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Briefe an Thomas Bernhard
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Briefe an Thomas Bernhard

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"Hier wäre allerhand Grundsätzliches über die ungeheure Qualität dieser Frau als Institution anzuschließen" Thomas Bernhard über seine Lektorin beim Insel Verlag. Anneliese Botond schrieb zwischen 1963 und 1970 mehr als 140 Briefe an Bernhard, sie zeigen exemplarisch, welche Funktion einem kompetenten, auf die Manuskripte eingehend und zugleich Distanz wahrenden Leser (in diesem Fall: Lektorin) für die Fertigstellung eines Buches zufällt. Die Briefe erlauben Einblick in die allmähliche Entstehung eines Werkes beim Briefgespräch über das Manuskript. Hier ist zu erfahren, wie "Amras" sich nach und nach aus dem Typoskript herausschälte, welche Irritationen das erste Theaterstück Bernhards auslöste, wie und warum es zu "Verstörung" kam.
LanguageDeutsch
Release dateJun 6, 2018
ISBN9783950447651
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    Briefe an Thomas Bernhard - Anneliese Botond

    Briefe an Thomas Bernhard

    Mit unveröffentlichten Briefen von Thomas Bernhard

    1963

    [1; Anschrift: Wien, Obkirchergasse; Briefbogen Insel-Verlag; 1 Bl. masch]

    Frankfurt am Main

    18. 1. 63

    Lieber Herr Bernhard!

    Hier kommt als Vorbote »Der Briefträger« mit unseren wenigen Hauskorrekturen. Die Nymphenburger macht die Sache eilig. Seien Sie doch so gut, die Fahnen rasch durchzusehen und an uns zurückzuschicken.¹

    Ich gebe auch die »Ereignisse« an Sie zurück. Es sind sehr schöne Stücke dabei. Ich hätte sie an Stelle von Fischer auch genommen. Eigentlich sagen sie alle dasselbe aus: Sozusagen die Fehlgeburt des Ungeheuerlichen im Alltag, in dem es aufbricht, aber gleich eingeebnet, erstickt wird, in dem es aber dann doch umgeht wie eine Agonie, die ihn merkwürdig verrückt.² »Gott hat die Welt aus nichts geschaffen, aber das Nichts äugt hindurch«, hat Valéry einmal geschrieben.³ So ähnlich ist es hier mit Ihrer Sprache, dieser korrekten präzisen Sprache des Sagbaren, aus der das schreckliche Unbegriffene und Unsagbare hindurchäugt. Arbeiten Sie? Lassen Sie doch gelegentlich von sich hören. Allerdings habe ich die Vorstellung, daß Briefeschreiben nicht gerade zu Ihren Lieblingsbeschäftigungen gehört.

