Tochter aller Völker: Welten-Nebel Band IV
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About this ebook
„Tochter aller Völker“ bildet den Abschluss der vierteiligen Welten-Nebel-Reihe. Obgleich es empfehlenswert ist, die vorangegangenen Teile zu kennen, kann das Werk einzeln gelesen werden.
Anja Buchmann
Anja Buchmann *1985. Mit großer Leidenschaft schreibt sie Fantasyromane und Kurzgeschichten. Der Wunsch nach schreiberischer Fortentwicklung lässt sie sich immer wieder an neuen Genres versuchen, auch wenn Fantasy den klaren Schwerpunkt der Arbeit darstellt. Einen Überblick über das gesamte Schaffen bieten anjabuchmann.de sowie facebook/AutorinAnjaBuchmann.
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Book preview
Tochter aller Völker - Anja Buchmann
Inhaltsverzeichnis
Tochter aller Völker
Karten
Wurzeln
Auf der Suche
Die wahre Bestimmung
Bewährungsproben
Am Ziel
Epilog
Personen
Orte und Begriffe
Bonus: Die Geschichte der Sechs
Lust auf mehr?
Die Autorin
Impressum
Tochter aller Völker
Fantasyroman von Anja Buchmann
Welten-Nebel-Tetralogie Band 4
Karten
Atress
Elung
Cytria
Helwa
Martul
Weltkarte
Wurzeln
Mond 1 Jahr 3718, Sommer, Ozean zwischen Elung und Atress
Der Wind trug den Geruch von Salz und Wasser, doch für Peerin war es die Verheißung von Freiheit und von einem neuen Anfang. Ihr Blick richtete sich gen Nordosten, in Richtung ihres Zieles. Im noch fremden Atress lag für sie nicht nur die Hoffnung auf eine neue Heimat, sie hoffte, dort auch die Beschwernisse und die Trauer, den Schmerz und die Enttäuschung der letzten Monde hinter sich lassen zu können.
Es war ihr nicht leicht gefallen, Elung den Rücken zu kehren, schließlich war es ihre Heimat. Andererseits aber erinnerte sie dort alles an Liwam, selbst alltägliche Begebenheiten hatten den Schmerz des Verlustes immer wieder hervorgerufen. Nach unzähligen vergossenen Tränen hatte sich endlich die Chance zur Flucht ergeben. Gegen alle Widerstände hatte sie sich einen Platz auf dem Schiff in Richtung Atress erstritten, hatte darauf bestanden, Teil der Expedition in das Nachbarland zu werden.
Als sie an Bord des Schiffes gegangen war, war eine große Last von ihr abgefallen. Sie war nun frei, musste sich endlich nicht mehr verstellen, musste ihre Gefühle nicht mehr verbergen. Nicht einmal ihre Eltern wussten um den wahren Grund für ihr Fortgehen, auch ihnen hatte sie verschwiegen, was sich zwischen ihr und Liwam ereignet hatte. Sie hatte um jeden Preis verhindern wollen, dass sie sich ihrer schämten, oder, was wahrscheinlich noch schlimmer gewesen wäre, Mitleid mit ihr empfanden. Sie war durch ihre eigene Schuld in diese Situation geraten, daher musste sie die Konsequenzen alleine tragen. Also hatte sie ihre Tränen verborgen, ihren Kummer hinter der Maske der Unbeschwertheit versteckt. Sicher hätte sie damit fortfahren können, bis der Schmerz irgendwann nachgelassen hätte, doch bei aller Selbstbeherrschung, vor einem Mond hatte sie feststellen müssen, dass es etwas gab, was sie nicht würde verbergen können, nicht vor ihren Eltern und auch nicht vor dem elungischen Volk.
Ihre Stellung als Prinzessin brachte es mit sich, dass ihr gesamtes Leben unter den Augen der Öffentlichkeit stattfand. Ihre Entscheidung, Elung zu verlassen, hatte sie daher nicht nur aufgrund ihrer eigenen Gefühle getroffen, sondern auch aus Rücksicht auf das Ansehen ihrer Eltern. Sie vermochte sich nicht einmal auszumalen, was geschehen würde, wenn herauskäme, dass sie, die Tochter von König Gelkan und Königin Bevan, ein uneheliches Kind erwartete.
