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Feuerwehrleute - Jedermann eine Glanznummer
Feuerwehrleute - Jedermann eine Glanznummer
Feuerwehrleute - Jedermann eine Glanznummer
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Feuerwehrleute - Jedermann eine Glanznummer

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About this ebook

Welcher Junge schwärmt nicht davon einmal Feuerwehrmann zu werden und mit Lösch -fahrzeugen, Blaulicht und Martinshorn in Not geratenen Menschen zur Hilfe zu eilen.
Später gesellt sich zu diesem Wunsch der redliche Gedanke an Kameradschaft und einer eingeschworenen Gemeinschaft dazu.
Soweit so gut.

Doch da gibt es auch noch den ein oder anderen lebensfremden Träumer, der bei dem Begriff „Feuerwehr“ mehr an eine flotte Skatrunde, an reichlich Bier, viele Stunden vor dem Fernseh-gerät, noch mehr Stunden im warmen Bett, an einen „sicheren“ Arbeitsplatz und ein fürstliches Gehalt denkt.
„Träumt weiter Ihr Wolkenschieber!“

Feuerwehrmann ist in der täglichen Realität ein besonders schwerer, gefährlicher und verant-wortungsvoller Beruf. Jedes Jahr werden durch die Feuerwehren viele tausend Menschenleben gerettet und immens hohe Sachwerte vor der Vernichtung bewahrt.

Ohne die, zum alltäglichen Leben eines Feuer-wehrmannes gehörenden, risikovollen und oft auch bedrückenden Einsätze hintenanstellen zu wollen, wird in diesem Buch jedoch ausnahms-weise von den heiteren Seiten dieses ansonsten sehr ernsten Berufes berichtet.
(Wahre Ereignisse – mit Lachgarantie - frei erzählt.)
LanguageDeutsch
Release dateMay 17, 2013
ISBN9783848280926
Feuerwehrleute - Jedermann eine Glanznummer
Author

Otto Witte

Otto Witte, 1943 in Augsburg geboren, war fast vierzig Jahre Beamter einer Berufsfeuerwehr. Inspiriert von seinen Erinnerungen, sowie durch Ermunterung von Freunden und Kollegen, schrieb er nach einigen Kurzgeschichten sein erstes Buch –„ Feuerwehrleute - ...jeder Mann eine Glanznummer.“ Otto Witte ist Vater von zwei Kindern und lebt mit seiner Frau im Rheingau-Taunus-Kreis.

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    Feuerwehrleute - Jedermann eine Glanznummer - Otto Witte

    OTTO WITTE

    Feuerwehrleute

    ....JEDER MANN EINE GLANZNUMMER

    AMÜSANTE GESCHICHTEN AUS EINEM

    ERNSTEN BERUF

    Books on Demand

    IN DANKBARER ERINNERUNG AN MEINEN FREUND UND KOLLEGEN GERHARD WENZ

    Inhalt

    Vorwort

    Die Feuerwehr sucht harte Männer

    Dann geh – und mach es ebenso

    Husten Sie mal

    Schütze Arsch mit dem Ölkännchen

    Alte Bekannte

    Astrein eingeführt

    Klabusterpaul

    Der Spezialauftrag

    Operation Leberwurst

    Wir sind doch hier nicht bei der Heilsarmee

    Der belgische Riese

    Aufsitzens-Absitzen

    Koks und Acetylen

    Feuertaufe

    Dankbarkeit

    Heimo wird befördert

    Gastspiel auf der Schlappenwache

    Wasserspiele

    Rache ist (nicht immer) süß

    Brandmeister Klack-Klack

    Karate Kid

    Papa Kimpel und andere Koryphäen

    Bomben im Monte Carlo

    Weihnachten auf der Feuerwache 2

    Herzlich willkommen ihr drei Pfeifen

    Alte Wache „Adieu"

    Ein toupierter Pudel und ein hinkender Schwan

    Tagesform ist entscheidend

    Zirkus Flatter oder „In dubio pro reo"

    Ornitho(logisches)

    Hauptbrandmeister Schröder

    Der (alte)Neue

    Herrliche Zeiten im Taunus

    Jeder Mann eine Glanznummer

    Edel sei der Mensch, hilfreich und gut

    Die Schneehühner kommen

    Voranzeige

    Vorwort

    „Es gibt in Deutschland mehr als 1 Million Feuerwehrleute"

    Jahr für Jahr verlassen viele Hundert Männer und Frauen die Landesfeuerwehrschulen, um nach einer umfangreichen und anspruchsvollen Ausbildung, als Beamte von Berufsfeuerwehren, als Mitglieder von Freiwilligen Feuerwehren oder als Angehörige von Werksfeuerwehren, ihre schwere, und oft auch lebensgefährliche Tätigkeit im Dienst der Allgemeinheit aufzunehmen.

