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Die Verwebung als religiöses Symbol
Die Verwebung als religiöses Symbol
Joannes Richter
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Die Verarbeitung der Fäden, Drähten und Seilen stellte zur
Urzeit eine fortschrittliche Technologie dar und mag das Volk
zum Symbol der Religion inspiriert haben.
In diesem Manuskript werden einige Ideen zu den Themen
Beerdigungen, Skulpturen, Farbcodes und Bibeln
dokumentiert.
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1 Spiegelungen bei der Bestattung
Bereits Freud behauptete,
„dass Rechts und Links als „männlich“
beziehungsweise „weiblich“ zu verstehen seien.“
Chris McManus1 beschreibt das alte Schema der Bestattungen
der alten Kulturen. Obwohl das System von Kultur zu Kultur
variierte sind jedoch einige systematische Zusammenhänge
erhalten geblieben. Die älteste links-rechts-Symbolik können
wir demnach bei den Bestattungsriten der Indo-Europäischen
Kurganvölker identifizieren, die vom Schwarzen Meer
kommend Europa im vierten Jahrtausend vor Christus zum Teil
besiedelt haben.
Die Kurganperiode
Die Ockergrab- bzw. Kurgankultur ist gekennzeichnet durch
Einzelbestattung in Grabgruben (später Holzkammern), über
die ein Grabhügel (Kurgan) aufgeworfen wurde. Die Gräber
enthalten Einstreuungen von rotem Ocker.
In der Kurgankultur wurden die Verstorbenen in einer
Hockerstellung beerdigt, die der Fötushaltung im Mutterleib
ähnelt. Der Körper kann dabei wahlweise auf der linken als auf
der rechten Seite abgelegt werden. Üblicherweise wurden
Männer und Frauen in entgegengesetzter oder „gespiegelter“
Lage bestattet. In der Kurgan III-IV-periode wurden die
Körper in Ost-West-Richtung gelegt, wobei die Gesichter zum
Süden gewendet wurden. Man bettete die Frauen auf der linken
und die Männer auf der rechten Seite.
1:
Right Hand, Left Hand: The Origins of Asymmetry in Brains, Bodies,
Atoms and … by Chris McManus (2002)
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Die Glockenbecherkultur
Als Glockenbecherkultur wird eine endneolithische Kultur
bezeichnet, die in Süd-, West- und Mitteleuropa (im Osten bis
nach Ungarn) ab 2600 v. Chr. aufkommt, etwa bis 2200 v. Chr.
andauert und nur in Großbritannien bis ca. 1800 v. Chr. besteht.
Sie stellt in diesen Regionen Europas eine Kultur am Übergang
von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit dar.
Die Toten wurden als Hocker in geschlechtsspezifischer
Orientierung und Seitenlage beigesetzt:
• weibliche Individuen mit dem Kopf im Süden, Füße im
Norden, die Extremitäten nach rechts gewandt
• männliche Individuen mit Kopf im Norden, Füße im
Süden, nach links gewandt.
Beide Geschlechter wurden demnach mit dem "Blick" nach
Osten bestattet. Diese Art der strikten geschlechtlich bipolaren
Bettung erinnert an das Totenritual der zum Teil zeitgleichen
Schnurkeramik, steht aber in seiner Ausführung in
augenfälligem Gegensatz dazu - die Hauptorientierungsachse
der Glockenbechkultur ist Nord-Süd, nach Osten gewandt, die
der Schnurkeramik jedoch Ost-West, nach Süden gewandt.
Einige Forscher sehen darin eine bewusste Abgrenzung der
Träger der GBK von den Schnurkeramikern. Die bipolare Lage
der Toten hält sich in einigen Regionen, z. B. der
Unterwölblinger Gruppe Niederösterreichs bis in die
Bronzezeit.
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Schnurkeramik
Bereits 1883 entdeckte und definierte Friedrich Klopfleisch die
Schnurverzierung als bezeichnendes Element für diese Kultur.
Ein weiteres charakteristisches Kennzeichen ist die Art und
Weise, wie die Träger der Schnurkeramik ihre Toten
bestatteten. Während in der vorangegangenen Kulturen
Kollektiv-bestattungen (mehrere Tote in einem Grab) üblich
waren, sind nun Individualbestattungen unter Grabhügeln die
Regel.
Frauen und Männer legte man in Hockerlage auf der Seite.
Während die Männer auf der rechten Seite mit dem Kopf im
Westen niedergelegt wurden, lagen die Frauen genau
umgekehrt auf der linken Seite mit dem Kopf im Osten. Beide
blickten somit nach Süden. Diese Geschlechtsdifferenzierung
im Grabritus ist ein Charakteristikum für das ausgehende
Neolithikum im 3. Jahrtausend. Die Datierungen reichen von
ca. 2800 bis 2200 v. Chr.
Die großräumige Verbreitung der Schnurkeramik erstreckt sich
schon während der Frühstufe ungefähr vom Kaukasus im Osten
bis in die Schweiz im Westen, und von Dänemark im Norden
reicht sie bis in das Alpenvorland im Süden.
