas
nachsteht.
Ein «Statthalter» von Kalhu (und von vier weiteren Örtlichkei
˘
ten), Bēl-tarṣ i-ilumma, weihte dem Gott Nabû zwei mannshohe
Standbilder mit einer Inschrift, in der eine Bitte für Adad-nērāri und
Sammuramât eingeschlossen ist. Die für seine Zeit höchst bemer
kenswerte Endzeile der Inschrift lautet: «Wer immer du später auch
seiest (= der hypothetische Leser), vertraue auf Nabû, auf einen an
deren Gott vertraue nicht!» Ist hier «laut nachgedacht» worden?
War es angebracht, einem ganzen Pantheon Gebet und Opfer darzu
bringen, oder durfte man nur einem einzigen Gott folgen? Man mag
es als Monolatrie bezeichnen (als ausschließliche Verehrung nur
einer einzigen Gottheit), noch aber ist es doch von einem regelrech-
ten Monotheismus weit entfernt. Bēl-tarṣ i-ilumma konnte übrigens
bei aller lokalen Machtentfaltung seinem König dynastisch nicht ge-
fährlich werden, da er – wie so viele hohe Würdenträger – ein Eu-
nuch war.
Auf Adad-nērāri III. folgten drei Könige, Salmanassar IV. (782–773),
Aššur-dān III. (772–755) und Aššur-nērāri V. (754–745), unter denen
die assyrische Expansion wohl nicht nur stagnierte, sondern zuneh-
mend der Rivalität von Urarṭ u und seitens levantinischer Staaten
(voran Damaskus) ausgesetzt war. Außerdem wütete 765 und 759 die
Pest. Daß die Thronfolge unregelmäßig war, mag man dem folgenden
Stemma entnehmen:
202 VIII. Jahrhunderte großer Konstellationen
(?)
nur höchst unvollkommen gerecht werden. Dabei ist nach wie vor zu
bedauern, daß die Namen der für die Geistesgeschichte bedeutenden
Personen, Erfinder, Dichter, Neuerer der Stilistik, bildender Künstler,
vollkommen in der Anonymität verharren.
Es ist schwer, besondere Akzente zu setzen, wenn man die Regie
rung Tiglatpilesers III. resümieren will. Zu viele subjektive Gesichts-
punkte spielen darin eine Rolle. Der speziell an der Geschichte «Irans»
Interessierte nimmt ein immer tieferes Eindringen Assyriens in die
geographisch disparate Welt von Gebirgen, Hochebenen und Salz
wüsten wahr. Die unter Salmanassar III. erstmals erwähnten Meder
sind vom Horizont Assyriens nicht mehr wegzudenken; sie bleiben
ein nie gebeugtes, stets drohendes Element bis zum Fall des assyri-
schen Reiches im Jahre 612 v. Chr., an dem das bis dahin geeinigte Me-
dien einen entscheidenden Anteil hatte.
Urarṭ u im transkaukasischen Bereich konnte man auf Distanz hal-
ten, aber als Gegner doch keineswegs ausschalten, wie die Urarṭ äer-
Kämpfe Sargons II. zeigen (s. Kapitel 45).
Babylonien, mit dem Assyrien nie «ins Lot» gekommen ist bei –
oder gerade trotz – allen kulturellen und religiösen Gemeinsamkeiten,
wurde von Tiglatpileser in einer fast freundlich-herablassenden Weise
vereinnahmt. Doch ist sein «Ergreifen der Hände Marduks» beim Neu
jahrsfest keineswegs Signal für kommenden dauerhaften Frieden. Ba
byloniens großes inneres Problem, das auch Assyrien nicht zu lösen
vermochte, blieb die Rivalität aramäischer und chaldäischer Fürsten
tümer mit ständig wechselnden Koalitionsinteressen – ein aus längst
vergangenen Jahrhunderten ererbter Zustand politischer Instabilität.
Im Westen ist Qu᾿e (das klassische Kilikien und in groben Zügen
dem hethiterzeitlichen Kizzuwatna entsprechend) noch tributpflich-
tig, was es schon unter Salmanassar III. war. Erst Tiglatpilesers Nach
folger Salmanassar V. machte es zu einer regelrechten assyrischen
Provinz. Mit dem Erwerb von Qu᾿e (wie dem nördlich davon gelege
nen Tabal) erweiterte sich der Horizont immer mehr nach Westen bis
zur späteren Begegnung mit den Phrygern und Lydern und zum Kon-
takt mit den Ioniern.
Die schon erstmals bei Salmanassar III. anläßlich der Schlacht von
Qarqar genannten Araber treten unter Tiglatpileser III. sehr viel deut
licher ins Bild. Samsê, eine Königin der Araber, wird besiegt, und die
reiche Beute enthält neben Gold und Edelsteinen auch 5000 Beutel
Sargon 207
45. Sargon
wie anderer Beamter lief über ein dichtgespanntes Netz von Botenwe
gen und Relaisstationen (in je ca. 30 km Abstand) – dies nicht nur eine
Vorwegnahme des neuzeitlichen Postsystems, sondern auch schon ein
«später» Nachhall des Botensystems im Reich der III. Dynastie von
Ur (vgl. Kapitel 22).
Die Sprache der neuassyrischen Briefe (wie auch der Kontrakte) ist,
ganz im Gegensatz zum oft weitläufigen Stil der Königsinschriften,
von einer Knappheit und dabei doch scharfen Prägnanz, die uns an
den extrem konzisen Briefstil eines Cicero erinnert.
Was den babylonischen Nachbarn – besser die babylonischen
Nachbarn – betrifft, so ist es Sargon II. ebensowenig wie seinen Vor
gängern gelungen, den politischen Dschungel endgültig zu durchfor
sten. In Marduk-apla-iddina II. (dem biblischen Merodachbaladan, s.
2. Kön. 20:12 = Jes. 39:1) aus dem Chaldäerstamm Bãt Jakãn erwuchs
Sargon ein klug taktierender, aus assyrischer Sicht übel intrigieren-
der Widersacher. Tiglatpileser III. hatte Marduk-apla-iddina II. noch
als tributzahlenden «König des Meerlandes» (d. h. als Herrscher über
den äußersten, teilweise von Schilflagunen bedeckten Süden Babylo
niens) bezeichnet. 721–710 nahm Marduk-apla-iddina den Thron von
Babylon ein, und er bemühte sich, eine antiassyrische Koalition von
altangestammten Babyloniern, Aramäern und Chaldäern unter Ein
beziehung des nunmehr befreundeten Nachbarn Elam zusammenzu
führen. In einer Schlacht bei Dēr im Osttigrisland verfehlte Sargon
den erstrebten Sieg, und er mußte vor dem Elamer Ummanigaš (=
Human-nikaš) abziehen. Erst 710 konnte Sargon Marduk-apla-iddi-
˘
na II. vertreiben. Die wenigen Jahre bis zu seinem Tode 705 war wie
der ein Assyrer König von Babylon.
Marduk-apla-iddina II. nennt die Assyrer in seinen Inschriften
archaisierend-herablassend «Subaräer», d. h. Leute von Subartu (das
war einst ein vager Begriff für das Gebiet am und östlich vom mittleren
Tigris) – nicht unähnlich dem assyrischen Brauch, noch Jahrhunderte
nach der Herrschaft der Kassiten in Babylonien von «Karduniaš» zu
sprechen. Sargon hat in Babylon und in Uruk Bauinschriften in sume-
rischer Sprache hinterlassen – sichtlich ein Bemühen, tief in die dort
heimische uralte Tradition einzudringen.