    Durch die Feuerwehren werden jedes Jahr viele Tausend Leben gerettet und beträchtlich hohe Sachwerte vor der Vernichtung bewahrt.

    Hierüber wird bisweilen gut - gelegentlich auch sehr bescheiden – geschrieben und informiert.

    Doch genausowenig, wie ein Kriminalbeamter, mit ständig gezogenem Revolver hinter seinem Schreibtisch sitzt, und fieberhaft auf den nächsten Mörder wartet, genausowenig lauert ein Feuerwehrmann ruhelos und ungeduldig auf die nächste Brandkatastrophe, Überschwemmung, Gasexplosion oder ein anderes Großschadensereignis.

    Neben dem Erleben von Not, Elend, Gefahr und persönlichem Wagnis, gibt es im Berufsleben eines Feuerwehrmannes/Frau natürlich auch wundervolle alltägliche, beschauliche und oft komische Episoden und Geschichten, die sich lohnen, niedergeschrieben zu werden. Ich selbst war fast vierzig Jahre Beamter einer Berufsfeuerwehr und habe in dieser Zeit viele schwere Einsätze - aber auch Unmengen übermütiger und ulkiger Begebenheiten erlebt - oder von solchen gehört.

    Ohne die zum täglichen Leben eines Feuerwehrmannes gehörenden, risikovollen und schrecklichen Einsätze hintenanstellen zu wollen, möchte ich in diesem Buch überwiegend von den zuweil, besinnlich, heiteren oder manchmal auch skurrilen Seiten dieses Berufes berichten.

    Zum Schutz handelnder Personen habe ich einzelne Namen, Titel und Zeiträume sowie diverse Ortsangaben entsprechend verändert.

    Von einigen schriftstellerischen Freiheiten abgesehen, haben sich alle geschilderten Ereignisse so - oder zumindest so ähnlich - tatsächlich zugetragen.

    Erzählt werden die Geschichten von der fiktiven Person

    „Otto Steinmann". Es handelt sich meist um amüsante Erlebnisse von Männern, die (erfahrungsgemäß) genau wissen, wo Spaß aufhört und der Ernst anfängt.

    Eventuell auftretende Übereinstimmungen mit autobiografischen Erlebnissen des Verfassers, sind beabsichtigt.

    Sollte sich der eine oder andere Feuerwehrangehörige oder Betroffene möglicherweise doch wiedererkennen, bitte ich schon jetzt um Nachsicht.

    Otto Witte

    Wie alles anfing

    Meine wahre berufliche Glückssträhne begann damit, dass mein Vater an einem Tag des Spätsommers 1962 mit meiner Mutter einkaufen ging, aber keine besondere Regung verspürte, mit einem Einkaufswagen durch die Gänge des neu eröffneten Supermarktes zu kutschieren, um dort die Preise von Pumpernickel und sauren Heringen gegenüber denen des Tante Emma Ladens in der Johannisbergerstraße zu vergleichen.

    Stattdessen kaufte er sich am Kiosk eine Tageszeitung, setzte sich auf eine Bank, und vertiefte sich in die neuesten Nachrichten aus Stadt und Land.

    Nachdem er selbst die kleinsten Reportagen über diverse Geflügelzuchtvereine, Schützenklubs und Parteien gelesen hatte, und meine Mutter immer noch nicht aus dem Supermarkt aufgetaucht war, nahm er sich, vermutlich aus reiner Langweile, nun die Stellenanzeigen vor.

    Bevor er die Zeitung in dem neben der Bank angebrachten Papierkorb versenkte, trennte er bedächtig die Seite mit den Stellenanzeigen heraus, faltete diese sorgfältig zusammen, und steckte sie in die Innentasche seiner Anzugsjacke.

