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Andrea Gentile

Bewusstsein,
Anschauung und
das Unendliche bei
Fichte, Schelling
und Hegel
Über den unbedingten
Grundsatz der Erkenntnis

ALBER PHILOSOPHIE B
Andrea Gentile
Bewusstsein, Anschauung und das Unendliche
bei Fichte, Schelling und Hegel

ALBER PHILOSOPHIE A
Andrea Gentile

Bewusstsein,
Anschauung und
das Unendliche
bei Fichte, Schelling
und Hegel
Über den unbedingten
Grundsatz der Erkenntnis

Verlag Karl Alber Freiburg / München


Andrea Gentile
Consciousness, Intuition and the Infinite
in Fichte, Schelling and Hegel
About the unconditioned principle of knowledge

The examination of the »unconditional« principle of knowledge is –


in conjunction with the concepts of consciousness, intuition and the
infinite – the core of German idealism in Fichte, Schelling and Hegel.
According to Fichte, the »absolute first« and »unconditional« princi-
ple of all human knowledge has to be found, so that philosophy can
actually be the »science of science« or the »epistemology«. Therefore,
the author first reconstructs Fichte’s criticism of Kant in the radicali-
zation of the concept of subjectivity and the transgression of the
boundary to intellectual intuition. In the second part, new perspec-
tives are proposed in the analysis of Schelling’s idealism: Against the
background of an analysis of the intellectual, aesthetic and productive
intuition of Schelling, the relationship between natural philosophy
and transcendental philosophy is examined. The third part of the
book examines Hegel’s critique of Fichte and Schelling as well as Kant
(in the Encyclopaedia) and finally also examines the meaning of the
concepts of »self-consciousness« and the »infinite« from transcen-
dental idealism to Hegel’s »absolute idealism«. The culminating point
is the interrelation between the finite and the infinite, which extends
through all areas of theoretical philosophy.

About the Author:


Andrea Gentile, born 1968, Professor of Theoretical Philosophy at the
University Guglielmo Marconi in Rome. In the years 2001, 2002,
2005, 2006, 2007, 2009, 2016 and 2017 Visiting Professor and Re-
search Fellow of the Alexander von Humboldt Foundation at the Lud-
wig-Maximilians-University Munich. 2015 winner of the »Premio
Nazionale Filosofia« (Sezione: »Ricerca Accademica«). Author and
publisher of several books and numerous scientific essays. The most
recent book publications: Ognuno è un universo (2014); Teoria e filo-
sofia della conoscenza in John Dewey (2015); Le percezioni oscure e
l’appercezione trascendentale in Leibniz e Kant (2016); Immanuel
Kant. Che cosa significa orientarsi nel pensare? (2017).
Andrea Gentile
Bewusstsein, Anschauung und das Unendliche
bei Fichte, Schelling und Hegel
Über den unbedingten Grundsatz der Erkenntnis

Die Untersuchung des »unbedingten« Grundsatzes der Erkenntnis ist


– in Verbindung mit den Begriffen des Bewusstseins, der Anschauung
und des Unendlichen – der Kern des Deutschen Idealismus von Fich-
te, Schelling und Hegel. Nach Fichte muss man das »absolut erste«
und »unbedingte« Prinzip des gesamten menschlichen Wissens auf-
suchen, damit die Philosophie tatsächlich »Wissenschaft der Wissen-
schaft« oder »Wissenschaftslehre« sein kann. Daher rekonstruiert der
Autor zunächst Fichtes kritisch gegen Kant gerichtete Radikalisie-
rung des Konzepts der Subjektivität und die Überschreitung der
Grenze zur intellektuellen Anschauung. Im zweiten Teil werden dann
neue Perspektiven in der Analyse von Schellings Idealismus vor-
geschlagen: Vor dem Hintergrund einer Analyse der intellektuellen,
der ästhetischen und der produktiven Anschauung bei Schelling wird
das Verhältnis zwischen Naturphilosophie und Transzendentalphi-
losophie behandelt. Im dritten Teil des Buches werden Hegels Kritik
an Fichte und Schelling sowie an Kant (in der Enzyklopädie) und
schließlich die Bedeutung der Begriffe des »Selbstbewusstseins« und
des »Unendlichen« vom transzendentalen Idealismus bis hin zu He-
gels »absolutem Idealismus« untersucht. Der Kulminationspunkt ist
dabei die alle Bereiche der theoretischen Philosophie durchziehende
Wechselbeziehung zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen.

Über den Autor:


Andrea Gentile, geb. 1968, Professor für Theoretische Philosophie an
der Universität Guglielmo Marconi in Rom. In den Jahren 2001, 2002,
2005, 2006, 2007, 2009, 2016 und 2017 Visiting Professor und For-
schungsstipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Lud-
wig-Maximilians-Universität München. 2015 Träger des »Premio
Nazionale Filosofia« (Sezione: »Ricerca Accademica«). Verfasser und
Herausgeber mehrerer Büchern und zahlreicher wissenschaftlicher
Aufsätze. Die letzten Buchpublikationen: Ognuno è un universo (2014);
Teoria e filosofia della conoscenza in John Dewey (2015); Le percezioni
oscure e l’appercezione trascendentale in Leibniz e Kant (2016); Imma-
nuel Kant. Che cosa significa orientarsi nel pensare? (2017).
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der
Alexander von Humboldt-Stiftung

Originalausgabe

© VERLAG KARL ALBER


in der Verlag Herder GmbH, Freiburg/München 2018
Alle Rechte vorbehalten
www.verlag-alber.de

Satz und PDF-E-Book: SatzWeise, Bad Wünnenberg


Herstellung: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN (Buch) 978-3-495-48911-6I


SBN (PDF-E-Book) 978-3-495-81702-5
Inhalt

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

I. Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der


Erkenntnis. Die Philosophie der Philosophie und die
Wissenschaft der Wissenschaft. Die Form der Form und das
Wissen des Wissens in Fichtes Idealismus . . . . . . . . . 23
1. Das Problem des Dinges an sich und die Noumena als
Grenzbegriffe. Ein Vergleich zwischen Kant und Fichte . 23
2. Der Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität
und zwischen Phaenomena und Noumena . . . . . . . . 29
3. Vorstellung, Wechselbestimmung und Synthesis . . . . 36
4. Logik und Wissenschaftslehre. Fichtes Kritik an Kants
Synthesis der transzendentalen Logik . . . . . . . . . . 39
5. Die Untersuchung des absolut-ersten, schlechthin
unbedingten Grundsatzes alles menschlichen Wissens bei
Fichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
6. Die Philosophie der Philosophie und die Wissenschaft der
Wissenschaft. Die Form der Form und das Wissen des
Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
7. Das Ich und die Subjektivität: das Verhältnis zwischen
dem endlichen und unendlichen Ich . . . . . . . . . . . 51
8. Die Deduktion des »reellen Bewusstseins«. Endliches Ich
und Nicht-Ich: Hemmung, Widerstand, Anstoß und
Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
9. Das empirische Ich und das »Ich denke«. Das reine Ich und
das absolute Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
10. Theoretisches Ich und praktisches Ich . . . . . . . . . . 57
11. Das Gefühl der Begrenzung. Bedürfnis, Missbehagen und
Leere des Ichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
12. Das Gefühl des Sehnens . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

7
Inhalt

13. Ohne Unendlichkeit keine Begrenzung –


ohne Begrenzung keine Unendlichkeit . . . . . . . . . . 62
14. Produktive Einbildungskraft . . . . . . . . . . . . . . . 63
15. Intellektuelle Anschauung und Transzendental-
philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
16. Der Primat der Ethik in der Zweiten Einleitung in die
Wissenschaftslehre und das Transzendentale in Fichtes
ethischem Idealismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
17. Philosophie der Freiheit. Fichtes Vorträge in Jena . . . . 74
18. Religion und Moralphilosophie. Eine ethische Religion der
menschlichen Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
19. Die Bestimmung des Menschen und die Epochen der
Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

II. Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie.


Intellektuelle Anschauung, ästhetische Anschauung und
produktive Anschauung in Schellings Idealismus . . . . . . 81
1. Die Fichte’schen Anfänge der Philosophie Schellings:
Vom Ich als Prinzip der Philosophie oder Über das
Unbedingte im menschlichen Wissen . . . . . . . . . . 81
2. Die Einheit von Geist und Natur. Die Bedeutung des
»Urselbsts« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
3. Natur als graduelle Erweiterung der unbewussten
Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
4. Die Weltseele und die Natur des Menschen. Leben als »der
Atem des Universums« . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
5. Schellings Naturphilosophie: »Natura naturans« und
»Natura naturata« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
6. Die transzendentale Begründung der Naturphilosophie . 90
7. Die Unterschiede zwischen Naturphilosophie und
Transzendentalphilosophie in Von der Weltseele . . . . . 93
8. Der Begriff des Transzendentalen in Schellings
Idealismus. Von der Notwendigkeit und von der
Beschaffenheit eines höchsten Prinzips des Wissens . . . 96
9. Was heißt anschauen? Empirische Anschauung und
intellektuelle Anschauung . . . . . . . . . . . . . . . . 98
10. Intellektuelle Anschauung, ästhetische Anschauung und
produktive Anschauung in Schellings System des trans-
zendentalen Idealismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

8
Inhalt

11. Kunst und Philosophie über die Grenzen der Vernunft:


Philosophie der Kunst und Philosophie der Offenbarung . 104
12. Die Aktivität der Kunst und die Wesensart der künstleri-
schen Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
13. Der Unterschied und die Beziehung zwischen Begrenztem
und Unbegrenztem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
14. Das Ankämpfen des Ichs gegen die Schranke . . . . . . . 108
15. Ideelle und reelle Tätigkeit des Ichs. Die Idealität und die
Realität der Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
16. Die Deduktion des Absoluten im Akt des Selbstbewusst-
seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
17. Das Selbstbewusstsein als ein Streit zwischen absolut
entgegengesetzter Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 114
18. Die Epochen des Selbstbewusstseins . . . . . . . . . . . 117
19. Von der ursprünglichen Empfindung bis zur produktiven
Anschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
20. Von der produktiven Anschauung bis zur Reflexion.
Die Begrenzung des inneren Sinns . . . . . . . . . . . . 121
21. Reflexion, transzendentale Abstraktion und transzenden-
taler Schematismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
22. Die Philosophie der Identität im System der gesamten
Philosophie: von der absolut-unendlichen Identität zur
differenzierten endlichen Realität . . . . . . . . . . . . 127
23. Schellings Kritik an Hegel in der Philosophischen
Einleitung in die Philosophie der Mythologie und in der
Philosophie der Offenbarung: Negative und positive
Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

III. Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels


absolutem Idealismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
1. Transzendentale Anschauung, Reflexion und
Subjektivität. Hegels Kritik an Fichte und Schelling in der
Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der
Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
2. Die Wechselbeziehung zwischen Endlichem und
Unendlichem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
3. Hegels Kritik an Kant in der Enzyklopädie der philo-
sophischen Wissenschaften im Grundriss:
Die Natur des Erkennens . . . . . . . . . . . . . . . . 144

9
Inhalt

4. Bewusstsein, Erfahrung und Gewissen . . . . . . . . . . 148


5. Die Bedeutung des »Selbstbewusstseins« im
transzendentalen Idealismus und im absoluten Idealismus 153
6. Das »unglückliche Bewusstsein« in der Phänomenologie
des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
7. Die Phänomenologie des Geistes: Wissenschaft der
Erfahrung des Bewusstseins und Wissenschaft des
erscheinenden Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
8. Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes . . 168
9. Der Begriff der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
10. Hegels Definition des »Geistes« . . . . . . . . . . . . . 175
11. Verstand und Vernunft: die Grenzen des Verstandes . . . 177
12. Vernunft, Realität und Wirklichkeit . . . . . . . . . . . 181
13. Das Wirkliche, die Wirklichkeit und die Verwirklichung . 188
14. Was heißt »Idee« in Hegels subjektiver Logik? Der
semantische Unterschied zwischen Idee und Begriff . . . 190
15. Dialektik und Synthesis. Das Werden der Wirklichkeit
und die Bedeutung der »Aufhebung« und des
»Aufhebens« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
16. Zum Begriff der Spekulation. Das Aufheben und die
Dynamik des spekulativen Satzes . . . . . . . . . . . . 196
17. Die dialektische Negation als Überwindung der Grenze in
Hegels Wissenschaft der Logik . . . . . . . . . . . . . 199
18. Die Vernunft und der Weg des »Bewusstseins« zum
Wissen: Der absolute Idealismus in Hegels
Phänomenologie des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . 201
19. Subjektiver und objektiver Geist . . . . . . . . . . . . . 206
20. Der absolute Geist: Kunst, Religion und Philosophie . . . 214

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
1. Quellen und Primärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . 218
2. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

10
Einführung

Laut Fichte ist die »Philosophie die Wissenschaft an sich, die Wissen-
schaft der Wissenschaft oder die Wissenschaftslehre«. 1 Der erste
Schritt Fichtes ist die Behauptung, dass die Philosophie Wissenschaft
sein müsse, dass sie unbedingt gültig sei. Deswegen muss sie auf
einem absolut sicheren Prinzip aufbauen. Während für Kant die
Philosophie die Kritik der unterschiedlichen Möglichkeiten der
menschlichen Erkenntnis ist, bestimmt Fichte die Philosophie als
Wissenschaftslehre. Nach Fichtes Wissenschaftslehre muss man das
»absolut erste und unbedingte« Prinzip des gesamten menschlichen
Wissens suchen. »Wir haben den absolut-ersten, schlechthin unbe-
dingten Grundsatz alles menschlichen Wissens aufzusuchen. Bewei-
sen, oder bestimmen läßt er sich nicht, wenn er absolut-erster Grund-
satz sein soll. Er soll diejenige Tathandlung ausdrücken, die unter den
empirischen Bestimmungen unsers Bewusstseins nicht vorkommt,
noch vorkommen kann, sondern vielmehr allem Bewusstsein zum
Grunde liegt, und allein es möglich macht.« 2
Wenn man den Begriff der Philosophie als Wissenschaftslehre
analysiert, kann man einige wesentliche Punkte erkennen, die die
Bedeutung von Fichtes »Philosophie der Philosophie« verdeutlichen:
a) Die Philosophie ist Wissenschaft bzw. ist Wissenschaft an sich.
b) Die systematische Form ist das Mittel, mit dem sie ihr Ziel verfolgt
und realisiert. c) Dieses Ziel ist, die Bestimmtheit der Sätze (also der
Theoreme) zu begründen, sie untereinander zu verbinden und sie

1 Vgl. J. G. Fichte, Züricher Vorlesungen über den Begriff der Wissenschaftslehre.


Februar 1794 Nachschrift Lavater. Beilage aus Jens Baggesens Nachlass: Exzerptseite
aus der Abschrift von Fichtes Züricher Vorlesungen über die Wissenschaftslehre,
hrsg. von Erich Fuchs, München/Neuried: Ars Una 1996. »Die Wissenschaftslehre
ist nicht das System, sondern die Darstellung des Systems welches die Reflexion he-
rausgebracht hat« (vgl. GA IV, 3, S. 38).
2
J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, 1794, S. 138.

11
Einführung

somit auf systematische Art und Weise nachweisbar zu machen.


d) Die Bestimmtheit der Sätze zu begründen, bedeutet auch die Be-
stimmtheit des Prinzips an sich, das die Wissenschaftslehre trägt, auf-
zuzeigen, und sich so mit der Selbst-Begründung der Wissenschafts-
lehre auseinanderzusetzen. e) Außerdem impliziert die Begründung
der Bestimmtheit der Sätze, die Bestimmtheit aller anderen Wissen-
schaften aufzuweisen und rational zu rechtfertigen; diese Wissen-
schaften basieren auch auf jenem einzigen Prinzip und werden erst
durch dieses verständlich. f) Die Wissenschaftslehre ist das Wissen,
das zu seinen Grundlagen zurückgeführt wird. Sie ist das »Wissen des
Wissens« und beschäftigt sich mit der Untersuchung der letzten Be-
dingungen der Möglichkeit, die das Wissen rational verständlich und
nachweisbar machen. Das »Wissen des Wissens« legt den Weg der
pragmatischen Geschichte des menschlichen Geistes dar, der die
Wissenschaftslehre charakterisiert und konstituiert.
Anhand des Begriffs der Philosophie als Wissenschaft kann man
den wichtigen Schritt erkennen, den Fichte im Gegensatz zu Kant
macht. Für Kant liegen die unterschiedlichen Wissenschaften auf
Ebenen, die übereinanderliegen und so auch voneinander getrennt
sind. Die Mathematik liegt auf der Ebene der unmittelbaren Erkennt-
nis; die Naturwissenschaften befinden sich auf der Ebene der begriffs-
mäßigen Erkenntnis; die Metaphysik liegt auf der Ebene oberhalb der
Grenzen der Erkenntnis. Bei Fichte hingegen ist jede Wissenschaft
wie ein Strahl eines unendlichen Kreises, der von der Mitte ausgeht,
die ihm Leben und Bedeutung gibt. Er führt ins Unendliche und hat
die Fähigkeit, weitere Bestimmungen zu empfangen, bleibt aber
immer mit dem Mittelpunkt verbunden. In diesem Kreis liegt das
gesamte menschliche Wissen, das nicht unbestimmt oder zweifelhaft
ist, da es von einem bestimmten Prinzip ausgeht. Es ist auch kein
feststehendes quid, das unveränderbar ist und für immer besteht. Es
ist eine schrittweise Entwicklung von besonderen Bestimmungen,
eine Entwicklung, die vom Zentrum ausgeht, um sich fortwährend
in dem unermesslich großen Kreis, in dem sich die vielfältigen geisti-
gen Formen des menschlichen Lebens überkreuzen und zeigen, aus-
zuweiten. An diesem Punkt hat Fichte die Einheit des Geistes einge-
führt und die Prinzipien der historischen Entwicklung des Geistes
aufgestellt. Dabei handelt es sich um ein subjektives Zentrum, in
dem die unendlichen Einzelheiten allgemein werden und einem inne-
ren, in der Tiefe liegenden Gesetz folgen, dass unveränderlich ist und
die Einheit des geistlichen Lebens darstellt.

12
Einführung

Indem Fichte das Prinzip des »Bewusstseins des Bewusstseins«


definiert, der »Form der Form«, also des reinen Selbstbewusstseins,
eröffnet er einen neuen Horizont der modernen Philosophie. Die
künstlichen Konstruktionen der dogmatischen philosophischen Sys-
teme lassen den Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität
offen, und was klar und deutlich bleibt, ist dieses Bewusstsein des
Bewusstseins, das Zentrum des Universums, von dem alles Leben
ausgeht und zurückkehrt. Der Begriff der Entwicklung bei Schelling
und der absolute Idealismus Hegels basieren auf dieser Anschauung.
Hegel meint, dass es das größte Verdienst Fichtes sei, das »Wissen des
Wissens« hervorgehoben zu haben und somit aufgedeckt zu haben,
dass Subjekt und Objekt im reinen, unmittelbaren Akt des Selbst-
bewusstseins identisch sind. Das Objekt ist jener subjektive Akt des
Wissens, der wiederum zum Objekt des neuen Wissens wird.
Im Gegensatz zu Fichte spricht Schelling von einer Einheit und
Identität zwischen Geist und Natur: »Das System der Natur ist das
System des Geistes.« 3 Seine zentrale Aussage lautet: »Wir können
den Inbegriff alles bloß Objektiven in unserem Wissen Natur nen-
nen; der Inbegriff alles Subjektiven dagegen heiße das Ich, oder die
Intelligenz. Beide Begriffe sind sich entgegengesetzt. Die Intelligenz
wird ursprünglich gedacht als das bloß Vorstellende, die Natur als das
bloß Vorstellbare, jene als das Bewusste, diese als das Bewusstlose.
Nun ist aber in jedem Wissen ein wechselseitiges Zusammentreffen
beider (des Bewussten und des an sich Bewusstlosen) notwendig: die
Aufgabe ist es, dieses Zusammentreffen zu erklären.« 4
Die Natur repräsentiert die »Odyssee des Geistes«, und indem
sie sich sucht, flieht sie vor sich selbst, während sie in Wirklichkeit
jene ideelle Welt ist, die zwischen unüberwindlichen Schranken liegt.
Die Naturphilosophie ist ein Teil des zweiteiligen Systems, dessen
anderer Teil die Philosophie des Geistes ist. Die Naturphilosophie
Schellings nimmt die Natur zum Ausgangspunkt, um zum Geist zu
gelangen. Im Unterschied zu Fichte hat bei Schelling die Natur ein
eigenständiges Wesen, ohne jedoch als Mechanismus, der im Kon-
trast zum Geist steht, betrachtet zu werden. Die Natur ist vielmehr
ein lebendiger »Organismus«, der von der allumfassenden »Welt-
seele« platonischen Ursprungs getragen wird. Die Einheit der Natur
ist nicht statisch, sondern dynamisch: Es handelt sich um eine Einheit

3 F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 53.


4
Ebd., S. 53.

13
Einführung

von Gegensätzen. In Von der Weltseele (1798) wird die Natur vor
allem als »Tätigkeit«, kreative Spontaneität und »Erzeugerin von For-
men und Ereignissen« mit einer unendlichen und unaufhörlichen
Dynamik beschrieben.
Schelling kritisiert sowohl das theoretische Wissen als auch das
praktische. Die Philosophie kann nicht auf einer theoretischen oder
praktischen Vernunft gründen, da beide den Dualismus von Subjekt
und Objekt, Geist und Natur voraussetzen. Die Philosophie geht aus
der Reflexion hervor, aus der Trennung vom Absoluten als der ur-
sprünglichen Identität. Wenn keine Form von Reflexion ein Organon
der Philosophie sein kann, ist es notwendig, einen neuen Horizont für
die Philosophie zu finden. Dieser Horizont basiert auf einer subjekti-
ven Tätigkeit, die zur gleichen Zeit rezeptiv und produktiv ist: Das
Wissen muss ein unmittelbares sein, qualitativ frei, und es soll sich
grundsätzlich von dem theoretischen Wissen unterscheiden, das nicht
frei ist, weil es von den individuellen Darstellungen der Objekte ab-
hängt. »Das transzendentale Wissen ist ein Wissen des Wissens.« 5
Im System des transzendentalen Idealismus legt Schelling dar,
dass die Kunst das einzig wahre und ewige Organon der Philosophie
sei. »Die Philosophie erreicht zwar das Höchste, aber sie bringt bis zu
diesem Punkt nur gleichsam ein Bruchstück des Menschen. Die
Kunst bringt den ganzen Menschen, wie er ist, dahin, nämlich zur
Erkenntnis des Höchsten, und darauf beruht der ewige Unterschied,
und das Wunder der Kunst.« 6 Vor diesem Horizont bildet sich eine
tiefe Verbindung zwischen Kunst und Philosophie: Die Kunst ist der
Höhepunkt des Lebens des Geistes, weil nur das Kunstwerk es mög-
lich macht, das konkrete, äußerliche und reale Zeugnis des Dualismus
zwischen Geist und Natur zu überwinden. Das erste Ziel der intellek-
tuellen Anschauung ist es, die Geschichte des Selbstbewusstseins zu
rekonstruieren, indem sie die volle Übereinstimmung von bewusst
und unbewusst, von Subjekt und Objekt, von Freiheit und Notwen-
digkeit realisiert. Diese Tätigkeit ist nur vom Genie zu leisten, das
beim Hervorbringen eines Kunstwerks einen Sinn für die unendliche
Harmonie hat. Die Schönheit macht mit ihrer ursprünglichen Rein-
heit den Charakter eines vollendeten Werks aus, in dem das Unend-
liche ausgedrückt wird.

5 Ebd., S. 62.
6
Ebd., S. 584.

14
Einführung

In diesem Zusammenhang hebt Schelling drei grundlegende Be-


deutungen der Anschauung hervor: a) die produktive Anschauung,
b) die intellektuelle Anschauung, c) die ästhetische Anschauung.
In der theoretischen Philosophie ist die produktive Anschauung
die Tätigkeit, die den ewigen Status der Expansion und der Kontrak-
tion des Ichs setzt: Die Bedingung ihrer Möglichkeit ist die absolute
Kontraktion. Im Gegensatz hierzu ist die intellektuelle Anschauung,
indem sie den Akt des Selbstbewusstsein, der das Ich hervorbringt,
repräsentiert, die Grundlage und die Voraussetzung des transzenden-
talen Idealismus. Das Selbstbewusstsein ist der Grund des gesamten
philosophischen Systems. Es ist der absolute Akt, durch den jedes
Ding dem Ich gegeben wird: Seine fortlaufende Geschichte ist iden-
tisch mit der Geschichte der Philosophie. Aus dieser Perspektive ist
die ästhetische Anschauung die objektiv gewordene intellektuelle
Anschauung, und dies ermöglicht es der Kunst, das »Organon« der
Philosophie zu sein. Wenn die ästhetische Anschauung nicht als eine
transzendentale Anschauung, die objektiv geworden ist, angesehen
wird, versteht es sich von selbst, dass die Kunst das einzige und ewige
Organon der Philosophie ist.
Die Kunst ist der Schlüssel zum gesamten transzendentalen
Idealismus Schellings: Sie bringt die Wahrheit, die absolute Identität
von Bewusstem und Unbewusstem, von Freiheit und Notwendigkeit
hervor. Für den Philosophen ist die Kunst die höchste, tiefste und
erhabenste Aktivität des Menschen, sie ist das »Höchste«, das
»Tiefste« und das »Erhabenste« in der menschlichen Erkenntnis. In
dieser Bedeutung wird die Überlegenheit der Kunst gegenüber der
theoretischen und praktischen Philosophie zusammengefasst, und
ihre Funktion der Transzendentalphilosophie gegenüber, nämlich
über die Schranken der Vernunft hinauszugehen, bestimmt.
In der letzten Phase seiner Philosophie setzt sich Schelling mit
Hegel auseinander und stellt die klare semantische Unterscheidung
zwischen »negativer Philosophie« und »positiver Philosophie« auf.
Der Weg von Schellings Gedanken schließt mit der Polemik gegen
das philosophische System Hegels. Letzterem wird vorgeworfen, die
vitalen Gründe des Idealismus auf ein geschlossenes, logisches und
dialektisches Schema zu reduzieren, das abstrakt ist. Schelling sieht
in der Philosophie Hegels eine Art von Philosophie, die alles in der
Entwicklung der Idee erschöpfen möchte und so ein logisches, sich
selbst genügendes System begründet. Die Totalität des Wirklichen
wird mit dem Vernünftigen identifiziert: »Was vernünftig ist, das ist

15
Einführung

wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig.« Aus diesem Grund
bezeichnet Schelling die Hegel’sche Philosophie als »negativ« bzw. als
die Philosophie, die der »reine Gedanken« sein möchte und die keine
Konfrontation mit etwas Entgegengesetztem, was nicht ausschließ-
lich auf den Gedanken zurückzuführen ist, zulässt. Somit zeigt sich
die Philosophie Hegels als eine leere, spekulative Konstruktion. Laut
Schelling zielen die Philosophie und die Logik Hegels darauf, die Es-
senz der Dinge aufzunehmen; dies jedoch niemals in ihrer reellen
Existenz. Die Hegel’sche Philosophie geht von der Vernunft aus und
betrachtet somit nicht die Ganzheit der Existenz der Wirklichkeit, mit
der sich hingegen die positive Philosophie beschäftigt.
In der Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der
Philosophie (1801) im Paragraphen »Prinzip einer Philosophie in der
Form eines absoluten Grundsatzes« bemerkt Hegel: »Die Philosophie
als eine durch Reflexion produzierte Totalität des Wissens wird ein
System, ein organisches Ganzes von Begriffen, dessen höchstes
Gesetz nicht der Verstand sondern die Vernunft ist; jener hat die Ent-
gegengesetzten seines Gesetzten, seine Grenze, Grund und Be-
dingung richtig aufzuzeigen, aber die Vernunft vereint diese Wider-
sprechenden, setzt beide zugleich und hebt beide auf. An das System
als eine Organisation von Sätzen kann die Forderung gehen, dass ihm
das Absolute, welches der Reflexion zum Grunde liegt, auch nach
Weise der Reflexion, als oberster absoluter Grundsatz vorhanden
sei.« 7
Anhand dieser Betrachtung möchte Hegel aufzeigen, dass das
Ganze, die Totalität, das Absolute, wenn es wirklich konkret, d. h. in
seiner ganzen Wahrheit gedacht werden soll – und nichts anderes ist
mit Spekulation gemeint –, gar nicht anders als in sich widersprüch-
lich gedacht werden kann: als Antinomie. Er erklärt: »Soll das Prinzip
der Philosophie in formalen Sätzen für die Reflexion ausgesprochen
werden, so ist zunächst als Gegenstand dieser Aufgabe nichts vorhan-
den als das Wissen, im allgemeinen die Synthese des Subjektiven und
Objektiven – oder das absolute Denken. Die Reflexion aber vermag
nicht die absolute Synthese in einem Satz auszudrücken, wenn näm-
lich dieser Satz als ein eigentlicher Satz für den Verstand gelten soll;
sie muss, was in der absoluten Identität eins ist, trennen und die Syn-

7 G. W. F. Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philoso-

phie, S. 25.

16
Einführung

these und die Antithese getrennt, in zwei Sätzen, in einem die Iden-
tität, im andern die Entzweiung, ausdrücken.« 8
Mit dieser Ansicht unterstreicht Hegel im Paragraphen »Trans-
zendentale Anschauung« der Differenz des Fichteschen und Schel-
lingschen Systems der Philosophie, dass »das transzendentale Wissen
beides vereinigt: Reflexion und Anschauung. Es ist Begriff und Sein
zugleich. Dadurch, dass die Anschauung transzendental wird, tritt
die Identität des Subjektiven und Objektiven, welche in der empiri-
schen Anschauung getrennt sind, ins Bewusstsein; das Wissen, inso-
fern es transzendental wird, setzt nicht nur den Begriff und seine
Bedingung oder die Antinomie beider, das Subjektive, sondern zu-
gleich das Objektive, das Sein, voraus. Im philosophischen Wissen
ist das Angeschaute eine Tätigkeit der Intelligenz und der Natur, des
Bewusstseins und des Bewusstlosen zugleich; es gehört beiden Wel-
ten, der ideellen und reellen zugleich an – der ideellen, indem es in
der Intelligenz, und dadurch in Freiheit gesetzt ist, – der reellen, in-
dem es seine Stelle in der objektiven Totalität hat, sozusagen als ein
Ring in der Kette der Notwendigkeit deduziert wird. Stellt man sich
auf den Standpunkt der Reflexion oder der Freiheit, so ist das Ideelle
das Erste und das Wesen und das Sein nur die schematisierte Intelli-
genz; stellt man sich auf den Standpunkt der Notwendigkeit oder des
Seins, so ist das Denken nur ein Schema des absoluten Seins.« 9
Im transzendentalen Wissen ist beides vereinigt, Sein und Intel-
ligenz; ebenso ist »transzendentales Wissen und transzendentales
Anschauen Eins und dasselbe; der verschiedene Ausdruck deutet
nur auf das Überwiegende des ideellen oder reellen Faktors. Es ist
von der tiefsten Bedeutung, dass mit so vielem Ernst behauptet wor-
den ist, ohne transzendentale Anschauung könne nicht philosophiert
werden.« 10
Einige Jahre später kritisiert Hegel in der Phänomenologie des
Geistes (1807) die transzendentale Anschauung, bezeichnet sie als
»philosophischen Obskurantismus« und beleidigt so zutiefst Schel-
ling, mit dem er seine ersten philosophischen Gedanken geteilt hatte.
Hegel erklärt in der Differenz des Fichteschen und Schellingschen
Systems der Philosophie von 1801, dass »in der transzendentalen
Anschauung alle Entgegensetzung aufgehoben ist, aller Unterschied

8
Ebd., S. 26.
9 Ebd., S. 31.
10
Ebd.

17
Einführung

der Konstruktion des Universums durch und für die Intelligenz, und
seiner als ein Objektives angeschauten, unabhängig erscheinenden
Organisation vernichtet ist«. 11 Im Gegensatz dazu bestimmt er im
Vorwort der Phänomenologie des Geistes von 1807 »das Resultat die-
ser Vernichtung« mit einer absolut negativen Bedeutung.
Der Begriff »Phänomenologie« wurde zur Zeit Hegels in dem
Werk Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Be-
zeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung von Irrtum und
Schein (1764) von Johann Heinrich Lambert eingeführt, aber wahr-
scheinlich schon von der Schule Wolffs geprägt. Lambert benutzt ihn
als Titel des 4. Teils (»Phänomenologie oder Lehre von dem Schein«)
seines Neuen Organon und versteht ihn als Studium der Fehlerquel-
len. Die Erscheinung, von der die Phänomenologie die Beschreibung
ist, wird von ihm als trügerische angesehen. Die Phänomenologie
wird als »Lehre von dem Schein« definiert. Die »Theorie des Scheins
und seines Einflusses auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der
menschlichen Erkenntnis« hat ihm zufolge den Zweck, den »Schein
zu vermeiden, um zu dem Wahren durchzudringen«.
Herder, Novalis und Fichte haben diese Bedeutung des Begriffs
wieder aufgenommen. Auch Hegel folgt dieser philosophischen Tra-
dition und erarbeitet ein persönliches Konzept der Phänomenologie,
das sich jedoch von Kants Interpretation der Phänomenologie in den
Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft (1786) un-
terscheidet.
Kant hatte den Begriff »Phänomenologie« benutzt, um auf den
Teil der »Theorie der Bewegung« zu verweisen, der die Bewegung
oder die Ruhe der Materie in Bezug auf die Modalitäten, in denen
die Materie einem äußeren Sinn und der Rezeptivität erscheint, er-
klärt. Im Gegensatz hierzu nennt Hegel »Phänomenologie des Geis-
tes« die Geschichte der unterschiedlichen Stufen des Bewusstseins,
das durch seine anfänglichen, sinnlichen Erscheinungen seine eigene,
wahre Natur entdeckt, sich also als unendliches und allgemeines Be-
wusstsein entdeckt. In diesem Sinn wird die Phänomenologie des
Geistes von ihm als das »Werden der Wissenschaft oder des Wissens«
identifiziert. Hegel sieht in ihr den Weg, den das einzelne Individuum
zurücklegt und auf dem es schrittweise die Stufen der Formation des
absoluten Geistes durchläuft.

11
Ebd.

18
Einführung

Laut Hegel ist die Phänomenologie des Geistes die »Wissenschaft


des erscheinenden Wissens« und die »Wissenschaft der Erfahrung des
Bewußtseins«. 12 Die Phänomenologie ist das »System der Erfahrung
des Geistes« 13, ein System, das nur das Phänomen des Geistes be-
inhaltet. Im Vorwort zur Phänomenologie des Geistes definiert Hegel
die Bedeutung der Phänomenologie so: »Dies Werden der Wissen-
schaft überhaupt oder des Wissens ist es, was diese Phänomenologie
des Geistes darstellt. Das Wissen, wie es zuerst ist, oder der unmittel-
bare Geist ist das Geistlose, das sinnliche Bewusstsein. Um zum ei-
gentlichen Wissen zu werden oder das Element der Wissenschaft, das
ihr reiner Begriff selbst ist, zu erzeugen, hat es sich durch einen lan-
gen Weg hindurchzuarbeiten.« 14 Aufgrund dieser Notwendigkeit ist
dieser Weg »zur Wissenschaft selbst schon Wissenschaft, und nach
ihrem Inhalt hiemit Wissenschaft der Erfahrung des Bewusstseins«. 15
Nach Hegel ist die Methode der Phänomenologie notwendiger-
weise dialektisch. Die dialektische Bewegung und Entwicklung der
Selbst-Erscheinung des existierenden Geistes ist eine dynamische Be-
wegung, die in ihrer Gesamtheit gesehen wird, bis der Geist sich
schließlich als Geist erkennt. Dies ist das authentische Objekt der
Hegel’schen Phänomenologie. »Der Geist, der sich so entwickelt als
Geist weiß, ist die Wissenschaft. Sie ist seine Wirklichkeit und das
Reich, das er sich in seinem eigenen Elemente erbaut. […] Den An-
fang der Philosophie macht die Voraussetzung oder Forderung, dass
das Bewusstsein sich in diesem Elemente befinde. Aber dieses Ele-
ment erhält seine Vollendung und Durchsichtigkeit selbst nur durch
die Bewegung seines Werdens. Es ist die reine Geistigkeit, als das All-
gemeine, das die Weise der einfachen Unmittelbarkeit hat; – dies Ein-
fache, wie es als solches Existenz hat, ist der Boden, der Gedanken, –
der nur im Geist ist.« 16 Die Phänomenologie des Geistes ist die phä-
nomenologische Beschreibung des »langen Weges«, durch den sich
der »unmittelbare Geist« als »sinnliche Gewißheit« 17 in einem müh-
samen Bildungsprozess hindurchzuarbeiten hat, und zwar bis hin zu
dem Stadium, in dem das eigentliche, nicht mehr bloß scheinhafte

12 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: Werke, Bd. 3, Frankfurt am Main:

Suhrkamp 1971, S. 80.


13 Ebd., S. 167 und S. 93.

14 Ebd., S. 31.

15
Ebd., S. 167.
16 Ebd., S. 76.

17
Ebd., S. 82.

19
Einführung

Wissen erscheint oder auftritt. Weil Hegel dieses wahre Wissen als
»absolutes Wissen« 18 versteht, handelt es sich bei dieser Phänomeno-
logie um die Epiphanie des Wissens des Absoluten; erst hier hat ihm
zufolge das Wissen das Element der Wissenschaft erreicht, was ihr
reiner Begriff ist. »Die Wissenschaft stellt diese bildende Bewegung
sowohl in ihrer Ausführlichkeit und Notwendigkeit, als das, was
schon zum Momente und Eigentum des Geistes herabgesunken ist,
in seiner Gestaltung dar. Das Ziel ist die Einsicht des Geistes in das,
was das Wissen ist.« 19 Die Phänomenologie ist die Beschreibung des
Werdens der Wissenschaft im Allgemeinen, also des Wissens des
Geistes. »Dies Werden der Wissenschaft überhaupt, oder des Wis-
sens, ist es, was diese Phänomenologie des Geistes darstellt. Das Wis-
sen, wie es zuerst ist, oder der unmittelbare Geist ist das Geistlose,
das sinnliche Bewusstsein. Um zum eigentlichen Wissen zu werden,
oder das Element der Wissenschaft, das ihr reiner Begriff selbst ist, zu
erzeugen, hat es sich durch einen langen Weg hindurch zu arbei-
ten.« 20 Hiermit schließt die Phänomenologie des Geistes: »Was er in
ihr sich bereitet, ist das Element des Wissens. In diesem breiten sich
nun die Momente des Geistes in der Form der Einfachheit aus, die
ihren Gegenstand als sich selbst weiß. Sie fallen nicht mehr in den
Gegensatz des Seins und Wissens auseinander, sondern bleiben in
der Einfachheit des Wissens, sind das Wahre in der Form des Wahren,
und ihre Verschiedenheit ist nur Verschiedenheit des Inhalts. Ihre
Bewegung, die sich in diesem Elemente zum Ganzen organisiert, ist
die Logik oder spekulative Philosophie.« 21 Vor diesem Hintergrund
ist die Phänomenologie die Darstellung des Weges des natürlichen
Bewusstseins zum wahren Wissen. Sie ist der Weg der Seele, die »sich
gereinigt hat und zum Geist strebt«. 22 Die Phänomenologie »kann
von diesem Standpunkte aus, als der Weg des natürlichen Bewusst-
seins, das zum wahren Wissen dringt, genommen werden; oder als
der Weg der Seele, welche die Reihe ihrer Gestaltungen, als durch
ihre Natur ihr vorgesteckter Stationen durchwandert, dass sie sich
zum Geiste läutere, indem sie durch die vollständige Erfahrung ihrer
selbst zur Kenntnis desjenigen gelangt, was sie an sich selbst ist«. 23

18 Ebd., S. 575.
19 Ebd., S. 80.
20 Ebd., S. 78.
21
Ebd., S. 92.
22 Ebd., S. 153.
23
Ebd., S. 152.

20
Einführung

Laut Hegel ist die Aufgabe der Philosophie »das, was ist, zu be-
greifen, denn das, was ist, ist die Vernunft«. 24 Indem er diese Defini-
tion als Grundlage nimmt, behauptet Hegel die Gleichartigkeit von
Vernunft und Wirklichkeit. In der »Vorrede« zu den Grundlinien der
Philosophie des Rechts greift Hegel diese Thematik auf und schreibt:
»Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist ver-
nünftig. In dieser Überzeugung steht jedes unbefangene Bewusstsein,
wie die Philosophie, und hiervon geht diese ebenso bei der Betrach-
tung des geistigen Universums, als des natürlichen, aus.« 25

24 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 61.


25
Ebd., S. 58.

21
I. Die Untersuchung des unbedingten
Grundsatzes der Erkenntnis.
Die Philosophie der Philosophie und die
Wissenschaft der Wissenschaft.
Die Form der Form und das Wissen des
Wissens in Fichtes Idealismus

»Wir haben den absolut-ersten, schlechthin unbedingten


Grundsatz alles menschlichen Wissen aufzusuchen. Bewei-
sen, oder bestimmen läßt er sich nicht, wenn er absolut-erster
Grundsatz sein soll. Er soll diejenige Tathandlung ausdrü-
cken, die unter den empirischen Bestimmungen unseres Be-
wusstseins nicht vorkommt, noch vorkommen kann, sondern
vielmehr allem Bewusstsein zum Grunde liegt, und allein es
möglich macht.«

»Ohne Unendlichkeit gibt es keine Begrenzung: ohne Begren-


zung gibt es keine Unendlichkeit.«

»Ohne Unendlichkeit des Ich – ohne ein absolutes in das Un-


begrenzte, und Unbegrenzbare hinausgehendes Produktions-
Vermögen desselben, ist auch nicht einmal die Möglichkeit
der Vorstellung zu erklären.«
Johann Gottlieb Fichte

1. Das Problem des Dinges an sich und die Noumena als


Grenzbegriffe. Ein Vergleich zwischen Kant und Fichte

Laut Fichte ist sein philosophisches System »das erste System der
Freiheit«, 1 das die Philosophie von dem Problem des Dinges an sich
befreit und sie unabhängig macht, wie er in einem Brief an Baggesen
aus dem Jahre 1795 schreibt. In der Ersten Einleitung in die Wissen-
schaftslehre (1797) bestätigt Fichte diesen Begriff und unterstreicht,
dass das dogmatische Denken das Denken ist, das die Grundlage der

1 »Mein System ist das erste System der Freiheit«. Entwurf eines Brief an J. Baggesen
(1795), GA III/2, S. 298.

23
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

Erfahrung nicht im Handeln der Intelligenz nach dem Gesetz, »aber


in dem Ding an sich erkennt«. 2 Welche Bedeutung haben die Begriffe
»Noumenon« und »Ding an sich« im ethischen Idealismus von Fich-
te? Warum ist das Problem des Dinges an sich in seiner Kritik an
Kants Philosophie so wichtig?
Der Begriff »Noumenon« ist problematisch, »d. i. die Vorstel-
lung eines Dinges, von dem wir weder sagen können, daß es möglich,
noch daß es unmöglich sei, indem wir gar keine Art der Anschauung,
als unsere sinnliche kennen, und keine Art der Begriffe, als die Kate-
gorien, keine von beiden aber einem außersinnlichen Gegenstande
angemessen ist«. 3 Der Begriff des »Noumenon« ist also nicht »der
Begriff von einem Objekt, sondern die unvermeidlich mit der Ein-
schränkung unserer Sinnlichkeit zusammenhängende Aufgabe, ob
es nicht von jener ihrer Anschauung ganz entbundene Gegenstände
geben möge, welche Frage nur unbestimmt beantwortet werden
kann, nämlich: daß, weil die sinnliche Anschauung nicht auf alle Din-
ge ohne Unterschied geht, für mehr und andere Gegenstände Platz
übrig bleibe, sie also nicht schlechthin abgeleugnet, in Ermangelung
eines bestimmten Begriffs aber (da keine Kategorie dazu tauglich ist)
auch nicht als Gegenstände für unsern Verstand behauptet werden
können«. 4 Nach Kant kann man auf das Problem des Noumenon nur
unbestimmt antworten, da es einen Raum eröffnet, der für die unter-
schiedlichen Objekte der Sinnlichkeit bestimmt ist. Diese können
nicht negiert werden, und sie können auch nicht als Objekte der Er-
kenntnis unseres Intellekts angesehen werden. Vor diesem Horizont
ist der wichtigste Aspekt die semantische Beziehung zwischen dem
Noumenon und dem problematischem Begriff. Was ist ein problema-
tischer Begriff? Warum ist die Beziehung zwischen dem problemati-
schen Begriff und dem Begriff des Noumenons in der Kritik am
Transzendentalen Kants bei der Entwicklung des ethischen Idealis-
mus von Fichte so wichtig?
»Ich nenne einen Begriff problematisch, der keinen Widerspruch
enthält, der auch als eine Begrenzung gegebener Begriffe mit andern
Erkenntnissen zusammenhängt, dessen objektive Realität aber auf
keine Weise erkannt werden kann. Der Begriff eines Noumenon, d. i.
eines Dinges, welches gar nicht als Gegenstand der Sinne, sondern als

2
J. G. Fichte, Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, S. 15.
3 I. Kant, KrV, B 343/A 286.
4
Ebd., B 344/A 287.

24
Das Problem des Dinges an sich und die Noumena als Grenzbegriffe

ein Ding an sich selbst (lediglich durch einen reinen Verstand) ge-
dacht werden soll, ist gar nicht widersprechend; denn man kann von
der Sinnlichkeit doch nicht behaupten, daß sie die einzige mögliche
Art der Anschauung sei. Ferner ist dieser Begriff notwendig, um die
sinnliche Anschauung nicht bis über die Dinge an sich selbst aus-
zudehnen, und also, um die objektive Gültigkeit der sinnlichen Er-
kenntnis einzuschränken (denn das übrige, worauf jene nicht reicht,
heißen eben darum Noumena, damit man dadurch anzeige, jene Er-
kenntnisse können ihr Gebiet nicht über alles, was der Verstand
denkt, erstrecken). Am Ende aber ist doch die Möglichkeit solcher
Noumenorum gar nicht einzusehen, und der Umfang außer der
Sphäre der Erscheinungen ist (für uns) leer, d. i. wir haben einen Ver-
stand, der sich problematisch weiter erstreckt, als jene, aber keine
Anschauung, ja auch nicht einmal den Begriff von einer möglichen
Anschauung, wodurch uns außer dem Felde der Sinnlichkeit Gegen-
stände gegeben, und der Verstand über dieselbe hinaus assertorisch
gebraucht werden könne.« 5
Der Begriff eines Noumenon ist »also bloß ein Grenzbegriff, um
die Anmaßung der Sinnlichkeit einzuschränken, und also nur von
negativem Gebrauche. Er ist aber gleichwohl nicht willkürlich erdich-
tet, sondern hängt mit der Einschränkung der Sinnlichkeit zusam-
men, ohne doch etwas Positives außer dem Umfange derselben setzen
zu können.« 6
Kant bezeichnet einen Begriff als »problematisch«, wenn er kei-
nen Widerspruch enthält. Der Begriff »Noumenon« ist nicht wider-
sprüchlich: Man kann in der Tat nicht behaupten, dass die Sinnlich-
keit die einzige Möglichkeit der Anschauung sei. Außerdem ist das
Noumenon nach Kant ein notwendiger Begriff, um die objektive Gül-
tigkeit der sinnlichen Erkenntnis zu begrenzen. 7 Die Möglichkeiten
der Noumena kann man nicht in Beziehung auf ihre Beziehungen zu
den Bedingungen der realen Möglichkeiten bestimmen, weil ihr Be-
reich und das Feld ihrer Erkenntnis jenseits der Grenzen der Erschei-
nungswelt liegen. Die objektive Realität dieses Begriffs kann nicht
nach den »Bedingungen der Möglichkeit« 8 der Erfahrung aufgestellt

5 Ebd., B 310/A 254.


6 Ebd., B 311/A 256.
7 Vgl. L. Allais, Manifest Reality: Kant’s Idealism and his Realism, Oxford: Oxford

University Press 2015.


8 Zur semantischen Korrelation zwischen den Bedingungen der Möglichkeit der Er-

kenntnis und der Idee der Transzendentalphilosophie vgl. J. M. Siemek, Die Idee des

25
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

werden. Der problematische Begriff wird durch die Fragen nach den
Grenzen der Vernunft 9 und danach, wie es möglich ist, sich im Grenz-
bereich zwischen Phaenomena und Noumena zu orientieren, gerecht-
fertigt. Mit dem Begriff »Noumenon« überschreitet unser Intellekt
nur auf problematische Art und Weise die Sphäre der Sinnlichkeit.
Er kann nicht über diese Sphäre assertorisch hinausgehen, weil er
über keine intellektuelle Anschauung verfügt. Das Noumenon ist
demnach ein Problem, das eng mit der Begrenzung unserer Sinnlich-
keit verbunden ist.
Vor diesem semantischen Horizont erscheint das positive Ele-
ment des Begriffs »Noumenon« als »problematischer Begriff« 10 mit-
tels seiner authentischen Charakteristik: der begrenzenden Funktion
im Bereich der sinnlichen Erkenntnis. Aufgrund dieser Charakteristik
ist der Begriff »Noumenon« keinesfalls willkürlich, sondern not-
wendig, weil er mit der Bestimmung der Grenzen unserer Sinnlich-
keit verbunden ist. Um die Beziehung zwischen den Strukturen des
Transzendentalen und die Bedeutung der Funktion der Begrenzung
des Noumenons als problematischer Begriff zu erklären, bedient sich
Kant der Bezeichnung Grenzbegriff. Was ist ein Grenzbegriff? Was
bedeutet es, sich im Grenzbereich zwischen Phaenomena und Nou-
mena zu orientieren? Welche Funktion haben die Grenzbegriffe in
der Transzendentalphilosophie Kants?
In Bezug auf die Reflexionen zur Metaphysik ist zu bemerken,
dass der Begriff »limes« im Zusammenhang einer Definition immer
auf eine Negation, ein Fehlen, eine Abwesenheit oder einen Mangel

Transzendentalismus bei Fichte und Kant, Hamburg: Meiner 1984; F. Beiser, The Fate
of Reason. German Philosophy from Kant to Fichte, Cambridge (Massachusetts) –
London: Harvard University Press 1993; vgl. auch W. Flach, Die Idee der Transzen-
dentalphilosophie, Würzburg: Königshausen & Neumann 2002.
9
Vgl. L. Hühn, Fichte und Schelling oder: Über die Grenzen menschlichen Wissens,
Stuttgart 1994; R. P. Horstmann, Die Grenzen der Vernunft. Eine Untersuchung zu
Zielen und Motiven des deutschen Idealismus, 2. Auflage, Weinheim: Beltz Athe-
näum 1995; vgl. auch F. Kutschera, Die Wege des Idealismus, Paderborn 2006.
10 Zur Bedeutung des Noumenons als »problematischer Begriff« vgl. H. E. Allison,

»Kant’s Concept of the Transcendental Object«, in: Kant-Studien 59 (1968), S. 461–


476; K. Cramer, »›Gegeben‹ und ›Gemacht‹. Vorüberlegungen zur Funktion des Be-
griffs ›Handlung‹ in Kants Theorie der Erkenntnis von Objekten«, in: G. Prauss
(Hrsg.), Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie, Frankfurt am Main 1986;
R. Engel, Kants Lehre vom Ding an sich und ihre erziehungs- und bildungstheoreti-
sche Bedeutung, Berlin: Peter Lang 1996; vgl. auch J. A. Bonaccini, Kant e o problema
da coisa em si no Idealismo Alemão, Rio de Janeiro: Relume Dumarà 2003.

26
Das Problem des Dinges an sich und die Noumena als Grenzbegriffe

verweist. Dazu im Gegensatz steht der Begriff »terminus«, der oft


mit den Begriffen der »ratio primitiva« und der »completudo« ver-
bunden ist. Der »terminus« einer Abfolge ist der erste Teil derselben,
deren Bedingungen der Möglichkeit im »conceptus terminator« im-
pliziert sind. Dieser Begriff ist mit dem kantischen Grenzbegriff 11 zu
identifizieren. Die Grenzen sind in diesem semantischen Zusammen-
hang »der erste Grund, die omnitudo des Verknüpften und das letzte
Subjectum«. 12 »Conceptus terminator« oder Grenzbegriff sind mög-
lich, weil sie auf »den ersten Begriff der Abfolge verweisen«. 13 Zum
Beispiel: Der Begriff eines absolut notwendigen Wesens ist ein
Grenzbegriff der Abfolge der verknüpften Elemente. In diesem Sinne
ist auch das Noumenon der Grenzbegriff der Phänomene, da es die
Serie der Phänomene überhaupt erst ermöglicht. Diese liegen im Be-
reich der sinnlichen Welt, und nicht im Bereich der Totalität. Deshalb
sagt Kant, dass das Noumenon die intelligible Ursache des Phäno-
mens ist. Wird der Begriff »Noumenon« auf problematische Art und
Weise betrachtet, so ist er nicht nur möglich, sondern unvermeidbar,
da es der Begriff ist, das der Sinnlichkeit Grenzen setzt. Das Noume-
non ist »von negativem Gebrauche«. Es ist eng mit der Begrenzung
der Sinnlichkeit verbunden. Nach Kant ist der Begriff »Noumenon«
ein Grenzbegriff, um die Anmaßung der Sinnlichkeit einzuschrän-
ken. »Wenn man von den Sinnen abgeht, wie will man begreiflich
machen, dass unsere Kategorien (welche die einzigen übrig bleiben-
den Begriffe für Noumena sein würden) noch überall etwas bedeuten,
da zu ihrer Beziehung, auf irgend einen Gegenstand, noch etwas
mehr, als bloß die Einheit des Denkens, nämlich über dem eine mög-
liche Anschauung gegeben sein muss, darauf jene angewandt werden
können? Der Begriff eines Noumeni, bloß problematisch genommen,
bleibt demungeachtet nicht allein zulässig, sondern, auch als ein die
Sinnlichkeit in Schranken setzender Begriff, unvermeidlich. Aber als-
denn ist das nicht ein besonderer intelligibeler Gegenstand für unsern
Verstand, sondern ein Verstand, für den es gehörete, ist selbst ein
Problema, nämlich, nicht diskursiv durch Kategorien, sondern intui-
tiv in einer nichtsinnlichen Anschauung seinen Gegenstand zu er-
kennen.« 14 Unser Verstand bekommt nun auf diese Weise »eine ne-

11 I. Kant, Reflexionen zur Metaphysik, 3897; vgl. auch 4033.


12
Ebd., 4415.
13 Ebd., 4039.
14
KrV, B 312/A 256.

27
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

gative Erweiterung, d. i. er wird nicht durch die Sinnlichkeit einge-


schränkt, sondern schränkt vielmehr dieselbe ein, dadurch, dass er
Dinge an sich selbst (nicht als Erscheinungen betrachtet) Noumena
nennt. Aber er setzt sich auch so fort selbst Grenzen, sie durch keine
Kategorien zu erkennen, mithin sie nur unter dem Namen eines un-
bekannten Etwas zu denken«. 15
Bei der Definition und der kritisch-transzendentalen Analyse
des Begriffs »Noumenon« als Grenzbegriff 16 durch Kant ist dieser
Punkt besonders bedeutend. Der Begriff »Noumenon« ist unver-
meidbar und notwendig, um die Natur des Phänomens und seinen
repräsentativen Status in der Erscheinungswelt zu verstehen. Das
Verständnis des Phänomens impliziert das problematische Verständ-
nis des Begriffs »Noumenon«. Aut simul stabunt, aut simul peribunt.
Dies bedeutet, ihn so zu benutzen, dass er auf eigenständige Art und
Weise und kritisch die Unterscheidung-Beziehung zwischen Phaeno-
mena und Noumena denkt. Die begrenzende Verbindung zwischen
dem Noumenon und dem Feld der Sinnlichkeit ist bei Kant auch eine
Verbindung, die die Betrachtung des Noumenons in Bezug auf die
Strukturen des Transzendentalen vor einem negativen Hintergrund
rechtfertigt. Nach Kant begrenzt der Intellekt durch den Begriff des
Noumenons nicht nur die Sinnlichkeit, sondern auch sich selbst. So
zeigt er, dass er die Noumena nicht dank einer Kategorie, die jeder Art
sein kann, erkennt, sondern dass er sie mit dem Namen von etwas,
was ihm unbekannt ist, denkt. Dieser Verweis auf etwas Unbekanntes
und/oder Mysteriöses bleibt fortwährend in der Spannung zwischen
der Aussage, dass das Bestehen des Noumenons zwar problematisch,
aber unvermeidbar sei, und der Aussage, dass wir das Noumenon
nicht kennen, weil seine Funktion negativ ist und die Ansprüche der
Sinnlichkeit einengen, bestehen. Wenn also einerseits der Begriff
»Noumenon« ein Feld jenseits der empirischen Objektivität eröffnet,
so bestimmt er andererseits seine Unerkennbarkeit nach der realen
Möglichkeit. Kant definiert die Noumena nicht nur als Wesen und/
oder als Verstandeswesen, sondern nennt das Noumenon auch ein
Objekt, das notwendigerweise von der Vernunft gedacht wird.
In der Einleitung der zweiten Auflage der Kritik der reinen Ver-
nunft und insbesondere in der Anmerkung über die Zweideutigkeit

Ebd., B 312/A 256.


15

Zur Analyse des Noumenons als »Grenzbegriff« vgl. N. F. Stang, Kant’s Modal
16

Metaphysics, Oxford: Oxford University Press 2016.

28
Der Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität

der Begriffe des Denkens unterscheidet Kant vier Typen von Objek-
ten: a) das Objekt im allgemeinen Sinn; b) den phänomenologischen
Sinn des Objekts, das von der Erfahrung in der sinnlichen Mannig-
faltigkeit gegeben wird und somit die empirische Anschauung impli-
ziert; c) die Einigung mittels der Kategorien und die Einführung aller
Erfahrungen; d) den noumenischen Sinn des Objekts als von der Ver-
nunft notwendig gedachtes Objekt, auch wenn es im Bezug auf seine
Realität nicht erkennbar ist.
Der Begriff »Noumenon« ist, auch wenn dieses in Hinsicht auf
die Beziehung zu den Bedingungen der Möglichkeit 17 der Erfahrung
unerkennbar ist, ein Grenzbegriff oder ein »conceptus terminator«.
Vor diesem Hintergrund ist die »unbedingte« Bedingung das höchste
Ziel der phänomenologischen Objektivität. »Denn das, was uns not-
wendig über die Grenze der Erfahrung und aller Erscheinungen hi-
naus zu gehen treibt, ist das Unbedingte, welches die Vernunft in den
Dingen an sich selbst notwendig und mit allem Recht zu allem Be-
dingten, und dadurch die Reihe der Bedingungen als vollendet ver-
langt. […] und daß folglich das Unbedingte nicht an Dingen, so fern
wir sie kennen (sie uns gegeben werden), wohl aber an ihnen, so fern
wir sie nicht kennen, als Sachen an sich selbst, angetroffen werden
müsse […]« 18

2. Der Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität


und zwischen Phaenomena und Noumena

Der Verweis auf die Logik kann nützlich sein, um den Ausgangspunkt
von Fichtes Wissenschaftslehre zu verstehen. Der theoretische Ge-
dankengang Fichtes beruht jedoch nicht nur auf der Begründung der
Logik, sondern bezieht auch das Problem mit ein, das – nach Fichte –
von Kant durch den widersprüchlichen und unhaltbaren Begriff des
Dinges an sich 19 offengelassen wurde. Die Philosophie ist dazu ge-
zwungen, in den Dogmatismus zu münden, wie ihre Geschichte bis
hin zu Kant zeigt, wenn sie bei der Erkenntnis der Präsenz einer

17 Vgl. E. Schaper und W. Vossenkuhl (Hrsg.), Bedingungen der Möglichkeit. »Trans-

cendental Arguments« und transzendentales Denken, Stuttgart 1984; vgl. auch


H. Vahid, »The Nature and Significance of Transcendental Arguments«, in: Kant-
Studien 93 (2002), S. 273–290.
18 KrV, B XX.

19
J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 50.

29
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

Grenze durch ein Ding an sich, von dem die gesamte Welt der Er-
kenntnis abzuleiten ist, beginnt. Dogmatismus und Idealismus 20 ste-
hen in eindeutigem Gegensatz zueinander, aber keiner von beiden
kann den anderen widerlegen. Deshalb hängt die Wahl von einem
von beiden einzig und allein von der Persönlichkeit des jeweiligen
Philosophen ab. Trotz alledem gibt es viele Argumente, die für den
Idealismus sprechen. Der Dogmatismus, der vom Noumenon aus-
geht, leitet den eigentlichen Akt des Denkens vom Objekt ab – jedoch
ist dieser Übergang vom Sein zum Denken unmöglich. Der Idealis-
mus hingegen leitet das Objekt vom Subjekt ab, und der Gedanke
enthält schon das Sein bzw. das Moment des Seins. Auch das prakti-
sche Verhalten des Menschen spricht für den Idealismus: Der Dog-
matiker hat einen schwachen Charakter und erklärt die Aktivität des
Geistes durch die schon bestehende Realität; die Freiheit 21 des Den-
kens ist für ihn ein reines Produkt der Dinge. Der Idealist hingegen
hat Unternehmungsgeist und unterstreicht gegenüber der Realität
der Welt seine Autonomie und seine Freiheit; das Objekt wird vom
Subjekt abgeleitet.
Der tiefe Dualismus zwischen Subjektivität 22 und Objektivität
und zwischen Phaenomena und Noumena wird zu einer unüberwind-
baren Grenze. Dieses Resultat zu negieren bedeutet für Fichte nicht,
einem dogmatischen Idealismus zu folgen, oder zu verneinen, dass
das menschliche Bewusstsein endlich und begrenzt ist. Fichtes Wis-
senschaftslehre ist – anders als die Philosophie Kants – ein transzen-
dentaler Idealismus 23, der die ursprüngliche und nicht zu unterdrü-

20 Vgl. R. Bubner, »Rationalitätsformen im Namen der Subjektivität«, in: Internatio-


nales Jahrbuch des Deutschen Idealismus. Konzepte der Rationalität. Concepts of
Rationality, Berlin-New York: de Gruyter 2002, S. 29–41; P. Gorner, German Idea-
lism. Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Oxford 2003; vgl. auch D. Henrich, Grundlegung
aus dem Ich. Untersuchungen zur Vorgeschichte des Idealismus. Tübingen – Jena
(1790–1794), Bd. 2, Frankfurt am Main 2004.
21 Vgl. C. I. Insole, Kant and the Creation of Freedom: A Theological Problem, Ox-

ford: Oxford University Press 2016.


22 Vgl. B. Tuschling, »Epochen, Stufen und Dimensionen von Subjektivität und

Transzendentalität bei Kant«, in: Subjekt als Prinzip? Zur Problemgeschichte und
Systematik eines neuzeitlichen Paradigmas, hrsg. von Achim Lohmar und Henning
Peucker, Würzburg 2003, S. 56–80; vgl. auch A. Rosales, Sein und Subjektivität bei
Kant, Berlin: de Gruyter 2012.
23 Zur philosophisch-theoretischen Analyse des tranzendentalen Idealismus vgl.

F. Kuhne, Selbstbewusstsein und Erfahrung bei Kant und Fichte. Über Möglichkeiten
und Grenzen der Transzendentalphilosophie, Hamburg: Meiner 2007; vgl. C. As-
muth, »Transzendentalphilosophie oder absolute Metaphysik? Grundsätzliche Fragen

30
Der Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität

ckende Begrenztheit des Bewusstseins in seiner Bewegung erkennt.


Das »Ding an sich« ist nicht notwendig, und man fällt nicht dem
Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität, zwischen Phae-
nomena und Noumena zum Opfer.
In der Analytik der Grundsätze hatte Kant ein zentrales Problem
der Kritik der reinen Vernunft offengelassen: das Problem der Gren-
zen zwischen Phaenomena und Noumena: »Wir haben jetzt das Land
des reinen Verstandes nicht allein durchreiset, und jeden Teil davon
sorgfältig in Augenschein genommen, sondern es auch durchmessen,
und jedem Dinge auf demselben seine Stelle bestimmt. Dieses Land
aber ist eine Insel, und durch die Natur selbst in unveränderliche
Grenzen eingeschlossen. Es ist das Land der Wahrheit (ein reizender
Name), umgeben von einem weiten und stürmischen Ozeane, dem
eigentlichen Sitze des Scheins, wo manche Nebelbank, und manches
bald wegschmelzende Eis neue Länder lügt, und indem es den auf
Entdeckungen herumschwärmenden Seefahrer unaufhörlich mit lee-
ren Hoffnungen tauscht, ihn in Abenteuer verflechtet, von denen er
niemals ablassen, und sie doch auch niemals zu Ende bringen kann.
Ehe wir uns aber auf dieses Meer wagen, um es nach allen Breiten zu
durchsuchen, und gewiß zu werden, ob etwas in ihnen zu hoffen sei,
so wird es nützlich sein, zuvor noch einen Blick auf die Karte des
Landes zu werfen, das wir eben verlassen wollen, und erstlich zu fra-
gen, ob wir mit dem, was es in sich enthält, nicht allenfalls zufrieden
sein könnten, oder auch aus Not zufrieden sein müssen, wenn es
sonst überall keinen Boden gibt, auf dem wir uns anbauen könnten;
zweiten, unter welchem Titel wir denn selbst dieses Land besitzen,
und uns wider alle feindselige Ansprüche gesichert halten können.« 24
Wie ist es möglich, die Grenzen zwischen Phaenomena und
Noumena zu bestimmen? Ist diese Grenzlinie notwendig und be-
stimmt, oder unterliegt sie einer semantischen Veränderung? Was
sind die Noumena? »Erscheinungen, so fern sie als Gegenstände nach
der Einheit der Kategorien gedacht werden, heißen Phaenomena.
Wenn ich aber Dinge annehme, die bloß Gegenstände des Verstandes
sind, und gleichwohl, als solche, einer Anschauung, obgleich nicht der
sinnlichen (als coram intuitu intellectuali) gegeben werden können:

an Fichtes Spätphilosophie«, in: Grund- und Methodenfragen in Fichtes Spätwerk,


hrsg. von Günter Zöller und Hans Georg von Manz, Fichte-Studien, Bd. 31, Ams-
terdam/New York 2007, S. 45–58.
24
KrV, B 295/A 236.

31
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

so würden dergleichen Dinge Noumena (intelligibilia) heißen. Nun


sollte man denken, dass der durch die transzendentale Ästhetik einge-
schränkte Begriff der Erscheinungen schon von selbst die objektive
Realität der Noumenorum an die Hand gebe, und die Einteilung der
Gegenstände in Phaenomena und Noumena, mithin auch der Welt in
eine Sinnen- und eine Verstandeswelt (mundus sensibilis et intelligi-
bilis) berechtige, und zwar so: daß der Unterschied hier nicht bloß die
logische Form der undeutlichen oder deutlichen Erkenntnis eines und
desselben Dinges, sondern die Verschiedenheit treffe, wie sie unserer
Erkenntnis ursprünglich gegeben werden können, und nach welcher
sie an sich selbst, der Gattung nach, von einander unterschieden sein.
Denn wenn uns die Sinne etwas bloß vorstellen, wie es erscheint, so
muss dieses Etwas doch auch an sich selbst ein Ding, und ein Gegen-
stand einer nicht sinnlichen Anschauung, d. i. des Verstandes sein,
d. i. es muss eine Erkenntnis möglich sein, darin keine Sinnlichkeit
angetroffen wird, und welche allein schlechthin objektive Realität
hat, dadurch uns nämlich Gegenstände vorgestellt warden, wie sie
sind, da hingegen im empirischen Gebrauche unseres Verstandes
Dinge nur erkannt warden, wie sie erscheinen. Also würde es, außer
dem empirischen Gebrauch der Kategorien (welcher auf sinnliche Be-
dingungen eingeschränkt ist) noch einen reinen und doch objektiv-
gültigen geben, und wir könnten nicht behaupten, was wir bisher
vorgegeben haben: daß unsere reine Verstandeserkenntnisse überall
nichts weiter wären, als Prinzipien der Exposition der Erscheinung,
die auch a priori nicht weiter, als auf die formale Möglichkeit der
Erfahrung gingen, denn hier stände ein ganz anderes Feld vor uns
offen, gleichsam eine Welt im Geiste gedacht (vielleicht auch gar an-
geschaut), die nicht minder, ja noch weit edler unsern reinen Verstand
beschäftigen könnte.« 25
Vor dem Hintergrund dieser Gedanken sagt Kant, dass alle un-
sere Vorstellungen durch den Intellekt einem Objekt mitgeteilt wer-
den. Da die Phänomene nichts anderes als Vorstellungen sind, bezieht
sich der Intellekt auf »etwas«, auf das Objekt der sinnlichen Anschau-
ung; dieses »Etwas« ist nichts anderes als das transzendentale Objekt.
Es ist ein quid = x, und außer ihm kennen wir nichts, können wir
nichts kennen, wenn wir an die »Bedingungen der Möglichkeit« der
Erfahrung denken. Aber dieses »Etwas« kann die Verbindung zwi-

25
Ebd., A 249.

32
Der Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität

schen der Einheit der transzendentalen Apperzeption 26 und der Ein-


heit der Mannigfaltigkeit bei der empirischen Anschauung herstellen.
Dieses transzendentale Objekt kann nicht von den sinnlichen Dingen
getrennt werden, denn wenn es getrennt würde, bliebe nichts, durch
das man es denken könnte. Es ist kein Objekt der Erkenntnis an sich,
sondern nur die Vorstellung der Phänomene. Diese unterliegt einem
allgemeinen Begriff eines Objekts, das nur durch die Mannigfaltigkeit
jener Phänomene bestimmbar ist. »Was aber die Ursache betrifft,
weswegen man, durch das Substratum der Sinnlichkeit noch nicht
befriedigt, den Phaenomenis noch Noumena zugegeben hat, die nur
der reine Verstand denken kann, so beruhet sie lediglich darauf. Die
Sinnlichkeit, und ihr Feld, nämlich das der Erscheinungen, wird selbst
durch den Verstand dahin eingeschränkt: daß sie nicht auf Dinge an
sich selbst, sondern nur auf die Art gehe, wie uns, vermöge unserer
subjektiven Beschaffenheit, Dinge erscheinen. Dies war das Resultat
der ganzen transzendentalen Ästhetik, und es folgt auch natürlicher
Weise aus dem Begriffe einer Erscheinung überhaupt: daß ihr etwas
entsprechen müsse, was an sich nicht Erscheinung ist, weil Erschei-
nung nichts vor sich selbst, und außer unserer Vorstellungsart sein
kann, mithin, wo nicht ein beständiger Zirkel herauskommen soll,
das Wort Erscheinung schon eine Beziehung auf etwas anzeigt, des-
sen unmittelbare Vorstellung zwar sinnlich ist, was aber an sich
selbst, auch ohne diese Beschaffenheit unserer Sinnlichkeit (worauf
sich die Form unserer Anschauung gründet), etwas, d. i. ein von der
Sinnlichkeit unabhängiger Gegenstand sein muß.« 27
Der kantische Begriff des Noumenons, der von Fichte kritisiert 28
wird, hat seinen Ursprung genau hier. Dieser Begriff konstituiert
nicht und kann auch nicht eine bestimmte Erkenntnis von etwas Ge-
gebenem in Bezug auf die reale Möglichkeit konstituieren. Kant sagt,
dass er von allen Formen der sinnlichen Anschauung absehen müsse.
»Damit aber ein Noumenon einen wahren, von allen Phänomenen zu

26 Vgl. N. Hinske, Zwischen Aufklärung und Vernunftkritik. Studien zum Kantschen


Logikcorpus, Stuttgart: Frommann-Holzboog 1998.
27 Ebd., A 251–252.

28 In Bezug auf Fichtes Kritik an Kants Transzendentalphilosophie vgl. C. Bickmann,

»Zwischen Sein und Setzen: Fichtes Kritik am dreifachen Absoluten der kantischen
Philosophie«, in: Anfänge und Ursprünge. Zur Vorgeschichte der Jenaer Wissen-
schaftslehre, hrsg. von Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien, Bd. 9, Amsterdam/At-
lanta 1997, S. 143–162; vgl. S. L. Darwall, »Fichte and the Second Person Standpoint«,
in: Internationales Jahrbuch des deutschen Idealismus 3 (2005), S. 91–113.