Neues im Westen bietet bei Sargon II. die erste sichere Erwähnung
von Griechen (zur Frage der Ahhijawa s. Kapitel 36): Sargon will Jam
˘˘
nāja (wohl Jaunāja zu lesen), also Ionier, «wie ein Fischer im Meer»
Sargon 213
einem Mord zum Opfer gefallen sind. Der Mörder war sein zweiter
Sohn Urdu-Mullissi. Das Motiv dürfte die mangelnde Bereitschaft des
Vaters gewesen sein, ihn als Nachfolger zu bestimmen, nachdem der
älteste, Aššur-nādin-šumi, nicht mehr am Leben war. Unter Sanheribs
Frauen – und jeder assyrische Herrscher war wohl polygam – befand
sich Naqia, die Mutter Asarhaddons, die Sanherib noch lange überlebt
hat; ihr Name war aramäisch, «die Reine», und so wird sie oft auch as-
syrisch Zakūtu, «die Reine», benannt. Sie war eine höchst energische
einflußreiche Frau, und es ist denkbar (wie vermutet worden ist), daß
in einem Zusammenfluß zweier bedeutender Frauengestalten, Sam
muramât, der Frau Šamšã-Adads V. (s. Kapitel 44), und Naqia, das anti-
ke Sagenbild der Semiramis entstanden ist. Gewiß hat Naqia nach
dem gewaltsamen Tod Sanheribs mit aller ihr zur Verfügung stehen
den Macht die Nachfolge ihres Sohnes betrieben.
Für den dritten «Sargoniden», Aššur-ahu-iddina (680–669), hat
˘
sich bei uns abermals die alttestamentliche Namensform durchge-
setzt: Asarhaddon (englisch Esarhaddon). Er gehört auf seine Weise
ebenfalls zu den faszinierenden Gestalten unter den assyrischen Kö-
nigen, weil man bei ihm – wohl nicht zu Unrecht – eine problemati-
sche charakterliche Veranlagung sieht, die vielleicht krankheitsbe-
dingt oder doch -gefördert war. Man hat gelegentlich und wohl
überspitzt einen starken Kontrast sehen wollen zwischen dem bis
zur Brutalität energischen, dabei aber auch an vielem «Technischen»
interessierten Vater Sanherib (der indes auch, wenn wir ihn in den
Texten seiner Schreiber gespiegelt sehen, «Literatur im Leib» gehabt
haben muß) und einem eher abergläubisch-ängstlichen, sich stets
durch die Erforschung des Willens der Götter rückversichernden
Sohn.
Asarhaddon hat nur elf Jahre regiert und in diesem guten Jahrzehnt
ein erstaunlich umfangreiches Programm zustande gebracht oder
durch seine Militärführer zustande bringen lassen. Bevor er es ange-
hen konnte, mußte er jedoch zunächst vor seinen wegen der Nachfol-
geregelung aufgebrachten Brüdern und deren Anhang «untertau-
chen», um dann aber überraschend und triumphierend in Ninive
einzuziehen. Daß seine noch höchst aktive Mutter Naqia ihm dabei
den Weg ebnen half, ist in hohem Grade wahrscheinlich. Asarhaddon
hat seine eigene – ja nicht völlig legitim zustande gekommene – Kö
nigsherrschaft ausführlich gerechtfertigt als das Ergebnis des Götter
Sanherib und Asarhaddon 219
womit wir, wenn Babylon 689 zerstört worden war, auf das Jahr 678
kommen. Die Manipulation der Zahlen läßt sich nur im mesopota
mischen Sexagesimalsystem verstehen: 70 = «60 + 10»; 11 = «10 +
1»; dabei ist mitzuverstehen, daß der senkrechte Keil als Zahl je nach
Position eine «Eins» oder eine «Sechzig» bezeichnen konnte.
Ein Feldzug gegen die «Meder, deren Stätte fern ist» (und die doch
70 Jahre später beim Untergang des assyrischen Reiches eine höchst
aktive Rolle spielten), führte bis an die große Salzwüste (das «Haus
des Salzes», heute Dašt-i Kavãr südostlich vom heutigen Teheran).
Über die Identität des ebenfalls wieder erwähnten «Lapislazuli-Ber-
ges» Bikni wird noch gestritten (war es, wie öfter vermutet, doch der
Demavend?). Beim Lapislazuli dürfte es sich allerdings um eine aus
vager Tradition ererbte Begriffsübertragung handeln; denn dieser
Stein wurde viel weiter östlich, im afghanischen Badahšān, gewonnen.
˘
Gewiß aber waren die Meder Zwischenhändler beim Fernhandel. Da
sich in der Beute, die Asarhaddon aus Medien mitführte, auch Kamele
befanden, sei darauf verwiesen, daß Keilschrifttexte immer strikt un
terscheiden zwischen dem einhöckrigen arabischen Dromedar (gam-
malu) und dem zweihöckrigen baktrischen Trampeltier (ud(u)ru).
Nach wie vor nicht ins Reich integriert waren bis zu diesem Zeit
punkt die Mannäer mit ihrer (noch nicht lokalisierten) Hauptstadt
Izirtu. Weitere Unsicherheitsfaktoren waren die indogermanischen
Kimmerier und Skythen.
Im Westen und Südwesten unterwarf Asarhaddon Hilakku «Kili-
˘
kien», die «boshaften Hethiter» (der Gebrauch historischer Namen –
wenn z. B. auch die Mannäer «widerspenstige Gutäer» genannt wer-
den – gehörte zum historiographisch-literarischen Stil). Mit den «Kö
nigen im Meer» sind Herrscher auf Jadnana (Zypern) und in Jaman
gemeint (Jaman ist die assyrische Wiedergabe von Ionien, womit aber
wohl keine genauere geographische Vorstellung verbunden war). In
einer Liste zypriotischer Fürsten finden sich auch griechische Namen
wie Pilāgurā von Kitrusi (= Pylagoras von Chytros) oder Damasu von
Kurî (= Damas von Kurion).
Ba῾al, König von Tyros, der der Küste vorgelagerten Insel «im
Meer», hatte sich mit Taharqa von Kuš, damals Herrscher über ganz
Ägypten, verbündet. Nach einem Sieg schloß Asarhaddon mit Ba῾al
einen Vertrag nach der generationenalten Erfahrung, daß es bei einer
phönizischen Stadt tunlicher sei, ihr gegen Auflegung der Tribut
Sanherib und Asarhaddon 221
47. Assurbanipal
Das stets schwer zugängliche und nach wie vor mühsam zu unter-
werfende «Seeland» mit dem Aramäerstaat Gambulu wurde von As
surbanipal wegen seiner Unterstützung für Urtak von Elam mit einer
Strafexpedition heimgesucht. Derlei für die babylonische Mentalität
zweifellos höchst unpopuläre Aktivitäten Assyriens – zumal sie immer
über den Kopf von Šamaš-šumu-ukãn hinweg geschahen – kulminier
ten in dem Bestreben von Assurbanipals Bruder, sich von Assyrien frei
und selbständig zu machen. Eine allgemeine Revolte erhob sich 652,
von Elam wieder bereitwilligst unterstützt, erhielt aber auch arabische
Hilfe. Nach manchen Wechselfällen wurde Babylon 650–648 belagert,
ausgehungert und erobert, wobei Šamaš-šumu-ukãn ums Leben kam.
Die klassisch-antike Tradition hat in einer Vermengung von Assurbani-
pal und Šamaš-šumu-ukãn die Sage von dem in seinem Palast ver-
brannten König Sardanapalos entstehen lassen.