Es war daher unumgänglich, fortzugehen. Hätte sie die Expedition nicht begleiten können, sie hätte einen anderen Weg ersinnen müssen.
Bis zu ihrer Abreise hatte sie es nicht über sich gebracht, ihren Eltern die Wahrheit zu sagen, hatte stets vorgegeben, ihr Forscherdrang triebe sie zu diesem Schritt. Ihre Tante Süylin war darin ihre größte Unterstützerin gewesen, hatte mit ihrer Fürsprache den Ausschlag für die Zustimmung ihrer Eltern gegeben. Dafür war Peerin ihr sehr dankbar.
Letztendlich aber wollte sie doch, dass ihre Familie die Wahrheit erfuhr. Unter Tränen hatte sie ihrer Mutter beim Abschied einen Brief überreicht, der alles erklärte. Sie hoffte, ihre Mutter würde Verständnis haben, sowohl für ihr Handeln als auch dafür, dass sie es ihr nicht hatte persönlich sagen können. Ihr hatte es einfach an der Kraft gefehlt, sich den Fragen ihrer Familie zu stellen, zu frisch waren die Emotionen gewesen, zu stark noch ihre Trauer.
Auch hätte das Wissen um die Wahrheit den Abschied mitnichten leichter gemacht. Die letzten Tage in Elung waren schwer für Peerin gewesen, immer wieder hatte sie ihren Entschluss verteidigen müssen. Besonders ihre Mutter Bevan hatte sie wiederholt gefragt, ob sie wirklich fortgehen wolle. Schließlich würde die Expedition nach Atress mindestens fünf Jahre dauern. Dabei hätte Bevan ihre Tochter doch am ehesten verstehen müssen, schließlich hatte auch sie sich vor dreißig Jahren aus Forscherdrang und Wissbegierde dazu entschlossen, ihre Heimat Atress in Richtung Elung zu verlassen, und damals war nicht sicher, ob es jemals gelingen würde, Schiffe zu bauen, die die Distanz zwischen Elung und Atress würden überbrücken können. Peerin dagegen würde mit dem nächsten Schiff zurückkehren können, wenn sie es sich anders überlegte.
Natürlich war dies für Peerin keine Option. Sie war fest entschlossen, sich in Atress ein neues Leben aufzubauen. Sie war sich sicher, beim Küstenstamm Aufnahme zu finden, schließlich stammte ihre Mutter von dort. Zwar hatte Peerin die für Elunger typische blaue Hautfarbe von ihrem Vater geerbt, doch da bereits seit mehr als fünfzehn Jahren Kontakt zwischen den Elungern und Atressern bestand, musste sie nicht befürchten, deswegen auf Ablehnung zu stoßen. Auch zeigte ihr muskulöser Körperbau deutlich, dass ebenfalls atressisches Blut durch ihre Adern floss. Ihre Mutter hatte sie die Sprache gelehrt, die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in ihr neues Leben waren gegeben. Mit diesem Umstand versuchte sie sich selbst immer wieder Mut zuzusprechen.
Dieser Mut war auch dringend notwendig, denn je länger sie darüber nachdachte, umso bewusster wurde ihr, wie wage ihre Vorstellung von einem Leben auf Atress war. Weder wusste sie, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollte – als Prinzessin hatte sie schließlich keinen Beruf erlernt –, noch ob sie den Atressern wirklich willkommen wäre. Sicher, sie konnte mit Wissen über Elung aufwarten, konnte ihre Kenntnisse als Forscherin, die sie in der Zusammenarbeit mit ihrer Tante Süylin erworben hatte, anbieten, doch wusste sie nicht, ob dies für die Atresser wirklich von Interesse wäre. Vielleicht wäre es am Einfachsten, sich einen Mann zu suchen, der für sie sorgen würde. Ihre Zukunft lag im Ungewissen, doch für eine Umkehr war es zu spät, sie hatte alle Brücken der Vergangenheit eingerissen.
