A. Hofer: Heldinnengeschichten
By Ursula Aichner and Bernhard Aichner
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About this ebook
In ihren Texten und Fotografien spüren Ursula und Bernhard Aichner den Heroinen unserer Zeit nach und geben ihnen ein Gesicht. Ohne Zwang und Vorbehalt rücken sie den traditionellen Heldenkult ins rechte Licht und machen deutlich, dass modernes Heldentum weniger in der Tat, als vielmehr in ihrer mediengerechten Inszenierung besteht.
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Book preview
A. Hofer - Ursula Aichner
13
01
Das Baby war gesund, wir waren glücklich. Es kam im Sommer, vier Stunden war es unterwegs, er war dabei, unterstützte mich, er war alles, was sich eine Frau wünscht von einem Mann. Björn war wunderbar. Das Baby auch.
Er nahm sich zwei Wochen Urlaub, er wollte sich um mich kümmern, um das Kind, kein Hotel, keine Arbeit, nur wir. Er war nur für uns da. Es hätte nicht schöner sein können, das Baby auf seinem Bauch, wie sie beide neben mir schliefen, wie gut sie beide rochen, mein Mann, meine Tochter, Andrea.
Er wollte, dass sie nach mir heißt, er sagte, das müsse man weitergeben, so eine Gelegenheit dürfe man nicht auslassen. Ich verstand ihn nicht. Er wollte es unbedingt, er hatte mich auf Knien darum gebeten, er hatte mir die Welt versprochen dafür. Jetzt heißt sie Andrea Hofer, so wie ich, jetzt heißt sie so wie der Mann, der meinen Ehemann in den Irrsinn trieb. Ihr Name wird mich immer daran erinnern. Dass wir zerbrochen sind, dass wir ihn verloren haben an einen Toten, Björn.
Er war nicht immer so, er hätte sich niemals auf all das eingelassen, hätte nichts davon getan, er hätte darüber gelacht, früher. Als ich ihn kennenlernte, machte er sich lustig über all das, über Männer mit Bart, über Trachten und Schützen, es tat ihm leid, dass durch die Hochzeit aus mir eine Andrea Hofer wurde, wie oft hatte er darüber gelacht, dass er Björn heißt, dass man diesem Tirolischen etwas knackig Schwedisches entgegengesetzt hatte. Er war seinen Eltern immer dankbar dafür gewesen, seinem Vater, der die Traditionalisten gehasst hatte. Das sagte er immer. Dass es ganz anders war, bemerkte ich zu spät.
Irgendwann hat sich alles verändert, schleichend kam es in unsere Beziehung, hat ihn kaputt gemacht, wie ein Wurm, der in ihn hineinkroch und ihn von innen auffraß, ihn einnahm, ihn blind machte. Irgendwann sah er mich nicht mehr, auch das Baby nicht. Ich musste zusehen, konnte nichts tun, ich habe ihn nicht aufhalten können, er ließ sich nicht helfen, er ist immer tiefer gefallen. Stück für Stück, Woche für Woche, immer mehr veränderte er sich.
Als das Baby kam, fing es an. Vorher hatte er nur darüber geredet, mit Freunden in der Bar, er hat Zeitung gelesen, die Berichte über das bevorstehende Gedenkjahr, nichts weiter. Als das Kind kam, hat er die Bücher gekauft. Zuerst eines, eine Biographie, er wollte wissen, worum es da eigentlich geht, er sagte, er wolle sich endlich eine eigene Meinung bilden. Vielleicht hätte ja sein Vater Unrecht gehabt mit seinem Abscheu gegen diese Heldenverehrung und es wäre alles gar nicht so schlimm, sagte er, es sei wichtig für ihn, dem nachzugehen, es ginge auch um ein Stück Abnabelung, sagte er, nicht nur um den Freiheitskampf, nicht nur um Hofer.
Er war begeistert, ich lag im Wochenbett. Ich stillte, er las das Buch. In den Stillpausen erzählte er mir über Südtirol, über Hofer, über den Aufstand vor zweihundert Jahren. Zuerst belustigt, aber von Tag zu Tag ernster. Je tiefer er eintauchte in die Lektüre über diesen Wahnsinnigen, desto stiller wurde er. Als ich aus dem Krankenhaus kam, lagen dutzende Bücher im Wohnzimmer herum, überall war dieses bärtige Gesicht, überall war Andreas Hofer. Er las alles, was es zu lesen gab über ihn, jedes Detail, alles, was er in die Finger bekam. Er sprach davon, dass irgendwo in diesen Büchern seine Wurzeln seien, dass er nicht zufällig Hofer heiße, dass er sich geirrt habe, dass es ihm leid tue, dass er sich früher lustig gemacht hatte über ihn. Er redete ununterbrochen von ihm, dem Sandwirt, dem Tiroler Landesvater, mit jedem, der ihm zuhörte.
Wochen vergingen. Er hatte kaum Zeit für uns, er arbeitete, kam nach Hause und verschwand in seinem Zimmer, um zu lesen. Als ich ihm vorwarf, dass ich mich im Stich gelassen fühle, antwortete er nichts, las weiter, nickte nur, er war abwesend, seine Tochter interessierte ihn nicht, nur Hofer. Andreas Hofer, der Südtiroler Freiheitsheld, der Mann, der sich Napoleon entgegenstellte, der eine Horde Bauern anführte und Siege über die Franzosen errang, der Mann, der tausende in den Tod führte, dieser Mann faszinierte ihn. So sehr, dass er alles um sich herum zu vergessen begann. Er vernachlässigte alles. Er wurde anders. Nicht nur, dass er sich nicht mehr rasierte. Er lachte nicht mehr, war nicht mehr ausgelassen, er war irgendwo, wo ich nicht hinkam, bei dem Mann, über den er sich ein Leben lang lustig gemacht hatte, bei dem Erzfeind seines Vaters, er beschäftigte sich nur noch mit ihm, in jeder freien Minute.
