Arabellion: Der Aufbruch der arabischen Welt
()
About this ebook
Read more from Frankfurter Allgemeine Archiv
Die Schönheit der Zahlen: Die Ordnung der Welt durch den menschlichen Geist Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsRenovieren, aber richtig: Ratgeber für eine sinnvolle Haussanierung Rating: 5 out of 5 stars5/5Hobbits, Elben, Zauberringe: Die Welt des J.R.R. Tolkien Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFrankfurt am Main: Zwischen Goethe-Klassik und Bankenhauptstadt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHelmut Schmidt: Macht und Eleganz Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Erste Weltkrieg: Debatten und Materialien. Die besten Beiträge aus F.A.Z. und Sonntagszeitung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFührung im Unternehmen: Erfolgsfaktoren und Fehlerquellen Rating: 0 out of 5 stars0 ratings1945: Die letzten Kriegswochen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Zukunft der Arbeit: Digitalisierung, Automatisierung, KI Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsReiselesebuch Provence - Côte d'Azur Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHirnforschung: Das Abenteuer unseres Bewusstseins Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Kraft des Geistes: Wie das Gehirn uns denken, lernen und kreativ sein lässt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDenken 3.0: Von der künstlichen Intelligenz zum digitalen Denken Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGrüne Gentechnik: Mutanten im Kochtopf oder Lösung des Welternährungsproblems? Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZerfällt Europa: Die Europäische Union in Ihrer größten Krise Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBrennpunkt Bildung: Defizite in KiTa, Schule, Universität Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBlick in die Zukunft: Trends und Szenarien für die Welt von morgen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsElisabeth II.: Sechzig Jahre Hofbericht in F.A.Z. und Sonntagszeitung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGefühle: Die Macht, die uns steuert Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWladimir Putin: Vom KGB-Agenten zum starken Mann Russlands Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTrump – Die Halbzeitbilanz: Ist Amerika schon ein bisschen größer? Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Feuer brennt: Olympische Geschichten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie besten Filme 2012: Ausgewählt von der F.A.Z.-Redaktion Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie populistische Internationale: Rechte Parteien im Kampf um die Macht Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie gespaltene Nation: Die Vereinigten Staaten im Dauerkrisen-Modus Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAuf Siddhartas Spuren: Reisen zu den heiligen Stätten des Buddhismus Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVolkes Stimme: Direkte und repräsentative Demokratie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsOstsee: Reiselesebuch Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer moralische Imperativ: "Political Correctness" – Schein und Wirklichkeit in Politik, Recht, Wirtschaft und Kultur Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related to Arabellion
Related ebooks
Krieg und Chaos in Nahost: Eine arabische Sicht Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer "Islamische Staat": Historische und politische Dimension Rating: 5 out of 5 stars5/5Wiederkehr der Hasardeure: Schattenstrategen, Kriegstreiber, stille Profiteure 1914 und heute Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMichael Bakunin und die Anarchie: Der Weg eines Revolutionärs Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Falle des Kalifats: Der Islamische Staat oder die Rückkehr der Geschichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIdentitäten im Konflikt: Palästinensische Erinnerung an die Nakba 1948 und deren Wirkung auf die dritte Generation Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKim: Nordkoreas Diktator aus der Nähe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZwischen Lügenpresse und Fake News: Eine Analyse Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsErdogan: Die kritische Biografie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer freie Markt und seine Feinde Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Große Mauer in den Köpfen: China, der Westen und die Suche nach Verständigung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJahre der Entscheidung: Deutschland und die weltgeschichtliche Entwicklung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWachablöse: Auf dem Weg in eine chinesische Weltordnung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPutin verstehen?: Russische Außen- und Sicherheitspolitik der Ära Wladimir Putin Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMenschenrechte als Alibi: Die Nahostpolitik des Westens muss glaubwürdig werden Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSirenen des Krieges: Diskursive und affektive Dimensionen des Ukraine-Konflikts Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Ukraine im Krieg: Hinter den Frontlinien eines europäischen Konflikts Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer allgegenwärtige Antisemit: oder die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsCHINA. Wie ich es sehe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsÖkonomik als Wissenschaft und die Methode der Österreichischen Schule Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHadschi Murat (Das letzte Meisterwerk von Tolstoi): Lew Tolstoi: Chadschi Murat Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDeutschland gehört auf die Couch: Warum Angela Merkel die Welt rettet und unser Land ruiniert Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Nahe Osten geht nicht unter: Die arabische Welt vor ihrer historischen Chance Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJiyaneke din – ein anderes Leben Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Reise zum Goldenen Apfel: Eine gemeinsame Geschichte von Orient und Okzident Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsNATO-Aufmarsch gegen Russland: oder wie ein neuer Kalter Krieg entfacht wird Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHöhe- und Wendepunkte deutscher Militärgeschichte: Von Leuthen bis Stalingrad Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWir und die Russen: Die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau im Herbst ´89 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDeutsch-Ostafrika: Geographie und Geschichte der Colonie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBrennpunkt Ukraine: Gespräche über ein gespaltenes Land Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
World Politics For You
Putin. Ein Verhängnis: Wie Wladimir Putin Russland in eine Despotie verwandelte und jetzt Europa bedroht Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTaksim ist überall: Die Gezi-Bewegung und die Zukunft der Türkei - Nautilus Flugschrift (Solidaritätsausgabe) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDeutschland entgleist: Wie sich eine Gesellschaft selbst ruiniert Rating: 1 out of 5 stars1/5Macht in der Mitte: Die neuen Aufgaben Deutschlands in Europa Rating: 4 out of 5 stars4/5Putin verstehen?: Russische Außen- und Sicherheitspolitik der Ära Wladimir Putin Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTransit 47. Europäische Revue: Russland Nacheuropa Religion Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTransit 35. Europäische Revue: Europäische Gedächtnispolitik Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIn the service of the 13th and 14th Dalai Lama: Choegyal Nyima Lhundrup Kashopa - Untold stories of Tibet Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFast ganz normal: Unser Leben in Israel Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBrennpunkt Balkan: Blutige Vergangenheit - Ungewisse Zukunft Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie globale Befreiung von Angst und Gewalt: Ein Heilungsplan für die Erde Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTheorie der bipolaren Welt:Der Weg zum Kommunismus in der evolutionären Struktur der Weltgeschichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIm Kreuzfeuer: Am Balkan zwischen Brüssel und Belgrad Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related categories
Reviews for Arabellion
0 ratings0 reviews
Book preview
Arabellion - Frankfurter Allgemeine Archiv
978-3-89843-163-7
Vorwort
Ein Aufstand, den niemand kommen sah
Die Arabellion kam unerwartet, niemand hatte den Aufstand der arabischen Massen auf der Agenda. Die Autokraten Arabiens, so schien es, herrschten ewig, gleichsam Naturgesetzen folgend; dies schien auch der politischen Stabilität dieser unruhigen Region zu dienen, in der Islamisten und Dschihadisten immer wieder Terroranschläge verübten. So sah das auch der Westen, allen voran die Amerikaner: Sollten doch lieber Diktatoren dort herrschen als die islamischen Eiferer.