Mond 5 Jahr 3724, Frühling, Siedlung an der Küste, Atress
Vor dem Eingang ihres Hauses sitzend, beobachtete Peerin, wie ihre Tochter mit den anderen Kindern der Siedlung Fangen spielte. Mit ihrer blauen Haut konnte Peerin sie stets gut in der Gruppe der sonst braunhäutigen Kinder ausmachen. Mit ihren fast sechs Jahren war Ihel sich ihrer Andersartigkeit durchaus bewusst, das hatte ihre Mutter schon bemerkt. Noch aber nahm sie keinen Anstoß daran, ebenso wenig wie ihre Spielkameraden. Irgendwann aber würde Peerin Ihel erklären müssen, warum sie nicht so aussah wie die Atresser. Insgeheim fürchtete sie diesen Tag, denn dann würde sie sich einer Vergangenheit stellen müssen, die sie stets zu vergessen suchte.
Als sie vor über sechs Jahren nach Atress gekommen war, war es nicht einfach für sie gewesen, sich einem Platz in der Gemeinschaft zu erkämpfen. Die Unterstützung ihrer Onkel, einer von ihnen war Anführer des Küstenstammes, war ausgeblieben, zu fremd war ihnen die Nichte aus der Ferne gewesen. Dass sie nun einen Platz im Leben gefunden hatte, war einzig ihrer eigenen Beharrlichkeit zu verdanken. Sie hatte sich nicht gescheut, einfache Arbeiten wie das Flicken der Fischernetze zu übernehmen, hatte stets tatkräftig mit angepackt. Erst als sie sich auf diese Weise bewiesen hatte, hatten die Menschen der Küstensiedlung auch zunehmend Interesse an ihrer Herkunft und ihrem Wissen über Elung und den Rest der Welt gezeigt. Bereitwillig hatte sie Auskunft gegeben und den Menschen viel Wissen vermitteln können. Zuvor hatte sich das einfache Volk kaum um die Vorgänge außerhalb seines Landes geschert, der Kontakt zu den Elungern hatte vorrangig über die Stammesführer der Atresser stattgefunden.
Auch wenn inzwischen mehr als fünfunddreißig Jahre vergangen waren, seit die vier Stämme der Atresser Frieden geschlossen und eine Zusammenarbeit vereinbart hatten, so spielte die Stammeszugehörigkeit noch immer eine große Rolle im Leben der Menschen. Die Stammesführer verfügten innerhalb ihrer Gebiete über großen Einfluss und sie waren es auch, die die Geschicke des Landes lenkten. Daher war es nicht verwunderlich, dass sie und ihre Familien diejenigen waren, an die sich die Abgesandten der Elunger bei ihren Forschungsreisen wandten. Vor Peerins Ankunft hatten sich die Menschen kaum für die Elunger interessiert, da sie darauf vertrauten, dass ihr Anführer den Kontakt in ihrem Interesse gestalten würde. Zumindest war das der Eindruck, den Peerin im Küstenstamm gewonnen hatte. Ob es sich bei den anderen Stämmen, dem Berg-, dem Wald- und dem Steppenstamm, ebenso verhielt, konnte sie nicht beurteilen, da ihr Schiff damals in der Küstensiedlung angelegt hatte und sie diese noch nie verlassen hatte.
Später, wenn Ihel etwas älter wäre, würde Peerin auch die anderen Stämme Atress besuchen, doch noch war sie mehr Mutter denn Forscherin. Ihre Tochter war ihr ganzes Glück. Entgegen ihrer Befürchtungen konnte sie ihr Kind lieben, ohne dabei ständig an seinen Vater denken zu müssen.
Bei ihrer Ankunft in Atress hatte sie vorgegeben, dass sie Elung verlassen hatte, um nicht stets an den Tod ihres Ehemannes erinnert zu werden. Es war ihr leichter erschienen, vorzugeben, der Vater ihres ungeborenen Kindes sei tot, als Missbilligung für die unstatthafte Liebe zu erfahren. Genauso wie die Elunger hatten auch die Atresser in dieser Hinsicht strenge Moralvorstellungen. Als Ihel sie vor ein paar Monden zum ersten Mal gefragt hatte, warum sie nicht wie alle anderen Kinder Vater und Mutter hätte, hatte Peerin auch ihr erzählt, ihr Vater sei gestorben. Jedoch hatte sie sich geschworen, ihrer Tochter irgendwann die Wahrheit über ihre Herkunft zu erzählen. Noch aber war sie zu jung, um es zu verstehen.