    Als meine Mutter - bepackt mit zwei schweren Einkaufstaschen – endlich wieder auf der Bildfläche erschien, nahm ihr mein Vater wortlos die Taschen ab, und ging nachdenklich die kurze Strecke zu unserer Wohnung zurück.

    Da Samstag war, die Sonne schien und es herrlich warm war, lag ich nur mit Badeshorts bekleidet, faul auf dem Balkon unserer Wohnung, und schmökerte in Giovannino Guareschis „Don Camillo und Peppone. Ich stellte mir gerade lebhaft vor, wie der „Genosse „Smilzo nach der Methode „a la Togliatti sein Fahrrad abbremste, und wie immer, langewegs im Staub der Bassa landete, als mein Vater in der Balkontür stand und sagte: „Otto komm doch mal ins Wohnzimmer, ich möchte etwas mit dir besprechen.

    Ohne viel Elan erhob ich mich aus dem Liegestuhl und folgte meinem Vater mit ergebenen, nach oben verdrehten Augen, ins Allerheiligste.

    „Was gibt’s den so unaufschiebbares" fragte ich nun doch etwas neugierig geworden.

    Mit eleusinischer Miene, griff mein Vater in die Innentasche seiner Jacke, zog die aus der Tageszeitung herausgerissene und zusammengefaltete Stellenanzeige heraus, legte sie vor mir auf den Tisch und sah mich fragend an. „Und was hältst du davon? Wäre das nichts für dich?"

    Auf einer halbseitigen Anzeige war ein grimmig dreinblickender Feuerwehrmann in einer recht martialisch aussehenden Bekleidung, mit Beil und Helm, neben einem Löschfahrzeug abgebildet.

    Ziemlich konsterniert las ich die Anzeige durch.

    „Die Berufsfeuerwehr sucht bei guter tariflicher Besoldung und besten Aufstiegschancen, harte Männer für den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst."

    Kleingeschrieben war dann noch einiges, über die notwendigen Voraussetzungen, über die ein Bewerber verfügen sollte, zu lesen.

    „Erfolgreicher Schulabschluss, Gesellenbrief eines handwerklichen Berufes, untadeliges polizeiliches Führungszeugnis, sportliche Fitness, umfassende Allgemeinbildung, gute Kenntnisse in Mathematik und Deutsch, schnelle Aufffassungsgabe, technisches Verständnis, Bereitschaft zur Teamarbeit und, und, und…. „Bewerbungen bitte mit Zeugnissen, Lebenslauf und Lichtbild an das Personalamt der Stadtverwaltung."

    „Was soll ich denn bei der Feuerwehr? fragte völlig verblüfft. „Da fragst du noch grunzte mein Vater. „Du hast den Schulabschluss, du hast einen akzeptablen Gesellenbrief als Kraftfahrzeugmechaniker und auch sonst…. Na ja in Mathematik und Sport müsstest du noch ein bisschen nachlegen aber überleg doch einmal – du wärst schließlich Beamter. „Außerdem" - grinste mein Vater schelmig – „du hast geradezu eine traditionelle Verpflichtung zur Feuerwehr zugehen.

    Der eine Opa von dir war bereits Feuerwehrmann, und dein anderer Opa hat im September 1954, als amtierender Landtagspräsident, die 50 jährige Jubiläumsfeier unserer Berufsfeuerwehr eröffnet."

    „Wenn der oberste „Pompier von dieser ungeheuer bedeutsamen Feuerwehrtradition in unserer Familie hört, stellt der mich bestimmt postwendend und ohne Eignungsprüfung als Branddirektor ein wieherte ich halbherzig zurück.

    Doch in der Tat, ich hatte nach der Schule bei einer „silberbesternten" Automobilvertretung das Handwerk des Kraftfahrzeugmechanikers erlernt, und obwohl dies nicht unbedingt mein Traumberuf war, die Gesellenprüfung recht ordentlich hingelegt.

    Auf Anraten meines, von mir sehr geschätzten Berufsschullehrers Oberstudienrat „Eduard Perle" hatte ich zusätzlich zu meiner Kfz-Lehre, in der Abendschule – ebenfalls relativ annehmbar – noch das technische Zeichnen für den allgemeinen Maschinenbau erlernt.