33
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

unterscheidenden Gegenstand bedeute, so ist es nicht genug: daß ich


meinen Gedanken von allen Bedingungen sinnlicher Anschauung be-
freie, ich muss noch überdem Grund dazu haben, eine andere Art der
Anschauung, als diese sinnliche ist, anzunehmen, unter der ein sol-
cher Gegenstand gegeben werden könne; denn sonst ist mein Gedan-
ke doch leer, obzwar ohne Widerspruch. […] Das Objekt, worauf ich
die Erscheinung überhaupt beziehe, ist der transzendentale Gegen-
stand, d. i. der gänzlich unbestimmte Gedanke von etwas überhaupt.
Dieser kann nicht das Noumenon heißen; denn ich weiß von ihm
nicht, was er an sich selbst sei, und habe gar keinen Begriff von ihm,
als bloß von dem Gegenstande einer sinnlichen Anschauung über-
haupt, der also vor alle Erscheinungen einerlei ist.« 29
Bestimmte Objekte, die Erscheinungen sind, nennt Kant »Sin-
nenwesen«, also Phaenomena, und unterscheidet so zwischen der Art
und Weise, wie wir sie anschauen, und ihrer Natur an sich. »Gleich-
wohl liegt es doch schon in unserm Begriffe, wenn wir gewisse Ge-
genstände, als Erscheinungen, Sinnenwesen (phaenomena) nennen,
indem wir die Art, wie wir sie anschauen, von ihrer Beschaffenheit
an sich selbst unterscheiden, daß wir entweder eben dieselbe nach
dieser letzteren Beschaffenheit, wenn wir sie gleich in derselben nicht
anschauen, oder auch andere mögliche Dinge, die gar nicht Objekte
unserer Sinne sind, als Gegenstände bloß durch den Verstand ge-
dacht, jenen gleichsam gegenüber stellen, und sie Verstandeswesen
(noumena) nennen. Nun frägt sich: ob unsere reine Verstandesbegrif-
fe nicht in Ansehung dieser letzteren Bedeutung haben, und eine
Erkenntnisart derselben sein könnten?« 30 »Gleich anfangs aber zeigt
sich hier eine Zweideutigkeit, welche großen Mißverstand veranlas-
sen kann: daß, da der Verstand, wenn er einen Gegenstand in einer
Beziehung bloß Phänomen nennt, er sich zugleich außer dieser Be-
ziehung noch eine Vorstellung von einem Gegenstande an sich selbst
macht, und sich daher vorstellt, er könne sich auch von dergleichen
Gegenstande Begriffe machen, und, da der Verstand keine andere als
die Kategorien liefert, der Gegenstand in der letzteren Bedeutung
wenigstens durch diese reine Verstandesbegriffe müsse gedacht wer-
den können, dadurch aber verleitet wird, den ganz unbestimmten Be-
griff von einem Verstandeswesen, als einem Etwas überhaupt außer
unserer Sinnlichkeit, für einen bestimmten Begriff von einem We-

29 KrV, A 252–253.
30
Ebd., B 306.

34
Der Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität

sen, welches wir durch den Verstand auf einige Art erkennen könn-
ten, zu halten.« 31
Kant verweist, indem er die semantische Unterscheidung zwi-
schen bestimmtem und unbestimmtem Begriff beibehält, auf die
zweifache Bedeutung des Noumenons: das Noumenon im positiven
Sinne und das Noumenon im negativen Sinne. »Wenn wir unter
Noumenon ein Ding verstehen, so fern es nicht Objekt unserer sinn-
lichen Anschauung ist, indem wir von unserer Anschauungsart des-
selben abstrahieren: so ist dieses ein Noumenon im negativen Ver-
stande. Verstehen wir aber darunter ein Objekt einer nichtsinnlichen
Anschauung, so nehmen wir eine besondere Anschauungsart an,
nämlich die intellektuelle, die aber nicht die unsrige ist, von welcher
wir auch die Möglichkeit nicht einsehen können, und das ware das
Noumenon in positiver Bedeutung.« 32 »Die Lehre von der Sinnlich-
keit ist nun zugleich die Lehre von den Noumenen im negativen Ver-
stande, d. i. von Dingen, die der Verstand sich ohne diese Beziehung
auf unsere Anschauungsart, mithin nicht bloß als Erscheinungen,
sondern als Dinge an sich selbst denken muss, von denen er aber in
dieser Absonderung zugleich begreift, dass er von seinen Kategorien,
in dieser Art sie zu erwägen, keinen Gebrauch machen könne, weil
diese nur in Beziehung auf die Einheit der Anschauungen in Raum
und Zeit Bedeutung haben, sie eben diese Einheit auch nur wegen der
bloßen Idealität des Raums und der Zeit durch allgemeine Verbin-
dungsbegriffe a priori bestimmen können. Wo diese Zeiteinheit nicht
angetroffen werden kann, mithin beim Noumenon, da hört der ganze
Gebrauch, ja selbst alle Bedeutung der Kategorien völlig auf; denn
selbst die Möglichkeit der Dinge, die den Kategorien entsprechen sol-
len, läßt sich gar nicht einsehen; weshalb ich mich nur auf das berufen
darf, was ich in der allgemeinen Anmerkung zum vorigen Hauptstü-
cke gleich zu Anfang anführete. Nun kann aber die Möglichkeit eines
Dinges niemals bloß aus dem Nichtwidersprechen eines Begriffs des-
selben, sondern nur dadurch, dass man diesen durch eine ihm korres-
pondierende Anschauung belegt, bewiesen werden. Wenn wir also die
Kategorien auf Gegenstände, die nicht als Erscheinungen betrachtet
werden, anwenden wollten, so müssten wir eine andere Anschauung,
als die sinnliche, zum Grunde legen, und alsdenn wäre der Gegen-
stand ein Noumenon in positiver Bedeutung. Da nun eine solche,

31 Ebd., B 306–307.
32
Ebd., B 307.

35
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

nämlich die intellektuelle Anschauung, schlechterdings außer unse-


rem Erkenntnisvermögen liegt, so kann auch der Gebrauch der Kate-
gorien keinesweges über die Grenze der Gegenstände der Erfahrung
hinausreichen, und den Sinnenwesen korrespondieren zwar freilich
Verstandeswesen, auch mag es Verstandeswesen geben, auf welche
unser sinnliches Anschauungsvermögen gar keine Beziehung hat,
aber unsere Verstandesbegriffe, als bloße Gedankenformen für unse-
re sinnliche Anschauung, reichen nicht im mindesten auf diese hi-
naus; was also von uns Noumenon genannt wird, muß als ein solches
nur in negativer Bedeutung verstanden werden.« 33

3. Vorstellung, Wechselbestimmung und Synthesis

Was bedeutet Synthesis 34? Worin besteht die Funktion und die Be-
deutung der Synthesis in der Wissenschaftslehre Fichtes? Warum ist
der Begriff »Synthesis« in der Grundlage der gesamten Wissen-

33
Ebd., B 307–309.
34 Der Begriff »Synthesis« (gr. σύνθεσις; lat. synthesis) hat außer den allgemeinen
Bedeutungen Vereinigung, Koordination oder Komposition weitere, bestimmte Be-
deutungen: a) eine erkenntnistheoretische Methode, die im Gegensatz zur Analyse
steht; b) eine intellektuelle Tätigkeit; c) eine dialektische Einheit von Gegensätzen;
d) eine Einheit der Resultate einer Wissenschaft in der Philosophie. Mit der ersten
Bedeutung, also als grundlegende Methode der Erkenntnis, im Gegensatz zur Ana-
lyse, kann man die Synthese als Methode verstehen, die vom Einfachen zum Kom-
positum führt, die von den einzelnen Elementen ausgeht, um zu deren Kombinationen
in den Objekten zu gelangen, deren Natur erklärt werden soll. Die Gegenüberstellung
der zwei Methoden wurde das erste Mal von Descartes ausgesprochen (Méditations
métaphysiques. Objections et réponses suivies de quatre lettres, S. 255); Leibniz be-
stimmt sie wie folgt: »Wir können durch die Synthesis die Wahrheit bestimmen, in-
dem wir vom Einzelnen zum Allgemeinen, vom Einfachen zum Zusammengesetzten,
gehen. Aber die Synthesis ist nicht ausreichend. Durch die Analyse können wir den
Weg im Labyrinth finden« (Nouveaux essais sur l’entendement humain, IV, 2, 7).
Nach Kant ist die synthetische Methode die fortschreitende Methode, während die
analytische Methode rückschreitend ist, also vom Objekt ausgeht und zu den Bedin-
gungen führt, die es ermöglichen (Prolegomena, § 5, Anmerkung). Das Vorgehen der
Philosophie ist nach Kant analytisch und das Vorgehen der Mathematik ist synthe-
tisch. Die beiden Begriffe beziehen sich in diesem Zusammenhang jedoch in keiner
Weise auf eine Klassifizierung der Urteile in analytische oder synthetische Urteile. Im
Allgemeinen gilt: So, wie das analytische Vorgehen durch Fakten (die dem Objekt
oder der Situation, die zu lösen ist, innewohnen) charakterisiert ist, die die Vor-
gehensweise selbst leiten und kontrollieren, so ist das synthetische Vorgehen durch
die Abwesenheit dieser Fakten charakterisiert. Letzteres hat den Anspruch, von sich

36
Der Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität

schaftslehre so wichtig? Nach Fichte ist die Synthesis ein besonderer


Akt eines jeden Vorstellens, weil sie entgegengesetzte Begriffe zu-
sammenbringt, indem sie in ihnen eine Charakteristik sucht. Diese
Einigung der Begriffe ist jedoch nicht definitiv und reduzierend, son-

selbst aus die Elemente und ihre Konstrukte zu produzieren. Die zweite Bedeutung
des Begriffs verweist auf die Einheit von Subjekt und Prädikat in dem Satz; sie ver-
weist also auf den Akt oder die intellektuelle Tätigkeit, die diese Einheit hervorbringt.
In diesem Sinne wird der Begriff von Aristoteles verwendet, der sagt, dass »dort, wo
richtig und falsch liegen, auch eine gewisse Synthese der Gedanken herrscht, die der
Synthese ähnelt, die in den Dingen liegt« (De anima, III, 6, 430 a 27); und »das, was
diese Einheit konstituiert, ist der Verstand« (ebd., 430 b 5). Es ist aber vor allem Kant,
der den Begriff »Synthese« benutzt. Er führt jede Art von intellektueller Tätigkeit auf
diese zurück. Er definiert die Synthese im Allgemeinen als »Akt, der die unterschied-
lichen Vorstellungen vereinigt, und der diese Einheit in einem einzigen Bewusstsein
versteht« (KrV, B 102/A 77). Außerdem unterscheidet er unterschiedliche Arten von
Synthese auf der Grundlage der Elemente, die an ihr teilhaben. Er unterscheidet die
reine Synthese, in der das Vielfältige nicht empirisch, sondern a priori (wie die Man-
nigfaltigkeit von Raum und Zeit) gegeben ist, von der empirischen Synthese, in der
das Vielfältige empirisch gegeben ist. Die reine Synthese ist »der ursprüngliche Akt
unserer Erkenntnis« (ebd.). Sie geht jeder Analyse voran, da man nur das analysieren
kann, was schon durch den Akt der Erkenntnis vereint und gegeben wurde. Die reine
Synthese, die a priori möglich ist, kann in die figurative Synthese (synthesis speciosa)
und die intellektuelle Synthese (synthesis intellectualis) unterteilt werden. Während
die intellektuelle Synthese eine reine gedachte Mannigfaltigkeit vereint, ist die figu-
rative Synthese eine Synthese der Mannigfaltigkeit der sensiblen Anschauung bzw.
eine Synthese der Einbildungskraft als »Möglichkeit, die Sinnlichkeit a priori zu be-
stimmen« (ebd., § 24). Das denkende Ich oder die ursprüngliche Apperzeption basie-
ren auf dieser transzendentalen Synthese. Da aber jede Erkenntnis eine Synthese ist
und die tatsächliche Erkenntnis Erfahrung ist, beruht nach Kant die Erfahrung an sich
»auf einer Synthesis nach Begriffen vom Gegenstande der Erscheinungen überhaupt«
(KrV, B 195/A 156). In der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft spricht Kant
von drei Typen der Synthese: a) der Synthese der Apprehension in der Anschauung;
b) der Synthese der Reproduktion in der Einbildung; c) der Synthese der Rekognition
im Begriff (KrV, A 99). Aber sowohl in der ersten als auch in der zweiten Auflage wird
auf die Synthese jede Art oder jede Stufe von Tätigkeit der Erkenntnis zurückgeführt.
Dies ist einer der am meisten diskutierten Aspekte seines Werks. Der Begriff »Syn-
these« verändert sich dann im Idealismus und wird von anderen Philosophen wieder-
aufgenommen und anders interpretiert. Der Begriff mit der Bedeutung »Einheit der
Gegensätze« und dem damit zusammenhängenden Begriff der Dialektik wird zum
ersten Mal von Fichte eingeführt. Das Gesetz der Dialektik ist, dass »keine Antithese
ohne eine Synthese möglich ist, weil die Antithese das Suchen nach dem Gegenteil
des Gleichen ist« (Wissenschaftslehre, § 3, D, 3). Schelling definierte den Prozess als
»Prozess, der von der These ausgeht und zur Synthese führt, also den Prozess, auf-
grund dessen das Ich das Objekt stellt, sich ihm entgegensetzt und es schließlich in
sich selbst versteht« (System des transzendentalen Idealismus, III, Kap. I; S. 58 ff.).
Hegel hingegen bevorzugt anstatt »Synthese« den Begriff »Identität« oder »Einheit«,

37
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

dern ist die Ursache für eine Wechselbestimmung. Die Wechsel-


bestimmung ist eine Beziehung, in der sich zwei entgegengesetzte
Begriffe in einem gleichen, synthetischen Stadium befinden. Der eine
Begriff ist hierbei die Bedingung der Möglichkeit des anderen und
umgekehrt. Der Begriff »Wechselbestimmung« und der Begriff
»Synthesis« stehen in engem Bezug zur Bedeutung und zur Funktion
des Vorstellens. In der Interpretation Fichtes ist das Vorstellen eine
erkennende Tätigkeit, die grundlegend ist und von der Einbildungs-
kraft ermöglicht wird. Jede Erkenntnis ist eine Vorstellung, die für
das Bewusstsein eine objektive Realität zusammenfasst oder die die
Erkenntnis eines »Nicht-Ichs«, das außerhalb liegt und im Gegensatz
zur Intelligenz steht, ermöglicht. »Ebenso ist in der ersten syntheti-
schen Handlung, der Grundsynthesis (der des Ich und Nicht-Ich), ein
Gehalt für alle mögliche künftige Synthesen aufgestellt, und wir be-
dürfen auch von dieser Seite nichts weiter. Aus jener Grundsynthesis
muss alles sich entwickeln lassen, was in das Gebiet der Wissen-
schaftslehre gehören soll.« 35
Fichte behält die semantische Wechselbeziehung zwischen der
Grundsynthesis und dem Gebiet der Wissenschaftslehre bei und
schreibt: »Keine antithetische Handlung, dergleichen doch für die
Möglichkeit der Analyse überhaupt vorausgesetzt wird, ist möglich,
ohne eine synthetische; und zwar keine bestimmte antithetische,
ohne ihre bestimmte synthetische. Sie sind beide innig vereinigt, eine
und eben dieselbe Handlung, und werden bloß in der Reflexion un-
terschieden. Mithin läßt von der Antithesis sich auf die Synthesis
schließen; das dritte, worin die beiden entgegengesetzten vereinigt
sind, lässt sich gleichfalls aufstellen: nicht als Produkt der Reflexion,
sondern als ihr Fund: aber als Produkt jener ursprünglichen synthe-
tischen Handlung des Ich; die darum, als Handlung, nicht eben zum
empirischen Bewusstsein gelangen muss, ebenso wenig, als die bisher
aufgestellten Handlungen. Wir treffen also von jetzt an auf lauter
synthetische Handlungen, die aber nicht schlechthin unbedingte
Handlungen sind, wie die erstern. Durch unsre Deduktion aber wird
bewiesen, daß es Handlungen, und Handlungen des Ich sind. Näm-

auch wenn er bemerkt, dass das Wort »Einheit« mehr auf eine subjektive Reflexion als
auf eine Identität verweist. Die Einheit oder die Identität, die eine dialektische Drei-
heit abschließt, ist eine objektive Verbindung. Nach Hegel könnte man sie besser
Untrennbarkeit nennen – ein Begriff, der jedoch leider nicht die positive Natur der
Synthese beinhaltet (Wissenschaft der Logik, I, Buch I, Teil I, Kap. I, Anm. 2, S. 85).
35
J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, 1794, S. 208.

38
Logik und Wissenschaftslehre

lich, sie sind es so gewiß, so gewiß die erste Synthesis, aus der sie
entwickelt werden, und mit der sie eins, und dasselbe ausmachen,
eine ist; und diese ist eine, so gewiß als die höchste Tathandlung des
Ich, durch die es sich selbst setzt, eine ist. Die Handlungen, welche
aufgestellt werden, sind synthetisch; die Reflexion aber, welche sie
aufstellt, ist analytisch.« 36 Keine Antithesis »ist möglich ohne Syn-
thesis. Mithin wird eine höhere Synthesis als schon geschehen vo-
rausgesetzt; und unser erstes Geschäft muss sein, diese, aufzusuchen,
und sie bestimmt aufzustellen.« 37

4. Logik und Wissenschaftslehre. Fichtes Kritik an Kants


Synthesis der transzendentalen Logik

Die semantische Beziehung zwischen Grundsynthesis, Gebiet der


Wissenschaftslehre, Vorstellung und Wechselbestimmung bei Fichte
bestimmt die sich von der kritischen Philosophie Kants grundlegend
unterscheidenden Definitionen der Logik und der Theorie der Er-
kenntnis. Fichte kritisiert insbesondere die Bedeutung von »Synthe-
se« 38 in der transzendentalen Logik Kants. Worauf basiert diese Kri-
tik? Warum ist die Bedeutung der Synthese in der transzendentalen
Logik Kants so wichtig in Fichtes Wissenschaftslehre?
Nach Kant löst die allgemeine Logik »nun das ganze formale
Geschäfte des Verstandes und der Vernunft in seine Elemente auf,
und stellet sie als Prinzipien aller logischen Beurteilung unserer Er-
kenntnis dar. Dieser Teil der Logik kann daher Analytik heißen, und
ist eben darum der wenigstens negative Probierstein der Wahrheit,
indem man zuvörderst alle Erkenntnis, ihrer Form nach, an diesen
Regeln prüfen und schätzen muss, ehe man sie selbst ihrem Inhalt
nach untersucht, um auszumachen, ob sie in Ansehung des Gegen-
standes positive Wahrheit enthalten.« 39
In einer transzendentalen Logik »isolieren wir den Verstand (so
wie oben in der transzendentalen Ästhetik die Sinnlichkeit) und he-
ben bloß den Teil des Denkens aus unserm Erkenntnisse heraus, der
lediglich seinen Ursprung in dem Verstande hat. Der Gebrauch dieser

36 Ebd., S. 210.
37
Ebd., S. 212.
38 Vgl. J. Benoist, Kant et les limites de la synthèse, Paris: PUF 1996.
39
KrV, B 85/A 61.

39
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

reinen Erkenntnis aber beruhet darauf, als ihrer Bedingung: dass uns
Gegenstände in der Anschauung gegeben sein, worauf jene ange-
wandt werden können. Denn ohne Anschauung fehlt es aller unserer
Erkenntnis an Objekten, und sie bleibt alsdenn völlig leer. Der Teil der
transzendentalen Logik also, der die Elemente der reinen Verstandes-
erkenntnis vorträgt, und die Prinzipien, ohne welche überall kein Ge-
genstand gedacht werden kann, ist die transzendentale Analytik, und
zugleich eine Logik der Wahrheit.« 40
Die allgemeine Logik abstrahiert von jeglichem Inhalt der Er-
kenntnis. Im Gegensatz hierzu analysiert die transzendentale Logik
die Mannigfaltigkeit der Erkenntnis in Verbindung mit der realen
Möglichkeit der Gegenstände, die in der Erfahrung gegeben sind.
Die transzendentale Logik hat die Aufgabe, den reinen Begriffen des
Intellekts eine Materie zu geben, denn ohne diese Materie hätten sie
keinen Inhalt. Raum und Zeit beinhalten eine Mannigfaltigkeit der
reinen Anschauung a priori und stellen die Bedingungen der Mög-
lichkeit der Rezeptivität dar. »Raum und Zeit enthalten nun ein Man-
nigfaltiges der reinen Anschauung a priori, gehören aber gleichwohl
zu den Bedingungen der Rezeptivität unseres Gemüts, unter denen es
allein Vorstellungen von Gegenständen empfangen kann, die mithin
auch den Begriff derselben jederzeit affizieren müssen. Allein die
Spontaneität unseres Denkens erfordert es, dass dieses Mannigfaltige
zuerst auf gewisse Weise durchgegangen, aufgenommen, und ver-
bunden werde, um daraus eine Erkenntnis zu machen. Diese Hand-
lung nenne ich Synthesis.« 41
Kant versteht aber unter Synthesis »in der allgemeinsten Be-
deutung die Handlung, verschiedene Vorstellungen zu einander hin-
zuzutun, und ihre Mannigfaltigkeit in einer Erkenntnis zu begreifen.
Eine solche Synthesis ist rein, wenn das Mannigfaltige nicht empi-
risch, sondern a priori gegeben ist (wie das im Raum und der Zeit).
Vor aller Analysis unserer Vorstellungen müssen diese zuvor ge-
geben sein, und es können keine Begriffe dem Inhalte nach ana-
lytisch entspringen. Die Synthesis eines Mannigfaltigen aber (es sei
empirisch oder a priori gegeben) bringt zuerst eine Erkenntnis her-
vor, die zwar anfänglich noch roh und verworren sein kann, und also
der Analysis bedarf; allein die Synthesis ist doch dasjenige, was
eigentlich die Elemente zu Erkenntnissen sammelt, und zu einem

40 Ebd., B 87/A 62.


41
Ebd., B 102/A 77.

40
Logik und Wissenschaftslehre

gewissen Inhalte vereinigt; sie ist also das erste, worauf wir Acht zu
geben haben, wenn wir über den ersten Ursprung unserer Erkennt-
nis urteilen wollen.« 42
Kant hebt, auch wenn er an der Wechselbeziehung zwischen der
Synthese und der Mannigfaltigkeit festhält, oft die semantische Un-
terscheidung zwischen allgemeiner Logik und transzendentaler Lo-
gik, zwischen analytischem und synthetischem Prozess, hervor. Vor
diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, die Bedingungen der
Möglichkeit und/oder die Prinzipien, die den subjektiven Prozess der-
jenigen Synthese konstituieren und charakterisieren, die Kant die
»reine Synthese« 43 nennt, aufzufinden und zu bestimmen. Was be-
deutet reine Synthese? Welche Funktionen haben diese Strukturen
dem Transzendentalen gegenüber? Warum ist die Kritik Fichtes an
der Bedeutung der reinen Synthese in der transzendentalen Logik
Kants so wichtig?
»Die reine Synthesis, allgemein vorgestellt, gibt nun den reinen
Verstandesbegriff. Ich verstehe aber unter dieser Synthesis diejenige,
welche auf einem Grunde der synthetischen Einheit a priori beruht:
so ist unser Zählen (vornehmlich ist es in größeren Zahlen merk-
licher) eine Synthesis nach Begriffen, weil sie nach einem gemein-
schaftlichen Grunde der Einheit geschieht. Unter diesem Begriffe
wird also die Einheit in der Synthesis des Mannigfaltigen notwendig.
Analytisch werden verschiedene Vorstellungen unter einen Begriff
gebracht (ein Geschäfte, wovon die allgemeine Logik handelt). Aber
nicht die Vorstellungen, sondern die reine Synthesis der Vorstellun-
gen auf Begriffe zu bringen, lehrt die transzendentale Logik. Das ers-
te, was uns zum Behuf der Erkenntnis aller Gegenstände a priori ge-
geben sein muss, ist das Mannigfaltige der reinen Anschauung; die
Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft ist das
zweite, gibt aber noch keine Erkenntnis. Die Begriffe, welche dieser
reinen Synthesis Einheit geben, und lediglich in der Vorstellung die-
ser notwendigen synthetischen Einheit bestehen, tun das dritte zum

42 Ebd., B 103/A 78.


43 Zur Analyse der Begriffs »reine Synthese« vgl. R. Bubner, »Was heißt Synthesis?«,
in: G. Prauss (Hrsg.), Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie, Frankfurt
am Main 1986, S. 27–40 und Th. Seebohm, »Die reine Logik, die systematische Kon-
struktion des Prinzips der Vernunft und das System der Ideen«, in: Architektonik und
System in der Philosophie Kants, hrsg. von H. F. Fulda und J. Stolzenberg, Hamburg:
Meiner 2001, S. 204–231.

41
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

Erkenntnisse eines vorkommenden Gegenstandes, und beruhen auf


dem Verstande.« 44
Die Funktion, die durch ein einziges Urteil alle unterschiedlichen
Vorstellungen vereint, gibt auch durch eine einzige Anschauung eine
Einheit, eine Synthese der unterschiedlichen Vorstellungen. Diese
Einheit wird von Kant der reine Begriff des Intellekts genannt. So
konstituiert und bestimmt der Intellekt durch die analytische Einheit
die logische Form des Urteils. Durch die synthetische Einheit der ge-
gebenen Mannigfaltigkeit in der Erfahrung wird dagegen ein trans-
zendentaler Inhalt in die Vorstellungen eingeführt und bestimmt.
Vor diesem Horizont sind diese Vorstellungen reine Begriffe des In-
tellekts, die sich a priori mit den Objekten der Erfahrung verbinden.
Kants Begriff der »Synthese« in der transzendentalen Logik ist
mit der Wissenschaftslehre von Fichte unvereinbar. Die Notwendig-
keit, die Philosophie auf einen spontanen Akt und nicht auf eine »Tat-
sache« zu gründen, bringt nach Fichte einen radikalen Umsturz der
Beziehung zwischen Logik und Philosophie mit sich. Auf der Grund-
lage der semantischen Unterscheidung zwischen allgemeiner Logik
und transzendentaler Logik in der Transzendentalphilosophie 45 Kants
hatte die formale oder allgemeine Logik der Philosophie gegenüber
eine spezifischen Funktion beibehalten. Das Nicht-Bestehen eines
Widerspruchs bleibt bei ihm eine notwendige (wenn auch nicht hin-
reichende) Bedingung einer jeden Form des Wissens.
Bei Fichte hingegen ist die Beziehung zwischen Logik und Phi-
losophie grundlegend anders bzw. beruht auf dem Gegenteil. Eben
diese andere Wechselbeziehung zwischen Logik und Philosophie ist
es, die einen großen Einfluss auf den Verlauf des deutschen Idealis-
mus hat. Die Philosophie als Wissenschaftslehre 46 hat nun die Auf-
gabe, die Logik zu begründen, und nicht umgekehrt, weil die Wissen-
schaftslehre die notwendigen Bedingungen hierfür aufzeigt. Diese
Bedingungen sind nicht metaphysisch oder theologisch (wie die Prä-
senz einer bestimmten logischen Struktur der Dinge oder die Ge-
währleistung der Wahrheit unserer beschreibenden Prozesse durch
Gott), sondern sie werden von demselben Prozess abgeleitet, durch
den das Wissen konstituiert wird.

44 KrV, B 104/A 78.


45
Vgl. H. E. Allison, »Transcendental Idealism: the two aspect view«, in: New Essais
on Kant, hrsg. von B. Ouden, New York 1987, S. 155–178.
46
J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 55.

42
Logik und Wissenschaftslehre

»Wenn man davon ausgeht«, sagt Fichte, »dass das erste Prinzip
der Logik A = A« 47 universell anerkannt ist, so ist es trotzdem ein
rein hypothetisches Prinzip der Logik, weil es bedeutet, dass ein ge-
stelltes und bestätigtes A gleich A ist. Ein Beispiel: Wenn das Be-
wusstsein sich den Begriff »Dreieck« vergegenwärtigt, ist dieser Be-
griff sicher da, und das Objekt der Darstellung ist ein Dreieck, auch
wenn keinerlei Notwendigkeit an sich besteht, dieses Objekt dar-
zustellen; es könnte auch sein, dass die Menschen niemals geometri-
sche Figuren, also auch Dreiecke, dargestellt haben. Es gibt nur einen
Fall, in dem das Prinzip A = A nicht hypothetisch, sondern absolut ist
und keiner weiteren Bedingungen bedarf: wenn der Begriff A auf das
Ich verweist, also auf die reine und spontane Tätigkeit des mensch-
lichen Geistes. In diesem Fall kann man nicht sagen, dass, wenn das
Ich gegeben ist, es auch da ist, denn ohne das Ich ist kein Urteil mög-
lich – und demzufolge auch kein Satz, in dem die Logik Gültigkeit
hat. Die Logik besteht nur in Bezug zu den Formen des Wissens, oder
den allgemeinen Bedingungen, nach denen der Prozess des Wissens
vorgeht, ohne auf die besonderen Charakteristika des Inhalts ein-
zugehen. Die Wissenschaftslehre hingegen hat die Aufgabe, beides
aufzuzeigen: »Form und Inhalt des Wissens«. 48
Vor diesem Hintergrund ist die Wissenschaftslehre unbedingt,
da sie die notwendigen Vorgänge, durch die der menschliche Geist
zum Wissen gelangt, vorstellt. Die Logik ist im Gegenteil bedingt,
weil sie aus einem Akt der Abstraktion hervorgeht, der die formalen
Aspekte des Wissens vom Inhalt trennt. Laut Fichte ist die Logik eine
künstliche Tätigkeit, eine Fiktion oder eine Erfindung, die zweifellos
zu einer guten und sicheren Entwicklung der Wissenschaften bei-
tragen, sie jedoch nicht begründen kann. Denn dies ist »die Aufgabe
der Wissenschaftslehre«. 49

47 Ebd.
48
Ebd.
49 J. G. Fichte, Die Wissenschaftslehre. Zweiter Vortrag im Jahre 1804 vom 16. April

bis 8. Juni, S. 243.

43
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

5. Die Untersuchung des absolut-ersten, schlechthin


unbedingten Grundsatzes alles menschlichen Wissens bei
Fichte

Nach Fichtes Wissenschaftslehre muss man das »absolut erste und


unbedingte« 50 Prinzip des gesamten menschlichen Wissens suchen.
»Wir haben den absolut-ersten, schlechthin unbedingten Grundsatz
alles menschlichen Wissen aufzusuchen. Beweisen, oder bestimmen
läßt er sich nicht, wenn er absolut-erster Grundsatz sein soll. Er soll
diejenige Tathandlung ausdrücken, die unter den empirischen Be-
stimmungen unsers Bewusstseins nicht vorkommt, noch vorkommen
kann, sondern vielmehr allem Bewusstsein zum Grunde liegt, und
allein es möglich macht.« 51
Da es sich um ein absolut erstes Prinzip handelt, kann man es
weder nachweisen noch bestimmen. Es muss diesen Akt, der sich
nicht zeigt noch zwischen den empirischen Bestimmungen unseres
Bewusstseins zeigen kann, ausdrücken. Er liegt auf dem Grund eines
jeden Bewusstseins, das durch ihn überhaupt erst ermöglicht wird.
Der Satz A = A ist ein Urteil. Jedes Urteil ist im empirischen Be-
wusstsein ein Akt des menschlichen Geistes, weil es im Bewusstsein
alle Bedingungen der Möglichkeit des Akts des empirischen Selbst-
bewusstseins gibt. Die Grundlage dieses Akts ist nicht etwas, das auf
etwas Höherem beruht, sondern auf dem »Ich bin«. Dieses ist die
Grundlage, die auf sich selbst gründet, und deswegen hat es einen
ursprünglichen Charakter. Das Ich setzt also sich selbst als reine Tä-
tigkeit seiner selbst. So ist diese Tätigkeit eine ursprüngliche Tätig-
keit. »Das Ich setzt sich selbst durch diese reine Tätigkeit.« 52
Das Prinzip der Wissenschaftslehre gilt als axiomatische Grund-
lage der Prinzipien 53 aller anderen Wissenschaften. Es handelt sich

50
Vgl. R. Loock, »Das Bild des absoluten Seins beim frühen und späten Fichte«, in:
Die Spätphilosophie J. G. Fichtes 1, hrsg. von Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien,
Bd. 17, Amsterdam/Atlanta 2000, S. 83–102 und W. Lütterfelds, »Fichtes Konzept ab-
soluter Einheit (1804) – ein performativer Selbstwiderspruch?«, in: Realität und Ge-
wißheit, hrsg. von Helmut Girndt und Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien, Bd. 6,
Amsterdam/Atlanta 1994, S. 401–422.
51 J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 206.

52 Ebd.

53 Zur Analyse der axiomatischen Grundlage und der axiomatischen Prinzipien in

Fichtes Wissenschaftslehre vgl. R. Lauth, La filosofia trascendentale di Fichte, Napoli:


Guida 1986 und M. Ivaldo, I principi del sapere. La visione trascendentale di Fichte,
Napoli: Bibliopolis 1987.

44
Die Untersuchung des absolut-ersten, schlechthin unbedingten Grundsatzes

um eine Grundlage, die nicht begründet werden kann, weil sie sonst
etwas Höheres voraussetzen würde. Das Prinzip an sich ist selbst si-
cher, weil es unmittelbar ist und nicht durch Begriffe beweisbar ist. Es
ist ein Prinzip, das sicher und wahr ist, weil es einen selbstbegründen-
den Charakter hat. Nur dieses Prinzip kann diesen Charakter haben.
Dieses Prinzip »ist der Grund« – so unterstreicht Fichte – »aller Ge-
wißheit, d. h. alles was gewiß ist, ist gewiß, weil er gewiß ist; und es ist
nichts gewiß, wenn er nicht gewiß ist. Er ist der Grund alles Wis-
sens, 54 d. h. man weiß, was er aussagt, weil man überhaupt weiß;
man weiß es unmittelbar, sowie man irgend etwas weiß. Er begleitet
alles Wissen, ist in allem Wissen enthalten, und alles Wissen setzt ihn
voraus.« 55
Jede Art von Wissen setzt die Emanation 56 des wesentlichen
Prinzips voraus. Des Weiteren erlangt jede Wissenschaft ihre eigene
Sicherheit von dem Prinzip, das sie bestimmt und ihr die Garantie der
Wahrheit gibt. Jedoch ist dieses Prinzip seinerseits in dem einzigen,
unnachweisbaren Prinzip begründet, welches die Basis der Wissen-
schaft von allen Wissenschaften ist und welches als axiomatische Vo-
raussetzung jeglicher bestimmten, sinnvollen Behauptung fungiert.
Die Wissenschaft mit jeder ihrer möglichen Spezifikationen geht von
Prinzipien aus, die sie als Tatsachen ansieht und die sie in bestimmter
Weise weiter entwickelt. Diese Tatsachen sind aus genetischer Sicht
Tätigkeiten, die sich durch eine einzige Identität und Einheit differen-
zieren. Es handelt sich um das wesentliche Prinzip, das eine zentrale
und vorrangige Rolle in der Struktur, im System und in der Ziel-
setzung des transzendentalen Idealismus spielt.
Der transzendentale Idealismus ist für Fichte nicht eine Theorie
unter anderen, sondern die einzig wahre Philosophie, 57 die der
menschliche Geist endlich erkannt und erobert hat. Kant hat es nicht
geschafft, seinen eigenen Entdeckungen eine systematische und ein-

54 Vgl. A. Schmidt, Der Grund des Wissens. Fichtes Wissenschaftslehre in den Ver-
sionen von 1794/95, 1804/11 und 1812, Paderborn 2004.
55 J. G. Fichte, Über den Begriff der Wissenschaftslehre, GA I, 2, S. 121.

56 Vgl. I. Schlösser, Entzogenes Sein und unbedingte Evidenz in Fichtes Wissen-

schaftslehre 1804, in: Zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Helmut Girndt, Fichte-
Studien, Bd. 20, Amsterdam/New York 2003, S. 145–159.
57 Vgl. P. Baumanns, J. G. Fichte. Kritische Gesamtdarstellung seiner Philosophie,

Freiburg 1990; vgl. Ch. Asmuth, »Von der Urteilstheorie zur Bewusstseinstheorie.
Die Entgrenzung der Transzendentalphilosophie«, in: Kant und Fichte – Fichte und
Kant, hrsg. von Christoph Asmuth, Fichte-Studien, Bd. 33, Amsterdam/New York
2009, S. 221–249.

45
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

heitliche Form zu geben. Damit die Philosophie eine Wissenschaft


wird, muss man das Prinzip und das einheitliche Fundament der drei
Kritiken suchen und bestimmen. Von diesem leitet man schließlich
jeden Teil des Systems ab. Die Deduktion Fichtes ist somit mit einer
systematischen Demonstration a priori gleichzusetzen – im Unter-
schied zur kantischen Deduktion der Kategorien, die die Recht-
fertigung ihrer legitimen Anwendung in Bezug auf die sinnlichen
Anschauungen bedeutete. Fichte kritisiert an Kant, dass er keine
Struktur, die einer notwendigen Ordnung folgt, aufgestellt habe, son-
dern nur eine ungeordnete und willkürliche Aufzählung der Katego-
rien. Kritik übt er auch an den Kants Auffassung der Erkenntnisver-
mögen und an der Unterscheidung zwischen theoretischer und
praktischer Vernunft bei Kant.
Laut Fichte ist die Philosophie in ihrer Struktur und Zielsetzung
die Theorie und die Begründung des »Systems des Wissens«. 58 Die
Philosophie ist die Wissenschaftslehre, sie ist die »Wissenschaft der
Wissenschaften«. Ihr Aufgabe ist es, die Prinzipien nachzuweisen
und eine systematische Form aller Wissenschaften zu begründen. Es
handelt sich um Prinzipien und Formen, nicht um Bestimmungen
oder besondere Inhalte. Die globale Struktur des Systems der Wis-
senschaften muss a priori bestimmt werden, sollte aber trotzdem of-
fen für die unendliche Bereicherung durch die Inhalte sein, die nur
mittels der Erfahrung möglich ist. Die Doktrin der Wissenschaften ist
keine Metaphysik im traditionellen Sinne, da sie nicht a priori neue
Objekte der Erkenntnis hervorbringt und so die Erfahrung ersetzt.
Sie ist hingegen eine authentische Transzendentalphilosophie, weil
sie nur eine Beschreibung und eine Darstellung des realen Denkens
ist, also eine Rekonstruktion der Bedingungen des Bewusstseins und
seiner subjektiven Tätigkeit.

58 Zur Struktur und Begründung des »Systems des Wissens« bei Fichte vgl. J. Wid-
mann, Die Grundstruktur des transzendentalen Wissens nach Johann Gottlieb Fich-
tes Wissenschaftslehre (1804), Hamburg 1977 und C. Hanewald, »Absolutes Sein und
Existenzgewißheit des Ich«, in: Zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Helmut Girndt,
Fichte-Studien, Bd. 20, Amsterdam/New York 2003, S. 13–25.

46
Die Philosophie der Philosophie und die Wissenschaft der Wissenschaft

6. Die Philosophie der Philosophie und die Wissenschaft


der Wissenschaft. Die Form der Form und
das Wissen des Wissens

Die »Philosophie ist die Wissenschaft an sich, die Wissenschaft der


Wissenschaft oder die Wissenschaftslehre«. 59 Der erste Schritt Fich-
tes ist die Behauptung, dass die Philosophie Wissenschaft sein müsse,
damit sie unbedingt gültig sei. Deswegen muss sie auf einem absolut
sicheren Prinzip aufbauen. Während für Kant die Philosophie die Kri-
tik der unterschiedlichen Möglichkeiten der menschlichen Erkenntnis
ist, bestimmt Fichte die Philosophie als Wissenschaftslehre. Aber was
meint Fichte mit Wissenschaft? Die Wissenschaft ist ein System 60
von Sätzen, die durch notwendige Verknüpfungen miteinander ver-
bunden sind. Jedoch reicht diese Definition nicht aus, denn so könnte
man z. B. eine scheinbare Wissenschaft begründen, deren Sätze durch
– wie gesagt – notwendige Verknüpfungen miteinander verbunden
sind. Es ist hingegen wichtig, dass die Wissenschaft auf ein wesent-
liches Prinzip gründet, das »unmittelbar sicher und allgemeingültig
ist«. 61 Die Wissenschaft ist das Wissen, das eine systematische Form
aufweist, bzw. das Wissen, dessen Sätze auf ein einziges, wesentliches
Prinzip, das nicht nachweisbar, aber unbedingt und sicher, ist, zurück-
zuführen sind. Das System ist das Wissen, das nach den Prinzipien
des Wissens an sich strukturiert ist. Die systematische Form ist eine
unveräußerliche Eigenheit der Wissenschaft, also der Philosophie als
Wissenschaftslehre. Alle Wissenschaften basieren auf einem wesent-
lichen Prinzip, das feststeht. Was aber ist die Garantie für jene Sicher-
heit, Gültigkeit und Allgemeinheit dieser wesentlichen Prinzipien?
Sie gründen alle auf einer wesentlichen Wissenschaft, die die Wissen-
schaft der Wissenschaft ist und deren erstes Prinzip absolut sicher ist.
Diese Wissenschaft ist die Philosophie. Das erste Prinzip ist nicht
etwas, was dem Bewusstsein erscheint, sondern ist das Substrat, die
Bedingung der Möglichkeit eines jeden Aktes des Bewusstseins. Es ist

59 Vgl. J. G. Fichte, Züricher Vorlesungen über den Begriff der Wissenschaftslehre.


Februar 1794 Nachschrift Lavater. Beilage aus Jens Baggesen Nachlass: Exzerptseite
aus der Abschrift von Fichtes Züricher Vorlesungen über die Wissenschaftslehre,
hrsg. von Erich Fuchs, München-Neuried: Ars Una 1996.
60 Vgl. K. Hammacher, »Wandlungen des System-Begriffs. Fichte und die System-

theorie«, in: Fichte in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Helmut Girndt, Fichte-
Studien, Bd. 22, Amsterdam/New York 2003, S. 223–236.
61
J. G. Fichte, Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, S. 205.

47
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

das »Unbedingte« 62, das das gesamte Bewusstsein konditioniert. Von


ihm wird die Bestimmtheit der grundlegenden Prinzipien der beson-
deren Wissenschaften abgeleitet, die gleichzeitig besondere Prinzi-
pien der Philosophie und die wesentlichen Prinzipien einer jeden
Wissenschaft sind.
Wenn man den Begriff der Philosophie als Wissenschaftslehre
analysiert, kann man einige wesentliche Punkte erkennen, die die
Bedeutung von Fichtes Philosophie der Philosophie verdeutlichen:
a) Die Philosophie ist Wissenschaft bzw. ist Wissenschaft an sich.
b) Die systematische Form ist das Mittel, mit dem sie ihr Ziel verfolgt
und realisiert. c) Dieses Ziel besteht darin, die Bestimmtheit der Sätze
(also der Theoreme) zu begründen, sie untereinander zu verbinden
und sie somit auf systematische Art und Weise nachweisbar zu ma-
chen. d) Die Bestimmtheit der Sätze zu begründen bedeutet auch, die
Bestimmtheit des Prinzips an sich, das die Wissenschaftslehre trägt,
aufzuzeigen, und sich so mit der Selbst-Begründung der Wissen-
schaftslehre auseinanderzusetzen. e) Außerdem impliziert die Be-
gründung der Bestimmtheit der Sätze, die Bestimmtheit aller ande-
ren Wissenschaften aufzuweisen und rational zu rechtfertigen. Diese
Wissenschaften basieren auch auf jenem einzigen Prinzip und werden
erst durch dieses verständlich. f) Die Wissenschaftslehre ist das Wis-
sen, das zu seinen Grundlagen zurückgeführt wurde. Sie ist das
Wissen des Wissens und beschäftigt sich mit der Untersuchung der
letzten Bedingungen der Möglichkeit, die das Wissen rational ver-
ständlich und nachweisbar machen. Das Wissen des Wissens legt
den Weg der pragmatischen Geschichte des menschlichen Geistes dar,
der die Wissenschaftslehre charakterisiert und konstituiert.
Anhand des Begriffs der Philosophie als Wissenschaft kann man
den wichtigen Schritt erkennen, den Fichte im Vergleich zu Kant
machte. Für Kant liegen die unterschiedlichen Wissenschaften auf
Ebenen, die übereinanderliegen und so auch voneinander getrennt
sind. Die Mathematik liegt auf der Ebene der unmittelbaren Erkennt-
nis; die Naturwissenschaften bewegen sich auf der Ebene der begriffs-
mäßigen Erkenntnis; die Metaphysik liegt auf der Ebene der über-
sinnlichen Erkenntnis. Bei Fichte hingegen ist jede Wissenschaft wie

62Zur semantischen Korrelation zwischen Unbedingtem und Endlichkeit vgl.


W. Weier, »Existenz zwischen Unbedingtheit und Endlichkeit. Die Grundfrage des
neuzeitlichen Autonomie Gedankens im Problemhorizont der klassischen Meta-
physik«, in: Perspektiven der Philosophie 14 (1988), S. 263–289.

48
Die Philosophie der Philosophie und die Wissenschaft der Wissenschaft

ein Strahl eines unendlichen Kreises, der von der Mitte ausgeht, die
ihm Leben und Bedeutung gibt. Er führt ins Unendliche und hat die
Fähigkeit, weitere Bestimmungen zu empfangen, bleibt aber immer
mit dem Mittelpunkt verbunden. In diesem Kreis liegt das gesamte
menschliche Wissen, das nicht unbestimmt oder zweifelhaft ist, da es
von einem bestimmten Prinzip ausgeht. Es ist auch kein feststehen-
des quid, das unveränderbar ist und für immer bestehen wird. Es ist
eine schrittweise Entwicklung von besonderen Bestimmungen, eine
Entwicklung, die vom Zentrum ausgeht, um sich fortwährend in dem
unermesslich großen Kreis, in dem sich die vielfältigen geistigen For-
men des menschlichen Lebens überkreuzen und zeigen, auszuweiten.
An diesem Punkt hat Fichte die Einheit 63 des Geistes eingeführt und
die Prinzipien der historischen Entwicklung des Geistes aufgestellt.
Dabei handelt es sich um ein subjektives Zentrum, in dem die unend-
lichen Einzelheiten allgemein werden und einem inneren, tiefliegen-
den Gesetz folgen, das unveränderlich ist und die Einheit des geist-
lichen Lebens darstellt.
Diese besondere Wissenschaft basiert demnach auf einem we-
sentlichen Prinzip, das auch das besondere Prinzip der Wissenschaft
der Wissenschaft ist. Diese geht von einem wesentlichen Prinzip aus
und entwickelt den gesamten Inhalt des Bewusstseins oder – mit an-
deren Worten – konstruiert die Welt. Das wesentliche Prinzip ist
nichts anderes als ein einfacher Akt, durch den das Wissen sich selbst
erkennt. Es konstituiert die transzendentale Einheit des Selbst-
bewusstseins, 64 in der etwas unmittelbar Bestimmtes und Sicheres
existiert. Dieses Prinzip ist der Akt, durch den unsere Erkenntnis sich
selbst erkennt. Außerhalb gibt es nichts Bestimmtes, weil alles, um
bestimmt zu sein, auf dieser ersten Bestimmtheit aufbauen muss. Die
absolute Bestimmtheit ist nicht die Substanz, sondern das Selbst-
bewusstsein. Das menschliche Wissen ist eine Gesamtheit, die auf
sich selbst basiert – so wie die Erdkugel auf der Schwerkraft. Die
Schwerkraft ist das erste Prinzip, weil sie unverwechselbar ist und
keines Nachweises bedarf. Form und Inhalt bedingen sich in ihr

63 Vgl. R. Barth, »Wahrheit als Sein von Einheit. Die gewissheitstheoretische Refor-
mulierung des absoluten Wahrheitsbegriffs in Fichtes Phänomenologie von 1804-II«,
in: Grund- und Methodenfragen in Fichtes Spätwerk, hrsg. von Günter Zöller und
Hans Georg von Manz, Fichte-Studien, Bd. 31, Amsterdam/New York 2007, S. 103–
116.
64 Vgl. Bild, Selbstbewusstsein, Einbildung, hrsg. von A. Schnell und J. Kuneš, Fichte-

Studien, Bd. 42, Leiden/Boston: Brill Rodopi 2016.

49
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

wechselseitig. Eine Form steht nur für einen bestimmten Inhalt und
umgekehrt. Fichte nennt sie intellektuelle Anschauung, d. h. den Akt,
den unsere Subjektivität vollzieht, indem sie in sich selbst zurück-
geht. 65 Es handelt sich um eine Tätigkeit unserer Subjektivität, eine
Form der Form. Nach Fichte ist das Sein niemals ein prius, sondern
immer eine Setzung des Denkens. Die intellektuelle Anschauung
geht in sich selbst zurück, und das Erkennen erkennt auf unmittel-
bare Art und Weise sich selbst, d. h. es erkennt seine Form als reine
Form; und vor diesem Hintergrund erhebt sich simultan und unmit-
telbar das wahre prius des Bewusstseins – der Akt des Geistes. Die
intellektuelle Anschauung ist eine Erkenntnis der Form des Erken-
nens, und es gibt notwendige Arten des Seins des Bewusstseins oder
des Wissens.
Indem Fichte das Prinzip des Bewusstseins des Bewusstseins de-
finiert, der Form der Form, also des reinen Selbstbewusstseins, 66 er-
öffnet er der modernen Philosophie einen neuen Horizont. Die
künstlichen Konstruktionen der dogmatischen philosophischen Sys-
teme lassen den Dualismus zwischen Subjektivität und Objektivität
offen, und was klar und deutlich bleibt, ist dieses Bewusstsein des
Bewusstseins, das Zentrum des Universums, von dem alles Leben
ausgeht und zu dem es zurückkehrt. Schellings Begriff der Entwick-
lung und der absolute Idealismus Hegels basieren auf dieser An-
schauung. Hegel meint, das größte Verdienst Fichtes sei es, das Wis-
sen des Wissens ans Licht gebracht und somit aufgedeckt zu haben,
dass Subjekt und Objekt im reinen, unmittelbaren Akt des Selbst-
bewusstseins identisch sind. Das Objekt ist jener subjektive Akt des
Wissens, der wiederum zum Objekt des neuen Wissens wird.

65 Vgl. A. Mues, »Die Position der Anschauung im Wissen oder die Position der An-
schauung in der Welt. Der Unsinn der Subjektphilosophie«, in: Grund- und Metho-
denfragen in Fichtes Spätwerk, hrsg. von Günter Zöller und Hans Georg von Manz,
Fichte-Studien, Bd. 31, Amsterdam/New York 2007, S. 29–44.
66 Zur Analyse des reinen Selbstbewusstseins bei Fichte vgl. C. Klotz, »Reines Selbst-

bewusstsein und Reflexion in Fichtes Grundlegung der Wissenschaftslehre (1794–


1800)«, in: Subjektivität, hrsg. von Klaus Hammacher, Richard Schottky und Wolf-
gang H. Schrader, Fichte-Studien, Bd. 7, Amsterdam/New York 1995, S. 27–48.

50
Das Ich und die Subjektivität

7. Das Ich und die Subjektivität: das Verhältnis zwischen


dem endlichen Ich und dem unendlichen Ich

Der Idealismus vertritt die absolute Unabhängigkeit und Originalität


der Subjektivität und des Ichs und befasst sich nicht mit dem Ding an
sich, sondern mit dem Ich an sich. Das Ich, das absolut frei ist (weil es
nicht von der Existenz des Noumenons begrenzt wird), ist die einzige
Quelle der Erkenntnis, und aus ihm gehen die Erfahrungswelt und
das Denken über diese hervor.
Die philosophische Untersuchung soll keine Aufzählung oder
statische, schematische und notwendige Beschreibung der Formen
des Geistes sein, sondern ein aktiver, dynamischer, fortschreitender
Prozess, durch den sich der Geist als freie, ursprüngliche und all-
gemeine Tätigkeit verwirklicht. Es handelt sich um eine Rekonstruk-
tion derjenigen Akte, durch die das Ich das Sein hervorbringt, wobei
Letzteres ein Moment des Gedankens ist. Dieser Prozess der Einigung
des Denkens kann jedoch niemals vollständig vollendet werden.
Wenn sich das absolut erste Prinzip, das nicht von der Totalität
berührt wird, als solches behauptet, kann es nicht nachgewiesen oder
bestimmt werden. Dieses Prinzip nennt Fichte das Ich. »Das Ich ist
absolut aktiv und nur aktiv. Dies ist die absolute Voraussetzung.« Es
handelt sich um das reine, allgemeine und absolute Ich 67 und nicht
um das empirische Ich irgendeines Individuums. Von ihm ist das ge-
samte System des menschlichen Wissens abzuleiten. Fichte formu-
liert drei grundlegende logische Prinzipien, von denen er die Einheit
des Wissens ableitet:
a) »Das Ich setzt sich selbst.« Dieses Prinzip findet sich im Prin-
zip der Identität, das die Gleichung A = A gibt. Es ist absolut gültig,
auch wenn es nichts über die Existenz von A aussagt, sondern nur
über die Existenz einer notwendigen Beziehung zwischen Subjekt
und Prädikat. Diese Identität wird vom Ich und im Ich gesetzt;
Voraussetzung hierfür ist, dass das Ich zuerst sich selbst setzt. Das
Ich als Selbstbewusstsein ist die Bedingung einer jeden Erkenntnis. 68

67 Vgl. G. Zöller, »Das Absolute und seine Erscheinung«, in: Konzepte der Rationali-

tät. Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus, Bd. 1, Berlin/New York


2003, S. 165–182.
68 Vgl. R. Aschenberg, »Einiges über Selbstbewusstsein als Prinzip der Transzenden-

talphilosophie«, in: S. Blasche, W. R. Kohler, W. Kuhlmann und P. Rohs, Kants trans-


zendentale Deduktion und die Möglichkeit von Transzendentalphilosophie, Forum
für Philosophie Bad Homburg, Frankfurt am Main 1988, S. 51–69.

51
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

In diesem ersten, ursprünglichen Akt ist die produktive Fähigkeit des


Ichs noch unbewusst, auch wenn es die Bedingung jedes Bewusst-
seins ist.
b) »Das Ich setzt, indem es sich selbst setzt, das Nicht-Ich.« Dies
ist das Prinzip der Opposition, durch das das Ich sich selbst das Objekt
des eigenen Gedankens, d. h. etwas, das, weil es in Opposition zum Ich
steht, Nicht-Ich, also äußere Wirklichkeit, ist, entgegenstellt. Die
Gegenüberstellung von Ich und Nicht-Ich ruft im reinen Ich eine Re-
flexion hervor, die Bewusstsein hervorbringt, und in dem Moment, in
dem das Ich seine Begrenztheit erkennt, wird es Bewusstsein.
c) »Das Ich stellt im Ich dem teilbaren Ich ein unteilbares Ich
gegenüber.« In diesem Moment des dialektischen Prozesses wird sich
das Ich der bestehenden Beziehung zwischen Ich und Nicht-Ich, die
sich gegenseitig begrenzen, bewusst. Im Bewusstsein, das einzigartig
ist, ist das reine Ich absolut und kann deshalb nicht begrenzt oder
geteilt werden.
Mit diesen drei Prinzipien unterstreicht Fichte die Existenz eines
unendlichen Ichs, eines endlichen Ichs und eines Nicht-Ichs (also der
Natur). Letzteres stellt sich dem endlichen Ich gegenüber, wird aber
vom unendlichen Ich gegeben und ist in ihm enthalten. Das Ich er-
kennt das Nicht-Ich als Grenze und scheint selbst eine gegebene
Grenze zu sein. In dem Moment, in dem es sich dieser Grenze be-
wusst wird, überwindet das Ich mit einer unermesslichen Kraft in
einem unendlichen Prozess diese Grenze, sodass sich die Grenze fort-
während verschiebt, ohne jemals zu verschwinden. Das Ich ist unend-
lich, »weil es durch seine eigene, absolute Tätigkeit gegeben ist«. Und
weil es zur gleichen Zeit ein Nicht-Ich setzt, begrenzt es sich selbst
und wird endlich. Aber in diesem dynamischen Prozess muss das Ziel
beseitigt werden: Alle Grenzen müssen verschwinden, und es soll nur
das unendliche Ich, das Ein und Alles, übrig bleiben.

8. Die Deduktion des »reellen Bewusstseins«.


Endliches Ich und Nicht-Ich: Hemmung, Widerstand,
Anstoß und Grenze

Die intellektuelle Anschauung des Ichs als reine Tätigkeit wird durch
die philosophische Abstraktion hervorgehoben: Eine konkrete Erfah-
rung steht niemals nur für sich. Sie ist eine notwendige Bedingung
des Bewusstseins, aber als solche nicht ausreichend. Damit ein reelles

52
Die Deduktion des »reellen Bewusstseins«

Bewusstsein bestehen kann, muss es eine Opposition zwischen einem


Subjekt und einem Objekt geben. Was ist das reelle Bewusstsein?
Nach Fichte zeichnet sich das Bewusstsein, das eine essenzielle und
typische Eigenschaft des vollendeten menschlichen Wesens ist, durch
eine unüberwindbare Struktur aus, die aus Subjekt und Objekt be-
steht. Den Ursprung dieser Struktur möchte die Wissenschaftslehre
ableiten. Dieses Ableiten impliziert einen Prozess. Die Deduktion ist
die rationale Rechtfertigung, die die tatsächliche Erkenntnis als Basis
ansieht. Diese wird somit genetisch verständlich.
Die reine Tätigkeit des Ichs muss jedoch, um eine repräsentative
Tätigkeit werden zu können, auf eine Hemmung treffen; sie muss
gegen ein Nicht-Ich stoßen. Nur so kann sie sich bestimmen und
einen Inhalt haben. Der Anstoß 69 geschieht, wenn das Ich »stolpert«
und seine Tätigkeit umschlägt, denn sonst würde es geradezu ins Un-
endliche gehen. Der Begriff »Anstoß« deckt in Fichtes Philosophie
einen mehrdeutigen semantischen Bereich, verschmilzt mit den Be-
griffen »Hemmung«, »Hindernis« und »Widerstand« und wird quasi
mit dem Begriff »Grenze« gleichgesetzt. Eine Hemmung oder ein
Hindernis ist eine Begrenzung der Tätigkeit. Was bedeutet eine be-
stimmte Tätigkeit, und wie bildet sie sich? Eine bestimmte Tätigkeit
ist das Resultat des Zusammentreffens mit einer Hemmung oder
einem Hindernis. 70
Vor diesem Hintergrund ist es nötig, ein zweites Prinzip der
Wissenschaftslehre aufzustellen: »Dem Ich steht ein Nicht-Ich ge-
genüber.« Nur wenn ein Objekt in die Vorstellung tritt, wird ein in-
dividuelles und lebendiges Subjekt geboren, ein endliches Ich, das also
vom Objekt bedingt ist. In der Wissenschaftslehre gilt der mensch-
liche Verstand immer als endliche Intelligenz. Das theoretische Ich,

69 Zur Analyse des Begriffs »Anstoß« bei Fichte vgl. H. Eidam, »Fichtes Anstoß. An-
merkungen zu einem Begriff der Wissenschaftslehre 1794«, in: Die Grundlage der
gesamten Wissenschaftslehre von 1794/95 und der transzendentale Standpunkt,
hrsg. von Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien, Bd. 10, Amsterdam/Atlanta 1997,
S. 191–208; A. K. Soller, »Fichtes Lehre vom Anstoß, Nicht-Ich und Ding an sich in
der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre. Eine kritische Erörterung«, in: Die
Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre von 1794/95 und der transzendentale
Standpunkt, hrsg. von Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien, Bd. 10, Amsterdam/
Atlanta 1997, S. 175–190; vgl. J. Rivera de Rosales, »Die Begrenzung. Vom Anstoß
zur Aufforderung«, in: Zur Einheit der Lehre Fichtes. Die Zeit der Wissenschaftslehre
Nova Methodo, hrsg. von Helmut Girndt und Jorge Navarro-Pérez, Fichte-Studien,
Bd. 16, Amsterdam/Atlanta 1999, S. 167–190.
70
J. G. Fichte, Sittenlehre (1798), Einleitung, VI, in: Werke IV, S. 7.

53
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

das im Dualismus der Vorstellung agiert, ist nicht mehr das absolute
Ich (ohne die Grenzen der philosophischen Abstraktion), sondern ein
bestimmtes Subjekt, das in eine Beziehung mit einem bestimmten
Objekt, die auf einer gegenseitigen Begrenzung beruht, eingebunden
ist. Damit es ein Bewusstsein gibt, reicht es nicht aus, dass Gegensätze
bestehen. Diese Gegensätze müssen ihrerseits auch in einer dialekti-
schen Beziehung und Einheit zueinander stehen, und das Objekt ist
ein Objekt, weil es das Subjekt gibt, und umgekehrt. Mit anderen
Worten: Die Antithese (Ich – Nicht-Ich) des zweiten Prinzips wird in
der Einheit mit dem Bewusstsein zur Synthese. Dies geschieht mittels
der These des ersten Prinzips (das Ich setzt sich selbst), das die ur-
sprüngliche Identität der geistigen Tätigkeit als Bedingung einer je-
den bestimmten und erkennenden Erfahrung sieht. Damit das Ich ein
Objekt denken kann, muss es einen einheitlichen geistigen Akt (The-
se) geben, der als solcher eine intensive Beziehung (Synthese) zwi-
schen dem Objekt in Gedanken und dem Bewusstsein aufbaut, indem
er das Objekt begrenzt (Antithese). So bekommt das Objekt eine Be-
deutung. Die höchste Synthese des reellen Bewusstseins drückt sich
im dritten Prinzip aus: Ich stelle im reinen Ich dem teilbaren (end-
lichen) Ich ein unteilbares (endliches) Nicht-Ich gegenüber.
Fichtes Anliegen ist es, eine genetische Deduktion des allgemei-
nen Bewusstseins zu konstruieren. Wie man sieht, ist das, was am
Anfang der Kette der philosophischen Demonstration steht (das reine
Ich, die unbestimmte Tätigkeit) nicht das, was sich am Anfang der
reellen Erfahrung des Bewusstseins zeigt. These, Antithese und Syn-
these müssen nicht als aufeinanderfolgende Vorgehensweisen, die
vom Geist getrennt sind, verstanden werden, sondern als Ergebnisse
einer philosophischen Analyse. Diese drei Akte sind nichts anderes
als ein einziger Akt, und nur durch Reflexion 71 können die einzelnen
Momente dieses Aktes unterschieden werden.

71Zur Bedeutung des Begriffs »produktive Reflexion« vgl. W. Janke, Fichte: Sein und
Reflexion. Grundlagen der kritischen Vernunft, Berlin: de Gruyter 1970 und
W. Metz, »Die produktive Reflexion als Prinzip des wirklichen Bewusstseins«, in:
Zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Helmut Girndt, Fichte-Studien, Bd. 20, Amster-
dam/New York 2003, S. 69–99.

54
Das empirische Ich und das »Ich denke«

9. Das empirische Ich und das »Ich denke«.


Das reine Ich und das absolute Ich

In einer jeglichen bewussten Erfahrung besteht ein Dualismus, und


zwar eine Opposition eines denkenden Subjekts und eines gedachten
Objekts. In der philosophischen Reflexion kann man von jeder beson-
deren Bestimmung eines Objekts abstrahieren – das Objekt bleibt
trotzdem im Allgemeinen ein Objekt für ein Subjekt. Jeder Inhalt
des Bewusstseins kann nur eine subjektive Vorstellung sein. Man
kann nichts denken, ohne zur gleichen Zeit das Ich als sich seiner
selbst bewusst zu denken; man kann davon niemals abstrahieren,
wenn man von dem eigenen Selbstbewusstsein ausgeht. Das Selbst-
bewusstsein ist demnach eine grundlegende Bedingung der Möglich-
keit des Bewusstseins.
Die Struktur des Selbstbewusstseins reproduziert den Gegensatz
des Bewusstseins. Das Ich teilt sich in ein Ich-Subjekt, das sich selbst
denkt, und ein Ich-Objekt, das gedacht wird, auf. Man muss die Basis
der Vorstellung erkennen, nämlich das Ich als geistige Tätigkeit.
Wenn dieses auf ein Objekt zurückgeführt wird, ist es kein wahres
Ich mehr, sondern ein Ding. Fichte meint, dass man einen Standort
jenseits der Opposition von Selbstbewusstsein und Objektivierung,
jenseits der Teilung des Ichs, die im Ich geschieht, finden müsse, um
zum ersten Prinzip des Bewusstseins zu gelangen. Man muss das Ich
als reine Tätigkeit ansehen.
Das reine Ich ist die absolute Identität von Subjekt und Objekt:
Subjekt-Objekt vor ihrer Trennung im Bewusstsein. Es ist das, wovon
man nicht abstrahieren kann, weil es selbst die Abstraktion vor-
nimmt. Da das reine Ich eine ursprüngliche Tätigkeit ist, die jeder
vorstellenden Tätigkeit des empirischen Bewusstseins zugrunde liegt,
kann es nicht der Inhalt einer Vorstellung oder das Objekt eines Be-
wusstseins oder einer Erfahrung sein. Es würde nämlich so wieder zu
einem Ding werden, und es würde erneut der Dualismus der Refle-
xion vorherrschen.
Die einzige nicht-reflexive Möglichkeit, das absolute Ich zu er-
fassen, ist die intellektuelle Anschauung, ein unmittelbarer Akt, in
dem das anschauende Subjekt und das angeschaute Objekt identisch
sind. Es handelt sich um dasselbe reine Ich, das sich selbst erkennt. Im
Prozess der Abstraktion sieht der Philosoph von jedem bestimmten
Inhalt seines Bewusstseins, also von jedem gedachten Objekt ab, aber
auch von seinem eigenen individuellen Ich, das das Objekt des Selbst-

55
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

bewusstseins ist. Er erreicht so die »reine Anschauung der absoluten,


inneren Spontaneität«, die keine persönlichen oder individuellen Ele-
mente aufweist, weil sie jeder Vorstellung eines Objekts vorausgeht
und sie erst ermöglicht. Sie ist die reine Tätigkeit des Denkens, der
sein Handeln unmittelbar erkennt. Laut Kant kann die menschliche
Vernunft nicht das Ding an sich durch eine intellektuelle Anschauung
erkennen, weil unsere Vernunft an die empirische Anschauung und
an die reinen, apriorischen Formen von Zeit und Raum gebunden ist.
Fichte glaubt die Philosophie Kants nicht zu negieren, da das reine Ich
(die reine Tätigkeit) kein Objekt, kein Noumenon und kein Phäno-
men ist. Seiner Meinung nach besteht die Revolution des transzen-
dentalen Idealismus Kants darin, dass dieser kein Ding, kein Wesen
und keine Tatsache (z. B. Substanz, Natur, Gott) zum Prinzip der Phi-
losophie erklärt hat, sondern einen ursprünglichen Akt. Das reine Ich
ist keine Seele oder metaphysische Substanz, sondern ist reine, geis-
tige Tätigkeit ohne jeglichen Inhalt.
Das Ich bei Fichte ist nicht wie bei Kant ein gnoseologisches
Prinzip, das eine gegebene sinnliche Mannigfaltigkeit synthetisiert;
es ist vielmehr ein ontologisches Prinzip, das die Objekte setzt, wäh-
rend es sich selbst setzt. Fichte macht aus dem »Ich denke« 72 ein ab-
solutes Ich, das nicht mehr die Bedingung der Möglichkeit der Er-
kenntnis ist, sondern der erste, absolute und unbedingte Grund der
ganzen Wissenschaftslehre 73 bzw. der Philosophie. Nach Fichte setzt
das Ich sich selbst, und seine Tätigkeit an sich ist eine reine Tätig-
keit. 74 Das Ich ist und setzt sein Sein 75 um seines reinen Daseins wil-
len. Seine reine Tätigkeit besteht im Setzen seiner selbst. »Also das
Setzen des Ich durch sich selbst ist die reine Tätigkeit desselben. Das
Ich setzt sich selbst, und es ist, vermöge dieses bloßen Setzens durch
sich selbst; und umgekehrt: Das Ich ist, und es setzt sein Sein, ver-
möge seines bloßen Seins. Es ist zugleich das Handelnde, und das

72 Vgl. K. Cramer, »Kants Ich denke und Fichtes Ich bin«, in: Konzepte der Rationali-
tät. Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus, Bd. 1, Berlin/New York: de
Gruyter 2002, S. 57–92.
73 Vgl. J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 16.

74 Ebd., S. 181.

75 Vgl. Stolzenberg, »Fichtes Satz Ich bin. Argumentanalytische Überlegungen zu

Paragraph 1 der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre von 1794/95«, in: Rea-
lität und Gewißheit, hrsg. von Helmut Girndt und Wolfgang H. Schrader, Fichte-
Studien, Bd. 6, Amsterdam/Atlanta 1994, S. 1–34; vgl. W. Stelzner, »Selbstzuschrei-
bung und Identität«, in: Fichtes Wissenschaftslehre 1794. Philosophische Resonan-
zen, hrsg. von Wolfram Hogrebe, Frankfurt am Main 1995, S. 126–134.

56
Theoretisches und praktisches Ich

Produkt der Handlung; das Tätige, und das, was durch die Tätigkeit
hervorgebracht wird; Handlung, und Tat sind Eins und ebendasselbe;
und daher ist das: Ich bin Ausdruck einer Tathandlung; aber auch der
einzigen möglichen, wie sich aus der ganzen Wissenschaftslehre er-
geben muß.« 76
Indem das Ich sich selbst setzt, bestimmt es auch, weil es ein
absolutes Ich 77 ist, sein Gegenteil: das »Nicht-Ich« (die Welt der Ob-
jekte). Letzteres kann sich, da es aus dem absoluten Ich resultiert,
diesem nicht entgegensetzen, aber stellt sich dem empirischen Ich
gegenüber. Daraus folgt, dass die beiden Funktionen reines Ich und
empirisches Ich 78 bei Fichte zwei hierarchische Instanzen werden, von
denen die eine (das absolute Ich) die andere setzt. Das reine Ich ist die
ursprüngliche und unmittelbare Gewissheit, von der die Ableitung
des gesamten Systems des Wissens ausgeht. Weil es sich um ein Prin-
zip handelt, dass eine Kette von Nachweisen begründet, kann es selbst
nicht nachgewiesen oder von einer höheren Bedingung bestimmt
werden. Es ist absolute und unbedingte Freiheit. Das erste Prinzip
der Wissenschaftslehre ist folglich: »Das Ich setzt sich selbst.«

10. Theoretisches und praktisches Ich

Das Ich begrenzt sich, indem es das Nicht-Ich setzt, um sich selbst als
ethische Tätigkeit zu verwirklichen. Die fortdauernde Anstrengung
des Ichs, um die Grenze zu überwinden, die vom Nicht-Ich gesetzt
wird, hat einen praktischen Charakter. Was ist das praktische Ich?
Worin besteht der Unterschied zwischen praktischem und theoreti-
schem Ich?

76 Vgl. J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 16.


77
Vgl. H. Traub, »Transzendentales Ich und absolutes Sein. Überlegungen zu Fichtes
veränderter Lehre«, in: Zur Einheit der Lehre Fichtes. Die Zeit der Wissenschaftslehre
Nova Methodo, hrsg. von Helmut Girndt und Jorge Navarro-Pérez, Fichte-Studien,
Bd. 16, Amsterdam/Atlanta 1999, S. 39–55 und P. L. Oesterreich, Die Rede vom Ab-
soluten in der Spätphilosophie Fichtes, in: Die Spätphilosophie J. G. Fichtes 1, hrsg.
von Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien, Bd. 17, Amsterdam/Atlanta 2000, S. 169–
188.
78 Zur semantischen Distinktion zwischen reinem Ich, empirischem Ich und absolu-

tem Ich vgl. W. H. Schrader, Empirisches und absolutes Ich. Zur Geschichte des Be-
griffs Leben in der Philosophie Fichtes, Stuttgart-Bad Cannstatt 1972 und P. Paimann,
Die Logik und das Absolute. Fichtes Wissenschaftslehre zwischen Wort, Begriff und
Unbegreiflichkeit, Würzburg 2006.

57
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

Das theoretische Ich ist ein Ich, weil es mit einem unbestimmten
Nicht-Ich verbunden ist, das es begrenzt und seine Tätigkeit behin-
dert. Im Gegensatz dazu steht das praktische Ich, das danach strebt,
sein Bedürfnis zu befriedigen und sich die Wirklichkeit anzueignen.
Aus dieser Eigenart des Ichs geht das, was sein muss, hervor, die To-
talität des Idealen.
Durch die unaufhörliche Überwindung der Grenze erobert das
Ich seine eigene Freiheit. Die moralische Tätigkeit des praktischen
Ichs ist ein Akt des Subjekts am Objekt, und die empirische Welt
stellt nur das Instrument dar, das notwendig ist, um sie zu zeigen.
Ziel der Tätigkeit ist es, die Unendlichkeit der geistigen Freiheit zu
unterstreichen, die niemals erreicht werden kann, weil die Überwin-
dung des Hindernisses ebenfalls niemals erreicht werden kann. Das
moralische Gesetz besteht im Handeln gemäß Überlegung und Ge-
wissen, also nicht blind und den Impulsen folgend und niemals ent-
gegen seiner eigenen Meinung: Handle immer nach deiner Auffas-
sung der Pflicht, bzw.: Handle deinem Gewissen folgend. Ebenfalls
auf der ethischen Ebene erkennt Fichte die Existenz von anderen In-
dividuen an. In der Tat kann der Einzelne nicht alleine den harten und
unaufhörlichen Kampf zur Überwindung seiner Endlichkeit beste-
hen, sondern braucht jemanden neben sich, der ihm hilft und ihn
dabei unterstützt, seine Aufgabe durchzuführen. Jedes Individuum
muss die eigene Freiheit durch die Möglichkeit der Freiheit des An-
deren begrenzen. Diese gegenseitige Begrenzung nennt sich juristi-
sche Beziehung und konstituiert das Prinzip des Rechts bzw. der Ge-
rechtigkeit. Der Staat muss das Eigentum der Individuen verteidigen.
Und da diese Verteidigung illusorisch wäre, wenn es Individuen ohne
Eigentum gäbe, muss der Staat auch sichern, dass alle Eigentum und
Arbeit haben. Damit der Staat seine Aufgabe erfüllen kann und damit
er unabhängig und einheitlich ist, muss er im Bewusstsein der Bürger
verankert sein und in ihnen Vertrauen in seine moralische Mission
erwecken. Fichte antwortet auf die Anschuldigungen wegen Atheis-
mus in seinen letzten Schriften damit, dass er neben dem reinen Ich
das wahre und ursprüngliche Prinzip in der absoluten Einheit an-
erkennt: Gott, der sich selbst gleicht und der unveränderlich, ewig
und unendlich ist.