Doch Mohammed Bouazizi strafte diese Kalküle Lügen: Als sich der junge Tunesier am 17. Dezember 2010 in der Stadt Sidi Bouzid aus Protest gegen staatliche Schikanen anzündete, konnte niemand ahnen, dass dies auch der Zünder für einen Umbruch sein würde, der bis heute fortdauert und die gesamte nahöstliche und nordafrikanische Region in Aufruhr versetzte – mit unterschiedlicher Intensität allerdings. Auf den Sturz des tunesischen Präsidenten Zine al Abidine Ben Ali folgte der des Ägypters Husni Mubarak. Eines regelrechten Krieges mit Beteiligung der Nato bedurfte es, um Oberst Gaddafi vom libyschen Thron zu stoßen. Auch der jemenitische Präsident Ali Abdullah Salih musste die Macht abgeben, und in diesen Tagen hat sich der Syrer Baschar al Assad eines bewaffneten Aufstands zu erwehren, dessen Ausgang ungewiss ist. Aus einer Protestbewegung vornehmlich der Jugend, die um Ausbildungs- und Arbeitsplätze bangte, die nach Menschenwürde verlangte, sind in Libyen, im Jemen und in Syrien Gewaltorgien mit vielen tausend Toten geworden. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Ende dessen, was man die »orientalische Despotie« genannt hat. Insgesamt ist keines der 22 arabischen Länder von der Unruhe verschont geblieben, was zeigt, dass hier ein welthistorischer Wandel im Gange ist. Einige Staaten, wie Marokko, Jordanien, Saudi-Arabien, Kuweit oder Oman, reagierten mit mehr oder minder großen Zugeständnissen oder mit Geld auf die Herausforderung. Im kleinen Golf-Königreich Bahrein wurde der Aufstand vornehmlich der Schiiten einstweilen blutig niedergeschlagen.
Wo die Despoten schon gestürzt sind, ist eine schwierige Neuordnung im Gange. Säkulare Kräfte werden durch religiöse Elemente herausgefordert, die durch das Ende der Unterdrückung aus der Illegalität auftauchen konnten. Nun prallen beide, wie in Tunesien und Ägypten, aufeinander. Gewachsene demokratische Strukturen fehlen und müssen erst erarbeitet werden. Und wie bei anderen Revolutionen auch, vermag niemand anzugeben, wie die Reise weitergehen und wo sie einmal enden wird.
Die hier versammelten Berichte, Reportagen und Analysen aus der F.A.Z. und der F.A.S. spiegeln die Ereignisse der wichtigsten Schauplätze der Arabellion wider. Sie währt nun schon länger als eineinhalb Jahre und wird voraussichtlich auch noch viele Jahre andauern.
Wolfgang Günter Lerch, Nordafrika- und Nahost-Redakteur im Politik-Ressort der F.A.Z., im Juli 2012
I.
Wie das heutige Arabien entstand
Der Tragische
»Lawrence von Arabien« ist eine der Schlüsselfiguren der nahöstlichen Konflikte
Von Wolfgang Günter Lerch
Im Jahre 1961 drehte der britische Regisseur David Lean »Lawrence von Arabien«. Er sei nicht sicher gewesen, sagte er später, ob dieser Film über den Führer des arabischen Aufstandes überhaupt Erfolg haben werde, denn es komme nicht eine einzige Frau darin vor – von einer Liebesgeschichte ganz zu schweigen. Eine reine Männerwelt wurde dem Kinobesucher dreieinhalb Stunden vorgeführt. Doch der Film wurde Kult, und zwar so sehr, dass man bisweilen glaubte, der echte, kleinwüchsige Thomas Edward Lawrence habe so ausgesehen wie der attraktive, hochgewachsene Peter O’Toole, der ihn verkörperte.
Lawrence von Arabien war ein zerrissener, tragischer Held. Selbst in seiner englischen Heimat ist er inzwischen umstritten. Den hagiographischen Darstellungen nach dem Ersten Weltkrieg und nach seinem tragischen Unfalltod mit dem Motorrad 1935 folgten äußerst kritische Blicke auf seine Rolle im Nahen Osten. Heute hat sich das Urteil auf eine »mittlere« Linie eingependelt: Lawrence war zwar ein bedeutender Mann, doch charakterlich schwierig. Am wenigsten umstritten ist noch sein Rang als Schriftsteller. Seine »Sieben Säulen der Weisheit« sind, nach Winston Churchill, eines der größten Bücher der englischen Literatur im zwanzigsten Jahrhundert. Sein Autor aber – ein Schöpfer eigener Mythen, ein Phantast, ein Lügner gar, eine gefährliche Mischung aus Geist- und Tatmensch. Lawrence schuf eine Prosafassung der Odyssee, war beschlagen in antiker Philosophie und mittelalterlicher Architektur, konnte aber auch Schnellboote konstruieren.