    Trotzdem noch immer äußerst skeptisch stellte ich mich nun in meiner gesamten Herrlichkeit vor meinem Vater in Pose und grunzte: „Papa die suchen harte Männer. Siehst du hier irgendwo einen harten Mann? Ich wiege gerade mal knappe sechzig Kilo, bin Einmeterfünfundachtzig groß und habe ein paar Waden, wie ein notleidender englischer Lord. Die lachen sich doch halb tot, wenn ich dort auflaufe."

    Mein Vater lies sich von meinen Einwendungen jedoch nicht im Geringsten beeindrucken. „Bei der Musterung zur Wehrtauglichkeit warst du genauso rappeldürr, und der Adenauer will dich trotzdem zu den Landesverteidigern einziehen. Außerdem kann dich Mama ja bis zum Einstellungstermin noch mit Hühnerkraftfutter und fettarmer Tütchensuppe auf Vordermann bringen. Dann grinste er spitzbübisch „Im Zweifelsfall kann dich die Feuerwehr ja ausschließlich für Fehlalarme in Bereitschaft halten.

    „Sehr witzig" murmelte ich, versprach aber, mir die Angelegenheit bis Montag zu überlegen.

    Die Sache mit der Feuerwehr ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte sprichwörtlich Feuer gefangen.

    Auf der einen Seite hatte ich eine Heidenangst vor der bestimmt nicht einfachen Einstellungsprüfung, und in Maßen auch vor dem sicherlich oft sehr riskanten Beruf eines Feuerwehrmannes. Auf der anderen Seite war da der jetzige - von mir eigentlich ungeliebte - Broterwerb als Autoschlosser und das angespannte sehr knorriges Verhältnis zu meinem Werkstatt – und ehemaligen Lehrlingsmeister „Georg Kummer".Dann wiederum reizte mich der komplette Neuanfang in einem interessanten und verantwortungsvollen Beruf.

    Ich wurde in meiner Entscheidungsfindung ständig hin - und hergerissen.

    Nach einer unruhigen und traumreich verbrachten Nacht eröffnete ich zur Freude meinen Eltern am Frühstückstisch sehr markig: „Also Kameraden, damit die Bürger unserer Metropole nachts wieder ruhig schlummern können, habe ich mich entschlossen „Feuerwehrmann zu werden.

    „Na dann – Wasser marsch" jubelte mein Vater und köpfte mit Enthusiasmus sein Frühstücksei.

    Noch am gleichen Tag setzte ich mich hin und schrieb die Bewerbung, setzte einen Lebenslauf auf, suchte alle notwendigen Zeugnisse zusammen und legte diesen Unterlagen ein übrig gebliebenes Passfoto von meiner Bundeswehrmusterung dazu. Gleich am Montag wollte mein Vater die Bewerbung mit der Dienstpost an das Personalamt weitergeben.

    Vorerst ging mein Tagesablauf jedoch wie gewohnt weiter.

    Um 5:30 Uhr aufstehen, schnelles Frühstück, Abfahrt um 6:45 Uhr, gegen sieben Uhr setzte mich mein Vater auf dem Weg zu seiner Dienststelle vor der Werkstatt ab. Um 7:30 Uhr begann der Werkstattbetrieb, kurz nach 17:00 Uhr war ich wieder zu Hause. Tag für Tag das gleiche.

    Irgendwie fand ich das furchtbar freudlos und stumpfsinnig und begriff plötzlich, was mein Vater meinte, wenn er von der alltäglichen Tretmühle sprach.

    Obwohl ich zwischenzeitlich einen festen Arbeitsbereich in der Kundendienstabteilung zugeteilt bekommen hatte, die Arbeitskollegen überwiegend angenehm waren, und auch der dort zuständige „Meister Linse" ein freundlicher und verständnisvoller Mann war, wuchs mein Verlangen nach einem Berufswechsel von Tag zu Tag mehr.

    Lehrlingsmeister „Georg Kummer", mit dem ich vom ersten Tag an auf Kriegsfuß stand, und der mir nicht nur wegen seines Namens, durch ständige Schikanen und Frotzeleien das Leben regelrecht versäuerte, war letztendlich an meinem gefassten Entschluss, die Firma zu verlassen, nicht ganz unschuldig.

    So war das eben – ein Gallenröhrling in einem ansonsten leckeren Pilzgericht, kann das beste Menü verderben.