58
Das Gefühl der Begrenzung

11. Das Gefühl der Begrenzung.


Bedürfnis, Missbehagen und Leere des Ichs

»Die reine in sich selbst zurückgehende Tätigkeit des Ich ist in Bezie-
hung auf ein mögliches Objekt ein Streben; und zwar, ein unendliches
Streben. Dieses unendliches Streben ist ins Unendliche hinaus die
Bedingung der Möglichkeit allen Objekts: kein Streben, kein Ob-
jekt.« 79
Das Streben ist die Anstrengung des Ichs, während es sich selbst
setzt, ist also eine Bedingung der Möglichkeit eines jeden Objekts.
Die Anstrengung des Ichs ist zur gleichen Zeit endlich und unendlich.
Die unendliche Anstrengung neigt zur Überwindung jeder Grenze
und jedes bestimmten Hindernisses, das sich dem Ich als Negativum,
als Nicht-Ich, entgegenstellt. Das Zusammentreffen der unendlichen
Tätigkeit des Ichs, sich selbst zu setzen, mit seinem Negativum, das es
behindert, begründet den subjektiven Status des Gefühls.
In der Definition Fichtes ist das Gefühl eine äußere Begrenzung,
die vom Ich gegeben wird, bzw. sein »Nicht-Können«: »Die Äuße-
rung des Nicht-Könnens im Ich heißt ein Gefühl. In ihm ist innigst
vereinigt Tätigkeit – Ich fühle, bin leidend, und nicht tätig; es ist ein
Zwang vorhanden. Diese Beschränkung setzt nun notwendig einen
Trieb voraus, weiter hinaus zu gehen. Was nichts weiter will, bedarf,
umfasst, das ist – es versteht sich, für sich selbst – nicht einge-
schränkt: […] das Gefühl ist lediglich subjektiv.« 80
Ursprünglich geschieht das Zusammentreffen des Ichs mit dem
Nicht-Ich also nicht im Denken, sondern im Fühlen. Es ist für Fichte
kein erkennender Akt, der bei dem Zwang (des Ichs) eine Rolle spielt,
sondern das subjektive Fühlen. Nur durch eine Reflexion über die
subjektiven Bedingungen kann das Ich das Objekt geben und sich
seines Zwangs bewusst werden. Was bedeutet die Tatsache, dass das
Gefühl ausschließlich subjektiv ist? Es bedeutet, dass es ein Sich-
selbst-Fühlen und kein Objekt-Fühlen ist: das Gefühl der eigenen
Kraft, die aber begrenzt und behindert ist; das Gefühl eines Fehlens,
das Gefühl, nicht zu können. Während das Ich über das Gefühl und
seine eigene Schranke nachdenkt, bringt es sein Negativum hervor –
ein reelles Objekt. Außerdem wird es sich der ideellen Notwendigkeit
bewusst, sich die Realität anzueignen, geht so über jedes Objekt

79 J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 179.


80
Ebd., S. 206.

59
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

hinaus und begibt sich in eine Position, die unrealisierbar und flüch-
tig ist, nämlich die in einer Welt, die von jeglicher Negativität frei ist.
»Es wird demnach, inwiefern es bestimmt ist durch den Trieb,
beschränkt durch das Nicht-Ich. Im Ich ist die immer fortdauernde
Tendenz über sich selbst zu reflektieren, sobald die Bedingung aller
Reflexion – eine Begrenzung – eintritt. Diese Bedingung tritt hier
ein; das Ich muss demnach notwendig über diesen seinen Zustand
reflektieren. In dieser Reflexion nun vergisst das Reflektierende sich
selbst, wie immer, und sie kommt daher nicht zum Bewusstsein. Fer-
ner geschieht sie auf einen bloßen Antrieb, es ist demnach in ihr nicht
die geringste Äußerung der Freiheit, und sie wird, wie oben, ein blo-
ßes Gefühl. Es ist nur die Frage: Was für ein Gefühl?« 81
Die Tätigkeit des Ichs ist einem Objekt zugewandt, oder besser
gesagt: einer Ganzheit von Objekten, die es niemals in sich aufneh-
men kann. In diesem Sinn kann man sagen, dass es sich um eine
Tätigkeit handelt, die immer und notwendigerweise auf ein Objekt
gerichtet ist. In seiner Subjektivität fühlt das Ich sein »Nicht-Kön-
nen«, seine Unbehaglichkeit, seine Grenze. Das Ich muss demnach
notwendig über diesen seinen Zustand reflektieren. Das Bedürfnis,
das Missbehagen und die Leere des Ichs suchen nach Befriedigung;
diese Suche endet nie. »Das Objekt dieser Reflexion ist das Ich, das
getriebene, mithin idealiter in sich selbst tätige Ich; getrieben durch
einen in ihm selbst liegenden Antrieb, mithin ohne alle Willkür, und
Spontaneität. Aber diese Tätigkeit des Ich geht auf ein Objekt, wel-
ches dasselbe nicht realisieren kann, als Ding, noch auch darstellen,
durch ideale Tätigkeit. Es ist demnach eine Tätigkeit, die gar kein
Objekt hat, aber dennoch unwiderstehlich getrieben auf eins ausgeht,
und die bloß gefühlt wird. Eine solche Bestimmung im Ich aber nennt
man ein Sehnen; einen Trieb nach etwas völlig Unbekanntem, das
sich bloß durch ein Bedürfnis, durch ein Mißbehagen, durch eine
Leere, die Ausfüllung sucht, und nicht andeutet, woher? – offenbart.
– Das Ich fühlt in sich ein Sehnen; es fühlt sich bedürftig.« 82

81 Ebd., S. 219.
82
Ebd., S. 218–219.

60
Das Gefühl des Sehnens

12. Das Gefühl des Sehnens

Der subjektive Trieb führt das Ich dazu, aus sich hinauszugehen
(idealiter), und so wird es dazu veranlasst, etwas außerhalb von sich
zu produzieren. Da es begrenzt ist, kommt das Gefühl des Sehnens in
ihm auf. Was ist das Gefühl des Sehnens? »Umgekehrt, wenn das Ich
sich nicht als sehnend fühlte, so könnte es sich nicht als beschränkt
fühlen, da lediglich durch das Gefühl des Sehnens das Ich aus sich
selbst herausgeht – lediglich durch dieses Gefühl im Ich und für das
Ich erst etwas, das außer ihm sein soll, gesetzt wird. Dieses Sehnen ist
wichtig, nicht nur für die praktische, sondern für die gesamte Wissen-
schaftslehre. Lediglich durch dasselbe wird das Ich in sich selbst –
außer sich getrieben; lediglich durch dasselbe offenbart sich in ihm
selbst eine Außenwelt. Beide sind demnach synthetisch vereinigt,
eins ist ohne das andre nicht möglich. Keine Begrenzung, kein Seh-
nen; kein Sehnen, keine Begrenzung. Beide sind einander auch voll-
kommen entgegengesetzt. Im Gefühl der Begrenzung wird das Ich
lediglich als leidend, in dem des Sehnens auch als tätig gefühlt.« 83
Durch das Sehnen wird das Ich aus sich selbst hinausgetrieben
und entdeckt so die Außenwelt. Gerade weil das Sehnen von einer
bestimmten und konkreten Begrenzung getrennt ist, ist es die ur-
sprüngliche und unabhängige Manifestation des Zwangs des Ichs.
Trotzdem steht das Sehnen in Beziehung zu einem Objekt, das das
Ich produziert. Das Gefühl des Sehnens und das Gefühl der Begren-
zung stehen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander. Wenn
das Ich sich nicht sehnen würde, könnte es sich nicht begrenzt fühlen,
weil es nur dank des Gefühls des Sehnens aus sich hinausgeht. Wenn
es Begrenzung gibt, so gibt es das Sehnen; wo es das Sehnen gibt, da
gibt es auch Begrenzung. Das Ich wird sich in eben dieser Begren-
zung, durch den Zusammenstoß (Nicht-Ich), seiner Endlichkeit be-
wusst, und es bemüht sich, die Realisierung des Ideals an sich zu sein,
das unaufhörlich in der ununterdrückbaren Spannung zwischen Frei-
heit und Unendlichkeit steht. Weil das Ich diese Unendlichkeit nicht
verwirklichen kann (auch aufgrund seiner subjektiv-objektiven Ei-
genstruktur) ist es – und wird es immer – unendlich-endlich und be-
grenzt-unbegrenzt sein. Unter dem Gesichtspunkt der Praxis ist das
Ich für Fichte eben diese Synthese aus unauflösbaren Gegensätzen. Es
stellt sich fortwährend gegen das eigene Negativum, ohne sich aus-

83
Ebd., S. 220.

61
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

zulöschen oder diesem Konflikt zu unterliegen. Es zwingt sich dabei


dauerhaft, weiterzugehen, es stößt immer wieder auf Objekte, die
sein Sehnen hervorrufen, und füllt so mit der Selbst-Produktion
und mit dem eigenen Wachstum die Leere, die die Impulse hinter-
lassen haben.

13. Ohne Unendlichkeit keine Begrenzung –


ohne Begrenzung keine Unendlichkeit

Im dritten Paragraphen (»Dritter, seiner Form nach bedingter Grund-


satz«) des ersten Teils (»Grundsätze der gesamten Wissenschaftsleh-
re«) der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre definiert Fichte
die Bedeutungen von »einschränken« und »Schranke«: »Etwas ein-
schränken, heißt: die Realität desselben durch Negation nicht gänz-
lich, sondern nur zum Teil aufheben. Mithin liegt im Begriffe der
Schranken, außer dem der Realität und der Negation, noch der der
Teilbarkeit (der Quantitätsfähigkeit überhaupt, nicht eben einer be-
stimmten Quantität). Dieser Begriff ist das gesuchte X und durch die
Handlung Y wird demnach schlechthin das Ich sowohl als das Nicht-
Ich teilbar gesetzt.« 84
Vor dem Hintergrund dieser Gedanken stellt Fichte eine bedeut-
same semantische Korrelation zwischen dem Begriff »einschränken«
und dem Begriff »Schranke« auf. »Aber im Begriffe der Schranken
liegt mehr, als das gesuchte X, es liegt nämlich zugleich der Begriff
der Realität, und der Negation, welche vereinigt werden, darin. Wir
müssen demnach, um X rein zu bekommen, noch eine Abstraktion
vornehmen.« 85 Diese Abstraktion betrifft und charakterisiert die Un-
terscheidung-Beziehung zwischen Unendlichkeit und Begrenzung.
Ohne Unendlichkeit gibt es keine Begrenzung, und ohne Begrenzung
gibt es keine Unendlichkeit. Unendlichkeit und Begrenzung sind in
einem einzigen synthetischen Begriff vereint. »Ohne Unendlichkeit
des Ich – ohne ein absolutes in das Unbegrenzte, und Unbegrenzbare
hinausgehendes Produktions-Vermögen desselben, ist auch nicht ein-
mal die Möglichkeit der Vorstellung zu erklären.« 86

84
Ebd., S. 176.
85 Ebd.
86
Ebd., S. 410.

62
Produktive Einbildungskraft

Wenn die Tätigkeit des Ichs nicht ins Unendliche ginge, könnte
das Ich auch nicht seine Tätigkeit einschränken, Schranken setzen –
was es aber dennoch tun muss. Die Tätigkeit des Ichs besteht im un-
eingeschränkten Sich-Setzen, und dagegen kommt eine Resistenz
auf. Wenn es dieser Resistenz nachgäbe, wäre also diese Tätigkeit,
die die Schranke der Resistenz überwindet, zerstört und verschwun-
den; und deswegen würde das Ich – allgemein gesprochen – nichts
mehr setzen. Aber es muss trotzdem, jenseits dieser Tatsache, etwas
setzen. Es muss eine unbestimmte, unbegrenzte, unendliche Schran-
ke setzen, und um dies tun zu können, muss es selbst unendlich sein.
In diesem Prozess hat die produktive Einbildungskraft, durch die
das Ich sich begrenzt, eine wichtige Funktion. Nur durch die Einbil-
dungskraft kann etwas in den Verstand gelangen. Der Wechsel des
Ichs – dass es sich endlich und unendlich zugleich setzt – ist das Ver-
mögen der Einbildungskraft, die zwischen Endlichem und Unend-
lichem liegt. Die Realität entsteht durch die Einbildungskraft.

14. Produktive Einbildungskraft

Die Einbildungskraft spielt in Fichtes Idealismus eine große Rolle.


Was ist Einbildungskraft? Wie und warum ist die Einbildungskraft
so wichtig in Fichtes System des transzendentalen Idealismus?
Die Einbildungskraft 87 ist nach Fichte »die theoretische und pro-
duktive Fähigkeit schlechthin«. Sie schwankt zwischen Bestimmtheit
und Unbestimmtheit, Endlichkeit und Unendlichkeit (Begriffe, die
nicht unmittelbar zu vereinen sind) und ermöglicht das Ich an sich,
insofern es Intelligenz ist. »Die Einbildungskraft ist ein Vermögen,
das zwischen Bestimmung, und Nicht-Bestimmung, zwischen End-
lichem, und Unendlichem in der Mitte schwebt; und demnach wird
durch sie allerdings A + B zugleich durch das bestimmte A und zu-
gleich durch das unbestimmte B bestimmt, welches jene Synthesis
des Einbildungskraft ist, von der wir soeben redeten. Jenes Schweben
eben bezeichnet die Einbildungskraft durch ihr Produkt; sie bringt

87 Christian Wolff unterscheidet die Einbildungskraft (gr. φαντασία; lat. imaginatio,


phantasia) als »Fähigkeit die Wahrnehmungen der abwesenden, sensiblen Dinge zu
produzieren« (Empirische Psychologie, § 92) von der facultas fingendi, die aus dem
»Produzieren mittels der Division und der Komposition der Abbildungen, die Abbil-
dungen von Dingen sind, die niemals von den Sinnen wahrgenommen werden, be-
steht« (ebd., § 138).

63
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

dasselbe gleichsam während ihres Schwebens, und durch ihr Schwe-


ben hervor.« 88
Laut Fichte ist die Einbildung der wechselseitige Akt und der
Kampf zwischen dem endlichen und dem unendlichen Aspekt des
Ichs. Es handelt sich um die Aspekte, aufgrund deren das Ich seiner
produktiven Tätigkeit eine Grenze setzt und aufgrund deren es sich
selbst überwindet. Das Schwanken dieser Schranke (die letzten Endes
die Vorstellung ist) des Produkts macht die Einbildungskraft zu
einem zwischen Realität und Irrealität fließenden Element. »Die Ein-
bildungskraft« – sagt Fichte – »produziert die Wirklichkeit. Jedoch
liegt in ihr keine Wirklichkeit. Nur nachdem die Einbildungskraft
vom Intellekt hervorgebracht wurde, wird ihr Produkt reell.« 89
Die produktive Einbildungskraft ist die einzige Bedingung der
Möglichkeit der bewussten Einheit und somit der Einheit des Wis-
sens. Die produktive Einbildungskraft ist in jedem erkennenden und
vorstellenden Akt wirksam, weil das Vorstellen an sich in der Pro-
duktion von Synthesen besteht.
Wenn man diesen dynamischen Prozess, in dem sich die produk-
tive Einbildungskraft verwirklicht, analysiert, stellt man fest, dass
sich die antithetischen Begriffe – endlich und unendlich, begrenzt
und unbegrenzt – durch ihre qualitativen Unterschiede auszeichnen.
Diese Beziehung der Begriffe untereinander wird durch die Einbil-
dung ermöglicht. Die Einbildungskraft ist die Fähigkeit, die entspre-
chenden Begriffe einander gegenüberzustellen, eine Fähigkeit, die
»zwischen der Bestimmung und der Nicht-Bestimmung schwebt,
zwischen Endlich und Unendlich«. Fichte setzt diese wichtige seman-
tische Korrelation zwischen dem Begriff der »Einbildungskraft« und
dem Begriff eines »Wechsels« des Ichs. »Dieser Wechsel des Ich in
und mit sich selbst, da es sich endlich und unendlich zugleich setzt –
ein Wechsel, der gleichsam in einem Widerstreite mit sich selbst be-
steht, und dadurch sich selbst reproduziert, indem das Ich Unverein-
bares vereinigen will, jetzt das Unendliche in die Form des Endlichen
aufzunehmen versucht, jetzt, zurückgetrieben, es wieder außer der-
selben setzt, und in dem nämlichen Momente abermals es in die Form
der Endlichkeit aufzunehmen versucht – ist das Vermögen der Ein-
bildungskraft.« 90 Die Einbildungskraft hat also als Bezugssystem kein

88
J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 408.
89 J. G. Fichte, Wissenschaftslehre, 1794, S. 55.
90
J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 134 f.

64
Produktive Einbildungskraft

Objekt, sondern eine antagonistische Beziehung. Diese besteht in


einem Wechsel, der sich zwischen zwei entgegengesetzten Begriffen
vollzieht. Sie durchläuft deren unüberwindbare Distanz und erhebt
sich über ihre ungelöste Spannung. Die Einbildungskraft drückt eine
»antithetische Neigung zur Zusammenfassung« und ein Festhalten
an der absoluten Gegenüberstellung sowie an der Aufgabe, diese
durch die Einigung der Gegensätze zu lösen, aus. »In diesem Streite
verweilt der Geist, schwebt zwischen beiden; schwebt zwischen der
Forderung und der Unmöglichkeit, sie zu erfüllen, und in diesem Zu-
stande, aber nur in diesem, hält er beide zugleich fest, oder, was das
gleiche heißt, macht sie zu solchen, die zugleich aufgefaßt und fest-
gehalten werden können – gibt dadurch, dass er sie berührt, und wie-
der von ihnen zurückgetrieben wird und wieder berührt, ihnen im
Verhältnis auf sich einen gewissen Gehalt und eine gewisse Ausdeh-
nung (die zu seiner Zeit als Mannigfaltiges in der Zeit und im Raume
sich zeigen wird). Dieser Zustand heißt der Zustand des Anschauens.
Das in ihm tätige Vermögen ist schon oben produktive Einbildungs-
kraft genannt worden.« 91
Die produktive Einbildungskraft ist nicht erklärbar, sie ist nur
von der Einbildung selbst her anschaubar. Ohne die produktive Tätig-
keit der Einbildungskraft ist kein Denken, keine Vorstellung und kein
endliches Bewusstsein möglich. Noch nicht einmal die Wissen-
schaftslehre kann ohne die Fähigkeit der Einbildungskraft erfasst
werden. »Man stelle sich die ins Unendliche hinausgehende Tätigkeit
vor unter dem Bilde einer geraden Linie, die von A aus durch B nach
C usw. geht. Sie könnte angestoßen werden innerhalb C oder über C
hinaus; aber man nehme an, daß sie eben in C angestoßen werde; und
davon liegt nach dem Obigen der Grund nicht im Ich, sondern im
Nicht-Ich. Unter der gesetzten Bedingung wird die von A nach C
gehende Richtung der Tätigkeit des Ich reflektiert von C nach A. Aber
auf das Ich kann, so gewiß es nur ein Ich sein soll, gar keine Einwir-
kung geschehen, ohne daß dasselbe zurückwirke. Im Ich läßt sich
nichts aufheben, mithin auch die Richtung seiner Tätigkeit nicht.
Mithin muß die nach A reflektierte Tätigkeit, insofern sie reflektiert
ist, zugleich zurückwirken bis C. Und so erhalten wir zwischen A und
C eine doppelte mit sich selbst streitende Richtung der Tätigkeit des
Ich, in welcher sich die von C nach A als ein Leiden, und die von A
nach C als bloße Tätigkeit ansehen läßt; welche beide ein und eben-

91
Ebd., S. 144 f.

65
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

derselbe Zustand des Ich sind. Dieser Zustand, in welchem völlig ent-
gegengesetzte Richtungen vereinigt werden, ist eben die Tätigkeit der
Einbildungskraft«. 92
Vor diesem Hintergrund ist die produktive Einbildungskraft die
»theoretische und produktive Fähigkeit schlechthin«, die zwischen
Bestimmtheit und Unbestimmtheit, zwischen endlich und unendlich
schwankt und das Ich als Intelligenz erst ermöglicht.
Nach Fichte spielt diese kreative und produktive Funktion der
Einbildungskraft eine bedeutende Rolle im romantischen Idealismus.
Der produktiven Funktion der Einbildungskraft schreibt Fichte eine
größere Bedeutung zu, als Kant ihr in den Grenzen der formalen
Bedingungen zugesteht. Kant sieht in der Einbildungskraft die Fähig-
keit zu Anschauungen auch ohne das Vorhandensein eines Objekts
und unterscheidet zwischen der »produktiven Einbildungskraft« (ex-
hibitio originaria) – der Macht der ursprünglichen Vorstellung des
Objekts, die der Erfahrung vorausgeht – und der »reproduzierenden
Einbildungskraft« (exhibitio derivativa), die »eine vorhergehende
empirische Anschauung im Geist wiedererweckt«. Nur die reinen
Anschauungen des Raumes und der Zeit sind Produkte der produkti-
ven Einbildungskraft. Die reproduzierende Einbildungskraft ist, auch
wenn sie »poetisch« genannt wird, niemals kreativ, da sie keine ge-
gebene Darstellung, die nicht schon vorher der Sinnlichkeit gegeben
war, erschaffen kann. Der Begriff einer produktiven Einbildungskraft
ist nach Kant rein formal, weil er nur die Bedingungen der Anschau-
ung (Raum und Zeit) hervorbringt. Kant gebraucht ihn häufiger in
der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft, in der er von einer
Synthese der Produktion der Einbildungskraft spricht, die als Bedin-
gung der begriffsmäßigen Synthese der Apperzeption angesehen
wird.

15. Intellektuelle Anschauung und Transzendentalphilosophie

In der Zweiten Einleitung in die Wissenschaftslehre bestimmt Fichte


die intellektuelle Anschauung als begründendes Element einer jeden
Philosophie. »Die intellektuelle Anschauung ist der einzige, feste
Standpunkt für alle Philosophie.« 93 Worin besteht die intellektuelle

92 Ebd., S. 147.
93
J. G. Fichte, Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, GA I, 4, S. 219.

66
Intellektuelle Anschauung und Transzendentalphilosophie

Anschauung? Warum ist der Begriff der intellektuellen Anschauung


im System des transzendentalen Idealismus von Fichte so wichtig?
»Dieses dem Philosophen« – so bemerkt Fichte – »angemutete
Anschauen seiner selbst im Vollziehen des Aktes, wodurch ihm das
Ich entsteht, nenne ich intellektuelle Anschauung. Sie ist das unmit-
telbare Bewußtsein, dass ich handle, und was ich handle: sie ist das,
wodurch ich etwas weiß, weil ich es tue.« 94
Die intellektuelle Anschauung erscheint somit als die Eröffnung
eines doppelten Horizonts des Bewusstseins und im Bewusstsein. Es
zeigt sich ein theoretischer Sinn der Erfahrung des Handelns, und der
Philosoph ist sich des Wesens der Aktion (ihres Was) bewusst und
demnach, lato sensu, auch des Wesens der Erfahrung. Außerdem
steht das Dass für die Existenz, die Schelling später als eine organi-
sche Beziehung zwischen Ich und Natur 95 interpretieren wird. Der
Idealismus Fichtes wird so erweitert. Laut Fichte besteht zwischen
der intellektuellen Anschauung 96 und der Transzendentalphilosophie
eine tiefgreifende Verbindung. Es handelt sich um eine Philosophie,
in der Erkenntnistheorie und Metaphysik nicht zu trennen sind und
in der jede Aussage, die sich auf das, was ist, bezieht, durch eine Neu-
fassung der Formen der Realisierung im Ich und für das Ich gerecht-
fertigt werden muss. Objektives Bewusstsein und Selbstbewusstsein
existieren, weil das Ich eine Anschauung ist. Diese Anschauung ver-
wirklicht sich durch den ursprünglichen Akt des Anschauens und be-
steht nicht in einem einfachen »etwas Setzen«, sondern in einem Ich,
das zu sich selbst zurückkehrt. Es handelt sich um eine Anschauung
des Ichs im doppelten Sinne, da sie objektiv und subjektiv zugleich ist.
Die Wurzel des Ichs ist diese Anschauung, die dem Ich gehört und es
betrifft. Diese Anschauung des Ichs ist die intellektuelle Anschauung,
deren begründende Funktion für das Bewusstsein, und zwar für jedes
Bewusstsein, Fichte unterstreicht. Der Verstand sieht sich selbst als

94
GA, I, 4, S. 216.
95 Vgl. H. Traub, »Schellings Einfluß auf die Wissenschaftslehre 1804«, in: Schelling.
Zwischen Fichte und Hegel, hrsg. von Christoph Asmuth, Alfred Denker und Michael
Vater, Amsterdam/Philadelphia 2000, S. 77–92.
96 In Bezug auf der semantischen Verbindung zwischen Transzendentalphilosophie

und intellektuelle Anschauung vgl. A. Philonenko, »Die intellektuelle Anschauung


bei Fichte«, in: Der transzendentale Gedanke. Die gegenwärtige Darstellung der Phi-
losophie Fichtes, hrsg. von Klaus Hammacher, Hamburg: Meiner 1981, S. 91–106; vgl.
J. Stolzenberg, Fichtes Begriff der intellektuellen Anschauung. Die Entwicklung in
den Wissenschaftslehren von 1793/94 bis 1801/02, Stuttgart: Klett-Cotta 1986.

67
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

einfach oder als rein an. In dieser Selbst-Anschauung liegt seine Es-
senz. Der Philosoph wird sich ihrer bewusst, indem er mit sich selbst
experimentiert. In diesem Sinne ist sein Bewusstsein der Anschauung
das Produkt einer Abstraktion und einer Reflexion. Fichte meint in
der Tat, dass man niemals ein unmittelbares und isoliertes Bewusst-
sein der intellektuellen Anschauung haben kann, und dass man diese
erreicht indem man Rückschlüsse aus offensichtlichen Tatsachen des
Bewusstseins zieht. Kein Handeln eines Bewusstseins ist als Handeln
eines Bewusstseins, eines reellen Ichs, denkbar, ohne dass dieses von
einem Handeln bestimmt wird, das in es zurückkehrt und das als
solches gegeben ist, d. h. ohne die Präsenz der intellektuellen An-
schauung. Letztere wird als Prinzip des Lebens 97 verstanden, das von
innen das Leben des reellen Bewusstseins strukturiert. »Ich kann kei-
nen Schritt tun, weder Hand noch Fuß bewegen, ohne die intellektu-
elle Anschauung meines Selbstbewusstseins in diesen Handlungen;
nur durch diese Anschauung weiß ich, dass ich es tue, nur durch diese
unterscheide ich mein Handeln und in demselben mich, von dem vor-
gefundenen Objekte des Handelns. Jeder, der sich eine Tätigkeit zu-
schreibt, beruft sich auf diese Anschauung. In ihr ist die Quelle des
Lebens, und ohne sie ist der Tod.« 98
Es ist nötig, einen wichtigen Punkt der Theorie der intellektuel-
len Anschauung zu klären: die Möglichkeit ihrer Legitimation. Die
intellektuelle Anschauung ist für den Philosophen ein Faktum; für
das ursprüngliche Ich hingegen ist sie ein Akt. »Sonach findet der
Philosoph diese intellektuelle Anschauung als Faktum des Bewusst-
seins (für ihn ist es Tatsache; für das ursprüngliche Ich Tathandlung),
nicht unmittelbar, als isoliertes Faktum seines Bewusstseins, sondern,
indem er unterscheidet, was in dem gemeinen Bewußtsein vereinigt
vorkommt, und das Ganze in seine Bestandteile auflöst.« 99 Nun ist es
die wichtigste Aufgabe der Transzendentalphilosophie, vom Ereignis
zur Möglichkeit zu gelangen. Es ist notwendig, die Möglichkeit de
jure, die Rechtfertigung eines Prinzips, zu beachten. Dieser Prozess
verwirklicht sich nur, wenn der Glaube an die Wirklichkeit (der intel-
lektuellen Anschauung) fest ist. Er ist der Ausgangspunkt des trans-

97 Vgl. L. Vos, »Der Gedanke des Lebens in den späten Schriften Fichtes«, in: Grund-
und Methodenfragen in Fichtes Spätwerk«, hrsg. von Günter Zöller und Hans Georg
von Manz, Fichte-Studien, Bd. 31, Amsterdam/New York 2007, S. 125–134.
98 J. G. Fichte, Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, GA I, 4, S. 219.

99
GA I, 4, S. 221.

68
Intellektuelle Anschauung und Transzendentalphilosophie

zendentalen Idealismus. 100 Es ist notwendig, nachzuweisen, dass sich


das Interesse, auf das sich die Anschauung gründet, in der Vernunft
an sich befindet. 101 Andererseits ist es nur mit dem System der ge-
samten Vernunft 102 möglich, der Kritik an der intellektuellen An-
schauung zu begegnen. Wie kann aber die Wissenschaftslehre die
Glaubwürdigkeit und die Legitimität der intellektuellen Anschauung
nachweisen?
In der Ersten Einleitung in die Wissenschaftslehre bestimmt
Fichte die Bedeutung, die Funktion und die Zielsetzung seiner Phi-
losophie und behält dabei die semantische Beziehung zwischen intel-
lektueller Anschauung und Wissenschaftslehre bei. »Merke auf dich
selbst: kehre deinen Blick von allem, was dich umgibt, ab, und in dein
Inneres: ist die erste Forderung, welche die Philosophie an ihren Lehr-
ling tut. Es ist von nichts, was außer dir ist, die Rede, sondern ledig-
lich von dir selbst. Auch bei der flüchtigsten Selbstbeobachtung wird
jeder einen merkwürdigen Unterschied zwischen den verschiedenen
unmittelbaren Bestimmungen seines Bewußtseines, die wir auch Vor-
stellungen nennen können, wahrnehmen. Einige nämlich erscheinen
uns als völlig abhängig von unserer Freiheit, aber es ist uns unmög-
lich zu glauben, dass ihnen etwas außer uns, ohne unser Zutun, ent-
spreche. Unsere Phantasie, unser Wille erscheint uns als frei. Andere
beziehen wir auf eine Wahrheit, die, unabhängig von uns, festgesetzt
sein soll, als auf ihr Muster; und unter der Bedingung, dass sie mit
dieser Wahrheit übereinstimmen sollen, finden wir uns in Bestim-
mung dieser Vorstellungen gebunden. In der Erkenntnis halten wir
uns, was ihren Inhalt betrifft, nicht für frei. Wir können kurz sagen:
einige unserer Vorstellungen sind von dem Gefühle der Freiheit, an-
dere von dem Gefühle der Notwendigkeit begleitet.« 103
Vor dem Hintergrund dieser Reflexionen stellt Fichte zwei
grundlegende Fragen: »Warum werden die Darstellungen, die von
der Freiheit abhängen, auf diese Art und Weise bestimmt? […] Wel-
ches ist der Grund des Systems der vom Gefühle der Notwendigkeit
begleiteten Vorstellungen, und dieses Gefühl der Notwendigkeit

100 Ebd.
101 J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova metodo WS 1798/99 – Nachschrift Krause,
GA IV, 3, S. 335.
102
J. G. Fichte, Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, GA I, 4, S. 223.
103 J. G. Fichte, Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, in: Fichtes Werke, Bd. 1,

Berlin: de Gruyter 1971, S. 422–423.

69
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

selbst?« 104 Laut Fichte ist es die Aufgabe der Philosophie, auf diese
Fragen zu antworten. »Diese Frage zu beantworten ist die Aufgabe
der Philosophie; und es ist meines Bedünkens nichts Philosophie, als
die Wissenschaft, welche diese Aufgabe löst. Das System der von dem
Gefühle der Notwendigkeit begleiteten Vorstellungen nennt man
auch die Erfahrung; innere sowohl, als äußere. Die Philosophie hat
sonach – dass ich es mit anderen Worten sage – den Grund aller Er-
fahrung anzugeben.« 105

16. Der Primat der Ethik in der Zweiten Einleitung in die


Wissenschaftslehre und das Transzendentale in Fichtes
ethischem Idealismus

Im fünften Paragraphen der Zweiten Einleitung in die Wissenschafts-


lehre sagt Fichte, dass die Glaubwürdigkeit und die Legitimität der
intellektuellen Anschauung nur möglich sei, wenn in uns das Vor-
handensein eines Sittengesetzes oder eines ethischen Gesetzes bestä-
tigt werde. »In dem Bewußtsein dieses Gesetzes, welches doch wohl
ohne Zweifel nicht ein aus etwas anderem gezogenes, sondern ein
unmittelbares Bewusstsein ist, ist die Anschauung der Selbst-Tätig-
keit und Freiheit begründet; ich werde mir durch mich selbst als et-
was, das auf eine gewisse Weise tätig sein soll, gegeben, ich werde mir
sonach durch mich selbst als tätig überhaupt gegeben; ich habe das
Leben in mir selbst, und nehme es aus mir selbst. Nur durch dieses
Medium des Sittengesetzes erblicke ich mich; und erblicke ich mich
dadurch, so erblicke ich mich notwendig als selbsttätig; und dadurch
entsteht mir das ganz fremdartige Ingrediens der reellen Wirksam-
keit meines Selbst in einem Bewusstsein, das außerdem nur das Be-
wusstsein einer Folge meiner Vorstellungen sein würde.« 106
Nach Fichte ist das Bewusstsein des Sittengesetzes ein unmittel-
bares Bewusstsein, das nicht von einem anderen Bewusstsein abge-
leitet wird. Es ist ein ursprünglicher Akt der Vernunft, der die An-
schauung des Ichs als wiederkehrendes Handeln an sich begründet.
Das Bewusstsein des Sittengesetzes vermittelt nicht nur eine Er-
kenntnis im praktischen Sinne, sondern gibt die Basis der Realität

104
Ebd., S. 423.
105 Ebd.
106
J. G. Fichte, Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, GA I, 4. S. 219.

70
Der Primat der Ethik in der Zweiten Einleitung in die Wissenschaftslehre

der Anschauung des Ichs als intellektuelles Handeln in der Ganzheit


all seiner Momente.
In der empirischen Anschauung steht man etwas anderem, das
unabhängig ist, passiv gegenüber. Das Bewusstsein ist demnach spon-
tan realistisch und kann auch gar nicht anders sein. Es ist sich der
Existenz der äußeren Dinge sicher. Die Transzendentalphilosophie
hingegen kann diesen Realismus nicht teilen, weil sie ihn in der Ge-
nesis des Bewusstseins erklären muss.
Die kopernikanische Revolution 107 Kants hat gezeigt, dass alle
Bestimmungen der Objekte der Erfahrung nichts anderes sind als
Konstruktionen aus der phänomenischen Materie der Formen a priori
des erkennenden Subjekts (Raum und Zeit). Die Existenz der Materie
der Erfahrung an sich, also die Tatsache, dass es Phänomene gibt
(nicht wie diese erscheinen oder konstruiert werden), hängt nicht
von der Aktivität des theoretischen Subjekts ab. Diese Tatsache zeigt
sich dem Ich als gegeben, und das Ich ist ihr gegenüber passiv und
rezeptiv. Kant drückte diese Grenze des endlichen, menschlichen In-
tellekts mit dem Begriff des »Dinges an sich« aus, das vom Ich un-
abhängig ist und Voraussetzung der Phänomene ist.
Fichte nimmt die kritischen Positionen der Post-Kantianer, die
das Ding an sich als dogmatisches Überbleibsel der kritischen Phi-
losophie ansehen, wieder auf und entwickelt sie weiter. Auch er hält
es für einen absolut unannehmbaren Begriff. Aus transzendentaler
Sicht ist der Begriff des Objekts an sich nicht anderes also einer der
beiden Pole der Vorstellung, der in eben dieser liegt; ein Objekt kann
ein solches nur für ein Subjekt sein, und zwar in der Opposition, die
das Bewusstsein konstituiert. Die Idee, dass ein Ding an sich existiert
und von einem Subjekt unabhängig ist, ist ein Widerspruch. Jedes
Dasein des Ichs und des Nicht-Ichs ist eine Veränderung des Bewusst-
seins. Ohne Bewusstsein gibt es kein Dasein.
Fichte hält jede Philosophie, die einen der beiden Pole des Be-
wusstseins in reelle und unabhängige Substanz umformt, um
schließlich zu dem anderen Pol eine Beziehung aufzudecken, die die
Erkenntnis und den Zusammenhang zwischen dem Gedanken und
den Dingen erklärt, für eine dogmatische Metaphysik, die unhaltbar
sei. Das sei ein »dogmatischer Realismus« 108, der mit dem allgemei-

107
Vgl. R. Brandt, »Kants Revolutionen«, in: Kant-Studien 106 (2015), S. 3–35.
108 Zum Verhältnis zwischen dogmatischem Realismus und Idealismus bei Fichte vgl.
L. Schüssler, Die Auseinandersetzung von Idealismus und Realismus in Fichtes Wis-

71
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

nen Bewusstsein den Glauben an ein außerhalb der Polarität der Vor-
stellung bestehendes Sein teilt und der das erkennende Subjekt im
Ausgang vom Vorhandensein des Objekts erklären möchte. Ein Bei-
spiel hierfür ist die Philosophie von Spinoza. Auf der anderen Seite ist
ein ebenso »dogmatischer Idealismus« derjenige, der das Sein von
einem schon bestehenden Subjekt als geistige Substanz ableiten
möchte. Die Philosophie Berkeleys ist ein Beispiel dafür.
Der kritisch-transzendentale 109 Idealismus hingegen soll den
Widerstand des Nicht-Ichs, das sich dem theoretischen Subjekt (dem
theoretischen Ich) entgegensetzt und es begrenzt, mit einbeziehen,
ohne auf ein schon bestehendes Sein, das von der Tätigkeit des Geis-
tes unabhängig ist, zurückzugreifen. Im Unterschied zu den dogma-
tischen Philosophien vor Kant kann die gesamte Wissenschaftslehre,
weil sie eine transzendentale Lehre ist, nicht vom Ich absehen und es
übergehen. Die Passivität des erkennenden Subjekts mit seiner End-
lichkeit, die sich in der Theorie der Wissenschaftslehre als Tatsache
zeigt, kann auch in der Praxis gründen – im Primat der Ethik.
Auf einer tieferen, ursprünglichen Ebene des Bewusstseins ist
das Ich für Fichte vor allem moralische Freiheit und unaufhörliche
Tätigkeit – es ist praktische Vernunft. Wie Kant gelehrt hat, ist der
moralische Imperativ absolut autonom und unabhängig; das prakti-
sche Ich ist sich selbst Gesetz und bestimmt sich selbst, überwindet
jedes Hindernis und kämpft gegen jede Konditionierung. Auch für
Fichte ist unser Ich – das einzige, das wir kennen – eine unendliche
Vernunft, die die Vollkommenheit anstrebt. Diese bleibt für uns ein
Seinmüssen, ein Ideal, das niemals wirklich erreicht werden kann.
Unser Leben ist ein unaufhörliches Streben nach einer reinen, mora-
lischen Vernunft, eine ewige endliche Annäherung an das Unend-
liche. Unsere Endlichkeit drückt sich in eben diesem Streben aus, das
seiner Natur nach einen Widerstand beinhaltet, der bei seiner Über-
windung nur verschoben, aber niemals ganz entfernt wird. Gäbe es
keinen Zusammenstoß, keinen Widerstand, dann hätte dieses Han-
deln keinen Inhalt und keinen Realitätsanspruch; auch das praktische
Ich verschwände – und mit ihm die Mannigfaltigkeit der individuel-

senschaftslehre. Grundlage der Gesamten Wissenschaftslehre 1794/5. Zweite Dar-


stellung der Wissenschaftslehre 1804, Frankfurt am Main 1972.
109 Vgl. H. Eidam, »Die Identität von Ideal- und Realgrund im Begriff der Wirksam-

keit. Fichtes Begründung des kritischen Idealismus und ihr Problemzusammenhang«,


in: Fichte und seine Zeit, hrsg. von Hartmut Traub, Fichte-Studien, Bd. 21, Amster-
dam/New York 2003, S. 29–43.

72
Der Primat der Ethik in der Zweiten Einleitung in die Wissenschaftslehre

len, endlichen und unendlichen Subjekte; und somit wäre dann Raum
für ein leeres Handeln, das von einer unendlichen und unpersön-
lichen Vernunft noch nicht einmal gedacht werden könnte. Das reine
Ich, von dem die Wissenschaftslehre ausgeht, zeigt somit in der Pra-
xis seine wahre Bedeutung: Es ist nicht so sehr ein reelles Prinzip der
Dialektik des lebenden Ichs als ein ideelles Ziel, das unerreichbar
bleibt.
Im ewigen »inneren Kampf des Ichs gegen sich selbst« zeigt sich
der Widerstand in allem, was sich der Vernunft entgegenstellt: die
Natur, die Instinkte und die Gefühle, die noch nicht verstanden und
gebändigt sind. Eine der Fähigkeiten des Ichs, die produktive Einbil-
dungskraft, ist spontan und konstruiert alles in der Form eines Ob-
jekts, eines Nicht-Ichs, das dem theoretischen Ich als im Bereich des
Bewusstseins gegeben erscheint. Die Vorgänge der Einbildungskraft
sind unbewusst; deswegen ist die sinnliche Anschauung als ein un-
abhängiges und schon bestehendes Phänomen, als äußere Natur, in
Wirklichkeit das Produkt eines Vermögens des Ichs. Im Unterschied
zur Position Kants führt die Wissenschaftslehre nicht nur die For-
men, aber auch die Inhalte der Erfahrung auf die transzendentale
Tätigkeit des Ichs zurück.
Das theoretische Ich und seine Endlichkeit wird durch die Tätig-
keit (die Spannung und den inneren Kampf) des praktischen Ichs er-
klärt. Die Vernunft kann weder theoretisch noch praktisch sein. Die
Freiheit der Welt der Moral und der Determinismus der phänome-
nischen Welt, die in Kants Werk einen unauflösbaren Widerspruch
bildeten, sind nun wieder miteinander verbunden, und der »Primat
der praktischen Vernunft«, 110 von dem auch Kant schon sprach, hat
ein festes Fundament.
Dass das Nicht-Ich ein Produkt des Ichs ist, bedeutet jedoch
nicht, dass die Welt eine willkürliche und phantastische Kreation
eines jeden individuellen Subjekts wäre. Man sollte nicht vergessen,
dass die menschliche Vernunft immer endlich ist und niemals kreativ.
Die Phänomene und die Objekte der Erfahrung erscheinen als von
Gesetzen geregelt, die stabil und unabhängig sind, auch wenn sie

110 Zum Primat der praktischen Vernunft bei Fichte vgl. D. Breazeale, »Der fragwür-

dige Primat der praktischen Vernunft in Fichtes Grundlage der gesamten Wissen-
schaftslehre«, in: Die Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre von 1794/95 und
der transzendentale Standpunkt, hrsg. von Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien,
Bd. 10, Amsterdam/Atlanta 1997, S. 253–272.

73
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

von der formativen Tätigkeit a priori des Ichs herrühren. Für Fichte
ist die reelle Konsistenz der Welt, die kein privater Traum ist, durch
die Tätigkeit des Ichs motiviert. Fichte meinte immer, dass sein trans-
zendentaler Idealismus 111 mit der Realismus des allgemeinen Be-
wusstseins zu vereinbaren sei, und lehnte deshalb den Vorwurf des
Solipsismus – aufgrund der Reduzierung des Nicht-Ichs auf eine blo-
ße Erscheinung – ab. Indem er sich von jedem dogmatischen Idealis-
mus distanziert, unterstreicht er, dass die Wissenschaftslehre ein kri-
tischer Idealismus ist, den man einen »Real-Idealismus« oder einen
»Ideal-Realismus« nennen könnte.

17. Philosophie der Freiheit. Fichtes Vorträge in Jena

Nach Fichtes eigener Meinung ist sein philosophisches System das


erste System, dass den Vorrang einer Philosophie der Freiheit zu-
spricht. Er bezeichnet sein philosophisches System als das erste »Sys-
tem der Freiheit«, das die Philosophie von dem Problem des Dinges
an sich befreit und sie unabhängig macht. Doch welche Bedeutung
hat für Fichte der Begriff »Freiheit«? Warum ist der Begriff »Frei-
heit« in seinem philosophischen System so wichtig? Was ist eine Phi-
losophie der Freiheit?
Für den jakobinischen Fichte der Zeit in Jena – wie auch für seine
Nachfolger und Gesprächspartner – hat auch die abstrakte philoso-
phische Diskussion eine besondere Wertigkeit, denn sie zieht ethische
und politische Konsequenzen nach sich. 1794 hält Fichte in Jena ne-
ben den Vorlesungen über die reine Spekulation auch öffentliche und
sehr besuchte Voträge über die Bedeutung und Mission der Philoso-
phie, über den Begriff Freiheit und über die Aufgabe des Gelehrten, in
denen er den Vorrang der praktischen Vernunft in ihrem Kontext
unterstreicht. Frei zu handeln, um immer freier zu werden: dies ist
nach Fichte das eigentliche Ziel des Menschen oder – wie er oft sagt –
seine Mission als Mensch und als Philosoph.
Die Wahl einer Philosophie hängt davon ab, was für ein Mensch
man ist. Nur wer wirklich fähig zur Spontaneität und Freiheit ist,
kann die Falschheit des Dogmatismus und die Wahrheit des Idealis-

111
Vgl. K. Hammacher (Hrsg.), Der transzendentale Gedanke: die gegenwärtige Dar-
stellung der Philosophie Fichtes (Vorträge der Internationalen Fichte-Tagung in
Zwettl/Österreich vom 8.–13. August 1977), Hamburg: Meiner 1981.

74
Philosophie der Freiheit

mus verstehen und realisieren. Diese freie und spontane Tätigkeit des
Menschen als endliches Bewusstsein bringt bei ihrer Verwirklichung
immer ein Hindernis mit sich, ein Hindernis, das niemals absolut sein
kann, weil es nur durch das Bewusstsein aufkommt und nur in Ab-
hängigkeit von ihm bestehen kann. Das bedeutet, dass der ethische
Aspekt der Tätigkeit des Ichs nicht nur ein Aspekt ist, der dem theo-
retischen untergeordnet ist, sondern dass er – im Gegenteil – dessen
wahre und tiefe Essenz ist. Wenn man bedenkt, dass das Nicht-Ich das
Gegenteil des Ichs ist, also eine Begrenzung, einen Mechanismus,
eine Notwendigkeit beinhaltet, ist es nicht schwierig zu verstehen,
dass es genau dem gleichkommt, was normalerweise als Natur be-
zeichnet wird. Vor diesem Hintergrund manifestieren sich die mora-
lische Bedeutung und die offene Struktur der Dialektik Fichtes. Die
Natur besteht nur in ihrer Funktion für die Freiheit, als Instrument
ihrer Realisierung: Denn ohne die Natur, ohne die Grenze, würde die
Spontaneität des Ichs leer, unbestimmt und unverwirklicht bleiben.
Andererseits besteht diese Grenze nur deswegen, um ständig über-
wunden zu werden, und nicht, um der Freiheit im Wege zu stehen.
Wir benötigen einen Inhalt, da er die Voraussetzung der Erkenntnis
ist. Das wahre Ziel unseres Lebens ist jedoch nicht die Erkenntnis,
sondern die Freiheit. Die Tatsache, dass die vollständige und absolute
Realisierung der Freiheit für den Menschen ein Ideal ist bzw. ein Ziel,
dem er fortwährend zustrebt, ist kein Zufall, sondern hängt mit der
Struktur der Freiheit des Menschen zusammen, der ein endliches
Wesen ist, und somit spontan, aktiv und gleichzeitig begrenzt. Auf-
grund dieser Aspekte hat die Philosophie Fichtes einen tiefen Einfluss
auf den romantischen Idealismus. Sie erneuert die Anschauung des
Lebens und steht in einem Gegensatz zu den Formen des Materialis-
mus und des Mechanizismus, die in der Aufklärung vertreten wur-
den, weil die gesamte Realität in ihr mit den moralischen Bestrebun-
gen des Menschen verbunden ist und weil diese Realität als der
Bereich, in dem die Freiheit des Bewusstseins verwirklicht wird, zu
verstehen ist.
Aus dieser Perspektive hat nach Fichte die Freiheit immer einen
ethisch-rationalen Charakter. Ihre Entwicklung – und zwar sowohl
die Entwicklung der Freiheit des Individuums als auch die der Gesell-
schaft, der einzelnen Nationen und der gesamten Menschheit – stellt
eine fortschreitende Eroberung der Rationalität dar, die den Men-
schen von Grund auf charakterisiert. So steht in Fichtes Text über
die Französische Revolution das ethische Ideal im Vordergrund, das

75
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

die Befreiung des Menschen zum Ziel hat und das die Grundlage des
Urteils über die Legitimität der politischen Ordnungen und der Insti-
tutionen ist. Vor diesem Hintergrund kommt Fichte von der Theorie
des Rechts zur Revolution und unterstreicht, das jeder Wunsch nach
der Unveränderlichkeit einer politischen Ordnung der absoluten Au-
tonomie unseres moralischen Gesetzes widerspricht.
Das Besondere in diesem Zusammenhang ist, das Fichte auf der
Grundlage dieser Philosophie auch in ihren formalsten und abstrak-
testen Bereichen, wie z. B. in der Logik, einen unmittelbaren Akt der
Freiheit aufdeckt, ohne den die Philosophie sich nicht als Wissen-
schaftslehre entwickeln könnte. Der dogmatische Realismus ist nach
Fichte nicht nur deswegen zu verurteilen, weil er ein theoretischer
Fehler ist, sondern auch weil er ein ethisches Verhalten impliziert,
das einer freien und heldenhaften Menschheit nicht würdig ist. In
der Ersten Einleitung zur Wissenschaftslehre bemerkt er, dass die
Wahl einer Philosophie davon abhängt, was für ein Mensch man ist.
Ein philosophisches System ist nicht unbeweglich, sondern vom Geist
des Menschen erfüllt. Das Ich der Objektivität eines unabhängigen
Dinges an sich unterzuordnen, bedeutet, einem praktischen Fatalis-
mus zu verfallen und jede Möglichkeit, die Freiheit zu erklären,
a priori auszuschließen – und damit auch unsere Aufgabe, die Welt
und das Leben umzuformen, auszuschließen. Wenn unsere Philoso-
phie von einem natürlichen System oder von einer Ordnung des ge-
gebenen Seins ausgeht, können wir auf nichts anderes treffen als auf
Determinismus und Notwendigkeit. Im transzendentalen Idealismus
wird jedes Dasein aus der Tätigkeit des Ichs abgeleitet, und zwar als
eine endliche Objektivierung unseres unendlichen Strebens. Zwar be-
findet sich unsere endliche Natur nach jedem überwundenen Hinder-
nis vor einer neuen Aufgabe – es handelt sich noch einmal um ein
Nicht-Ich, das uns widerspricht. Es ist jedoch auch wahr, dass keine
einzelne Realität als solche eine absolut unüberwindbare Schranke
sein kann. Wenn man die Wissenschaftslehre fragen würde, wie die
Dinge an sich aussehen, so könnte sie nur antworten, dass diese aus
der Notwendigkeit unseres Produzierens hervorgehen. Das radikal
Böse im Individuum und auch in der Geschichte fällt für Fichte mit
der geistigen Faulheit und Unbeweglichkeit zusammen, die das Ich
auf die Existenz eines Dinges oder auf die Natur reduzieren. Das Ich
steht am Anfang der Erkenntnis. Insbesondere diese Intention Fichtes
ruft den Enthusiasmus der Romantiker hervor. Friedrich Schlegel be-
grüßt die Wissenschaftslehre als eine der drei grundlegenden Ten-

76
Religion und Moralphilosophie

denzen der Epoche, zusammen mit der Französischen Revolution und


dem Wilhelm Meister Goethes. Hölderlin schreibt an Hegel, Fichte
sei ein Titan, der für die Menschheit kämpfe. Diese starke ethische
Valenz steht für die Auffassung, dass es beim Idealismus nicht um
ein bloß theoretisches Problem geht. Der Zugang zur Wissenschafts-
lehre 112 verlangt von jedem Leser, die intellektuelle Anschauung zu
vollziehen, also einen absolut freien Akt, der nicht begriffsmäßig zu
erklären ist. Fichte erklärt mehrmals, dass es keinen definitiven Text
seiner Philosophie gebe, und fährt bis zu seinem Tod fort, neue Aus-
legungen zu entwerfen. Er meint, dass der tiefste und authentischste
Kern der Wissenschaftslehre nicht adäquat ausgesprochen werden
kann – und empfiehlt dem Leser, so lange zu lesen, bis gewisser-
maßen ein Funke überspringt.

18. Religion und Moralphilosophie.


Eine ethische Religion der menschlichen Natur

Die religiöse Inspiration räumt in Fichtes Jugendjahren das Feld, um


für die Philosophie Kants und seine politische Leidenschaft Platz zu
schaffen. Nach 1800 wird diese sehr dominant und drückt sich in der
hohen Würde aus, die Fichte der Mission des Gelehrten zuschreibt.
Die Ethik betrifft und charakterisiert die tiefsten Bedürfnisse des Be-
wusstseins. Sie ist nicht auf Bedürfnisse oder materielle Impulse be-
zogen, sondern auf den reinen Impuls des Bewusstseins, d. h. auf die
gewünschte Freiheit für die Freiheit. 113 Frei zu handeln, um immer
freier zu werden – dies ist das einzig wahre Ziel, das zum Menschen
passt, seine Mission.
Fichte, der mehrere Male Reden hielt, hält deren Inhalt in den
populären Schriften fest, die eine große Leserschaft ansprechen sollen
und somit einer Art ethischer Religion der Menschheit dienen. In den
ersten Vorträgen in Jena, die Sonntagmorgens stattfinden, definiert
Fichte sich selbst als Priester der Wahrheit. Diese profanen Vorträge

112 Vgl. R. P. Horstmann, »Fichtes antiskeptisches Programm. Zu den Strategien der

Wissenschaftslehre bis 1801–1802«, in: Metaphysik. Internationales Jahrbuch des


Deutschen Idealismus, hrsg. von Karl Ameriks und Jürgen Stolzenberg, Bd. 5, Ber-
lin/New York 2007, S. 47–89.
113
Vgl. J. Stolzenberg, »Fichtes Deduktionen des Ich 1804 und 1794«, in: Fichtes
Spätwerk im Vergleich, hrsg. von Günter Zöller und Hans Georg von Manz, Fichte-
Studien, Bd. 30, Amsterdam/New York 2006, S. 1–13.

77
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

fordern die Proteste des lokalen Konsistoriums heraus. 1806, vor der
Niederlage von Jena, bietet sich Fichte ohne zu zögern als Redner im
Auftrag des Staates für die preußischen Truppen an.
In der Ersten Wissenschaftslehre, in der kein Ding an sich zuge-
lassen ist, gibt es auch keinen Gott, der Sein oder Substanz wäre. Der
Gott beim jungen Fichte steht im Einklang mit dem Gott bei Kant: 114
Wie bei Kant, so ist auch der Gottesbegriff des jungen Fichte mit der
moralischen Ordnung der Zwecke verbunden. Fichte ist dabei noch
radikaler als Kant: Religion ist reine Moral. Wenn die übernatürliche
Ordnung, die sich in jedem von uns als moralischer Imperativ mani-
festiert, durch den Gottesbegriff objektiviert wird, so hängt dies nur
von den Grenzen unserer Intelligenz ab.
Ein derartiger Begriff von Religion ruft harte Anschuldigungen
wegen Atheismus hervor, und das Jahr 1798, das Jahr des höchsten
akademischen und kulturellen Triumphes Fichtes, bedeutet auch
gleichzeitig die Unterbrechung dieser Karriere in Jena. In den auf
diese schmerzhafte Polemik folgenden Jahren überdenkt der Philo-
soph das Thema der Religion neu 115 und führt schließlich die Idee
von Gott als absolutem Sein, von dem das endliche Bewusstsein und
das menschliche Wissen Abbild und Ausdruck ist, in die Wissen-
schaftslehre ein. Es kommen die Verweise auf das Johannes-Evange-
lium und neuplatonische Bezüge auf: Das Wort ist unaussprechliches
Licht, es ist die Einheit von Sein und Gedanken, und es manifestiert
sich in der Welt und in der Geschichte. Gott ist kein totes und objek-
tives Dasein wie in den traditionellen Ontologien, sondern vielmehr
ein unendliches Leben, das nicht zu objektivieren ist und in jedem
endlichen Leben präsent ist.

19. Die Bestimmung des Menschen und


die Epochen der Geschichte

Die Aufgabe, die Freiheit zu verwirklichen, betrifft nicht nur die


jeweils einzelnen Menschen, sondern die gesamte Menschheit. Die

114 Vgl. M. M. Olivetti, »Zum Religions- und Offenbarungsverständnis beim jungen

Fichte und bei Kant«, in: Praktische und angewandte Philosophie, hrsg. von Helmut
Girndt und Hartmut Traub, Fichte-Studien, Bd. 23, Amsterdam: Rodopi 2003.
115
Zur Verbindung zwischen Transzendentalphilosophie und Religion bei Fichte vgl.
M. Ivaldo, Filosofia e religione. Attraversando Fichte, Napoli: La Scuola di Pitagora
Editrice 2016.

78
Die Bestimmung des Menschen und die Epochen der Geschichte

Geschichte kann nur als schrittweise Realisierung dieses Ziels ver-


standen werden. Laut Fichte kann man auf dem historischen Weg
der Menschheit fünf grundlegende Schritte oder Epochen unter-
scheiden:
a) die Epoche, in der die Vernunft mittels des Instinkts dominiert,
bzw. den Status der Unschuld des Menschengeschlechts
b) die Epoche, in der der rationale Instinkt zur äußeren, zwingen-
den Autorität wird, bzw. das Stadium der Sünde des Anfangs
c) die Epoche der totalen Auflehnung gegen jede äußere Autorität,
jeden rationalen Instinkt; vor diesem Hintergrund kommt es zur
vollständigen Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit und der
Freiheit; es handelt sich um das Stadium der totalen Sündhaftig-
keit.
d) die Epoche, in der die Wahrheit neu erkannt und als höchstes
Gut respektiert wird; der Beginn des Stadiums der Rechtfer-
tigung.
e) die Epoche, in der die Menschheit als treues Abbild der Vernunft
lebt und handelt; es ist das Stadium der vollkommenen Recht-
fertigung und Heiligung.
Die Menschheit der Geschichte kehrt zum ursprünglichen Stadium
der Unschuld und der Vollkommenheit, das verloren war, zurück.
Dies bedeutet aber nicht, das der historische Prozess eine überflüssige
und unnötige Anstrengung ist. Im Gegenteil: Nur so wird das, was die
Menschheit im ursprünglichen Stadium bereits unmittelbar besaß
(im biblischen, irdischen Paradies), zur Frucht einer freien Erobe-
rung. Die Geschichte ist Teil eines religiösen Konzepts, das Fichte in
den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts immer mehr vertiefte und das
aus einer Wiederaufnahme und philosophischen Interpretation des
Johannes-Evangeliums besteht, insbesondere der Theorie des Wortes.
Die Wirklichkeit zu verstehen, die Freiheit zu erlangen und sich auf
die göttliche Ebene des Lebens zu erheben und somit die Glückselig-
keit zu erreichen, werden so zu einem einzigen Akt des Menschen. 116
Der Enthusiasmus über die rationale Freiheit des Menschen und
die energische Forderung nach Moralität als Liebe in Freiheit und
ohne Interessen fließen in ein erzieherisches Programm ein, das jeder
Form von Utilitarismus und Materialismus polemisch gegenüber-
steht. Nur durch die Zurückführung des Menschen auf die rationale

116 Vgl. H. Bergson, La destinazione dell’uomo di Fichte, hrsg. von Felice Ciro Papparo,

Milano: Guerini e Associati 2003, S. 65.

79
Die Untersuchung des unbedingten Grundsatzes der Erkenntnis

Grundlage seines Bewusstseins und seiner Freiheit ist es möglich, die


Entwicklung seiner besten Energien zu unterstützen. Hierbei handelt
es sich um eine Aufgabe, die nicht nur das Individuum betrifft, son-
dern die für die Geschichte der einzelnen Völker und der gesamten
Menschheit entscheidend ist. Fichte gründet auf diese Erneuerung
der Moral und auf die geistige Freiheit sein Programm einer nationa-
len Wiedergeburt Deutschlands, das zu seiner Zeit als unterdrückt
galt und geteilt war. Das pädagogische Ideal, das er hier vorstellt, geht
jedoch weit über diesen spezifischen Kontext hinaus und hat schließ-
lich einen bedeutenden Einfluss auf das Denken und die Geschichte
des 19. Jahrhunderts.

80
II. Naturphilosophie und
Transzendentalphilosophie.
Intellektuelle Anschauung, ästhetische
Anschauung und produktive Anschauung in
Schellings Idealismus

»Philosophie heißt Liebe, Streben nach Weisheit.«

»Die Transzendental-Philosophie ist nichts anderes als ein be-


ständiges Potenzieren des Ichs, ihre ganze Methode besteht
darin, das Ich von einer Stufe der Selbstanschauung zur an-
dern bis dahin zu führen, wo es mit allen den Bestimmungen
gesetzt wird, die im freien und bewußten Akt des Selbst-
bewußtseins enthalten sind.«

»Die Schranke wird reell nur durch das Ankämpfen des Ichs
gegen die Schranke.«
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling

1. Die Fichte’schen Anfänge der Philosophie Schellings:


Vom Ich als Prinzip der Philosophie oder Über das Unbedingte
im menschlichen Wissen

Das frühe Schelling’sche Denken stellt noch einige philosophische


Thematiken dar, die mit Kants Ding an sich verbunden sind. Im Alter
von 19 bis 21 Jahren versuchte Schelling eine kritische Analyse von
Fichtes Idealismus. Schelling zufolge ist es nicht notwendig, Kants
Philosophie zu vertiefen, weil Fichtes Wissenschaftslehre den wahren
Weg repräsentiert, dem man folgen sollte: Objektivität und äußere
Welt sind dabei uninteressant, stattdessen ist die »Subjektivität« 1
der Kern, auf den man sich konzentrieren sollte.

1 Vgl. K. Cramer (Hrsg.), Theorie der Subjektivität, Frankfurt am Main: Suhrkamp

1990; W. Jaeschke, »Absolute Subject and Absolute Subjectivity in Hegel«, in: Figuring
the Self. Subject, Absolute, and Others in Classical German Philosophy, hrsg. von
David E. Klemm und Günter Zöller, Albany 1997, S. 193–205; C. Asmuth, »Anfang
und Form der Philosophie. Überlegungen zu Fichte, Schelling und Hegel«, in: Schel-
ling. Zwischen Fichte und Hegel, hrsg. von Christoph Asmuth, Alfred Denker und

81
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

Aus der Schrift Vom Ich als Prinzip der Philosophie oder Über
das Unbedingte im menschlichen Wissen (1795) lässt sich Schellings
metaphysische Interpretation der Fichteschen Wissenschaftslehre
mit ihrer Unterscheidung von »bedingt« und »unbedingt« und der
Beziehung zwischen diesen beiden Kategorien 2 herauslesen. Dem-
zufolge ist das reine Ich das absolute Ich: nicht eine numerische Ein-
heit des Individuums, sondern das unveränderliche Ein und Alles. Das
Ich ist nicht das Bewusstsein, weder ein Gedanke noch eine Persona-
lität, sondern es entspringt aus der Subjektivität. Laut Schelling ist
Fichtes Freiheitsbegriff sowie sein Begriff der intellektuellen An-
schauung sehr wichtig. Des Weiteren kann eine abgrenzende Bezug-
nahme auf die Philosophie Spinozas den metaphysischen Gedanken
Schellings akzentuieren. Spinoza repräsentiert den Dogmatismus,
weil er das Objekt, das Nicht-Ich als absolut darstellt. Fichte hingegen
hebt durch den Vorrang der intellektuellen Anschauung nicht das
absolute Objekt, sondern das absolute Subjekt hervor.
In seinen Jugendwerken ist bereits absehbar, dass nicht nur in
metaphysischen Interpretationen das Ich als absolutes erscheint, son-
dern auch neue Perspektiven hinzukommen, die den Schelling’schen
Idealismus charakterisieren werden. Im Einzelnen wird Schelling ver-
suchen,
a) die Idee der Vollendung auf den Ebenen der absoluten Sub-
jektivität Fichtes und in Spinozas Philosophie als deren Gegenpol zu
beleuchten und gegeneinander abzuwägen und
b) die Lücken von Fichtes System zu füllen bzw. dessen Grenzen
zu präzisieren, die sich aus der Reduktion auf das reine Nicht-Ich
ergeben; durch diese Reduktion verliert jegliche Identität ihr Spezi-
fisches und ist so gut wie aufgehoben.
Ab 1797 wertet Schelling somit die Natur auf und bemüht sich
um Ergänzungen der Philosophie Fichtes. Jedoch kritisiert er Fichtes
Wissenschaftslehre und definiert den Begriff des Idealismus neu.

Michael Vater, Amsterdam/Philadelphia 2000, S. 403–417; vgl. T. Grundmann


(Hrsg.), Anatomie der Subjektivität: Bewusstsein, Selbstbewusstsein und Selbst-
gefühl, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005.
2 Zur semantischen Korrelation zwischen »bedingt« und »unbedingt« vgl. J. Jantzen,

»Der Ausdruck des Unbedingten. Schellings Systementwürfe«, in: Die Realität des
Wissens und das wirkliche Dasein: Erkenntnisbegründung und Philosophie des Tra-
gischen beim frühen Schelling, hrsg. von Jörg Jantzen, Stuttgart-Bad Cannstatt 1998,
S. 1–35.

82
Die Einheit von Geist und Natur

2. Die Einheit von Geist und Natur.


Die Bedeutung des »Urselbst«

Schelling geht von einer Einheit und Identität von Geist und Natur
aus: »Das System der Natur ist das System des Geistes.« 3 Die zentrale
Behauptung lautet: »Wir können den Inbegriff alles bloß Objektiven
in unserem Wissen Natur nennen; der Inbegriff alles Subjektiven
dagegen heiße das Ich, oder die Intelligenz. Beide Begriffe sind sich
entgegengesetzt. Die Intelligenz wird ursprünglich gedacht als das
bloß Vorstellende, die Natur als das bloß Vorstellbare, jene als das
Bewußte, diese als das Bewußtlose. Nun ist aber in jedem Wissen ein
wechselseitiges Zusammentreffen beider (des Bewußten und des an
sich Bewußtlosen) notwendig; die Aufgabe ist: dieses Zusammentref-
fen zu erklären.« 4 »Alles Wissen beruht auf der Übereinstimmung
eines Objektiven mit einem Subjektiven.« 5
Die Übereinstimmung, d. h. die Entsprechung zwischen subjek-
tiven Vorstellungen und äußeren Objekten, bildet die Basis der wirk-
lichen Erkenntnis. »Im Wissen selbst – indem ich weiß – ist Objekti-
ves und Subjektives so vereinigt, daß man nicht sagen kann, welchem
von beiden die Priorität zukomme. Es ist hier kein Erstes und kein
Zweites, beide sind gleichzeitig und eins.« 6
Natur und Geist sind eine innere und verbundene Einheit. Auf
dieser Sichtweise gründet sich der Begriff des ursprünglichen Einen:
das Urselbst oder das absolut Identische setzt sich als principium es-
sendi et cognoscendi in Schellings transzendentalphilosophischem
System durch.
Das Urselbst ist die ursprüngliche Identität des Absoluten, das
den universellen Grund seiner permanenten Harmonie in sich trägt.
Aber was ist nun die Natur, wenn sie nicht das reine Nicht-Ich ist?
Schelling denkt, dass dieses Problem gelöst werden kann, wenn man

3
F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 53, in: Friedrich Wil-
helm Joseph von Schelling, Werke, Bd. 2, Leipzig 1907, Erstdruck: Tübingen (Cotta)
1800. Der Text folgt dem Abdruck in Schellings Sämtlichen Werken, hrsg. von
K. F. A. Schelling, Stuttgart (Cotta) 1856–1861 (Originalausgabe: Friedrich Wilhelm
Joseph von Schellings sämmtliche Werke [SW], hrsg. von K. F. A. Schelling, Bd. I–
XIV [urspr. erschienen in 2 Abteilungen, 1. Abt.: Bd. 1–10 (I–X); 2. Abt.: Bd. 1–4 (X–
XIV)], Stuttgart/Augsburg 1856–1861).
4
Ebd., S. 13.
5 Ebd.

6
Ebd.

83
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

eine Existenz annimmt, die in einer Einheit von Idealem und Realem,
von Geist und Natur besteht.
Wenn das Natursystem das System unseres Geistes ist, impli-
ziert dies, dass man auf die Natur übertragen muss, was Fichte selbst
mit Erfolg auf das Leben unseres Geistes angewendet hat. Laut Schel-
ling müssen die gleichen Prinzipien, die den Geist beschreiben, auch
der Natur angemessen sein. Wenn es so ist, dass die Natur die gleiche
Intelligenz zum Ausdruck bringt, die das Ich definiert, dann ist es
notwendig, jene reine Tätigkeit, die Fichte als Wesen des Ichs entdeckt
hat, auf die Natur zu übertragen. Schelling kommt daher zu dem Ent-
schluss, dass die Natur ein Produkt einer unbewussten Intelligenz ist,
die sich, der internen Struktur dieser Intelligenz folgend, teleologisch
weiterentwickelt, d. h. die nachfolgenden Ebenen konstituieren sich
nach inneren und strukturierten Zwecken.
Die Natur ist die totale Objektivität und zugleich vom formati-
ven Impuls unserer Subjektivität durchwirkt. Sie ist Freiheit und
Subjektivität in fieri. 7 Die Natur stellt die »Odyssee des Geistes« dar,
der suchend in sich selbst flieht; sie ist die weltlich gewordene Idee
zwischen Fortführung und Begrenzungen. Der Geist identifiziert sich
mit dem Ich und der Philosophie, die sich mit dem transzendentalen
Idealismus auseinandersetzt. Der Geist ist die lebende Intelligenz,
und diese macht intellektuelle Anschauung möglich.
Das Prinzip der Schelling’schen Naturphilosophie ist das folgen-
de: Die Natur muss der sichtbare Geist sein, der Geist muss die un-
sichtbare Natur sein. Hier, in der absoluten Einheit des Geistes in uns
und der Natur außerhalb von uns, ist das Problem gelöst, wie es mög-
lich ist, eine Natur außerhalb von uns zu denken. Die Natur ist die
»Odyssee des Geistes«.

7 Vgl. L. Hühn, »Die Verabschiedung des subjektivitätstheoretischen Paradigmas.


Der Grunddissens zwischen Schelling und Fichte im Lichte ihres philosophischen
Briefwechsels«, in: Grundlegung und Kritik. Der Briefwechsel zwischen Schelling
und Fichte 1794–1802, hrsg. von Jörg Jantzen, Thomas Kisser und Hartmut Traub,
Fichte-Studien, Bd. 25, Amsterdam/New York 2005, S. 93–111; vgl. J. F. Marquet,
Liberté et existence. Étude sur la formation de la philosophie de Schelling, Paris: Cerf
2006.

84
Natur als graduelle Erweiterung der unbewussten Intelligenz

3. Natur als graduelle Erweiterung der


unbewussten Intelligenz

Wenn der Geist und die Natur von denselben Prinzipien abstammen,
muss sich in der Natur eine ähnlich sich ausbreitende, dynamische
Kraft finden, die einer Schranke gegenübersteht, wie in Fichtes Be-
griff des Ichs. Aber der Widerstand dieser Schranke hält die um sich
greifende Kraft nur augenblickshaft auf, da letztere kontinuierlich
und dynamisch fortschreitet, um dann von der nächsten Schranke
aufgehalten zu werden, usw. Jede Phase des Zusammentreffens von
expansiver und limitierender Kraft entspricht der Entstehung einer
Stufe der Natur, die so mit der Zeit immer reicher wird. Das erste
Zusammentreffen von positiver, expansiver und negativer, begren-
zender Kraft bringt die Materie hervor (die also ein dynamisches Pro-
dukt der Kräfte ist). Das Wiederaufnehmen der Expansion der unend-
lichen, positiven Kraft und das wiederholte Zusammentreffen mit der
negativen, begrenzenden Kraft bringt den universalen Mechanismus,
den allgemeinen dynamischen Prozess hervor. An diesem Punkt ver-
wendet Schelling die wissenschaftlichen Entdeckungen seiner Zeit
(mit denen er sich viel befasst hat), um die beweglichen Manifestatio-
nen der Kräfte, ihre Polaritäten und Gegensätze anhand des Mag-
netismus, der Elektrizität und des Chemismus nachzuweisen.
Dieses Denkschema dient ihm auch dazu, die höchste organische
Stufe der Natur zu erklären. Schelling beruft sich in diesem Zusam-
menhang auf die Prinzipien der Empfindlichkeit und der Nachbil-
dung, die den Wissenschaftlern seiner Zeit wichtig waren. Analog zu
diesen Prinzipien stehen auf einer höheren Stufe, aber durch eine
vergleichbare Dynamik charakterisiert, der Magnetismus, die Elektri-
zität und der Chemismus. Zusammenfassend kann man sagen, dass
für Schelling die Natur auf einer einzigen und identischen Kraft (der
unbewussten Intelligenz) basiert, die sich wie oben erklärt zusam-
mensetzt und sich schrittweise auf immer höheren Stufen manifes-
tiert, um schließlich zum Menschen zu gelangen, bei dem das Be-
wusstsein, die Intelligenz, zur Erkenntnis wird.

85
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

4. Die Weltseele und die Natur des Menschen.


Leben als der »Atem des Universums«

Wie ist die Beziehung zwischen der Seele der Welt und der Natur des
Menschen? Was ist der Sinn des Lebens? Welches ist der wichtigste
Aspekt, der die Natur des Menschen ausmacht?
Für die Beantwortung dieser Fragen sind einige Aussagen von
Schelling von besonderer Bedeutung: Es gibt ein einheitliches Prin-
zip, das die anorganische und die organische Natur verbindet. Die
einzelnen Dinge der Natur konstituieren die Glieder einer Kette des
Lebens. Und jedes Glied ist für die gesamte Kette unabdingbar. Das
Leben ist der »Atem des Universums«, die Materie ist erstarrter
Geist. Das, was als nicht lebendig in der Natur erscheint, ist nur
schlafendes Leben. 8
Es ist verständlich, dass Schelling das antike Konzept der Welt-
seele als Hypothese zur Erklärung des universellen Organismus wie-
der aufnehmen und populär machen konnte. Diese seit Platon pro-
minente theoretische Figur ist nach Schelling nichts anderes als die
unbewusste Intelligenz, die die Natur hervorbringt und trägt. Sie
kommt jedoch erst durch die Geburt des Menschen zum Bewusstsein.
Der Mensch, der Teil der Unendlichkeit des Kosmos ist, erscheint
zwar aus physischer Sicht sehr klein, ist aber das letzte Ziel der Natur,
weil sich in ihm der Geist manifestiert, der auf allen anderen Stufen
der Natur verborgen bleibt. Auch in der Konstruktion des transzen-
dentalen Idealismus legt Schelling wie in der Naturphilosophie den
Schwerpunkt auf die Polarität der Kräfte und nimmt so das Prinzip
von Fichte, wenn auch abgewandelt, wieder auf.
Der Gedankengang Schellings ist folgender: Das Ich ist die ur-
sprüngliche Tätigkeit, die unendlich ist. Es handelt sich um eine pro-
duktive Tätigkeit, die sich selbst zum Objekt wird (sie ist also selbst-
schöpferische intellektuelle Intuition). Aber die reine, unendliche
Produktion des Ichs muss sich auch Schranken setzen, um nicht nur
zu produzieren, sondern auch Produkt werden zu können. Die Tätig-
keit des Ichs setzt nicht nur seiner Unendlichkeit eine Schranke, son-
dern überwindet diese auch Schritt für Schritt, um eine immer

8 Vgl. Th. Buchheim, Eins von Allem. Die Selbstbescheidung des Idealismus in Schel-

lings Spätphilosophie, Hamburg: Meiner 1992; vgl. M. Blumentritt, Begriff und Me-
taphorik des Lebendigen. Schellings Metaphysik des Lebens 1792–1809, Würzburg
2007.