    Mit herzlichen Grüßen

    Ihre

    Anneliese Botond

    Anlage mit getrennter Post

    1In einem handschriftlichen Brief an Th. B. vom 23. November 1962 schildert Wieland Schmied, wie und warum diese Erzählung in den Band Neunzehn deutsche Erzählungen (Bücher der Neunzehn, Nymphenburger Verlagshandlung 1963, S. 65-88) Eingang fand: Th. B. hatte, da die Wahl auf ihn als Repräsentant des Insel Verlags im Band 100 der von neunzehn deutschen Verlagen herausgegebenen Buchreihe gefallen war, die Erzählung Zwei Freunde nach Frankfurt gesandt, die bei Wieland Schmied und Fritz Arnold nicht auf Zustimmung stieß, da sie mit dem kurz darauf erscheinenden Roman Frost nicht konkurrieren könne, was Bernhard veranlaßte, Der Briefträger einzureichen (die Erzählung wurde 1969 vom Residenz Verlag unter dem Titel Der Kulterer in An der Baumgrenze publiziert und 1974 verfilmt). Über die Arbeit von A. B. an Frost berichtet Schmied: »Im Augenblick liest ihn Frau Dr. Botond, die mit philologischer Gründlichkeit Komma-Fehler, Zeiten-Fehler, Grammatik-Fehler etc. feststellt und korrigiert. Ich habe mir ihre Korrekturen angesehen, ehe sie in Satz gehen, und finde sie sehr gut, so daß ich ihnen voll zustimmen konnte. Austriazismen bleiben erhalten. Überhaupt wird an der Substanz des Mauskriptes nichts verändert, die Korrekturen beziehen sich nur auf die Oberfläche, ein paar etwas schief ausgedrückte Bilder werden in die Reihe gebracht, ein paar Kommas anders gesetzt. Das ist alles. Es ist also wie besprochen, es wird in der Sache nichts geändert, keine Stelle entschärft. […] Es ist, glaube ich, auch gut, daß Frau Dr. Botond, die klar u. logisch denkende Philologin, das Manus nochmals gründlich durchliest […]. Bleibt noch die Frage des Titels. EISZEIT gefällt hier niemandem. (Ich fänds nicht schlecht.) Aber der Widerspruch ist so allgemein und heftig, daß es sinnlos erscheint, dagegen anzugehen. Also bitte: neue Vorschläge. Nur ›STRAUCH‹? Wie ›Molloy‹ [Titel eines Romans von Samuel Beckett]? Oder ›WENG‹? Schwarzach-St.Veit war besser …« In einem kurz darauf abgesandten Brief an Bernhard (27. November 1962) korrigierte Schmied seine Angaben über die Arbeit von A. B. am Frost- Typoskript.: »Frau Dr. Botond möchte nun aber doch noch einige Änderungen vorschlagen. Sie gesteht zwar zu, daß der Roman so erscheinen könne, wie er ist, wenn Du darauf beharrst – und das ist ja auch der Inhalt des Vertrages, den Du mit dem Verlag geschlossen hast –, ich würde ihre Änderungen aber nicht von vornherein verwerfen. Sie beziehen sich keineswegs auf den Inhalt, stellen in keiner Weise eine Abschwächung, Abmilderung oder dergleichen dar, dazu liebt Frau Dr. Botond Samuel Beckett usw. viel zu sehr. Es sind rein formale Ratschläge, die sich auf die Darstellung beziehen. Im Konkreten: sie meint, daß man einige Passagen streichen könnte, in denen die Meinungen und Ansichten des Malers Strauch über die verschiedenen Phänomene des Lebens und des österreichischen Staates referiert werden, und stattdessen noch ein paar Geschichten wie die von dem Hund im Rucksack, die sie ‹herrlich› findet. Das heißt, sie möchte ein paar formal stärkere, d. h. in der Suggestion stärkere, eindringlichere Passagen, Stellen, die mehr darstellen, als daß sie nur Gedanken referieren. Da ein Buch ja nie gut genug sein kann, möchte ich Dir diese aus der Sache nicht unbegründeten Einwände (ein anderer: die Diktion des Studenten unterscheidet sich zu wenig von der Strauchs) doch zu bedenken geben.« Um solche Einwände seitens A. B. zu berücksichtigen, hielt sich Th. B. Ende Dezember 1962 in Frankfurt am Main auf. Seine Sicht der Lektoratsarbeit: »Ich hatte Frost an einen Freund [Wieland Schmied] geschickt, der Lektor im Inselverlag gewesen war und das Manuskript war innerhalb drei Tagen angenommen. Aber als es angenommen war, erkannte ich, daß die Arbeit unvollständig und in dieser unzureichenden Form nicht zu veröffentlichen sei. Ich schrieb in einer Frankfurter Pension, die in einer der verkehrsreichsten Straßen nahe dem Eschenheimer Turm gelegen und eine der billigsten gewesen war, die für mich in Frage gekommen sind, das ganze Buch um und alle Abschnitte in Frost, die einen Titel vorangestellt haben, habe ich in dieser Frankfurter Pension geschrieben. Ich stand um fünf Uhr früh auf und setzte mich an den kleinen Tisch am Fenster und wenn ich zu Mittag fünf oder acht oder sogar zehn Seiten fertig geschrieben hatte, lief ich damit zu meiner Lektorin in den Inselverlag und besprach mit ihr, wo diese Seiten in das Manuskript einzuordnen seien. Das ganze Buch hatte sich in diesen Frankfurter Wochen vollkommen verändert, viele, wahrscheinlich an die hundert Seiten habe ich weggeworfen, so war es dann doch, wie ich glaubte, akzeptabel und konnte in Satz gehen.« (Th. B., Meine Preise, S. 32)