Assurbanipal hat nach dem Sieg über Babylon den Vernichtungs
krieg auf Elam und seine Hauptstadt Susa ausgedehnt. Die Aktion en-
dete 639 mit der völligen Zerstörung Susas und einer unermeßlich er-
tragreichen Ausplünderung. Die metikulöse Beschreibung der Beute
und der entführten Kultstatuen erinnert uns in manchem an Sar
gons II. Beuteliste von Muṣ aṣ ir (vgl. Kapitel45). Das Bemühen um
eine vollständige Auflösung des Gegners ging – Assurbanipals In-
schriften zufolge – so weit, daß Königsgräber freigelegt und die Ge
beine nach Assyrien überführt wurden, so daß die «Totengeister
ruhelos irrten und aller Opferspenden beraubt waren».
Von Elams – vorübergehender – Ausschaltung als Machtfaktor
profitierten Meder und, wie neuerdings zu erfahren, auch Perser. Ein
Kuraš von Parsumaš – nicht sicher, ob Kyros I. von Persien – suchte
freundliche Beziehungen zu Assyrien und sandte Geschenke, die frei-
lich in den assyrischen Königsinschriften stets als «Tribut» bezeichnet
werden.
Wenn wir uns mit Kyros der klassisch-abendländischen Geschichte
annähern, so geschieht das noch mehr mit Gūgu von Luddu, hinter
welchem man unschwer Gyges, König von Lydien, entdeckt, dessen
Hauptstadt Sardeis war, das unfern Smyrna, dem heutigen Izmir, liegt.
Die Lyder gehörten – wie auch die Lykier – zu den Nachfolgenationen
der Hethiter und Luwier, wobei noch umstritten ist, ob man die lydi
sche Sprache eher als Fortsetzerin des Hethitischen oder aber des Lu-
wischen ansehen soll. Der sagenumwobene Gyges mag am Rande des
Assurbanipal 227
Diese «Bibliothek» ist noch immer – wie sehr sie auch in Darstellungen
des Alten Orients verherrlicht werden mag – ein für die Forschung
schwieriger Gegenstand, wenn wir versuchen, über einige Grundfra-
gen, die sich im Zusammenhang mit ihr stellen, Klarheit zu gewin-
nen: über ihre genaue Zusammensetzung, die Aufstellung (wie und
230 VIII. Jahrhunderte großer Konstellationen
Beispiele für Werke der Weltliteratur, die uns ohne Assurbanipal vor-
enthalten geblieben wären.
Die folgenden Ausführungen über verschiedene Literaturgattun-
gen sollen eher nur andeuten, und sie sind fern von einem auf Voll
ständigkeit ausgehenden Überblick:
Die zahlreichen sumerisch-akkadischen Vokabularlisten im Verein
mit sogenannten Syllabaren (Listen von Wort- oder Silbenzeichen, in
denen die Lesung dadurch verdeutlicht wird, daß man die Zeichen in
variierende Schreibungen «aufbricht», z. B. ba = ba-a, bal – ba-al, igi =
i-gi) haben ganz wesentlich zur Entschlüsselung des vom semitischen
Sprachtypus grundverschiedenen Sumerisch beigetragen (vgl. auch
schon Kapitel 17). Eine fast unübersehbare Menge sonstiger «lexikali-
scher» Texte: Götternamen, Ortsnamen, Listen von Holz-, Metall-,
Ton-, Rohrgegenständen, von Steinen, Pflanzen, Textilien, Ledersa-
chen, aber auch von Berufen, Rängen und Funktionen und anderem
mehr, breitet – in fast schon enzyklopädisch zu nennender Weise – das
zeitgenössische Wissen aus. Die Listen sind in Kolumnen angeordnet:
sumerisch (gelegentlich mit Ausspracheglosse), akkadisch; jeder dieser
«Einträge» umfaßt eine Zeile. Die «Einträge» folgen uns nicht immer
leicht erkennbaren Assoziationsprinzipien; sie sind mal nach Sachgrup-
pen (also in einer Vorstufe der Kategorisierung), bald akrophonisch
(d. h. nach dem Klang am Wortanfang, also eine entfernte Vorstufe un-
serer Alphabetisierung), bald auch nach Zeichenformen (also rein äu-
ßerlich-optisch) organisiert.
Diese Listen, die wir in Assurbanipals «Bibliothek» auf einem voll-
endeten Höhepunkt antreffen, reichen im Prinzip weit in die Vergan-
genheit zurück, und sie waren auch in ihrer Zweisprachigkeit (sume-
risch-akkadisch) bereits in der altbabylonischen Zeit «angelegt».
Einsprachige (nur sumerische) «Vorläufer» reichen sogar hinauf bis
vor die Mitte des III. Jahrtausends v. Chr. (zu Ebla vgl. Kapitel 13).
Mindestens so häufig wie die Gattung der «Listenliteratur» ist die
Vorzeichenkunde (Omina) vertreten; auch sie hat ihren Ursprung
schon in der altbabylonischen Zeit. Neben der altüberkommenen Ein
geweide-, in der Hauptsache der Leberschau, sind mehrere weitere
Arten überliefert: Ölomina (wie verhält sich ein Tropfen Öl, den man
in eine wassergefüllte Tasse schüttet?), Voraussagen aus Träumen,
Beobachtung des Vogelflugs sowie aller möglicher Erscheinungen der
Umwelt – so etwa das Verhalten von Tieren oder Pflanzen; Prophezei
Die «Bibliothek» Assurbanipals in Ninive 233
Um 639 v. Chr. verebben mit einem Mal unsere Nachrichten über das
große Neuassyrische Reich; so wenigstens mutet es im Vergleich zu
der davor brandenden Informationsflut an. In Babylon hat von 647 bis
627 – nach der Niederwerfung der Rebellion Šamaš-šumu-ukãns –
ein König Kandalānu geherrscht. Urkunden aus Babylon und Uruk
sind schon seit 647 nach ihm datiert, während hingegen Nippur in sei-
nen Urkunden bis 631 noch immer Assurbanipal als datumsbestim-
menden Herrscher führt. Es ist also wohl abermals nicht zu einer ein
deutigen Machtverteilung gekommen. Von Kandalānu und über die
politische Geschichte Babyloniens unter seiner Herrschaft wissen wir
bisher fast nichts – von seiner Präsenz in den Urkundendaten abgese
hen. Weder sind von ihm bisher Bau- oder Weihinschriften («Königs-
inschriften») bekannt geworden, noch erwähnt Assurbanipal selbst in
seinen Inschriften eine Einsetzung Kandalānus. Man hat gelegentlich
aus diesem auffälligen Befund geschlossen, Kandalānu sei nur der ba
bylonische Thronname von Assurbanipal selbst gewesen. Das ist aber
unwahrscheinlich, weil man mit dieser Hypothese zumindest nicht
plausibel erklären könnte, weshalb Urkunden in Babylonien teils nach
dem einen, teils nach dem anderen Namen datiert worden sein sollen.
Der Historiker wird – wie so oft – sich noch gedulden und auf weitere
Funde warten müssen.
Der Sturz Assyriens 235
IX.
in Mesopotamien
Die Dynastie, die Nabopolassar (s. Kapitel 49) begründet hat, ist oft als
«die chaldäische» bezeichnet worden, und zwar wegen ihrer entspre
chenden Benennung im Alten Testament und durch griechische Au-
toren; dort werden Chaldaia und Babylonia vollkommen synonym
gebraucht. Die vermeintlichen «Chaldäer»-Könige bezeichnen sich
selbst in ihren Inschriften aber nie als Abkömmlinge der nicht-akka-
dischen, chaldäischen Bevölkerung oder insbesondere eines ihrer be
rühmten Stämme und Fürstenhäuser (wie z. B. Bãt-Ammukāni, Bãt-
Dakkūri, Bãt Jakãn). Letztlich kann die Frage aber nicht entschieden
werden, weil über die Herkunft von Nabû-apla-uṣ ur (625–605) nichts
bekannt ist; er galt als «Sohn eines Niemand».