Die Araber sehen »El Orans« noch viel kritischer, was aus ihrer Sicht verständlich ist. Da fällt das Wort vom »Verräter«. Und von der großen »Verschwörung«, an der er Anteil hatte. Auch dass man Lawrences Rolle als Führer des Aufstandes maßlos überschätze, denn der eigentliche Führer sei Faisal gewesen, der älteste Sohn des haschemitischen Scherifen Hussein von Mekka. General Allenby allerdings, der es als britischer Oberbefehlshaber im Nahen Osten wissen musste, maß Lawrence militärisch eine mitentscheidende Rolle im Kriegsgeschehen zu.
In Lawrence bündeln sich all die politischen Entwicklungen, die während des Ersten Weltkrieges und danach, als man in den Vororten von Paris Frieden machte, jene nahöstliche Neuordnung schufen, die wiederum neue Konflikte gebar – Konflikte, die bis heute ungelöst sind. In den Augen der Araber ist gerade Lawrence der leibhaftige Wortbruch. Die Engländer hatten das Osmanische Reich besiegt und bedienten sich nun an der Konkursmasse des zerfallenen Imperiums. Zwischen Palästina und dem Irak wurden Mandatsgebiete errichtet und, wie im Libanon, Eingriffe in vorhandene Strukturen vorgenommen. Das heutige Staatensystem der Region ist künstlich, mit Grenzen, die das britische Kolonialministerium meist willkürlich gezogen hat. Lawrence trug dazu bei. Geboren wurde er 1888 als Sohn von Sir Thomas Chapman, der seine Frau wegen der Kinderfrau Sarah Maden verließ, sich den Namen Lawrence zulegte und in »wilder Ehe« lebte. Thomas Edward, der noch vier Brüder hatte, wurde Historiker und Archäologe. Für seine Doktorarbeit über die Burgen der Kreuzfahrer wanderte er zu Fuß durch Palästina und Syrien, schon damals genau beobachtend. Vor Ausbruch des Krieges war er Assistent von Leonard Woolley bei den Ausgrabungen von Karkemish am Euphrat. Nicht nur nebenbei sammelte er Material über die Deutschen, die in der Nähe die Trasse der Bagdad-Bahn bauten. Archäologen waren nicht selten für die Sicherheitsdienste ihrer Länder tätig – auf deutscher Seite etwa Lawrences Widerpart, der Diplomat, Orientalist und Ausgräber des Tell Halaf in Syrien, Max von Oppenheim.
Nach Ausbruch des Krieges brauchte man den Arabisch sprechenden Lawrence in Kairo, im Arab Bureau. Allenbys Vorgänger General Murray schickte ihn auf die Arabische Halbinsel, wo er erkunden sollte, was es mit einem Aufstand haschemitischer Beduinen auf sich habe. So fand sich der feinsinnige Gelehrte – sein Vorgesetzter Ronald Storrs nannte ihn seinen »supergeistigen Gefährten« – bald in der Mitte der Aufständischen, die im Namen des Scherifen von Mekka die Herrschaft der Osmanen abschütteln wollten.