    2Th. B. bot Ereignisse , die Sammlung kurzer Prosatexte, 1959 dem S. Fischer Verlag zur Publikation an. Obwohl, nach längeren Umarbeitungen, das Manuskript in den Fahnen vorlag, schrieb Rudolf Hirsch, zu diesem Zeitpunkt (seit 1954) Verlagsleiter, in einem Brief an Th. B., das darin »angewandte Weltbild« finde nicht sein Gefallen; daraufhin zog Th. B. das Manuskript zurück; siehe dazu Th. B., Werke, Band 5 , S. 556-563. Rudolf Hirsch amtierte 1963 und 1964 als Verleger des Insel Verlags (siehe Brief 5, Anm. 1). Ereignisse erschien 1969 im Verlag des Literarischen Colloquiums, Berlin.

    3Paul Valéry, »Ex Nihilo: Dieu a tout fait du rien. Mais le rien perce.« (P. V., Mauvaises pensées et autres , in: Œuvres, Band II , S. 907) »Ex Nihilo: »Gott hat alles aus nichts geschaffen. Aber das Nichts äugt heraus« – so die Übersetzung von Werner Reimerschmid in: P. V., Schlimme Gedanken und andere , Frankfurt am Main 1963, Insel-Verlag 1963, S. 200 (wiederabgedruckt in: P. V., Werke, Bd. 5: Zur Theorie der Dichtkunst und Vermischte Gedanken , Frankfurt am Main und Leipzig 1995, Insel-Verlag, S. 485).

    [2; Anschrift: Wien; 1 Bl. hs]

    Frankfurt am Main

    30. 1. 63

    Lieber Herr Bernhard,

    Sie sind sparsam mit Ihren Nachrichten. Herr Schünemann, der die Werbung für Ihr Buch vorbereiten will, lauert täglich auf Ihre Auskünfte zu seinen Fragen. Schreiben Sie ihm doch bitte. Ich lege Ihnen den Durchschlag seines Briefes bei,¹ vielleicht ist das Original verschwunden wie damals der 6. Brief an den Assistenten? Die ersten Fahnen von »Frost« sind schon im Hause. Wir schicken sie aber erst, wenn der Korrektor sie gelesen hat – das ist so üblich.

    Manchmal frage ich mich, ob Sie mit Ihrem Buch diesen eiszeitlichen Winter herauf beschworen haben?

    Schöne Grüße

    Ihre

    Anneliese Botond

    1Unter dem Datum des 23. Januar 1963 hatte Peter Schünemann an die Wiener Adresse geschrieben:

    Lieber Herr Bernhard,

    ich möchte jetzt schon mit der Vorwerbung für Ihr Buch beginnen, und zwar vor allen Dingen, was Vorabdrucke und Funklesungen betrifft. Mit großer Freude habe ich neulich abends die Lesung im Hessischen Rundfunk gehört, die mir vorzüglich gelungen schien. Bei einem Telefongespräch mit Richard Wolf vereinbarten wir, daß er auf meine Anregung hin das »Viehdiebsgesindel« an das Nachtprogramm des NDR weitergibt; er erklärte sich auch bereit, das Band mit der Aufnahme des »Armenhauses« einem interessierten Sender zur Verfügung zu stellen. Da unsere Verabredung mit Schwedhelm ja leider nicht geklappt hat (wahrscheinlich hatte er vergessen, sich den Termin zu notieren), bot ich ihm heute die Aufnahme an und bat ihn, sich mit Herrn Wolf zu verständigen.