    Dann war es endlich soweit. Im Briefkasten lag ein Briefkuvert mit dem aufgestempelten Absender: „Personalamt der Landeshauptstadt".

    Ungestüm riss ich das Kuvert auf, und las, dass ich mich in drei Wochen zur Ablegung einer theoretischen und praktischen Eignungsprüfung in den Räumen der Hauptfeuerwache Altgasse 6 einfinden sollte. Für den praktischen und sportlichen Teil wäre es erforderlich, Arbeitsanzug, Turnschuhe, Sporthosen und Badehosen mitzubringen.

    Jetzt wo sich die ganze Sache konkret entwickelte, wurde mir trotz meines Enthusiasmus über die nun endlich vorliegende Einladung, am hinteren Ende meines Verdauungstraktes recht mulmig zumute. Wie mein Onkel Paul sich auf gut deutsch ausdrücken würde: „Mir ging der Arsch auf Grundeis."

    *

    Ich hatte mir 20 Tage von meinem Jahresurlaub genommen, um mich sorgfältig und ohne Zeitdruck auf die anstehende Prüfung vorbereiten zu können.

    Für die nächsten vierzehn Tage waren Fernsehen, Kino und alle anderen Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel meine regelmäßigen sonntäglichen Stippvisiten, bei der Jazz Band „The Backtime Blowers" erst einmal gestrichen.

    Auf dem Sportplatz „Großfeld übte ich täglich, den Hundertmeterlauf, Kugelstoßen, Weit- und Hochsprung, drehte auf der ovalen Aschenbahn, wie ein Bekloppter eine Runde nach der anderen, und fuhr jeden dritten Tag ins Stadtwerke - Hallenbad und übte mich in Ausdauer beim Schwimmen und Tauchen. Der dortige Bademeister Hans Germus - wegen seiner beachtlich athletischen Figur auch „Stadtwerke Tarzan genannt - gab mir immer wieder nützliche Anleitungen bezüglich meiner, doch etwas unausgereiften Schwimm – und Tauchtechnik.

    Ansonsten stand Mathematik und Deutsch auf dem täglichen Übungsprogramm. Besonders die verteufelten Textaufgaben machten mir immer wieder schwer zu schaffen.

    Als mein Vater mich dann noch veräppelte, und mir die Aufgabe stellte: „Eine Diesellok verbraucht von X bis nach Y vier Tonnen Koks, was kosten dann in Mainz vier Zentner Handkäse?" blieb mir das Lachen sprichwörtlich im Hals stecken.

    „Mach doch den Bub nicht zappeliger als er schon ist meckerte meine Mutter und schob dann nach: „Apropos Handkäse, im Konsum ist der Schichtkäse momentan um 20% heruntergesetzt. Otto spring doch mal hin und besorge mir davon sechs Packungen und vergiss nicht wieder, dir die Rabattmarken ins Heftchen kleben zu lassen. Genervt sagte ich „Ja- ha" und spurtete kurz vor Ladenschluss noch zum Konsum.

    Auf dem Rückweg versuchte ich im Kopf auszurechnen, wie viel Haushaltsgeld meine Mutter gespart hätte, wenn sie bei 20% Rabatt statt sechs Packungen Schichtkäse – siebenhundertfünfzig Rationen ergattert hätte.

    Als ich meinem Vater das Resultat meiner Haushaltskonsolidierung erklärte, rechnete er nach, nickte dann beeindruckt, meinte aber grinsend: „Du Held, kannst du mir mal erzählen, was wir mit siebenhundertfünfzig Packungen Schichtkäse anfangen sollen?"

    Dann geh – und mach es ebenso….

    Obwohl ich erst um 7:30 Uhr zur Eignungsprüfung erscheinen sollte, stand ich bereits eine dreiviertel Stunde früher vor dem roten Backsteingebäude „Altgasse 6" in dem die Feuerwehr untergebracht war.

    Ich legte meine Hände links und rechts neben die Augen und versuchte, durch die schmalen Scheiben der drei großen halbrunden Tore, einen Blick in die Fahrzeughalle zu werfen.

    Trotz der noch gegenwärtig frühmorgendlichen Dämmerung konnte ich, dank der eingeschalteten Orientierungslampen, die drei bulligen, rotweiß lackierten Feuerwehrfahrzeuge recht gut erkennen. Links und rechts standen zwei Magirusfahrzeuge und in der Mitte stand die große Metz/ Mercedes Drehleiter, die für mich prompt den wesenhaften Inbegriff eines Feuerwehrfahrzeuges darstellte.