Nabopolassar kann zwar nach der Einnahme und Zerstörung von
Ninive 612 v. Chr. unmöglich über den assyrischen Kernbereich verfügt
haben, in dem ein militärisch-politisches Vakuum geherrscht haben
dürfte. Aber wie sich die assyrische Verwaltungsstruktur aufgelöst hat
und wieweit die dörflich-landwirtschaftlichen Domänen noch weiter
im Jahrzehntenlauf produziert haben, ist wenig bekannt. Nabopolassars
Aktivitäten richteten sich – offenbar ungehindert – gegen das durch
Harrān verkörperte Rest-Assyrien unter Assur-uballiṭ II. (611–609).
˘
Dieser letzte assyrische König hatte, wie auch schon manche seiner
Vorgänger, Verbindungen zu Ägypten aufgenommen, das verständ-
licherweise den Niedergang und Zusammenbruch Assurs als Einladung
zu erneutem eigenen Engagement in Asien willkommen geheißen hat
– unter Psammetich (664–610) und Necho II. (610–595). Die ägypti
sche Präsenz führte zu strategischen Wechselfällen beim Versuch Na-
bopolassars, euphrataufwärts bis Kimuhu vorzudringen. Inzwischen
˘
238 IX. Die Weltmacht Babylon und der Aufstieg der Achämeniden
gris viel leichter schiffbar war. Die Levante allerdings war von Baby-
lon aus ebenso schwer im Griff zu halten, wie es vordem vom assyri-
schen Kernland aus möglich gewesen war. Hatti, d. h. Nordsyrien, und
˘
das östliche Anatolien lagen fernab vom neuen Machtzentrum. Un
klar ist für uns, wo die Grenze zur neuen medischen Einflußsphäre
gezogen war.
Daß es unter babylonischer Herrschaft ebenso wie bei den Assy-
rern fast jährlich einen Feldzug gegeben hat, erfahren wir nur aus der
späteren Historiographie, den «Chroniken», aber nicht von Nebukad-
nezar II. selbst. Nur zu indirekten Aufschlüssen über die politische
Situation führt ein leider nur als Torso erhaltenes sechsseitiges Ton
prisma aus Babylon (aus dem Jahr 598 v. Chr.?). Auf ihm erscheinen
neben hohen Beamten Babyloniens unter anderem auch der Provinz-
statthalter von Mazamua (nordöstlich von Arrapha) und die Könige
von Tyros, Gaza, Sidon, Arwad und Ašdod. Alle diese Städte liegen am
Mittelmeer; daß sie hier nicht etwa in nord-südlicher oder süd-nörd
licher Reihung aufgezählt sind, läßt Zweifel an der geographischen
Vorstellung des babylonischen Schreibers aufkommen. Der Zweck
dieses wichtigen, aber vielleicht voreilig als «Hofkalender» bezeichne-
ten Fragments ist unklar. Möglicherweise mußten die genannten
Notablen bei einem Bauvorhaben als «aktiv» Mitarbeitende, Ziegel
tragende, Mauerstreichende präsent – oder doch immerhin würdig
vertreten – sein. Wie dem auch sei, Nebukadnezar II. macht uns glau-
ben, daß ihm die Mittelmeeranrainer im ersten Jahrzehnt seiner Re-
gierung Untertan waren.
Man mag daran zweifeln, wenn doch das im Landesinneren gelege
ne Jerusalem damals Ziel der Belagerung, Einnahme, schwerer Plün
derung war und wenn die Elite der Bevölkerung 597 und wieder
586 v. Chr. deportiert wurde (2. Kön. 24:10 bis 25:21) – in die längst
vor der Entzifferung der Keilschrift bekannte «babylonische Gefan-
genschaft». Babylon hat also die bis zum Exzeß erprobte assyrische
Politik der Bevölkerungsverpflanzung wieder aufgegriffen. Unsere
Quellengrundlage ist allerdings keineswegs in beiden Fällen keil-
schriftlich; für die zweite Eroberung Jerusalems können wir uns nur
auf die biblischen Berichte stützen. Daß aber zumindest eine große
Deportation historisch ist, zeigt das in den folgenden Jahrzehnten
häufige Vorkommen hebräischer Personennamen in Urkunden aus
Babylonien. Die Namensträger erscheinen als «gut situiert» und nicht
240 IX. Die Weltmacht Babylon und der Aufstieg der Achämeniden
«Modelle» weit übertroffen haben; doch hat kein Vorläufer eines Era
tosthenes oder Strabon davon Nachrichten hinterlassen.
Kyros’ General Gobryas (Gubaru) ist bei seinem Vorrücken nach
Babylonien auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen. Babylo
nien war durch die vom König selbst inszenierte Staatskrise, aber viel-
leicht auch durch eine zurückliegende Hungersnot demoralisiert. Go-
bryas nahm Babylon kampflos ein. Der greise Nabonid wurde in ein
neues, diesmal fern in Iran gelegenes Exil geführt.
Das Ende Babyloniens ist im alttestamentlichen Buch Daniel (Kapi-
tel 5) beschrieben mit dem Gelage des Königs Belsazar und der Schrift
an der Wand: mene mene teqel u pharsãn «es ist gezählt, es ist gezählt,
es ist gewogen, und sie (= die Länder) sind aufgeteilt». Auf Nabonids
Sohn Bēl-šarra-uṣ ur/Belsazar hat das Alte Testament also das Lei
chenbegängnis des nicht nur von den Juden gefürchteten babyloni
schen Reiches übertragen. Nur davon, daß «Belsazar in selbiger Nacht
von seinen Knechten umgebracht» worden wäre, weiß die keilschrift
liche Überlieferung rein nichts.
Weltgeschichtlich, aus unserer heutigen Sicht, sehen wir das Ende
einer Epoche: Es gab fortan keine mesopotamische Königsherrschaft
mehr, die assyrisch oder babylonisch gewesen wäre – also ein End
punkt nach einer Geschichte von über zwei Jahrtausenden. Der ge-
meine Mann in Mesopotamien mag davon kaum etwas bemerkt
haben. Der neue Herr war nun ein Perser. Der aber ließ fast alles
Vorgefundene bestehen – vorab die akkadische Sprache (samt dem
immer weiter gepflegten Sumerischen) und ihr altehrwürdiges «hei-
lig-keiliges Gedränge». Geprägt von einer vollkommen anderen
Mentalität, wollte Kyros II. die in Mesopotamien angetroffenen
Strukturen – und auch die Götterwelt – milde anerkennen und über
nehmen. Babylonien war für ihn, wie wir bereits feststellten, eher
ein «Anhang». Aber seinen Blick hatte man ihn in Richtungen zu len-
ken gelehrt, die selbst über die Dimensionen des vergangenen Neu-
assyrischen und auch des Neubabylonischen Reiches weit hinaus
reichten.
Die Perser 247
aus: Josef Wiesehöfer, Das antike Persien. Von 550 v. Chr. bis 650 n. Chr. (21998).