Mond 7 Jahr 3735, Sommer, Siedlung an der Küste, Atress
Ihel wusste kaum noch, worum es in dem Streit mit ihrer Freundin Hetra gegangen war, doch das, was diese ihr als Reaktion an den Kopf geworfen hatte, vermochte sie nicht zu vergessen. Hetra hatte Ihel gesagt, sie gehöre nicht hierher, sei ohnehin eine Fremde und kein Mitglied des Küstenstammes, sie solle dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen wäre.
Sie versuchte, sich ihre Verletzung nicht anmerken zu lassen und ging ohne eine Erwiderung. Als sie jedoch die Hütte erreichte, die sie zusammen mit ihrer Mutter bewohnte, brach sie in Tränen aus. Dabei hatte Hetra doch nur ausgesprochen, was sie insgeheim schon lange wusste: Sie war nicht wie die anderen, ihre blaue Haut wies sie eindeutig als Elungerin aus. Ihre Großmutter Bevan war zwar Atresserin, doch dieses Erbe zeigte sich lediglich in ihren grünen Augen. Dennoch, Ihel lebte schon ihr ganzes Leben hier, kannte Elung nur aus den Erzählungen ihrer Mutter, die jedoch eher selten darüber sprach, und so hatte sie sich stets als Atresserin gesehen. Vielleicht hatte sie sich in dieser Hinsicht selbst betrogen, möglicherweise war es wirklich an der Zeit, ihrer Herkunft mehr Bedeutung beizumessen. Schon zuvor hatte sie bisweilen den Versuch unternommen, von ihrer Mutter mehr über Elung, ihre Familie dort und auch über ihren Vater zu erfahren, doch Peerin war stets wenig mitteilsam und verschlossen gewesen, hatte es als unwichtig abgetan, da sie ja nun hier in Atress lebten und dies ihre Heimat war.
Ihre Mutter betrat die Hütte. Schnell wischte sie sich die Tränen ab. Da sie sich noch nicht dazu entschließen konnte, ihrer Mutter Fragen zu ihrer Herkunft zu stellen, war es besser, wenn diese keinen Grund hatte, ihre Tränen zu hinterfragen. Ihel beschloss, die Sache zunächst auf sich beruhen zu lassen. Sicher hätte Hetra den Streit und ihre Worte schon am nächsten Tag wieder vergessen und alles wäre wie zuvor.
Drei Tage waren seit dem Streit vergangen und Hetra und sie hatten sich wirklich wieder vertragen. Die Frage nach ihrer Herkunft aber ließ Ihel nicht mehr los. Wenn sie doch nur den Mut aufbrächte, ihre Mutter danach zu befragen. Falls sie es noch vor deren Abreise tun wollte, so musste sie es bald tun. Schon in einem Mond würde Peerin aufbrechen, um ein Jahr lang durch Atress zu reisen. Ursprünglich hatte Ihel mitkommen sollen, doch sie hatte kein Interesse daran gehabt und war alt genug, auch ohne ihre Mutter zurechtzukommen. Ihel teilte den Wissensdurst ihrer Mutter nicht, ihr war es ziemlich egal, wie es im Rest von Atress aussah, sie liebte ihre Heimat, die Küstensiedlung, die Strände, das Meer. Wieso musste sie wissen, wie der Waldstamm lebte, oder gar durch die Eintönigkeit der Steppe reisen?
Ihrer Mutter aber schien es wichtig zu sein, schon seit Jahren sprach sie immer mal wieder davon. Bisher aber hatte sie aus Rücksicht auf Ihel stets darauf verzichtet. Daher gönnte Ihel es ihr nun, dass sie endlich zu ihrer großen Reise aufbrechen konnte.
Eines der wenigen Dinge, die Ihel aus der Vergangenheit ihrer Mutter wusste, war, dass sie schon immer eine Art Forscherin gewesen war. Schon als sie noch in Elung gelebt hatte, hatte sie davon geträumt, Atress zu erforschen. Nicht zum ersten Mal drängte sich Ihel der Gedanke auf, dass ihre Geburt die Lebenspläne ihrer Mutter zerstört hatte. Es war nicht so, dass sie jemals das Gefühl hatte, ungewollt gewesen zu sein, ihre Mutter hatte sie stets mit