86
Die Weltseele und die Natur des Menschen

höhere Stufe zu erreichen. Schelling nennt die Tätigkeit, die pro-


duziert, reelle Tätigkeit (weil sie produziert). Die ideelle Tätigkeit ist
die, die sich ihrer selbst bewusst wird und an die Schranke stößt. Die
beiden Tätigkeiten setzen sich wechselseitig voraus, und aus ihnen
geht die Aktivität des Ichs hervor. Aus dieser Sicht erweitern sich
jedoch die Horizonte der Wissenschaftslehre Fichtes. Der subjektive
Idealismus wird zum Ideal-Realismus, wie Schelling erklärt: »Beide
Tätigkeiten, ideelle und reelle, setzen sich wechselseitig voraus. Die
reelle ursprünglich ins Unendliche strebende, aber zum Behuf des
Selbstbewußtseins zu begrenzende Tätigkeit ist nichts ohne ideelle,
für welche sie in ihrer Begrenztheit unendlich ist. Hinwiederum ist
die ideelle Tätigkeit nichts, ohne anzuschauende, begrenzbare, eben
deswegen reelle. Aus dieser wechselseitigen Voraussetzung beider
Tätigkeiten zum Behuf des Selbstbewußtseins wird der ganze Mecha-
nismus des Ich abzuleiten sein. So wie sich beide Tätigkeiten wechsel-
seitig voraussetzen, so auch Idealismus und Realismus.« 9
In der theoretischen Philosophie wird, wie Schelling darstellt,
»die Idealität der Schranke erklärt (oder: wie die Begrenztheit, die
ursprünglich nur für das freie Handeln existiert, Begrenztheit für
das Wissen werde), die praktische Philosophie hat die Realität der
Schranke (oder: wie die Begrenztheit, die ursprünglich eine bloß sub-
jektive ist, objektiv werde) zu erklären. Theoretische Philosophie also
ist Idealismus, praktische Realismus, und nur beide zusammen das
vollendete System des transzendentalen Idealismus. Wie sich Idealis-
mus und Realismus wechselseitig voraussetzen, so theoretische und
praktische Philosophie, und im Ich selbst ist ursprünglich Eins und
verbunden, was wir zum Behuf des jetzt aufzustellenden Systems
trennen müssen.« 10 Theoretische Philosophie und praktische Philoso-
phie 11 bestimmen das System des transzendentalen Idealismus.
Schelling stellt die Transzendentalphilosophie als drittes Moment dar,
das sich qualitativ von der theoretischen und der praktischen Philoso-

9 F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 59.


10 Ebd., S. 61.
11 Zur Korrelation zwischen der praktischen und theoretischen Philosophie und zur

Analyse von Schellings Begründung der praktischen Philosophie vgl. J. Stolzenberg,


»Autonomie. Zu Schellings Begründung der praktischen Philosophie im System des
transzendentalen Idealismus von 1800«, in: System als Wirklichkeit: 200 Jahre Schel-
lings System des transzendentalen Idealismus, hrsg. von Christian Danz, Claus
Dierksmeier und Christian Seysen, Kritisches Jahrbuch der Philosophie, Bd. 6, Würz-
burg 2001, S. 41–55.

87
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

phie unterscheidet. Sie ist nämlich deren Synthese und beruht auf
einer einheitlichen und ursprünglichen Tätigkeit, die der Grund der
beiden anderen Momente des Systems ist.

5. Schellings Naturphilosophie: »Natura naturans« und


»Natura naturata«

Die Bindung der Naturphilosophie an die Transzendentalphilosophie


bringt die Doppelung der Idee der Natur als Subjekt wie als Objekt
notwendig mit sich. »Die Natur als bloßes Produkt (natura naturata)
nennen wir Natur als Objekt (auf diese allein geht alle Empirie). Die
Natur als Produktivität (natura naturans) nennen wir Natur als Sub-
jekt (auf diese allein geht alle Theorie).« 12 Die Terminologie der spi-
nozistischen Substanzmetaphysik aufgreifend, nennt Schelling die
Natur als bloßes Produkt »natura naturata«, die Natur als Produkti-
vität »natura naturans«. Hier wird die Natur in einer Hinsicht als
determiniertes System (natura naturata) konzipiert, in komplemen-
tärer Hinsicht hingegen als determinierendes System (natura natu-
rans). Beide verhalten sich zueinander als Gesetztes (Bedingtes) und
Setzendes (Unbedingtes). Der Unterschied zwischen Gesetztem und
Setzendem ist also ein Selbstunterschied der Natur: Die Natur ist als
»natura naturata« zugleich »natura naturans«, und sie wird als »na-
tura naturans« zugleich als »natura naturata« gedacht.
»Wir müssen, was Objekt ist«, schreibt Schelling, »in seinem
ersten Ursprung erblicken. Vorerst also ist alles, was in der Natur ist,
und die Natur, als Inbegriff des Seyns, selbst für uns gar nicht vor-
handen. Über die Natur philosophieren heißt die Natur schaffen. Jede
Thätigkeit aber erstirbt in ihrem Produkte, denn sie ging nur auf die-
ses Produkt. Die Natur als Produkt kennen wir also nicht. Wir kennen
die Natur nur als thätig, denn philosophiren läßt sich über keinen
Gegenstand, der nicht in Thätigkeit zu versetzen ist.« 13
Ein wichtiges Motiv der naturalistischen Strömungen wieder-
aufnehmend, fasst Schelling die Natur zugleich als »natura naturans«
und »natura naturata«. Die Phänomene der Natur (natura naturata)

12 F. W. J. Schelling, Einleitung zu dem Entwurf eines Systems der Naturphilosophie


oder über den Begriff der spekulativen Physik und die innere Organisation eines
Systems dieser Wissenschaft, SW III, 284.
13
F. W. J. Schelling, Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie, SW III, 13.

88
Schellings Naturphilosophie: »Natura naturans« und »Natura naturata«

stellen die unaufhörliche Metamorphose der »natura naturans«, der


ewigen Natur, dar, die in der Einheit mit ihrem Gegenteil, der ideellen
Welt, das Absolute konstituiert. 14
Vor diesem Hintergrund ist die »natura naturata« das Symbol
des Absoluten, weil sich in ihr das Absolute gleichzeitig verbirgt und
manifestiert, indem sie sich im Endlichen äußert. Sie folgt einer Ent-
wicklung, die immer höheren Formen entgegenstrebt, um schließlich
das Bewusstsein zu erreichen. Aus genau diesem Grund kann die Na-
turphilosophie nicht von der Transzendentalphilosophie getrennt
werden. Denn nur wenn die Einheit von Bewusstem und Unbewuss-
tem erreicht wird, die das Absolute ausmacht, kann man den Lauf der
Natur mit ihren flüchtigen und vielgestaltigen Elementen und ihre
Funktion als Ursprung des Geistes verstehen. Die Natur ist für Schel-
ling nicht die Summe von Dingen oder Gegenständen, sondern das
Prinzip der Objektivität in unserem Vorstellen und Denken. In An-
lehnung an Spinoza unterscheidet er zwischen »natura naturata« und
»natura naturans« – der Natur als Produkt und als Produktivität.
In seinem System des transzendentalen Idealismus entwickelt
Schelling die Theorie der Komplementarität von Natur und Geist. Er
erklärt Natur und Transzendentalphilosophie zu zwei gleichwertigen
und gleichursprünglichen Grundwissenschaften der Philosophie.
Schelling versucht die beiden Aspekte seines Ansatzes zu einem ab-
soluten Identitätssystem zusammenzufassen. Der Differenz von Sub-
jekt und Objekt gehe eine absolute Identität, eine »totale Indifferenz
des Subjektiven und Objektiven« (SW IV 114) als Bedingung voraus.
Diese ist für ihn in der absoluten Vernunft gegeben. Die absolute
Vernunft ist für Schelling weder Subjekt noch Objekt; er bezeichnet
sie auch als »Identität der Identität«. 15 Sie wird von ihm nicht nur in

14 Ontologisch geht die »natura naturata« aus der »natura naturans« hervor, gnoseo-
logisch entwickeln wir die Idee der »natura naturans« aus der Gegebenheit der »na-
tura naturata«. Vgl. dazu W. Wieland, »Die Anfänge der Philosophie Schellings und
die Frage nach der Natur«, in: Materialien zu Schellings philosophischen Anfängen,
hrsg. von M. Frank und G. Kurz, Frankfurt am Main 1975; vgl. H. H. Holz, »Der
Begriff der Natur in Schellings spekulativem System. Zum Einfluß von Leibniz auf
Schelling«, in: Natur und geschichtlicher Prozeß. Studien zur Naturphilosophie
F. W. J. Schellings, hrsg. von H. J. Sandkühler, Frankfurt am Main 1984, S. 221.
15 Vgl. H. Folkers, »Zum Begriff des Individuums in der Identitätsphilosophie Schel-

lings«, in: Philosophie der Subjektivität? Zur Bestimmung des neuzeitlichen Philoso-
phierens, Bd. 2, hrsg. von Hans Michael Baumgartner und Wilhelm G. Jacobs, Stutt-
gart-Bad Cannstatt 1993, S. 403–409; vgl. B. Rang, Identität und Indifferenz: eine
Untersuchung zu Schellings Identitätsphilosophie, Frankfurt am Main 2000.

89
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

einem epistemologischen Sinne als absolut gesetzt, sondern auch in


einem ontologischen Sinne als »das Absolute« betrachtet: »Alles, was
ist, ist die absolute Identität selbst« (SW IV 119). Im Unterschied zum
reflektierenden Verstand ist die absolute Vernunft die »absolute Er-
kenntnisart«. Sie ermöglicht es, in der intellektuellen Anschauung
das Allgemeine im Besonderen bzw. das Unendliche im Endlichen
»zur lebendigen Einheit vereinigt zu sehen« (SW IV 361 f.).
»Die absolute, in Ideen gegründete Wissenschaft der Natur (die
Naturphilosophie)«, beobachtet Schelling, »ist demnach das Erste
und die Bedingung, unter welcher zuerst die empirische Naturlehre
an die Stelle ihres blinden Umherschweifens ein methodisches, auf
ein bestimmtes Ziel gerichtetes Verfahren setzen kann. Denn die Ge-
schichte der Wissenschaft zeigt, daß ein solches Konstruiren der Er-
scheinungen durch das Experiment, als wir gefordert haben, jederzeit
nur in einzelnen Fällen wie durch Instinkt geleistet worden ist, daß
also, um diese Methode der Naturforschung allgemein geltend zu
machen, selbst das Vorbild der Construktion in einer absoluten Wis-
senschaft erfordert wird. […] Wissenschaft der Natur ist an sich
selbst schon Erhebung über die einzelnen Erscheinungen und Pro-
dukte zur Idee dessen, worin sie eins sind und aus dem sie als gemein-
schaftlichem Quell hervorgehen. Auch die Empirie hat doch eine
dunkle Vorstellung von der Natur als einem Ganzen, worin Eines
durch Alles und Alles durch Eines bestimmt ist. Es hilft also nicht,
das Einzelne zu kennen, wenn man das Ganze nicht weiß. Aber eben
der Punkt, in welchem Einheit und Allheit selbst eines sind, wird nur
durch Philosophie erkannt, oder vielmehr die Erkenntniß von ihm ist
die Philosophie selbst.« 16

6. Die transzendentale Begründung der Naturphilosophie

In seinem ersten der Natur gewidmeten Werk, den Ideen zu einer


Philosophie der Natur als Einleitung in das Studium dieser Wissen-
schaft (1797), geht es Schelling um die Frage nach der »Möglichkeit
einer Natur« 17 überhaupt. Wie ist Natur überhaupt möglich? Wel-

16 F. W. J. Schelling, Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums, SW


V, S. 323 f.
17 F. W. J. Schelling: Ideen zu einer Philosophie der Natur als Einleitung in das Stu-

dium dieser Wissenschaft (1797), SW II, S. 11.

90
Die transzendentale Begründung der Naturphilosophie

ches ist die Funktion und was ist das Ziel der Naturphilosophie Schel-
lings? Warum nimmt die Naturphilosophie einen so besonderen Platz
in seinem transzendentalen Idealismus ein?
Das Zustandekommen dieser Frage selbst ist für ihn das Ergebnis
einer ursprünglichen Trennung, einer Entzweiung von Mensch und
Natur, mit der wesentlich die Entstehung der menschlichen Freiheit
verbunden ist. 18 Nach dem in der Aufklärung beliebten Modell pos-
tuliert Schelling die Wiedergewinnung der verlorenen ursprüng-
lichen Einheit von Mensch und Natur durch die Freiheit. Schelling
stellt sich die Frage, wie ein Ding eine Wirkung auf ein freies Wesen
haben kann, das selbst nicht Ding ist. Das System der Natur könne
nicht mechanizistisch erklärt werden, denn der lebendige Organis-
mus ist nicht Ursache oder Wirkung eines Dings außerhalb seiner
selbst, sondern er »produziert sich selbst, entspringt aus sich selbst« 19
in einer Bewegung, die stets zu sich selbst zurückkehrt. Wie für Kant
ist es auch für Schelling die Charakteristik des lebenden Organis-
mus, 20 Ursache und Wirkung seiner selbst zu sein, notwendige Wech-
selwirkung zwischen Teilen und Ganzem; das Leben »organisiert sich
selbst, d. h. es gründet sich auf einen Begriff«. 21
Die Natur ist eine »Odyssee des Geistes«, und indem sie sich
sucht, flieht sie vor sich selbst, während sie in Wirklichkeit jene ide-
elle Welt ist, die zwischen fortwährenden Schranken liegt. Die Natur-
philosophie ist ein Teil des zweiteiligen Systems, dessen anderer Teil
die Philosophie des Geistes ist. Schelling geht vom Objektiven aus,
um zur Subjektivität und zur Freiheit zu gelangen.
Mit der Schrift Ideen zu einer Philosophie der Natur als Ein-
leitung in das Studium dieser Wissenschaft beginnt die eigentliche
Naturphilosophie Schellings. In dieser Schrift formuliert Schelling
sowohl einen grundsätzlichen programmatischen Entwurf der Natur-
philosophie als auch die Idee der Naturphilosophie 22 im Allgemeinen.

18 Ebd., SW II, S. 12.


19
Ebd., SW II, S. 40.
20 Vgl. M. Boenke, Transformation des Realitätsbegriffs. Untersuchungen zur frühen

Philosophie Schellings im Ausgang von Kant, Stuttgart-Bad Cannstatt 1990 und vgl.
K. Gloy, »Die Naturauffassung bei Kant, Fichte und Schelling«, in: Realität und Ge-
wißheit, hrsg. von Helmut Girndt und Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien, Bd. 6,
Amsterdam/Atlanta 1994, S. 253–275.
21 F. W. J. Schelling, Ideen zu einer Philosophie der Natur als Einleitung in das Stu-

dium dieser Wissenschaft (1797), SW II, S. 41.


22 Vgl. M. Rudolphi, Produktion und Konstruktion. Zur Genese der Naturphiloso-

phie in Schellings Frühwerk, Stuttgart-Bad Cannstatt 2001.

91
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

In der Vorrede der Ideen zu einer Philosophie der Natur drückt er


seine Intention aus: »Mein Zweck (ist) nicht […], Philosophie auf
Naturlehre anzuwenden. Mein Zweck ist vielmehr, die Naturwissen-
schaft selbst erst philosophisch entstehen zu lassen, und meine Phi-
losophie ist selbst nichts anders als Naturwissenschaft. Es ist wahr,
daß uns Chemie die Elemente, Physik die Sylben, Mathematik die
Natur lesen lehrt; aber man darf nicht vergessen, daß es der Philoso-
phie zusteht, das Gelesene auszulegen.« 23 In der Vorrede der Ideen
spricht Schelling auch von dem vorläufigen Charakter der Naturphi-
losophie: »Was aber die Ausführung betrifft, so sagt der Titel schon,
daß diese Schrift kein wissenschaftliches System, sondern nur Ideen
zu einer Philosophie der Natur enthält. Man kann sie als eine Reihe
einzelner Abhandlungen über diesen Gegenstand betrachten.« 24
In der Schrift Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems der
Naturphilosophie oder über den Begriff der spekulativen Physik und
die innere Organisation eines Systems dieser Wissenschaft 25 geht
Schelling genauer auf das Verhältnis von Transzendental- und Natur-
philosophie ein. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist ihre Kom-
plementarität: 26 Nach Schelling sind sie zwei mögliche und notwen-
dige Gestaltungsformen ein und desselben identischen Prinzips.
»Wenn es nun Aufgabe der Transzendentalphilosophie ist, das
Reelle dem Ideellen unterzuordnen, so ist es dagegen Aufgabe der
Naturphilosophie, das Ideelle aus dem Reellen zu erklären: beide
Wissenschaften sind also Eine, nur durch die entgegengesetzten
Richtungen ihrer Aufgaben sich unterscheidende Wissenschaft; da
ferner beide Richtungen nicht nur gleich möglich, sondern gleich
nothwendig sind, so kommt auch beiden im System des Wissens glei-

23 F. W. J. Schelling, Ideen, SW II, S. 6.


24
Ebd., SW II, S. 4.
25 In Bezug auf »spekulative Physik« in Schellings Naturphilosophie vgl. H. Poser,

»Spekulative Physik und Erfahrung. Zum Verhältnis von Experiment und Theorie in
Schellings Naturphilosophie«, in: Schelling. Seine Bedeutung für eine Philosophie der
Natur und der Geschichte, hrsg. von Ludwig Hasler, Stuttgart-Bad Cannstatt 1981,
S. 129–138.
26 Vgl. D. Engelhardt, »Prinzipien und Ziele der Naturphilosophie Schellings. Situa-

tion um 1800 und spätere Wirkungsgeschichte«, in: Schelling. Seine Bedeutung für
eine Philosophie der Natur und der Geschichte, hrsg. von Ludwig Hasler, Stuttgart-
Bad Cannstatt 1981, S. 77–98; vgl M. L. Heuser-Keßler, Die Produktivität der Natur.
Schellings Naturphilosophie und das neue Paradigma der Selbstorganisation in den
Naturwissenschaften, Berlin 1986.

92
Die Unterschiede zwischen Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

che Nothwendigkeit zu«. 27 Transzendental- und Naturphilosophie


sind Modifikationen der unbedingten Produktivität, die Schelling
für das identische Prinzip hält: Die Transzendentalphilosophie ist be-
wusste und freie Produktivität des Geistes, dagegen ist die Naturphi-
losophie bewusstlose und blinde Produktivität der Natur. Ihre Einheit
besteht im identischen Prinzip der unbedingten Produktivität, ihre
Differenz besteht in den jeweiligen Modi und Richtungen der Pro-
duktivität.

7. Die Unterschiede zwischen Naturphilosophie und


Transzendentalphilosophie in Von der Weltseele

Die Naturphilosophie Schellings nimmt die Natur zum Ausgangs-


punkt, um zum Geist zu gelangen. Im Unterschied zu Fichte hat bei
Schelling die Natur ein eigenständiges Wesen, ohne jedoch als Me-
chanismus, der im Kontrast zum Geist steht, betrachtet zu werden.
Die Natur ist hingegen ein lebendiger Organismus, der von der all-
umfassenden »Weltseele« platonischen Ursprungs getragen wird. Die
Einheit der Natur ist nicht statisch, sondern dynamisch: Es handelt
sich um eine Einheit von Gegensätzen.
Im Jahre 1798 legt Schelling das Werk Von der Weltseele, eine
Hypothese der höheren Physik zur Erklärung des allgemeinen Orga-
nismus. Nebst einer Abhandlung über das Verhältniß des Realen und
Idealen in der Natur oder Entwicklung der ersten Grundsätze der
Naturphilosophie an den Principien der Schwere und des Lichts vor.
Schelling beschreibt hier die Natur als das Ergebnis zweier entgegen-
gesetzter Kräfte. Es gibt eine positive Kraft der Natur, die Bewegung
hervorruft und erhält, und eine negative Kraft, die alle Erscheinun-
gen »in den ewigen Kreislauf zurückdrängt«. 28 Diese beiden einander
entgegengesetzten Kräfte stellen für Schelling eine Einheit dar. In der
Natur besteht eine ursprüngliche Anlage zur Organisation, ohne die
es keinerlei Kohäsion, sondern nur formlose Materie gäbe. 29 Sie zeigt
sich als »allgemeine Bildungskraft«, 30 die jedem lebendigen Organis-
mus zugrunde liegt.

27 Einl. Entwurf, SW III 272 f.


28
F. W. J. Schelling, Weltseele, SW II, S. 381.
29 Ebd., SW II, S. 565.
30
Ebd., SW II, S. 566.

93
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

In Von der Weltseele wird die Natur vor allem als Tätigkeit, krea-
tive Spontaneität und Erzeugerin von Formen und Ereignissen erläu-
tert, die sich durch unendliche und unaufhörliche Dynamik auszeich-
net. Aber wie äußert sich und auf was basiert diese dynamische
Tatkraft der Natur? Sie äußert und manifestiert sich in einer Polarität
von entgegengesetzten Kräften: der negativen Kraft (Repulsion; Ab-
stoßung) und der positiven Kraft (Anziehung). Aus beiden resultiert
die Geschichte der Natur, die drei Stufen, drei reelle Kräfte aufweist:
Die erste Stufe ist die Stufe der Materie oder der Realität. Es handelt
sich um die unorganische Stufe: Magnetismus, Elektrizität und Che-
mismus. In diesem Zusammenhang nutzt Schelling die neuesten wis-
senschaftlichen Entdeckungen seiner Zeit von Galvani, Volta und La-
voisier, um eine »spekulative Physik« auszuarbeiten. 31 Die zweite
Stufe ist die Stufe des Lichts; dieses ist die Manifestation oder Ema-
nation der Natur als Idealität. Die dritte Stufe ist die Stufe des Orga-
nismus oder der Einheit, die Synthese von Realität und Idealität, an
deren Spitze der Mensch steht. Die Charakteristiken (Polarität, Fina-
lität, Einheit und Totalität) der Natur gründen auf der Weltseele, die
den Organismus vereinheitlicht; durch diese Stufen wird die Natur
sich im Menschen ihrer selbst bewusst. Die Naturphilosophie geht
von der Objektivität aus und durchläuft die natürlichen Zustände.
Sie verweist auf die Erscheinung des Menschen und auf die Mani-
festation der Vernunft, die jede Stufe der Realität begründet. Die
Transzendentalphilosophie ist zur Naturphilosophie komplementär
und befasst sich nicht nur mit der beobachtenden Vernunft und der
Philosophie, die im weitesten Sinne abstrakt und spekulativ ist, son-
dern auch mit dem Selbstbewusstsein und mit der Vernunft, die im
Leben verwurzelt ist. Die Subjektivität wird sich, indem sie sich selbst
bestimmt, schrittweise ihrer Produktivität bewusst. Beide, Naturphi-
losophie und Transzendentalphilosophie, heben hervor, dass das Wis-
sen seinen Inhalt selbst produziert. Erstere zeigt, dass die lebendige
Realität ein empfindsamer Organismus ist, der auch sein eigenes Ab-
bild hervorbringt, also das Wissen von sich selbst. Letztere, die Trans-
zendentalphilosophie, macht die Selbstrealisierung des Geistes in der

31Vgl. R. Lauth, »Die Genese von Schellings Konzeption einer rein aprioristischen
spekulativen Physik und Metaphysik aus der Auseinandersetzung mit Le Sages spe-
kulativer Mechanik«, in: Kant-Studien 75 (1984), S. 76; vgl. B. O. Küppers, Natur als
Organismus. Schellings frühe Naturphilosophie und ihre Bedeutung für die moderne
Biologie, Frankfurt am Main 1992, S. 73.

94
Die Unterschiede zwischen Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

Erschaffung des natürlichen Lebens sichtbar, welches sich nach einem


bestimmten Gesetz behauptet. Im Unterschied zur Naturphilosophie
geht das System des transzendentalen Idealismus vom Geist aus, um
zur Natur zu gelangen. Aus dieser Sicht ist die erste sichere Tatsache
das Ich. Das Problem ist, zu wissen, wie man vom Ich zur Natur ge-
langt; und wie es möglich ist, zum »Nicht-Ich« 32 Fichtes zu gelangen.
Vor diesem Horizont bemerkt man den Einfluss Fichtes auf
Schellings Begründung, warum das Ich etwas, was außer ihm liegt,
produziert und warum der Geist sich in der Natur manifestiert. Der
Grund ist, dass sich der Geist nur in der Endlichkeit der Natur reali-
siert. In diesem Zusammenhang unterscheidet Schelling auf synthe-
tische Art und Weise zwei Tätigkeiten des Ichs: eine reelle und eine
ideelle Tätigkeit. Die reelle Tätigkeit basiert auf der Anschauung und
ist durch eine Anschauung charakterisiert, die aktiv, aber unbewusst
ist. Das Ich bringt mit ihr das endliche Objekt hervor (analog zur
produktiven Vorstellung von Fichte). Die ideelle Tätigkeit liegt in
der Reflexion der bewussten Tätigkeit des Objekts, mit der unsere
Subjektivität das Objekt außerhalb der Schranken des subjektiven
Ichs schrittweise als andersartig entdeckt. Diese Reflexion muss, um
das Bewusstsein der Identität von Subjekt und Objekt, Geist und
Natur, Ideellem und Realem, Bewusstem und Unbewusstem zu er-
langen, mehrere Stufen durchlaufen: von der untersten, der Empfin-
dung, die durch Vielfältigkeit und Passivität gekennzeichnet ist, über
die Intelligenz, die durch ihre Einheit und Tätigkeit eine höhere Stufe
bildet, bis zur ästhetischen intellektuellen Anschauung, der höchsten
Stufe, die absolute Spontaneität in der Einheit bedeutet. 33
Aus dieser Perspektive ist das Wissen der transzendentalen Phi-
losophie ein Wissen, das sich jener Produktivität des Geistes bewusst
ist. Es ist in der intellektuellen Anschauung begründet. »Wenn es also
eine Transzendental-Philosophie gibt, so bleibt ihr nur die entgegen-
gesetzte Richtung übrig, vom Subjektiven als vom Ersten und Abso-

32 Vgl. I. Görland, Die Entwicklung der Frühphilosophie Schellings in der Auseinan-


dersetzung mit Fichte, Frankfurt am Main: Klostermann 1973; R. Lauth, Die Entste-
hung von Schellings Identitätsphilosophie in der Auseinandersetzung mit Fichtes
Wissenschaftslehre, Freiburg/München: Alber 1975; vgl. J. Hennigfeld, »Schellings
Identitätssystem von 1801 und Fichtes Wissenschaftslehre«, in: Fichte und die Ro-
mantik. Hölderlin, Schelling, Hegel und die späte Wissenschaftslehre, hrsg. von
Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien, Bd. 12, Amsterdam/Atlanta 1997, S. 235–246.
33 Vgl. W. G. Jacobs, »Schelling im Deutschen Idealismus. Interaktionen und Kontro-

versen«, in: Schelling, hrsg. von H. J. Sandkühler, Stuttgart/Weimar 1998.

95
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

luten auszugehen und das Objektive aus ihm entstehen zu lassen. In


die beiden möglichen Richtungen der Philosophie haben sich also
Natur- und Transzendental-Philosophie geteilt, und wenn alle Philo-
sophie darauf ausgehen muß, entweder aus der Natur eine Intelli-
genz, oder aus der Intelligenz eine Natur zu machen, so ist Transzen-
dental-Philosophie, welche diese letztere Aufgabe hat, die andere
notwendige Grundwissenschaft der Philosophie.« 34

8. Der Begriff des Transzendentalen in Schellings Idealismus.


Von der Notwendigkeit und Beschaffenheit eines
höchsten Prinzips des Wissens

Als Schelling im Winter 1799/1800 das System verfasste – er war


25 Jahre alt –, hatte er schon eine bemerkenswerte philosophische
Produktion hinter sich: Man denke nur an die Texte Vom Ich, die
Philosophischen Briefe, die Ideen und die Weltseele, die Goethe,
Novalis und Schlegel zu Fragen, Diskussionen und Beobachtungen
veranlassten und eine Auseinandersetzung mit den neuesten philoso-
phischen, kulturellen und wissenschaftlichen Theorien der Zeit be-
inhalteten.
»Das transzendentale Wissen ist ein Wissen des Wissens, inso-
fern es rein subjektiv ist.« 35 Mit diesen Worten definiert Schelling das
transzendentale Wissen in der Einleitung zum System des transzen-
dentalen Idealismus. Was bedeutet das Wissen des Wissens? Vor wel-
chem semantischen Horizont ist es möglich, ein Wissen des Wissens
zu definieren und zu postulieren? Welche Funktion und welche Be-
deutung hat das Transzendentale im Idealismus 36 Schellings? Warum
ist es in seinem Idealismus so wichtig?
Im ersten Abschnitt (Von der Notwendigkeit und Beschaffenheit
eines höchsten Prinzips des Wissens) des ersten Hauptabschnitts
(Vom Prinzip des transzendentalen Idealismus) analysiert Schelling
das Konzept »Wissen des Wissens« und stellt eine philosophisch-

34 F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 16.


35 Ebd., S. 19.
36 Vgl. B. Sandkaulen, »Was heißt Idealismus? Natur- und Transzendentalphilosophie

im Übergang zur Identitätsphilosophie. Schellings Systemskizze vom 19. 11. 1800«,


in: Grundlegung und Kritik. Der Briefwechsel zwischen Schelling und Fichte 1794–
1802, hrsg. von Jörg Jantzen, Thomas Kisser und Hartmut Traub, Fichte-Studien,
Bd. 25, Amsterdam/New York 2005, S. 57–69.

96
Der Begriff des Transzendentalen in Schellings Idealismus

semantische Verbindung zwischen dem Transzendentalen, dem »Wis-


sen des Wissens« und der Bestimmung eines höchsten Prinzips des
Wissen her.
»Nun ist aber offenbar, dass, wenn es nicht eine absolute Grenze
des Wissens – etwas gäbe, das uns, selbst ohne daß wir uns seiner
bewußt sind, im Wissen absolut fesselt und bindet und das uns, in-
dem wir wissen, nicht einmal zum Objekt wird, eben deswegen, weil
es Prinzip alles Wissens ist – daß es alsdann überhaupt nie zu einem
Wissen, nicht einmal zu einem Einzelnen kommen könnte.« 37 Laut
Schelling setzt »das eigentliche Wissen ein Zusammentreffen von
Entgegengesetztem voraus, dessen Zusammentreffen nur ein Ver-
mitteltes sein kann. Es muß also etwas allgemein Vermittelndes in
unserem Wissen geben, was einziger Grund des Wissens ist.« 38
Da jedes wahre System den Grund seines Bestehens in sich
selbst haben muss, so muss, wenn es ein System des Wissens gibt,
das »Prinzip desselben innerhalb des Wissens selbst liegen«. 39 Dieses
Prinzip ist »mittelbar oder indirekt Prinzip jeder Wissenschaft, aber
unmittelbar und direkt nur Prinzip der Wissenschaft alles Wissens,
oder der Transzendental-Philosophie. Durch die Aufgabe, eine Wis-
senschaft des Wissens, d. h. eine solche, welche das Subjektive zum
Ersten und Höchsten macht, aufzustellen, wird man also unmittelbar
auf ein höchstes Prinzip alles Wissens getrieben.« 40 Worin besteht
dieses höchste Prinzip des Wissens? Wie kann man es bestimmen?
Mittels welcher Methode kann die Transzendentalphilosophie das
höchste Prinzip des Wissens definieren?
Der »Transzendental-Philosoph fragt nicht: welcher letzte
Grund unseres Wissens mag außer demselben liegen, sondern: was
ist das Letzte in unserem Wissen selbst, über das wir nicht hinaus-
können. Er sucht das Prinzip des Wissens innerhalb des Wissens (es
ist also selbst etwas, das gewußt werden kann). Die Behauptung, es
gibt ein höchstes Prinzip des Wissens, ist nicht wie die, es gibt ein
absolutes Prinzip des Seins, eine positive, sondern eine negative, ein-
schränkende Behauptung, in der nur so viel liegt: es gibt irgendein
Letztes, von welchem alles Wissen sich anfängt, und jenseits dessen
kein Wissen ist. Da der Transzendental-Philosoph überall nur das

37 F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 28.


38
Ebd., S. 27.
39 Ebd.
40
Ebd., S. 28.

97
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

Subjektive sich zu m Objekt macht, so behauptet er auch nur, daß es


subjektiv, das heißt, daß es für uns irgend ein erstes Wissen gebe; ob
es, abstrahiert von uns, jenseits dieses ersten Wissens noch überhaupt
etwas gebe, kümmert ihn vorerst gar nicht, und darüber muß die
Folge entscheiden.« 41
Dieses »erste Wissen ist für uns nun ohne Zweifel das Wissen
von uns selbst oder das Selbstbewußtsein. Wenn der Idealist dieses
Wissen zum Prinzip der Philosophie macht, so ist dies der Be-
schränktheit seiner ganzen Aufgabe gemäß, die außer dem Subjekti-
ven des Wissens nichts zum Objekt hat. Daß das Selbstbewußtsein
der feste Punkt sei, an den für uns alles geknüpft ist, bedarf keines
Beweises.« 42 Vor diesem Hintergrund ist die Transzendentalphiloso-
phie »nichts anderes als ein beständiges Potenzieren des Ichs; ihre
ganze Methode besteht darin, das Ich von einer Stufe der Selbst-
anschauung zur anderen bis dahin zu führen, wo es mit allen den
Bestimmungen gesetzt wird, die im freien und bewußten Akt des
Selbstbewußtseins enthalten sind«. 43

9. Was heißt anschauen? Empirische Anschauung und


intellektuelle Anschauung

Schelling kritisiert sowohl das theoretische Wissen als auch das prak-
tische. Die Philosophie kann nicht auf einer theoretischen oder prak-
tischen Vernunft gründen, da beide den Dualismus von Subjekt und
Objekt, Geist und Natur voraussetzen. Die Philosophie geht aus der
Reflexion hervor, aus der Entzweiung vom Absoluten als ursprüng-
licher Identität. 44 Wenn aber keine Form von Reflexion ein Organon
der Philosophie sein kann, ist es notwendig, einen neuen Horizont für
die Philosophie zu finden. Dieser Horizont basiert auf einer subjekti-
ven Tätigkeit, die zugleich rezeptiv und produktiv ist. Das Wissen
muss ein unmittelbares sein, qualitativ frei, und es soll sich grund-
sätzlich von dem theoretischen Wissen unterscheiden, das nicht frei

41 Ebd., S. 29.
42 Ebd.
43 Ebd., S. 124.

44 Zur Analyse der Identitätsphilosophie in Schellings System des transzendentalen

Idealismus vgl. X. Tilliette, »Schelling an der Furt der Identitätsphilosophie«, in:


Transzendentalphilosophie als System. Die Auseinandersetzung zwischen 1794 und
1806, hrsg. von Albert Mues, Hamburg 1989, S. 396–407.

98
Was heißt anschauen?

ist, weil es von den individuellen Darstellungen der Objekte abhängt.


Um frei zu sein, muss das Wissen sein eigenes Objekt hervorbringen,
also eine perfekte Identität von Sein und Darstellung realisieren; es
muss eine Form der Anschauung sein. Aber was versteht man unter
Anschauung? Was bedeutet anschauen? Warum hat die Anschauung
eine solch besondere Funktion in der Philosophie Schellings?
Unter Anschauung versteht Schelling ein Wissen, das auf der
Unmittelbarkeit und der Simultaneität des intellektuellen und intui-
tiven Aktes beruht. Dieser Akt bedarf keiner Demonstration, die ihm
auch nicht möglich ist, weil jede Demonstration eine Intuition vo-
raussetzt und etwas unmittelbar Gegebenes beinhaltet. Das Organon
der Philosophie kann nicht irgendeine Anschauung sein, sondern
sollte sich eindeutig von der empirischen Anschauung unterscheiden.
Letztere bringt nämlich, wie die Erfahrung zeigt, ihr eigenes Objekt
nicht hervor, sondern setzt es vielmehr voraus. Es muss also eine
intellektuelle Anschauung sein, in der das Anschauen und die Intui-
tion zusammenfallen. Die Tätigkeit des Bewusstseins erfährt sich im
eigenen Handeln und realisiert so tatsächlich das Selbstbewusstsein.
Weil die intellektuelle Anschauung den Akt des Selbstbewusstseins, 45
der die Entwicklung des Ichs beinhaltet, zum Ausdruck und zur Gel-
tung bringt, ist sie der Angelpunkt, der den Grund und die Voraus-
setzung des transzendentalen Idealismus bildet.
Vor diesem Hintergrund ist Schelling der kantischen Definition
der Anschauung gegenüber sehr kritisch. Nach Kant ist die Anschau-
ung die Vorstellung, die als eine wirkliche Erkenntnis mit der Erfah-
rung verbunden ist, in der das Objekt gegeben ist. Kant stellt die
Anschauung dem Denken einerseits, dem bloßen Empfinden ander-
seits gegenüber.
Die Anschauung ist für Kant ein Zustand der Rezeptivität des
Bewusstseins: »intuitus nempe mentis nostrae semper est passi-
vus.« 46 Die Anschauung ist »eine Vorstellung, so wie sie unmittelbar

45 Zur Korrelation zwischen der intellektuellen Anschauung und dem Akt des Selbst-
bewusstseins vgl. G. Römpp, »Sich-Wissen als Argument. Zum Problem der Theo-
retizität des Selbstbewusstseins in Schellings System des transzendentalen Idealis-
mus«, in: Kant-Studien 80 (1989), S. 303–323; vgl. D. Sturma, »Grund und Grenze.
Erträge der idealistischen und analytischen Philosophie des Selbstbewusstseins«, in:
Deutscher Idealismus und die analytische Philosophie der Gegenwart. Internationa-
les Jahrbuch des Deutschen Idealismus, Bd. 3, Berlin/New York: de Gruyter 2005,
S. 38–58.
46
I. Kant, De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis, I, § 10.

99
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

von der Gegenwart des Gegenstandes abhängen würde«, 47 mithin


eine »Vorstellung, die vor allem Denken gegeben sein kann«. 48 Sie
enthält nur die Art, »wie wir von Gegenständen affiziert werden«,
beruht auf Affektion. Anschauung und Begriff sind »ganz verschie-
dene Vorstellungsarten, und erstere ist nicht eine verworrene Er-
kenntnis.« 49 »Der Verstand vermag nichts anzuschauen und die Sinne
vermögen nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann
Erkenntnis entspringen. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschau-
ungen ohne Begriffe sind blind.« 50 Die Anschauung muss, um Er-
kenntnis zu verschaffen, erst kategorial verarbeitet werden. Empi-
risch ist sie, wenn »Empfindung darin enthalten ist« oder wenn sie
sich »auf den Gegenstand durch Empfindung bezieht«. Die reine An-
schauung enthält »lediglich die Form, unter welcher etwas vorgestellt
wird«, sie ist eins mit der Anschauungsform, die a priori, auch ohne
einen wirklichen Gegenstand der Sinne oder Empfindung, als eine
bloße Form der Sinnlichkeit im Gemüte stattfindet.
In diesem semantischen Horizont unterscheidet Kant die empi-
rische von der intellektuellen Anschauung. Die empirische Anschau-
ung ist die eines endlichen und begrenzten denkenden Seins, dem das
Objekt den reinen Formen der Rezeptivität des Subjekts entsprechend
gegeben ist. Kant versteht unter intellektueller Anschauung eine
schöpferische, Objekte setzende (nicht bloß nachbildende) Intuition.
»Divinus autem intuitus, qui obiectorum est principium, non princi-
patum, cum sit independens, est archetypus et propterea perfecte in-
tellectualis.« 51 Die intellektuelle Anschauung ist hingegen ursprüng-
lich und kreativ. Das Objekt existiert für sie, ist für sie geschaffen
worden; es ist vom Schöpfer, von Gott, gegeben worden. Die intellek-
tuelle Anschauung ist, mit anderen Worten, die göttliche Anschau-
ung der traditionellen Philosophie. Die Präsenz des Objektes ist in
dieser Anschauung unvermeidbar, weil das Objekt von der Anschau-
ung selbst geschaffen wurde. Diese kantische Unterscheidung wurde
in der Romantik beibehalten; jedoch nur mit dem Ziel, die intellektu-
elle oder kreative Anschauung auf den Menschen statt, wie in der
Antike, auf Gott zurückzuführen. Die menschliche Erkenntnis ist

47 I. Kant, Prolegomena, § 8.
48 I. Kant, KrV, B 132.
49
I. Kant, Fortschritte der Metaphysik, S. 120.
50 I. Kant, KrV, B 76.
51
I. Kant, De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis, II, § 10.

100
Was heißt anschauen?

für die Romantiker dieselbe Art von Erkenntnis, durch die der abso-
lute Geist oder der Schöpfer sich selbst erkennt oder in der er ein
Aspekt oder ein Moment ist.
Im Unterschied zu Kant vertritt Schelling die Auffassung, dass
die Transzendentalphilosophie immer von der intellektuellen An-
schauung begleitet sein muss und dass das Ich eine fortlaufende in-
tellektuelle Anschauung ist, weil es sich selbst erschafft. Schelling
zufolge ist Philosophie ohne intellektuelle Anschauung nicht mög-
lich. »Uns allen wohnt ein geheimes, wunderbares Vermögen bei,
uns aus dem Wechsel der Zeit in unser innerstes, von allem, was von
außen her hinzukam, entkleidetes Selbst zurückzuziehen und da un-
ter der Form der Unwandelbarkeit das Ewige anzuschauen; diese An-
schauung ist die innerste, eigenste Erfahrung, von welcher allein alles
abhängt, was wir von einer übersinnlichen Welt wissen und glau-
ben.« 52 Diese intellektuelle Anschauung ist das Vermögen, »gewisse
Handlungen des Geistes zugleich zu produzieren und anzuschauen,
so daß das Produzieren des Objekts und das Anschauen selbst absolut
eins ist«. 53 Sie ist »der Punkt, wo das Wissen und das Absolute und
das Absolute selbst eins sind«. 54
Aus dieser Perspektive ist die intellektuelle Anschauung 55 nach
Schelling die Transformation der Subjektivität in eine höhere Tätig-
keits- und Wissensform, in der das Bewusste und das Unbewusste
sich decken und die Kontraposition von Subjekt und Objekt aufgeho-
ben wird. Die Existenz der Anschauung ist die Garantie, dass die Phi-
losophie ihre Aufgabe erfüllen kann. »Die ganze Philosophie geht
aus, und muß ausgehen von einem Prinzip, das als das absolute Prin-
zip auch zugleich das schlechthin Identische ist. Ein absolut Einfaches,
Identisches läßt sich nicht durch Beschreibung, überhaupt nicht
durch Begriffe auffassen oder mitteilen. Es kann nur angeschaut wer-
den. Eine solche Anschauung ist das Organon aller Philosophie. Aber
diese Anschauung, die nicht eine sinnliche, sondern eine intellektuel-

52 F. W. J. Schelling, Briefe über Dogmatismus und Kritizismus, I, S. 318.


53 F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 43.
54 F. W. J. Schelling, Darstellung meines Systems der Philosophie, IV, S. 361.

55 Vgl. S. Peetz, »Voraussetzung und Status der intellektuellen Anschauung in Schel-

lings System des transzendentalen Idealismus«, in: System als Wirklichkeit: 200 Jahre
Schellings System des transzendentalen Idealismus, hrsg. von Christian Danz, Claus
Dierksmeier und Christian Seysen, Kritisches Jahrbuch der Philosophie, Bd. 6, Würz-
burg 2001, S. 23–39.

101
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

le ist, die nicht das Objektive oder das Subjektive, sondern das absolut
Identische, an sich weder Subjektive noch Objektive, zum Gegen-
stand hat, ist selbst bloß eine innere, die für sich selbst nicht wieder
objektiv werden kann: sie kann objektiv werden nur durch eine zweite
Anschauung. Diese zweite Anschauung ist die ästhetische.« 56 Aber
wie kann man nachweisen, dass die ästhetische Anschauung wirklich
existiert und dass sie kein unbeweisbares Postulat ist? Gerade dieses
Problem bringt Schelling dazu, eine tiefe Bindung zwischen Kunst
und Philosophie einzuführen: Die Kunst bildet mit ihrer Essenz und
Reinheit den Höhepunkt des Lebens des Geistes.

10. Intellektuelle Anschauung, ästhetische Anschauung und


produktive Anschauung in Schellings System des
transzendentalen Idealismus

Im System des transzendentalen Idealismus legt Schelling dar, dass


die Kunst das einzige wahre und ewige Organon der Philosophie ist.
»Die Kunst ist das einzige wahre und ewige Organon zugleich und
Dokument der Philosophie, welches immer und fortwährend aufs
neue beurkundet, was die Philosophie äußerlich nicht darstellen
kann, nämlich das Bewußtlose im Handeln und Produzieren und sei-
ne ursprüngliche Identität mit dem Bewußten.« 57
Vor diesem Horizont bildet sich eine tiefe Verbindung zwischen
Kunst und Philosophie. Die Kunst ist der Höhepunkt des Lebens des
Geistes, weil nur das Kunstwerk das konkrete, äußerliche und reale
Zeugnis der Möglichkeit ist, den Dualismus von Geist und Natur zu
überwinden. Das erste Ziel der intellektuellen Anschauung 58 ist es,
die Geschichte des Selbstbewusstseins zu rekonstruieren, in deren
Verlauf die intellektuelle Anschauung die volle Übereinstimmung
von bewusst und unbewusst, von Subjekt und Objekt, von Freiheit
und Notwendigkeit realisiert. Die Tätigkeit der intellektuellen An-
schauung ist nur dem Genie möglich, das beim Hervorbringen eines
Kunstwerks einen Sinn für die unendliche Harmonie hat. Die Schön-

56 F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 299.


57 Ebd., S. 301.
58
Vgl. M. Vater, »Intellectual Intuition in Schelling’s Philosophy of Identity 1801–
1804«, in: Schelling. Zwischen Fichte und Hegel, hrsg. von Christoph Asmuth, Alfred
Denker und Michael Vater, Amsterdam/Philadelphia 2000, S. 213–234.

102
Intellektuelle Anschauung, ästhetische Anschauung und produktive Anschauung

heit macht mit ihrer ursprünglichen Reinheit den Charakter eines


vollendeten Werks aus, in dem das Unendliche ausgedrückt wird.
In diesem Zusammenhang unterscheidet Schelling drei grund-
legende Bedeutungen von Anschauung: a) die produktive Anschau-
ung; b) die intellektuelle Anschauung; c) die ästhetische Anschauung.
In der theoretischen Philosophie ist die produktive Anschauung
die Tätigkeit, die den fortwährenden Zustand der Expansion und der
Kontraktion des Ichs bewirkt; dessen Bedingung der Möglichkeit ist
die absolute Kontraktion. Im Gegensatz hierzu ist die intellektuelle
Anschauung, indem sie den Akt des Selbstbewusstseins, der das Ich
hervorbringt, repräsentiert, die Grundlage und Voraussetzung des
transzendentalen Idealismus. 59
Das Selbstbewusstsein ist der Grund des gesamten philosophi-
schen Systems. Es ist der absolute Akt, durch den jedes Ding dem Ich
gegeben ist. Seine fortlaufende Geschichte ist mit der Geschichte der
Philosophie identisch. Aus dieser Perspektive ist die ästhetische An-
schauung die objektiv gewordene intellektuelle Anschauung, und
dies erlaubt es der Kunst, das Organon der Philosophie zu sein. Wenn
die ästhetische Anschauung nicht als eine transzendentale Anschau-
ung, die objektiv geworden ist, angesehen wird, versteht es sich von
selbst, dass die Kunst das einzige und ewige Organon der Philosophie
ist. Nur sie bezeugt das, was die Philosophie nicht nach außen reprä-
sentieren kann, nämlich das Unbewusste im Erschaffen und Hervor-
bringen und dessen ursprüngliche Identität mit dem Bewussten. »Die
Kunst ist eben deswegen dem Philosophen das Höchste, weil sie ihm
das Allerheiligste gleichsam öffnet, wo in ewiger und ursprünglicher
Vereinigung gleichsam in Einer Flamme brennt, was in der Natur und
Geschichte gesondert ist, und was im Leben und Handeln, ebenso wie
im Denken, ewig sich fliehen muß. Die Ansicht, welche der Philosoph
von der Natur künstlich sich macht, ist für die Kunst die ursprüng-
liche und natürliche. Was wir Natur nennen, ist ein Gedicht, das in
geheimer wunderbarer Schrift verschlossen liegt. Doch könnte das
Rätsel sich enthüllen, würden wir die Odyssee des Geistes darin er-
kennen, der wunderbar getäuscht, sich selber suchend, sich selber

59 Vgl. H. M. Baumgartner, »Der spekulative Ansatz in Schellings System des trans-


zendentalen Idealismus«, in: Transzendentalphilosophie und Spekulation. Der Streit
um die Gestalt einer Ersten Philosophie (1799–1807), hrsg. von Walter Jaeschke,
Hamburg 1993, S. 127–143; vgl. Perspektiven der Tranzendentalphilosophie im An-
schluß an die Philosophie Kants, hrsg. von André Giorgi und Reinhard Hiltscher,
Freiburg/München: Alber 2002, S. 55.

103
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

flieht; denn durch die Sinnenwelt blickt nur wie durch Worte der
Sinn, nur wie durch halbdurchsichtigen Nebel das Land der Phanta-
sie, nach dem wir trachten. Jedes herrliche Gemälde entsteht dadurch
gleichsam, daß die unsichtbare Scheidewand aufgehoben wird, welche
die wirkliche und idealische Welt trennt, und ist nur die Öffnung,
durch welche jene Gestalten und Gegenden der Phantasiewelt, welche
durch die wirkliche nur unvollkommen hindurchschimmert, völlig
hervortreten. Die Natur ist dem Künstler nicht mehr, als sie dem Phi-
losophen ist, nämlich nur die unter beständigen Einschränkungen er-
scheinende idealische Welt, oder nur der unvollkommene Wider-
schein einer Welt, die nicht außer ihm, sondern in ihm existiert.« 60
Schelling zufolge ist ein System vollendet, wenn es auf sein An-
fangsstadium zurückgeführt worden ist. »Ein System ist vollendet,
wenn es in seinen Anfangspunkt zurückgeführt ist. Aber eben dies
ist der Fall mit unserem System. Denn eben jener ursprüngliche
Grund aller Harmonie des Subjektiven und Objektiven, welcher in
seiner ursprünglichen Identität nur durch die intellektuelle Anschau-
ung dargestellt werden konnte, ist es, welcher durch das Kunstwerk
aus dem Subjektiven völlig herausgebracht und ganz objektiv gewor-
den ist, dergestalt, daß wir unser Objekt, das Ich selbst, allmählich bis
auf den Punkt geführt, auf welchem wir selbst standen, als wir anfin-
gen zu philosophieren.« 61

11. Kunst und Philosophie über die Grenzen der Vernunft:


Philosophie der Kunst und Philosophie der Offenbarung

Die Kunst ist der Schlüssel des gesamten transzendentalen Idealis-


mus von Schelling. Die Kunst bringt die Wahrheit, die absolute Iden-
tität von Bewusstem und Unbewusstem, von Freiheit und Notwen-
digkeit hervor. Die Kunst ist für den Philosophen das Höchste, das
Tiefste und das Erhabenste in der menschlichen Erkenntnis. »Die
Kunst ist eben deswegen dem Philosophen das Höchste, weil sie ihm
das Allerheiligste gleichsam öffnet, wo in ewiger und ursprünglicher
Vereinigung gleichsam in Einer Flamme brennt, was in der Natur und
Geschichte gesondert ist, und was im Leben und Handeln, ebenso wie

60 F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 302.


61
Ebd., S. 303.

104
Kunst und Philosophie über die Grenzen der Vernunft

im Denken, ewig sich fliehen muß.« 62 Mit dieser Bedeutungs-


zuschreibung wird die Überlegenheit der Kunst gegenüber der theo-
retischen und praktischen Philosophie klargestellt und ihre Funktion
der Transzendentalphilosophie gegenüber bestimmt: nämlich über
die Schranken der Vernunft hinauszugehen.
In der theoretischen Philosophie erscheinen die Objekte als un-
veränderlich, und auch die Vorstellungen scheinen von ihnen be-
stimmt zu sein. Die Welt erscheint als wohlbestimmtes Außen. In
der praktischen Philosophie hingegen erscheinen die Objekte durch
unsere Subjektivität als veränderlich. Es handelt sich also um einen
Widerspruch (wenigstens scheint es so), weil im ersten Fall eine Herr-
schaft der sinnlichen Welt über den Gedanken und im zweiten Falle
eine Vorherrschaft des Gedankens (über das Ideale) postuliert wird.
Man könnte meinen, dass man auf die Praxis verzichten müsste, um
eine theoretische Sicherheit zu haben; und um eine praktische Sicher-
heit zu haben, müsste man die Theorie beiseitelegen.
Nach Schelling muss man sich auf die Identität und die Einheit
von Bewusstem und Unbewusstem beziehen. Es handelt sich hierbei
um etwas Tiefergehendes als die prästabilierte Harmonie, von der
Leibniz sprach, da die Identität im Prinzip selbst liegt. Es handelt sich
um eine Tätigkeit, die bewusst und zugleich unbewusst ist und des-
wegen sowohl im Geist als auch in der Natur, die alle Dinge hervor-
bringt, präsent ist. Diese »bewusst-unbewusste« Tätigkeit ist die äs-
thetische Tätigkeit. Sowohl die Produkte des Geistes als auch die der
Natur rühren von dieser Tätigkeit her: Die Kombination des einen
mit dem anderen (des Bewussten mit dem Unbewussten) konstituiert
die reelle Welt, sofern sie sich ohne Bewusstsein vollzieht; sofern sie
sich hingegen mit Bewusstsein vollzieht, konstituiert sie die ästheti-
sche (und geistige) Welt. Die objektive Welt ist die primitive Poesie,
die sich des Geistes nicht bewusst ist: Das ist die Philosophie der
Kunst. 63 Die Kombination von Bewusstem und Unbewusstem bringt
die reale Welt hervor; zusammen mit dem Bewusstsein entsteht die

62 Ebd., S. 302.
63 Zur Verbindung zwischen Philosophie der Kunst und Schellings System des trans-
zendentalen Idealismus vgl. T. Kisser, »Wie kann eine allgemeine Theorie der Wirk-
lichkeit ihre eigene Wahrheit zeigen? Bemerkungen und Fragen zu Struktur und
Funktion der Kunst in Schellings System des transzendentalen Idealismus«, in:
Grundlegung und Kritik. Der Briefwechsel zwischen Schelling und Fichte 1794–1802,
hrsg. von Jörg Jantzen, Thomas Kisser und Hartmut Traub, Fichte-Studien, Bd. 25,
Amsterdam/New York 2005, S. 133–150.

105
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

ästhetische Erkenntnis. Die objektive Welt ist die noch unbewusste


Dichtung des Geistes. Das universelle Organon der Philosophie und
das zentrale Thema des gesamten Systems ist die Philosophie der
Kunst. »Die Philosophie beruht also ebensogut wie die Kunst auf
dem produktiven Vermögen, und der Unterschied beider bloß auf
der verschiedenen Richtung der produktiven Kraft. Denn anstatt,
dass die Produktion in der Kunst nach außen sich richtet, um das
Unbewußte durch Produkte zu reflektieren, richtet sich die philoso-
phische Produktion unmittelbar nach innen, um es in intellektueller
Anschauung zu reflektieren. Der eigentliche Sinn, mit dem diese Art
der Philosophie aufgefaßt werden muss, ist also der ästhetische, und
eben darum die Philosophie der Kunst das wahre Organon der Phi-
losophie.« 64

12. Die Aktivität der Kunst und die Wesensart der


künstlerischen Schöpfung

In der künstlerischen Schöpfung vollzieht sich eine Einheit und eine


Synthese zwischen Bewusstem und Unbewusstem. Das künstlerische
Produkt ist endlich, aber hat durch seine Authentizität eine unend-
liche Bedeutung. Die Meisterwerke der menschlichen Kunst sind ge-
nauso zahlreich wie die Meisterwerke der kosmischen Kunst.
Die Kunst wird so »zur einzigen und ewigen Enthüllung«. Vor
diesem Horizont träumt Schelling von einer zukünftigen Mensch-
heit, die die Wissenschaft zurück zu den Ursprüngen der Poesie führt
und so eine neue Mythologie begründet, die nicht im Einzelnen wur-
zelt, sondern in einer heil gewordenen Gesamtheit von Menschen.
Nur die Kunst ist fähig, das, was der Philosoph nicht erkennen und
aufzeigen kann, objektiv und universal darzustellen. Die Aktivität der
Kunst ist die Wesensart der »künstlerischen Erschaffung«.
Laut Schelling ist die ästhetische Anschauung die transzenden-
tale Anschauung, die objektiv geworden ist. Die Kunst ist das einzig
wahre, ewige Organon der Philosophie, das, einer ständigen Erneue-
rung unterliegend, das zeigt, was die Philosophie nicht äußern kann,
nämlich das Unbewusste während der Erschaffung und dessen ur-
sprüngliche Identität mit dem Bewussten.

64
F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 25.

106
Der Unterschied und die Beziehung zwischen Begrenztem und Unbegrenztem

13. Der Unterschied und die Beziehung zwischen


Begrenztem und Unbegrenztem

Im zweiten Kapitel (Allgemeine Deduktion des transzendentalen


Idealismus) des Systems des transzendentalen Idealismus bezieht
sich Schelling auf die semantische Korrelation des Begriffs Schranke
und der Tätigkeit des Ichs und beschreibt einige Gedanken, die für das
Verständnis der Unterscheidung »begrenzt/unbegrenzt« von großer
Bedeutung sind: Was ist das Unbegrenzte? Wieso ist die Unterschei-
dung »begrenzt/unbegrenzt« (und die Beziehung zwischen ihnen) in
der Philosophie Schellings so wichtig? Worin liegt die Beziehung zwi-
schen dem Begriff Schranke und der Tätigkeit des Ichs?
Das Ich ist der ursprüngliche Akt des Selbstbewusstseins, der in
der intellektuellen Anschauung begründet ist. Es ist das Subjekt-Ob-
jekt, das der transzendentale Idealismus dank absoluter Freiheit er-
reicht. Nach Schelling ist das Ich ursprünglich ein reines Produzieren:
»Das Ich ist ursprünglich reines ins Unendliche gehendes Produzie-
ren, vermöge dessen allein es niemals zum Produkt käme. Das Ich
also, um für sich selbst zu entstehen (um nicht nur Produzierendes,
sondern zugleich Produziertes zu sein, wie im Selbstbewusstsein),
muss seinem Produzieren Grenzen setzen.« 65
Das Ich kann sein Produzieren nicht begrenzen, ohne sich etwas
entgegenzusetzen. Indem es sich selbst beim Produzieren begrenzt,
wird das Ich zu etwas, das sich selbst manifestiert. Jedes Bestimmen
setzt ein absolut Unbestimmtes voraus. So setzt z. B. jede geometri-
sche Form einen unbegrenzten Raum voraus, so dass jede Bestim-
mung einer Verneinung der absoluten Realität (bzw. der Negation)
gleichkommt. Die Negation eines Negativen mittels einer Entziehung
ist jedoch nicht möglich. Möglich ist nur eine reelle Entgegensetzung.
Insofern beinhaltet das Konzept »stellen« auch das Konzept »ge-
genüberstellen« und die Tätigkeit des »Sich-selbst-Stellens« bedeu-
tet, etwas zu stellen, das dem Ich entgegengesetzt ist: Die Tätigkeit
des Sich-selbst-Stellens ist zugleich identisch und synthetisch. »Das
Ich ist eine ganz in sich geschlossene Welt, eine Monade, die nicht aus
sich heraus, in die aber auch nichts von außen hereinkommen kann.
Es würde also nie etwas Entgegengesetztes (ein Objektives) in sie
kommen, wenn nicht durch die ursprüngliche Handlung des Selbst-

65
Ebd., S. 54.

107
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

setzens zugleich auch jenes gesetzt wäre.« 66 Wie ist aber diese seman-
tische Korrelation zwischen subjektiver Tätigkeit des Ichs und der
Unterscheidungsbeziehung zwischen »begrenzt« und »unbegrenzt«
genau beschaffen?
»Daß das Ich nicht nur begrenzt sei, sondern auch sich selbst
anschaue als solches, oder dass es, indem es begrenzt wird, zugleich
unbegrenzt sei, ist nur dadurch möglich, daß es sich selbst als be-
grenzt setzt, die Begrenzung selbst hervorbringt.« 67 Die Tatsache,
dass das Ich eine Begrenzung hervorbringt, bedeutet nach Schelling,
dass das Ich sich selbst als »absolute Tätigkeit hervorhebt und d. h., es
hebt sich überhaupt auf. Dies ist aber ein Widerspruch, der aufgelöst
werden muß, wenn nicht die Philosophie in ihren ersten Prinzipien
sich widersprechen soll.« 68
Die ursprüngliche unendliche Tätigkeit des Ichs begrenzt das Ich
und ist somit (im Selbstbewusstsein) eine endliche Tätigkeit. Dies
zeigt sich daran, dass man nachweisen kann, dass das Ich nur so weit
unbegrenzt ist, wie es begrenzt ist, und dass es nur so weit begrenzt
ist, wie es unbegrenzt ist. »Dass das Ich nicht nur begrenzt sei, son-
dern auch sich selbst anschaue als solches, oder daß es, indem es be-
grenzt wird, zugleich unbegrenzt sei, ist nur dadurch möglich, daß es
sich selbst als begrenzt setzt, die Begrenzung selbst hervorbringt.« 69

14. Das Ankämpfen des Ichs gegen die Schranke

Vor dem Horizont des transzendentalen Idealismus sagt Schelling:


»Das Ich ist als Ich unbegrenzt, nur indem es begrenzt wird.« 70 Dieser
Gedanke ist mit einer anderen wichtigen Aussage verbunden: »Die
Schranke wird reell nur durch das Ankämpfen des Ichs gegen die
Schranke.« 71 Was meint Schelling mit »Schranke«? Und was bedeutet
der Ausdruck »das Ankämpfen des Ichs gegen die Schranke«?
Die Beziehung des Ichs zu der Schranke erläutert Schelling nicht
als Trennung, sondern als Unterscheidungsbeziehung zwischen den
Begriffen »Begrenztheit« und »Unbegrenztheit«. »Nun ist aber die

66 Ebd., S. 55.
67 Ebd., S. 56.
68 Ebd.
69
Ebd.
70 Ebd.
71
Ebd., S. 58.

108
Das Ankämpfen des Ichs gegen die Schranke

Schranke Bedingung der Unbegrenztheit nur dadurch, daß sie ins


Unendliche erweitert wird. Aber das Ich kann die Schranke nicht er-
weitern, ohne auf sie zu handeln, und nicht auf sie handeln, ohne daß
sie unabhängig von diesem Handeln existiert. Die Schranke wird also
reell nur durch das Ankämpfen des Ichs gegen die Schranke. Richtete
das Ich nicht seine Tätigkeit dagegen, so wäre sie keine Schranke für
das Ich, d. h. (weil sie nur negativ, in bezug auf das Ich setzbar ist) sie
wäre überhaupt nicht.« 72
Die Tätigkeit des Ichs, das gegen die Schranke ankämpft, ist die
Tätigkeit des Ichs, die ursprünglich auf das Unendliche 73 orientiert
war. Diese Tätigkeit ist ein fortwährender Prozess, der dynamisch ist
und von Schelling als die Tätigkeit definiert wird, die dem Ich jenseits
des Selbstbewusstseins zukommt. »Die Tätigkeit, welche gegen die
Schranke sich richtet, ist nach dem Beweis von B keine andere als die
ursprünglich ins Unendliche gehende Tätigkeit des Ichs, d. h. diejeni-
ge Tätigkeit, welche allein dem Ich jenseits des Selbstbewusstseins
zukommt. Nun erklärt aber diese ursprünglich unendliche Tätigkeit
allerdings, wie die Schranke reell, nicht aber, wie sie auch ideell wird,
d. h., sie erklärt wohl das Begrenztsein des Ichs überhaupt, nicht aber
sein Wissen um die Begrenztheit oder sein Begrenztsein für sich
selbst.« 74
Schelling zufolge muss die Schranke reell und zugleich ideell
sein. Die Schranke ist reell, weil sie vom Ich unabhängig ist, und sie
ist ideell, weil sie eine Abhängigkeit vom Ich impliziert. Realität und
Idealität der Schranke werden von einem einheitlichen Prinzip abge-
leitet, dem des Selbstbewusstseins. Wie lässt sich die Beziehung zwi-
schen Selbstbewusstsein und Schranke erklären? Warum ist im Idea-
lismus Schellings das Konzept der Idealität und der Realität der
Schranke so wichtig?
»Nun muß aber die Schranke zugleich reell und ideell sein.
Reell, d. h. unabhängig vom Ich, weil das Ich sonst nicht wirklich be-
grenzt ist, ideell, abhängig vom Ich, weil das Ich sonst sich nicht selbst
setzt, anschaut als begrenzt. Beide Behauptungen, die, daß die
Schranke reell, und die, daß sie bloß ideell sei, sind aus dem Selbst-
bewußtsein zu deduzieren. Das Selbstbewußtsein sagt, daß das Ich für

72 Ebd., S. 59.
73
Vgl. D. Unger, Schlechte Unendlichkeit. Zu einer Schlüsselfigur und ihrer Kritik in
der Philosophie des Deutschen Idealismus, Freiburg/München: Alber 2015.
74
F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 59.

109
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

sich selbst begrenzt sei; damit es begrenzt sei, muß die Schranke un-
abhängig sein von der begrenzten Tätigkeit, damit begrenzt für sich
selbst, abhängig vom Ich.« 75
Schelling bemerkt, dass die Schranke vom Ich abhängt. Das
heißt: Im Ich ist außer der begrenzten eine weitere Tätigkeit, von
welcher es unabhängig sein muss. »Es muß also außer jener ins Un-
endliche gehenden Tätigkeit, die wir, weil sie allem reell begrenzbar
ist, die reelle nennen wollen, eine andere im Ich sein, die wir die
ideelle nennen können. Die Schranke ist reell für die ins Unendliche
gehende, oder – weil eben diese unendliche Tätigkeit im Selbst-
bewußtsein begrenzt werden soll – für die objektive Tätigkeit des Ichs,
ideell also für eine entgegengesetzte, nicht-objektive, an sich unbe-
grenzbare Tätigkeit, welche jetzt genauer charakterisiert werden
muß.« 76

15. Ideelle und reelle Tätigkeit des Ichs.


Die Idealität und die Realität der Schranke

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen analysiert und definiert


Schelling die grundlegenden Aspekte, die die Begriffe »Tätigkeit«,
»Idealität«, »Realität« und »Schranke« charakterisieren, und behält
die semantische Korrelation von ideeller und reeller Tätigkeit bei.
Wie ist die Beziehung zwischen dem Prozess der ideellen und dem
der reellen Tätigkeit? Warum bezieht sich Schelling immer auf eine
semantische und dynamische Verbindung von Realität und Idealität
der Schranke? »Die zweite ideelle oder nicht-objektive Tätigkeit muß
also von der Art sein, daß durch sie zugleich der Grund des Begrenzt-
werdens der objektiven und des Wissens um dieses Begrenztsein ge-
geben ist. Da nun die ideelle ursprünglich nur als die anschauende
(subjektive) von jener gesetzt ist, um durch sie die Begrenztheit des
Ichs als Ich zu erklären, so muß angeschaut und begrenzt werden für
die zweite, objektive Tätigkeit eins und dasselbe sein. Dies ist zu er-
klären aus dem Grundcharakter des Ich. Die zweite Tätigkeit, wenn
sie Tätigkeit eines Ich sein soll, muß zugleich begrenzt werden und
angeschaut werden als begrenzt, denn eben in dieser Identität des

75 Ebd.
76
Ebd.

110
Ideelle und reelle Tätigkeit des Ichs

Angeschaut-werdens und Seins liegt die Natur des Ich. Dadurch, daß
die reelle Tätigkeit begrenzt ist, muß sie auch angeschaut, und da-
durch, daß sie angeschaut wird, auch begrenzt werden; beides muß
absolut eines sein.« 77
Beide Tätigkeiten, ideelle und reelle, setzen sich wechselseitig
voraus. Die reelle, ursprünglich ins »Unendliche« strebende, aber für
das Selbstbewusstsein zu begrenzende Tätigkeit ist nichts ohne die
ideelle, für welche sie in ihrer Begrenztheit unendlich ist: »Hinwie-
derum ist die ideelle Tätigkeit nichts, ohne anzuschauende, begrenz-
bare, eben deswegen reelle. Aus dieser wechselseitigen Vorausset-
zung beider Tätigkeiten zum Behuf des Selbstbewußtseins wird der
ganze Mechanismus des Ich abzuleiten sein.« 78
So wie sich beide Tätigkeiten wechselseitig voraussetzen, so set-
zen auch Idealismus und Realismus einander voraus: »Reflektiere ich
bloß auf die ideelle Tätigkeit, so entsteht mir Idealismus, oder die
Behauptung, daß die Schranke bloß durch das Ich gesetzt ist. Reflek-
tiere ich bloß auf die reelle Tätigkeit, so entsteht mir Realismus, oder
die Behauptung, daß die Schranke unabhängig vom Ich ist. Reflektie-
re ich auf beide zugleich, so entsteht mir ein Drittes aus beiden, was
man Ideal-Realismus nennen kann, oder was wir bisher durch den
Namen transzendentaler Idealismus bezeichnet haben.« 79
Laut Schelling ist die Idealität der Schranke der grundlegende
Aspekt, der den Bereich der theroetischen Philosophie charakterisiert,
während die Realität der Schranke der grundlegende Aspekt ist, der
den Bereich der praktischen Philosophie definiert: »In der theoreti-
schen Philosophie wird die Idealität der Schranke erklärt (oder: wie
die Begrenztheit, die ursprünglich nur für das freie Handeln existiert,
Begrenztheit für das Wissen werde), die praktische Philosophie hat
die Realität der Schranke (oder: wie die Begrenztheit, die ursprüng-
lich eine bloß subjektive ist, objektiv werde) zu erklären. Theoretische
Philosophie also ist Idealismus, praktischer Realismus, und nur beide
zusammen bilden das vollendete System des transzendentalen Idea-
lismus.« 80

77 Ebd., S. 60.
78
Ebd.
79 Ebd.
80
Ebd., S. 61.

111
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

16. Die Deduktion des Absoluten im Akt des


Selbstbewusstseins

Vor diesem Hintergrund schreibt Schelling in der Deduktion der ab-


soluten im Akt des Selbstbewußtseins enthaltenen Synthesis: »Der
ursprüngliche Akt des Selbstbewußtseins ist zugleich ideell und
reell.« 81 Die Grundstruktur des Selbstbewusstseins ist ideell, und
dank ihm wird das Ich für uns reell. »Durch den Akt der Selbst-
anschauung wird das Ich unmittelbar auch begrenzt; angeschaut wer-
den und Sein ist eins und dasselbe.« 82
Nur dem Selbstbewusstsein wird eine Schranke gesetzt. »Dieser
Akt ist das Höhere, das Begrenztsein, das Abgeleitete.« 83 Das Selbst-
bewusstsein ist der Akt und die Schranke; um Schranke zu sein, muss
es vom Ich zugleich abhängig und unabhängig sein. Dies ist nur denk-
bar, weil es möglich ist, zwei sich unterscheidende und einander ent-
gegengesetzte Tätigkeiten in der authentischen Struktur des Ichs zu
bestimmen. Welches sind diese Tätigkeiten des Ichs? »Das Ich ist eine
Handlung, in welcher zwei entgegengesetzte Tätigkeiten sind, eine,
die begrenzt wird, von welcher eben deswegen die Schranke un-
abhängig ist, und eine, die begrenzend, eben deswegen unbegrenzbar
ist.« 84
Das Ich ist ein Akt, in dem zwei entgegengesetzte, aber kom-
plementäre Tätigkeiten 85 enthalten sind: Eine wird begrenzt, d. h. sie
wird von einer Schranke bestimmt und begrenzt; die andere ist be-
grenzend, d. h. sie wird durch einen aktiven, dynamischen Prozess
des Begrenzens bestimmt, den sie zugleich konstituiert. Das Selbst-
bewusstein ist genau diese Aktion: »Diese Handlung ist eben das
Selbstbewusstsein.« Außerhalb des Selbstbewusstseins ist das Ich
reine Objektivität. »Dieses bloß Objektive (eben deswegen ur-
sprünglich Nicht-Objektive, weil Objektives ohne Subjektives un-
möglich ist) ist das Einzige an sich, was es gibt. Erst durch das Selbst-
bewußtsein kommt die Subjektivität hinzu. Dieser ursprünglich bloß
objektiven, im Bewußtsein begrenzten Tätigkeit wird entgegen-

81 Ebd., S. 64.
82 Ebd.
83 Ebd.

84
Ebd.
85 Vgl. S. Schwenzfeuer, Natur und Subjekt. Die Grundlegung der schellingschen

Naturphilosophie, Freiburg/München: Alber 2012.