Die Perser 249
Für die Geschichte des Judentums ist höchst bedeutend ein Erlaß
aus dem Jahr 538 v. Chr.: Kyros gestattete den von Nebukadnezar II.
deportierten Juden die Rückkehr sowie den Wiederaufbau des Tem-
pels in Jerusalem. Wir wissen nicht, wessen Intervention der Erlaß zu
verdanken ist; aber bei der sehr liberalen Religionspolitik – und wohl
auch angesichts stabiler Verhältnisse in der Levante – ließ sich die
Entscheidung sicher bedenkenlos fällen. Wie hoch der Prozentsatz der
zum Teil schon assimilierten Exilbevölkerung war, der Babylonien
wieder verließ, ist nicht bekannt.
Dareios I. mußte zu Regierungsbeginn Aufstände niederschlagen –
ein beim altorientalischen Machtwechsel regelmäßig wiederkeh-
rendes Phänomen. In Babylonien konnten sich zweimal Thronprä
tendenten, die sich beide Nebukadnezar («III.», «IV.») nannten,
jeweils nur wenige Monate halten. Dareios griff noch weit über Ky-
ros’ Gebietsgewinn hinaus. Sein Weltreich erstreckte sich in einer
bis dahin ungekannten Expansionsgewalt «von Libyen und Äthio-
pien bis nach Afganistan, von Thrakien und Makedonien bis in den
Pandschab» (M. W. Stolper).
Das Perserreich hatte drei Residenzen: Persepolis im persischen
Stammland (Fārs), Susa in Elam und Babylon. Ihnen entsprachen –
grosso modo – drei Sprachen: die den Persern eigene Muttersprache
Altpersisch; das weit über die nähere Umgebung von Susa hinaus ver-
breitete Elamisch (vgl. schon Kapitel 15 und 42); und die spätbabyloni-
sche Version des Akkadischen. Diese drei Sprachen erscheinen in den
Trilinguen der Perserkönige (von denen F. G. Grotefends erster Entzif-
ferungsansatz für die Keilschrift ausgegangen war). Hinzu kommt
aber als die wichtigste, einen Großteil des Achämenidenreiches als
lingua franca beherrschende Sprache das Aramäische. Schon im Neu
assyrischen Reich, spätestens seit Tiglatpileser III., war das Aramäi
sche neben dem Akkadischen die andere Sprache, und sie wurde als
solche auch von den Schreibern gehandhabt, wie wir es deutlich auf
den Reliefs sehen, wo nebeneinander Tafel- und Pergamentschreiber
stehen (s. a. S. 205). Äußerst praktisch im Gebrauch und leicht erlern
bar mit seinem Konsonantenalphabet von nur 22 Zeichen, eignete sich
das Aramäische als die Verkehrssprache schlechthin in einem Riesen-
reich, in dem sicher zwei Dutzend Sprachen oder mehr heimisch wa
ren, z. B. Ägyptisch, Akkadisch, Altsüdarabisch, Arabisch, Aramäisch
selbst, Elamisch, Griechisch, Hebräisch, Karisch, Lydisch, Lykisch, Man
250 IX. Die Weltmacht Babylon und der Aufstieg der Achämeniden
drücke kommen ziemlich selten vor, und sie haben keineswegs die
einheimisch-akkadische Terminologie abgelöst. Kulturgeschichtlich
interessant sind auch die Wörter kūrapānu «(lederne) Halsberge»
(beim Panzer) und kurangu «Reis» – letzterer ist allerdings nur ex
trem selten bezeugt und läßt noch nicht den Siegeszug dieser Getrei-
deart durch den Vorderen Orient vorausahnen.
Eine schon unter den neubabylonischen Königen sich in Ansätzen
entwickelnde sozioökonomische Institution gewinnt in der Achäme-
nidenzeit klare Konturen: das kaufmännisch engagierte Familienun-
ternehmen, das in größtem Stil und in einem Wirkungsbereich von
bis zu 100 × 100 km Agrarverträge, Wahrnehmung von Feudallände-
reien (Pacht, Unterverpachtung), Darlehen und Pfandwesen betrieb
und daraus satten Gewinn bezog. Derlei Unternehmen sind öfter –
aber doch anachronistisch – als «Bankhäuser» bezeichnet worden.
Zwei berühmte Familiennamen sind hier Egibi (unter Nebukadne-
zar II. bis zu Dareios I.) und Murasü (seit Anfang des 5. Jahrhunderts
v. Chr., aber urkundlich massiv bezeugt zwischen 454–404).
Die Murašû-Archive aus Nippur enthalten Angaben über die Ver
waltung von bis zu sechzig haṭ ru genannten Liegenschaften, die be-
˘
stimmten Personengruppen seitens der Krone zugewiesen waren. Die
Lehensinhaber waren oft nicht unmittelbar persönlich tätig («absen
tee landlords»), sondern sie hatten ihre Rechte und Einnahmen ande
ren gegen einen Gewinnanteil abgetreten. Sie selbst schuldeten der
Krone Steuern in Form von Geld oder Waren, und diese Abgaben
wurden von Steuereinnehmern eingezogen.
Das über 800 veröffentlichte Tontafeln umfassende Archiv der Fa-
milie Murašû ist ganz vorzüglich geeignet, die Zusammensetzung
der Bevölkerung Babyloniens im 5. Jahrhundert v. Chr. zu beurtei
len: Von den ca. 2200 enthaltenen Personennamen sind nach der
Zählung von M. W. Stolper zwei Drittel babylonisch und ein Viertel
aramäisch. Die restlichen nur noch knapp 10 % der Namen sind –
soweit sprachlich identifizierbar – hebräisch oder phönizisch, ira
nisch, anatolisch oder ägyptisch. Interessant ist, daß Personen mit
iranischen (davon teilweise altpersischen) Namen nur einen sehr
kleinen Anteil ausmachen. Dabei ist freilich – wie schon immer – bei
der Zuweisung einer Person über ihren Personennamen an ein be-
stimmtes Ethnikon stets Vorsicht geboten; denn es haben sowohl ba
bylonische Eltern ihren Kindern persische Namen gegeben, wie um
252 IX. Die Weltmacht Babylon und der Aufstieg der Achämeniden
seine Nachfolger
die Frage, wann das Akkadische als eine gesprochene Sprache definitiv
ausgestorben ist, können wir gleichwohl nicht beantworten (vgl. Ka
pitel 51 Ende).
Eine ganz und gar traditionell-mesopotamische Keilschrift-Text-
gattung, die bis 61 v. Chr. bezeugt ist, sind die «Tagebücher» (im Assy-
riologenjargon meist «Diaries»): Niederschriften täglicher Beobach-
tungen des nächtlichen Sternenhimmels, die man in Babylon machte.
Allerhand weitere Beobachtungsaspekte sind diesen Texten ange-
schlossen. Die Gattung dieser «Tagebücher» setzt ein – nach den uns
überlieferten Texten – bei Assurbanipal (651 v. Chr.); sie sind datiert
unter Nebukadnezar II. (567), Xerxes I. (463) und Artaxerxes I. (453),
um dann in einer von Jahr zu Jahr immer dichteren Datierung bis
nach 61 v. Chr. (Phraates I. aus der parthischen Dynastie der Arsaki
den) zu erscheinen.