Lawrence entwickelte, Jahrzehnte vor Mao, für seine Stammeskrieger eine Guerrilla-Taktik gegen die türkischen Truppen; vor allem jedoch sprengte er die Gleise der Hedschas-Bahn, auf deren Funktionieren die Türken angewiesen waren. Ein staunenswerter Todesritt mit etwa vier Dutzend Kamelreitern durch die Wüste Nefud brachte ihn bis nach Aqaba, das die Türken besetzt hielten. Da deren nicht schwenkbare Kanonen nach Süden gerichtet waren, blieben sie gegen die Angreifer aus dem Norden nutzlos. Die Aufständischen nahmen am 6. Juli 1917 Aqaba. Allenby in Kairo traute seinen Ohren nicht, als ihm Lawrence persönlich von der Eroberung erzählte. Seine rechte Flanke war gesichert.
Allenby teilte Lawrence bei seinem Aufenthalt in Kairo mit, dass London und Paris das Sykes-Picot-Abkommen geschlossen hätten. Darin hatten England und Frankreich jene Gebiete schon unter sich aufgeteilt, die erst noch von den Türken befreit werden sollten. Im November dann sicherte Arthur Balfour den Zionisten zu, England werde sich nach einem Sieg für eine »jüdische Nationalheimstätte« in Palästina einsetzen. Bereits 1915 jedoch hatten die Briten dem Scherifen Hussein die Souveränität über alle arabischen Gebiete »mit Ausnahme Adens« versprochen, wenn sie sich am Kampf gegen die Türken beteiligten.
Es ist unwahrscheinlich, dass ein dem britischen Geheimdienst schon vor dem Krieg verbundener Mann wie Lawrence von allen widersprüchlichen Abreden nicht schon früh gewusst haben sollte. Seinen Kriegern versprach er im Namen Großbritanniens weiterhin Freiheit und Unabhängigkeit. Ein Versprechen machte er allerdings wahr: Er zog am 1. Oktober 1918 mit seinen Beduinenkämpfern noch vor Allenby in Damaskus ein, der einst glanzvollen Hauptstadt des Arabischen Reiches unter den Omajjaden.
Nach dem Sieg über die Türken gehörte Lawrence zur Delegation Faisals bei den Gesprächen, bei denen der Kuchen verteilt wurde. Doch Faisal war dort unerwünscht. Lawrence tat nun – wohl auch aus Scham über Londons doppelbödige Politik und sein eigenes Verhalten – sein Bestes, um den Arabern zu ihrem Recht zu verhelfen, doch scheiterte er. Auch im Kolonialministerium, wo ihn Churchill aufgenommen hatte, konnte er wenig bewirken. Zwar erhielten die Haschemiten den Irak und Transjordanien, jedoch unter englischer Ägide. Im Mandatsgebiet westlich des Jordans nahm die jüdische Einwanderung zu. Faisal wurde aus Syrien vertrieben, man gab ihm den Irak, wo er seit 1921 von Englands Gnaden herrschen durfte. Enttäuscht tauchte Lawrence unter falschen Namen, als einfacher Soldat in der Royal Air Force unter; er suchte Anonymität.
Man hat lange darüber gerätselt, warum er dies tat. Wollte er sich für sein menschliches und politisches Versagen bestrafen, für den Wortbruch, als den er sein Handeln gegenüber den Arabern empfand? Oder waren es vor allem persönliche Gründe, die ihn zu diesem Schritt trieben, etwa die Sehnsucht nach einem mönchischen Dasein? Spielten selbstquälerische, masochistische Motive eine Rolle? In seinem zweiten Buch »The Mint« (»Unter dem Prägestock«) schilderte er die Stupidität des Soldatendaseins, an der er litt, die er aber auch haben wollte. Man hat ihn gelegentlich als den »vierten Karamasow« bezeichnet. T. E. Lawrence mochte ohne Zweifel die Araber und ihre Art zu leben, er teilte ihre Freuden und Leiden. Dennoch betrog er sie.
Im Geist Arabi Paschas
Nationalismus und Einheit der Nation sind die Leitvorstellungen Ägyptens. Der panarabische Nationalismus ist heute eine politische Leiche.
Von Wolfgang Günter Lerch
Die Bewahrung der nationalen Einheit Ägyptens ist