112
Die Deduktion des Absoluten im Akt des Selbstbewusstseins

gesetzt die begrenzende, welche eben deswegen selbst nicht Objekt


werden kann.« 86
Entsprechend dieser semantischen Disposition stellt Schelling
fest, dass »zum Bewusstsein kommen und begrenzt sein eins und
dasselbe ist«. 87 »Die Begrenztheit muß als unabhängig von mir er-
scheinen, weil ich nur mein Begrenztsein erblicken kann, nie die
Tätigkeit, wodurch es gesetzt ist.« 88
Warum ist die semantische Unterscheidung zwischen begren-
zender und begrenzter Tätigkeit des Ichs in der Struktur und der
Zielsetzung von Schellings System des transzendentalen Idealismus
so wichtig? Wenn man von der Unterscheidung zwischen begrenzen-
der Tätigkeit und begrenzter Tätigkeit ausgeht, ist das Ich die Tätig-
keit, die weder begrenzend noch begrenzt ist. »Diese Unterscheidung
zwischen begrenzender und begrenzter Tätigkeit vorausgesetzt, ist
weder die begrenzende noch die begrenzte Tätigkeit die, welche wir
Ich nennen. Denn das Ich ist nur im Selbstbewußtsein, aber weder
durch diese noch durch jene isoliert gedacht, entsteht uns das Ich des
Selbstbewußtseins.« 89
Die begrenzende Tätigkeit des Ichs wird sich nicht ihrer selbst
bewusst, wird nicht zum Objekt. Sie ist die Tätigkeit des reinen Ob-
jekts. Aber die Tätigkeit des Selbstbewusstseins ist kein reines Sub-
jekt, sondern Subjekt und zugleich Objekt. Im Gegensatz hierzu steht
die begrenzte Tätigkeit des Ichs, die allein zum Objekt wird, »das bloß
Objektive im Selbstbewußtsein«. Aber das Ich des Selbstbewusstseins
ist nicht nur reines Subjekt oder reines Objekt, sondern beides zu-
sammen.
Das Ich konstituiert sich weder mittels der begrenzten und der
begrenzenden Tätigkeit noch durch beide zusammen. Schelling zufol-
ge geht das Ich des Selbstbewusstseins aus einer dritten Tätigkeit her-
vor, die durch eine vereinende Synthese der anderen beiden entsteht.
Was ist diese dritte Tätigkeit des Ichs? »Diese dritte, zwischen der
begrenzten und der begrenzenden schwebende Tätigkeit, durch wel-
che das Ich erst entsteht, ist, weil Produzieren und Sein vom Ich eins
ist, nichts anderes als das Ich des Selbstbewusstseins selbst.« 90 Das Ich

86 F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 64.


87 Ebd.
88
Ebd.
89 Ebd., S. 65.
90
Ebd.

113
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

ist also selbst eine zusammengesetzte Tätigkeit, das Selbstbewusst-


sein selbst ein synthetischer Akt. Um diese dritte, synthetische Tätig-
keit näher zu bestimmen, ist es nötig, zuerst den Streit zwischen den
entgegengesetzten Tätigkeiten zu erläutern, aus dem sie resultiert.

17. Das Selbstbewusstsein als ein Streit absolut


entgegengesetzter Tätigkeiten

In der Deduktion der Mittelglieder der absoluten Synthesis schreibt


Schelling: »Das Selbstbewußtsein (das Ich) ist ein Streit absolut ent-
gegengesetzter Tätigkeiten. Die eine, ursprünglich ins Unendliche
gehende, werden wir die reelle, objektive, begrenzbare nennen, die
andere, die Tendenz sich in jener Unendlichkeit anzuschauen, heißt
die ideelle, subjektive, unbegrenzbare.« 91 Es werden also zwei Tätig-
keiten unterschieden: a) eine reelle, objektive und begrenzbare Tätig-
keit, die Schranken unterliegt und von ihnen bestimmt wird; b) eine
ideelle, subjektive und unbegrenzbare Tätigkeit, die nicht von
Schranken limitiert wird.
Schelling schreibt: »Jener Streit ist nicht sowohl ein Streit ur-
sprünglich dem Subjekt als viel mehr den Richtungen nach entgegen-
gesetzter Tätigkeiten, da beide Tätigkeiten eines und desselben Ichs
sind. Der Ursprung beider Richtungen ist dieser. Das Ich hat die Ten-
denz, das Unendliche zu produzieren, diese Richtung muß gedacht
werden als gehend nach außen (als zentrifugal), aber sie ist als solche
nicht unterscheidbar, ohne eine nach innen auf das Ich als Mittel-
punkt zurückgehende Tätigkeit. Jene nach außen gehende, ihrer Na-
tur nach unendliche Tätigkeit ist das Objektive im Ich, diese auf das
Ich zurückgehende ist nichts anderes als das Streben, sich in jener
Unendlichkeit anzuschauen. Durch diese Handlung überhaupt trennt
sich Inneres und Äußeres im Ich, mit dieser Trennung ist ein Wider-
streit im Ich gesetzt, der nur aus der Notwendigkeit des Selbst-
bewußtseins zu erklären ist. Warum das Ich sich seiner ursprünglich
bewußt werden müsse, ist nicht weiter zu erklären, denn es ist nichts
anderes als Selbstbewußtsein. Aber im Selbstbewußtsein eben ist ein
Streit entgegengesetzter Richtungen notwendig.« 92

91 Ebd., S. 72.
92
Ebd., S. 65.

114
Das Selbstbewusstsein als ein Streit absolut entgegengesetzter Tätigkeiten

Das Ich des Selbstbewusstseins bestimmt sich durch eine Tätig-


keit, die in entgegengesetzte Richtungen geht. »Das Ich des Selbst-
bewußtseins ist das nach diesen entgegengesetzten Richtungen ge-
hende. Es besteht nur in diesem Streit, oder vielmehr es ist selbst
dieser Streit entgegengesetzter Richtungen. So gewiß das Ich seiner
selbst bewußt ist, so gewiß muß jener Widerstreit entstehen und un-
terhalten werden.« 93
Schelling legt dar, dass die Identität, die sich im Selbstbewusst-
sein ausdrückt, nicht ursprünglich ist, sondern produziert wird und
daher mittelbar ist. Ursprünglich ist hingegen der Streit der ent-
gegengesetzten Richtungen im Ich, während die Identität aus diesem
Streit hervorgeht: »Das Ursprüngliche ist der Streit entgegengesetz-
ter Richtungen im Ich, die Identität das daraus Resultierende.« 94 Wir
sind uns ursprünglich nur der Identität bewusst. Nachdem Schelling
die Bedingungen des Selbstbewusstseins untersucht hat, kommt er zu
dem Schluss, dass diese Identität nur mittelbar und synthetisch sein
kann. Was ist eine mittelbare und synthetische Identität? Worin be-
steht sie? »Das Höchste, dessen wir uns bewußt werden, ist die Iden-
tität des Subjekts und Objekts, allein diese ist an sich unmöglich, sie
kann es nur durch ein Drittes, Vermittelndes, sein. Da das Selbst-
bewußtsein eine Duplizität von Richtungen ist, so muß das Vermit-
telnde eine Tätigkeit sein, die zwischen entgegengesetzten Richtun-
gen schwebt.« 95
Im Ich des Selbstbewusstseins ist ursprünglich der Gegensatz
von Subjekt und Objekt angelegt. Das eine hebt das andere auf bzw.
das eine ist ohne das andere nicht denkbar. »Im Ich sind ursprünglich
Entgegengesetzte, Subjekt und Objekt; beide heben sich auf; und
doch ist keines ohne das andere möglich. Das Subjekt behauptet sich
nur im Gegensatz zum Objekt, das Objekt nur im Gegensatz zum
Subjekt, d. h., keines von beiden kann reell werden, ohne das andere
zu vernichten, aber bis zur Vernichtung des einen durch das andere
kann es nie kommen, eben deswegen, weil jedes nur im Gegensatze
gegen das andere das ist, was es ist. Beide sollen also vereinigt sein,
denn keines kann das andere vernichten; doch können sie auch nicht
zusammen bestehen. Der Streit ist also nicht sowohl ein Streit zwi-

93
Ebd., S. 66.
94 Ebd.
95
Ebd., S. 67.

115
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

schen beiden Faktoren als zwischen dem Unvermögen, die unendlich


Entgegengesetzten zu vereinigen auf der einen Seite und der Not-
wendigkeit es zu tun, wenn nicht die Identität des Selbstbewußtseins
aufgehoben werden soll, auf der anderen Seite. Gerade dies, daß Sub-
jekt und Objekt absolut Entgegengesetzte sind, setzt das Ich in die
Notwendigkeit, eine Unendlichkeit von Handlungen in einer absolu-
ten zusammenzudrängen.« 96 Wäre im Ich keine Entgegensetzung, so
wäre in ihm überhaupt keine Bewegung, keine Produktion, also auch
kein Produkt.
Das Selbstbewusstsein ist ein Streit absolut entgegengesetzter
Tätigkeiten. Die eine, ursprünglich ins Unendliche gehende, werden
wir die reelle, objektive, begrenzbare nennen; die andere, die Tendenz,
sich in jener Unendlichkeit anzuschauen, heißt die ideelle, subjektive,
unbegrenzbare. »Das Selbstbewusstsein ist der absolute Akt, durch
welchen für das Ich alles gesetzt ist.« 97 Nach Schelling ist das Selbst-
bewusstsein die Grundlage des gesamten Systems der Philosophie.
Die fortschreitende Geschichte des Selbstbewusstseins ist die Ge-
schichte der Philosophie selbst.
Schelling zufolge findet im Selbstbewusstsein ein unendlicher
Widerstreit statt. In einem einzigen Akt sind unendlich viele Hand-
lungen vereint und konzentriert: »Da sonach im Selbstbewußtsein
ein unendlicher Widerstreit ist, so ist in dem einen absoluten Akt,
von dem wir ausgehen, eine Unendlichkeit von Handlungen, welche
ganz zu durchschauen Gegenstand einer unendlichen Aufgabe ist.« 98
Daher kann die Philosophie nur die Handlungen, die in der Geschich-
te des Selbstbewusstseins eine Rolle spielen, unter Berücksichtigung
ihrer Verbindungen untereinander aufzählen. Die Philosophie«, so
Schelling, »ist eine Geschichte des Selbstbewusstseins, die verschie-
dene Epochen hat und durch welche jene in einer absoluten Synthesis
sukzessiv zusammengesetzt wird.« 99

96 Ebd., S. 68.
97
Ebd., S. 69.
98 Ebd., S. 72.
99
Ebd., S. 73.

116
Die Epochen des Selbstbewusstseins

18. Die Epochen des Selbstbewusstseins

»Der ganze Gegenstand unserer Untersuchung ist nur die Erklärung


des Selbstbewusstseins.« 100 Schelling definiert die Philosophie als
eine Geschichte des Selbstbewusstseins, die sich in den unterschied-
lichen zeitlichen Epochen äußert. Welches sind die Epochen des
Selbstbewusstseins? Wieso sind diese Epochen für die Beziehung zwi-
schen Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie so wichtig?
Die Naturphilosophie geht von der reinen Objektivität aus und
durchläuft die natürlichen Seinsformen, um die Erscheinung des
Menschen und die Manifestation der Vernunft 101 als Grundlage jeder
Stufe der Realität aufzuzeigen. Die Transzendentalphilosophie steht
in einem komplementären Verhältnis zu ihr. In ihr ist die Vernunft
nicht nur eine beobachtende Vernunft einer im weitesten Sinne abs-
trakten und spekulativen Philosophie, sondern sie ist als Selbst-
bewusstsein im Leben selbst verankert. Das Selbstbewusstsein wird
sich seiner Produktivität, die anfangs unbewusst war, bewusst, indem
es sich selbst bestimmt. Naturphilosophie und Transzendentalphi-
losophie zeigen, dass das Wissen sich selbst und seinen Inhalt pro-
duziert. Die Naturphilosophie weist nach, dass die vitale Realität der
Natur ein empfindsamer Organismus ist, der sein eigenes Abbild,
also sein Wissen von sich selbst, produziert; die Transzendentalphi-
losophie legt die Selbstverwirklichung in der Produktion des natürli-
chen Lebens des Geistes dar. Das Wissen des transzendentalen Idea-
lismus ist ein Wissen, das sich jener Produktivität des Geistes, deren
Wurzel in der intellektuellen Anschauung liegt, bewusst ist. Durch
diesen inneren, intuitiven Akt zeigt sich dem ideellen Bewusstsein
des Philosophen die Entstehung des Ichs im reinen Akt des Selbst-
bewusstseins. Diesen Prozess unterteilt Schelling in drei Phasen, die
voneinander zu unterscheiden, aber auch komplementär sind: a) von
der ursprünglichen Empfindung zur produktiven Anschauung;
b) von der produktiven Anschauung zur Reflexion; c) von der Refle-
xion zum absoluten Akt des Willens.
Diese Unterteilung erläutert die Geschichte des Selbstbewusst-

100 Ebd., S. 129.


101 Vgl. L. Pareyson, »Lo stupore della ragione in Schelling«, in: ders., Romanticismo,
esistenzialismo, ontologia della libertà, Milano: Mursia 1979, S. 137–180; wieder ab-
gedruckt unter dem Titel: »Lo stupore della ragione e angoscia di fronte all’essere«, in:
ders., Ontologia della libertà, Milano: Einaudi 2012, S. 385–437.

117
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

seins und zeigt auf, dass das Ich als Prinzip der Philosophie, als abso-
lute Freiheit in seiner Selbstproduktion nicht unmittelbar in Erschei-
nung tritt. Das Ich ist diese unendliche Tätigkeit und zeigt sich selbst,
indem es sich objektiviert und endlich wird. Das Ich begrenzt sein
reines, unbegrenztes Produzieren, um zu produzieren und Produkt
zu werden. Daher entfalten sich zwei entgegengesetzte Kräfte, die
die Basis des gesamten inneren Lebens des Selbstbewusstseins sind:
die unbegrenzt-unendlich-reelle Tätigkeit und die begrenzend-end-
lich-ideelle Tätigkeit.

19. Von der ursprünglichen Empfindung zur


produktiven Anschauung

Die erste Epoche des Selbstbewusstseins, die die Gleichheit von Geist
und Natur voraussetzt, umfasst drei unterschiedliche Akte. Diese be-
stimmen den Weg von der »ursprünglichen Empfindung« zur »pro-
duktiven Anschauung« und äußern sich in den drei Kräften der Ma-
terie und in den drei Momenten ihres Aufbaus. Schelling ist der
Auffassung, dass die Materie nichts anderes sei als der angeschaute
Geist, dessen Tätigkeiten im Gleichgewicht sind. Diese erste Epoche,
die auf dem ursprünglichen Akt (der Empfindung und der produ-
zierenden Anschauung) basiert, ist durch antagonistische Aktivitäten
gekennzeichnet, die sich gegenseitig begrenzen und die ein Gleichge-
wicht erreicht haben. Gemeinsam bringen sie ein Produkt hervor: die
reine Materie, d. h. die Materie, die Ausdruck des Gleichgewichts der
entgegengesetzten Aktivitäten ist. Den Faktoren der produktiven An-
schauung, den entgegengesetzten Tätigkeiten des Ichs, entsprechen
die konstruktiven Faktoren der Materie, die entgegengesetzten Kräf-
te, die nichts anderes als ruhende, gefestigte, gleichsam erstarrte
Tätigkeiten sind. Der unbegrenzten, reellen (positiven) Tätigkeit ent-
spricht die expansiv-repulsive Kraft; der begrenzenden, ideellen
(negativen) Tätigkeit entspricht die anziehende Kraft. Jedoch ver-
wirklichen sich Anschauung und Materie nur in der dritten, synthe-
tischen Tätigkeit und in der dritten, produktiven und kreativen Kraft.
Diesen drei Kräften entsprechen die drei Dimensionen der Materie
(Länge, Breite und Dicke) und die drei Stufen des dynamischen Pro-
zesses (Magnetismus, Elektrizität, chemischer Prozess).
Der erste Akt, von dem die gesamte Geschichte der Intelligenz
ausgeht, ist der ursprüngliche, der noch nicht vom Unbewussten des

118
Von der ursprünglichen Empfindung zur produktiven Anschauung

Ichs befreit ist. Das Ich ist ursprünglich ein Kampf zwischen zwei
entgegengesetzten Tätigkeiten: der reellen und der ideellen. Das intu-
ierende, anschauende Ich erkennt sich in der reellen Tätigkeit als be-
grenzt und intuiert seine Grenzen. Die ideelle Tätigkeit wird zu der
Funktion, die es dem Ich erlaubt, sich als begrenzt wahrzunehmen.
Empfinden heißt, die Schranke als ein Gefühl, das auf einem Nicht-
Ich beruht, in sich zu finden.
Die Möglichkeit der Empfindung beruht nach dieser Deduktion:
»a) auf dem gestörten Gleichgewicht beider Tätigkeiten. Das Ich kann
also auch nicht in der Empfindung schon sich als Subjekt-Objekt,
sondern nur als einfaches begrenztes Objekt anschauen, die Empfin-
dung also ist nur diese Selbstanschauung in der Begrenztheit; b) auf
der unendlichen Tendenz des ideellen Ichs sich in dem reellen an-
zuschauen. Dies ist nicht möglich, als mittelst dessen, was die ideelle
Tätigkeit (das Ich ist jetzt sonst nichts) und die reelle miteinander
gemein haben, d. h. vermittelst des Positiven in ihr; das Gegenteil
wird also vermittelst des Negativen in ihr geschehen. Das Ich wird
also auch jenes Negative in sich nur finden, d. h. nur empfinden
können.« 102
Das Ich könnte sich nicht als begrenzt empfinden, wenn das ide-
elle Ich nicht versuchen würde, sich selbst als reell zu sehen. Da es
sich nicht selbst als objektiv begrenzt und als anschauendes Objekt
erkennen kann, sieht es seine Begrenzung nicht. Diese Unmöglich-
keit begründet die Wirklichkeit der Empfindung. »Die Realität der
Empfindung beruht darauf, daß das Ich das Empfundene nicht an-
schaut als durch sich gesetzt. Es ist Empfundenes, nur insofern es
das Ich anschaut als nicht gesetzt durch sich. Daß also das Negative
durch das Ich gesetzt sei, können zwar wir, aber unser Objekt, das Ich,
kann es nicht sehen, aus dem sehr natürlichen Grund, daß angeschaut
und begrenzt werden vom Ich eins und dasselbe ist. Das Ich wird
(objektiv) begrenzt dadurch, daß es sich (subjektiv) anschaut; nun
kann aber das Ich nicht zugleich sich objektiv anschauen und sich
anschauen als anschauend, also auch nicht sich anschauen als begren-
zend. Auf dieser Unmöglichkeit, im ursprünglichen Akt des Selbst-
bewußtseins zugleich sich Objekt zu werden und sich anzuschauen
als sich Objekt werdend, beruht die Realität aller Empfindung.« 103

102 F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 80.


103
Ebd.

119
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

Dieser Prozess impliziert einen zweiten Akt des Ichs, in dem


Schelling zwei Tätigkeiten und die ihnen entsprechenden dyna-
mischen Prozessen unterscheidet. Um ein empfindsames Subjekt zu
werden, muss das Ich eine Tätigkeit ausüben, die die Schranke über-
schreitet und die es ihm erlaubt, seine unterdrückte, reelle Tätigkeit
in sich zu finden. Daraus folgt, dass die Schranke in der ideellen Tä-
tigkeit und somit jenseits der Schranke liegen muss – und dass die
Tätigkeit, die die Schranke überwindet, begrenzt sein muss. Dieser
Widerspruch kann nur durch die Identifikation der Begrenzung und
der Überwindung der Schranke mit dem ideellen Ich aufgehoben wer-
den. Die Identifikation und der Gegensatz werden beide durch eine
dritte Tätigkeit ermöglicht, die den Abstand überbrückt, die Gegen-
sätze überwindet und die Tätigkeiten zusammenführt. Diese dritte
Tätigkeit, die ideell und reell zugleich ist, ist die produktive Tätigkeit:
»Daß der Gegensatz als solcher, oder daß die beiden Entgegengesetz-
ten als absolut (nicht bloß relativ) Entgegengesetzte ins Bewußtsein
kommen, ist Bedingung der produktiven Anschauung.« 104
Der unaufhebbare Gegensatz kann nicht im Ich liegen, außer
wenn das Ich ihn als solchen wahrnimmt. Die produktive Anschau-
ung ist die Tätigkeit, die gleichsam zwischen Ideellem und Reellem
changiert und etwas hervorbringt, das zwischen Subjektivem und
Objektivem liegt. Sie bewirkt daher einen permanenten Zustand der
Expansion und Kontraktion des Ichs, und die Bedingung der Möglich-
keit hierfür ist der absolute Gegensatz. Das Produkt, das aus dem
Zusammentreffen und dem Ausgleich der ideellen und der reellen
Tätigkeit resultiert, ist durch die Spuren dieser Tätigkeiten charakte-
risiert.
Schelling kommt also zu dem Ergebnis, dass im Ich eine unbe-
grenzbare Tätigkeit liegt. Wie ist es möglich, diese unbegrenzbare
Tätigkeit des Ichs zu definieren? Welches ist die semantische und dy-
namische Beziehung zwischen dieser Tätigkeit des Ichs und dem Kon-
zept der produktiven Anschauung? »Es ist im Ich eine unbegrenzbare
Tätigkeit, aber diese Tätigkeit ist nicht im Ich als solchem, ohne daß
das Ich sie setzt als seine Tätigkeit. Aber das Ich kann sie nicht an-
schauen als seine Tätigkeit, ohne sich als Subjekt oder Substrat jener
unendlichen Tätigkeit von dieser Tätigkeit selbst zu unterscheiden.
Aber eben dadurch entsteht eine neue Duplizität, ein Widerspruch
zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit. Das Ich als Subjekt jener

104
Ebd., S. 107.

120
Von der produktiven Anschauung zur Reflexion

unendlichen Tätigkeit ist dynamisch (potentia) unendlich, die Tätig-


keit selbst, indem sie gesetzt wird als Tätigkeit des Ichs, wird endlich;
aber indem sie endlich wird, wird sie aufs neue über die Grenze hi-
naus ausgedehnt, aber indem sie ausgedehnt wird, auch wieder be-
grenzt. Und so dauert dieser Wechsel ins Unendliche fort.« 105 Das Ich,
das so zur Intelligenz erhoben wird, befindet sich also in einem un-
endlichen Stadium der Ausdehnung und Begrenzung: »Das auf diese
Art zur Intelligenz erhobene Ich ist sonach in einen beständigen Zu-
stand von Expansion und Kontraktion versetzt, aber eben dieser Zu-
stand ist der Zustand des Bildens und Produzierens. Die Tätigkeit,
welche in jenem Wechsel geschäftig ist, wird daher als produzierende
erscheinen müssen.« 106

20. Von der produktiven Anschauung zur Reflexion.


Die Begrenzung des inneren Sinns

Die Produktion der ersten Epoche 107 ist noch »blind und ohne Be-
wusstsein«. Die zweite Epoche, die von der produktiven Anschauung
zur Reflexion fortschreitet, hat zum Ziel, aufzuzeigen, wie das pro-
duktive Ich schrittweise sich selbst erkennt. Welches sind die Phasen,
die den Weg der Subjektivität zur produktiven Anschauung und zur
Reflexion konstituieren und charakterisieren? Was ist Reflexion?
»Die erste Epoche schließt mit der Erhebung des Ichs zur Intel-
ligenz […]. Aber das Ich, indem es anschauend ist, ist auch im Pro-
duzieren völlig gefesselt und gebunden und kann nicht zugleich An-
schauendes sein und Angeschautes. Die Produktion ist nur darum
eine völlig blinde und bewußtlose. Nach der hinlänglich bekannten
Methode der Transzendental-Philosophie tritt also jetzt die Frage ein,
wie das Ich, welches bis jetzt bloß für uns anschauend und Intelligenz
ist, dasselbe auch für sich selbst werde, oder als solches sich anschaue.
Nun läßt sich aber schlechterdings kein Grund denken, der das Ich

105 Ebd., S. 106.


106 Ebd.
107 Vgl. H. Höfling, »Der Epochenbegriff in Schellings System des transzendentalen

Idealismus«, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 12 (1958), S. 507–514; vgl.


W. Marx, »Aufgabe und Methode der Philosophie in Schellings System des transzen-
dentalen Idealismus und in Hegels Phänomenologie des Geistes«, in: Schelling: Ge-
schichte, System, Freiheit, hrsg. von Werner Marx, Freiburg/München: Alber 1977,
S. 63–99.

121
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

bestimmte, sich selbst als produktiv anzuschauen, wenn nicht in der


Produktion selbst ein Grund liegt, der die ideelle im Produzieren mit-
begriffene Tätigkeit des Ichs in sich zurücktreibt, und sie dadurch
über das Produkt hinauszugehen veranlaßt. Die Frage, wie das Ich
sich selbst als produktiv erkenne, ist also gleichbedeutend mit der,
wie das Ich dazu komme, sich selbst von seiner Produktion loszurei-
ßen und über dieselbe hinauszugehen.« 108
Die bewusste Empfindung des Ichs ist seine unbegrenzte Ten-
denz, sich selbst zu erkennen und die Grenzen zu überwinden. Vor
diesem Horizont bestimmt Schelling die bewusste Empfindung des
Ichs als inneren Sinn. »Im Selbstgefühl wird der innere Sinn, d. h.
die mit Bewusstsein verbundene Empfindung sich selbst zum Objekt.
Es ist eben deswegen von der Empfindung völlig verschieden, in wel-
cher notwendig etwas vom Ich Verschiedenes vorkommt. In der vor-
hergehenden Handlung war das Ich innerer Sinn, aber ohne es für
sich selbst zu sein.« 109
Wie wird denn nun aber das Ich als innerer Sinn zum Objekt?
»Einzig und allein dadurch, daß ihm die Zeit (nicht die Zeit, insofern
sie schon äußerlich angeschaut wird, sondern die Zeit als bloßer
Punkt, als bloße Grenze) entsteht […]. Die Zeit ist nicht etwas, was
unabhängig vom Ich abläuft, sondern das Ich selbst ist die Zeit in
Tätigkeit gedacht. Da nun das Ich in derselben Handlung sich das
Objekt entgegensetzt, so wird ihm das Objekt als Negation aller In-
tensität, d. h. es wird ihm als reine Extensität erscheinen müssen. Das
Ich kann also das Objekt sich nicht entgegensetzen, ohne daß in ihm
innere und äußere Anschauung sich nicht nur trennen, sondern auch
als solche zum Objekt werden.« 110 Nun ist aber die Anschauung,
durch welche der innere Sinn sich zum Objekt wird, die Zeit, und
die Anschauung, wodurch der äußere Sinn sich zum Objekt wird, ist
der Raum. Dem inneren Sinn, der sich in der Zeit objektiviert, ent-
spricht der äußere Sinn, der sich im Raum objektiviert. Das Objekt
impliziert sowohl Extensität als auch Intensität, es ist also Substanz
und Akzidens: Die Substanz ist ewig; ihre Größe ist räumlich und
liegt in einem Abschnitt, der mit dem äußeren Sinn verbunden ist.
Die Akzidenzien hingegen verändern sich. Ihre Größen sind zeitlich
und mit dem Werden des inneren Sinns verbunden.

108
F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, S. 128.
109 Ebd., 140.
110
Ebd.

122
Von der produktiven Anschauung zur Reflexion

Laut Schelling müssen ferner wieder »drei Tätigkeiten im Ich


sein, eine einfache und eine zusammengesetzte, und eine dritte, wel-
che beide voneinander unterschiede und aufeinander bezöge. Diese
dritte Tätigkeit muss nun notwendig selbst eine einfache sein, denn
ohne das könnte sie die zusammengesetzte nicht als solche unter-
scheiden.« 111 Die einfache anschauende Tätigkeit hat nur das Ich
selbst zum Objekt, die zusammengesetzte das Ich und zugleich das
Ding an sich. »Die letztere geht eben deswegen zum Teil über die
Grenze oder sie ist in- und außerhalb der Grenze zugleich. Nun ist
aber das Ich nur diesseits der Grenze Ich, denn jenseits der Grenze hat
es sich für sich selbst in das Ding an sich verwandelt.« 112
Die Anschauung, die über die Grenze hinausgeht, geht also zu-
gleich über das Ich selbst hinaus und erscheint insofern als äußere
Anschauung. Die einfache anschauende Tätigkeit bleibt innerhalb
des Ichs und kann insofern innere Anschauung heißen. Die einzige
Grenze der inneren und äußeren Anschauung ist die Grenze des Ichs
und des Dings an sich. Wenn diese Grenze weggenommen wird, flie-
ßen innere und äußere Anschauung zusammen. Der äußere Sinn
fängt da an, wo der innere aufhört. »Was uns als Objekt des äußeren
erscheint, ist nur ein Begrenzungspunkt des inneren Sinns, beide,
äußerer Sinn und innerer Sinn, sind also auch ursprünglich identisch,
denn der äußere ist nur der begrenzte innere.« 113
Soll das Ich sich selbst als produzierend anschauen, so müssen
erstens innere und äußere Anschauung in ihm sich trennen und
zweitens muss eine Beziehung beider zueinander hergestellt werden.
Es entsteht also zunächst die Frage, auf welche Weise eine solche Be-
ziehung zustande kommen kann. »Das Beziehende ist notwendig
etwas beiden Gemeinschaftliches.« 114
Eine »Beziehung beider aufeinander« ermöglicht es den beiden
Tätigkeiten, ihre gegenseitige Bestimmung auf eine einzige Tätigkeit
zu gründen: Eine positive Bestimmung der ersten beinhaltet eine ne-
gative Bestimmung der zweiten und umgekehrt. Die Intelligenz wird
niemals einer der Bestimmungen nachkommen können, ohne auch
der anderen zu folgen, weil beide Richtungen, die der Tätigkeit ent-

111 Ebd., S. 131.


112
Ebd., S. 133.
113 Ebd.
114
Ebd.

123
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

gegengesetzt sind, in einem einzigen Sinn liegen: in der Simultaneität


der Substanz und des Akzidens.
»Unmittelbar dadurch also, daß die ideelle Tätigkeit in der Pro-
duktion begrenzt wird, wird dem Ich der innere Sinn durch die Zeit in
ihrer Unabhängigkeit vom Raum, der äußere Sinn durch den Raum
in seiner Unabhängigkeit von der Zeit zum Objekt; beide also kom-
men nicht als Anschauungen, deren das Ich sich nicht bewußt werden
kann, sondern nur als Angeschaute im Bewußtsein vor.« 115 Nun muss
aber dem Ich Zeit und Raum selbst wieder zum Objekt werden; das ist
die zweite Anschauung dieser Epoche, durch welche in das Ich eine
neue Bestimmung, nämlich »die Sukzession der Vorstellungen ge-
setzt wird, vermöge welcher es für das Ich überhaupt kein erstes Ob-
jekt gibt, indem es sich ursprünglich nur eines zweiten durch die Ent-
gegensetzung gegen das erste als sein Einschränkendes bewußt
werden kann, wodurch also die zweite Begrenztheit vollständig ins
Bewußtsein gesetzt wird«. 116 Schließlich muss dem Ich das Kausali-
tätsverhältnis selbst wieder zum Objekt werden. Dies geschieht durch
Wechselwirkung, die dritte Anschauung in dieser Epoche. So sind
also die drei Anschauungen dieser Epoche nichts anderes als die
Grundkategorien alles Wissens, nämlich die der Relation. Die Wech-
selwirkung ist selbst nicht möglich, ohne dass dem Ich die Sukzession
selbst wieder eine begrenzte wird. Dies geschieht durch Organisati-
on, welche, insofern sie den höchsten Punkt der Produktion bezeich-
net, als Bedingung einer dritten Begrenztheit zu einer neuen Reihe
von Handlungen überzugehen zwingt.

21. Reflexion, transzendentale Abstraktion und


transzendentaler Schematismus

In der dritten Phase, die von dem schrittweisen Übergang »von der
Reflexion bis zum absoluten Willensakt« charakterisiert ist, ana-
lysiert Schelling die Begriffe »Reflexion«, »transzendentale Abstrak-
tion« und »transzendentaler Schematismus«. Der Standpunkt der
Reflexion ist identisch mit dem Standpunkt der Analysis, es kann also
auch »von demselben aus keine Handlung im Ich gefunden werden,
die nicht schon synthetisch in dasselbe gesetzt wäre. Wie aber das Ich

115 Ebd., S. 178.


116
Ebd.

124
Reflexion, transzendentale Abstraktion und transzendentaler Schematismus

selbst auf den Standpunkt der Reflexion gelange, dies ist weder bis
jetzt erklärt, noch kann es vielleicht überhaupt in der theoretischen
Philosophie erklärt werden. Dadurch, daß wir jene Handlung, ver-
möge welcher die Reflexion in das Ich gesetzt wird, auffinden, wird
sich der synthetische Faden wieder anknüpfen und von jenem Punkt
aus ohne Zweifel ins Unendliche reichen.« 117
Vor dem Hintergrund dieses Gedankengangs schreibt Schelling,
dass »die Intelligenz, solange sie anschauend ist, mit dem Angeschau-
ten eins und von demselben gar nicht verschieden ist; so wird sie zu
keiner Anschauung ihrer selbst durch die Produkte gelangen können,
ehe sie sich selbst von den Produkten abgesondert hat, und da sie
selbst nichts anderes als die bestimmte Handlungsweise ist, wodurch
das Objekt entsteht, so wird sie zu sich selbst nur dadurch gelangen
können, daß sie ihr Handeln als solches absondert von dem, was ihr in
diesem Handeln entsteht, oder, was dasselbe ist, vom Produzier-
ten […]. Jenes Absondern des Handelns vom Produzierten heißt im
gewöhnlichen Sprachgebrauch Abstraktion.« 118
Die Abstraktion wird als die erste Bedingung der Reflexion be-
stimmt. Wie ist das Verhältnis von Reflexion und Abstraktion? Was
ist die Funktion und die Finalität der Abstraktion? Welches sind die
Grenzen und die Möglichkeiten der Abstraktion im subjektiven Pro-
zess der Reflexion vor einem transzendentalen Horizont?
»Als die erste Bedingung der Reflexion erscheint also die Abs-
traktion. Solange die Intelligenz nichts von ihrem Handeln Verschie-
denes ist, ist kein Bewußtsein desselben möglich. Durch die Abstrak-
tion selbst wird sie etwas von ihrem Produzieren Verschiedenes,
welches letztere aber eben deswegen jetzt nicht mehr als ein Handeln,
sondern nur als ein Produziertes erscheinen kann.« 119
Schelling bringt den Begriff »Abstraktion« zuerst mit dem Be-
griff des »Urteils« und schließlich mit dem Konzept »Schematismus«
in Verbindung. »Wenn nun aber Begriff und Objekt ursprünglich so
übereinstimmen, daß in keinem von beiden mehr oder weniger ist als
im andern, so ist eine Trennung beider schlechthin unbegreiflich
ohne eine besondere Handlung, durch welche sich beide im Bewußt-
sein entgegengesetzt werden. Eine solche Handlung ist die, welche
durch das Wort Urteil sehr expressiv bezeichnet wird, indem durch

117
Ebd., S. 179.
118 Ebd., S. 180.
119
Ebd.

125
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

dasselbe zuerst getrennt wird, was bis jetzt unzertrennlich vereinigt


war, der Begriff und die Anschauung. Denn im Urteil wird nicht etwa
Begriff mit Begriff, sondern es werden Begriffe mit Anschauungen
verglichen. Das Prädikat ist an sich vom Subjekt nicht verschieden,
denn es wird ja, eben im Urteil, eine Identität beider gesetzt. Also ist
eine Trennung von Subjekt und Prädikat überhaupt nur dadurch
möglich, daß jenes die Anschauung, dieses den Begriff repräsentiert.
Im Urteil sollen also Begriff und Objekt erst sich entgegengesetzt,
dann wieder auf einander bezogen und als einander gleich gesetzt
werden. Diese Beziehung ist nun aber bloß durch Anschauung mög-
lich. Allein diese Anschauung kann nicht dieselbe sein mit der pro-
duktiven, denn sonst wären wir um keinen Schritt weiter, sondern es
muß eine bis jetzt uns völlig unbekannte Anschauungsart sein, wel-
che erst abgeleitet zu werden verlangt […]. Eine solche Anschauung
ist der Schematismus, welchen jeder nur aus eigener innerer Erfah-
rung kennen lernen […] kann.« 120
Nur das Schema kann Begriff und Anschauung vereinigen, in-
dem es die sinnliche Anschauung mit der Regel konfrontiert, nach der
ein bestimmtes Objekt produziert werden kann. Unsere Sinnlichkeit
benötigt die Voraussetzung einer transzendentalen Abstraktion und
keiner empirischen. Die transzendentale Abstraktion kann jedoch nur
erklären, wie die Intelligenz Begriff und Anschauung trennt, und
nicht, auf welche Art und Weise (und durch welchen Prozess) ihre
Synthese im Urteil möglich ist. Deswegen ist ein transzendentaler
Schematismus notwendig. Das Schema ist ein Begriff, der zwischen
innerem und äußerem Sinn vermittelt. Es hat eine dynamische Funk-
tion, die die Produktion leitet. Das transzendentale Schema kann auf
sehr originelle Art und Weise zwischen innerem und äußerem Sinn
vermitteln.
»Die transzendentale Abstraktion ist Bedingung des Urteils,
aber nicht das Urteil selbst. Sie erklärt nur, wie die Intelligenz dazu
kommt, Objekt und Begriff zu trennen, nicht aber, wie sie beide im
Urteil wieder vereinigt. Wie der an sich völlig anschauungslose Be-
griff mit der an sich völlig begrifflosen Anschauung des Raums sich
zum Objekt wieder verbinde, ist ohne ein Vermittelndes nicht denk-
bar. Aber was den Begriff und die Anschauung überhaupt vermittelt,
ist das Schema. Also wird auch die transzendentale Abstraktion wie-
der aufgehoben werden durch einen Schematismus, den wir zum

120
Ebd., S. 182.

126
Die Philosophie der Identität im System der gesamten Philosophie

Unterschied gegen den früher abgeleiteten den transzendentalen


nennen werden.« 121
Vor diesem semantischen Horizont unterscheidet Schelling das
empirische Schema vom transzendentalen Schema. Das empirische
Schema wird als die sinnlich angeschaute Regel erklärt, nach der ein
Gegenstand empirisch hervorgebracht werden kann. Das transzen-
dentale Schema ist die sinnliche Anschauung der Regel, nach welcher
ein Objekt überhaupt oder transzendental hervorgebracht werden
kann. Das Schema ist also ȟberhaupt ein Vermittelndes des inneren
und äußeren Sinns«. 122
Das Schema muss sowohl vom Bild als auch vom Symbol unter-
schieden werden, mit welchen es sehr häufig verwechselt wird. »Das
Bild ist immer von allen Seiten so bestimmt, daß zur völligen Identi-
tät des Bildes mit dem Gegenstand nur der bestimmte Teil des Rau-
mes fehlt, in welchem der letztere sich befindet. Das Schema dagegen
ist nicht eine von allen Seiten bestimmte Vorstellung, sondern nur
Anschauung der Regel, nach welcher ein bestimmter Gegenstand her-
vorgebracht werden kann. Es ist Anschauung, also nicht Begriff, denn
es ist das, was den Begriff mit dem Gegenstand vermittelt. Es ist aber
auch nicht Anschauung der Regel, nach welcher ein solcher hervor-
gebracht werden kann.« 123

22. Die Philosophie der Identität im System der gesamten


Philosophie: von der absolut-unendlichen Identität zur
differenzierten endlichen Realität

Im System der gesammten Philosophie (1804) definiert Schelling das


Konzept der Philosophie der Identität und arbeitet eine Konstruktion
des gesamten ideellen und reellen Seins aus, indem er das vollendete
und systematische Schema der Kräfte verwendet. Was ist eine Phi-
losophie der Identität? Welches ist ihre Funktion und ihre Zielset-
zung im philosophischen System Schellings? Wie ist die Beziehung
zwischen einer Philosophie der Identität und dem Begriff des Absolu-
ten? Wie ist die Wechselbeziehung zwischen unendlicher, absoluter
Identität und endlicher, differenzierter Realität?

121
Ebd., S. 190.
122 Ebd.
123
Ebd., S. 182.

127
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

Das Verständnis der Kunst bzw. der ästhetischen Anschauung als


derjenigen Anschauung, die die Einheit von Ideellem und Reellem
herstellt, und die Definition der Transzendentalphilosophie als Ideal-
Realismus implizieren eine neue Konzeption des Absoluten, die stark
von den einseitigen Begriffen Kants und Fichtes wie Subjekt, Ich,
Selbstbewusstsein usw. abweicht. Nun wird eine philosophische For-
mulierung gesucht, die das Absolute als ursprüngliche Identität des
Ichs und des Nicht-Ichs, des Subjekts und Objekts, von Bewusstem
und Unbewusstem, von Geist und Natur (also als coincidentia oppo-
sitorum) versteht. Das Absolute ist mithin diese ursprüngliche Iden-
tität von Ideellem und Reellem, und die Philosophie ist das absolute
Wissen des Absoluten, das auf die Anschauung dieses Absoluten ge-
gründet ist – eine Anschauung, die die Bedingung jeden weiteren
Wissens ist. Dieses Absolute wird Vernunft genannt, und die Sicht-
weise der Vernunft ist die Sichtweise des absoluten Wissens. Die Phi-
losophie ist eine absolute Wissenschaft. Der Umsturz der Position
Kants ist nun vollbracht, und auch die zukünftige Perspektive Hegels
wird vorweggenommen, auch wenn sie gegenüber Schellings Kon-
zeption noch einige Veränderungen beinhaltet. Es ist evident, dass
diese Konzeption eine Synthese von Fichtes und Spinozas Gedanken
in Form eines pantheistischen Spiritualismus (oder spiritualistischen
Pantheismus) darstellt. Alles ist Vernunft, und die Vernunft ist alles.
Sie ist einzigartig. Die einzige absolute Erkenntnis ist die Erkenntnis
der absoluten Identität, die unendlich ist. Also ist alles, was ist, Iden-
tität, die als solche niemals zum Verschwinden gebracht werden kann.
Jedes Ding wird so, wie es an sich ist, betrachtet und liegt in dieser
unendlichen Identität, existiert nur in ihr und nicht außerhalb von ihr.
Diese Identität geht nicht (aus sich selbst) hervor und hat kein
Außen, sondern im Gegenteil: Alles ist in der Identität. Laut Schel-
ling ist der größte Fehler einer jeden (früheren) Philosophie die An-
nahme, dass die absolute Identität außerhalb der Subjektivität liege.
Die absolute Identität ist folglich das Ein und Alles, und außer ihr
existiert kein Ding an sich. Sie ist das Universum. Die einzelnen Din-
ge sind phänomenologische Manifestationen, die in der qualitativen
Differenzierung von Subjektivem und Objektivem, aus der das End-
liche hervorgeht, ihren Ursprung haben. Jede einzelne Existenz ist die
qualitative Differenzierung der absoluten Identität; sie bleibt nicht
nur in der Identität (als ihrem Grund) verwurzelt, sondern setzt
immer auch die Totalität der einzelnen Dinge voraus, an die sie struk-
turell und organisch gebunden ist.

128
Die Philosophie der Identität im System der gesamten Philosophie

Schelling zufolge zeigt sich die Indifferenz oder die ursprüng-


liche Identität in der doppelten (phänomenologischen) Abfolge von
Kräften, d. h. in der Serie von Kräften, in denen das Moment der Sub-
jektivität vorherrscht (A), und in der Serie, in der die Objektivität
vorherrscht (B); aber wenn A vorherrscht, ist B mit einbegriffen, wie
im umgekehrten Falle A mit einbegriffen ist. Die Identität bleibt in
der Totalität bestehen und behauptet sich in jeder Differenzierung.
Es ist verständlich, dass diese neue Perspektive von Schelling es
sehr schwierig macht, zu erklären, wie und warum aus der unend-
lichen Identität Differenzierung und das Endliche hervorgehen.
In dieser Phase versucht Schelling diese Schwierigkeit zu über-
winden, indem er die platonische Ideenlehre wiedereinführt. In der
Vernunft, die als absolute Identität und als Einheit des Universellen
und Einzelnen angesehen wird, liegen besondere Einheiten (die
Ideen), die der Ursprung der endlichen Dinge sein müssen. Schelling
ist der Auffassung, dass die Dinge nur für uns, also nur für unser
empirisches Bewusstsein, 124 Dinge in der Erkenntnis sind.
Es wird deutlich, dass Schelling hier mit einem komplizierten
Problem kämpft: dem Problem des Ursprungs des Endlichen aus
dem Unendlichen. An diesem Punkt angelangt, war es ihm weder
möglich, den Kreationismus (der das Endliche aus dem freien Willen
des Schöpfers hervorgehen lässt, diesen also als transzendental an-
sieht) noch den Spinozismus (der das Endliche auslöscht und somit
eine präidealistische Position vertritt) aufzunehmen. Und so nimmt
er das antike Konzept der Gnosis wieder auf, das schon vorher der
deutsche Mystizismus verwendet hatte. Nach diesem Konzept setzen
die Existenz der Dinge und ihr Ursprung einen ursprünglichen Ab-
fall, eine ursprüngliche Entzweiung, eine Trennung von Gott voraus.
Laut Schelling kann man den Ursprung der sinnlichen Erkenntnis
angesichts dieser Trennung vom Absoluten nur durch einen Sprung
erklären. Dies ist das zentrale Thema der theosophischen Phase der
Philosophie Schellings, die, wenn auch in wechselnder Intensität, von
irrationalen Echos gekennzeichnet ist. 125

124 Zur Analyse des Begriffs »Bewusstsein« nach Schelling vgl. V. Jankélévitch,

L’Odyssée de la conscience dans la dernière philosophie de Schelling, Paris: L’Harmat-


tan 2005; vgl. J. F. Courtine, Schelling. Entre temps et éternité. Histoire et préhistoire
de la conscience, Paris: Vrin 2012.
125
Vgl. Hermann Krings, »Vorbemerkungen zu Schellings Naturphilosophie«, in:
Schelling. Seine Bedeutung für eine Philosophie der Natur und der Geschichte, hrsg.
von L. Hasler, Stuttgart-Bad Cannstatt 1981, S. 73; vgl. Th. Buchheim, »Die Idee des

129
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

Die Lösung des Problems bringt eine Revision der gesamten Pro-
blematik des Absoluten mit sich. Schelling akzeptiert es mittlerweile,
als Pantheist bezeichnet zu werden, aber nur, wenn man unter Pan-
theismus versteht, dass alles, was ist, in Gott ist, und nicht umge-
kehrt, dass Gott alles ist. Außerdem akzeptiert Schelling, dass man
Gott als Person betrachtet (was Spinoza und Fichte ausgeschlossen
hatten). Die Gegensätze, die für Schelling vorher im Absoluten ver-
eint wurden, versteht er nun als im Kampf mit dem Absoluten be-
griffen: Gott hat eine dunkle und blinde Seite, die der irrationale
Wille ist, und eine positive und rationale Seite. Das Leben Gottes ist
der Sieg des Positiven über das Negative. Gott ist nicht nur reiner
Geist, sondern auch Natur.

23. Schellings Kritik an Hegel in der Philosophischen Einleitung in


die Philosophie der Mythologie und in der Philosophie der
Offenbarung: Negative und positive Philosophie

In der letzten Phase seiner Philosophie setzt sich Schelling mit Hegel
auseinander und entwickelt eine klare semantische Unterscheidung
zwischen »negativer« und »positiver Philosophie«. 126 Der Gedanken-
weg Schellings schließt mit der Polemik gegen das philosophische
System Hegels. Letzterer wird angeklagt, die vitalen Gründe des
Idealismus auf ein geschlossenes, logisches und dialektisches Schema
zu reduzieren, das abstrakt ist. Schelling sieht in der Philosophie He-
gels eine Art von Philosophie, die alles in der Entwicklung der Idee
aufgehoben wissen möchte und so ein logisches, sich selbst genügen-
des System begründet. Die Totalität des Reellen wird mit dem Ratio-
nalen identifiziert: »Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was
wirklich ist, das ist vernünftig.« Aus diesem Grund bestimmt Schel-
ling die Hegel’sche Philosophie negativ, nämlich als eine Philosophie,

Existierenden und der Raum. Vernunfthintergründe einer Welt äußerer Dinge nach
Schellings Darstellung des Naturprocesses von 1843/44«, in: Kant-Studien 106
(2015), S. 36–66.
126 Zur semantischen Unterscheidung zwischen negativer und positiver Philosophie

vgl. S. Jürgensen, »Schellings logisches Prinzip: Der Unterschied in der Identität«, in:
Schelling. Zwischen Fichte und Hegel, hrsg. von Christoph Asmuth, Alfred Denker
und Michael Vater, Amsterdam/Philadelphia 2000, S. 113–143; vgl. M. Guschwa,
Dialektik und philosophische Geschichtserzählung beim späten Schelling, Würzburg:
Ergon 2013.

130
Schellings Kritik an Hegel

die der reine Gedanke sein möchte und die keine Konfrontation mit
etwas Gegensätzlichem zulässt, das nicht ausschließlich auf den Ge-
danken zurückzuführen ist. Somit zeigt sich die Philosophie Hegels
als eine leere, spekulative Konstruktion. Laut Schelling zielen die Phi-
losophie und die Logik Hegels darauf, die Essenz der Dinge zu er-
fassen; dies jedoch niemals in ihrer reellen Existenz. Die Hegel’sche
Philosophie geht von der Vernunft aus und beachtet somit nicht die
Ganzheit der Existenz der Wirklichkeit, mit der sich hingegen die
positive Philosophie beschäftigt.
Eine solche Philosophie wie die Hegel’sche ist negativ, »weil es
ihr nur um die Möglichkeit (das Was) zu thun ist, weil sie alles er-
kennt, wie es unabhängig von aller Existenz in reinen Gedanken ist;
zwar werden in ihr existierende Dinge deducirt (sonst wäre sie nicht
Vernunft, d. h. apriorische Wissenschaft, denn das a priori ist dieß
nicht ohne ein a posteriori), aber es wird in ihr darum nicht deduziert,
daß die Dinge existieren; negativ ist jene, weil sie auch das Letzte, das
an sich Actus (daher gegenüber von den existierenden Dingen über-
existierend ist), nur im Begriff hat. Positiv dagegen ist diese; denn sie
geht von der Existenz aus, der Existenz, d. h. dem actu Actus-Seyn
des in der ersten Wissenschaft als notwendig existirend im Begriff
(als natura Actus seyend) Gefundenen.« 127
Man muss nun die beiden Formen der Philosophie verbinden.
»Ist aber gleich die positive Philosophie eine von der negativen abge-
setzte und andere, so ist demungeachtet der Zusammenhang, je die
Einheit beider zu behaupten. Die Philosophie ist doch nur Eine, näm-
lich die Philosophie, die sowohl ihren Gegenstand sucht, als ihren
Gegenstand hat und ihn zur Erkenntnis bringt. Die positive ist es,
die auch in der negativen eigentlich ist, nur noch nicht als wirkliche,
sondern erst als sich suchende: wie dieß diese ganze nun zu Ende
gekommene Entwicklung gezeigt hat.« 128 Vor welchem Horizont ist
eine Verbindung oder Synthese zwischen beiden Philosophien mög-
lich? Warum ist die semantische Unterscheidung zwischen positiver
und negativer Philosophie so wichtig für die letzte gedankliche Phase
Schellings? Was ist die Funktion und was ist das Ziel einer negativen
Philosophie? Was ist positive Philosophie?

127
F. W. J. Schelling, Philosophische Einleitung in die Philosophie der Mythologie,
S. 604.
128
Ebd., S. 606.

131
Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie

Schelling zufolge ist die negative Philosophie eine rein rationale


Philosophie, die auf einer reinen, logischen Vorgehensweise beruht.
Die positive Philosophie hingegen ist durch eine Vorgehensweise ge-
kennzeichnet, die die Realität untersucht, die die historischen Mani-
festationen des Göttlichen, 129 also die Mythologie und die Religion,
miteinbezieht. Während die negative Philosophie auf der Vernunft
beruht, beruht die positive Philosophie auf der Religion und der Of-
fenbarung. Die objektive (positive) Existenz der Realität sollte nicht
durch die Vernunft erklärt werden, sondern durch den Glauben.
Wenn man sich also bei der negativen Philosophie der Vernunft be-
dienen kann, kann man sich der positiven Philosophie nur mittels des
Glaubens annähern. Die Aufgabe der positiven Philosophie ist es, sich
ohne Unterlass mit etwas auseinanderzusetzen, das dem Gedanken
entgegengesetzt ist, mit etwas, das sich als unerschöpflich erweist:
mit Gott.
Schelling vertritt die Auffassung, dass die positive Philosophie
ein Zwischenschritt zur philosophischen Religion ist. Diese ist frei,
bewusst und geistlich, weil sie mit dem Akt der Wiederaneignung
der religiösen Inhalte, die von der Mythologie, der Erfahrung, der
Tradition oder der Offenbarung vermittelt werden, durch eine ratio-
nale Untersuchung gleichzusetzen ist. Die philosophische Religion
unterscheidet sich vom Rationalismus im weitesten Sinne, weil dieser
im logischen Bereich verbleibt und entsprechend begrenzt ist, wäh-
rend die philosophische Religion auf Gott und die religiösen Phäno-
mene in ihrer Ganzheit und mit ihrem geschichtlichen Hintergrund
konzentriert ist.
Das Konzept der negativen Philosophie wie auch das Schema,
das der Lehre der Kräfte zugrunde liegt, reiften schon früh in Schel-
ling. Der Weg seiner Theorie wird schon in den Vorlesungen, die er
ab 1827 in München über die Geschichte der modernen Philosophie
gehalten hat, und in den Vorlesungen von 1836 über den philosophi-
schen Empirismus vorweggenommen. Die einzelnen theoretischen
Ansätze, die in diesen Vorlesungen zum Vorschein kommen, werden
jedoch erst später und bis zu seinem Tode in seiner letzten Philoso-
phie von ihm vertieft: Andere Deduktion der Prinzipien der positiven
Philosophie (1839); Philosophie der Offenbarung (1841–1842); Phi-

129
Vgl. D. Korsch, Der Grund der Freiheit. Eine Untersuchung zur Problemgeschich-
te der positiven Philosophie und zur Systemfunktion des Christentums im Spätwerk
Schellings, München 1980.

132
Schellings Kritik an Hegel

losophie der Mythologie (1842); Der Monotheismus (1842); Philoso-


phische Einleitung in die Philosophie der Mythologie oder Darstel-
lung der reinrationalen Philosophie (1847–1854); Einleitung in die
Philosophie der Offenbarung oder Begründung der positiven Phi-
losophie (1842–1843); Das Tagebuch 1848. Philosophie der Mytholo-
gie und demokratische Revolution (1848–1849).
Die Philosophie der Mythologie und die Philosophie der Offen-
barung stellen den Versuch dar, eine positive Philosophie 130 zu reali-
sieren, deren Ziel es ist, die Realität zu erklären, ohne sie in Schemata
zu drängen, die rein begrifflich sind. Die positive Philosophie impli-
ziert die Überwindung des negativen Moments, der eintritt, wenn die
Vernunft, nachdem sie sich das Sein durch logische Begriffe angeeig-
net hat, erkennt, dass sie nicht selbst das absolute Prinzip ist, sondern
dass ihr Denken von etwas herrühren muss, das dies erst ermöglicht.
Die Philosophie wird so zu einer philosophischen Religion, die zwei
Phasen durchläuft: die der natürlichen oder mythologischen Religion
und die der offenbarten Religion. Hieraus folgt die Aufteilung der
positiven Philosophie in eine Philosophie der Mythologie und in eine
Philosophie der Offenbarung. Die Aufgabe der positiven Philosophie
ist es, die Wahrheit der Mythologie und der Offenbarung zu erfassen
und sich somit Gott zuzuwenden.

130
Vgl. M. Gabriel, Der Mensch im Mythos. Untersuchungen über Ontotheologie,
Anthropologie und Selbstbewusstseinsgeschichte in Schellings »Philosophie der My-
thologie«, Berlin/New York: de Gruyter 2006.

133
III. Die Wechselbeziehung »endlich –
unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

»Das was ist, zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie,


denn das, was ist, ist die Vernunft.«

»Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das
ist vernünftig. In dieser Überzeugung steht jedes unbefange-
ne Bewusstsein, wie die Philosophie, und hiervon geht diese
ebenso in Betrachtung des geistigen Universums aus, als des
natürlichen.«

»Die Unendlichkeit, oder der absolute Begriff ist das einfache


Wesen des Lebens, die Seele der Welt, das allgemeine Blut zu
nennen, welches allgegenwärtig durch keinen Unterschied ge-
trübt noch unterbrochen wird, das vielmehr selbst alle Unter-
schiede ist, so wie ihr Aufgehobensein, also in sich pulsiert,
ohne sich zu bewegen, in sich erzittert, ohne unruhig zu sein.
Sie ist sichselbstgleich, denn die Unterschiede sind tautolo-
gisch, es sind Unterschiede, die keine sind.«
Georg Wilhelm Friedrich Hegel

1. Transzendentale Anschauung, Reflexion und Subjektivität.


Hegels Kritik an Fichte und Schelling in der Differenz des
Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie

In dem Abschnitt »Prinzip einer Philosophie in der Form eines abso-


luten Grundsatzes« seiner Schrift Differenz des Fichteschen und
Schellingschen Systems der Philosophie (1801) bemerkt Hegel: »Die
Philosophie als eine durch Reflexion produzierte Totalität des Wis-
sens wird ein System, ein organisches Ganzes von Begriffen, dessen
höchstes Gesetz nicht der Verstand sondern die Vernunft ist; jener
hat die Entgegengesetzten seines Gesetzten, seine Grenze, Grund
und Bedingung richtig aufzuzeigen, aber die Vernunft vereint diese
Widersprechenden, setzt beide zugleich und hebt beide auf. An das

134
Transzendentale Anschauung, Reflexion und Subjektivität

System als eine Organisation von Sätzen kann die Forderung gesche-
hen, daß ihm das Absolute, welches der Reflexion zum Grunde liegt,
auch nach Weise der Reflexion, als oberster absoluter Grundsatz vor-
handen sei.« 1
Anhand dieser Betrachtung möchte Hegel aufzeigen, dass das
Ganze, die Totalität, das Absolute, wenn es wirklich konkret, d. h. in
seiner ganzen Wahrheit gedacht werden soll (und nichts anderes ist
mit Spekulation gemeint), gar nicht anders als in sich widersprüchlich
gedacht werden kann: als Antinomie. Er erklärt: »Soll das Prinzip der
Philosophie in formalen Sätzen für die Reflexion ausgesprochen wer-
den, so ist zunächst als Gegenstand dieser Aufgabe nichts vorhanden
als das Wissen, im allgemeinen die Synthese des Subjektiven und
Objektiven oder das absolute Denken. Die Reflexion aber vermag
nicht die absolute Synthese in einem Satz auszudrücken, wenn näm-
lich dieser Satz als ein eigentlicher Satz für den Verstand gelten soll;
sie muß, was in der absoluten Identität eins ist, trennen und die Syn-
these und die Antithese getrennt, in zwei Sätzen, in einem die Iden-
tität, im andern die Entzweiung, ausdrücken.« 2
Ebenfalls in der Differenz des Fichteschen und Schellingschen
Systems der Philosophie schreibt Hegel, dass der Verstand, da Wissen
die Synthese von Subjektivität und Objektivität ist, zugleich die Iden-
tität (A = A) und die Nicht-Identität (A = B) behaupten muss. Dies
führt jedoch zur Verstrickung in eine Antinomie. Einziger Ausweg
ist: entweder die Nicht-Identität zu negieren oder auf die Wahrheit
des Wissens zu verzichten. Hegel unterstreicht daher: »[W]enn man
bloß auf das Formelle der Spekulation reflektiert und die Synthese
des Wissens in analytischer Form festhält, so ist die Antinomie, der
sich selbst aufhebende Widerspruch, der höchste formelle Ausdruck
des Wissens und der Wahrheit.« 3 Insofern die Spekulation »von der
Seite der bloßen Reflexion angesehen wird, erscheint die absolute
Identität in Synthesen Entgegengesetzter, also in Antinomien; die
relativen Identitäten, in die sich die absolute differenziert, sind zwar
beschränkt, und insofern für den Verstand und nicht antinomisch;
zugleich aber weil sie Identitäten sind, sind sie nicht reine Verstan-
desbegriffe; und sie müssen Identitäten sein, weil in einer Philosophie

1 G. W. F. Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philoso-

phie, hrsg. von H. Brockard und H. Buchner, Hamburg: Meiner 1979, S. 25.
2 Ebd., S. 26–27.

3
Ebd., S. 28.

135
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

kein Gesetztes ohne Beziehung aufs Absolute stehen kann; von der
Seite dieser Beziehung aber ist selbst jedes Beschränkte eine (relative)
Identität, und insofern für die Reflexion ein antinomisches; und dies
ist die negative Seite des Wissens, das formale, das von der Vernunft
regiert, sich selbst zerstört. Außer dieser negativen Seite hat das Wis-
sen eine positive Seite, nämlich die Anschauung. Reines Wissen, das
hieße Wissen ohne Anschauung, ist die Vernichtung der Entgegen-
gesetzten im Widerspruch; Anschauung ohne diese Synthese Ent-
gegengesetzter ist empirisch, gegeben, bewußtlos.« 4
Die Spekulation ist somit zum Denken des Absoluten bestimmt,
das der damit notwendig verbundenen Erfahrung der Antinomie
standhält und sich vor ihr nicht in die vermeintlichen Sicherheiten
des reflektierenden Verstandes flüchtet. »Das Vermögen der Speku-
lation« heißt sowohl bei Hegel als auch bei Schelling Vernunft, die
vom Verstand unterschieden wird. Dieser soll von sich aus den Wi-
derspruch ausschließen, weil der Widerspruch irrational ist. Mit die-
sem Begriff der Spekulation haben Hegel und Schelling den traditio-
nellen Begriff der Dialektik übernommen und zugleich grundlegend
neu formuliert. Dies wird offensichtlich, wenn man den Hegel’schen
Begriff der Dialektik mit dem Schelling’schen Begriff in den Vor-
lesungen über die Methode des akademischen Studiums von 1803
konfrontiert. 5
Die Wege von Hegel und Schelling trennen sich sowohl aus phi-
losophischer Sicht als auch aus persönlicher, als es darum geht, die in
der Perspektive des abstrakten Verstandes irrationale Spekulation
nun selber rational zu bestimmen. Es ist interessant, zu bemerken,
dass Hegel in der Differenz des Fichteschen und Schellingschen Sys-
tems der Philosophie von 1801 noch mit der Schelling’schen Lehre
der intellektuellen Anschauung übereinstimmt und erklärt: Das Ab-
solute, d. h. die absolute Identität zwischen Subjektivität und
Objektivität, erscheint dem Verstand als eine Form der Antinomie;
im Gegensatz dazu erscheint die Vernunft als das Vermögen der Spe-
kulation und erfasst in der »Nacht des Verstands« auch die Identität
des in der Antinomie Entgegengesetzten, und zwar als nicht-empiri-
sche, intellektuelle oder transzendentale Anschauung. »Dadurch,
dass die Anschauung transzendental wird, tritt die Identität des Sub-

4
Ebd., S. 30.
5 Vgl. F. W. J. Schelling, Studium generale. Vorlesungen über die Methode des aka-
demischen Studiums, hrsg. von Glockner, Stuttgart: Kröner 1954, S. 81.

136
Transzendentale Anschauung, Reflexion und Subjektivität

jektiven und Objektiven, welche in der empirischen Anschauung ge-


trennt ist, ins Bewußtsein […]. Das Produzieren des Bewußtseins
dieser Identität ist die Spekulation, und weil Idealität und Realität in
ihr Eins sind, ist sie Anschauung.« 6
Ausgehend von dieser Auffassung unterstreicht Hegel im Ab-
schnitt »Transzendentale Anschauung« der Differenzschrift, dass
»das transzendentale Wissen beides vereinigt: Reflexion und An-
schauung. Es ist Begriff und Sein zugleich. Dadurch, daß die An-
schauung transzendental wird, tritt die Identität des Subjektiven
und Objektiven, welche in der empirischen Anschauung getrennt
sind, ins Bewußtsein; das Wissen, insofern es transzendental wird,
setzt nicht nur den Begriff und seine Bedingung oder die Antinomie
beider, das Subjektive, sondern zugleich das Objektive, das Sein, vo-
raus. Im philosophischen Wissen ist das Angeschaute eine Tätigkeit
der Intelligenz und der Natur, des Bewußtseins und des Bewußtlosen
zugleich; es gehört beiden Welten, der ideellen und reellen zugleich
an – der ideellen, indem es in der Intelligenz, und dadurch in Freiheit
gesetzt ist, – der reellen, indem es seine Stelle in der objektiven Tota-
lität hat, sozusagen als ein Ring in der Kette der Notwendigkeit de-
duziert wird. Stellt man sich auf den Standpunkt der Reflexion oder
der Freiheit, so ist das Ideelle das Erste und das Wesen, und das Sein
nur die schematisierte Intelligenz; stellt man sich auf den Standpunkt
der Notwendigkeit oder des Seins, so ist das Denken nur ein Schema
des absoluten Seins.« 7
Im transzendentalen Wissen ist beides vereinigt, Sein und Intel-
ligenz; ebenso ist »transzendentales Wissen und transzendentales
Anschauen Eins und dasselbe; der verschiedene Ausdruck deutet
nur auf das Überwiegende des ideellen oder reellen Faktors. Es ist
von der tiefsten Bedeutung, daß mit so vielem Ernst behauptet wor-
den ist, ohne transzendentale Anschauung könne nicht philosophiert
werden.« 8
Einige Jahre später kritisiert Hegel in der Phänomenologie des
Geistes (1807) die »tranzendentale Anschauung« und bezeichnet sie
als philosophischen Obskurantismus – und beleidigt so zutiefst
Schelling, mit dem er seine ersten philosophischen Gedanken geteilt

6 G. W. F. Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philoso-

phie, S. 32.
7 Ebd., S. 31.

8
Ebd.

137
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

hatte. Hegel erklärt in der Differenzschrift von 1801, dass »in der
transzendentalen Anschauung alle Entgegensetzung aufgehoben,
aller Unterschied der Konstruktion des Universums durch und für
die Intelligenz, und seiner als ein Objektives angeschauten, unabhän-
gig erscheinenden Organisation vernichtet [ist]«. 9 Im Gegensatz dazu
beschreibt er im Vorwort der Phänomenologie des Geistes von 1807
das Resultat dieser Vernichtung in einem absolut negativen Sinne.
In der Differenzschrift erklärt Hegel, dass das philosophische
System Schellings die Natur nicht nur als negatives Moment der un-
endlichen Tätigkeit des Ichs auffasse, sondern auch als Erschaffung
und Entwicklung seiner selbst: Es gibt eine Einheit von Geist und
Natur, von Subjektivität und Objektivität, von Ideellem und Reellem,
und am Ursprung dieser Einheit steht das gleiche Prinzip. Aber was
liegt diesem Prinzip zugrunde? Warum ist die kritische Interpretation
dieses Prinzips als Ursprung dieser Einheit und Synthese in der He-
gel’schen Philosophie so wichtig?
Laut Hegel möchte Schelling in der Natur die gleichen Momente
der Selbsterschaffung wiederfinden, die er in der Wissenschaftslehre
Fichtes in der Tätigkeit des Ichs gefunden hatte. So kommt er zu dem
Schluss, dass die Natur ein unbewusstes Produkt der Intelligenz ist
und dass sie sich Schritt für Schritt weiterentwickelt: von der Materie
über das Organische bis hin zum Menschen, in dem schließlich die
Intelligenz zur Erkenntnis reift. Der Mensch ist so das höchste Ziel
der Natur; in ihm offenbart sich der Geist, der auf allen anderen Stu-
fen der Natur versteckt bleibt. Schelling nutzt die wissenschaftlichen
Entdeckungen seiner Zeit (den Magnetismus, die Elektrizität, den
Chemismus) und vertritt die Auffassung, dass die Natur sich durch
das Aufeinandertreffen zweier fundamentaler Kräfte realisiere: An-
ziehung und Abstoßung, die die unterschiedlichen Stufen der Natur
hervorrufen. Das Prinzip der Naturphilosophie Schellings lautet:
»Die Natur ist der sichtbare Geist, der Geist ist die unsichtbare Na-
tur.« Wenn die Natur ein unbewusster Geist ist, kann man sie nicht
mehr als eine Ganzheit von Phänomenen, die durch notwendige Ge-
setze geordnet werden, ansehen. Die Natur kann nicht als Mechanis-
mus verstanden werden, da sie ein lebendiger Organismus ist; der
Organismus zeigt sich in der Tat als ein mechanisch Mehrfaches, das
zwar aus einzelnen Teilen besteht, aber auch in sich eine Einheit hat,

9
Ebd.

138
Transzendentale Anschauung, Reflexion und Subjektivität

der das Prinzip der Entwicklung sowie notwendige Beziehungen der


Teile mit dem Ganzen zugrunde liegen.
Hegel kritisiert in der Differenzschrift von 1801 Schellings
Naturphilosophie, 10 die den Prozess der Natur als unbewusste Intel-
ligenz 11 versteht, welche mittels »sukzessiver und ansteigender Stu-
fen« bis zum menschlichen Bewusstsein aufsteigt. Schellings System
des transzendentalen Idealismus geht vom Subjektiven aus und leitet
das Objektive von ihm ab (ein Prozess, der sich im Vergleich zur Na-
turphilosophie in umgekehrter Richtung vollzieht). Es gibt also zwei
Wege, die die Philosophie durchlaufen soll: vom Objekt zum Subjekt
(von der Natur zum Geist), das ist die Aufgabe der Naturphilosophie;
und vom Subjekt zum Objekt (vom Geist zur Natur), das ist die Auf-
gabe der Transzendentalphilosophie. Die theoretische und die prakti-
sche Philosophie ergeben als Synthese das System des transzenden-
talen Idealismus. Der Ausgangspunkt des transzendentalen Weges ist
das Ich oder das Selbstbewusstsein: Die transzendentale Philosophie
ist die Geschichte des Selbstbewusstseins, das alle Stufen des inneren
Prozesses des Bewusstseins durchläuft, von der Empfindung zur Re-
flexion, 12 von der Reflexion zum Willen.
Die erste Phase (die der Empfindung) ist die, in der das Bewusst-
sein das Objekt als außerhalb von sich liegend erkennt. Die zweite
Phase der Reflexion ist die, in der das Bewusstsein sich selbst im Ob-
jekt erkennt und es als Ergebnis seiner Handlung versteht. Die dritte
Phase ist die des Willens, in der das Bewusstsein sich selbst als eigenes
Objekt konzipiert und sich als Wille erkennt. Der theoretische und
der praktische Aspekt des Bewusstseins stellen sich somit als Gegen-
satzpaar heraus, so dass die Transzendentalphilosophie zwischen
theoretischer und praktischer Philosophie unterscheiden kann. Die
theoretische Philosophie sieht unsere Darstellungen als von den Ob-
jekten hervorgerufen an. Die praktische Philosophie hingegen sieht

10
Vgl. W. Schmied-Kowarzik, Von der wirklichen, von der seyenden Natur: Schel-
lings Ringen um eine Naturphilosophie in Auseinandersetzung mit Kant, Fichte und
Hegel, Stuttgart-Bad Cannstatt 1996.
11 Vgl. W. C. Zimmerli, »Die Frage nach der Philosophie. Interpretation zu Hegels

Differenzschrift«, in: Hegel-Studien, Beiheft 12, Bonn: Bouvier 1974; vgl. R. Stern,
Hegel, Kant and the Structure of the Object, New York 2006.
12 Vgl. M. Gabriel, »The Mythological Being of Reflection. An Essay on Hegel, Schel-

ling, and the Contingency of Necessity«, in: M. Gabriel und S. Žižek, Mythology,
Madness and Laughter. Subjectivity in German Idealism, London/New York: Conti-
nuum 2009, S. 15–94.

139
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

die Objekte als von den Darstellungen bestimmt und modifiziert an.
Und hier liegt der Widerspruch: Im ersten Falle postuliert man, dass
die sinnliche Welt über dem Gedanken steht, im zweiten Falle, dass
der Gedanke über der sinnlichen Erkenntnis steht. Weder das theo-
retische Bewusstsein noch das moralische können das Organon der
Philosophie sein, weil sie diese Gegenüberstellung von Subjekt und
Objekt, Geist und Natur voraussetzen. Nur die ästhetische Aktivität,
die Kunst, ist das Organon der Philosophie. Sie ist der Höhepunkt des
Lebens des Geistes, da nur das Kunstwerk ein konkretes, reales Zeug-
nis von der Möglichkeit gibt, die Trennung von Geist und Natur zu
überwinden. Schelling sieht in der ästhetischen Tätigkeit die einzige
Möglichkeit, intuitiv das Absolute als Identität von unbewusster Na-
tur und bewusstem Geist zu erkennen. Im Kunstwerk drückt sich das
Unendliche in endlichen Formen aus. Die Kunst ist die einzige und
ewige Enthüllung des Absoluten.
In der Schelling’schen Auffassung der Kunst und der ästheti-
schen Tätigkeit als einziger Möglichkeit, die Einheit von Realem und
Idealem, von Subjekt und Objekt zu erreichen, sieht Hegel die neue
Konzeption des Absoluten, die sich qualitativ tiefgehend von Kants
und Fichtes Bestimmungen des Subjekts, des Ichs und des Selbst-
bewusstseins unterscheidet. In der Definition Schellings ist das Ab-
solute die ursprüngliche Identität von Ich und Nicht-Ich, Subjekt und
Objekt, Geist und Natur als coincidentia oppositorum.
Das Absolute verwirklicht sich nur durch eine ursprüngliche
Anschauung, nämlich die der Philosophie, die eine absolute und be-
dingungslose Wissenschaft ist, weil ihr Ursprung nicht in den Grund-
sätzen anderer Wissenschaften liegt. Dieses Absolute wird bereits
Vernunft genannt, und die Philosophie ist die Sichtweise der Ver-
nunft. Alles ist Vernunft und Vernunft ist alles. All das, was vernünf-
tig ist, ist wirklich. Diese absolute Identität ist unbegrenzt und kann
nie aufgehoben werden.
Laut Schelling besteht die echte Philosophie in der Darstellung
dieser unaufhebbaren absoluten Identität. Alles ist Identität von Na-
tur und Subjektivität – ein Prinzip, das nur Spinoza erkannt hatte,
jedoch ohne einen vollständigen Beweis geliefert zu haben. Die ein-
zelnen Dinge gehen aus der qualitativen Differenzierung jener zwei
Kräfte (Anziehung und Abstoßung) hervor, in denen sich das Abso-
lute äußert. Hierbei überwiegt entweder das subjektive Moment oder
das objektive Moment.
Schelling akzeptiert weder das künstlerische Schaffen (welches

140
Die Wechselbeziehung von Endlichem und Unendlichem

das Endliche aus der Handlung des freien Willens des Schöpfers er-
wachsen lässt) noch den Spinozismus (der das Endliche widerlegt,
indem alles auf Gott zurückgeführt wird). Er nimmt folglich das an-
tike gnostische Konzept wieder auf, nach dem die Existenz der Dinge
und deren Herkunft eine ursprüngliche Loslösung, eine Abkehr von
Gott voraussetzen. Und das ist das zentrale Thema der theosophi-
schen Phase der Schelling’schen Philosophie.
Erst die Überprüfung und die Umformung der eigentlichen The-
matik des Absoluten in der letzten Phase der Philosophie Schellings
bringt die Lösung des hier dargestellten Problems mit sich: Die Ge-
gensätze, die Schelling zuerst im Absoluten als vereinigt angesehen
hatte, sind für ihn nun in der Philosophie der Mythologie und in der
Philosophie der Offenbarung durch einen Kampf untereinander im
Absoluten charakterisiert. In Gott liegen ein obskures, irrationales
Prinzip und zugleich ein positives, rationales Prinzip. Das Leben Got-
tes entfaltet sich als ein Sieg des Positiven über das Negative. Das
menschliche Drama eines Kampfes zwischen Gut und Böse, zwischen
Freiheit und Zwang, ist nichts anderes als die Widerspiegelung eines
ursprünglichen Konfliktes zwischen den gegensätzlichen Kräften in
Gott.