Der Stand der Sterne wurde mit gängig-greifbaren Mitteln gemes
sen: «Finger», «Hand», «Elle» für Höhe und Abstände; zeitlich nach
der zeit-tropfenden Wasseruhr. So maß man Stand, Bahn, die erste
und letzte Sichtbarkeit des Mondes und der Planeten; die Zeitpunkte
von Tagundnachtgleiche und Winter- und Sommersonnenwende; ver
suchte gar, Mond- und Sonnenfinsternis vorauszuberechnen. Die Pla-
neten sind in einer stereotypen Reihenfolge aufgenommen: Jupiter –
Venus – Merkur – Saturn – Mars. Bei den Fixsternen hat die Notie
rung des Sirius ersten Rang. Die – womöglich täglichen – Einträge der
«Tagebücher» erwähnen auch Meteore und Kometen.
An die astronomischen Beobachtungen sind in den «Tagebüchern»
meteorologische angeschlossen: Alles, was vom gewohnten unbe-
wölkten Tages- oder Nachthimmel abwich, wurde aufgeschrieben –
Wolken (stehend, gehend), Nebel, Blitz, Donner, Hagel, Regenbogen.
Dann folgen – wohl weil sie in enger Beziehung zum Wettergebaren
standen – Preisnotierungen: Wieviel erhielt man für 1 Schekel Silber
an Gerste, Datteln (nach wie vor die Grundnahrungsmittel), Sesam,
Wolle und anderen lebensnotwendigen Waren? Dann wurde notiert,
wie hoch der Euphrat stand: mehrere Tage lang gleich oder im Pegel
schwankend (gemessen wurde in «Fingern» mit Bezug auf eine uns
nicht mehr bekannte Marke).
Die «Tagebücher» haben in ihre Maßangaben auch kurze Notizen
zu Tagesereignissen einbezogen: Kultbesonderheiten, Feuersbrunst in
einem Stadtviertel Babylons und anderes dieser Art. Dieser letzte für
Babylonien unter Alexander, den Seleukiden und Arsakiden 257
Abkürzungen:
CANE = (Hsg.) J. M. Sasson et al.: Civilizations of the Ancient Near East (4 Bde.,
1995)
RlA = (Hsg.) D. O. Edzard et al.: Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiati-
schen Archäologie (Bd. 3 ff., 1957 ff.).
Vorbemerkung:
In den kapitelweise angeordneten Anmerkungen sind wichtige bibliographische
Titel angegeben und fallweise knappe Erläuterungen enthalten. Viele der zitierten
Werke bieten genauer aufgeschlüsselte Einzelbibliographien für den, der einem aus
gewählten Gegenstand näher nachgehen will.
Die zur Zeit (2003) ausführlichste Beschreibung von «The Ancient Near East
c. 3000–330 BC» (einschließlich Levante, Kleinasien, Iran und Ägypten) stammt von
Amélie Kuhn (2 Bde., 1995) mit 60 S. Bibliographie.
Als Einführung in die Archäologie, Geschichte und Landeskunde sehr empfeh-
lenswert Michael Roaf, Cultural Atlas of Mesopotamia and the Ancient Near East
(1990), deutsch Weltatlas der alten Kulturen. Mesopotamien. Geschichte, Kunst,
Lebensformen (1991).
cane (s. oben, Abkürzungen) enthält nahezu 300 Einzelbeiträge zu allen denkba-
ren Aspekten der altorientalischen Geschichte. Wir verweisen nur in Einzelfällen auf
dieses unschätzbare Kompendium zurück.
Die altorientalische Chronologie läßt sich vor dem 14. Jahrhundert v. Chr. noch nicht
in absolut sicheren Daten beschreiben. Der Unsicherheitsfaktor beträgt 10 bis 50 Jahre
bis hinauf nach 2000 v. Chr.; im III. Jahrtausend v. Chr. nähert er sich 100 bis 150 Jahren;
und davor mögen sich sogar Schätzungen nach Jahrhunderten als unsicher erweisen.
Unserer Darstellung ist die sogenannte Mittlere Chronologie zugrunde gelegt, die von
einem Regierungsdatum Hammurāpis von Babylon = 1792–1750 ausgeht, was willkür
lich erscheinen mag. Da indes sehr häufig die Regierungsdaten der Herrscher von zwei
Anmerkungen 265
Zum Beginn der Schrift: Adam Falkenstein, Archaische Texte aus Uruk (1936);
Robert K. Englund, «Texts from the Late Uruk Period», in: Pascal Attinger / Markus
Wäfler (Hsg.), Mesopotamien. Späturuk-Zeit und Frühdynastische Zeit (1998).
Schriftvorläufer («Tokens»): Denise Schmandt-Besserat, Before Writing
(1992).
3
Zum Rollsiegel: Anton Moortgat, Vorderasiatische Rollsiegel (1940, 1988);
Dominique Collon, First Impressions (1987); Holly Pittman, «Cylinder Seals and
Scarabs in the Ancient Near East», in: cane iii (1995) 1589–1604.
Zur Architektur: Ernst Heinrich, Schilf und Lehm. Ein Beitrag zur Baugeschichte
der Sumerer (1934); Michael Roaf, «Palaces and Temples in Ancient Mesopotamia»,
in: cane i (1995) 423–442.
Edition und noch immer weitestgehend verbindlicher Text bei Thorkild Jacobsen,
The Sumerian King List (1939); vgl. auch Joachim Krecher, «Sumerische Literatur», in:
Wolfgang Röllig (Hsg.), Altorientalische Literaturen (1978), 100–150, besonders
S. 106 etc. «Geschichte des Einen Königtums»; Dietz O. Edzard, «Königslisten und
Chroniken. A», in: RlA 7 (1980–1983) 77–84; Claus Wilcke, «Die Sumerische Königs
liste und erzählte Vergangenheit», in: Jürgen von Ungern-Sternberg / Hansjörg Rei
nau (Hsg.), Vergangenheit in mündlicher Überlieferung (1988) 113–140.
Zu «Gilgameš und Akka» s. Dina Katz, Gilgamesh and Akka (1981).
Zum Sexagesimalsystem der Zahlen s. Jöran Friberg, «Mathematik», in: RlA 7
(1987–1990) 531–585, besonders S. 553–542; Marwin A.Powell, «Metrology and
Mathematics in Ancient Mesopotamia», in: cane iii (1995) 1941–1958.
Zu den Keilschrifttexten aus den beiden Fundorten s. Englund 1998, wie bei Kapitel 3.
7. Ur (S. 45–48):
Königsgräber von Ur: Leonard Woolley et al., Ur Excavations II. The Royal Ceme-
tery (1934); Roaf 1991 (wie bei Kapitel 1–2) 92–95.
Zu den Städtesiegeln: Roger J. Matthews, Cities, Seals and Writing. Archaic Seal
Impressions from Jemdet Nasr and Ur (1993).
Zu «Mes-ane-pada» und «Mes-kalam-dug» s. RlA 8 (1993–1997) 73– 74, 81–82.
Thorkild Jacobsen, The <Gimilsin> temple and the palace of the rulers at Tell As
mar (1940).
Elizabeth Carter / Matthew Stolper, Elam. Surveys of Political History and Ar
chaeology (1984); Burchart Brentjes, «The History of Elam and Achaemenid Persia:
268 Anhang
An Overview», in: cane ii (1995) 1001–1021; Francois Vallat, «Susa and Susiana in
Second Millennium Iran», ibid. 1023–1033.
Gene B. Gragg, «Less-Understood Languages of Ancient Western Asia», in:
cane iv (1995) 2161–2179, besonders S. 2162 ff. und 2178 (Bibliographie).
Zum Herrscherstemma (S. 77): Die angegebenen Regierungsdaten samt ihren Va
rianten entstammen der Sumerischen Königsliste (s. bei Kap. 5).