Ich weiß bis heute nicht genau, warum das alles passiert ist, warum er einfach verschwunden ist, weg ist von mir, mich allein gelassen hat. Ich nehme an, wegen seinem Vater, dass er es wegen ihm getan hat, dass er sich gegen ihn stellen wollte. Björn wollte nicht darüber sprechen, nie. Ich dachte immer, er hätte ihn geliebt, ihn verehrt, den alten Mann. Hatte er nicht. Andrea kam zur Welt und etwas veränderte sich, sie löste etwas aus in ihm, kehrte etwas um, sie hat ein Licht in ihm angemacht. Plötzlich, einfach so, war alles heller, als es sein sollte.
Der Bart wuchs. Er weigerte sich, ihn zu schneiden, sich zu rasieren, er ignorierte meine Bitten, er bestand darauf, redete von Hofer, immer von Hofer, Geschichten über ihn, Bilder von ihm. Er klebte eines an den Kühlschrank, eines ins Bad, irgendwann hing er überall. Ich habe ihn gebeten, darauf zu verzichten, er hat nein gesagt. Ich habe ihn gebeten, sich zu rasieren, er hat nein gesagt. Er hat sich zurückgezogen von mir, mich nicht mehr gehört, sich nicht mehr für mich interessiert, mich nicht mehr berührt, gar nichts mehr.
Ich war mit dem Kind allein, er war bei der Arbeit oder in seinem Zimmer, er lag auf der Couch und las, er war bei mir, aber ich war trotzdem allein. Wir waren nicht mehr wichtig für ihn, nicht die kleinen Hände und Füße von Andrea, nicht ihre Augen, ihre Nase, der kleine Mund, nichts von ihr, nichts von mir. Nicht die Laute, die aus ihrem Mund kamen, nicht meine Brüste, ihre Lippen.
Er hat nichts bemerkt, nicht gesehen, wie alles kaputtging, er hat nur den Kopf geschüttelt, gesagt, er müsse lesen, er müsse noch mehr herausfinden über Hofer, über diesen dämlichen Freiheitskampf, über Südtirol, über die Schlachten, die Waffen, über die politischen Zusammenhänge. Ich sprach ihn an, ich legte ihm die Hand auf die Schulter, ich umarmte ihn, ich hörte ihm zu, ich flehte ihn an. Er verschwand im Arbeitszimmer. Ich habe geklopft, er hat nicht aufgemacht. Die Arbeit im Hotel vernachlässigte er, Dinge blieben liegen, das Personal begann sich zu beschweren. Er interessierte sich für nichts mehr, irgendwann blieb er einfach zuhause, ging nicht mehr zur Arbeit. Er sperrte sich in seinem Zimmer ein, als ich ihn drängte, sich wenigstens um das Geschäft zu kümmern. Er sagte, dass das jetzt nicht wichtig sei, dass ich mir keine Sorgen machen müsse, dass alles gut werden würde, dass er diese Zeit jetzt für sich brauchen würde, dass ich ihn verstehen solle. Er sagte es, schob mich aus dem Zimmer und schloss ab. Ich hörte, wie Andrea im Kinderzimmer weinte und wie sich der Riegel im Schloss bewegte.
Als Andrea vier Monate alt war, kaufte er sich die Tracht. Er war für zwei Wochen in Südtirol, er wollte den Gasthof sehen, in dem Hofer gelebt hatte, er wollte auf die Alm, wo sie ihn verhaftet hatten, er wollte nach Mantua, er wollte der Geschichte weiter nachspüren, wie er sagte. Er fühle sich mit Hofer verbunden, sagte er. Ich schüttelte den Kopf. Es war ihm egal, er bemerkte es nicht einmal.
Die Buchungen im Hotel gingen zurück, Björn kümmerte sich um nichts, keine Werbung, keine Verträge mit Reiseveranstaltern, nichts. Nur Andreas Hofer. Ich bat ihn, nicht zu fahren, ich bat ihn, uns mitzunehmen, sich Zeit für uns zu nehmen. Er fuhr. Ich bat ihn zurückzukommen, ich weinte ins Telefon, die Taufe von Andrea stand bevor. Er würde sich freuen, flüsterte er ins Telefon, er sei glücklich, er habe endlich begriffen, wer er sei, was seine Bestimmung sei, was er tun müsse. Er sagte, ich müsse nicht weinen, alles würde gut werden.
Als er aus Südtirol zurückkam, war er überglücklich, er nahm mich in den Arm, von einer Überraschung sprach er, ich solle mich ins Wohnzimmer setzen, seine Augen leuchteten. Er verschwand im Schlafzimmer. Ich dachte, er wäre wieder bei uns. Ich wartete auf ihn, ich wollte, dass er mich in seine Arme nahm, Andrea schlief auf meinem Schoß. Ich sollte die Augen zumachen, als er wieder in den Raum kam, er würde sich zuerst in Position bringen. Ich hatte meine Augen geschlossen, ich hoffte auf ein kleines Wunder, ich dachte, er hätte sich rasiert, hätte den Bart aus seinem Gesicht gerissen. Ich dachte, dass alles wieder gut sein würde. Ich machte meine Augen auf. Ich schaute ihn an.
Björn hatte sich von einem Passeirer Bauern für fünftausend Euro diese Uniform gekauft, diese hässliche, stinkende Uniform, original aus der Zeit, hatten sie ihm versprochen. Er stand vor mir. Wie stolz er war, wie groß seine Augen waren, sein Mund, wie er lächelte. Wie ich ihn anstarrte. Hut,