    Ich trat wieder auf den Gehsteig zurück und besah mir das Gebäude, das wenn alles gut ging, demnächst mein neuer Arbeitsplatz sein würde.

    Neben der Fahrzeughalle befand sich der Haupteingang zum Gebäude, angrenzend führten zwei weitere Tore in den Innenhof der Feuerwache. Hinter drei weiteren zur Altgasse führenden Toren, waren hintereinander in Doppelreihe noch eine Anzahl andere Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr abgestellt.

    „Ganz schön eng der Laden dachte ich für mich und besah mir die über dem Hoftor in die Mauerzinnen eingelassenen Mosaiken. Das Stadtwappen erkannte ich sofort. Die vier anderen, aus farbigem Glas gefertigten Mosaiken, entschlüsselte ich nach einigem Überlegen als die vier Elemente „Feuer, Wasser, Erde und Luft.

    Von meiner Oma hatte ich erfahren, dass die Feuerwache irgendwann zwischen 1893 und 1901 geplant, gebaut und bezogen wurde. Direkt neben der Hauptfeuerwache war damals, in einem separaten Gebäude, noch das Akzise - und Leihamt (Amt für Zoll Verbrauchssteuern) untergebracht und war durch das überbaute und mit Zinnen bewehrte Hoftor mit dem Trakt der Feuerwache verbunden…..

    Eine Lautsprecherstimme riss mich augenblicklich aus meinen Gedanken.

    „Achtung – Alarm für Löschzug – Feuermelder Stiftstraße"

    Dann folgte ein schrilles, sich immer wiederholendes, rhythmisches Klingelsignal, Füßegetrappel, Türenschlagen und schon bullerten die Dieselmotoren der Feuerwehrfahrzeuge los und irgendeine Stimme brüllte nach der Anfahrtsdepesche. Bereits wenige Sekunden später schnellten die drei Hallentore auf, und knallten mit Getöse gegen die gemauerten Torpfosten.

    Zwei Männer sprangen mit erhobenen Polizeikellen auf die Straße und stoppten den Verkehr in beide Richtungen der Altgasse. Langsam schob sich die Motorhaube des ersten Feuerwehrfahrzeugs auf die Straße, um dann mit steigender Geschwindigkeit in Richtung Friedrichstraße abzubiegen. Der nach vorn weit überstehende Leitersatz der Drehleiter rasierte haarscharf an dem gegenüber der Ausfahrt angebrachten Reklameschild einer Kohlenhandlung vorbei und folgte dann zügig dem ersten Fahrzeug.

    Als das dritte Fahrzeug an mir vorbei fuhr, sah ich für einen Augenblick die angespannten Gesichter der darin sitzenden Feuerwehrleute. Einer von ihnen nestelte an der Bebänderung seines Helmes, der Fahrzeugführer hatte den Hörer des Funkgerätes am Ohr und sprach irgendetwas in das Mikrofon und ein anderer wiederum rüstete sich mit einer am Fensterholm hängenden Handlampe aus.

    In den Schaufenstern der gegenüberliegenden Kaufläden spiegelten sich schemenhaft die blitzenden Blaulichter wieder, und die eingeschalteten Martinshörner und Glocken der ausrückenden Fahrzeuge verstärkten sich an den Wänden der dicht beieinanderstehenden Häuser, zu einem durch Mark und Bein gehenden, ohrenbetäubenden Getöse.

    Aus dem in unmittelbarer Nähe befindlichen 1.Polizeirevier war zwischenzeitlich ein Polizeibeamter herausgespurtet, hielt den Verkehr in der Friedrichstraße auf, und winkte mit

    schwungvollen parallelen Armbewegungen, die jetzt andonnernden Feuerwehrfahrzeuge aus der Altgasse heraus. Schon war „Lützows wilde verwegene Jagd" in der Friedrichsraße verschwunden. Von Weitem hörte ich nur noch die nun leiser werdenden Martinshörner und das durchdringende Gerassel der zusätzlich eingeschalteten Signalglocken. Die Tore der Fahrzeughalle waren bereits wieder geschlossen und es herrschte wieder Ruhe - gerade so, als ob nichts geschehen wäre. Das ganze Spektakel hatte nicht länger als zwei – höchstens jedoch drei Minuten gedauert. Das sollte also mein neuer Beruf werden. Plötzlich hatte ich doch ein bisschen Muffe davor.