    Nun doch folgende Fragen: Konnten Sie mit Dr. Kemp oder einem andern Herrn des Bayerischen Rundfunks eine Verabredung treffen? Und wie steht es mit dem Österreichischen Rundfunk und dem WDR in Köln? Mir schiene es am besten, wenn Sie in Wien eine Aufnahme machen könnten, die man dann an den WDR weitergibt. Bitte lassen Sie mich doch wissen, ob das möglich ist. Zum WDR haben Sie ja auch einen guten Kontakt. Ich könnte dann vom Verlag aus noch einmal dort vorsprechen.

    Die kleinen Sender – Saarländischer Rundfunk [für den saarländischen Rundfunk besprach Peter Schünemann Frost in: Berichte aus dem Kulturleben, 17. 9. 1963], Radio Bremen und Sender Freies Berlin – müßten wir dann anschreiben, wenn die Vereinbarungen mit den großen Rundfunkanstalten unter Dach und Fach sind. Das würde ich dann von mir aus tun. Ich werde ohnedies Anfang März in Bremen sein und könnte dann mit Herrn [Günter] Giefer [Günter Giefer rezensierte für Radio Bremen Frost in der Sendereihe Neues vom Büchermarkt, 17. 9. 1963] über die Angelegenheit sprechen.

    Sie baten den Verlag um zehn Leseexemplare Ihres Buches. Herr Arnold hat inzwischen wohl mitgeteilt, daß wir statt gewöhnlicher Leseexemplare eine kartonierte Ausgabe in kleiner Auflage bringen werden, von der Sie dann auch Ihr Leseexemplar-Kontingent bekommen sollen. Bitte schreiben Sie mir auf alle Fälle, an wen Sie diese Leseexemplare verteilen, damit kein Doppelversand erfolgt. Wenn es Ihnen recht ist, schreibe ich dann an die betreffenden Stellen auch noch einmal. Ein Umbruch-Ex. für Carl Zuckmayer schicke ich Ihnen Ende des Monats.

    Um die Bitten vollzumachen: In dem alljährlich erscheinenden Literaturkalender »Spektrum des Geistes« wollen wir Sie und Ihren Roman dem Leserpublikum vorstellen. Sie werden diesen Kalender wohl kennen. Neben einem Bild erscheint jeweils ein Text des Autors, der nur im Notfall einen Ausschnitt aus einem Buch bringen soll, nach Möglichkeit aber persönliche Aufzeichnungen. Haben Sie so etwas? Zu Ihrer Unterrichtung schicke ich Ihnen einmal ein Exemplar dieses Kalenders zu, um dessen Rückgabe ich Sie bitte.

    Steht Ihre Afrika-Reise schon fest oder ist es möglich, daß Sie im Mai noch einmal nach Frankfurt kommen, um hier zu lesen? Eine solche Lesung könnte im Frankfurter Kunstkabinett stattfinden (ca. 100 Plätze). Wir haben eine eigene Kartei von Frankfurter Kunden und Buchhändlern, die wir zu dieser Lesung einladen würden. Es wäre schön, recht bald von Ihnen zu hören.

    Vom 2. Februar 1963 stammt die Antwort:

    Lieber Herr Schünemann,

    ich bin eine Woche lang ohne Wien gewesen, am Rand derr Karpaten, arbeitend und fand heute Ihren Brief, den ich sofort in allen Punkten beantworten will.

    Es freut mich, dass Ihnen die Sendung am Hessischen Rundfunk gefallen hat. Ich selbst habe sie nicht gehört. Mir macht Vorlesen Vergnügen, wenn ich so vor mich hin in mich hinein lese!

    Mit dem Bayrischen Rundfunk habe ich nichts ausmachen können. Ist es möglich, dass Sie etwas arrangieren: dass ich hier in Wien eine Aufnahme mache, die dann nach München geschickt wird. Ich kenne Herrn Kemp nicht [Friedhelm Kemp, 1914-2011, Redakteur, später Leiter der Literaturabteilung des Bayrischen Rundfunks].

    Eine halbe Stunde werde ich für den WDR in Wien lesen. Vielleicht kann ich diese Aufnahme dann auch dem österreichischen Sender überlassen. Meine Radioweisheit ist damit zuende.