21. Utu-hegal von Uruk, Gudea von Lagas und seine Dynastie (S. 97–98):
2 2
Utu-hegals Siegesinschrift: Douglas R. Frayne (wie bei Kap. 18–19) ^3~ 93–
Gudea: Dietz O. Edzard, Gudea and his Dynasty = The Royal Inscriptions of Me
sopotamia. Early Periods 3/1 (1997).
Pierre Villard, «Shamshi-Adad and his Sons: The Rise and Fall of an Upper Meso-
potamian Empire», in: cane ii (1995) 873–883.
Zu den halbnomadischen Amurritern: Jean-R. Kupper, Les nomades en Mesopota-
mie au temps des rois de Mari (1957); Michael P. Streck, «Nomaden», in: RlA 9
(1998–2001) 591–595.
Vgl. auch schon die Anmerkungen zu Kap. 12.
Zu den Hurritern: Gernot Wilhelm, Grundzüge der Geschichte und Kultur der
Hurriter (1982).
Nicholas Postgate, «Royal Ideology and State Administration in Sumer and Ak
kad», in: cane i (1995) 395–411.
Åke W. Sjöberg, «Götterreisen», in: RlA 3 (1957–1971) 480–483.
Märten Stol, «muskenum», in: RlA 8 (1993–1997) 492–493.
Für die (sumerische) Landwirtschaft ist eine eigene Zeitschrift begründet worden:
Bulletin on Sumerian Agriculture, 1 (1984) ff.
Chronikvermerk betr. Muršili I.: Albert K. Grayson (wie bei Kap. 18–19) 156;
Gernot Wilhelm, «Muršili», in: RIA 8 (1993–1997) 434–435.
John A. Brinkman, Materials and Studies for Kassite History (1976); ders., «Kassi
ten», in: RIA 5 (1976–1980) 404–473.
Leonhard Sassmannshausen, Beiträge zur Verwaltung und Gesellschaft Babylo-
niens in der Kassitenzeit (2001).
272 Anhang
33. Nuzi, Mittani und die Hurriter; die «indoarische» Komponente (S. 150–153):
2
( 1957).
41. Assurnasirpal II. – ein Sadist auf dem Thron? (S. 184–187):
Die Inschriften: Albert K. Grayson, «Assyrian Rulers of the Early First Millenni-
um BC» I, in: The Royal Inscriptions of Mesopotamia. Assyrian Periods 2 (1991)
189–395.
Mario Liverani, Studies on the Annals of Ashurnasirpal II 2: Topographical Ana-
lysis (1992).
274 Anhang
Mirjo Salvini, Geschichte und Kultur der Urartäer (1995) / mit ausführlicher Bi-
bliographie.
Zur Sprache der Urartäer: Igor M. Diakonoff / S. A. Starostin, Hurro-Urartian as
an Eastern Caucasian Language (1986).
44. Assyrien von Salmanassar III. bis zu Tiglatpileser III. (S. 195–207):
52. Babylonien unter Alexander dem Großen, den Seleukiden und Arsakiden
(Parthern) (S. 254–258):
Araber 173, 206 f., 214 f., 221, 228, 245 Aššur-dān 170
Arabien 72, 219, 221, 245 Aššur-dān III. 201 f.
Arabisch 31, 174, 249, 253 Aššur-etel-ilāni 235
Arabisches Meer 13, 72 Aššur-nādin-ahhē 155
˘˘
Aramäer 164, 172–174, 179, 181–184, Aššur-nādin-šumi 214, 218
203, 206, 212, 215, 226, 245 Aššur-nārāri I. 155
Aramäisch (Schrift) 71, 204, 234, 250 Assurnasirpal I. 154
1 1
Aramäisch 71, 174, 190, 204, 249 f., Assurnasirpal II. 181–187, 95' 9^
253 203
Aramu 198 Aššur-nērāri V. 194, 201
Aratta 71 f., 189 Aššur-rē ša-iši 170
Arba᾿il 113, 164, 199 Aššur-uballiṭ I. 145, 150, 154–156,
Arbela 113, 165 164, 166
Arbilum 113, 164 Aššur-uballiṭ II. 164, 235, 237
Argišti I. 193, 201 Assyriasmen 150, 168, 233
Argišti II. 193 «Assyrer» (heutige) 174
Arik-d ãn-ili 155 Assyrische Königsliste 112, 118, 144 f.,
Armenien 32, 192 155, 164
Armenier 194 Astrologie 233
Arrapha 150, 239 Astronomie 233, 252, 255 f., 258
˘
Arrian 142 Astyages 247
Arsakes I. 254 Athene 255
Arsakiden 254, 256 Athribis (Hathariba) 227
˘ ˘
Arsakidenära 254 Aton 156
Arsen 20 Avesta 190
Artaxerxes 247, 256 Aman 187, 191
Artaxerxes II. Memnon 252 aw ãlum 130 f.
Aruna 152
Arwad 171, 239 Ba῾al 220
Arzawa 156, 160 Bāb-ili(m) (= Babylon) 121
Asarhaddon 154, 211, 214–225, 227 Babilla (= Babylon) 121
Ašdod 239 Babylon 10 f., 42, 108, 110 f., 116,
Askalon 156 118 f., 121 f., 136–138, 140–146, 149,
Ašnuna 62 154, 157, 161, 166, 169, 171, 175 f.,
Ašqaluna s. Askalon 178, 187, 190, 197, 203, 212,
Assur 10, 67, 69, 86, 112–119, 122, 214–216, 219 f., 224–226, 228, 234,
136 f., 142, 144, 147, 153–156, 164 f., 236, 238–240, 246f., 249, 252,
167 f., 169 f., 175, 177, 182, 186, 254, 257
196 f., 199, 207, 209, 219, 231, 237 f. «Bach von Ägypten» 213
Assur (Gott) 136 f., 155, 165 f., 182, Badahšān 13, 220
˘
198, 216, 219, 227 Badra 64, 102
Aššur-ahu-iddina 218, s. Asarhaddon Badtibira 22
˘
Aššur-bān-apli 224, s. Assurbanipal Baghdad 10, 43, 82, 147, 154, 257
Assurbanipal 154, 167, 194, 211, Baḥ rain 72 f., 100, 166
224–236, 238, 241–243, 256 Bal ãh 79, 119, 122, 172, 196
˘
Aššur-bē l-kala 181 f. Bara-namtara 58
Aššur-da᾿in-apli 199 Barsatatar 152
Register 279
˘
Ǧabal ῾Abdu-l-῾Azãz 64, 68 f., 112, 116, 118 f., 150, 165,
Ǧabal Bišri 13, 95, 186 172, 175
Ǧabal Ḥ amrãn 13, 69, 112, 147, 172 Hadad-ezer von Damaskus 196 f.
Register 281
˘ ˘
Haha¯ maniš 242 Hurriter 32, 104, 120, 122, 142,
˘
Ḥ alab (Aleppo) 119 150–153, 160 f., 164, 167
Halab s. Aleppo Hurritisch 33, 120, 142, 151, 153, 156,
˘
(Tall) Ḥ alaf s. Tall Ḥ . 160 f., 193, 199
Haldi 193, 210 Hursag-kalama 42
˘ ˘
Halulê 215 Hulteludiš-Inšušinak 183
˘
Hamanu 209 Huzirãna 231
˘ ˘
Hamath (Ḥ amā) 66, 196–198 Hūzistān 69 f., 79, 188
˘
Hammurāpi 108, 110 f., 116, 118 f.,
121 f., 126, 131, 136, 138 f., 145, 154, Ibbi-Suen 101, 106 f., 111, 116, 190 f.