    Zwischenzeitlich trudelten immer mehr Prüfungsaspiranten vor dem Haupteingang ein – deutlich zu erkennen an den mitgeführten Sporttaschen und der nervösen, abwartenden Haltung.

    Ich besah mir argwöhnisch und möglichst unauffällig meine zwölf Mitbewerber. Da waren richtige Hagestolze mit ausgeprägten athletischen Figuren dabei, denen ich mit meinen mickerigen sechzig Kilo, sicher nicht einmal halbwegs das Wasser reichen konnte. Ob ich da überhaupt noch eine Chance hatte? Ich war mir meiner Sache gar nicht mehr so sicher. Dann dachte ich wieder daran, was mein Vater mir an diesem Morgen mit auf den Weg gegeben hatte. „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Bub, du hast dich für diese Prüfung gut vorbereitet. Lass dich also von nichts und niemanden ins Bockshorn jagen. Stell dir die Männer der Prüfungskommission einfach in ausgebeulten langen, grauen Unterhosen vor, – du wirst sehen, wie schnell du dann deine Nervosität verlierst."

    Zwischenzeitlich war ich mit dem einen oder anderen Mitbewerber ins Gespräch gekommen. Dabei wurden erst einmal sehr zurückhaltend gegenseitig Namen ausgetauscht, Berufe erfragt und nach den Gründen der Bewerbung geforscht. Da war so ziemlich alles vertreten:

    Maler, Uhrmacher, Friseur, Schuhmacher, Schreiner, Maschinenschlosser, Bauschlosser, Bäcker, Technische Zeichner, Lockführer, Berufskraftfahrer und Kraftfahrzeugmechaniker. Selbst ein, auf Sardinien stationierter Stabsunteroffizier der Luftwaffe und ein Polizeibeamter waren dabei.

    Einige der Mitprüflinge waren mir vom ersten Augenblick an sympathisch – andere wiederum weniger.

    Einer von den „Netten war „Gottfried Seifersdorf.

    Gottfried ein kleiner, stämmiger, schwarzhaariger Bursche, etwa in meinem Alter, war ständig am lachen und am Possen reißen. Vielleicht war es auch nur Galgenhumor.

    Als ich ihn fragte: „Was warst du denn, bevor du dich entschlossen hast Feuerwehrmann zu werden? antwortete er grinsend: „Da war ich noch normal.

    Pünktlich um 7:30 Uhr kam ein Feuerwehrmann in blauem Dienstanzug mit drei silberner Streifen auf dem Jackenärmel, einer silbernen Kordel an der schräg sitzenden Schirmmütze und einem sehr wichtigen Gesicht vor die Tür und donnerte: „Mein Name ist Brust - Brandmeister Brust." Dabei rollte er das r in den Worten Brandmeister und Brust besonders kräftig. „So jetzt kennt Ihr mich und diejenigen, die ihre heutige Einstellungsprüfung bestehen, werden mich später dann erst richtig kennenlernen. Dann forderte er uns in einem markigen Befehlston auf: „So Ihr schlappen Komiker, folgt mir jetzt mal unauffällig in den Lehrsaal - und zwar in alphabetischer Reihenfolge, nach Körpergröße und mit kurzen schnellen Schritten. „Mahlzeit" dachte ich, das kann ja heiter werden.

    Nachdem ich mir diesen großen beleibten Mann - mit der rot durchäderten Knollennase - in langen grauen und an den Knien ausgebeulten Unterhosen vorstellte, musste ich zwar innerlich feixen, aber mein Bammel vor der Prüfung war immer noch mehr als präsent. Als wir dann gemeinsam, im Gänsemarsch hinter dem Brandmeister, den gepflasterten Innenhof durchquerten, wurde ich augenblicklich an eine Szene aus dem Spielfilm „Schinderhannes" mit Curd Jürgens erinnert, als dieser im scharlachroten Büßergewand - gemeinsam mit seinen verurteilten Spiesgesellen - in Mainz zur Hinrichtungsstätte geführt wurde.