    Sie wissen ja, dass Sie mit dem Manuskript machen können, was Sie wollen; Sie sind ja ein wichtiger »Geburtshelfer« von »Frost«. Freilich, ich wünsche mir, dass das Buch einen ehrenhafteren Stapellauf hat, als böse Leute wünschen.

    Von den Leseexemplaren will ich an

    Zuckmayer (?)

    Poethen (»Deutsche Zeitung«)

    Günther Busch (»Süddeutsche Zeitung«)

    And[reas]. Razumovsky (»FAZ«)

    Wolfgang Kraus (»Presse«-Wien usf.)

    Claus Pack [Claus Pack, Bewältigung des Vergangenen, in: Die Presse, 13. 7. 1963, gekürzte Version in: Wort und Wahrheit, H. 8/9, 1963, S. 567]

    Herrn Sperr [Hans-Joachim Sperr, 1955-1963 Leiter des Feuilleton der Süddeutschen Zeitung]

    Gerhard Fritsch (»Wort in der Zeit«)

    Wolfdietrich Schmied [!] (»Furche«)

    Humbert Fink (?) »Monat« vielleicht) [Humbert Fink, Auf der Spur des Malers Strauch, in: Deutsche Zeitung, 24./25. 8. 1963, sowie Bayrischer Rundfunk, 24. 8. 1963]

    je ein Stück. Wahrscheinlich habe ich jetzt aber irgendeine wichtige Person vergessen. Aber was ist ›wichtig‹? Und was ist ›wichtige Person‹. Die ganze Presse ist ein grosser Schmarrn – aber man muss es |ihr| nicht laut sagen. Man muss sich auch nicht, weil man überall vorlaut ist, |immer| überall alles vermasseln. Also, ich mache Reklame, indem ich diesen Namen Exemplare schicke.

    Bitte telefonieren Sie mit Herrn Sperr, er hat mir in Wien (persönlich in der Gesellschaft f[ür]. Literatur) gesagt, dass er sich für das Buch interessiert und dafür einsetzen will. Er soll ein Stück daraus in einer Samstagsnummer abdrucken. Das ist wirkungsvoll, glaube ich, für die Bayern, für die Österreicher.

    Herrn Razumovsky bitte ich anzurufen und ihn daran zu erinnern, dass er von sich aus gesagt hat (bei Tisch), er möchte den Roman besprechen in der »FAZ«. Vielleicht ein Bild dazu bringen. Im Grund ist es blöd, wie fast alles, aber wirksam. Der Welt muss man ja so kommen, wie sie es verdient und haben will: geschäftsmässig. Ich lasse Razumovsky (Graf) herzlich grüssen! Ich schreibe ihm noch.

    Humbert Fink könnte im »Monat« eine Besprechung machen, dafür eine schreiben. Ich habe ihn hier einmal auf der Strasse getroffen, von sich aus will er das Buch. Ich kenne ihn aber kaum.

    Für Zuckmayer erbitte ich ein Exemplar. Vielleicht schreibt er ein paar Sätze. In Erinnerung an Henndorf, |den Ort seiner u. meiner Kindheit bzw. Jugend|.

    Für den Kalender werde ich etwas heraussuchen oder gleich schreiben; heisst »persönlich«, dass es etwas über mich sein soll, irgendeine »Begebenheit« oder eine »Meinung« – was heisst das? Ich möchte den Kalender noch behalten? Geht das?

    Ich bin beschämt und erfreut darüber: was Sie für mich zu machen gedenken! Gehen Sie mit dem Roman um, wie Sie wollen!

    Ich fahre Ende Februar nach Polen, dort lese ich »irgendwo« bei Lec vor; der an eine Übersetzung des Manuskripts »Frost« denkt; dazu bräuchte ich auch Ende Feber ein Exemplar.

    Im Grunde kann ich gar nichts tun, denn ich habe das Manuskript gar nicht. Ich weiss gar nicht mehr, was in »Frost« steht.