2. Die Wechselbeziehung von Endlichem und Unendlichem

Die Erklärung des Endlichen im Unendlichen ist eine der Hauptthe-


sen des Hegel’schen Idealismus. Mit dieser Theorie erklärt Hegel die
Wirklichkeit nicht als eine Gesamtheit von selbständigen Substanzen,
die separat vorliegen, sondern als einen einheitlichen Organismus, in
dem alles, was existiert, eine Manifestation des Geistes 13 ist. Dieser
Organismus deckt sich mit dem Absoluten oder Unendlichen, und
seine unterschiedlichen Manifestationen verweisen auf die Unend-
lichkeit. Demzufolge existiert das Endliche als solches nicht, da es
eine Emanation des Unendlichen ist. Um das Konzept des Unend-
lichen zu definieren und um die dialektische Korrelation »endlich –
unendlich« 14 zu bestimmen, führt Hegel die sprachlich-semantische
Unterscheidung zwischen dem bösen Unendlichen und dem echten

13
Vgl. J. Russon, Infinite Phenomenology: The Lessons of Hegel’s Science of Experi-
ence, Evanston: Northwestern University Press 2015.
14
Zur Korrelation »endlich – unendlich« in Hegels Philosophie vgl. Das Endliche und

141
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

Unendlichen ein. »Die schlechte Unendlichkeit ist die sinnliche Un-


endlichkeit.« 15 Die falsche Unendlichkeit ist die mathematische Un-
endlichkeit des unendlichen Fortschritts. Dieser Prozess ist durch
einen kontinuierlichen Fortschritt charakterisiert.
Der Fortschritt im Unendlichen verweist auf das dem Endlichen
Gegenüberstehende, das jedoch nie erreicht wird; deshalb ist die Ver-
neinung des Endlichen ein Seinmüssen. Das echte Unendliche hebt
diesen Widerspruch auf. Es verneint die Wirklichkeit des Endlichen
und löst es in sich auf. Die wirkliche Unendlichkeit ist, anders aus-
gedrückt, das, was ist: die Wirklichkeit.
In der Wissenschaft der Logik erläutert Hegel, dass die wahrhaf-
te Unendlichkeit Wirklichkeit ist. Nur das böse Unendliche ist nicht
wirklich, weil es die Verneinung des Endlichen ist. Die wirkliche Un-
endlichkeit als ein Sein, das sich gegen die abstrakte Verneinung
stellt, ist eine Wirklichkeit, die somit konkret ist: Nicht das Endliche
ist wirklich, sondern das Unendliche. 16
Vor diesem semantischen Horizont ist das Unendliche die Kraft
der Existenz und die Seele der Welt, durch die sich die Einheit von
Vernunft und Wirklichkeit realisiert: Was vernünftig ist, das ist wirk-
lich. »Diese einfache Unendlichkeit, oder der absolute Begriff ist das
einfache Wesen des Lebens, die Seele der Welt, das allgemeine Blut zu
nennen, welches allgegenwärtig durch keinen Unterschied getrübt
noch unterbrochen wird, das vielmehr selbst alle Unterschiede ist, so
wie ihr Aufgehobensein, also in sich pulsiert, ohne sich zu bewegen,
in sich erzittert, ohne unruhig zu sein. Sie ist sichselbstgleich, denn
die Unterschiede sind tautologisch, es sind Unterschiede, die keine
sind.« 17
Die Unendlichkeit oder »diese absolute Unruhe des reinen sich
selbst Bewegens, daß, was auf irgend eine Weise, zum Beispiel als
Sein, bestimmt ist, vielmehr das Gegenteil dieser Bestimmtheit ist,
ist zwar schon die Seele alles bisherigen gewesen, aber im Innern erst
ist sie selbst frei hervorgetreten. Die Erscheinung oder das Spiel der
Kräfte stellt sie selbst schon dar, aber als Erklären tritt sie zunächst

das Unendliche in Hegels Denken, hrsg. von L. Illetterati und F. Menegoni, Stuttgart:
Klett-Cotta 2003.
15 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 343.

16
Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, I, Teil I, Kap. II, S. 161–162 und
S. 163.
17
G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 252.

142
Die Wechselbeziehung von Endlichem und Unendlichem

frei hervor; und indem sie endlich für das Bewußtsein Gegenstand ist,
als das, was sie ist, so ist das Bewußtsein Selbstbewußtsein.« 18
Im romantischen Idealismus dient dieses Konzept des »Unend-
lichen« 19 dazu, die Wirklichkeit als solche zu rechtfertigen und den
Anspruch des abstrakten Verstandes, die unüberwindbaren Grenzen
des Verstandes zu beurteilen und zu bestimmen, abzulehnen. Durch
den Begriff der Unbegrenztheit und der Unendlichkeit der Macht ist
jede einzelne Wirklichkeit das, was sie sein muss. Das Unendliche
benötigt, um zu sein, nichts, was außer ihm liegt, und ist deswegen
die unbegrenzte Macht des Daseins.
Dieses Konzept der Unendlichkeit kann man bis zu Plotin zu-
rückverfolgen, der in den Enneaden das Unendliche als Unbegrenzt-
heit der Macht definiert hat. Für Hegel ist die Unendlichkeit die
Wirklichkeit selbst, weil sie eine unbegrenzte Macht der Verwirk-
lichung, d. h. eine absolute Macht ist. Aus dieser Sicht ist das Endliche
irreal und findet seine Wirklichkeit nur im Unendlichen und als Un-
endliches.
Daher ist die Unendlichkeit das Absolute. Es ist zur gleichen Zeit
Objekt und Subjekt der Philosophie und wird oft unterschiedlich de-
finiert. Es bleibt weiterhin durch seine positive Unendlichkeit charak-
terisiert und ist jenseits von jeder endlichen Wirklichkeit. Außerdem
trägt es jede endliche Wirklichkeit in sich.
Im Vorwort der Phänomenologie des Geistes legt Hegel dar, dass
das Absolute das wesentliche Ergebnis ist, das erst am Ende der Ent-
wicklung Wirklichkeit ist. Auf der Grundlage dieses Prinzips identi-
fiziert sich der absolute Geist mit den höchsten Stufen der Wirklich-
keit, insofern er sich selbst als das Prinzip des unendlichen
Selbstbewusstseins in der Religion, in der Kunst und in der Philoso-
phie bestimmt. Deshalb ist das Absolute ohne Einschränkungen,
ohne Grenzen, ohne Bedingungen. Das Absolute ist die Wirklichkeit,
welche auf Grenzen und Bedingungen verzichtet. Es ist die höhere
Wirklichkeit des Geistes oder die höhere Wirklichkeit Gottes. Das
Absolute ist das wahre Unendliche.

18 Ebd., S. 254.
19 Zum Begriff der Unendlichkeit bei Hegel vgl. M. Baum, »Zur Vorgeschichte des
Hegel’schen Unendlichkeitsbegriffs«, in: Hegel-Studien 11 (1976), S. 89–124 und
U. Majer, »Das Unendliche als eine bloße Idee«, in: Revue Internationale de Philoso-
phie 186 (1993), S. 319–341.

143
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

3. Hegels Kritik an Kant in der Enzyklopädie der


philosophischen Wissenschaften im Grundriss:
Die Natur des Erkennens

In der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grund-


riß schreibt Hegel: »Die Kantische Philosophie kann am bestimmtes-
ten so betrachtet werden, daß sie den Geist als Bewußtsein aufgefaßt
hat und nur Bestimmungen der Phänomenologie, nicht der Philoso-
phie desselben, enthält.« 20 Bei Kant erreicht die Phänomenologie des
Geistes als Bewusstsein nicht das Niveau der Philosophie, d. h. der
Wissenschaft im strikten Sinn. Die Phänomenologie des Geistes kann
darum nur dann zur Wissenschaft werden (zur Wissenschaft des er-
scheinenden Wissens oder zur Wissenschaft der Erfahrung des Be-
wusstsein), wenn man über Kant hinausgeht, aber im Sinne des kri-
tischen Denkweges.
Im Kapitel »Kritische Philosophie der Enzyklopädie« bemerkt
Hegel: »Es kann eine allgemeine Bemerkung über das Resultat ge-
macht werden, welches sich aus der kritischen Philosophie für die Na-
tur des Erkennens ergeben, und zu einem der Vorurteile d. i. allgemei-
nen Voraussetzungen der Zeit erhoben hat. In jedem dualistischen
System, insbesondere aber im Kantischen gibt sich sein Grundmangel
durch die Inkonsequenz das zu vereinen, was einen Augenblick vorher
als selbständig somit als unvereinbar erklärt worden ist, so wird so-
gleich vielmehr für das Wahrhafte erklärt, daß die beiden Momente,
denen in der Vereinung als ihrer Wahrheit das Für-sich-bestehen ab-
gesprochen worden ist, nur so, wie sie getrennte sind, Wahrheit und
Wirklichkeit haben […]. Es ist darum die größte Inkonsequenz einer-
seits zuzugeben, daß der Verstand nur Erscheinungen erkennt, und
andererseits dies Erkennen als etwas Absolutes zu behaupten, indem
man sagt: das Erkennen könne nicht weiter, dies sei die natürliche,
absolute Schranke des menschlichen Wissens. Die natürlichen Dinge
sind beschränkt, und nur natürliche Dinge sind sie, insofern sie nichts
von ihrer allgemeinen Schranke wissen, insofern ihre Bestimmtheit
nur eine Schranke für uns ist, nicht für sie.« 21 Welches ist die Funk-
tion und worin besteht die Bedeutung der Schranke, und worin liegen
die Grenzen der Möglichkeit des menschlichen Bewusstseins?

20
G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,
in: Werke, Bd. 10, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1971, S. 202.
21
Ebd., S. 143–144.

144
Hegels Kritik an Kant

Wodurch ist die Beziehung zwischen Begrenztem und Unbegrenztem


im Hegel’schen Idealismus charakterisiert?
Hegel schreibt: »Als Schranke, Mangel wird etwas nur gewußt,
ja empfunden, indem man zugleich darüber hinaus ist. Die lebendi-
gen Dinge haben das Vorrecht des Schmerzes vor den leblosen; selbst
für jene wird eine einzelne Bestimmtheit zur Empfindung eines Ne-
gativen, weil sie als lebendig die Allgemeinheit der Lebendigkeit, die
über das Einzelne hinaus ist, in ihnen haben, in dem Negativen ihrer
selbst sich noch erhalten und diesen Widerspruch als in ihnen existie-
rend empfinden. Dieser Widerspruch ist nur in ihnen, insofern beides
in dem Einen Subjekt ist, die Allgemeinheit seines Lebensgefühls,
und die gegen dasselbe negative Einzelheit. Schranke, Mangel des
Erkennens ist ebenso nur als Schranke, Mangel bestimmt, durch die
Vergleichung mit der vorhandenen Idee des Allgemeinen, eines Gan-
zen und Vollendeten. Es ist daher nur Bewußtlosigkeit nicht einzuse-
hen, daß eben die Bezeichnung von Etwas als einem Endlichen oder
Beschränkten den Beweis von der wirklichen Gegenwart des Unend-
lichen, Unbeschränkten enthält, daß das Wissen von Grenze nur sein
kann, insofern das Unbegrenzte diesseits im Bewußtsein ist.« 22
Hegel kritisiert 23 an der Philosophie Kants und Fichtes, dass sie
Philosophien des Bewusstseins geblieben seien, da sie das Bewusst-
sein nicht als eine objektive und absolute Wissenschaft betrachteten.
»Die Kantische Philosophie kann am bestimmtesten so betrachtet
werden, daß sie den Geist als Bewußtsein aufgefaßt hat, und ganz
nur Bestimmungen der Phänomenologie, nicht der Philosophie des-
selben enthält. Sie betrachtet Ich als Beziehung auf ein Jenseitsliegen-
des, das in seiner abstrakten Bestimmung das Ding-an-sich heißt, und
nur nach dieser Endlichkeit faßt sie sowohl die Intelligenz als den
Willen. Wenn sie im Begriffe der reflektierenden Urteilskraft zwar
auf die Idee des Geistes, die Subjektivität-Objektivität, einen an-
schauenden Verstand usw., wie auch auf die Idee der Natur kommt,
so wird diese Idee selbst wieder zu einer Erscheinung, nämlich einer
subjektiven Maxime, herabgesetzt. Es ist daher für einen richtigen

22 Ebd., S. 144.
23 Zur Hegel’schen Kritik an der Philosophie Kants und Fichtes vgl. W. C. Zimmerli,
»Fichte contra Hegel. Umwertungsversuche in der Philosophiegeschichte«, in: Zeit-
schrift für philosophische Forschung 28 (1973), S. 600–606 und W. Janke, »Die drei-
fache Vollendung des Deutschen Idealismus. Schelling, Hegel und Fichtes ungeschrie-
bene Lehre«, in: Fichte-Studien Supplementa, Bd. 22, hrsg. von Helmut Girndt,
Amsterdam/New York 2009.

145
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

Sinn dieser Philosophie anzusehen, daß sie von Reinhold als eine
Theorie des Bewußtseins, unter dem Namen Vorstellungsvermögen,
aufgefaßt worden ist. Die Fichte’sche Philosophie hat denselben
Standpunkt, und Nicht-Ich ist nur als Gegenstand des Ich, nur im
Bewußtsein bestimmt; es bleibt als unendlicher Anstoß, d. i., als
Ding-an-sich. Beide Philosophien zeigen daher, daß sie nicht zum Be-
griffe und nicht zum Geiste, wie er an und für sich ist, sondern nur,
wie er in Beziehung auf ein Anderes ist, gekommen sind.« 24
In der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im
Grundriß bemerkt Hegel, dass »in der kritischen Philosophie […]
das Denken so aufgefasst [wird], dass es subjektiv und dessen letzte,
unüberwindliche Bestimmung die abstrakte Allgemeinheit, die for-
melle Identität sei; das Denken wird so der Wahrheit als in sich kon-
kreter Allgemeinheit entgegengesetzt. In dieser höchsten Bestim-
mung des Denkens, welche die Vernunft sei, kommen die Kategorien
nicht in Betracht. Der entgegengesetzte Standpunkt ist, das Denken
als Tätigkeit nur des Besonderen aufzufassen und es auf diese Weise
gleichfalls für unfähig zu erklären, Wahrheit zu fassen.« 25
Diese Aussage von Hegel lässt den radikalen Unterschied zwi-
schen den beiden Denkern erkennen: Bei Kant überwiegt ein gnoseo-
logischer Ansatz, der von der Bestimmung der Grenzen der mensch-
lichen Vernunft charakterisiert ist. Hegel überschreitet genau diese
Grenzen, um zu einer Erkenntnis der unendlichen Vernunft zu ge-
langen, die durch die Revolution des absoluten Idealismus 26 zum
Ausdruck kommt. Wenn man Kants Transzendentalphilosophie folgt,
ist die Erkenntnis abhängig von den reinen Formen a priori der Sinn-
lichkeit und den Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis, mit-
tels deren die Subjektivität das empirische Material und die gegebene
Mannigfaltigkeit ordnet. Dieser Prozess bringt methodologische
Konsequenzen mit sich: Die reine Erkenntnis unterscheidet sich von
der empirischen, die Welt der Phaenomena ist von der Welt der Nou-
mena getrennt, die Sinnlichkeit unterscheidet sich vom Intellekt und
die Welt der Noumena, der Dinge an sich, geht über die Erkenntnis-

24 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

S. 202–203.
25 Ebd., S. 148.

26 Vgl. J. Ebbinghaus, Relativer und absoluter Idealismus. Historisch-systematische

Untersuchung über den Weg von Kant zu Hegel, Leipzig 1910 und W. Vossenkuhl,
»Das System der Vernunftschlüsse«, in: Architektonik und System in der Philosophie
Kants, hrsg. von H. F. Fulda und J. Stolzenberg, Hamburg: Meiner 2001.

146
Hegels Kritik an Kant

möglichkeiten der Menschen hinaus. Im Gegensatz hierzu sind bei


Hegel die reine Vernunft und das empirische Erkennen (das rationale
und das reale) nicht trennbar, die Sinnlichkeit und der Verstand sind
dialektische Momente eines dynamischen und verbindenden Prozes-
ses; zwischen Phänomen und Noumenon wird kein Unterschied ge-
macht, da der Begriff des Dings an sich, einer nicht zu erkennenden
Welt, wegfällt. Mit Hegel verliert die Unterscheidung zwischen der
Ebene der Realität und der Ebene des Gedankens an Bedeutung. Es
gibt keine unabhängige Realität, die über den Gedanken bzw. die Sub-
jektivität hinausgeht.
Der offensichtlichste Streitpunkt betrifft die rationale Kosmo-
logie. Kant zufolge gelangt die Vernunft zu widersprüchlichen An-
nahmen über die Welt, wenn sie annimmt, dass die Materie aus ein-
fachen Teilen zusammengesetzt ist, oder wenn sie im Gegenteil
annimmt, dass sie unendlich teilbar ist. 27 (Und wenn die Welt als ein
Ganzes betrachtet wird, wird sie ein metaphysisches Gebilde, ist also
nicht mehr wissenschaftlich.) Dieser innere Widerspruch der Ver-
nunft ist für Kant der Beweis für die Inkonsistenz der Metaphysik
(als einer unendlichen Vernunft, die von den Grenzen der Phäno-
mene befreit ist).
Für Hegel hingegen wird das Widersprüchliche zum eigentlichen
Motor der Vernunft: einer »unendlichen Vernunft«, 28 die als Ganzheit
und als Prozess, der mit der Realität zusammenkommt, zu verstehen
ist. Hegel kritisiert Kants Theorie der Erkenntnis und den Begriff des
Endlichen sehr nachdrücklich. 29 Letzterer ist mit den Begriffen end-
licher Intellekt, endliches Sein und endliche Natur verbunden.
Kant zufolge kann das Endliche nur unter bestimmten Bedin-
gungen existieren bzw. handeln. Kant nennt den Menschen ein end-
liches und denkendes Sein, weil seine Möglichkeiten der Erkenntnis
durch die sinnliche Anschauung begrenzt sind. Diese Anschauung

27
Vgl. R. Wahsner, Der Widerstreit von Mechanismus und Organismus. Kant und
Hegel im Widerstreit um das neuzeitliche Denkprinzip und den Status der Naturwis-
senschaft, Hürtgenwald 2006.
28 Vgl. A. F. Koch, »Die schlechte Metaphysik der Dinge. Metaphysik als immanente

Metaphysikkritik bei Hegel«, in: Metaphysik, hrsg. von Karl Ameriks und Jürgen
Stolzenberg, Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus, Bd. 5, Berlin, New
York 2007, S. 189–210.
29
Vgl. R. Kroner, Von Kant bis Hegel, 2 Bde., Tübingen: Mohr/Siebeck, 3. Aufl. 1977
und X. Tilliette, Untersuchungen über die intellektuelle Anschauung von Kant bis
Hegel, Stuttgart: Frommann-Holzboog 2015.

147
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

hängt von den gegebenen Objekten ab. Auch aus moralischer Sicht ist
der Mensch ein endliches Sein. 30 Durch den Willen hat der Mensch
die Freiheit, zu entscheiden, seine Maximen mit dem moralischen
Imperativ in Einklang zu bringen. Auch die Möglichkeit des ästheti-
schen Urteils gründet als solche auf der endlichen Natur des Men-
schen, also auf der Begrenzung seiner Möglichkeiten der Erkenntnis,
weil diese das Objekt nicht als Ganzes bestimmen, sondern nur des-
sen Form. Diese Unterschiede zwischen den beiden Denkern spiegeln
sich im ethischen Gedanken wider. In Kants praktischer Vernunft ist
Gott ein Ideal, das unbeweisbar ist. Für Hegel hingegen ist das Gött-
liche Ganzheit, ein innerer Prozess. Es ist die unendliche Vernunft,
die sich in der Realität entfaltet.

4. Bewusstsein, Erfahrung und Gewissen

Hegel vertritt die Auffassung, dass das Bewusstsein der Ausgangs-


punkt der Philosophie sein müsse. Es sei ihr gesamter Inhalt, und die
Aufgabe der Philosophie sei die begriffliche Ausarbeitung dieses In-
halts, der durch die Ausarbeitung absolut wahr und real und somit
Geist oder Begriff wird. Die Phänomenologie des Geistes ist in der Tat
der Weg des Bewusstseins zum Geist. Aber was bedeutet Bewusstsein
für Hegel?
»Die Erfahrung, welche das Bewußtsein über sich macht, kann
ihrem Begriffe nach nichts weniger in sich begreifen, als das ganze
System desselben, oder das ganze Reich der Wahrheit des Geistes, so
daß die Momente derselben in dieser eigentümlichen Bestimmtheit
sich darstellen, nicht abstrakte, reine Momente zu sein, sondern so,
wie sie für das Bewußtsein sind, oder wie dieses selbst, in seiner Be-
ziehung auf sie auftritt, wodurch die Momente des Ganzen, Gestalten
des Bewußtseins sind. Indem es zu seiner wahren Existenz sich fort-
treibt, wird es einen Punkt erreichen, auf welchem es seinen Schein
ablegt, mit fremdartigem, das nur für es und als ein anderes ist, be-
haftet zu sein, oder wo die Erscheinung dem Wesen gleich wird, seine
Darstellung hiermit mit eben diesem Punkte der eigentlichen Wis-
senschaft des Geistes zusammenfällt, und endlich, indem es selbst

30
Vgl. R. Langthaler, Geschichte, Ethik und Religion im Ausgang von Kant. Philoso-
phische Perspektiven zwischen skeptischer Hoffnungslosigkeit und dogmatischem
Trotz, Berlin: Akademie-Verlag 2014.

148
Bewusstsein, Erfahrung und Gewissen

dies sein Wesen erfaßt, wird es die Natur des absoluten Wissens
selbst bezeichnen.« 31 Infolge dieser Notwendigkeit ist dieser Weg
»zur Wissenschaft selbst schon Wissenschaft und nach ihrem Inhalt
hiermit Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins«. 32
Das »unmittelbare Dasein des Geistes, das Bewußtsein, hat die
zwei Momente in sich: das Wissen und die dem Wissen negative Ge-
genständlichkeit. Indem in diesen Elementen sich der Geist ent-
wickelt und seine Momente auslegt, so kommt ihnen dieser Gegen-
satz zu, und sie treten alle als Gestalten des Bewußtseins auf. Die
Wissenschaft dieses Wegs ist Wissenschaft der Erfahrung, die das
Bewußtsein macht.« 33
Die Phänomenologie des Geistes ist die Wissenschaft der Erfah-
rung des Bewusstseins, weil dieses ein allgemeines Phänomen des
Geistes ist: Das Bewusstsein ist »das unmittelbare Dasein des Geis-
tes« 34, ist also die allgemeine, phänomenologische Existenz des Geis-
tes und vereint somit in sich die Bedeutungen Selbstbewusstsein,
Vernunft, Geist und Religion. »Geist ist also Bewußtsein überhaupt,
was sinnliche Gewißheit, Wahrnehmen und den Verstand in sich be-
greift, insofern er in der Analyse seiner selbst, das Moment festhält,
daß er sich gegenständliche, seiende Wirklichkeit ist, und davon abs-
trahiert, daß diese Wirklichkeit sein eignes Fürsichsein ist. Hält er im
Gegensatz das andre Moment der Analyse fest, daß sein Gegenstand
sein Fürsichsein ist, so ist er Selbstbewußtsein. Aber als unmittel-
bares Bewußtsein des an und fürsichseins, als Einheit des Bewußt-
seins und des Selbstbewußtseins ist er das Bewußtsein, das Vernunft
hat, das, wie das Haben es bezeichnet, den Gegenstand hat als an sich
vernünftig bestimmt, oder vom Werte der Kategorie, aber so, daß er
noch für das Bewußtsein desselben den Wert der Kategorie nicht hat.
Er ist das Bewußtsein, aus dessen Betrachtung wir soeben herkom-
men. Diese Vernunft, die er hat, endlich als eine solche von ihm an-
geschaut, die Vernunft ist, oder die Vernunft, die in ihm wirklich und
die seine Welt ist, so ist er in seiner Wahrheit; er ist der Geist, er ist
das wirkliche sittliche Wesen.« 35
Was aber ist dann das Bewusstsein? Hegel erinnert »an die abs-
trakten Bestimmungen des Wissens und der Wahrheit, wie sie an
31 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 166.
32 Ebd.
33
Ebd., S. 90.
34 Ebd.
35
Ebd., S. 592.

149
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

dem Bewußtsein vorkommen. Dieses unterscheidet nämlich etwas


von sich, worauf es sich zugleich bezieht; oder wie dies ausgedrückt
wird: es ist etwas für dasselbe; und die bestimmte Seite dieses Bezie-
hens oder des Seins von etwas für ein Bewußtsein ist das Wissen. Von
diesem Sein für Anderes unterscheiden wir aber das Ansichsein; das
auf das Wissen Bezogene wird ebenso von ihm unterschieden und
gesetzt als seiend auch außer dieser Beziehung: die Seite dieses An-
sich heißt Wahrheit.« 36 Wissen ist das Bezogensein des Seins auf das
Bewusstsein (Für-es-Sein oder relatives Sein), und Wahrheit meint
die Unabhängigkeit des Seins vom Bewusstsein (Ansichsein oder ob-
jektives Sein).
Darum bezeichnet Hegel das Bewusstsein terminologisch auch
als »An-und-für-sich-sein« und dies bedeutet: Das Bewusstsein ist
ein Sein, das sich selbst bestimmt und unabhängig ist. Das Bewusst-
sein 37 ist die Einheit von Ansichsein und Fürsichsein, Unterscheidung
und Beziehung, Differenz und Einheit, Nichtidentität und Identität.
»Das Bewußtsein gibt seinen Maßstab an ihm selbst, und die Unter-
suchung wird dadurch eine Vergleichung seiner mit sich selbst sein;
denn die Unterscheidung, welche soeben gemacht worden ist (zwi-
schen der Wahrheit und dem Wissen), fällt in es. Es ist in ihm eines
für ein Anderes, oder es hat überhaupt die Bestimmung des Moments
des Wissens an ihm; zugleich ist ihm dies Andere nicht nur für es,
sondern auch außer dieser Beziehung oder an sich; das Moment der
Wahrheit. An dem also, was das Bewußtsein innerhalb seiner für das
Ansich oder das Wahre erklärt, haben wir den Maßstab, den es selbst
aufstellt, sein Wissen daran zu messen. Nennen wir das Wissen den
Begriff, das Wesen oder das Wahre aber das Seiende oder den Gegen-
stand, so besteht die Prüfung darin, zuzusehen, ob der Begriff dem
Gegenstande entspricht. Nennen wir aber das Wesen oder das Ansich
des Gegenstandes den Begriff und verstehen dagegen unter dem Ge-
genstande ihn als Gegenstand, nämlich wie er für ein Anderes ist, so
besteht die Prüfung darin, daß wir zusehen, ob der Gegenstand sei-
nem Begriffe entspricht. Man sieht wohl, daß beides dasselbe ist; das

36 Ebd., 76.
37 Zur semantisch-philosophischen Analyse des Bewusstseins in Hegels Philosophie
vgl. E. Behler, »Die Geschichte des Bewußtseins. Zur Vorgeschichte eines Hegel’schen
Themas«, in: Hegel-Studien 7 (1972), S. 169–216 und C. Iber, »Hegels Paradigmen-
wechsel vom Bewusstsein zum Geist«, in: Hegels Einleitung in die Phänomenologie
des Geistes, hrsg. von Jindrich Karásek, Jan Kuneš und Ivan Landa, Würzburg 2006,
S. 125–140.

150
Bewusstsein, Erfahrung und Gewissen

Wesentliche aber ist, dies für die ganze Untersuchung festzuhalten,


daß diese beiden Momente, Begriff und Gegenstand, Für-ein-Ande-
res- und An-sich-selbst-Sein, in das Wissen, das wir untersuchen,
selbst fallen und hiermit wir nicht nötig haben, Maßstäbe mitzubrin-
gen und unsere Einfälle und Gedanken bei der Untersuchung zu
applizieren; dadurch, daß wir diese weglassen, erreichen wir es, die
Sache, wie sie an und für sich selbst ist, zu betrachten.« 38 Das so be-
stimmte, ganze Bewusstsein hat nichts außer sich, es hängt von nichts
Äußerem ab, und in diesem Sinne ist es absolut.
Das Bewusstsein aber ist »für sich selbst sein Begriff, dadurch
unmittelbar das hinausgehen über das Beschränkte, und, da ihm dies
Beschränkte angehört, über sich selbst; mit dem Einzelnen ist ihm
zugleich das jenseits gesetzt, wäre es auch nur, wie im räumlichen
Anschauen, neben dem Beschränkten.« 39
In der Phänomenologie des Geistes spielt die Unterscheidung
der Begriffe Bewusstsein und Gewissen eine große Rolle. Das Gewis-
sen, als Gewissheit, leitet sich vom Adjektiv gewiss ab und hat seine
semantischen Wurzeln im Verb wissen. Hegel definiert das Gewissen
als eine besondere Figur auf dem phänomenologischen Gedanken-
weg: Gewissen ist die moralische Selbstsicherheit, in der die Sache
selbst zum Subjekt wird. »Substantialität überhaupt hat die Sache
selbst in der Sittlichkeit, äußeres Dasein in der Bildung, sich selbst
wissende Wesenheit des Denkens in der Moralität, und im Gewissen
ist das Subjekt, das diese Momente an ihm selbst weiß. Wenn das
ehrliche Bewußtsein nur immer die leere Sache selbst ergreift, so
gewinnt dagegen das Gewissen sie in ihrer Erfüllung, die es ihr durch
sich gibt. Es ist diese Macht dadurch, daß es die Momente des Be-
wußtsein als Momente weiß, und als ihr negatives Wesen, sie be-
herrscht.« 40 Als Figur ist das Gewissen das gewissenhafte Bewusst-
sein. Dieses ist vom moralischen Bewusstsein und vom moralischen
Selbstbewusstsein zu unterscheiden. Aufgrund des moralischen Be-
wusstseins liegt die Realisierung der Moralität bei einem anderen
Ansich, bei einem ethischen Gesetzgeber: »Es fällt also die Pflicht
überhaupt außer es in ein anderes Wesen, das Bewußtsein und der
heilige Gesetzgeber der reinen Pflicht ist.« 41 Beim moralischen

38 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 77.


39
Ebd., S. 156.
40 Ebd., S. 852.
41
Ebd., S. 814.

151
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

Selbstbewusstsein hingegen liegt die Realisierung der Moralität in


der »subjektiven Darstellung und nicht in der Realität«. 42
Die erste Figur der Phänomenologie des Geistes ist die, die am
mittelbarsten und am wenigsten problematisch erscheint: die sinn-
liche Gewissheit. 43 Sie erscheint als eine bestimmte und reiche Er-
kenntnis, aber man entdeckt bald, dass sie in Wirklichkeit arm und
unbestimmt ist. In ihrer Unmittelbarkeit kann die sinnliche Gewiss-
heit ihr Objekt nicht selbst bestimmen. Sie müsste dazu auf Begriffe
zurückgreifen, die Frucht einer Reflexion sind. Sie kann noch nicht
einmal von dem Objekt sprechen, weil jeder sprachliche Begriff, auch
ein einfaches Adjektiv oder Substantiv, Unterscheidungen, Beziehun-
gen und Klassifizierungen beinhaltet. Ihr unaussprechliches Objekt
kann nur als ein Dieses, Hier und Jetzt gedeutet werden. Dies bedeu-
tet, dass auch die unbestimmten Ausdrücke Abstraktionen sind. Das
behauptete unmittelbare Wissen sieht die angenommene Konkreti-
sierung seiner naiven Wahrheit schwinden und wird der dialekti-
schen Bewegung der Meditation angepasst.
Später glaubt das Bewusstsein eine feste Position in Gestalt der
Wahrnehmung gefunden zu haben. Unterschiedliche Eigenschaften
werden unterschiedlichen Sachen zugeordnet. Das Objekt beginnt
aufgrund des Widerspruches zwischen Einheit (Salzkristall) und
Vielfältigkeit (weiß, kubisch, salzig) zu schwanken. Zum einen wird
die Einheit im Objekt an sich gesehen, während der Ursprung der
vielen Eigenschaften der Subjektivität des Bewusstseins zugeschrie-
ben wird. Zum anderen wird die Einheit als Werk des Bewusstseins
verstanden, während sich das Objekt in den unterschiedlichen Eigen-
schaften auflöst.
Mittels der Begriffe Kraft und Gesetz kann das Bewusstsein als
Verstand eine Beziehung zwischen dem Inneren und Übersinnlichen
der Dinge und der Vielfältigkeit der Phänomene, in denen es manifest
wird, herstellen. Nun kommt der Begriff der Unendlichkeit als leben-
dige Einheit in der unendlichen Differenzierung hinzu: die Seele der
Welt, das allgemeine Blut (wie Hegel formuliert), dessen Fluss von
keinem Element und keinem Unterschied unterbrochen wird. Diese
dialektische Einheit ist kein geheimnisvolles Ding an sich. Es handelt

42 Ebd., S. 821.
43
Vgl. D. Heidemann, »Kann man sagen, was man meint? Untersuchungen zu He-
gels sinnlicher Gewissheit«, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 84/1 (2002),
S. 46–63.

152
Die Bedeutung des »Selbstbewusstseins« im Idealismus

sich um nichts anderes als um einen absoluten Begriff, den Gedanken.


Das Bewusstsein überwindet so den naiven Realismus, von dem es
ausging, und sieht nun im Objekt, das vorher fremd erschien, sich
selbst und seine eigene konstruierende und ordnende Tätigkeit. Das
Bewusstsein ist zum Selbstbewusstsein geworden. »Mit dem Selbst-
bewußtsein sind wir also nun in das einheimische Reich der Wahrheit
eingetreten.« 44

5. Die Bedeutung des »Selbstbewusstseins« im trans-


zendentalen Idealismus und im absoluten Idealismus

Was ist Selbstbewusstsein? Worin besteht der semantische Unter-


schied zwischen Selbstbewusstsein und Bewusstsein? Warum ist der
Begriff »Selbstbewusstsein« in Hegels Idealismus so wichtig? Worin
besteht die semantische Veränderung des Begriffs in der Zeitspanne
vom transzendentalen Idealismus zu Hegels absolutem Idealismus?
»Die Wahrheit des Bewußtseins ist das Selbstbewußtsein, und
dieses der Grund von jenem, so daß in der Existenz alles Bewußtsein
eines andern Gegenstandes Selbstbewußtsein ist; Ich weiß von dem
Gegenstande als dem Meinigen (er ist meine Vorstellung), Ich weiß
daher darin von mir. Der Ausdruck vom Selbstbewußtsein ist Ich =
Ich, abstrakte Freiheit, reine Idealität. So ist es ohne Realität, denn es
selbst, das Gegenstand seiner ist, ist nicht ein solcher, da kein Unter-
schied desselben und seiner vorhanden ist.« 45
Der Begriff »Selbstbewusstsein« unterscheidet sich im Bedeu-
tungsgehalt grundlegend von dem Begriff »Bewusstsein«. 46 Letzterer
bedeutet nicht, sich seiner selbst bewusst zu sein in dem Sinne, dass
man sich der eigenen Anschauungen, Taten, Wahrnehmungen und
Ideen bewusst ist. 47 Der Begriff ist auch nicht im Sinne einer Rück-

44
G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 260.
45 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,
S. 213.
46 Vgl. U. Utz, »Selbstbezüglichkeit und Selbstunterscheidung des Bewusstseins in

der Einleitung der Phänomenologie des Geistes«, in: Hegels Einleitung in die Phäno-
menologie des Geistes, hrsg. von Jindrich Karásek, Jan Kuneš und Ivan Landa, Würz-
burg 2006, S. 158–162.
47
Vgl. W. Jaeschke, »Das Selbstbewusstsein des Bewusstseins«, in: Hegel als Schlüs-
seldenker der modernen Welt, hrsg. von Thomas Sören Hoffmann, Hamburg 2009,
S. 15–30.

153
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

kehr zu einer inneren Realität, die zu bevorzugen ist, zu verstehen.


Des Weiteren hat der Begriff auch nichts mit dem Selbstbewusstsein
als der mittelbaren Erkenntnis, die der Mensch von sich hat und die
eine der endlichen Entitäten ist, zu tun. »Aber in der Tat ist das
Selbstbewußtsein die Reflexion aus dem Sein der sinnlichen und
wahrgenommenen Welt, und wesentlich die Rückkehr aus dem An-
derssein. Es ist als Selbstbewußtsein Bewegung; aber indem es nur
sich selbst als sich selbst von sich unterscheidet, so ist bei ihm der
Unterschied, unmittelbar als ein Anderssein aufgehoben; der Unter-
schied ist nicht, und es nur die bewegungslose Tautologie des: Ich bin
Ich.« 48 Das Selbstbewusstsein ist »die Negativität des Begriffs, die
nicht nur für sich ist, sondern auch über ihr Gegenteil übergreift«. 49
Bei Hegel kommt dem Begriff »Selbstbewusstsein« eine beson-
dere Bedeutung, Funktion und Zielsetzung in der systematischen
Struktur des absoluten Idealismus zu. In der Philosophischen Pro-
pädeutik (Doktrin des Begriffs, § 22) stellt Hegel fest, dass das Ich sich
selbst betrachtet im Modus des Selbstbewusstseins. Dieser Prozess
zeigt sich in seiner Reinheit: Ich = Ich, oder Ich bin Ich. In der Enzy-
klopädie unterstreicht Hegel, dass die Wahrheit des Bewusstseins das
Selbstbewusstsein ist. »Ich weiß von dem Gegenstande als dem Mei-
nigen (er ist meine Vorstellung), ich weiß daher darin von mir.« 50 In
der höchsten Form ist das Selbstbewusstsein allgemeines Selbst-
bewusstsein, also die absolute Vernunft. Nach Hegel ist »das Selbst-
bewußtsein so die Gewißheit, daß seine Bestimmungen ebensosehr
gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als seine eige-
nen Gedanken sind, ist die Vernunft, welche als diese Identität nicht
nur die absolute Substanz, sondern die Wahrheit als Wissen ist. Denn
sie hat hier zur eigentümlichen Bestimmtheit, zur immanenten Form
den für sich selbst existierenden reinen Begriff, Ich, die Gewißheit
seiner selbst als unendliche Allgemeinheit. Diese wissende Wahrheit
ist der Geist.« 51 Die Vernunft ist Substanz oder die absolute Realität
der Welt.
In der Philosophie Hegels ist das Bewusstsein der Andersartig-
keit des Objektes zugewandt, während das Selbstbewusstsein die

48 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 262.


49 Ebd., S. 757.
50
G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,
S. 213.
51
Ebd., S. 228.

154
Die Bedeutung des »Selbstbewusstseins« im Idealismus

Rückkehr zu sich selbst aus dem Andersartigen in der Welt bedeutet.


Um die Identifizierung des Ichs mit sich selbst zu erlangen, muss das
Selbstbewusstsein die Opposition des Objektes verneinen. Es handelt
sich um eine unaufhörliche Zerstörung des Andersartigen, die ein
theoretisches, vor allem aber ein praktisches Moment impliziert. Das
Selbstbewusstsein zeigt sich so vor allem als Trieb. Vor ihm hat die
empirische Welt, die nur ein zu negierendes, den Trieb befriedigendes
und zu konsumierendes Objekt ist, keinen Bestand. Die Bewegung
des Triebs und dessen Befriedigung eröffnen keine wirkliche Dialek-
tik und führen zu keinem höheren Niveau. Es handelt sich um eine
einfache Wiederholung innerhalb des biologischen Zyklus, der der
ganzen tierischen Welt eigen ist. Auf die Befriedigung der Not-
wendigkeit folgen jedes Mal eine neue Notwendigkeit und ein neues,
anzupassendes Objekt. Das Andersartige manifestiert sich so unend-
liche Male. Das Selbstbewusstsein ist ein besonderes Privileg des
Menschen und überwindet den Widerspruch der empirischen Er-
kenntnis, indem es entdeckt, dass das wahre Objekt des eigenen Wun-
sches nicht das Ding an sich ist, ein einfaches Mittel um sich selbst zu
behaupten, sondern es selbst. Es sucht durch die Zerstörung des
Objekts die eigene Identität. Das Selbstbewusstsein kann nur befrie-
digt werden, wenn das Andere keine einfache Sache, sondern ein an-
deres Selbstbewusstsein ist. Um sein eigenes Ich sehen zu können,
muss das Selbstbewusstsein es zuerst in der Figur eines Anders-
artigen finden.
In dieser Doppelung trifft jedes Selbstbewusstsein auf ein ande-
res Selbstbewusstsein mit einem analogen Wunsch. 52 Die Begierde,
die nicht auf eine Sache gerichtet ist, sondern auf ein anderes Selbst-
bewusstsein, wird zum Wunsch des Wunsches des anderen Selbst-
bewusstseins: das Andere wird nicht als Objekt in Anspruch genom-
men, sondern als Wille oder als Wunsch. Der typische menschliche
Wunsch geht über die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse hi-
naus. Er ist der Wunsch des Wiedererkennens. Das Individuum kann
sich selbst nur als Subjekt bzw. als freien Willen erkennen, wenn es
als Subjekt von einem anderen Subjekt erkannt wird. Es muss also
vom Anderen in all seiner Würde als selbstbewusst erkannt werden.

52
Vgl. B. Bowman, »Kraft und Verstand. Hegels Übergang zum Selbstbewusstsein in
der Phänomenologie des Geistes«, in: Hegels Phänomenologie des Geistes, hrsg. von
Klaus Vieweg und Wolfgang Welsch, Frankfurt am Main 2008, S. 153–168.

155
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

Die Möglichkeit des Menschen, Ich zu sagen, die in die Welt des Geis-
tes führt, ist nur durch eine intersubjektive Beziehung möglich.
Am Anfang konfrontieren sich die Individuen als Bewusstseins-
formen in der Zeit des Lebens wie unmittelbare Existenzen. Das
Selbstbewusstsein jedoch, als eigentliche menschliche Welt, kann
nur die Unmittelbarkeit des natürlichen Lebens aufgreifen: Die
Beziehung zum Tod ist hier notwendig, um die menschliche Subjek-
tivität von den Fesseln der gegebenen Existenz zu befreien. Das
Selbstbewusstsein kann sich als absolut unabhängig von jedem un-
mittelbaren Wesen geben, wenn es sich als fähig erweist, das Leben
zu verneinen. Es negiert das Leben in sich selbst, auch wenn es so das
eigene Leben riskiert. Es negiert außerdem das Leben in sich selbst
und negiert es im Anderen und zielt auf dessen Tod. Die Beziehung
zwischen den beiden Selbstbewusstseinen, die beide entschieden da-
nach streben, als unkonditionierte Freiheit anerkannt zu werden,
stellt sich als ein Kampf für das Leben und für den Tod dar. Ein jedes
möchte erkannt werden, möchte aber nicht im Anderen erkennen,
um sich nicht abhängig zu zeigen. Falls der Kampf mit dem Tod eines
der Selbstbewusstseine endet, kann man davon ausgehen, dass das
Wiedererkennen fehlt. Die Tötung des Gegners ist eine natürliche
und unmittelbare Negation des Lebens und zerstört die dialektische
Beziehung. Man kann nicht von einem Toten erkannt werden.
Damit eine dialektische, spirituelle Negation stattfinden kann,
darf das Andere nicht als selbständiges Selbstbewusstsein vorhanden
sein, sondern muss ein lebendiges Wesen mit einem abhängigen Be-
wusstsein sein. Derjenige, den als ersten die Angst überwältigt, zieht
sich vom Kampf zurück und zeigt damit eine größere Verbundenheit
zur Natur als der Mensch zur Freiheit. Er entzieht sich dem Kampf
als untergebenes Selbstbewusstsein. Nur indem man sein Leben aufs
Spiel setzt, bleibt man frei. Das Selbstbewusstsein wird nicht als
wesenseigene Essenz in der Zeit des Lebens betrachtet. Das Andere,
das das Leben herausgefordert hat, hat sich über die tierische Knecht-
schaft des Lebens erhoben: Es ist das herrschaftliche Selbstbewusst-
sein. Die komplexe Herr-Knecht-Dialektik, die in einem Umsturz
der Ausgangspositionen mündet, ist nicht im realistischen Sinne zu
verstehen und auch nicht einer bestimmten historischen Phase zu-
geordnet. Es handelt sich um ein begriffliches Moment, das in abs-
trakter Art und Weise von der phänomenologischen Erfahrung iso-
liert ist.
Eher als ein Stadium der menschlichen Geschichte repräsentiert

156
Die Bedeutung des »Selbstbewusstseins« im Idealismus

die dialektische Entwicklung des Selbstbewusstseins 53 die Geburt des


Menschen als historisches und geistiges Wesen und seine Befreiung
vom biologischen Zyklus der Natur. Der Knecht erkennt den Herrn
als freies Subjekt an. Der Herr erkennt den Knecht nicht an, garan-
tiert ihm aber das Leben. Der Knecht akzeptiert, dass sein Leben von
jemand anderem abhängt und erniedrigt sich selbst als Sache, die
Eigentum des Herrn ist. Durch sein Festhalten am Leben kann er sich
nicht über das unmittelbare Sein erheben, das seine Sklavenkette ist,
von der er sich selbst durch Kampf nicht befreien kann. Der Herr
hingegen kann die Natur, ja sogar sein eigenes Leben als natürliche
Konditionierung ablehnen und erhält so die absolute Gewalt über die
Dinge und auch über den Knecht, der von den Dingen abhängt. In der
Beziehung des Herrn zu den Dingen ist der Knecht ein Bindeglied,
weil er dem Herrn durch seine Arbeit Dinge gibt, die, der Natur ent-
nommen, schon für den Konsum vorbereitet sind. Dem Selbst-
bewusstsein des Herrn bleibt es erspart, sich im alltäglichen Leben
mit der Welt zu konfrontieren; es verneint jedes Objekt im vergäng-
lichen Augenblick der Freude. Der Sieg des Herrn erweist sich jedoch
als illusorisch und steril, unfähig, sich dialektisch weiterzuent-
wickeln. Der Herr wird von jemandem erkannt, dem er selbst keinen
Wert zuerkennt, weil es sich um eine Sache handelt. Deswegen hat
das Erkennen durch den Sklaven für ihn keine Bedeutung. Außerdem
ist der Herr nur unabhängig von der Natur, weil er von der Arbeit des
Sklaven abhängt. Sein Selbstbewusstsein ist abstrakt. Es ist nicht
durch eine tatsächliche Erfahrung mit der Andersartigkeit der Natur
entstanden. Diese Bewegung setzt sich in der Arbeit des Knechtes
fort. Hier erfolgt die dialektische Negation der Natur; eine Negation,
die das Objekt als fremde und unabhängige Essenz ablehnt, es jedoch
als fügsames Produkt nach der Verwandlung akzeptiert und behält.
Der Knecht, der zur Arbeit und zur Disziplinierung der eigenen, un-
mittelbaren Impulse gezwungen ist, macht die alltägliche Erfahrung
der menschlichen Herrschaft über die Natur und über die eigene Na-
tur. Die Bildung des Objekts ist zur gleichen Zeit auch Bildung und
Erziehung des Subjekts. Bildung ist Kultur. Der Knecht sieht seine
eigene menschliche Aktivität und die Würde seines Selbstbewusst-

53Zur dialektischen Entwicklung des Selbstbewusstseins vgl. P. Stekeler-Weithofer,


»Wer ist der Herr, wer ist der Knecht? Der Kampf zwischen Denken und Handeln als
Grundform des Selbstbewusstseins«, in: Hegels Phänomenologie des Geistes, hrsg.
von Klaus Vieweg und Wolfgang Welsch, Frankfurt am Main 2008, S. 205–237.

157
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

seins in der von ihm gegebenen, dauerhaften Form des Produkts ob-
jektiviert. Die Befreiung vom unmittelbaren Sein, die der Herr durch
die abstrakte Auseinandersetzung mit dem Tod erreicht, wird beim
Knecht zu dem konkreten und langwierigen Prozess, sich von der
Abhängigkeit von der Natur zu emanzipieren.
Die Kultur als Befreiung von der Äußerlichkeit der Welt ist eine
Errungenschaft, die nicht vom arbeitenden Knecht wahrgenommen
wird; sie wird vielmehr von einer neuen Art von Selbstbewusstsein
vertreten, das in der Geschichte im Stoizismus zum Ausdruck
kommt. So wie durch die Arbeit den Dingen die Form des Subjekts
gegeben und das Andersartige entfernt wird, so bestimmt der Gedan-
ke die allgemeine Form des Ichs von jedem gedachten Objekt. Der
weise Stoiker ist fähig, sich unter jeglichen äußerlichen Bedingungen
wiederzufinden: Das Selbstbewusstsein befreit von Sklavenketten, so
wie es vom Handeln und Leiden befreit, und es zieht sich immer in
die einfache Essenz des Gedankens zurück. Es handelt sich um eine
abstrakte und leere Freiheit, die über den zufälligen Unterschieden
des Lebens steht, sie ignoriert, aber auch bestehen lässt.
Die nachfolgende Figur des Skeptizismus greift direkt das be-
stimmte Sein an, von dem der Stoiker sich einfach nur zurückzog.
Die zerstörende Kritik des Skeptikers entzieht dem Gedanken jede
negative Kraft und löst so das naive Vertrauen in die Objektivität
der Welt auf. Diese Figur ist nichts anderes als die bewusste Erfah-
rung der dialektischen Bewegung des Gedankens, die die Nichtigkeit
einer jeden vollständigen Endlichkeit des Inhalts und die Armut jeder
bestimmten Realität aufzeigt. Das Selbstbewusstsein als »unbegrenz-
te« Subjektivität 54 impliziert absolute Freiheit und Selbstsicherheit.
Dieser Aspekt ist gegen das skeptische Bewusstsein gerichtet, das
zufällig, aber besonders ist. Daraus resultiert ein destabilisiertes
Selbstbewusstsein, das zwischen den Extremen der Selbstsicherheit
einerseits und der Mobilität des Ichs andererseits, das sich von den
Unterschieden und der Mannigfaltigkeit beeinflussen lässt, schwankt.
Die innere Spaltung des skeptischen Bewusstseins kommt im
unglücklichen Bewusstsein zum Ausdruck. These und Antithese zei-
gen sich an den gegensätzlichen Figuren des Knechts und des Herrn

54 Zur Bedeutung des Selbstbewusstseins als »unbegrenzte« Subjektivität vgl.


W. Jaeschke, »Die Unendlichkeit der Subjektivität«, in: Das Endliche und das Unend-
liche in Hegels Denken, hrsg. von L. Illetterati und F. Menegoni, Stuttgart 2004,
S. 103–116.

158
Die Bedeutung des »Selbstbewusstseins« im Idealismus

und kommen nun durch die innere Krise des Bewusstseins zum Aus-
druck. Das Bewusstsein lebt das Drama des Subjekts, das seine Au-
thentizität verloren hat, da es bis zu den Grenzen der reinen Sub-
jektivität vorgedrungen ist.
Am Anfang, der vom Geist des Judentums bestimmt ist, pro-
jiziert das Bewusstsein die eigene, allgemeine Charakteristik außer-
halb seiner selbst und identifiziert sich mit der zufälligen und wan-
delbaren Seite. Es entwürdigt sich vor einem transzendenten und
unnahbaren Gott als nichtige Existenz. Als das Allgemeine sich in
Christus, dem Symbol der Einzigartigkeit, äußert, gibt es eine Hoff-
nung auf Versöhnung. Die christliche Religion jedoch sucht ver-
gebens die Ewigkeit, ein unbegrenztes Jenseits, das nicht erkennbar
und nicht erreichbar ist und das verschwindet, sobald man es ergrei-
fen möchte. Die mittelalterliche asketische Lebensweise mit ihrer
Verneinung der Welt und ihrer Ablehnung des Fleisches beinhaltet
und veranschaulicht den Versuch des Bewusstseins, sich von der
Nichtigkeit der eigenen Individualität zu befreien und das Ich, das
das Einswerden mit dem Unendlichen verhindert, zu vernichten.
Hegel leitet aus dem Sinn und der Bedeutung des Selbstbewusst-
seins den Begriff des Bewusstseins ab, der mit den Figuren des Kamp-
fes um Leben und Tod, Stoizismus, Skeptizismus, unglücklichem Be-
wusstsein und mit der Herr-Knecht-Beziehung verbunden ist. »Der
sich selbst wissende Geist ist in der Religion unmittelbar sein eigenes
reines Selbstbewusstsein.« 55
Diese Überlegungen machen deutlich, inwiefern im Hegel’schen
transzendentalen Idealismus dem Begriff Selbstbewusstsein eine
ganz andere Bedeutung zugewiesen wird als in Kants Kritizismus.
Kant stellt in einer Anmerkung der Anthropologie in pragmatischer
Hinsicht seine Definition der Begriffe »Bewusstsein« und »Selbst-
bewusstsein« vor und unterstreicht den semantischen Unterschied
zwischen Reflexion, Rezeptivität, Wahrnehmung und empirischer
und reiner Apperzeption: »Wenn wir uns die innere Handlung (Spon-
taneität), wodurch ein Begriff (ein Gedanke) möglich wird, die Refle-
xion, die Empfänglichkeit (Rezeptivität), wodurch eine Wahrneh-
mung (perceptio), d. i. empirische Anschauung möglich wird, die
Apprehension, beide Akte aber mit Bewusstsein vorstellen, so kann
das Bewusstsein seiner selbst (apperceptio) in das der Reflexion und

55 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

S. 896.

159
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

das der Apprehension eingeteilt werden. Das erstere ist ein Bewusst-
sein des Verstandes, das zweite der innere Sinn; jenes die reine, dieses
die empirische Apperzeption, da dann jene fälschlich der innere Sinn
genannt wird. In der Psychologie erforschen wir uns selbst nach un-
seren Vorstellungen des inneren Sinnes; in der Logik aber nach dem,
was das intellektuelle Bewusstsein an die Hand gibt. Hier scheint uns
nun das Ich doppelt zu sein (welches widersprechend wäre): a) das Ich,
als Subjekt des Denkens in der Logik, welches die reine Apperzeption
bedeutet (das bloß reflektierende Ich), und von welchem gar nichts
weiter zu sagen, sondern das eine ganz einfache Vorstellung ist.
b) Das Ich, als Objekt der Wahrnehmung, mithin des inneren Sinnes,
was eine Mannigfaltigkeit von Bestimmungen enthält, die eine inne-
re Erfahrung moglich machen.« 56
Das Selbstbewusstsein ist also nicht das (empirische) Bewusst-
sein (von sich). Es ist das rein logische Bewusstsein, das das Ich von
sich als Subjekt des Gedankens in der philosophischen Reflexion hat.
In der reinen transzendentalen Apperzeption hat man das Bewusst-
sein von einem reinen Ich, das Kant in der ersten Auflage der Kritik
der reinen Vernunft als stabiles und fortdauerndes Ich, das das Korre-
lat von all unseren Vorstellungen ist, beschreibt, während in der
zweiten Auflage dieses Ich eine rein formale Funktion erhält, ohne
eigene Realität, jedoch eine Bedingung jeder Erfahrung, ja sogar das
höchste Prinzip der Erkenntnis darstellt, weil es eine Bedingung der
Möglichkeit der objektiven Synthese ist, in der die Erfahrung besteht.
Aufgrund seiner funktionalen oder formalen Natur ist das reine Ich
oder das transzendentale Selbstbewusstsein kein unbegrenztes Ich.
Fichte macht aus Kants funktionalem Konzept ein substantielles
Konzept: Das Ich wird zum unbegrenzten Ich. Es ist absolut und krea-
tiv und sieht das Selbstbewusstsein als Selbsterschaffung. Das Selbst-
bewusstsein ist demnach nicht nur das Prinzip der Erkenntnis, son-
dern auch das Prinzip der Realität; das Prinzip ist nicht als Kondition
zu verstehen, sondern es drückt eine Kraft oder eine produktive Tä-
tigkeit aus. Sich selbst reproduzierend, produziert das Ich gleichzeitig
das »Nicht-Ich«: die Welt, das Objekt, die Natur. Fichte sagt, dass man
an nichts denken kann, ohne gleichzeitig an sein Ich 57 zu denken. Es
ist nicht möglich, den Begriff des Selbstbewusstseins zu abstrahieren.
Dieses Konzept des Selbstbewusstseins ist in Wirklichkeit das kreati-

56 I. Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, S. 416.


57
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre, § 1, 7.

160
Das »unglückliche Bewusstsein« in der Phänomenologie des Geistes

ve Prinzip der Welt und laut Fichte ist das Ich eines jeden die einzige,
höchste Substanz. Außerdem kritisiert er Spinoza, indem er sagt, dass
die Essenz der kritischen Philosophie auf der Tatsache beruhe, dass
das absolute Ich unbedingt 58 und unbestimmbar ist. Dieser Begriff
des Selbstbewusstseins 59 spielt eine wichtige Rolle im ästhetischen
Idealismus Schellings. Schelling zufolge ist das Selbstbewusstsein
eine absolute Tätigkeit, und durch diese wird nicht nur das Ich in sich
selbst bestimmt, sondern alles ist auch vom Ich bestimmt. Die Tätig-
keit ist gleichzeitig ideell und reell. Durch diesen Akt wird »das Ide-
elle reell und das Reelle ideell«. 60

6. Das »unglückliche Bewusstsein« in der


Phänomenologie des Geistes

Das »unglückliche Bewusstsein« kann als der Schlüsselbegriff der


Phänomenologie des Geistes angesehen werden, weil es nur mit sei-
ner Hilfe möglich ist, eine Aussöhnung und Vereinigung von End-
lichem und Unendlichem im dialektischen Sinne zu erreichen. Was
ist das unglückliche Bewusstsein? Welche Funktion und welche Be-
deutung hat dieses Konzept in der gesamten Philosophie Hegels?
Hegel zufolge ist es für das Bewusstsein das größte Unglück,
wenn Dualismen des Veränderbaren und Unveränderbaren, der sinn-
lichen und der übersinnlichen Realität, des Endlichen und Unend-
lichen vorliegen. Diese Dualismen drücken sich in der radikalen
Scheidung von Mensch und Gott aus. Der Mensch entfremdet sich
selbst, um sich zu projizieren und den einzigen Wert in Gott zu se-
hen. So werden die Religionen geboren, die vom Christentum und
vom Judentum repräsentiert werden. Diese Heilslehren können je-
doch nicht die Vorstellung des Menschen befriedigen, dass er in einer
besonderen und sinnlichen Präsenz ein Absolutes finden kann, da
dieses Absolute unerreichbar scheint. Laut Hegel liegt in der Philoso-
phie des Mittelalters die Synthese des Skeptizismus und des Stoizis-
mus, weil diese Strömungen einem Widerspruch unterliegen: dem

58 Ebd., § 3, 6.
59 Vgl. G. Römpp, Ethik des Selbstbewusstseins. Der Andere in der idealistischen
Grundlegung der Philosophie: Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Berlin: Duncker &
Humblot 1999.
60
Vgl. F. W. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, III, Vorwort.

161
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

Widerspruch zwischen Aussage und Negation, weil sie zwei unver-


einbare externe Begriffe sind. Der innere Widerspruch des Skeptizis-
mus wird im Mittelalter dramatisch, da er ein Kontrast zwischen zwei
Bewusstseinsformen ist. Das eine Bewusstsein ist unveränderlich,
weil es göttlich ist, das andere ist veränderlich, weil es menschlich ist.
Dieser Kontrast konstituiert das unglückliche Bewusstsein. Der un-
glückliche Status des Bewusstseins besteht darin, dass das Bewusst-
sein sich nicht selbst als Einheit der beiden Bewusstseinsformen er-
kennt und sich nicht mit dem unveränderlichen Bewusstsein
identifiziert.
Das Unglück des Bewusstseins wird von Hegel in folgenden
Stationen eines Wegs beschrieben:
a) die Andacht: Hier kann der religiöse Gedanke nicht zum Begriff
werden.
b) das Tun, Durchführen: Hier versucht das Bewusstsein sich in der
Welt und in der Arbeit auszudrücken und verzichtet auf einen
unmittelbaren Kontakt zu Gott; es erkennt jedoch seine Taten als
zu Gott gehörig an.
c) die Auslöschung seiner selbst: Hier löst sich die ganzheitliche,
asketische Negation des Ichs für Gott auf.
Der niedrigste und unglücklichste Punkt auf diesem Weg verbindet
sich dialektisch mit dem höchsten Punkt, und zwar in dem Moment,
in dem das Bewusstsein vergebens versucht, Gott, das universale, ab-
solute Subjekt, zu erreichen. Die Andacht ist ein erster Versuch, den
Widerspruch zu überwinden, indem das veränderliche Bewusstsein
dem unveränderlichen Bewusstsein untergeordnet wird. Es erwartet
vom unveränderlichen Bewusstsein, die Dinge wie unentgeltliche Ga-
ben zu bekommen. Der Höhepunkt der Andacht ist der Asketismus,
in welchem das Bewusstsein das Unglück und das Elend des Fleisches
erkennt und nun versucht, sich davon zu befreien, indem es sich mit
dem unveränderlichen Bewusstsein, also mit Gott, vereint. Diese Ver-
einigung steht am Ende des Zyklus des unglücklichen Bewusstseins,
da es sich als unveränderliches Bewusstsein erkennt und sich somit
als das erkennt, was es ist: ein Geist oder ein absolutes Subjekt. 61
Diese Figur drückt das Prinzip der Hegel’schen Philosophie aus, dem
zufolge die Realität ein Bewusstsein ist, das als rationale und unend-
liche Substanz verstanden wird. Ein glückliches Bewusstsein ist nur
jenes, welches sich als Totalität der Realität erkennt.

61
Vgl. G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, I, IV, B.

162
Die Phänomenologie des Geistes

Das unglückliche Bewusstsein ist das tragische Ergebnis der ge-


samten Dialektik des Selbstbewusstseins. Nachdem dieses seine Frei-
heit durch die Trennung vom Leben erreicht hat, entdeckt es schließ-
lich seine innere Zerissenheit, die in der extremen Subjektivität, 62 die
es von der eigenen, substantiellen Wahrheit trennt, begründet ist. Die
Versöhnung mit dem Allgemeinen geschieht in der Figur der Ver-
nunft. Dieser Übergang vollzieht sich, historisch gesehen, parallel
zum Aufkommen des Humanismus und des Naturalismus der Re-
naissance. Das Selbstbewusstsein findet jetzt sein Wesen – die all-
gemeine Wahrheit, die vorher im Jenseits lag – in der Welt. Die Rea-
lität erscheint nicht mehr als bedrohliche Andersartigkeit, sondern
enthüllt ihre immanente Rationalität. Vor diesem semantischen Ho-
rizont ist die Vernunft gleichzeitig Sein und Gedanke; sie ist die dia-
lektische Synthese des Bewusstseins (das sich der Objektivität des
Seins zuwendet) und des Selbstbewusstseins (der Bejahung der Sub-
jektivität des Gedankens).

7. Die Phänomenologie des Geistes: Wissenschaft der


Erfahrung des Bewusstseins und Wissenschaft des
erscheinenden Wissens

Was ist Phänomenologie? Was bedeutet Phänomenologie des Geistes


nach Hegel? Was ist die Funktion und die Zielsetzung der Phänome-
nologie im Zeitraum der Entwicklung der Hegel’schen Philosophie?
Wie und warum spielt die Phänomenologie des Geistes eine entschei-
dende Rolle in der Philosophie Hegels?
Der Begriff »Phänomenologie« kommt aus dem Griechischen
und ist aus den Wörtern »phainómenon« und »logos« zusammenge-
setzt. »Phainómenon« ist das, was sich zeigt, sich offenbart oder er-
scheint, und »logos« bedeutet Wort, Rede, Vernunft. Der Begriff
»Phänomenologie« bedeutet also Wissenschaft des Erscheinens und
des Sich-Zeigens. Die Phänomenologie ist die Beschreibung dessen,
was erscheint, oder die Wissenschaft, die sich mit der Beschreibung
befasst.
In der Zeit Hegels ist der Begriff »Phänomenologie« in dem
Werk Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Be-

62 Vgl. D. Köhler, Freiheit und System im Spannungsfeld von Hegels Phänomenolo-


gie des Geistes und Schellings Freiheitsschrift, München: Fink 2006.

163
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

zeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung von Irrtum und


Schein (1764) von Johann Heinrich Lambert eingeführt worden. Der
Begriff wurde wahrscheinlich schon von der Schule Christian Wolffs
geprägt. Lambert benutzt ihn als Titel des 4. Teils (Phänomenologie
oder Lehre von dem Schein) seines Neuen Organon und versteht ihn
als Studium der Fehlerquellen. Jene ›Erscheinung‹, deren Beschrei-
bung die Phänomenologie ist, wird von ihm als trügerisch angesehen.
Die »Phänomenologie« wird als »Lehre von dem Schein« 63 bestimmt.
Die Theorie des Scheins und seines Einflusses auf die Richtigkeit oder
Unrichtigkeit der menschlichen Erkenntnis hat ihm zufolge den
Zweck, den »Schein zu vermeiden, um zu dem Wahren durchzu-
dringen«.
Herder, Novalis und Fichte haben diese Bedeutung des Begriffs
wieder aufgenommen. Auch Hegel folgt dieser philosophischen Tra-
dition und erarbeitet ein persönliches Konzept der Phänomenologie,
das sich jedoch von Kants Interpretation der Phänomenologie in den
Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft (1786) un-
terscheidet.
Kant hatte den Begriff Phänomenologie benutzt, um auf den Teil
der Theorie der Bewegung zu verweisen, der die Bewegung oder die
Ruhe der Materie in Bezug auf jene Modalitäten erklärt, in denen die
Materie unserer äußeren Wahrnehmung erscheint. Im Gegensatz
hierzu nennt Hegel »Phänomenologie des Geistes« die Geschichte
der unterschiedlichen Stufen des Bewusstseins, das durch seine an-
fänglichen, sinnlichen Erscheinungen seine eigene, wahre Natur, d. h.
sich selbst als unendliches und allgemeines Bewusstsein entdeckt. In
diesem Sinn wird die Phänomenologie des Geistes von ihm als das
Werden der Wissenschaft oder des Wissens identifiziert. Hegel sieht
in ihr den Weg, den das einzelne Individuum zurücklegt und auf dem
es schrittweise die Stufen der Herausbildung des absoluten Geistes
durchläuft.
Nach Hegel ist die Phänomenologie des Geistes die Wissenschaft
des erscheinenden Wissens und die »Wissenschaft der Erfahrung des
Bewußtseins«. 64 Die Phänomenologie ist das »System der Erfahrung
des Geistes«, 65 ein System, das nur das Phänomen des Geistes be-
63 Vgl. J. H. Lambert, Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Be-
zeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung von Irrtum und Schein, Berlin: de
Gruyter 2014, S. 55.
64 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 80.

65
Ebd., S. 167 und S. 93.

164
Die Phänomenologie des Geistes

inhaltet. Im Vorwort zur Phänomenologie des Geistes definiert Hegel


die Bedeutung der Phänomenologie so: »Dies Werden der Wissen-
schaft überhaupt oder des Wissens ist es, was diese Phänomenologie
des Geistes darstellt. Das Wissen, wie es zuerst ist, oder der unmittel-
bare Geist ist das Geistlose, das sinnliche Bewußtsein. Um zum ei-
gentlichen Wissen zu werden oder das Element der Wissenschaft,
das ihr reiner Begriff selbst ist, zu erzeugen, hat es sich durch einen
langen Weg hindurchzuarbeiten.« 66 Aufgrund dieser Notwendigkeit
ist dieser Weg »zur Wissenschaft selbst schon Wissenschaft, und
nach ihrem Inhalt hiermit Wissenschaft der Erfahrung des Bewußt-
seins«. 67
Diese Definitionen, die sich auf die wichtigen Begriffe der »Er-
scheinung« und der »Erfahrung« beziehen, die ihrerseits auf den
Geist Bezug nehmen, charakterisieren das Thema und die Methode
der Hegel’schen Phänomenologie und unterstreichen den radikalen
Unterschied zu jeder anderen vorhergehenden oder folgenden Phäno-
menologie. Das Konzept »Phänomenologie« ist mit den Konzepten
der Wahrheit, des Geistes und der Wissenschaft verbunden: »Die
wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit existiert, kann allein nur das
wissenschaftliche System derselben sein. Daran mitzuarbeiten, daß
die Philosophie der Form der Wissenschaft näherkomme, dem Ziele,
ihren Namen der Liebe zum Wissen ablegen zu können und wirk-
liches Wissen zu sein, ist es, was ich mir vorgesetzt. Die innere Not-
wendigkeit, daß das Wissen Wissenschaft sei, liegt in seiner Natur,
und die befriedigende Erklärung hierüber ist allein die Darstellung
der Philosophie selbst.« 68 Das Objekt dieser systematischen Wissen-
schaft ist das Phänomen des Geistes. Das Objekt der phänomenologi-
schen Darstellung ist die Gesamtheit der Erscheinungen des Geistes
in der Sphäre der konkreten Existenz, im Bewusstsein und in der
Geschichte der Welt.
Somit ist die Phänomenologie des Geistes die systematische
Darstellung jener Existenz, die durch die Emanation des Geistes 69

66 Ebd., S. 31.
67 Ebd., S. 167.
68 Ebd., S. 52.

69 Vgl. W. Bonsiepen, »Phänomenologie des Geistes«, in: Hegel. Einführung in seine

Philosophie, hrsg. von Otto Pöggeler, Freiburg/München: Alber 1977, S. 59–74 und
R. K. Westphal, »Hegels Phenomenological Method«, in: The Blackwell Guide to
Hegel’s Phenomenology of Spirit, hrsg. von Kenneth R. Westphal, Chichester 2009,
S. 15–24.

165
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

charakterisiert ist, durch die Erscheinung des existierenden Geistes


vor sich selbst. Diese Selbst-Erscheinung wird zum Objekt und er-
möglicht daher Erfahrung. Was ist für Hegel Erfahrung? »Diese dia-
lektische Bewegung, welche das Bewußtsein an sich selbst, sowohl an
seinem Wissen, als an seinem Gegenstande ausübt, insofern ihm der
neue wahre Gegenstand daraus entspringt, ist eigentlich dasjenige,
was Erfahrung genannt wird.« 70 Die Erfahrung 71 ist das Werden des
Geistes, der sich in sich selbst reflektiert. »Denn die Erfahrung ist
ebendies, daß der Inhalt – und er ist der Geist – an sich, Substanz
und also Gegenstand des Bewußtseins ist. Diese Substanz aber, die
der Geist ist, ist das Werden seiner zu dem, was er an sich ist. Und
erst als dieses in sich reflektierende Werden ist er an sich in Wahrheit
der Geist.« 72
Hegel zufolge ist die Methode der Phänomenologie notwendi-
gerweise dialektisch. Die dialektische Bewegung und Entwicklung
der Selbst-Erscheinung des existierenden Geistes ist eine dynamische
Bewegung, die in ihrer Gesamtheit gesehen wird, bis der Geist sich
schließlich als Geist erkennt. Dies ist das eigentliche Objekt der He-
gel’schen Phänomenologie. »Der Geist, der sich so entwickelt als
Geist weiß, ist die Wissenschaft. Sie ist seine Wirklichkeit und das
Reich, das er sich in seinem eigenen Elemente erbaut. […] Der An-
fang der Philosophie macht die Voraussetzung oder Forderung, daß
das Bewußtsein sich in diesem Elemente befinde. Aber dieses Element
erhält seine Vollendung und Durchsichtigkeit selbst nur durch die
Bewegung seines Werdens. Es ist die reine Geistigkeit, als das All-
gemeine, das die Weise der einfachen Unmittelbarkeit hat; dies Ein-
fache, wie es als solches Existenz hat, ist der Boden, der Denken, der
nur im Geist ist.« 73
Daher muss man den Ausdruck »Phänomenologie des Geistes«
wie folgt verstehen: Es handelt sich um die phänomenologische Dar-
stellung 74 des erscheinenden Wissens, d. h. des Prozesses des Werdens
des Wissens zur Wissenschaft, beginnend mit jenem bloßen Schein

70 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 164.


71 Vgl. R. Beuthan, »Hegels phänomenologischer Erfahrungsbegriff«, in: Hegels
Phänomenologie des Geistes, hrsg. von Klaus Vieweg und Wolfgang Welsch, Frank-
furt am Main 2008, S. 79–94.
72 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 585.

73
Ebd., S. 76.
74 Vgl. L. Siep, Der Weg der Phänomenologie des Geistes, Frankfurt am Main: Suhr-

kamp 2000.