178, s. a. Codex H. Idu (Ḥ ãt) 172
Hanigalbat 150, 155, 192 Il-aba 79
˘
Hāniqãn 197 Ilãma-Il 139
˘
Hanūnu 213 Ilion 160
Harrān 231, 235, 237 f., 243–245 ilkum 129
˘
Hasura (Hasor) 120 Ilušuma 145
˘
Hathariba (Athribis) 227 Imar s. Emar
˘
Hatti 156, 160, 239, 245, 196 f., 241 Inanna 49, 71 f., 80 f., 90, 132, 189
˘
Hattier 160
Indara, Indra 152
Hattusa 13, 114, 120, 152, 159–162,
Indischer Ozean 177, 188
˘
176 Indogermanen 153
Hattusili I. 161 f. «indoarische» Sprachreste 153
˘
hazannu 150 «indoarische» Termini 152
˘
Haza-El 198, 221 Indus(gebiet, -kultur) 13, 72, 98, 188,
Hebräer (Personennamen) 239, 251 213
Hebräisch 31, 174, 249 Interlinearbilinguen 134, 176
Hellenisierung 254 f., 257 Ionier 206, 213
Herodot 214, 242 f. Ionien 220
Hethiter 115, 141, 157–163, 197, 220, «Iran» 69–72
226, 245 Irbil 113
«Hethiter» (traditionell) 194 Irhulenu, Irhuleni von Hamath
˘ ˘
Hethitisch 151, 159 f., 180, 226 196 f.
Hieroglyphen (ägyptische) 27 Iri-kagina 52, 56–60, 75, 78, 86, 98 f.,
«Hieroglyphen-Hethitisch» 160 178
Hindukusch 13, 33 Išbi-Erra 106–109, 116, 191
Hišip-rasini 78 Isin 106–111, 122, 138, 140, 183
˘
Hiskia 214 Iškibal 139
Ḥ ãt (Idu) 15, 172 Išme-Dagān von Isin 109, 132
Ḥ ittãm 160 Išme-Dagān von Assyrien 118, 155
«Hof- und Haremserlasse» 169 Išnun(a) 62, 82
Hōr 149 Israel 196, 207
«Horizont» 18, 21 Issos 254
Horsābād 210 f. Ištar 77, 81, 90, 132
˘
Hosea 207 Ištaran 56, 64
Hosr 210, 216 Ištumegu (Astyages) 247
˘
Hubuškia 196, 198 t. ius talionis 125
˘
282 Anhang
Obsidian 17 «Protosumerisch» 30
Odysseus 72 Protothyes (Bartatua) 222
῾Omān 13 f., 31, 72 f., 84, 98, 100, 184 Provinzen 172 f.
Omenkunde (-literatur, -texte) 110, Psammetich I. 27, 237
133, 149, 163, 168, 232 f., 252 Pū-abi 46
Opis 62, 171, 242 Pul(u) 203
Orontes 6, 120, 162, 175 Purušhanda 95
˘
Puzriš-Dagān 103, 128
Pahlavi, Pehlevi 71, 190, 250 Puzur-Aššur I. 145
Palaer 159 Puzur-Inšušinak 190 f.
Palästina 29, 213 f., 219, 241 Puzur-Sin 155
Palmyra 119
Pandschab 188, 249 Qadeš (Schlacht) 162, 197, 213
Pantheon 49, 135 f. Qarqar (Schlacht) 196 f., 206 f.
Paqarahubuna 197 Qatanum 111
˘
Parahšum 79, 84 Qatar 72 f.
˘
Parattarna 152 Qu᾿e 197 f., 206, 213, 227
Parattena 175
Parsumaš 26 Ramses II. 161 f.
Parsu(a) 198 Rangstreitdichtung 132
Parther 254 H. Rassam 230
parzillu (Eisen) 179 Rē ῾ê 213
Patin 198 Reichsaramäisch 71, 190, 250
Pehlevi s. Pahlavi Rãm-Sin 111, 122, 139, 244
Persepolis 249 Rãm-Sin II. 139
Perser 71, 198, 226, 242, 246–253 Rãmuš 77, 83 f., 86 f.
Persis 69 Rollsiegel 18, 24 t.
Persisch, Altpersisch 249 rubā᾿um 67, 113
Persisch (pers. Lehnwörter im Akkadi- Ruḍ ā᾿u 221
¯
schen) 250 f. Rusa I.–III, 193
Persischer Golf 14, 29, 45, 48, 61, 64, Rusa I. 209
69, 71–73, 79, 82, 84, 100, 109, 122,
149, 154, 166, 171, 177, 188, 197, Saba 221
215, 224, 236, 238, 242, 245 Sabäisch 31
Phönizier 214 f., 220 Šagarakti-Šuriaš 143
Phönizisch 174, 249 šagina, šakkanakku 97, 102
Phönizisch (Personennamen) 251 s¯ h 250
ˇa
Phraates 256 Šahr-i Sohte 187
˘
Phryger 206, 213 Salmanassar I. 154, 165, 182, 192
Phrygisch 249 Salmanassar II. 181
Phul (s. Pul) 207 Salmanassar III. 154, 184 t., 195–199,
Pilāgurā (= Pylagoras) 220 204, 206 f., 241
Pišamilki 227 Salmanassar IV. 200–202
Plinius der Ältere 194 Salmanassar V. 144, 206–208
Priesterschaft 136 Salomo 221
Proto-Dravidisch 188 Samaria 202, 207, 215, 241
protoelamische Schrift 27 Samāwa 15
286 Anhang
192–196, 198 f., 201 f., 206, 208–210, Van-See 171, 194 f., 202, 209
214, 217, 219, 224 f., 242 Váruna 152
Urbi (= Araber?) 215 vaticinium ex eventu 111
Urbilum 113, 164 Vergöttlichung (des Herrschers) 87
Urdu-Mullissi 218 «Verkaufsadoption» 151 f.
«Urias-Brief» 78 Vespasian 258
Uri 82
Uriṣ ṣ u 213 Wachstafeln 234
Ur-Lumma 56 Wādi al-῾Arãš 213
Urmia-See 193 f., 196 wardum 130
Ur-Namma 93, 96–102, 105, 178, 244 Waru᾿um 82
Ur-Nanše 37, 51 f., 55, 72 Waššukkanni 150, 155, 175
Ur-Ninazu 97 Weisheitsliteratur 132
Ursā s. Rusa I. 209 Wiluša 160
Ursalim (= Jerusalem) 156
«Ursemiten» 32 Xenophon 11, 236, 242, 252
Urtak 226 Xerxes I. 247, 256
Uruaṭ ri (= Urarṭ u) 167, 192
Uru-inimgina s. Iri-kagina (Kleiner = Unterer) Zāb 196
Uruk 14, 16, 20–24, 29, 31, 33 f., 37, Zabalam 84, 122
39–45, 47 f., 50, 53, 55, 6o f., 70–73, Zagros 187, 191, 203, 228, 247
77 f., 87, 93, 96 f., 102, 122, 131, 138, Zakūtu (= Naqia) 224
140, 179, 189, 212, 234 f., 238, 252, Zaranda 210
255 Zikkurrat 22, 137, 196, 211, 219,
Uru-kagina s. Iri-kagina 238
Urum (= Tall ῾Uqair?) 43 Zimri-Lãm 111, 118 f., 165
Uruwana 152 Zinn 20
Ur-Zababa 78, 81 Zi-usudra 48
Urzana 210 Zweisprachigkeit (sumerisch-akka-
Utw 49, 55, 87 disch) 134 f.
Utu-hegal 96 f., 99, 101 Zypern 146, 156, 219 f.
˘