    Afrika wurde verschoben, weil sich die politischen Verhältnisse in Ghana |zu stark| verschoben haben. Aber ich gehe nach Afrika (im Flugzeug auf und ab). Nicht vor Herbst. Im März also bin ich in Polen, anschliessend, ab April, in der Türkei. Es ist aber möglich, dass ich im Mai nach Wien komme auf eine Woche, gerade zu der vorgesehenen »Pressekonferenz« in der Literaturgesellschaft [Gesellschaft für Literatur], die (trotz Unstimmigkeiten) aufrecht ist, wie alles andere mit Herrn Arnold in Wien (mit Dr. Kraus) Besprochene. Wie ich weiss, höre, wie mir gesagt wird … und ich könnte in dieser Woche (um den 10. Mai, auch nach Frankfurt und von dort zurück in die Türkei), wo ich gut und allein und einfach, wie ich mag, arbeiten und wohnen, leben kann am Bosporus und in Ankara.

    Lieber Herr Schünemann, diese Zeilen sehr rasch, denn ich habe die Zeit, Ihre Fragen zu beantworten, schon überzogen.

    Vielleicht kommen Sie im Mai nach Wien?

    Diese Jahreszeit ist ungeheuer.

    Stellen Sie sich Wölfe (slowakische Wölfe) vor, die in meine Schreiberei hineinbellen – husten – keuchen und sich verziehen.

    Grüssen Sie bitte hunderttausendmal Frau Dr. Botond und Herrn Dr. Arnold, Herzlich

    Ihr Thomas B.

    Bitte schreiben Sie dem »Wort in der Zeit« (der dümmsten und hässlichsten und unappetitlichsten Zeitschrift, die es gibt) wegen eines Vorabdrucks im Aprilheft. Das Heft will. [Frost, »Erster Tag« und »Zweiter Tag«, erschienen in: Wort in der Zeit, H.6, 1963, S. 39-43]

    [3; Anschrift: Wien; Briefbogen Insel-Verlag; 1 Bl. masch.]

    Frankfurt am Main

    11. 2. 63

    Lieber Herr Bernhard!

    Bei meiner Rückkehr aus der Schweiz – dort habe ich gesehen, wie die rüstigen Zürcher ein wahres Volksfest aus ihrer »Seegfrörni« machen;¹ Schulkinder, Angestellte, alle habe frei, was nur irgend die Beine bewegen kann, läuft, rutscht, kraucht auf dem See herum, vor lauter Brandeifer ist eine ganze Maronihütte plötzlich im See verschwunden – bei meiner Rückkehr also fand ich Ihren Brief vor, und ich danke Ihnen sehr dafür. Beantworten kann ich ihn heute nicht. Sie schreiben, daß Sie Ende Februar nach Polen fahren werden. Das ist schön für Sie, ich aber denke nolens volens an das Praktische, nämlich an die Fahnen zu Ihrem Buch. Deshalb schicke ich Ihnen heute, entgegen dem durch Tradition geheiligten Insel-Brauch, die Fahnen – unkorrigiert. Je nachdem, wann Sie aus Polen zurückkommen, schicken wir Ihnen nachträglich unsere Hauskorrekturen (auch das Manuskript), damit Sie sie sehen. Es wird sich dabei ja nur noch um Winzigkeiten handeln, Buchstabenkorrektur, Interpunktion, vielleicht hier und da ein verändertes tempus. Sonst soll nichts mehr verändert werden. Ich habe mit dem Lesen schon begonnen und festgestellt, daß Ihr Buch, mindestens ebensosehr wie eines zum Lesen, eines zum Wiederlesen ist. Das ist schön. Gespannt bin ich, wie es dem hochgeschätzten »Bupfliko« gefallen wird. Nicht minder gespannt bin ich auf Ihr neues Buch.

    Schreiben Sie mir doch bitte ein paar Zeilen, ob Sie vor Ihrer Reise nach Polen die Fahnen lesen und uns zurückschicken können und wann Sie selbst zurückkommen. Der Verlag kann ohne Daten nicht leben. Datophobie bei Autoren ist eines seiner Leiden.

    Herzliche Grüße

    Ihre

    Anneliese Botond

    Anlage mit getrennter Post

    1Schweizerdeutsch: Seegfrörni, das komplette Zufrieren eines Sees. A. B. erlebte die bislang letzte

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