    Bei diesem Hirngespinst verspürte ich unwillkürlich ein fieses eingeengtes Gefühl im Bereich meines bereits durch meine Krawatte zugeschnürten Halses.

    Im Lehrsaal angekommen, wurden wir nun von Brandmeister Brust mit den „feinfühligen Worten: „Hier sind die dreizehn morschen Pfeifen an die bereits anwesende vierköpfige Prüfungskommission übergeben.

    Einer der Prüfer schüttelte verärgert den Kopf und knurrte: „Hermann du bist ja heute wieder mal besonders einfühlsam."

    Brandmeister Hermann Brust grinste mit weit nach unten gezogenen Mundwinkeln, ohne dass dabei nur die Spur eines Lächelns seine Augen erreichte. „Gerd du weist doch, in Fachkreisen nennt man mich auch Hermann das Sensibelchen."

    Als Brandmeister Brust mit abgespreizten Armen und vorgestrecktem Bauch aus dem Lehrsaal watschelte, brummte der verärgerte Prüfer leise vor sich hin: „Hermann, du bist und bleibst ein blasiertes und ungehobeltes Arschloch."

    Da ich direkt in der Nähe stand, hatte ich die zweifellos nicht für meine Ohren bestimmten Worte dennoch deutlich verstanden.

    Bei mir drängte sich der leise Verdacht auf: „Die Zwei können sich anscheinend nicht besonders gut leiden. Und Gottfried feixte: „Ich dachte immer, Beamte würden sich vornehmer ausdrücken. Hoffentlich ist das nicht die allgemeine Umgangssprache in diesem idealistischen Laden „Nein, sicher nicht tuschelte ich zurück, „Wahrscheinlich hat diese aufgeblähte Brust, vom letzten Einsatz noch ein paar Liter Löschwasser im Ohr.

    Als nun eine goldbetresste Autorität in schneidiger Haltung und Schweißperlen auf der Oberlippe in der Tür erschien, wurde es augenblicklich ruhig im Saal. „Oh je, auch noch ein Goldfasan grunzte Gottfried - jetzt doch etwas kleinlaut. Der Goldfasan, der die Einstellungsprüfung leiten sollte, wurde uns nun, - von dem ebenfalls anwesenden Personalratsvorsitzenden – als der stellvertretende Amtsleiter der Feuerwehr - Brandoberinspektor „Abietat vorgestellt.

    Nun wurden wir sehr höflich aber bestimmt aufgefordert unsere bereits festgelegten Sitzplätze einzunehmen.

    Nach der offiziellen Begrüßung durch den Prüfungsvorsitzenden wurden uns schließlich und endlich, auch die anderen Mitglieder der Prüfungskommission, mit Namen und Dienstgrad, bekannt gemacht.

    Danach erfolgte ein ausführlicher Check von persönlichen Daten, und Brandoberinspektor Abietat ermahnte uns noch eindringlich, beim Lösen der Prüfungsaufgaben keine Rechenschieber, Spickzettel, Formelsammlungen oder ähnliche Hilfsmittel zu verwenden. Bei Zuwiderhandlung ist für den Flagranten die Prüfung dann postwendend und ohne Gnade beendet.

    Um ein Abschreiben zu vermeiden, wurden zwischen jedem Prüfling immer zwei Plätze freigehalten.

    Ich dachte nur: „Mein lieber Scholli, die sind hier aber kleinlich."

    *

    Nach dem Aufsatz „Die Aufgaben der Stadtverwaltung" dem schriftlichen Nacherzählen eines zuvor vorgelesenen Zeitungsartikels über einen Großbrand in Fulda, einem kurzen Diktat und dem Lösen von zwanzig einfachen bis schweren Aufgaben aus Mathematik und Geometrie war, nach genau zwei Stunden, der theoretische Teil der Prüfung beendet.

    An den sorgenvollen blasswangigen Gesichtern einiger meiner Mitbewerber konnte ich deutlich erkennen, dass sie mit ihrer abgegebenen Leistung nicht unbedingt glücklich waren.

    Höchstwahrscheinlich dachten die anderen das gleiche von mir. Obgleich ich mit den gestellten Aufgaben ganz gut zurande gekommen war - wie ein strahlender Sieger sah ich zweifellos aber auch nicht aus.

    Vor dem

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