166
Die Phänomenologie des Geistes

oder jener bloßen Erscheinung des Wissens, wie sie sich auf der Stufe
des unmittelbaren Geistes oder des geistlos-sinnlichen Bewusstseins
findet.
Die Phänomenologie des Geistes ist die phänomenologische Be-
schreibung des langen Weges, durch den sich der unmittelbare Geist
als sinnliche Gewissheit 75 in einem mühsamen Bildungsprozess hin-
durchzuarbeiten hat, bis hin zu dem Stadium, in dem das eigentliche,
nicht mehr bloß scheinhafte Wissen erscheint oder auftritt. Weil He-
gel dieses wahre Wissen als absolutes Wissen 76 versteht, handelt es
sich bei dieser Phänomenologie um die Epiphanie des Wissens des
Absoluten; erst hier hat ihm zufolge das Wissen das Element der
Wissenschaft, erreicht, was ihr reiner Begriff ist. »Die Wissenschaft
stellt diese bildende Bewegung sowohl in ihrer Ausführlichkeit und
Notwendigkeit, als das, was schon zum Momente und Eigentum des
Geistes herabgesunken ist, in seiner Gestaltung dar. Das Ziel ist die
Einsicht des Geistes in das, was das Wissen ist.« 77
Die Phänomenologie ist die Beschreibung des Werdens der Wis-
senschaft im Allgemeinen, also des Wissens des Geistes. »Dies Wer-
den der Wissenschaft überhaupt, oder des Wissens, ist es, was diese
Phänomenologie des Geistes darstellt. Das Wissen, wie es zuerst ist,
oder der umittelbare Geist ist das Geistlose, das sinnliche Bewußtsein.
Um zum eigentlichen Wissen zu werden, oder das Element der Wis-
senschaft, das ihr reiner Begriff selbst ist, zu erzeugen, hat es durch
einen langen Weg hindurch zu arbeiten.« 78 Hiermit schließt die Phä-
nomenologie des Geistes. »Was er in ihr sich bereitet, ist das Element
des Wissens. In diesem breiten sich nun die Momente des Geistes in
der Form der Einfachheit aus, die ihren Gegenstand als sich selbst
weiß. Sie fallen nicht mehr in den Gegensatz des Seins und Wissens
auseinander, sondern bleiben in der Einfachheit des Wissens, sind das
Wahre in der Form des Wahren, und ihre Verschiedenheit ist nur
Verschiedenheit des Inhalts. Ihre Bewegung, die sich in diesem Ele-
mente zum Ganzen organisiert, ist die Logik oder spekulative Phi-
losophie.« 79
Vor diesem Hintergrund ist die Phänomenologie 80 die Darstel-

75 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 82.


76 Ebd., S. 575.
77 Ebd., S. 80.
78
Ebd., S. 78.
79 Ebd., S. 92.
80
Vgl. A. F. Koch, »Die Prüfung des Wissens als Prüfung ihres Maßstabs. Zur Me-

167
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

lung des Weges des natürlichen Bewusstseins zum wahren Wissen.


Sie ist der Weg der Seele, die sich gereinigt hat und zum Geist
strebt. 81 Die Phänomenologie »kann von diesem Standpunkte aus,
als der Weg des natürlichen Bewußtseins, das zum wahren Wissen
dringt, genommen werden; oder als der Weg der Seele, welche die
Reihe ihrer Gestaltungen, als durch ihre Natur ihr vorgesteckter Sta-
tionen durchwandert, daß sie sich zum Geiste läutere, indem sie
durch die vollständige Erfahrung ihrer selbst zur Kenntnis desjenigen
gelangt, was sie an sich selbst ist.« 82

8. Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes

Ist es möglich, die komplexe Struktur von Hegels philosophischem


System in seiner Gesamtheit zu bestimmen? Welche Beziehung be-
steht zwischen der Logik, der Naturphilosophie und der Philosophie
des Geistes? Die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften
im Grundrisse ist das einzige Werk Hegels, das das gesamte System
definiert und vorstellt, während in anderen Texten des Philosophen
die einzelnen Teilgebiete vertieft werden. Die Konzeption des Wah-
ren als System impliziert, dass der Philosophie eine enzyklopädische
Aufgabe zukommt. Es handelt sich nicht einfach nur darum, schon
bestehende Wissenschaften nebeneinanderzustellen, sondern auch
die Prinzipien aller positiven Wissenschaften aus spekulativer Sicht
zu überdenken, um sie dem Konzept entsprechend in einer allgemei-
nen und notwendigen Ordnung wiederzufinden. Die dialektische Be-
wegung der Vernunft durchdringt den Bereich jeder Wissenschaft
und befreit sie aus ihrer Isolierung, indem sie Beziehungen zu ande-
ren Wissenschaften herstellt. Sie geht dabei so weit, dass alle Wissen-
schaften im System als Momente einer einzigen, lebendigen Totalität
vermittelt werden.
Das Hegel’sche System ist vielleicht der letzte Versuch, jene in-
tellektuelle Arbeitsteilung zwischen den Wissenschaften, die für die
Neuzeit charakteristisch ist, zu überwinden, um eine theoretische

thode der Phänomenologie des Geistes«, in: Hegels Einleitung in die Phänomenologie
des Geistes, hrsg. von Jindrich Karásek, Jan Kuneš und Ivan Landa, Würzburg 2006,
S. 21–34.
81 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 153.

82
Ebd., S. 152.

168
Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes

Vision zu erreichen, die die gesamte natürliche und menschliche Rea-


lität, zusammen mit dem Erbe der gesamten westlichen Zivilisation,
umfasst. Es kommt dabei zu einer Spannung zwischen dem Ziel der
Einheit und dem Ziel der höchsten Konkretheit, insofern das Gesamte
nur in der Vielfältigkeit seiner Bestimmungen lebt; die Integration
unter eine höchste semantische Einheit tendiert dazu, die Autonomie
und die Besonderheiten der einzelnen Inhalte zu opfern. Das System
ist in drei Teile untergliedert:
a) Logik, oder die »Wissenschaft an sich und für sich«;
b) Philosophie der Natur, oder »die Wissenschaft der Idee und ihre
Entfremdung von sich selbst«;
c) Philosophie des Geistes, oder »die Wissenschaft der Idee, die aus
ihrer Entfremdung zu sich selbst zurückkehrt«.
Die Philosophie schöpft in sich selbst das Bewusstsein von allen
Dingen aus, und so ist es für die Erkenntnis der gesamten Realität
nicht nötig, auf eine andere Wissenschaft zurückzugreifen. Um diese
Funktion zu erfüllen, muss die Philosophie in einzelne Teile unter-
gliedert werden, die sich auch semantisch voneinander unterscheiden:
Logik, Philosophie der Natur und Philosophie des Geistes. Diese Ge-
biete der Philosophie dürfen aber nicht mit den analogen Gebieten
der Tradition verwechselt werden. Die neue Logik 83 geht von einer
tiefgehenden, kritischen Analyse der aristotelischen Logik aus. In
der Einleitung der Wissenschaft der Logik erklärt Hegel, warum die
Philosophie nicht mit anderen Wissenschaften vergleichbar ist. Bei
Hegel ist die Philosophie nicht wie bei Fichte die Basis der Wissen-
schaft, nicht Wissenschaftslehre. Im Gegenteil: Für Hegel ist die
Philosophie die Wissenschaft des Gedankens und demzufolge die
Wissenschaft des Realen in seiner organischen, systematischen und
dynamischen Ganzheit.
»Für den Anfang, den die Philosophie zu machen hat, scheint sie
im allgemeinen ebenso mit einer subjektiven Voraussetzung wie die
anderen Wissenschaften zu beginnen, nämlich einen besonderen Ge-
genstand, wie anderwärts Raum, Zahl usf., so hier das Denken zum
Gegenstande des Denkens machen zu müssen. Allein es ist dies der
freie Akt des Denkens sich auf den Standpunkt zu stellen, wo es für
sich selber ist und sich hiermit seinen Gegenstand selbst erzeugt und
gibt. Ferner muß der Standpunkt, welcher so als unmittelbarer er-

83 Vgl. J. H. Trede, »Hegels frühe Logik (1801–1804)«, in: Hegel-Studien 7 (1972),


S. 123–168.

169
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

scheint, innerhalb der Wissenschaft sich zum Resultate, und zwar zu


ihrem letzten machen, in welchem sie ihren Anfang wieder erreicht
und in sich zurückkehrt. Auf diese Weise zeigt sich die Philosophie als
ein in sich zurückgehender Kreis, der keinen Anfang im Sinne ande-
rer Wissenschaften hat, so daß der Anfang nur eine Beziehung auf
das Subjekt, als welches sich entschließen will zu philosophieren,
nicht aber auf die Wissenschaft als solche hat. Oder was dasselbe ist,
der Begriff der Wissenschaft und somit der erste, und weil er der erste
ist enthält er die Trennung, daß das Denken Gegenstand für ein
(gleichsam äußerliches) philosophierendes Subjekt ist, muß von der
Wissenschaft selbst erfaßt werden. Dies ist sogar ihr einziger Zweck,
Tun und Ziel, zum Begriffe ihres Begriffes, und so zu ihrer Rückkehr
und Befriedigung zu gelangen. Wie von einer Philosophie nicht eine
vorläufige allgemeine Vorstellung gegeben werden kann, denn nur
das Ganze der Wissenschaft ist die Darstellung der Idee, so kann auch
ihre Einteilung nur erst aus dieser begriffen werden; sie ist wie diese,
aus der sie zu nehmen ist, etwas Antizipiertes. Die Idee aber erweist
sich als das schlechthin mit sich identische Denken und dies zugleich
als die Tätigkeit, sich selbst um für sich zu sein sich gegenüber zu
stellen und in diesem Andern nur bei sich selbst zu sein.« 84 So zer-
fällt, laut Hegel, die Wissenschaft in drei Teile: »die Logik, die Wis-
senschaft der Idee an und für sich, die Naturphilosophie als die Wis-
senschaft der Idee in ihrem Anderssein, die Philosophie des Geistes,
als der Idee, die aus ihrem Anderssein in sich zurückkehrt«. 85
Die Logik ist »die Wissenschaft der Idee an und für sich«; sie ist
demnach »als das System der reinen Vernunft, als das Reich des rei-
nen Gedankens zu fassen. Dieses Reich ist die Wahrheit ohne Hülle
an und für sich selbst. Mann kann sich deswegen ausdrücken, daß
dieser Inhalt die Darstellung Gottes ist, wie er in seinem ewigen We-
sen vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist.
Anaxagoras wird als derjenige gepriesen, der zuerst den Gedanken
ausgesprochen habe, daß der Nous, der Gedanke das Prinzip der Welt,
daß das Wesen der Welt als der Gedanke zu bestimmen ist. Er hat
damit den Grund zu einer Intellektualansicht des Universums gelegt,
deren reine Gestalt die Logik sein muß.« 86

84 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

S. 62–63.
85 Ebd., S. 63.

86
G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, S. 44.

170
Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes

In diesem Zusammenhang schreibt Hegel in der Enzyklopädie


der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse: »[D]ie Logik ist
die Wissenschaft der reinen Idee, das ist, der Idee im abstrakten Ele-
mente des Denkens. Es gilt von dieser, wie von andern in diesem Vor-
begriffe enthaltenen Bestimmungen dasselbe, was von den über die
Philosophie überhaupt vorausgeschickten Begriffen gilt, daß sie aus
und nach der Übersicht des Ganzen geschöpfte Bestimmungen sind.
Man kann wohl sagen, daß die Logik die Wissenschaft des Denkens,
seiner Bestimmungen und Gesetze sei, aber das Denken als solches
macht nur die allgemeine Bestimmtheit oder das Element aus, in der
die Idee als logische ist. Die Idee ist das Denken nicht als formales,
sondern als die sich entwickelnde Totalität seiner eigentümlichen Be-
stimmungen und Gesetze, die es sich selbst gibt, nicht schon hat und
in sich vorfindet.« 87
Der Nutzen der Logik betrifft das Subjekt, insoweit es sich um
eine Art von Bildung zu anderen Zwecken handelt: »Die Bildung des-
selben durch die Logik besteht darin, daß es im Denken geübt wird,
weil diese Wissenschaft Denken des Denkens ist, und daß es die Ge-
danken auch als Gedanken in den Kopf bekommet. Insofern aber das
Logische die absolute Form der Wahrheit und noch mehr als dies auch
die reine Wahrheit selbst ist, ist es ganz etwas anderes als bloß etwas
Nützliches. Aber wie das Vortrefflichste, das Freiste und Selbstän-
digste auch das Nützlichste ist, so kann auch das Logische so gefaßt
werden. Sein Nutzen ist dann noch anders anzuschlagen, als bloß die
formelle Übung des Denkens zu sein.« 88
Während die Logik von Hegel als »die Wissenschaft der Idee an
und für sich« definiert wird, ist die Naturphilosophie für ihn die
»Wissenschaft der Idee in ihrem Anderssein«. 89 »Was Physik genannt
wird, hieß vormals Naturphilosophie, und ist gleichfalls theoretische
und zwar denkende Betrachtung der Natur, welche einerseits nicht
von Bestimmungen, die der Natur äußerlich sind, wie die jener Zwe-
cke, ausgeht, andererseits auf die Erkenntnis des Allgemeinen dersel-
ben, so daß es zugleich in sich bestimmt sei, gerichtet ist – der Kräfte,
Gesetze, Gattungen, welcher Inhalt ferner auch nicht bloßes Aggre-
gat sein, sondern in Ordnungen, Klassen gestellt sich als eine Orga-

87 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

S. 67.
88 Ebd., S. 68.

89
Ebd., S. 63.

171
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

nisation ausnehmen muß. Indem die Naturphilosophie begreifende


Betrachtung ist, hat sie dasselbe Allgemeine aber für sich zum Gegen-
stand und betrachtet es in seiner eigenen immanenten Notwendigkeit
nach der Selbstbestimmung des Begriffs.« 90
Die Naturphilosophie muss laut Hegel rationale Tätigkeit sein
und bleiben, auch wenn sie sich von der Physik und den Naturwis-
senschaften unterscheidet: »Das, wodurch sich die Naturphilosophie
von der Physik unterscheidet, ist näher die Weise der Metaphysik,
deren sich beide bedienen; denn Metaphysik heißt nichts anderes als
der Umfang der allgemeinen Denkbestimmungen, gleichsam das dia-
mantene Netz, in das wir allen Stoff bringen und dadurch erst ver-
ständlich machen. Jedes gebildete Bewußtsein hat seine Metaphysik,
das instinktartige Denken, die absolute Macht in uns, über die wir nur
Meister werden, wenn wir sie selbst zum Gegenstande unserer Er-
kenntnis machen. Die Philosophie überhaupt hat als Philosophie an-
dere Kategorien als das gewöhnliche Bewußtsein; alle Bildung redu-
ziert sich auf den Unterschied der Kategorien.« 91
Wenn man diese Bemerkungen überdenkt, kommt die Frage auf,
wie Hegel die Beziehung zwischen Erfahrung und Naturphilosophie
bestimmt. Welche Funktion und welches Ziel hat die Erfahrung?
»Von dem Verhältnis der Philosophie zum Empirischen ist in der Ein-
leitung die Rede gewesen. Nicht nur muß die Philosophie mit der
Naturerfahrung übereinstimmend sein, sondern die Entstehung und
Bildung der philosophischen Wissenschaft hat die empirische Physik
zur Voraussetzung und Bedingung. Ein anderes aber ist der Gang des
Entstehens und die Vorarbeiten einer Wissenschaft, ein anderes die
Wissenschaft selbst; in dieser können jene nicht mehr als Grundlage
erscheinen, welche hier vielmehr die Notwendigkeit des Begriffs sein
soll. Es ist schon erinnert worden, daß außerdem daß der Gegenstand
nach seiner Begriffsbestimmung in dem philosophischen Gange an-
zugeben ist, noch weiter die empirische Erscheinung, welche dersel-
ben entspricht, namhaft zu machen und von ihr aufzuzeigen ist, daß
sie jener in der Tat entspricht. Dies ist jedoch in Beziehung auf die
Notwendigkeit des Inhalts kein Berufen auf die Erfahrung.« 92 Hegels
Naturphilosophie unterscheidet sich von der empirischen Physik
nicht, weil sie die Erfahrung vernachlässigt, sondern aufgrund der

90
Ebd., S. 14.
91 Ebd., S. 19.
92
Ebd., S. 16.

172
Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes

andersartigen Rolle, die sie der Erfahrung zuweist. Die Bedeutung der
Erfahrung für die Entstehung der Philosophie der Natur wird von
Hegel besonders betont. Dass die Erfahrung als Grundlage der Phi-
losophie fungiere, wird hingegen verneint. Die Grundlage von allem
wissenschaftlichen Wissen ist die Notwendigkeit des Begriffs. 93 Nicht
die Begriffsbestimmung des Objekts muss der empirischen Erschei-
nung entsprechen, sondern das Phänomen muss die Begriffsbestim-
mung aufzeigen.

9. Der Begriff der Natur

Was ist laut Hegel die Natur? In der Einleitung der Enzyklopädie
(unter dem Titel »Betrachtungsweisen der Natur«) definiert Hegel
das Konzept Natur so: »Die Natur ist als ein System von Stufen zu
betrachten, deren eine aus der andern notwendig hervorgeht und die
nächste Wahrheit derjenigen ist, aus welcher sie resultiert, aber nicht
so daß die eine aus der andern natürlich erzeugt würde, sondern in
der innern den Grund der Natur ausmachenden Idee. Die Metamor-
phose kommt nur dem Begriffe als solchem zu, da dessen Verände-
rung allein Entwicklung ist. Der Begriff aber ist in der Natur teils nur
inneres, teils existierend nur als lebendiges Individuum; auf dieses
allein ist daher existierende Metamorphose beschränkt.« 94
Die Natur, die in ihrem Wesen heilig ist, ist lebendiges, unmit-
telbares Werden des Geistes: »Dieses sein letzteres Werden, die
Natur, ist sein lebendiges, unmittelbares Werden; sie, der entäußerte
Geist, ist in ihrem Dasein nichts, als diese ewige Entäußerung ihres
Bestehens und die Bewegung, die das Subjekt herstellt.« 95
Hegel bemerkt: »[D]ie Idee, welche für sich ist, nach dieser ihrer
Einheit mit sich betrachtet, ist sie Anschauen; und die anschauende
Idee Natur. Als Anschauen aber ist die Idee in einseitiger Bestim-
mung der Unmittelbarkeit oder Negation durch äußerliche Reflexion
gesetzt. Die absolute Freiheit der Idee aber ist, daß sie nicht bloß ins
Leben übergeht, noch als endliches Erkennen dasselbe in sich schei-

93 Vgl. C. Spahn, Lebendiger Begriff – begriffenes Leben. Zur Grundlegung der Phi-
losophie des Organischen bei G. W. F. Hegel, Würzburg 2007.
94
G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,
S. 31.
95
G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 590.

173
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

nen läßt, sondern in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich ent-
schließt, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens
und Andersseins, die unmittelbare Idee als ihren Widerschein, sich
als Natur frei aus sich zu entlassen.« 96
Die negative Natur der Natur – ihre sich gegen die Idee ver-
schließende Andersheit – bedingt auch ihre innere Struktur: »Die
Natur hat sich als die Idee in der Form des Andersseins ergeben. Da
die Idee so als das Negative ihrer selbst oder sich äußerlich ist, so ist
die Natur nicht äußerlich nur relativ gegen diese Idee (und gegen die
subjektive Existenz derselben, den Geist), sondern die Äußerlichkeit
macht die Bestimmung aus, in welcher sie als Natur ist.« 97 Die Na-
tur 98 ist also nicht äußerlich in ihrem Verhältnis zu Idee und Geist,
sondern sie ist in sich selbst äußerlich. Sie besitzt kein synthetisches
Prinzip, das ihr eine innere Einheit gibt.
»Die Idee als Natur ist: a) in der Bestimmung des Außereinan-
der, der unendlichen Vereinzelung, außerhalb welcher die Einheit der
Form, diese daher als eine ideelle nur an sich seiende, und daher nur
gesuchte ist, die Materie und deren ideelles System – Mechanik; b) in
der Bestimmung der Besonderheit, so daß die Realität mit immanen-
ter Formbestimmtheit und an ihr existierender Differenz gesetzt ist –
ein Reflexionsverhältnis, dessen Insichsein die natürliche Individua-
lität ist, – Physik; c) in der Bestimmung der Subjektivität, in welcher
die realen Unterschiede der Form ebenso zur ideellen Einheit, die sich
selbst gefunden und für sich ist, zurückgebracht sind, – Organik.« 99
»Der Widerspruch der Idee, indem sie als Natur sich selbst äu-
ßerlich ist« 100 – das ist der Ausgangspunkt der Hegel’schen Natur-
philosophie. In ihrer inneren Struktur und in ihrer organischen und
dynamischen Ganzheit ist »die Natur an sich ein lebendiges Ganzes;
die Bewegung durch ihren Stufengang ist näher dies, daß die Idee sich
als das setze, was sie an sich ist; oder was dasselbe ist, daß sie aus ihrer
Unmittelbarkeit und Äußerlichkeit, welche der Tod ist, in sich gehe
um zunächst als Lebendiges zu sein, aber ferner auch diese Bestimmt-

96 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

S. 393.
97 Ebd., S. 24.

98 Vgl. A. Schlemm, Wie wirklich sind Naturgesetze? Auf Grundlage einer an Hegel

orientierten Wissenschaftsphilosophie, Münster 2005.


99
G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,
S. 37.
100
Ebd., S. 34.

174
Hegels Definition des »Geistes«

heit, in welcher sie nur Leben ist, aufhebe, und sich zur Existenz des
Geistes hervorbringe, der die Wahrheit und der Endzweck der Natur
und die wahre Wirklichkeit der Idee ist.« 101

10. Hegels Definition des »Geistes«

Im vorhergehenden Kapitel wurde erklärt, dass die Natur, deren We-


sen göttlich ist, nach Hegel das lebendige, unmittelbare Werden des
Geistes ist. »Dieses sein letztes Werden, die Natur, ist sein lebendiges,
unmittelbares Werden; sie, der entäußerte Geist, ist in ihrem Dasein
nichts, als diese ewige Entäußerung ihres Bestehens und die Bewe-
gung, die das Subjekt herstellt.« 102 Aus diesem Blickwinkel bekommt
die Beziehung zwischen der Naturphilosophie und der Philosophie
des Geistes 103 eine besondere Bedeutung. Was bedeutet Philosophie
des Geistes? Was ist der Geist für Hegel? Welche Funktion und
Zielsetzung hat er im Hegel’schen Idealismus?
Hegels Definition des Geistes lautet: »Der Geist hat für uns die
Natur zu seiner Voraussetzung, deren Wahrheit, und damit deren
absolut Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur verschwunden,
und der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee er-
geben, deren Objekt ebensowohl als das Subjekt der Begriff ist. Diese
Identität ist absolute Negativität, weil in der Natur der Begriff seine
vollkommene äußerliche Objektivität hat, diese seine Entäußerung
aber aufgehoben, und er in dieser sich identisch mit sich geworden
ist. Er ist diese Identität somit zugleich nur, als Zurückkommen aus
der Natur.« 104 Hier unterscheidet Hegel zwischen dem Ersten für uns
und dem »absolut Ersten« und nimmt so die berühmte Unterschei-
dung von Aristoteles wieder auf: die Unterscheidung zwischen dem
Ersten der Natur nach (proteron te physei) und dem Ersten für uns
(proteron pros hemas).

101 Ebd., S. 36.


102 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 590.
103 Zur Verbindung zwischen der Naturphilosophie und der Philosophie des Geistes

vgl. M. F. Bykova, »Der Begriff des Geistes in Hegels Phänomenologie des Geistes«,
in: Phänomen und Analyse. Grundbegriffe der Philosophie des 20. Jahrhunderts in
Erinnerung an Hegels Phänomenologie des Geistes (1807), hrsg. von Wolfram Ho-
grebe, Würzburg 2008, S. 32–42.
104 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

S. 17.

175
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

Die Natur ist die Offenbarung des Geistes, und der Geist ist
Gott, der die Welt aus Freiheit geschaffen hat: »Das Absolute ist der
Geist; dies ist die höchste Definition des Absoluten. Diese Definition
zu finden und ihren Sinn und Inhalt zu begreifen, dies kann man
sagen, war die absolute Tendenz aller Bildung und Philosophie, auf
diesen Punkt hat sich alle Religion und Wissenschaft gedrängt; aus
diesem Drang allein ist die Weltgeschichte zu begreifen. Das Wort
und die Vorstellung des Geistes ist früh gefunden, und der Inhalt der
christlichen Religion ist, Gott als Geist zu erkennen zu geben. Dies,
was hier der Vorstellung gegeben, und was an sich das Wesen ist, in
seinem eigenen Elemente, dem Begriffe, zu fassen, ist Aufgabe der
Philosophie, welche so lange nicht wahrhaft und immanent gelöst ist,
als der Begriff und die Freiheit nicht ihr Gegenstand und ihre Seele
ist.« 105 Die Bestimmtheit des Geistes ist daher die Manifestation. Er
ist »nicht irgend eine Bestimmtheit oder Inhalt, dessen Äußerung
und Äußerlichkeit nur davon unterschiedene Form wäre, so daß er
nicht Etwas offenbart, sondern seine Bestimmtheit und Inhalt ist die-
ses Offenbaren selbst. Seine Möglichkeit ist daher unmittelbar un-
endliche, absolute Wirklichkeit.« 106
Vor diesem Horizont sind die Begriffe »Möglichkeit« und »ab-
solute Wirklichkeit« mit den Begriffen »Offenbaren« und »Werden
der Natur« verbunden. »Das Offenbaren, welches als die abstrakte
Idee unmittelbarer Übergang, Werden der Natur ist, ist als Offen-
baren des Geistes, der frei ist, Setzen der Natur als seiner Welt; ein
Setzen, das als Reflexion zugleich Voraussetzen der Welt als selbstän-
dige Natur ist. Das Offenbaren im Begriff ist Erschaffen derselben als
seines Seins, in welchem er die Affirmation und Wahrheit seiner
Freiheit sich gibt.« 107
Der wesentliche Zweck einer Philosophie des Geistes kann des-
halb »nur der sein, den Begriff in die Erkenntnis des Geistes wieder
einzuführen«. 108 Die Bestimmungen und Stufen des Geistes sind we-
sentlich »nur als Momente, Zustände, Bestimmungen an den höhern
Entwicklungsstufen. Es geschieht dadurch, daß an einer niedrigern,
abstraktern Bestimmung das Höhere sich schon empirisch vorhanden
zeigt, wie z. B. in der Empfindung alles höhere Geistige als Inhalt oder

105 Ebd., S. 30.


106
Ebd., S. 27.
107 Ebd., S. 29.
108
Ebd., S. 11.

176
Verstand und Vernunft: die Grenzen des Verstandes

Bestimmtheit. Oberflächlicherweise kann daher in der Empfindung,


welche nur eine abstrakte Form ist, jener Inhalt, das Religiöse, Sitt-
liche usf., wesentlich seine Stelle und sogar Wurzel zu haben, und
seine Bestimmungen als besondere Arten der Empfindung zu be-
trachten notwendig scheinen. Aber zugleich wird es, indem niedrige-
re Stufen betrachtet werden, nötig, um sie nach ihrer empirischen
Existenz bemerklich zu machen, an höhere zu erinnern, an welchen
sie nur als Formen vorhanden sind, und auf diese Weise einen Inhalt
zu antizipieren, der erst später in der Entwicklung sich darbietet.« 109
Laut Hegel verläuft die Entwicklung des Geistes so, dass er a) »in der
Form der Beziehung auf sich selbst ist, innerhalb seiner ihm die ide-
elle Totalität der Idee, d. i. daß das, was sein Begriff ist, für ihn wird,
und ihm sein Sein dies ist, bei sich, d. i. frei zu sein, subjektiver Geist;
b) in der Form der Realität als einer von ihm hervorzubringenden
und hervorgebrachten Welt, in welcher die Freiheit als vorhandene
Notwendigkeit ist, objektiver Geist; c) in an und für sich seiender
und ewig sich hervorbringender Einheit der Objektivität des Geistes
und seiner Idealität oder seines Begriffs, der Geist in seiner absoluten
Wahrheit, der absolute Geist«. 110

11. Verstand und Vernunft: die Grenzen des Verstandes

Hegel betont die semantische Unterscheidung von Verstand und Ver-


nunft. Warum ist diese semantische Unterscheidung in der gesamten
Philosophie Hegels so wichtig? Was ist Verstand 111? Welche Grenzen

109 Ebd., S. 17.


110 Ebd., S. 32.
111 Der Begriff »Intellekt« (gr. νοῦς; lat. intellectus) hatte immer eine zweifache Be-

deutung bei den Philosophen: 1. die allgemeine Bedeutung der Fähigkeit zu denken
und 2. die bestimmte Bedeutung einer besonderen, kognitiven Tätigkeit. Diese zweite
Bedeutung ist in dreierlei Art und Weise verstanden worden: a) als intuitiver Intellekt
b) als handelnder Intellekt; c) als verstehender Intellekt oder Intelligenz. Diese all-
gemeine Bedeutung hat sich in der philosophischen Tradition bis zur Romantik erhal-
ten. Thomas von Aquin drückt sie durch die Gegenüberstellung des Intellekts und der
Sinne aus. Der Begriff Intellekt impliziert eine gewisse innere Erkenntnis; »intellige-
re« ist ein inneres Lesen (»intus legere«). Dies wird evident, wenn man den Unter-
schied zwischen dem Intellekt und den Sinnen betrachtet: Das Feld der sinnlichen
Erkenntnis ist die äußere, sinnlich wahrnehmbare Qualität, und »die intellektuelle
Erkenntnis dringt bis zur Essenz der Dinge vor« (Summa theologiae, II, S. 2). Zur
gleichen allgemeinen Bedeutung gelangt man, wenn man, wie Locke, den Begriff

177
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

hat der Verstand? Was ist Vernunft? Laut Hegel sieht der Verstand
das Endliche (oder alle Einheiten, die uns umgeben und die wir ken-
nen, weil wir Menschen sind) als Begriffe, die antithetisch zueinander
stehen. Die Vernunft hingegen versteht, dass kein endlicher Begriff
selbstgenügsam in sich ist und dass jeder mittels der anderen in der
Totalität der Dialektik der Gegensätze verstanden werden will.
In der Einleitung zur Geschichte der Philosophie bemerkt Hegel,
dass die Meinung, die Philosophie befasse sich nur mit Abstraktio-
nen, während die Anschauung unseres empirischen Selbstbewusst-
seins das Gefühl 112 unserer selbst und der Sinn des Lebens das Kon-
krete an sich seien, ein verbreitetes Vorurteil ist. In der Tat lebt die
Philosophie im Bereich des Gedankens. Sie hat es also mit der Uni-
versalität zu tun. Ihr Inhalt ist aber nur aufgrund ihrer Form abstrakt,
während die Idee an sich wesentlich und konkret ist, weil sie die Ein-
heit der unterschiedlichen Bestimmungen ist. Insofern differiert die
vernünftige Erkenntnis von der reinen Erkenntnis des Verstandes. Es
ist die Aufgabe der Philosophie, gegenüber dem Verstand zu klären,
dass die Wahrheit und die Idee nicht aus leeren Abstraktionen beste-
hen, »sondern aus der allgemeinen Erkenntnis, die mit der besonde-
ren Erkenntnis verschmilzt«. 113
Diejenigen Philosophien, die dem Bereich der Kriterien des Ver-
standes verschlossen bleiben und die Gegenüberstellung von End-
lichem und Unendlichem 114 beibehalten, machen diese zerrissene Si-
tuation deutlich, welche sowohl auf der subjektiven als auch auf der

dem Willen gegenüberstellt. Das Vermögen zu denken heißt Intellekt, und die Fähig-
keit zu wollen heißt Wille: »[S]ie sind zwei Fähigkeiten der Seele, die Fähigkeit ge-
nannt wird« (Essay Concerning Human Understanding, II, 6, 2). Leibniz verstand
unter Intellekt »die Perzeption, die mit der Fähigkeit der Reflexion verbunden ist«.
(Nouveaux Essais sur l’entendement humain, II, 21, 5). Diese Bedeutung wird von
Wolff wieder aufgenommen (Psychologia empirica, § 275). Die Definition des »Intel-
lekts« als »Fähigkeit zu denken« ist im 18. Jahrhundert verbreitet und Kant wieder-
holt sie häufig. Bei Kant ist der Intellekt die Fähigkeit, »das Objekt der empirischen
Anschauung zu denken« (KrV, Einleitung, I) oder »die Kraft im Allgemeinen zu er-
kennen« (Anthropologie, I, § 6, 40).
112 Vgl. F. Schick, »Die Rolle des Gefühls in der Genese des Bewußtseins. Überlegun-

gen zu Hegel und Fichte«, in: Materiale Disziplinen der Wissenschaftslehre. Zur
Theorie der Gefühle, hrsg. von Wolfgang H. Schrader, Fichte-Studien, Bd. 11, Ams-
terdam/Atlanta 1997, S. 331–349.
113 Vgl. G. W. F. Hegel, Einführung in die Geschichte der Philosophie, S. 60.

114
Zur semantischen Korrelation zwischen Endlichem und Unendlichem vgl. R. Bub-
ner, »Das Endliche und das Unendliche und der Übergang«, in: Kant und der Früh-
idealismus, hrsg. von Jürgen Stolzenberg. Hamburg 2007, S. 45–58.

178
Verstand und Vernunft: die Grenzen des Verstandes

objektiven Ebene überwunden werden muss. Diese Überwindung ist


noch nicht einmal in den höchsten Formen des Denkens der Neuzeit
erreicht worden, etwa in den Philosophien von Kant, Jacobi und Fich-
te, die Hegel in Glauben und Wissen diskutiert. 115 In diesen Philoso-
phien bleibt der Gedanke an den Verstand und an das Endliche gebun-
den: Die Gegenüberstellungen von Phänomen und Noumenon,
Glauben und Wissen, Leben und Philosophie werden als unüber-
windbar und als sich immer wieder erneuernd angesehen. Diese Phi-
losophien sind in der Konzeption des Unendlichen als schlechtes Un-
endliches oder als unrealisierbares Ideal gefangen. Die Philosophie
von den Grenzen des Verstandes zu lösen und auf die Ebene der Ver-
nunft zu bringen, bedeutet, ein neues Konzept des »Unendlichen«
aufzustellen, das das Unendliche nicht als einfache Negation des End-
lichen (der Menschen, der naturgegebenen Objekte und der histori-
schen Einheiten) versteht, sondern als Einheit und dialektische Ver-
söhnung, die sich in der Geschichte verwirklicht. Die Kritik Hegels an
den oben genannten Philosophien basiert auf einer tiefgehenden Kri-
tik des Konzepts »Verstand«.
Inwiefern unterscheidet sich Hegels Begriff des »Verstandes«
grundlegend von den entsprechenden Konzepten bei Fichte und
Kant? Welches sind die bedeutendsten Unterschiede in der Ausarbei-
tung des Konzepts »Verstand« im deutschen Idealismus?
Bei Kant ist der Verstand »die Fähigkeit, das Objekt der empiri-
schen Anschauung zu denken« 116 oder »die Kraft im Allgemeinen zu
erkennen«. 117 In der Romantik hingegen verliert der Verstand seinen
Wert als Erkenntnisvermögen im eigentlichen Sinne. Man entdeckt
die Unbeweglichkeit des Verstandes. Diese Entdeckung geht auf Fich-
te zurück. Laut Fichte ist der Verstand eine geistige Tätigkeit, 118 die
nicht aktiv ist. Im Verstand liegt das, was von der Einbildung pro-
duziert wurde. Und dieses Produkt muss von der Vernunft bestimmt
werden. Es ist Hegel, der den Beiwörtern des Verstandes – unbeweg-
lich, steif, abstrakt – besonderes Gewicht gibt: Der Gedanke als Ver-
stand hört bei der steifen Bestimmung und deren Differenz zu ande-
ren Bestimmungen auf. Dieses abstrakte und begrenzte Produkt ist

115 Vgl. J. D. Hodt, Hegel segreto. Ricerche sulle fonti nascoste del pensiero hegeliano,

Milano: Guerini e Associati 1989.


116
Vgl. I. Kant, KrV, Einleitung, I.
117 Kant, Anthropologie in pragmatischen Hinsicht, § 6, S. 40.

118
Vgl. J. G. Fichte, Wissenschaftslehre, 1794, II, S. 184.

179
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

für den Verstand selbständig und existent. Der Verstand ist insofern
durch Unbeweglichkeit und durch einfache, fixierende Bestimmun-
gen charakterisiert. 119 Diese Unbeweglichkeit ist falsch; das zeigt sich
etwa daran, wie der Verstand die Beziehung zwischen Unendlichem
und Endlichem versteht und dadurch dem schlechten Unendlichen 120
Raum gibt. Das Fixieren, das Immobilisieren, das Festhalten und das
absolute Bestimmen der endlichen Begriffe werden zu den wichtigs-
ten Tätigkeiten des Verstandes. Diesen Tätigkeiten steht die Aktivität
der Vernunft gegenüber, die der dialektischen Tätigkeit entsprechend
die in sich geschlossene Individualität der Verstandesbestimmungen
aufhebt und überwindet. Diese eigentliche Funktion des Verstandes,
die allgemeinen Prinzipien des Denkens anzuschauen, wurde schon
von Thomas von Aquin und in der scholastischen Philosophie neben
der allgemeinen Funktion des Intellekts erkannt. 121
Kant unterschied vom allgemeinen Intellekt den Verstand als ein
Erkenntnisvermögen, das neben dem Urteil und der Vernunft steht.
Der Begriff Verstand, sagt Kant, wird auch in einem besonderen Sinn
verstanden, wenn er als Teil einer Trennung dem Intellekt im all-
gemeinen Sinn, also »als höhere Möglichkeit, die aus Intellekt, Ur-
teilskraft und Vernunft besteht, untergeordnet wird«. 122 In diesem
Sinne ist der Verstand das Vermögen, zu urteilen; dieses Urteil ist
ein bestimmendes, also ein Urteil, dessen Gesetzmäßigkeiten das na-
türliche Objekt im Allgemeinen (und insbesondere seine Form) be-
gründen. Diese Gesetze sind vom Verstand a priori vorgeschrieben,
also als Prinzipien seiner Arbeitsweise gegeben. 123 In diesem Sinne,
als Urteilsvermögen, ist der Intellekt nicht intuitiv, steht also nicht in
direkter Beziehung zum Objekt. Er steht vielmehr in einem mittel-
baren Verhältnis zum Objekt, weil es sich um das Urteil einer Dar-
stellung handelt und somit, nach Kant, um die Darstellung einer Dar-
stellung. Aber er ist auch intuitiv im Sinne des intuitiven Verstandes
bei Aristoteles. Er steht in unmittelbarer Beziehung zu den Gesetzen
oder den grundlegenden Prinzipien, die die Basis der Wissenschaft
und der Struktur ihrer Objekte sind. Der Unterschied zwischen der
aristotelischen und der kantischen Auffassung lässt sich folgender-

119 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, S. 5.


120 Ebd., Teil I, Kap. 2, S. 157.
121
Thomas von Aquin, Summa theologiae, I, 8, a 1.
122 I. Kant, Anthropologie in pragmatischen Hinsicht, I, § 40.
123
Vgl. KrV, Analytik der Begriffe, Teil I und KU, Einleitung, § IV.

180
Vernunft, Realität und Wirklichkeit

maßen erläutern: Nach Aristoteles hat der Verstand die Aufgabe, die
ursprünglichen Prinzipien, die von der demonstrativen, darstellenden
Wissenschaft benutzt werden, zu formulieren und zu erklären; nach
Kant nutzt der Verstand die Prinzipien, die ihn konstituieren und die
er nicht auszuformulieren braucht, indem er seine Aufgabe, zu urtei-
len, erfüllt. Diese beiden Alternativen sind in der Geschichte die ein-
zigen, die den Intellekt als spezifische, intuitive Möglichkeit interpre-
tieren.

12. Vernunft, Realität und Wirklichkeit

»Das was ist zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das,
was ist, ist die Vernunft.« 124 Indem er diese Definition als Grundlage
nimmt, erklärt Hegel die Gleichartigkeit von Vernunft und Wirklich-
keit. Was ist Vernunft? Welches ist die Bedeutung und was ist die
Funktion des Begriffs »Vernunft« bei Hegel? Wie ist die Beziehung
zwischen Vernunft, Realität und Wirklichkeit?
Im Vorwort zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts
greift Hegel diese Thematik auf und schreibt: »Was vernünftig ist,
das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig. In dieser
Überzeugung steht jedes unbefangene Bewußtsein, wie die Philoso-
phie, und hiervon geht diese ebenso in Betrachtung des geistigen Uni-
versums aus als des natürlichen.« 125
Der erste Teil der Aussage Hegels »was vernünftig ist, das ist
wirklich« meint, dass das Vernünftige Wirklichkeit wird und sich in
konkreten Formen zeigt. Ein vernünftiges Ideal wird früher oder spä-
ter Wirklichkeit. Und wenn es nicht wirklich wird, heißt das, dass es
nicht vernünftig ist. Hegel ist der Auffassung, dass die politischen
Ideale und Manifeste deshalb nie verwirklicht worden sind, weil sie
nicht vernünftig und somit wertlos sind; sie sind vergängliche Phan-
tasien ohne Sinn und Bedeutung. Um zu wissen, ob eine Ideologie
richtig und vernünftig ist, muss man sie in der Geschichte verwirk-
licht sehen.
Der zweite Teil der Aussage »was wirklich ist, das ist vernünftig«
weist darauf hin, dass in allem Wirklichen (in der Natur und in der
Geschichte) eine innere Rationalität bzw. Vernunft liegt. Die Wirk-

124 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 61.


125
Ebd., S. 58.

181
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

lichkeit, bzw. die Gesamtheit der natürlichen Phänomene und der his-
torischen Ereignisse, ist keine chaotische Materie, die vom Zufall be-
stimmt wird. Sie durchläuft eine logische Entwicklung und ist die
Manifestation einer vernünftigen Struktur (Idee oder Vernunft), die
der Natur unbewusst und dem Menschen bewusst ist. »Denn das Ver-
nünftige, was synonym ist mit der Idee, indem es in seiner Wirklich-
keit zugleich in die äußere Existenz tritt, tritt in einem unendlichen
Reichtum von Formen, Erscheinungen und Gestaltungen hervor, und
umzieht seinen Kern mit der bunten Rinde, in welcher das Bewußt-
sein zunächst haust, welche der Begriff erst durchdringt, um den in-
neren Puls zu finden und ihn ebenso in den äußeren Gestaltungen
noch schlagend zu fühlen.« 126
Die Vernunft ist wirklich, weil sie sich in konkreten Formen in
der Wirklichkeit äußert; sie ist kein abstraktes oder ideales Konzept,
sondern in der konkreten Welt wiederzufinden, da alles, was sich rea-
lisiert, einen Grund dafür hat, sich zu realisieren. Alles, was existiert
(das Wirkliche), ist eine konkrete Manifestation der Vernunft; in der
Wirklichkeit gibt es nur Platz für den Gedanken, und jedes Ereignis
ist, vielleicht unbewusst, von einer gewissen rationalen Struktur be-
stimmt.
Das Vernünftige ist »das an und für sich Allgemeine«. 127 »Das an
und für sich seiende Allgemeine ist überhaupt das, was man das Ver-
nünftige nennt und was nur auf diese spekulative Weise gefaßt wer-
den kann.« 128 Die Vernünftigkeit besteht, abstrakt betrachtet, »über-
haupt in der sich durchdringenden Einheit der Allgemeinheit und der
Einzelheit, und hier konkret dem Inhalte nach in der Einheit der ob-
jektiven Freiheit, d. i., des allgemeinen substantiellen Willens, und
der subjektiven Freiheit, als des individuellen Wissens und seines be-
sondere Zwecke suchenden Willens, und deswegen der Form nach in
einem nach gedachten, d. h. allgemeinen Gesetzen und Grundsätzen
sich bestimmenden Handeln. Diese Idee ist das an und für sich ewige
und notwendige Sein des Geistes.« 129
Hegel stellt eine semantische Beziehung zwischen Vernünftig-
keit, Allgemeinheit und Einzelheit her, um die Übereinstimmung
von Vernunft und Wirklichkeit zu erklären und um den Begriff der

126 Ebd., S. 60.


127
Ebd., S. 530.
128 Ebd., S. 112.
129
Ebd., S. 418.

182
Vernunft, Realität und Wirklichkeit

Vernunft mit ihrer organischen und dynamischen Struktur zu de-


finieren. »Was zwischen der Vernunft als selbstbewußtem Geiste
und der Vernunft als vorhandener Wirklichkeit liegt, was jene Ver-
nunft von dieser scheidet und in ihr nicht die Befriedigung finden
läßt, ist die Fessel irgendeines Abstraktums, das nicht zum Begriffe
befreit ist. Die Vernunft als die Rose im Kreuze der Gegenwart zu
erkennen und damit dieser sich zu erfreuen, diese vernünftige Ein-
sicht ist die Versöhnung mit der Wirklichkeit, welche die Philosophie
denen gewährt, an die einmal die innere Anforderung ergangen ist,
zu begreifen, und in dem, was substantiell ist, ebenso die subjektive
Freiheit zu erhalten, sowie mit der subjektiven Freiheit nicht in einem
Besonderen und Zufälligen, sondern in dem, was an und für sich ist,
zu stehen.« 130 Die vernünftige Betrachtung, das Bewusstsein der Idee,
ist konkret und »trifft insofern mit dem wahrhaften praktischen
Sinne, der selbst nichts anderes als der vernünftige Sinn, der Sinn
der Idee ist, zusammen«. 131
In der Enzyklopädie erklärt Hegel das Konzept der »Vernunft«
folgendermaßen: »Das Selbstbewußtsein so die Gewißheit, daß seine
Bestimmungen ebensosehr gegenständlich, Bestimmungen des We-
sens der Dinge, als seine eigenen Gedanken sind, ist die Vernunft,
welche als diese Identität nicht nur die absolute Substanz, sondern
die Wahrheit als Wissen ist.« 132 Nach Hegel ist die Vernunft die Iden-
tität des Selbstbewusstseins als Gedanke mit seinen Manifestationen,
welche Dinge und Ereignisse sind; die Vernunft ist die Identität des
Gedankens und der Wirklichkeit. Hegel erklärt die Vernunft als die
Sicherheit des Bewusstseins, das ein Bewusstsein der Wirklichkeit
ist. 133 Vor diesem Hintergrund ist die Vernunft nicht diskursiv in
dem Sinne, dass sie sprachliche Ausdrücke miteinander verbindet,
sondern sie wird notwendigerweise zu einem dynamischen, dialekti-
schen Prozess. Dieser Standpunkt lässt keine bloß formale Betrach-
tung der rationalen Vorgänge zu. Als Selbstbewusstsein ist die Ver-
nunft nie formal. Sie ist immer zugleich die Wirklichkeit. Der
Verstand ist laut Hegel die Bestimmung des Endlichen. Die Vernunft
ist dialektisch, weil sie die individuellen Bestimmungen des Verstan-

130 Ebd., S. 62.


131 Ebd., S. 520.
132
G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,
S. 228.
133
G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, I, V, 1, S. 209.

183
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

des überwindet. Sie ist positiv, weil sie das Allgemeine, in dem das
Einzelne enthalten ist, hervorbringt. 134 Dies bedeutet, dass sie die
Dinge oder die realen Bestimmungen enthält, die nichts anderes sind
als ihre besonderen Manifestationen. Die Negation der formalen Lo-
gik ist unter diesem Gesichtspunkt ein Ausdruck der Vernunft. Man
denke nur an Benedetto Croces Ablehnung der formalen Logik, die
auf jener Hegel’schen Identität von Vernunft und Wirklichkeit be-
ruht, die sich in der Form der Identität von Philosophie und Geschich-
te zeigt. Die Vielfältigkeit der Wirklichkeit, der Dinge und der Er-
fahrung scheint aufgrund der Trennung der Philosophie von der
empirischen Wissenschaft in ihrer Ganzheit nicht durch den reinen
Begriff der Philosophie bestimmt werden zu können. Diese Separa-
tion kann mittels der Synthese von Philosophie und Geschichte über-
wunden werden. 135
Im Idealismus Hegels beinhaltet die Übereinstimmung von
Wirklichkeit und Vernünftigkeit auch die Übereinstimmung von
Sein und Seinmüssen. 136 Das, was vernünftig ist, ist wirklich, und
was wirklich ist, ist vernünftig: Es ist gut, dass es ist. In diesem
Zusammenhang kritisiert Hegel die Haltung der Aufklärer zur Wirk-
lichkeit. Die Aufklärer machen aus dem Verstand den Richter der
Geschichte. Dabei vergessen sie jedoch, dass die Wirklichkeit immer
das ist, was sein muss. Die aufklärerische Kritik drückt nur individu-
elle Bedürfnisse und Bestrebungen aus; es sind die Träume der ewig
Unglücklichen, die die Welt verbessern möchten, ohne zu bemerken,
dass die Welt schon so ist, wie sie sein soll. Hegel möchte mit der
Feststellung, dass Wirkliches und Vernünftiges von gleicher Identität
ist, nicht sagen, dass alles, was passiert, bis ins kleinste Detail als ver-
nünftig (und deswegen notwendig und richtig) anzusehen ist. Wahr
ist, dass das Wirkliche rational ist, also notwendig; es ist aber nicht
wahr, dass alles, was in einem bestimmten Moment existiert, auch
wirklich ist. Hegel unterscheidet zwischen wirklich und existent.
Nur die tiefsten und allgemeinsten Aspekte der Existenz sind wirklich
und deswegen vernünftig. Einige besondere Äußerungen der Exis-
tenz hingegen sind in Wahrheit nicht wirklich. In der Politik z. B. sind
es nicht die Gefühle und die Leidenschaften der Individuen, die wirk-

134 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, Vorwort zur 1. Ausgabe, S. 5.


135
Ebd., S. 392.
136 Vgl. R. Brandom, »Holism and Idealism in Hegel’s Phenomenology«, in: Hegel-

Studien 36 (2001), S. 61–95.

184
Vernunft, Realität und Wirklichkeit

lich sind, sondern der Staat und seine Einrichtungen. Genauso ist es
in der Natur. Das einzelne Phänomen ist nicht wirklich, z. B. nicht das
Schillern des Regenbogens; wirklich sind jedoch die Gesetze der Phy-
sik, die diese Phänomene hervorrufen. Wirklich ist also für Hegel
nicht das Einzelne, das Individuum, sondern das Universale. Auch
wenn man die Existenz des Zufalls in der Natur und in der Geschichte
zulässt, sind für Hegel die Grundstrukturen des Universums und die
Grundlagen unserer Welt notwendig und rational.
Und wenn das Wirkliche rational ist, muss die Philosophie die
Wirklichkeit akzeptieren, ohne ihr alternative Ideale entgegenzuset-
zen (denn die Wirklichkeit ist schon, wie sie sein soll). Die Aufgabe
der Philosophie ist, nach Hegel, die historische Wirklichkeit wahr-
zunehmen und sie mittels der Vernunft zu erklären. Insbesondere
die Rechtsphilosophie sollte die Vernünftigkeit, also das Positive der
aktuellen Epoche und ihrer politischen Einrichtungen, etwa des Staa-
tes, aufzeigen. Nach Hegel hat die Philosophie ihre eigene, authenti-
sche Zeit, die im Gedanken verstanden wird. »Was das Individuum
betrifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die Phi-
losophie, ihre Zeit in Gedanken erfaßt.« 137
Die Philosophie kommt nicht über ihr eigenes Zeitalter hinaus
und kann nicht in die Zukunft schauen; sie darf nicht Förderin des
Fortschritts sein und hat nicht die Aufgabe, neue Epochen zu dekla-
rieren. Sie versucht hingegen das Jetzt zu verstehen und durch Re-
flexion dessen innere Notwendigkeit zu beweisen. Sie hat nicht die
Aufgabe, die Gesellschaft zu verändern, zu bestimmen oder zu leiten;
sie soll die Gesellschaft erklären. Die Philosophie kann die Wirklich-
keit allerdings nur am Ende eines Realisierungsprozesses erklären.
Eine historische Zeitspanne kann nur am Ende ihrer Entwicklung ver-
standen werden, wenn sie sich in ihrer Ganzheit gezeigt hat.
»Doch es ist Zeit, dieses Vorwort zu schließen; als Vorwort kam
ihm ohnehin nur zu, äußerlich und subjektiv von dem Standpunkt
der Schrift, der es vorangestellt ist, zu sprechen. Soll philosophisch
von einem Inhalte gesprochen werden, so verträgt er nur eine wissen-
schaftliche, objektive Behandlung, wie denn auch dem Verfasser Wi-
derrede anderer Art als eine wissenschaftliche Abhandlung der Sache
selbst, nur für ein subjektives Nachwort und beliebige Versicherung
gelten und ihm gleichgültig sein muß.« 138 Hegel vergleicht die Phi-

137 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 60.


138
Ebd., S. 64.

185
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

losophie mit der heiligen Eule Minervas, die erst nach Sonnenunter-
gang in der Dämmerung zu fliegen beginnt. Mit dieser Metapher
möchte Hegel sagen, dass die Philosophie aufkommt, nachdem eine
Zivilisation ihren Entwicklungsprozess durchlaufen hat und ihr Un-
tergang beginnt. So kam beim Untergang der ionischen Staaten in
Kleinasien die ionische Philosophie auf. Der Niedergang Athens
brachte die Philosophie des Platon und des Aristoteles hervor. In
Rom verbreitete sich die Philosophie beim Untergang der Republik
und mit der Diktatur der Kaiser.
Vor dem Hintergrund dieser Gedanken über die philosophisch-
semantische Beziehung zwischen Vernunft, Realität und Wirklichkeit
ist es interessant, die Unterschiede zwischen dem Vernunftbegriff in
Hegels absolutem Idealismus und dem Vernunftbegriff der Aufklä-
rung und des kantischen Kritizismus aufzudecken. Welche Bedeu-
tung hat der Begriff der Vernunft während der historischen Ent-
wicklung des deutschen Idealismus? Welche Funktion hat er? Wie
entwickelt sich seine philosophisch-semantische Bedeutung in der
schrittweisen Umformung vom Kritizismus Kants zum absoluten
Idealismus Hegels? Bei Kant hat der Begriff der Vernunft semantisch
und funktional seine Wurzeln im Vernunftbegriff des Empirismus.
Lockes Empirismus sah in der Vernunft eine grundlegende Bestim-
mung, die die einzige wirkliche Neuerung des modernen Begriffs ge-
genüber dem klassischen Konzept darstellte: Sie ist ein Organon so-
wohl der wahrscheinlichen als auch der gewissen Erkenntnis. Locke
zufolge erkennt die Vernunft die »notwendige und unzweifelhafte
Verbindung« 139 zwischen allen Begriffen der menschlichen Erkennt-
nis. Dadurch war die Vernunft für jene Funktion qualifiziert, die ihr
die Aufklärung des 18. Jahrhunderts zuwies: nämlich das Prinzip
einer radikalen Traditionskritik und einer radikalen Erneuerung der
menschlichen Erkenntnis zu sein. In diesem Sinne hat Kant versucht,
das aufklärerische Ideal der Vernunft zu verwirklichen. Einerseits
identifizierte er die Vernunft mit der Freiheit zur Kritik. Andererseits
wollte er die Vernunft vor ihr eigenes Gericht bringen und eine Kritik
der reinen Vernunft einführen, die die Felder, Bereiche, Grenzen und
»Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis« 140 bestimmt.
Der Philosoph aus Königsberg erkennt den diskursiven Charak-

139
Vgl. J. Locke, Essay Concerning Human Understanding, IV, 17, 2.
140Vgl. B. Dörflinger, Das Leben theoretischer Vernunft. Teleologische und prakti-
sche Aspekte der Erfahrungstheorie Kants, Berlin/New York: de Gruyter 2000.

186
Vernunft, Realität und Wirklichkeit

ter der menschlichen erkennenden Aktivität an, meint jedoch, dass


nur Gott über intuitive Erkenntnis verfügt, und unterscheidet ganz
klar die Vernunft vom Verstand, auch wenn beide einen diskursiven
Charakter haben. Die Vernunft ist das Vermögen, das die Begriffe aus
sich selbst hervorbringt, und deswegen kann man sie die Fähigkeit der
Prinzipien nennen. Aber die Begriffe, die die Vernunft hervorbringt,
sind nicht in der Erfahrung verankert und sind deshalb vorgetäuscht.
»Der Verstand mag ein Vermögen der Einheit der Erscheinungen ver-
mittelst der Regeln sein, so ist die Vernunft das Vermögen der Einheit
der Verstandesregeln unter Prinzipien. Sie geht also niemals zunächst
auf Erfahrung, oder auf irgend einen Gegenstand, sondern auf den
Verstand, um den mannigfaltigen Erkenntnissen desselben Einheit
a priori durch Begriffe zu geben, welche Vernunfteinheit heißen mag,
und von ganz anderer Art ist, als sie von dem Verstande geleistet
werden kann.« 141
Die Vernunft geht diskursiv vor wie der Verstand; sie sieht je-
doch die diskursiven Vorgänge des Verstandes als in Ideen von Tota-
lität und Einheit (Seele, Welt, Gott) vollendet an, die vollkommen,
aber nicht mit der Erfahrung zu konfrontieren sind, also bloße Ideale
der Vernunft bleiben. Außerdem sind diese Ideen nur die Quelle dia-
lektischer Gedankengänge und somit sophistisch. Das Ergebnis dieser
kantischen Unterscheidung ist, dass das einzig gültige diskursive Vor-
gehen das des Verstandes ist, dessen Begriffe direkt von der Erfah-
rung herrühren. Kant behält den Begriff »Realität« mit der Bedeu-
tung der Realität der Dinge oder, wie er sagt, Sachheit bei und stellt
ihm die Idealität des Raums und der Zeit, die reine Formen a priori
der sinnlichen Anschauung sind, gegenüber.
Anders als bei Kant ist im Idealismus Fichtes die Quelle einer
jeden Realität das Ich. 142 Das Ich ist die Voraussetzung des Konzepts
Realität. Von ihm geht, als unfehlbare Notwendigkeit, das gesamte
System des Wissens aus, das zugleich das System der Realität ist. In
diesem Zusammenhang spielt das Konzept der Vernunft als Selbst-
bewusstsein in der Philosophie Fichtes eine entscheidende Rolle. Es
ist durch die Identifikation der Vernunft mit der Realität charakteri-

141KrV, B 359/A 302.


142Vgl. J. Kopper, Das transzendentale Denken des deutschen Idealismus, Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1989 und R. Kühn, Anfang und Vergessen. Phä-
nomenologische Lektüre des deutschen Idealismus. Fichte, Schelling, Hegel, Stutt-
gart: Kohlhammer 2004.

187
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

siert und setzt das Konzept der Vernunft als Erörterung voraus. Als
Erörterung ist die Vernunft eine Deduktion; und als Deduktion hat
sie ein einziges Prinzip, das das Ich ist. Die Gleichungen, auf denen
diese Doktrin basiert, sind die folgenden: Vernunft = deduktives Wis-
sen; deduktives Wissen = Realität; Realität und Wissen konstituieren
und charakterisieren den eigentlichen Kern des Selbstbewusstseins. 143

13. Das Wirkliche, die Wirklichkeit und die Verwirklichung

Im Kapitel »Die Wirklichkeit« in der Enzyklopädie der philosophi-


schen Wissenschaften im Grundrisse definiert Hegel die Bedeutung
von »wirklich« und »Wirklichkeit«: »Die Wirklichkeit ist die unmit-
telbar gewordene Einheit des Wesens und der Existenz, oder des In-
nern und des Äußern. Die Äußerung des Wirklichen ist das Wirk-
liche selbst, so daß es in ihr ebenso wesentliches bleibt, und nur
insofern wesentliches ist, als es in unmittelbarer äußerlicher Existenz
ist […]. Das Wirkliche ist das Gesetztsein jener Einheit, das mit sich
identisch-gewordene Verhältnis; es ist daher dem Übergang entnom-
men und seine Äußerlichkeit ist seine Energie; es ist in ihr in sich
reflektiert; sein Dasein ist nur die Manifestation seiner selbst, nicht
eines Andern. Die Wirklichkeit, als dies Konkrete, enthält jene Be-
stimmungen und deren Unterschied, ist darum auch die Entwicklung
derselben, so daß sie an ihr zugleich als Schein, als nur Gesetzte be-
stimmt sind.« 144
Im Hegel’schen Idealismus ist die Realität Geist: Die Realität ist
also ein geistiges Subjekt, das einem unaufhörlichen Werdegang un-
terliegt. Die Realität ist keine statische, gegebene Substanz wie die
Natur bei Spinoza, sondern ein dynamischer Prozess in Entwicklung.
Die Realität ist für Hegel Bewegung, Werden, Aktivität, Prozess, Ent-
wicklung. Sie ist nicht Statik oder Abstraktion, sondern ein lebendi-
ges, konkretes, aktuelles Subjekt, das sich sowohl in der natürlichen
Welt als auch in der historischen Welt zeigt. Die Realität ist der un-
endliche oder absolute Geist. Deswegen definiert Hegel seine Philoso-

143 Zur semantischen Korrelation zwischen Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis

vgl. M. Frank, Selbstbewußtsein und Selbsterkenntnis. Essays zur analytischen Phi-


losophie der Subjektivität, Stuttgart: Reclam 1991.
144 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

S. 302.

188
Das Wirkliche, die Wirklichkeit und die Verwirklichung

phie als eine Form von Idealismus im doppelten Sinn, 145 einerseits,
weil die wahre Realität eine Idee ist, also der Gedanke, der Geist, das
Absolute, die Vernunft; andererseits, weil die Idealität die Nicht-Rea-
lität dessen ist, was wir endlich nennen. Für Hegel existiert das End-
liche nicht für sich, sondern nur in einem Zusammenhang von Bezie-
hungen. Mit anderen Worten: Wenn die Realität ein einheitliches
Ganzes ist, ist das, was existiert, ein Teil davon. Das Endliche existiert
nur im Unendlichen und aufgrund der Existenz des Unendlichen.
Seine Philosophie ist als eine Art pantheistischer Monismus definiert
worden, weil Hegel in der Welt (dem Endlichen) die Manifestation
des Absoluten (des Unendlichen) sieht.
Wenn die Realität auf einem unendlichen Entwicklungsprozess
gründet, kann sie sich nur am Ende dieses Prozesses durch den Geist
als das, was sie wirklich ist, offenbaren. »Die Wahrheit ist das Ganze«,
sagt Hegel in der Einleitung der Phänomenologie des Geistes, um zu
unterstreichen, dass man das wahre Absolute nur am Ende des Ent-
wicklungsprozesses erkennt. Erst wenn der Prozess vollendet ist,
kann man die Rationalität dieses Prozesses vollständig verstehen.
Wahrheit und Realität durchlaufen einen dynamischen und dialekti-
schen Prozess, weil sie von einem Subjekt ausgehen, um dann zu ihm
zurückzukehren, nachdem sie verstanden haben, dass das Objekt, das
unabhängig und gegenläufig scheint, nichts anderes als ein Ausdruck
des Subjekts ist. Diese geistige Realität, die das Ganze, die Totalität,
also die Ganzheit eines jeden Dinges ist und außerhalb deren nichts
ist, wird von Hegel das Absolute 146 und das Unendliche genannt. Die
einzelnen Phänomene der Natur und der Geschichte repräsentieren
hingegen das Endliche. Das Absolute ist keine Gesamtheit von auto-
nomen Teilen, die unabhängig voneinander existieren können, son-
dern es ist ein ganzheitlicher Organismus, in dem jeder Teil dialek-
tisch an andere Teile gebunden ist und nicht ohne sie sein kann. Die
einzelnen historischen Tatsachen und die einzelnen Phänomene der
Natur sind für Hegel nicht autonom und lassen sich nicht aus sich
erklären, sondern nur in einer Kette von anderen Fakten und Phäno-
menen. Die historischen Tatsachen existieren innerhalb dieser Kette

145 Vgl. F. P. Hansen, Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus, Berlin:
de Gruyter 1989.
146
Zur Verbindung zwischen dem Absoluten und dem Unendlichen bei Hegel vgl.
A. Peperzak, Selbsterkenntnis des Absoluten. Grundlinien der Hegelschen Philoso-
phie des Geistes, Stuttgart: Frommann-Holzboog 1988.

189
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

und lassen sich daher nur innerhalb der gesamten menschlichen Ge-
schichte erklären. Die Phänomene der Natur hingegen lassen sich nur
innerhalb der Naturwissenschaften erklären. Zwei Beispiele: Das his-
torische Ereignis der Schlacht von Issos 333 v. Chr. und das naturwis-
senschaftliche Phänomen, dass das Gewicht von Wasserstoff gleich
eins ist, sind unumstößliche Wahrheiten, haben aber keinen Sinn
für sich selbst. Man kann sie nur verstehen, wenn sie in den Kontext
der Geschichte oder der Wissenschaft eingebettet werden. Genau be-
trachtet, existieren Fakten und Phänomene, lassen sich aber nur in
Bezug zum Absoluten erklären. Es sind endliche Momente, deren
Existenz durch das Ganze, das Unendliche, gerechtfertigt wird. Der
Sinn der These Hegels, dass sich »das Endliche im Unendlichen auf-
löst«, ist der: Die endlichen Ereignisse der Natur und der Geschichte
können nur innerhalb des Absoluten erklärt werden. Das Absolute,
von dem Hegel spricht, ist nicht nur der Geist oder das Unendliche; es
wird auch Idee oder Vernunft genannt, weil es von einer innewoh-
nenden Rationalität charakterisiert ist. Laut Hegel sind »Vernunft«
und »Wirklichkeit« identisch.

14. Was heißt »Idee« in Hegels subjektiver Logik?


Der semantische Unterschied zwischen Idee und Begriff

Was versteht Hegel unter ›Idee‹ ? Warum ist die semantische Unter-
scheidung zwischen Idee und Begriff im System der Philosophie He-
gels so wichtig? Nach der synthetischen Definition Hegels ist »die
Idee die absolute Einheit des Begriffs und der Objektivität«. 147 »Die
Idee ist das Wahre an und für sich, die absolute Einheit des Begriffs
und der Objektivität. Ihr ideeller Inhalt ist kein anderer als der Be-
griff in seinen Bestimmungen; ihr reeller Inhalt ist nur seine Darstel-
lung, die er sich in der Form äußerlichen Daseins gibt und diese Ge-
stalt in seiner Idealität eingeschlossen, in seiner Macht, so sich in ihr
erhält. Die Definition des Absoluten, daß es die Idee ist, ist nun selbst
absolut. Alle bisherigen Definitionen gehen in diese zurück. Die Idee
ist die Wahrheit; denn die Wahrheit ist dies, daß die Objektivität dem
Begriffe entspricht, nicht daß äußerliche Dinge meinen Vorstellun-

147 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

S. 367.

190
Was heißt »Idee« in Hegels subjektiver Logik?

gen entsprechen; dies sind nur richtige Vorstellungen, die Ich Dieser
habe. In der Idee handelt es sich nicht um Diesen, noch um Vorstel-
lungen, noch um äußerliche Dinge. Aber auch alles Wirkliche, inso-
fern es ein Wahres ist, ist die Idee, und hat seine Wahrheit allein
durch und kraft der Idee.« 148
Nach Hegel garantiert die Philosophie den intelligiblen Charak-
ter der Erkenntnis, dem zufolge nichts wirklich ist, außer der Idee.
Die Idee ist das Synonym von vernünftig. Die Idee ist die bewusste
Identität von Form und Inhalt. »Die Philosophie hat es mit Ideen, und
darum nicht mit dem, was man bloße Begriffe zu heißen pflegt, zu
tun, sie zeigt vielmehr deren Einseitigkeit und Unwahrheit auf, sowie
daß der Begriff (nicht das, was man oft so nennen hört, aber nur eine
abstrakte Verstandesbestimmung ist) allein es ist, was Wirklichkeit
hat und zwar so, daß er sich diese selbst gibt. Alles, was nicht diese
durch den Begriff selbst gesetzte Wirklichkeit ist, ist vorübergehen-
des Dasein, äußerliche Zufälligkeit, Meinung, wesenlose Erschei-
nung, Unwahrheit, Täuschung usf. Die Gestaltung, welche sich der
Begriff in seiner Verwirklichung gibt, ist, zur Erkenntnis des Begriffs
selbst, das andere, von der Form, nur als Begriff zu sein, unterschie-
dene wesentliche Momente der Idee.« 149 In ihrer konkreten Bedeu-
tung ist die Form die Vernunft als begriffsmäßige Erkenntnis, wäh-
rend der Inhalt die Vernunft als substantielle Essenz sowohl der
ethischen als auch der natürlichen Wirklichkeit ist. Die philosophi-
sche Idee ist die bewusste Identität von beiden. »Dies ist auch, was
den konkreteren Sinn dessen ausmacht, was oben abstrakter als Ein-
heit der Form und des Inhalts bezeichnet worden ist, denn die Form in
ihrer konkretesten Bedeutung ist die Vernunft als begreifendes Er-
kennen, und der Inhalt die Vernunft als das substantielle Wesen der
sittlichen, wie der natürlichen Wirklichkeit; die bewußte Identität
von beidem ist die philosophische Idee.« 150
Die Idee zeichnet sich durch zwei wesentliche Momente aus: den
Begriff und die Realisierung dieses Begriffs, das Universale und das
Einzelne. »Die Idee vereint das Subjektive und das Objektive in sich
selbst. Das Formieren ist insofern die der Idee angemessenste Besitz-
nahme, weil sie das Subjektive und Objektive in sich vereinigt, übri-

148
Ebd., S. 368.
149 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 72.
150
Ebd., S. 62.

191
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

gens nach der qualitativen Natur der Gegenstände und nach der Ver-
schiedenheit der subjektiven Zwecke unendlich verschieden.« 151
Der Hegel’sche Begriff »Idee« unterscheidet sich grundlegend
von dem Begriff »Idee« bei Platon, ebenso von den gleichnamigen
Begriffen im Rationalismus Descartes’ und in der Transzendentalphi-
losophie Kants. Bei Platon ist die »Idee« (eîdos) das Modell der Reali-
tät und die Wahrheit der Erkenntnis und hat also eine Bedeutung, die
man als metaphysisch bezeichnen kann. Bei Descartes hat die Idee
eine ganz andere Bedeutung. Er spricht von klaren und bestimmten
Ideen, und versteht darunter die wahren Erkenntnisse; die Bedeutung
ist so nicht mehr metaphysisch und ontologisch, sondern eindeutig
gnoseologisch. Für Kant sind die transzendentalen Ideen (die drei Ide-
en der Seele, der Welt und Gottes) keine Erkenntnisse, sondern Be-
griffe, denen kein Objekt entsprechen kann. Die transzendentalen
Ideen 152 sind nicht Teil der erkennenden, sondern der begrifflichen
Sphäre; sie haben jedoch eine Tendenz ins Metaphysische, die uns,
wie auch Kant selbst, zum Gedanken Platons zurückführt. Bei Hegel
bekommt das Wort »Idee« eine qualitative und tiefgehende Bedeu-
tung. Nach der synthetischen Definition in der Enzyklopädie ist die
Idee die absolute Einheit des Begriffs und der Objektivität. 153 Sie ist
der Begriff, der sich in der Welt der Organismen, der Lebenden und
des Lebens realisiert.
In der Wissenschaft der Logik, in dem mit »Objektivität« betitel-
ten Teil, beschreibt Hegel den Prozess, durch den sich der Begriff
realisiert, und postuliert so eine äußere Realität. Mit Hilfe von Kant
erreicht Hegel eine Stufe, 154 auf der die mechanische Struktur der
physischen Welt nicht an sich ist, aber aufgrund der Leistung des
Intellekts existiert, wie Kant sagen würde, oder aufgrund der Leis-
tung des Vernunftbegriffs, wie Hegel darlegt. So beginnt das Begrei-
fen sich zu realisieren, auch wenn es noch in einem unvollendeten
Stadium ist, weil die doppelte Struktur des Urteils bestehen bleibt.
Auch die Theologie beinhaltet für Hegel, im Gegensatz zu Kant, eine
entscheidende Tugend, die nicht einem Urteil zugehörig ist, das von
außen über die Einzelheiten reflektiert, sondern eine formale Struk-

151 Ebd., S. 152.


152 Vgl. S. Raedler, Kant and the Interests of Reason, Berlin: de Gruyter 2015.
153 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

S. 367.
154 Vgl. M. Wladika, Kant in Hegels Wissenschaft der Logik, Frankfurt am Main:

Peter Lang 1995.

192
Dialektik und Synthesis

tur aufweist, die weniger dem Urteil als dem Syllogismus eigen ist.
Der Begriff realisiert sich selbst also besser, weil er teleologisch die
Objektivität prägt und formt, wie es in der Sphäre des Lebens ge-
schieht. Für Hegel ist das Moment der inneren Zielsetzung das Mo-
ment, in dem die Realisierung des Begriffs und sein Einfluss auf die
Objektivität die Vollendung erreichen. So gelangt man zur Ideenwelt.
Hegel erklärt, dass die Idee weder eine metaphysische Wesenheit ist
(wie bei Platon) noch eine Erkenntnis (wie bei Descartes) noch ein
Begriff, der über die mögliche Erkenntnis hinausgeht, sondern dass
sie die Einheit von Begriff und Objektivität darstellt; in der Logik
Hegels bedeutet das Wort Idee genau dies.
Die Idee drückt also die Einheit von Begriff und Objektivität aus.
Aber was ist die absolute Idee, die der Endpunkt der Hegel’schen Lo-
gik ist? Die Idee, der dritte Teil der Doktrin des Begriffs, hat eine
eigene Entwicklung. Hegel beschreibt das Leben als Idee, die sich in
der Form von Unmittelbarkeit zeigt. Es führt zur Einheit von Begriff
und Objektivität, die Idee genannt wird. Die Unmittelbarkeit bringt
ihrerseits eine dialektische Entwicklung mit sich, so dass auf das Le-
ben die Ideen des Wahren und des Guten folgen, also das theoretische
und das praktische Leben. Am Ende steht die absolute Idee. Hegel
sagt, dass der Begriff sich selbst realisiert hat (und dies geschieht erst,
nachdem man die Sphären des Lebens, der Praxis und der Theorie
durchquert hat). Die absolute Idee ist die Vollendung ihrer eigenen
Logik.

15. Dialektik und Synthesis. Das Werden der Wirklichkeit und


die Bedeutung der »Aufhebung« und des »Aufhebens«

Die Dialektik ist nicht nur ein logisches Gesetz, das dazu dient, die
Wirklichkeit oder das ontologische Gesetz der Entwicklung der Rea-
lität zu verstehen, sondern auch das Gesetz, das das Werden bestimmt
und untrennbar mit ihm verbunden ist. Aber warum ist das Werden
als dynamischer Prozess untrennbar mit der dialektischen Logik ver-
bunden? Welches ist das Prinzip, das das Werden in der Realität cha-
rakterisiert? Welches ist das Fundament, das die Wahrhaftigkeit der
dialektischen Logik Hegels garantiert?
Das Absolute ist nach Hegel vor allem das Werden. Das Gesetz,
das das Werden bestimmt, ist also das Gesetz des Absoluten, die Dia-
lektik. Die Dialektik ist das Gesetz der Vernünftigkeit, das universelle

193
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

Prinzip, das die Beziehungen der gegensätzlichen Begriffe des Gedan-


kens bestimmt. Die Dialektik ist aber auch das Gesetz der Realität,
d. h. der Schlüssel des Universums, da die Realität (die Natur und die
menschliche Welt der Geschichte) eine Manifestation der Vernünftig-
keit ist. Die Dialektik ist insofern Eigentum der Gedanken und Dinge.
Auch die Welt mit all ihren Komponenten, der Natur und der Ge-
schichte, zeigt die Spuren dieses Gesetzes. Das Konzept »Dialektik«
hat in der Zeitspanne vom Kritizismus zum Idealismus unterschiedli-
che Bedeutungen gehabt. Für Kant ist die Dialektik eine Aktivität der
Vernunft, 155 die sich in unlösbare Widersprüche verstrickt, wenn sie
den Bereich der Erfahrung verlässt. Fichte zufolge ist die Dialektik die
Synthese der Gegensätze durch ihre gegenseitige Bestimmung. Die
dialektische Entwicklung des Ichs besteht aus drei Momenten: einem
positiven (These), einem gegensätzlichen, negativen (Antithese) und
einem die Gegensätze durch Begrenzung versöhnenden (Synthese).
Hegel nimmt diese Dreiteilung Fichtes wieder auf, führt aber eine
tiefgreifende semantische Veränderung durch. Das erste Moment
(These) ist als abstrakter Verstand definiert; das zweite Moment (An-
tithese) ist die negative oder dialektische Vernunft; das dritte Moment
(Synthese) ist die positive oder spekulative Vernunft.
Das erste Moment des »abstrakten Verstandes« besteht in der
Betrachtung der gegensätzlichen Begriffe des Gedankens als einzelne
und voneinander getrennte Elemente. Diese Art und Weise, die ge-
gensätzlichen Begriffe als für sich stehend und ohne gegenseitige Be-
einflussung zu verstehen (das Gute wird vom Bösen unterschieden,
das Leben vom Tod), ist das Werk des Verstandes, der sich von dem
Prinzip der Identität und der Nicht-Widersprüchlichkeit leiten lässt,
nach dem jedes Ding nur sich selbst gleicht und sich von anderen
Dingen grundlegend unterscheidet. Für den Verstand ist z. B. das
Gute das Gute, das nur sich selbst braucht, um zu existieren; das
Leben ist Leben und nichts anderes. Man muss daran erinnern, dass
Hegel den Verstand als Möglichkeit des Teilens, der Klassifikation der
Teile und der Trennung der Begriffe sieht. Die Vernunft hingegen ist
das Vermögen, das die Begriffe in Bewegung setzt und ihre Einheit in
der Ganzheit erfasst. Der Verstand ist der abstrakte Gedanke, die Ver-
nunft ist der konkrete Gedanke.

155 Vgl. K. Düsing, Subjektivität und Freiheit. Untersuchungen zum Idealismus von

Kant bis Hegel, Stuttgart: Frommann-Holzboog 2013.

194
Dialektik und Synthesis

Im zweiten, negativ-dialektischen und vernünftigen Moment


greift die Vernunft ein, indem sie Grenzen des Verstandes aufdeckt.
Sie zeigt, dass jeder Begriff, um verstanden zu werden, nicht von allen
anderen Begriffen getrennt werden darf, sondern im Gegenteil mit
seinem Gegenbegriff, seiner Negation, in Beziehung gesetzt werden
muss: das Gute muss, um verstanden zu werden, in Beziehung zum
Bösen gesetzt werden, das Leben zum Tod. Und in der Tat ist das Gute
nur im Verhältnis zum Bösen gut. Wenn man das Böse nicht kennt,
kann man auch das Gute nicht kennen. Um zu erklären, was ein Ding
ist, muss man zuerst erklären, was es nicht ist. Hegel meint, wenn
man einen Begriff vollständig von seinem Gegensatz isoliere, verliere
er an Bedeutung und verschwimme sogar mit ihm und werde schließ-
lich zu seinem Gegensatz. Wenn man zum Beispiel das Leben vom
Tod trennt, das Leben ohne den Tod denkt, kann man es auch nicht
mehr als Negation des Todes verstehen. Man gehört somit selbst auf
die Seite des Todes (da man, um den Tod zu negieren, das Leben in
Beziehung zum Tod denken muss).
Im dritten, positiv-vernünftigen oder spekulativen Moment
wird sich die Vernunft dessen bewusst, dass jedes Paar von entgegen-
gesetzten Ideen in einer anderen höheren Idee, die deren Synthese
oder besser deren Wechselbeziehung ist, enthalten ist: Die Idee, zu
verkaufen, ist der Gegensatz der Idee, zu kaufen, aber die eine Idee
kann ohne die jeweils andere nicht bestehen. Beide sind in der Idee
des Handels (Synthese) enthalten, die ihre Wechselbeziehung her-
stellt. Das dritte Moment wird auch das Moment der Negation der
Negation genannt, weil die gegensätzlichen Teile in ihm durch ihre
eigene Negation (durch ihre Trennung) negiert werden und mit ihrer
Einheit einen höheren Begriff bilden. Schließlich wird das dritte Mo-
ment auch als das Moment der Überwindung oder der Aufhebung
bezeichnet. Semantisch betrachtet hat der Begriff Aufhebung zwei
Bedeutungen: a) entfernen, beseitigen, ungültig machen; b) bewah-
ren. Im dritten Moment des dialektischen Dreischritts werden die
Gegensätze in ihrer Isolierung jeweils aufgehoben und in ihrer Ein-
heit bewahrt. Der Begriff »Aufhebung« unterstreicht den dyna-
mischen Prozess einer simultanen und dynamischen Überwindung,
die ein Entfernen ist, weil etwas negiert wird, und gleichzeitig auch
ein Bewahren von etwas ist. Die Synthese bewahrt das, was in der
Antithese überwunden wurde.

195
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

16. Zum Begriff der Spekulation. Das Aufheben und die


Dynamik des spekulativen Satzes

Hegel benutzt die technischen Begriffe »Aufheben« und »Auf-


hebung«, um das spekulative Moment zu verdeutlichen. Aufheben
bedeutet einerseits wegnehmen, verneinen und andererseits bewah-
ren. Diese Ambivalenz der semantischen, linguistischen Verwendung
des Begriffs, in der dasselbe Wort einen negativen und einen positi-
ven Sinn hat, ist weder zufällig noch darf man ein Motiv der An-
schuldigung gegen die Sprache darin vermuten, als sei Letztere eine
Quelle von Verwirrung; im Gegenteil sollte man in dieser Ambi-
valenz den spekulativen Geist unserer Sprache erkennen, der über
die einfache Alternative des Verstandes hinausgeht.
Die griechische Philosophie hat die Bedeutung des Verstandes
und im weitesten Sinne auch das zweite Moment, also das rational-
negative oder dialektische, ins Auge gefasst. Dies gilt z. B. für Zenon,
der das spekulative Moment allerdings ignoriert hat. Auch die Idea-
listen vor Hegel haben dieses dritte Moment nicht aufgedeckt. Es
handelt sich daher um eine eigentümliche Hegel’sche Entdeckung.
Die Spekulation ist die Wiedererlangung des Positiven, das sich mit-
tels der Negation der Negation der dialektischen Antithesen reali-
siert; sie ist also eine Aufhebung des Positiven der Thesen auf einem
höheren Niveau. So ist z. B. der reine Zustand der Unschuld das Mo-
ment (These), in dem der Verstand erstarrt und dem er als Antithese
die Erkenntnis und das Bewusstsein des Bösen entgegensetzt. Letzte-
res ist die Negation der Unschuld (ihre Antithese). Die Tugend ist
genau die Negation des Negativen der Antithese (des Bösen) und das
Wiederfinden des Positiven der Unschuld auf einem höheren Niveau,
das nur durch die Negation der Starrheit, die ihr eigen war, möglich
ist; also nur durch die Antithese, die positiv wird, indem sie diese
Starrheit auflöst.
Das spekulative Moment ist also ein Überwinden im Sinne von
Entfernen und zugleich Bewahren. Nach Hegel ist diese Bewegung
die dialektische Bewegung des Satzes an sich. Erst die Aussage dieser
Bewegung ist die spekulative Darstellung. Ein Beispiel: Man sagt im
Hegel’schen (spekulativen) Sinne ›das Wirkliche ist vernünftig‹ und
meint damit nicht (wie in der früheren Logik), dass das Wirkliche das
stabile und gefestigte Subjekt (die Substanz) und das Rationale das
Prädikat (oder das Akzidens jener Substanz) sei, sondern im Gegen-
teil, dass das Universale den Sinn des Wirklichen ausdrückt. Der spe-

196
Zum Begriff der Spekulation

kulative Satz bedeutet also, dass das Wirkliche sich im Rationalen


ausdrückt und das Prädikat zu einem ebenso wichtigen Element des
Satzes wie das Subjekt wird. Im spekulativen Satz können Subjekt
und Prädikat die Stellung tauschen und bringen so eine dynamische
Identität hervor. Hegel formuliert den Satz so: »Was wirklich ist, ist
vernünftig und was vernünftig ist, ist wirklich«, und zeigt damit, wie
das Subjekt zum Prädikat wird und umgekehrt. Kurz gesagt, der Satz
der alten Logik verbleibt innerhalb der Grenzen der Endlichkeit des
Verstandes. Der spekulative Satz ist der Vernunft eigen, die diese
Grenze überwindet. Er ist ein Satz, der die dialektische Bewegung
ausdrücken muss. Deswegen hat er eine dynamische Struktur, und
die Wirklichkeit, die er ausdrückt, ist dynamisch, wie auch der Ge-
danke es ist, der sie formuliert.
Laut Hegel heißt dialektisch denken, die Wirklichkeit als eine
Ganzheit von Prozessen zu denken, die nach dem Schema These –
Antithese – Synthese verlaufen. Es bedeutet auch die Bejahung eines
Begriffs, seine Verneinung und schließlich die Vereinigung von Beja-
hung und Verneinung in einer höheren Synthese.
Die Dialektik gründet auf drei Momenten: a) der Form eines abs-
trakten und limitierten Begriffs; b) der Negation dieses endlichen Be-
griffs, die im Übergang zur Antithese desselben Begriffs besteht;
c) der Synthese als Überwindung der zwei vorhergehenden Bestim-
mungen.
Jede erreichte Synthese stellt einen neuen Anfangspunkt dar:
eine These, der sich eine neue Antithese entgegenstellt, woraus eine
weitere Synthese hervorgeht usw. Hegel bezeichnet als These den
Ausgangsbegriff (z. B. das Verkaufen), als Antithese dessen Gegen-
satz (z. B. das Kaufen), und Synthese nennt er das höhere Konzept,
das sie verbindet (z. B. den Handel). These und Antithese sind abs-
trakte Momente. Nur die Synthese ist konkret. These und Antithese,
unabhängig voneinander betrachtet, sind nicht wirklich; wirklich ist
nur die Synthese.
In der Phänomenologie des Geistes schreibt Hegel, das Wirk-
liche sei das Ganze. Die Wahrheit ergibt sich nur, wenn die einzelnen
Begriffe nicht mehr in ihrer abstrakten Trennung, sondern als Mo-
mente und Artikulationen der Totalität (also der Synthese) gesehen
werden, deren sie teilhaftig sind. Die Synthese jedoch wird ihrerseits
zur These einer folgenden Dreiheit usw. Auf diese Art und Weise
geht der Geist von einzelnen Synthesen zu immer weiteren Synthe-
sen über. Der Markt ist z. B. nur eine der Komponenten einer erwei-

197
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

terten Synthese, nämlich der Gesellschaft, die ihrerseits Teil einer


noch weiter gefassten Synthese ist, nämlich des Staates. Der dialekti-
sche Prozess ist für Hegel aber nicht die offene Synthese, sondern die
geschlossene Synthese. Wenn der Prozess offen wäre, also niemals
enden würde, würde das Absolute sich niemals offenbaren können.
Daraus folgt, dass Hegel für »eine Dialektik mit einer geschlossenen
Synthese« 156 plädiert, die ein bestimmtes Ziel hat (den absoluten
Geist, wie man sehen wird). Nur die letzte Synthese ist wahrhaftig.
Die definitive Wahrheit versteht man nur am Ende des dialektischen
Prozesses, wenn alle seine Artikulationen durchlaufen worden sind.
Die dialektische Logik Hegels unterscheidet sich grundlegend
von der aristotelischen Logik. Diese zeichnete sich durch die Prinzi-
pien der Identität und des Nicht-Widerspruchs aus, nach denen die
Gegensätze niemals zusammen bestehen können. Hegel hingegen
sieht das Wirkliche als Einheit (Synthese) von Gegensätzen. Die aris-
totelische Logik ist also unbrauchbar geworden; oder besser gesagt,
sie ist die Logik des Verstandes, nicht der Vernunft. Nachdem die
Dialektik auf die Welt der Konzepte, der Natur und der Geschichte
übertragen worden ist, vollzieht sie sich in der Zeit. Die unterschied-
lichen Momente (These, Antithese, Synthese) folgen chronologisch
aufeinander. Hegel ist der Auffassung, dass die Synthese auch in der
Natur und in der Geschichte das konkrete Moment ist, während The-
se und Antithese abstrakt bleiben. Die Synthese ist das einzige kon-
krete Moment, weil sie das Ende der dialektischen Entwicklung der
beiden vorhergehenden Momente bedeutet, die nur Zwischenschritte
darstellen und nur existieren, um diese Funktion für die Synthese zu
erfüllen. Zum Beispiel: In der Entwicklung einer Pflanze vom Samen
(These) zur Blüte (Antithese) und schließlich zur Frucht (Synthese),
ist es die Frucht, die die Entwicklung des Organismus bestimmt und
das Ende der Entwicklung des Samens und der Blüte darstellt. Auch
in der natürlichen und historischen Wirklichkeit vollzieht sich die
Entwicklung durch Negationen: Der Samen muss, um Blüte zu wer-
den, sterben, sich verneinen, und auch die Blüte muss sterben, um
Frucht (Synthese) zu werden. Dementsprechend wird ein Kind nur
jugendlich, wenn es sein Kindsein ablegt, und der Jugendliche wird
nur erwachsen, wenn er sich selbst verneint.

156 Vgl. T. W. Adorno, »Zur Metakritik der Erkenntnistheorie. Drei Studien zu He-

gel«, in: Gesammelte Schriften, Bd. 5, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1975.

198
Die dialektische Negation als Überwindung der Grenze

Hegels dialektische Konzeption der Welt ist sehr optimistisch.


Auch das Moment der Opposition (der Antithese) trägt zum Guten
bei. Das Leben und die Geschichte der Menschen sind zweifellos
durch Dramen, Brüchen, Kontraste und Widersprüche charakteri-
siert. Aber diese Brüche sind notwendig, denn sonst wären das Leben
und die Geschichte weniger bedeutend. Wenn der Samen nicht, gera-
de weil er Samen ist, sterben würde, würde er nicht zur Blüte werden
und es gäbe keinerlei Entwicklung.
Auf der Basis der von Hegel behaupteten Entsprechung von Ra-
tionalem und Wirklichem ist die Dialektik 157 nicht nur das Gesetz des
Gedankens, sondern auch das Gesetz der Wirklichkeit. Die gesamte
Wirklichkeit bewegt sich dialektisch. Die Dialektik drückt so den Pro-
zess aus, der zum Ziel Hegels führt: der Wiedervereinigung des Viel-
fältigen in einer dynamischen und systematischen Ganzheit. Hegel
zufolge ist die Dialektik die Natur des Gedankens. Die Dialektik ist
die innere Auflösung der endlichen und begrenzten Bestimmungen
des Verstandes. Die Dialektik ist die »Seele« 158 der Wirklichkeit und
der Vernunft.

17. Die dialektische Negation als Überwindung der Grenze


in Hegels Wissenschaft der Logik

Die Hegel’sche Logik steht im Gegensatz zur traditionellen Logik, die


auf dem Satz der Identität und der Widerspruchslosigkeit basiert, so
dass die Gegensätze in ihrer Unmittelbarkeit und Isolierung einge-
schlossen bleiben, ohne jemals eine Vermittlung zu erfahren bzw.
ohne jemals die Einheit der Gegensätze in ihrer Synthese zu erfassen.
In diesem Zusammenhang ist der berühmte Beginn der Wissenschaft
der Logik von großer Bedeutung, in dem das Sein, das Nichts und das
Werden 159 und ihre dialektischen Beziehungen dargelegt werden. Es
handelt sich nicht nur darum, zu erkennen, dass unser Verständnis
von einem Sein, das nur für sich steht, völlig leer ist, nichts bedeutet
(das, was wir kennen, ist immer eine begrenzte Wirklichkeit und kein

157 Vgl. G. Olañeta, Dialektik als subjektive und objektive Reflexion. Eine Diagnose

des Bewusstseinsproblems bei Hegel, Marburg 2002.


158
G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,
S. 370.
159
G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, S. 25.

199
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

leeres und unbestimmtes Sein); nein, es handelt sich darum, zu ver-


stehen, dass das Sein in seiner Unmittelbarkeit, Reinheit und Ein-
fachheit leer ist und nur in Beziehung zu seinem Gegenteil Bestand
hat, seiner Negation, dem Nicht-Sein, dem Nichts. Das Nicht-Sein
hat nur in Verbindung mit dem Sein einen Sinn. Beide können nur
in ihrem dialektischen Verhältnis verstanden werden. Im Werden
wird die Gegensätzlichkeit von Sein und Nicht-Sein nicht durch ge-
genseitige Ausschließung linguistisch ausgelöscht, sondern sie wird
durch eine Integration oder die Synthese einer reicheren und leichter
zu verstehenden Einheit überwunden.
Die Dialektik ist bei Hegel eng mit dem Begriff der Entwicklung
verbunden. Es handelt sich jedoch nicht um eine unbegrenzte, unend-
liche Entwicklung, sondern um eine Entwicklung, die durch die Über-
windung und Aufhebung der Abstraktheit, die jeder Opposition ei-
gen ist, zum Konkreten tendiert. Der Begriff »abstrakt« ist kein
logischer oder gnoseologischer 160 Begriff, weil er auf die Tatsache ver-
weist, dass sich die Wirklichkeit in einem Prozess realisiert, in dem
gegensätzliche Begriffe sich gegenseitig verneinen und sich in eine
neue und reichere Einheit integrieren. Es geht darum, die fruchtbare
und ununterdrückbare Funktion der Dialektik als Gesetz der Ent-
wicklung der Wirklichkeit zu verstehen und nicht als Negation, die
vom und im Gedanken ausgelöscht werden kann.
Laut Hegel ist die einzige Möglichkeit, die Totalität der Wirk-
lichkeit zu verstehen, die Erkenntnis dieses logischen Satzes: Das
Negative ist zugleich positiv. Die dialektische Negation führt zu
einem neuen Begriff, der etwas Höheres als die These und Antithese
enthält. Die dialektische Negation ist niemals absolut, sondern immer
die »Negation einer Schranke«, 161 die deren Aufhebung provoziert,
indem sie die positiven Aspekte beibehält und gleichzeitig abschwächt
(die Benutzung des Begriffs Aufhebung, 162 um Negation und Bewah-
rung auszudrücken, ist typisch für Hegel). Die dialektische Negation
ist immer eine bestimmte Negation und steht dem höchsten Satz
einer neuen und vollkommeneren Wirklichkeit zur Verfügung; voll-
kommener nicht im quantitativen Sinne einer bloßen Stufe, sondern
im Gegenteil im Sinne des Übergangs zu einer neuen und anderen

160 Vgl. H. G. Gadamer, La dialettica di Hegel, Torino: Marietti 1990.


161
Vgl. D. Brauer, »Die dialektische Natur der Vernunft. Über Hegels Auffassung
von Negation und Widerspruch«, in: Hegel-Studien 30 (1995), S. 89–104.
162
Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, S. 43.

200
Die Vernunft und der Weg des »Bewusstseins« zum Wissen

Art von Sein 163: wie im Fall der Idee, die sich in der Natur als etwas
anderes manifestiert, um dann im Geiste zu sich zurückzukehren –
wenn man sich an den breiten Rahmen der Hegel’schen Dialektik
hält –, genauso aber auch in jedem der Momente der Entwicklung
der Idee in der Logik (der Wissenschaft der reinen Idee), von der Phi-
losophie der Natur angefangen bis zur Philosophie des Geistes.

18. Die Vernunft und der Weg des »Bewusstseins« zum


Wissen: Der absolute Idealismus in Hegels
Phänomenologie des Geistes

Die Originalität der Hegel’schen Philosophie liegt in der Konzeption


der Dialektik, die nicht als ein Vorgang des Gedankens verstanden
wird, der außerhalb der Wirklichkeit und des Objekts ist, sondern
als ein inneres Prinzip, das genauso notwendig ist wie der Gedanke
und die Wirklichkeit. Die Behandlung eines jeden Problems kann nur
dialektisch sein, wenn sie philosophisch sein soll und die Wahrheit
erfassen möchte. Bei Kant wurde die Metaphysik als spezifische phi-
losophische Disziplin auf drei Themen zurückgeführt: Gott, Seele
und Welt, die seit Jahrhunderten die klassischen Probleme des phi-
losophischen Denkens waren; so wurde auch die theoretische Philoso-
phie von der praktischen Philosophie, die Moral von der Erkenntnis
eindeutig unterschieden. Mit Hegel hingegen kann man nicht mehr
a priori und in abstrakter Art und Weise entscheiden, was philosophi-
sche Bedeutung hat und was nicht, weil es niemals möglich ist, in
einem einzigen Begriff, in einem einzigen Inhalt die Wahrheit 164 zu
finden. Jede Form von Wirklichkeit und Leben ist die Manifestation
eines dialektischen Vorgangs, in dem »alles was vernünftig ist, wirk-
lich ist, und alles, was wirklich ist, vernünftig ist«. Indem Hegel das
Wirkliche und Vernünftige identifiziert, will er nicht die vollendete
Tatsache verherrlichen und das Rationale in den Schatten der Wirk-
lichkeit stellen, sondern möchte genau das Gegenteil erreichen: die
Aufstellung eines Kriteriums, das in der Vielfältigkeit der Phänome-
ne, die in der Geschichte und in der Natur aufeinander folgen, wie ein
roter Faden wirkt, der es ermöglicht, sich zu orientieren und zu ver-

163 Vgl. F. Chiereghin, Rileggere la Scienza della logica di Hegel, Roma: Carocci 2012.
164
G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 45.

201
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

stehen, was wirklich von Bedeutung und wirksam ist bzw. was im
Gegenteil nur nebensächlich und unbedeutend ist.
Hegel zufolge kann die Vernunft nur eine philosophische Speku-
lation ausarbeiten, wenn sie sich selbst zum Absoluten erhebt. Um
das Absolute im Bewusstsein aufzubauen, muss man die Begrenzun-
gen des Bewusstseins verneinen und überwinden und so das em-
pirische Ich zum traszendentalen Ich, zur Vernunft und zum Geist
führen. 165 Die Phänomenologie des Geistes ist von Hegel mit dem
Ziel verfasst worden, das empirische, menschliche Bewusstsein zum
Geist und zum »absoluten Wissen« 166 zu leiten. Was ist das absolute
Wissen?
»Das absolute Wissen ist die Wahrheit aller Weisen des Bewußt-
seins, weil, wie jener Gang desselben es hervorbrachte, nur in dem
absoluten Wissen die Trennung des Gegenstandes von der Gewißheit
seiner selbst vollkommen sich aufgelöst hat und die Wahrheit dieser
Gewißheit sowie diese Gewißheit der Wahrheit gleich geworden ist.
Die reine Wissenschaft setzt somit die Befreiung von dem Gegensatz
des Bewußtseins voraus. Sie enthält den Gedanken, insofern er eben-
sosehr die Sache an sich selbst ist, oder die Sache an sich selbst, inso-
fern sie ebensosehr der reine Gedanke ist.« 167
Von diesem Standpunkt aus kann die Phänomenologie »als der
Weg des natürlichen Bewußtseins, das zum wahren Wissen dringt,
genommen werden; oder als der Weg der Seele, welche die Reihe
ihrer Gestaltungen, als durch ihre Natur ihr vorgesteckter Stationen
durchwandert, daß sie sich zum Geiste läutere, indem sie durch die
vollständige Erfahrung ihrer selbst zur Kenntnis desjenigen gelangt,
was sie an sich selbst ist«. 168 In der Phänomenologie ist der Mensch
nicht weniger mit einbezogen als das Absolute. In der Hegel’schen
Philosophie kann das Endliche vom Unendlichen, das Einzelne vom
Universalen nicht getrennt werden, denn das Unendliche offenbart
sich im Endlichen und das Absolute ist das Prinzip aller Wirklich-
keit. 169 Die Phänomenologie des Geistes ist der Weg, der das begrenz-
te Bewusstsein zum unendlichen Absoluten führt. 170 Dieser Weg

165 Ebd., S. 28.


166 Vgl. W. Jaeschke, »Das absolute Wissen«, in: Hegels Phänomenologie des Geistes
heute, hrsg. von Andreas Arndt und Ernst Müller, Berlin 2004, S. 194–214.
167 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, S. 43.

168
G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 152.
169 Ebd., S. 32.

170
Vgl. R. P. Horstmann, »Hegels Ordnung der Dinge. Die Phänomenologie des

202
Die Vernunft und der Weg des »Bewusstseins« zum Wissen

stimmt mit dem Weg überein, den das Absolute gegangen ist und
noch geht, um zu sich selbst zu gelangen (und vom Anderssein in sich
zu gehen). Die Phänomenologie ist ein notwendiger Schritt und ihre
Methodologie kann nur streng wissenschaftlich oder dialektisch sein.
In der Phänomenologie des Geistes gibt es zwei Bereiche, die sich
überschneiden – oder zwei Gedankenlinien, die parallel geführt wer-
den: a) den Bereich, der sich aus jenem Weg ergibt, den der Geist in
der Geschichte der Welt durchlaufen hat, um zu sich selbst zu ge-
langen; dieser Weg ist für Hegel der Weg, durch den der Geist sich
realisiert und sich selbst erkannt hat; b) den Bereich eines jeden ein-
zelnen, empirischen Individuums, das denselben Weg gehen muss,
um sich seiner selbst bewusst zu werden. Die Geschichte des Be-
wusstseins des Individuums kann nichts anderes sein als das Durch-
laufen der Geschichte des Geistes. Die phänomenologische Einfüh-
rung der Philosophie ist genau das Durchlaufen dieses Weges. Der
Einzelne muss die unterschiedlichen Entwicklungsstufen des univer-
salen Geistes durchlaufen. 171 Diese Stufen sind die der Geschichte der
Zivilisation, die das individuelle Bewusstsein wiedererkennt und wie-
derfinden muss. Es handelt sich sozusagen um eine Projektion. Der
Geist, der sich entwickelt und schließlich erscheint, ist das Bewusst-
sein im weitesten Sinne des Begriffs, der bedeutet, sich des Anderen
(sei es eines inneren oder äußeren Anderen) bewusst zu sein. Das
Bewusstsein beinhaltet immer eine bestimmte Beziehung zwischen
einem Ich und einem Objekt, eine Beziehung »Subjekt – Objekt«.
Der Gegensatz »Subjekt – Objekt« ist also ein Unterscheidungsmerk-
mal des Bewusstseins. Die Aufgabe der Phänomenologie besteht in
der schrittweisen Vermittlung dieser Gegensätzlichkeiten, um sie zu
überwinden. In der Tat ist das Ziel, das Hegel verfolgt, die Überwin-
dung der Trennung von Bewusstsein und Objekt und der Beweis, dass
das Objekt nichts anderes als das Selbst des Bewusstseins ist, also das
Selbstbewusstsein, jenes Selbstbewusstsein, das seit Kant im Mittel-
punkt der Philosophie steht und das Hegel wissenschaftlich in einen
dialektischen Prozess einbetten möchte.
Zusammengefasst beinhaltet der phänomenologische Weg fol-
gende Schritte: a) Bewusstsein; b) Selbstbewusstsein; c) Vernunft;
d) Geist; e) Religion; f) absolutes Wissen. Hegel stellt die These auf,

Geistes als transzendentalistisches Argument für eine monistische Ontologie und


seine erkenntnistheoretischen Implikationen«, in: Hegel-Studien 41 (2006), S. 9–50.
171
G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 32.

203
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

dass jedes Bewusstsein Selbstbewusstsein ist (das Selbstbewusstsein


als Wahrheit des Bewusstseins). Das Selbstbewusstsein seinerseits
entdeckt sich als Vernunft (die Vernunft ist die Wahrheit des Selbst-
bewusstseins). Die Vernunft realisiert sich schließlich als Geist, der
mittels der Religion seinen Höhepunkt im absoluten Wissen erreicht.
Jede dieser Etappen zeichnet sich durch unterschiedliche Momente
oder Figuren aus. Hegel legt jedes einzelne Moment bzw. jede einzel-
ne Figur so dar, dass evident wird, wie begrenzt seine Bestimmtheit
ist. Er zwingt seinen Leser dazu, das jeweilige Gegenteil zur Kenntnis
zu nehmen, analysiert jede Stufe des Bewusstseins und verweist auf
deren Endlichkeit, die durch die dialektische Logik überwunden wird.
Hegel unterstreicht, dass die Triebfeder dieser dialektischen Phäno-
menologie in der Ungleichheit oder dem Unterschied zwischen dem
Bewusstsein oder dem Ich und seinem Objekt und in der schritt-
weisen Überwindung dieser Ungleichheit liegt.
Der erste Schritt ist im Bewusstsein begründet, das im gnoseo-
logischen, also im engsten Sinne verstanden wird und die Art von
Bewusstsein ist, die die Welt als andersartig und unabhängig von sich
selbst anschaut und erkennt. Dieser Schritt ist in die drei aufeinander-
folgenden Momente: a) der sinnlichen Gewissheit; b) der Wahrneh-
mung; c) des Verstandes untergliedert.
Der zweite Schritt des phänomenologischen Weges ist durch das
Selbstbewusstsein gegeben, das sich durch die einzelnen Momente
selbst erkennen lernt. Das Selbstbewusstsein ist von Trieb und
Wunsch charakterisiert und zeigt sich als die Neigung, die Dinge zu
vereinnahmen und alles von sich abhängig zu machen. 172 Von Anfang
an schließt das Selbstbewusstsein jede Andersartigkeit aus, da es das
Andere als unwesentlich und negativ ansieht. Jedoch ist es schließlich
gezwungen, diese Haltung zu ändern, weil es sich mit anderen Selbst-
bewusstseinen konfrontiert und es unvermeidlich ist, dass es zu
einem »Kampf auf Leben und Tod« kommt, durch den es sich ver-
wirklichen kann. Die Vernunft wird in dem Moment geboren, in
dem das Bewusstsein zu der Gewissheit gelangt, die Ganzheit der
Wirklichkeit zu sein. 173 Dies ist die Haltung, die dem Idealismus eigen

172 Ebd., S. 64.


173 Vgl. Schönecker, »Kein Sein, keine Unmittelbarkeit. Hegel über die Vernunft der
sinnlichen Gewißheit«, in: Konzepte der Rationalität, hrsg. von Karl Ameriks und
Jürgen Stolzenberg, Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus, Bd. 1, Ber-
lin/New York 2003, S. 241–269.

204
Die Vernunft und der Weg des »Bewusstseins« zum Wissen

ist. Die phänomenologischen Stufen der Vernunft 174 sind die Stufen
des Geistes, der sich als Vernunft offenbart. Die höchste Stufe besteht
darin, dass nun sowohl das Bewusstsein als auch die Vernunft gewiss
sind, die Einheit des Gedankens zu sein. Der nächste Schritt ist, eben
dies nachzuweisen. Darauf folgen drei weitere Stufen: a) die Ver-
nunft, die die Natur betrachtet; b) die handelnde Vernunft; c) die Ver-
nunft, die sich bewusst wird, Geist zu sein. 175
Der vierte Schritt ist der des Geistes. Die Vernunft verwirklicht
sich in einem freien Volk und dessen Institutionen und ist das Be-
wusstsein, dass sich wieder mit der eigenen ethischen Natur verbin-
det. Dies ist der Geist. Der Geist ist das Individuum, das eine Welt
begründet, die sich im Leben eines freien Volkes realisiert. Der Geist
ist also die Einheit des Selbstbewusstseins in der totalen Freiheit und
Unabhängigkeit. Es ist nur einleuchtend, dass die Figuren auf dem
weiteren phänomenologischen Weg zu Figuren der Welt werden, zu
Stufen der Geschichte, die uns den Geist zeigen, der sich durch diese
Entfremdung verwirklicht, wiederfindet und zuletzt selbst erkennt.
Die phänomenologischen Stufen des Geistes sind: a) der Geist an sich
als Sittlichkeit, die von der griechischen und römischen Welt her-
rührt; b) der Geist, der sich selbst fremd wird, was für die Wider-
sprüche der Neuzeit charakteristisch ist; c) der Geist, der sich seiner
selbst gewiss wird.
Die Phänomenologie zeigt noch eine weitere Stufe, bevor sie das
absolute Wissen erreicht. In der Religion und ihren unterschiedlichen
Manifestationen wird sich der Geist seiner selbst bewusst, jedoch nur
aus der Sicht des Bewusstseins, das um seine absolute Essenz weiß.
Die Religion ist das Selbstbewusstsein des Absoluten. Aber dieses
Selbstbewusstsein ist noch begrenzt, ist noch nicht in der vernünfti-
gen Form des Begriffs gegeben. Nachdem sich die Idee in der Ge-
schichte als Freiheit verwirklicht hat, schließt sie ihre Rückkehr zu
sich selbst im absoluten Sich-selbst-Erkennen ab. Der absolute Geist
ist folglich die Idee, die sich auf absolute Art und Weise selbst er-
kennt: Dieses Selbstbewusstsein ist das Selbstbewusstsein von Gott,
bei dem der Mensch eine große Rolle spielt. Diese Selbstkenntnis des
Geistes ist keine mystische Anschauung, sondern ein dialektischer
Prozess, der dreiteilig ist. Er realisiert sich in der Kunst, in der Reli-

174
Vgl. J. Hyppolite, Genesi e struttura della Fenomenologia dello spirito, Firenze: La
Nuova Italia 2002.
175
G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 70.

205
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

gion und in der Philosophie. Dies sind die drei Formen, durch die wir
Gott kennen und er sich selbst. Sie verwirklichen sich jeweils durch
die sinnliche Intuition (Ästhetik), die Darstellung des Glaubens und
den reinen Begriff. Dies sind die drei Formen, durch die wir Gott
erkennen und Gott sich selbst erkennt. Sie werden durch die empiri-
sche Anschauung (Ästhetik), die Glaubensvorstellung und den reinen
Begriff realisiert.
Die Identität des Vernünftigen mit dem Wirklichen im absoluten
Idealismus Hegels zu verstehen, bedeutet nicht nur ein Problem der
Philosophie zu lösen, sondern auch die besondere Bedeutung der Ge-
schichte aufzudecken. Diese These Hegels darf nicht nur im metho-
dologischen Sinne interpretiert werden, als wäre sie das Resultat der
Anwendung einer bestimmten Methode (der dialektisch-spekulati-
ven), sondern sie ist das Resultat der Identität von Vernunft und
Wirklichkeit. Wie die Phänomenologie des Geistes zeigt, ist die Er-
oberung des spekulativen oder absoluten Wissens das notwendige
Ergebnis der gesamten geschichtlichen Entwicklung 176 des mensch-
lichen Bewusstseins und seiner Erkenntnismöglichkeiten, von den
einfachsten Formen des natürlichen, allgemeinen Bewusstseins bis
hin zu den höheren Formen. Die Philosophie ist keine individuelle,
sondern eine absolute Erkenntnis, die sich selbst und ihre Geschichte
gefunden und verstanden hat. Das Problem der Wahrheit liegt also
außerhalb einer jeden Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, Me-
thode und Inhalt, Vernunft und Wirklichkeit. Das Problem der Wahr-
heit wird zur inneren Suche nach der Totalität der Erkenntnis: Die
Wahrheit ist das Ganze. Aber das Ganze ist niemals die Gesamtheit
der Momente, sondern die organisch-dialektische und dynamische
Totalität.

19. Subjektiver Geist und objektiver Geist

Was ist der subjektive Geist? Welche Bedeutung hat die semantische
Unterscheidung zwischen subjektivem Geist, objektivem Geist und
absolutem Geist im philosophischen System Hegels?
Die erste Stufe des Geistes, der subjektive Geist, betrifft die in-
dividuelle Dimension der menschlichen Existenz. Die dialektische
Überwindung der Natur manifestiert sich zuerst in der Seele, die ein

176
Ebd., S. 43.

206
Subjektiver Geist und objektiver Geist

Objekt der Anthropologie ist. Die einfachsten Formen des psy-


chischen Lebens kommen nacheinander aus den dunklen Tiefen des
Körpers hervor, so dass das Bewusstsein erwacht. Nachdem die Ver-
bindung zum Bewusstsein wiederhergestellt ist, erlangt der subjekti-
ve Geist das volle Selbstbewusstsein und wird zu einem Objekt der
Psychologie. Hegel protestiert gegen die intellektualistische Teilung
der traditionellen Vermögen des Menschen. Das Moment des freien
Geistes schließt die Psychologie und die gesamte Entwicklung des
subjektiven Geistes ab und schafft eine dialektische Einheit zwischen
Theoretischem und Praktischem, zwischen Bewusstsein und Wille.
Die Freiheit des Geistes kann sich jedoch nur realisieren, indem der
abstrakte Bereich des individuellen Lebens überwunden wird; sie
kann nur einen Inhalt erlangen, indem man sich auf die Welt der
konkreten sozialen Beziehungen und historischen Institutionen, die
die individuellen Energien verstärken, einlässt. Der Geist wird objek-
tiv, indem er seine eigene Existenz, also die Freiheit in der Wirklich-
keit des Lebens, objektiviert. Was ist der objektive Geist? Welches ist
seine Funktion und seine Zielsetzung im gesamten philosophischen
System Hegels?
Der objektive Geist ist das »Reich der Freiheit« 177 und nach der
Natur des Menschen gebildet. Der objektive Geist konstituiert die
Ganzheit der historisch-sozialen Beziehungen; ihm ist das wahrhafte
Interesse zugewandt. Die erste Objektivierung des freien Willens ist
die Person im juristischen Sinn, also das abstrakte Subjekt des Privat-
rechts; es handelt sich um ein formales und äußeres Recht, das von
jeder konkreten Charakteristik des einzelnen Individuums absieht.
Eine einfache Sache, der Besitz, wird zur externen Sphäre der Freiheit
der Person, zum Bereich, in dem sie allgemein als autonomes und
unabhängiges Subjekt anerkannt wird. Im Gegensatz zur natur-
rechtsphilosophischen Tradition sagt Hegel, dass es in der Natur kei-
ne Rechte geben kann. Diese sind vielmehr nach und nach entstan-
den, indem sie in den sozialen Beziehungen der Gesellschaft als solche
anerkannt wurden. Die Beziehungen stehen im Gegensatz zum Indi-
viduum, als juristischem Subjekt, in seiner natürlichen Existenz.
Laut Hegel ist der Naturstaat der naturrechtsphilosophischen
Tradition ein ungerechter und unterdrückender Staat. Die einzige
Möglichkeit, ihm zu entkommen, ist die Flucht. Auf dieser abstrakten
Ebene des objektiven Geistes weist die Freiheit einen negativen und

177
Vgl. F. Beiser, After Hegel, Princeton NJ: Princeton University Press 2016.

207
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

leeren Charakter auf, da sie auf dem einfachen Verbot basiert, die
Persönlichkeit des Anderen zu verletzen. Die Versuche der Natur-
rechtsphilosophie und des Kontraktualismus, die komplexe Wirklich-
keit der politischen Institutionen zu begründen, erscheinen Hegel
sinnlos und absurd.
Die juristischen Normen implizieren in ihrer äußerlichen Ob-
jektivität nur einen formalen Gehorsam und keine innerliche Betei-
ligung oder Zustimmung. Der Schritt zur moralischen Sphäre voll-
zieht sich durch die Verinnerlichung der Pflicht, die im Kontrast zum
statutarischen Gesetz steht. Der freie Wille spiegelt sich in der sub-
jektiven Tiefe des Bewusstseins selbst wider und identifiziert sich
nicht mehr mit dem gegebenen Objekt, dem privaten Besitz. Die Per-
son im juristischen Sinn wird zum moralischen Subjekt. Die innere
Freiheit charakterisiert für Hegel die moderne Form der Individuali-
tät; sie hat sich der Welt durch das Christentum manifestiert, das der
einzelnen Person einen unendlichen Wert gibt. Hegels Urteil über das
Christentum und die Trennung der Sittlichkeit von der klassischen
Welt hat sich verändert. In seinen ersten Schriften erschienen diese
Aspekte als Verfallserscheinungen. Nun sind es wichtige Schritte zu
einer bestimmten Menschlichkeit, die der Vollendung bedarf. Das
Prinzip der Innerlichkeit wird durch die protestantische Reformation
bestätigt und in der praktischen Philosophie Kants wird es theoretisch
klar dargelegt. Der Bürger des modernen Staates identifiziert sich im
Unterschied zum Bürger der griechischen Polis nicht unkritisch und
unmittelbar mit den kollektiven Werten und Normen; er kann es
auch nicht wie der Untertan eines despotischen Staates hinnehmen,
blind bestimmten Auflagen zu gehorchen. Die Forderungen des Bür-
gers an die politische und soziale Ordnung müssen auf dem Herz,
dem Bewusstsein und der Vernunft beruhen. Bevor man ein guter
Bürger wird, muss man die kantische unbedingte Selbstbestimmung
des Willens erreicht haben. Der moderne Staat muss entsprechend die
Subjektivität wie ein Heiligtum schützen, dessen Entweihung ein Sa-
krileg wäre. Der moralische Aspekt stellt aber nur einen Moment der
Dialektik des objektiven Geistes dar und wird schließlich überwun-
den. Wenn die reine Intention des Bewusstseins als absolut angese-
hen wird, wie bei Kant, dann macht man sich von einem abstrakten,
moralischen Formalismus abhängig, einem Seinmüssen, das kein be-
grenzter Inhalt befriedigen kann. Die Freiheit bleibt in einem leeren,
engen Raum des Inneren eingeschlossen und nutzt sich in einer Rhe-
torik des Müssens um des Müssens willen ab.

208
Subjektiver Geist und objektiver Geist

Die Pflicht hat durch die ethischen Aufgaben, die jedes Individu-
um betreffen, einen konkreten Inhalt. Diese Aufgaben sind von der
familiären, sozialen und politischen Rolle des Individuums in der be-
stehenden Ordnung bestimmt. Das Gute ist kein unerreichbares Ideal
des reinen Bewusstseins, sondern eine historische und soziale Welt,
die gegenwärtig ist: im hier und jetzt als Rationalität im dynamischen
Prozess. Die Sittlichkeit konstituiert die dialektische Synthese der
Objektivität des Rechts und der Subjektivität der Moral, weil sie in
der überindividuellen Realität der Gesetze und der Institutionen und
gleichzeitig in der bewussten Teilnahme des Einzelnen existiert. In
der universalen sittlichen Natur eines Volkes, also in einem System,
das durch Werte definiert ist, die sich in einer bestimmten politischen
Konstitution ausdrücken, erkennt das Individuum die eigene Wahr-
heit und gewinnt jene konkrete Konsistenz, die den abstrakten Figu-
ren, etwa der Person im juristischen Sinn oder dem moralischen Sub-
jekt, fehlt.
In der Familie, der ersten Sphäre der Sittlichkeit, ist die natür-
liche und zufällige Beziehung der Geschlechter durch geistige Liebe
gekennzeichnet, auf der die Ehe basiert. Hegel lehnt Kants Definition
der Ehe als Vertrag als schimpflich ab. Die Familie als sittliche Ge-
meinschaft steht auf einem höheren Niveau als die isolierten und abs-
trakten juristischen Personen. Das Patrimonium ist eine Bedingung
des familiären Lebens, die Erziehung der Kinder ist seine Erfüllung
und realisiert sich in ihrer zweiten Geburt oder geistigen Geburt.
Durch die Figur des Kindes als autonome Person vollzieht sich die
Öffnung der Familie in Richtung auf die Arbeitswelt und die bürger-
liche Gesellschaft, die zweite Sphäre der Sittlichkeit. Die erste Stufe
der bürgerlichen Gesellschaft ist nach Hegel das System der Bedürf-
nisse, das von Adam Smiths Theorie der politischen Ökonomie beein-
flusst ist. Die konkreten Subjekte, die besondere Bedürfnisse und Fä-
higkeiten haben, folgen ihren eigenen, individuellen Interessen. Die
historische Entwicklung der modernen Wirtschaft ist der Triumph
des privaten Geistes, der keine kollektiven Zielsetzungen beachtet
und die Ablösung des Einzelnen von der Gemeinschaft verstärkt.
Die bürgerliche Gesellschaft ist also der negative Aspekt der Sittlich-
keit. Sie ist das Feld des privaten und individuellen Interesses, in dem
alle gegen alle kämpfen. In der Aufteilung der Arbeit in der Gesell-
schaft kehrt sich der Egoismus des Einzelnen und seine scheinbare
Isolierung in ein soziales System von universalen Abhängigkeiten
um, in dem das Wohlbefinden des Einzelnen mit dem Wohlbefinden

209
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

und dem Recht aller übereinstimmt. 178 Dies ist nichts anderes als die
Theorie der unsichtbaren Hand von Smith, die besagt, dass die Auto-
matismen der kapitalistischen Wirtschaft, ohne dass die Subjekte da-
von wissen, die privaten Interessen in Richtung eines kollektiven
Wohlstandes führen. Hegel denkt jedoch über die Ergebnisse dieser
blinden Notwendigkeit weniger optimistisch und vertritt die Auffas-
sung, dass sie ein unzureichender Faktor für den sozialen Zusammen-
halt seien, der gleichsam unter der sittlichen und politischen Würde
eines Staates liege. Auch wenn er zugibt, dass das Prinzip der Indivi-
dualität als bürgerliche Freiheit, das Talent und Intelligenz stimuliert,
ein positiver Gewinn der Neuzeit sei, beklagt er die unvermeidbaren
Konflikte im System der Bedürfnisse. In dem Maße, in dem sich die
Kluft zwischen Armut und Reichtum vertiefe, vermehrten sich die
Arbeiten, die unsicher und ungesund sind. Der Unterhalt des Einzel-
nen hänge von der blinden Bewegung der Wirtschaftsmaschine ab,
die in höchst zufälliger Art und Weise sein Wohlergehen oder seinen
Niedergang bestimme.
Der zweite Schritt der bürgerlichen Gesellschaft, die Verwaltung
der Justiz, ändert nicht viel an diesem Bild, weil sie die Aufgabe hat,
die Rechte des Besitzes und der freien Verfügung zu garantieren. Da-
mit sind die Aspekte der öffentlichen Sicherheit und der verschiede-
nen gesellschaftlichen Stände und Schichten eng verbunden. Hegel
konzipiert diesbezüglich eine interventionistische Politik, die die
Dysfunktion des privaten Geistes korrigieren soll. Die öffentlichen
Einrichtungen sollen die zerstörerischen Tendenzen der Interessen-
konflikte bremsen und allen den Unterhalt garantieren. Hegel meint,
dass die Lösung des Problems der Armut die partielle Begrenzung der
Eigentumsrechte rechtfertigen kann; Letztere sind nämlich nicht hei-
lig und unverletzbar. Die Schichten und Stände seiner Zeit spielen in
seiner Philosophie für die Bedürfnisse der Gesellschaft und die politi-
sche Einheit des Staates eine vermittelnde Rolle. Die organische Ko-
häsion der Gesellschaft drückt sich im System der Klassen aus, weil
eine Gesellschaft nur in einer organischen Ganzheit existieren kann.
Die natürliche Klasse ist mit der Erde und der Tradition verbunden;
die Klasse der Arbeiter in Industrie und Handel ist Teil der dyna-
mischen Welt der Geschicklichkeit und des Reichtums; die Klasse
der Intellektuellen wird von Hegel als Übergang von der privaten
Sphäre der Gesellschaft zur öffentlichen des Staates erklärt.

178
Vgl. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 55.

210
Subjektiver Geist und objektiver Geist

Die Konzeption des Staates, drittes und letztes Moment der Sitt-
lichkeit, beinhaltet viele Themen, die jahrzehntelang im Mittelpunkt
der Interessen Hegels stehen. Schon während seiner Frankfurter Zeit
hatte er seine frühere Idee der Philosophie als eines polemischen Ge-
gensatzes zur Realität aufgegeben. Nun versucht er durch ein tief-
gehendes Studium der politischen Ökonomie die moderne Welt zu
analysieren. Seine theoretische Arbeit ist eng mit der besonderen po-
litischen Erfahrung seiner Generation verflochten, die ohne Zweifel
die ereignisreichsten Jahre der Weltgeschichte erlebte. Die letzten
Seiten der Phänomenologie des Geistes schreibt Hegel kurz vor der
Schlacht von Jena (1806), in der das Heer Napoleons die Preußen
besiegt. Mit großer Begeisterung erzählt er in einem Brief, Napoleon
auf seinem Pferd gesehen zu haben. Napoleon ist für ihn die Welt-
seele, die sich in einem Individuum konzentriert. In der napoleo-
nischen Politik der Erneuerung Europas sieht er die Verwirklichung
der positiven Prinzipien der Revolution und die Überwindung ihrer
Grenzen. Nach dem Wiener Kongress stellt sich Hegel nicht auf die
Seite der reaktionären Kräfte, sondern er meint, dass die Restauration
die wichtigen juristischen und politischen Fortschritte, die Frankreich
der gesamten Menschheit für immer gegeben habe, nicht zerstören
könne. Das Modell eines rationalen Staates ist die konstitutionelle
Monarchie, die teilweise vom preußischen Staat repräsentiert wird,
dessen höchste kulturelle Autorität nun der Philosoph selbst mit sei-
nem Lehrstuhl in Berlin ist. Die napoleonische Ordnung oder die
konstitutionelle Monarchie sind in den Schriften seiner reiferen Jahre
jedoch niemals einfache Ideale. Die Philosophie kann, insbesondere
wenn es sich um politische Philosophie handelt, der Welt keine Ideale
vorgeben. Ihre Aufgabe ist es, zu verstehen, was wirklich ist, denn
was wirklich ist, ist vernünftig. Noch mehr als in der Natur liegt in
der historisch-sozialen Welt die Idee, die sich auf einer Ebene unter-
halb der nebensächlichen Erscheinungen als immanente Substanz
oder Ewigkeit in ihrer Wirksamkeit erweist. Es entwickelt sich ein
unendlicher Kampf gegen eine Welt, die abstrakt die einzelnen nega-
tiven Elemente einer Einrichtung oder einer politischen Ordnung iso-
liert, um eine oberflächliche Kritik daran zu üben. Aus dieser speku-
lativen Faulheit resultiert schließlich die Flucht ins reine Seinmüssen
von impotenten politischen Idealen, die subjektiv der objektiven
Wirklichkeit der Vernunft gegenübergestellt werden. Hegel wendet
sich in den Grundlinien der Philosophie des Rechts mit großer Ab-
lehnung (mit der sich auch persönliche Motive vermischen) gegen

211
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

politische Haltungen, die aus moralischen Gefühlen, Enthusiamus


oder aus einer subjektiven Sichtweise statt aus einer tatsächlichen
Wirklichkeit und einer theoretischen Analyse hervorgehen. Des Wei-
teren ist für ihn, wie oben dargelegt, die Wahrheit erst das Resultat
der Vollendung des dialektischen Prozesses: »Um noch über das Be-
lehren, wie die Welt sein soll, ein Wort zu sagen, so kommt dazu
ohnehin die Philosophie immer zu spät. Als der Gedanke der Welt
erscheint sie erst in der Zeit, nachdem die Wirklichkeit ihren Bil-
dungsprozeß vollendet und sich fertig gemacht hat.« 179 Die Philoso-
phie kann nicht wie ein Prophet in die Zukunft schauen, im Gegen-
teil: »[W]enn sie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des
Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau lässt sie sich nicht ver-
jüngen, sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit
der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.« 180 Dem Philosophen ist
nicht der klare Blick Gottes gegeben, und sein Bewusstsein, wie das
seiner Zeitgenossen, ist in seiner eigenen historischen Epoche be-
grenzt: Niemand kann den Grenzen seiner Zeit entkommen. Die Phi-
losophie wieder mit der Realität zusammenzuführen, bedeutet, auf
der spekulativen Ebene die existierenden, politischen Ordnungen zu
rechtfertigen, aber nur, was ihre allgemeine rationale Struktur be-
trifft. Ihre einzelnen Bestimmungen hingegen können sich, da sie zu-
fällig sind, als irrational und dem Untergang geweiht erweisen. Es ist
eindeutig, dass der so analysierte Staat die preußische Monarchie
nicht wahrheitsgetreu widerspiegelt.
Die Hegel’sche Theorie des rationalen Staates formuliert eine
Lösung des politischen Problems der Neuzeit, die die Geschichte
scheinbar schon vorbereitet hat, nämlich sicherzustellen, dass das
Prinzip der sittlichen Ganzheit durch die Autorität des Staates reprä-
sentiert wird, ohne die Individualität und die Freiheit der Moral, die
Freiheit der Religion, die Freiheit des zivilen und wirtschaftlichen
Lebens der modernen Welt zu zerstören. Der Staat muss folglich ein
artikulierter und komplexer Organismus sein, der es dem Bürger er-
laubt, eine gewisse Urteilsfreiheit neben seinem Gehorsam zu bewah-
ren und auch seine privaten Interessen zu verfolgen, während er für
die Öffentlichkeit arbeitet. Wenn das Element des freien Willens
wegfällt, wird der Staat zu einem reinen Mechanismus der Herr-
schaft. Damit eine lebendige Ganzheit besteht, darf sich die Autorität

179 Ebd., S. 64.


180
Ebd.

212
Subjektiver Geist und objektiver Geist

nicht unmittelbar auf das Individuum stützen, sondern muss sich in


einer Hierarchie von institutionellen Organen artikulieren, deren
Mitglieder lebendige Zentren des Handelns darstellen.
Andererseits: Wenn der Staat als einfache Emanation des indivi-
duellen Willens und als Vertrag gedacht wird, liegt er auf der nied-
rigeren Ebene des abstrakten Rechts und des Atomismus der privaten
Ziele. Für Hegel ist die politische Dimension, entgegen der liberalen
Tradition, der höchste Ausdruck der Gesellschaft und nicht auf ein
reines Gleichgewicht von Interessen, das sich in der bürgerlichen Ge-
sellschaft bildet, zu reduzieren. 181 Der Staat ist kein nützliches Instru-
ment im Dienste des Wohlergehens und des Glücks der Individuen,
sondern er ist der absolute Zweck, er ist die Wirklichkeit der sittlichen
Idee, der sittliche Geist als sich äußernder Wille.
Als abschließendes Moment der Sittlichkeit ist dies das Resultat,
das den gesamten Prozess begründet und der Familie und der zivilen
Gemeinschaft eine wahrhafte und konkrete Realität zukommen lässt.
Man kann keine Gesellschaft ohne eine politische Einheit des Volkes
bestimmen. Das Individuum besitzt nur als Mitglied eines Staates
Objektivität, Wahrheit und Sittlichkeit. Wenn man von der politi-
schen Einheit, die den Monarchen an ihrer Spitze hat, absieht, ist
das Volk nichts anderes als eine formlose Masse. Hegel lehnt all-
gemeine Wahlen und das liberale Prinzip des Parlamentarismus ab,
weil sie die obere Gewalt auf eine unorganische Ansammlung von
subjektiven Meinungen und privaten Interessen reduzieren. Die po-
litische Rationalität 182 soll der exekutiven Gewalt der Regierung und
dem hohen Sinn des Staates von einer Klasse von Funktionären, die
wegen ihrer Bildung und ihrer Fähigkeiten ausgewählt wurden, an-
vertraut werden. Im politischen Denken Hegels liegen die Schwer-
punkte auf der Autorität, dem Zusammenhalt des Staates und den
öffentlichen Zielen und nicht auf der Freiheit des Einzelnen und
dem Schutz des Privaten und seiner Bedürfnisse. Er kritisiert die li-
berale und naturrechtsphilosophische Idee einer negativen Freiheit, 183
die eine unüberwindliche Grenze darstellt und das Individuum ent-
weder einem anderen oder dem besitzergreifenden Staat gegenüber-
stellt. Im Gegensatz zur formalen Freiheit des Rechts und des Willens

181 Vgl. E. L. Goodfield, Hegel and the Metaphysical Frontiers of Political Theory,

Oxford: Routledge 2016.


182 Ebd., S. 55.

183
Ebd., S. 89.

213
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

als reiner Willkür wird die positive und konkrete Freiheit des Einzel-
nen, die in der Familie und in der bürgerlichen Gesellschaft objekti-
viert wird, nicht durch den Staat begrenzt, sondern kommt nur durch
ihn zur Entfaltung. Die wahrhafte Freiheit realisiert sich in der Sub-
stanz der universalen Sittlichkeit, in der die Rechte und Pflichten zu-
sammenfallen: Alles, was der Mensch ist, ist er dank des Staates. In
diesem liegt seine Essenz.

20. Der absolute Geist: Kunst, Religion und Philosophie

Was ist der absolute Geist? Welche Rolle spielt der absolute Geist im
philosophischen System Hegels? Was ist das absolute Wissen? Im
Hegel’schen System ist der Staat Teil des Moments des objektiven
Geistes. Jedoch wird dieser im dialektischen Prozess vom Reich der
absoluten Idee überholt, wie Hegel dieses Reich nennt, das in
»Kunst«, »Religion« und »Philosophie« unterteilt ist. Es sind haupt-
sächlich die Formen des kulturellen Lebens, die Teil der Sphäre des
absoluten Geistes sind. Die höchste und universelle Aktivität des
Menschen liegt in der ästhetischen Produktion, in der religiösen Hal-
tung und in der philosophischen Reflexion. Es ist wichtig, daran zu
erinnern, dass Hegel zwischen dem Bereich des »Endlichen«, in dem
die Sittlichkeit (also der Staat) liegt, und dem Bereich des »Unend-
lichen« unterscheidet, der niemals einer Sache, die außerhalb von
ihm ist, untergeordnet sein kann. Deswegen sollte die höchste geisti-
ge Aufgabe niemals von einer externen Macht beeinflusst werden,
sondern Frucht einer wirklichen Freiheit, Ausdruck des Geistes eines
Volkes sein.
Kunst, Religion und Philosophie unterscheiden sich nicht auf-
grund ihres Inhalts, sondern aufgrund ihrer Form: Die Kunst trifft
in Form sinnlicher Anschauung, die Religion in Form einer Darstel-
lung und die Philosophie als reiner Begriff auf die absolute Idee. Die
Kunst oder die Schönheit kann jedoch die Wahrheit nur mittels eines
sinnlichen Elements erfassen; die Religion in ihrer höchsten Mani-
festation (dem Christentum) zeigt das Absolute durch das Abbild
eines persönlichen Gottes und verweist hiermit auf die Trennung
von Gott und Welt im unglücklichen Bewusstsein. Dies sind Formen,
die nicht vollständig dem absoluten Geist entsprechen, da dieser nur
in der philosophischen Vermittlung die Wahrheit findet. Die Philoso-
phie ist nicht nur die Einheit von Kunst und Religion, sondern führt

214
Der absolute Geist: Kunst, Religion und Philosophie

als absolutes Selbstbewusstsein des Geistes die Bedeutung ihrer eige-


nen Geschichte zur Vollendung, indem sie die unterschiedlichen phi-
losophischen Konzepte aufdeckt, die in der dialektischen Entwicklung
der Bestimmungen der Idee aufeinander folgen. Hegel vereint die
Philosophie mit der Geschichte der Philosophie und macht aus sei-
nem System die Synthese aller partiellen, aber notwendigen Wahr-
heiten der Vergangenheit: die Totalität der Wahrheit in der Wirk-
lichkeit.
Der Geist lebt in der Kunst auf eine unmittelbare und intuitive
Art und Weise die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, Geist
und Natur, die die Philosophie theoretisiert, indem sie sagt, dass die
Natur eine Manifestation des Geistes ist. Das Kunstwerk ist immer
durch Sinnlichkeit geprägt, sei es ein materielles Objekt, Klang oder
Wort, und demnach kommt der Mensch durch die sinnlichen Formen
zur Erkenntnis seiner selbst.
Hegel zufolge ist die Kunstgeschichte in drei Phasen unterteilt:
die symbolische Kunst der östlichen Völker, die auf Symbole zurück-
greifen, weil sie den Geist nicht durch passende sinnliche Formen
ausdrücken können; die klassische Kunst, die durch ein Gleichgewicht
von geistigem Inhalt und sinnlicher Form gekennzeichnet ist, das sich
in der menschlichen Gestalt ausdrückt; die romantische Kunst, in der
der Geist sich bewusst wird, dass keine sinnliche Form das geistige
Innere hinlänglich auszudrücken vermag; so kommt es zu einer Krise
der Kunst. Hegel spricht vom baldigen Tod der Kunst, da ihre Rolle
als intuitive Brücke zum Absoluten aufgrund der Entfaltung der Phi-
losophie schwächer wird. Nur die Philosophie kann das Absolute 184 in
seiner dialektischen Rationalität auffassen. Das Absolute ist eine dia-
lektische Ganzheit und das Resultat eines Vermittlungsprozesses, der
das Gegenteil der sinnlichen Unmittelbarkeit darstellt. Deswegen
bleibt die Kunst unter den unterschiedlichen Wissensformen auf der
niedrigsten Stufe.
In der Religion bewegt sich das Absolute von der Objektivität
der Kunst zur Interiorität des Subjekts. Dies bedeutet, dass die Bezie-
hung zwischen Bewusstsein und Gott in der Religion grundlegend ist.
Diese Beziehung ist durch den Glauben gegeben. Aber wenn dem
wirklich so ist, kann der Glaube nicht die Gewissheit, dass Gott exis-
tiert, rechtfertigen. Die typische Art und Weise, Gott zu denken, ist

184 Vgl. K. Drilo, Leben aus der Perspektive des Absoluten. Perspektivwechsel und

Aneignung in der Philosophie Hegels, Würzburg 2003.

215
Die Wechselbeziehung »endlich – unendlich« in Hegels absolutem Idealismus

die intellektuelle Anschauung, die auf halbem Wege zwischen der


sinnlichen Anschauung der Kunst und dem Begriff der Philosophie
liegt. In der religiösen Anschauung gibt es die Unterscheidung zwi-
schen Gott, dem Schöpfer, und den Geschöpfen, so dass das Absolute
noch nicht vollständig verstanden wird und mysteriös bleibt. Die
Notwendigkeit einer Einheit von Schöpfer und Geschöpfen wird nur
im Bereich des Kultes gefühlt, also im praktischen und nicht im be-
grifflichen Bereich.
Das abschließende Moment des »absoluten Geistes« wird mit der
Philosophie durch die Einheit von Kunst und Religion erreicht. Hier
ist das Absolute in der Form des Begriffs, der vollkommensten Form,
zu erkennen. Das Absolute erkennt sich endlich selbst und so kann
die Idee sich selbst denken, und zwar als absolute und ganzheitliche
Wahrheit. Die Philosophie, als Gedanke, der sich seiner selbst be-
wusst ist, ist das Resultat eines Entwicklungsprozesses, dessen
Hauptfigur und Subjekt die Wirklichkeit in ihrer Konkretheit ist.
Mit anderen Worten: Die Philosophie ist ein historischer Prozess,
der sich mit der Geschichte der Philosophie selbst identifiziert. Die
unterschiedlichen, vorhergehenden philosophischen Systeme sind
die Schritte, die zur Wahrheit führen, das, was vorhergeht, überholen
und selbst von dem, was folgt, überholt werden. Laut Hegel zeigt die
Geschichte der Philosophie einerseits, dass die Philosophien, die un-
terschiedlich erscheinen, eine einzige Philosophie in unterschiedli-
chen Entwicklungsstufen sind. Andererseits sind die besonderen
Prinzipien eines jeden philosophischen Systems Zweige, die auf ein
einziges und gleiches Ganzes verweisen. Die Philosophie seiner Zeit
ist das Ergebnis aller vorhergehenden Philosophien und beinhaltet
schon die Geschichte der Philosophie der Vergangenheit. Hiermit
schließt sich der kosmische Kreis des Bewusstseins und der Realität.
Wie steht es um die Beziehung zwischen dem Individuum und
dem Staat in der Phänomenologie des Geistes – vor dem Hintergrund
der semantischen Unterscheidung zwischen subjektivem Geist, ob-
jektivem Geist und absolutem Geist? Nach Hegel repräsentiert der
Staat die Sittlichkeit oder den objektiven Geist. Durch ihn wird der
Wille des Individuums wahrhaftig frei und bewusst, auch wenn er
dem Gesetz unterliegt. Das Individuum identifiziert seine Interessen
mit dem universellen Geist, der durch den Staat objektiviert wird. Es
ist also nicht der Staat, der von den Individuen getragen wird, son-
dern es sind die Individuen, die dank eines Staates existieren, der
ihnen im historisch-zeitlichen Sinne voraus ist, da die Individuen in

216
Der absolute Geist: Kunst, Religion und Philosophie

einen schon bestehenden Staat hineingeboren werden. Außerdem ist


der Staat ihnen auch im logischen Sinne voraus, weil er über ihnen
steht. Der Staat muss nach Hegels Auffassung eine monarchisch-
konstitutionelle Ordnung beibehalten und nicht etwa eine demokra-
tische oder liberale (wie ihn die kontraktualistischen oder natur-
rechtsphilosophischen Theorien dachten, von denen die Aufklärung
beeinflusst war); so wird er zum Ausdruck des Geistes des Volkes, das
dank der Gesetze existiert. Hegels Rechtsstaat beruht auf der Beach-
tung der Gesetze und der formalen Freiheit des Individuums und sei-
nes Besitzes. Er wird durch eine Konstitution geregelt, die aus dem
Geist des Volkes in enger Beziehung mit dessen Geschichte, Traditio-
nen und Besonderheiten hervorgeht. Der Staat ist für Hegel die In-
karnation des göttlichen Willens, der die Welt regiert und sich in der
Geschichte zeigt.
Im politischen Denken Hegels beinhaltet die Vernunft die Frei-
heit; die Entwicklung der Vernunft fällt mit dem dialektischen Pro-
zess des Frei-Seins zusammen. Das Individuum ist nur wirklich frei,
wenn es sich in sittlichen Organismen, die über ihm stehen, wie der
Familie oder dem Staat, wiedererkennt. Aus Sicht des Individuums ist
Universalität nicht zu erreichen, weil die wirkliche Vernunft nicht die
des Individuums ist, sondern die des Geistes oder des Staates. Die
Vernunft ist die Substanz (im etymologischen Sinne »sub-stantia«),
also das Substrat, das jeden Akt des individuellen Lebens begründet.
Die Ideen Hegels sind ihrem Inhalte nach mit Poppers Begriff der
geschlossenen Gesellschaft verwandt, in der die Individuen durch
strenge Verhaltensregeln eingeengt sind; Popper selbst hingegen ver-
tritt die Idee der offenen Gesellschaft, in der der Bürger durch Insti-
tutionen geschützt wird, die demokratischer sind als bei Hegel. Hin-
sichtlich der historisch konservativen Aspekte der politischen
Philosophie Hegels schreibt z. B. Bobbio: »Hegel ist kein Reaktionär,
aber auch nicht liberal. Er ist ganz einfach konservativ, weil er den
Staat vor das Individuum, die Autorität vor die Freiheit, den Gehor-
sam vor den Ungehorsam, die Spitze der Gesellschaft, den Monar-
chen, vor das Volk stellt.« 185 Der Rechtsstaat Hegels steht, auch wenn
er nicht despotisch ist und die formale Freiheit der Person und ihren
Besitz garantiert, den Ideen der Wahl und der demokratischen und
parlamentarischen Repräsentation, die die Politik Europas grund-
legend verändert haben, eindeutig feindlich gegenüber.

185
Vgl. N. Bobbio, Studi hegeliani, Torino: Einaudi 1997, S. 125.

217
Literatur

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Immanuel Hermann Fichte besorgten Sämtlichen Werken Bd. I, S. 27–81.)
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seine Zuhörer (1794–95), in: Gesamtausgabe, Bd. I, 2, hrsg. von Reinhard
Lauth und Hans Jacob, Stuttgart-Bad Cannstatt 1965, S. 173–451. (Entspricht
in den von Immanuel Hermann Fichte besorgten Sämtlichen Werken Bd. I,
S. 87–314.)
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der Wissenschaftslehre (1796), in: Gesamtausgabe, Bd. I, 3, hrsg. von Rein-
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spricht in den von Immanuel Hermann Fichte besorgten Sämtlichen Werken
Bd. II, S. 421–458.)
Fichte J. G., Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre
(1796), in: Gesamtausgabe, Bd. I, 3, hrsg. von Reinhard Lauth und Hans Ja-

218
Quellen und Primärliteratur

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nuel Hermann Fichte besorgten Sämtlichen Werken Bd. III, S. 1–187.)
Fichte J. G., Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre. Erste Ein-
leitung (1797), in: Gesamtausgabe, Bd. I, 4, hrsg. von Reinhard Lauth und
Hans Gliwitzky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1970, S. 186–208. (Entspricht in
den von Immanuel Hermann Fichte besorgten Sämtlichen Werken Bd. I,
S. 417–449.)
Fichte J. G., Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre. Zweite
Einleitung in die Wissenschaftslehre. Für Leser, die schon ein philosophisches
System haben (1797), in: Gesamtausgabe, Bd. I, 4, hrsg. von Reinhard Lauth
und Hans Gliwitzky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1970, S. 209–269. (Entspricht in
den von Immanuel Hermann Fichte besorgten Sämtlichen Werken Bd. I,
S. 451–518.)
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(1801), in: Gesamtausgabe, Bd. II, 5, hrsg. von Reinhard Lauth und Hans
Gliwitzky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1979, S. 483–508. (Entspricht – ohne die
»Vorarbeiten gegen Schelling« – in den von Immanuel Hermann Fichte be-
sorgten Sämtlichen Werken Bd. XI, S. 371–389.)
Fichte J. G., Die Wissenschaftslehre. Zweiter Vortrag im Jahre 1804, in: Gesamt-
ausgabe, Bd. II, 8, hrsg. von Reinhard Lauth und Hans Gliwizky, Stuttgart-
Bad Cannstatt 1985. (Entspricht in den von Immanuel Hermann Fichte be-
sorgten Sämtlichen Werken Bd. X, S. 87–314 [seitengleich mit Bd. 2 der
Nachgelassenen Werke].)
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hard Lauth und Hans Gliwitzky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1994, S. 21–65.
(Entspricht in den von Immanuel Hermann Fichte besorgten Sämtlichen Wer-
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spricht in den von Karl Friedrich August Schelling veranstalteten Sämtlichen
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torisch-kritische Ausgabe, Bd. I, 9, 1, hrsg. von Harald Korten und Paul Ziche,
Stuttgart-Bad Cannstatt 2005. (Entspricht in den von Karl Friedrich August
Schelling veranstalteten Sämtlichen Werken Bd. I, 3, S. 329–634.)
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torisch-kritische Ausgabe, Bd. I, 10, hrsg. von Manfred Durner, Stuttgart-Bad
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den wahren Begriff der Naturphilosophie, und die richtige Art ihre Probleme
aufzulösen vom Herausgeber (1801), in: Historisch-kritische Ausgabe, Bd. I,
10, hrsg. von Manfred Durner, Stuttgart-Bad Cannstatt 2009, S. 83–106. (Ent-
spricht in den von Karl Friedrich August Schelling veranstalteten Sämtlichen
Werken Bd. I, 4, S. 81–104.)
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Schelling F. W. J., Fernere Darstellungen aus dem System der Philosophie
(1802) (= Schellings sämtliche Werke, Bd. I, 4, S. 335–510).
Schelling F. W. J., System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie
insbesondere, (1804) (= Schellings sämtliche Werke, Bd. I, 6, S. 133–576).
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Cannstatt 2001, S. 15–17.
Schelling F. W. J., Zur Geschichte der neueren Philosophie (= Schellings sämt-
liche Werke, Abteilung I, Bd. X) (auch enthalten in: Ausgewählte Schriften in
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fred Frank, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1985, Bd. 5).
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Werke, Abteilung II, Bd. II) (Auch enthalten in: Ausgewählte Schriften in

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Philosophie (= Schellings sämtliche Werke, Abteilung II, Bd. III) (Auch ent-
halten in: Ausgewählte Schriften in sechs Bänden, hrsg. von Manfred Frank,
Frankfurt am Main: Suhrkamp 1985, Bd. 5.)
Schelling F. W. J., Philosophie der Offenbarung, Erster Band, Zweites Buch: Der
Philosophie der Offenbarung erster Theil (= Schellings sämtliche Werke, Ab-
teilung II, Bd. III).
Schelling F. W. J., Philosophie der Offenbarung, Zweiter Band: Der Philosophie
der Offenbarung zweiter Theil (= Schellings sämtliche Werke, Abteilung II,
Bd. IV).
Schelling F. W. J., Andere Deduktion der Prinzipien der positiven Philosophie
(= Schellings sämtliche Werke, Abteilung II, Bd. IV) (Auch enthalten in: Aus-
gewählte Schriften in sechs Bänden, hrsg. von Manfred Frank, Frankfurt am
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