Im gesamten Gebiet handelt es sich im großen und ganzen um
vergleichbare Ausprägungen von Kulturgruppen mit
schnurverzierten Bechern. Während der frühen Zeitabschnitte
wurde die Verzierung durch gedrehte Schnüre oder Textilien
hervorgerufen, die horizontal in den noch feuchten Ton
gedrückt wurden. Ebenso charakteristisch ist für diese Phase
die Streitaxt aus Felsgestein sowie im östlichen
Verbreitungsgebiet der Gebrauch von Kupfer, überwiegend in
Schmuckform.
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Ursprünglich bildeten die Gräber eine Reihe, so dass eine
Reihe mit Gräbern wie auf einer Schnur aufgereiht wurde. Zu
den gebräuchlichsten Grabbeigaben gehören die Gefäße der
Schnurkeramik, die man sowohl in den Gräbern der Männer als
Frauen antrifft.
Bereits zu dieser Zeit wurden die Bestattungen für Mann und
Frau unterschiedlich gehandhabt. Es gab wesentlich mehr
Gräber für Männer als für Frauen. Noch seltener jedoch
wurden die Kinder aufwendig bestattet.
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Faktisch kann die Schnur auch als Websymbol mit dem Namen
„Byssus“ in der Bibel identifiziert werden. Auch im
Fürstengrab von Hochdorf wurde die Webtechnologie als
Symbol für die Einigung der männlichen und weiblichen
Elemente angewandt.
Man kann die einigende und bündelnde Kraft der
Zusammenarbeit auch in der Beschreibung von Tacitus
zurückfinden, der in seiner Germania2 die Hochzeitszeremonie
folgendermaßen als Unterjochung des Ehepaares mit „Dies
sagt ihr das Joch Ochsen“ beschreibt:
„Auf diese Geschenke hin wird die Gattin in Empfang
genommen und bringt ihrerseits selbst auch dem Mann
irgend etwas an Waffen zu. Das betrachten sie als
stärkstes Band, dies als geheimnisvolle Weihen,
darunter verstehen sie die Götter des Ehebundes. Damit
die Frau mutige Taten nicht außerhalb ihres
Gedankenkreises und sich den Wechselfällen des
Krieges enthoben glaubt, wird sie gleich durch die
Eingangsfeier des beginnenden Ehestandes daran
erinnert, dass sie als Gefährtin der Mühsale und
Gefahren eintrete, um im Frieden wie auf dem
Schlachtfeld Schicksal und Wagnisse zu teilen. Dies
sagt ihr das Joch Ochsen, dies das aufgeschirrte Ross,
dies die überreichten Waffen. So habe sie zu leben, so
zu sterben; sie empfange, was sie unentweiht und in
Ehren auf ihre Kinder bringen, was ihre
Schwiegertöchter empfangen und wiederum auf ihre
Enkel übergehen solle. „
2:
Tacitus, Gernamia
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Es ist schwer vorstellbar, dass die Schnur in der
Schnurkeramik über Jahrhunderten von 2800-2200 v.C. nur zur
Verzierung gedient haben soll. Stattdessen müssen wir
annehmen, dass dieses Element eher als religiöses Symbol
angewandt wurde um die Kräftebündelung in einer Hochzeit
durch Einigung der männlichen und weiblichen Personen
darzustellen. Es ist gewissermaßen die Schnur vergleichbar mit
der Webtechnologie, die in späterer Zeit den Zusammenhalt der
Bevölkerung im Weben der roten und blauen Fäden zum
fürstlichen und göttlichen Purpurmantel darstellte. Eine solche
Symbolik können wir auch heute noch im Buche Exodus und
Chroniken ablesen. Diese Symbolik erhebt die Schnur in der
Schnurkeramik zum religiösen Symbol, womit die Verwebung
der männlichen und weiblichen Elementen der Gesellschaft
verewigt werden konnten. Die Schnur ist zwar vergänglich,
aber gepresst in den feuchten Ton konnte der Abdruck gebrannt
und verewigt werden.
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Abb. 2: Androgyne Elfenbeinskulptur, Gagarino
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3. Der Einschnitt zwischen den Schädeln ist gleichmäßig
tief und über die gesamten Länge gleichförmig sauber
bearbeitet.
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Links und Rechts bei den Gogo-Völkern
Man kann die Geschlechtszuordnung der Begriffen Links und
rechts auch in moderneren Sprachen identifizieren. In Zentral
Tansania bezeichnen die Gogo-Völker die rechte Hand als
muwoko wokulume, "die männliche Hand", und die linke Hand
als muwoko wokucekulu, "die weibliche Hand".
Die Gogo-Völker von Tansania bezeichnen die rechte Seite
auch als die Körperseite:
• des männlichen Partners beim Geschlechtsverkehr
• zur Beerdigung eine Mannes
Die linke Seite ist dagegen die Körperseite:
• der weiblichen Partnerin beim Geschlechtsverkehr
• zur Beerdigung einer Frau
Ocker4
Roter Ocker wurde häufig als Markierung für Bestattungen
angewandt. In einer Untersuchung wurde diese Farbe als
Symbol für das Leben als die Farbe des menschlichen,
mütterlichen Blutes gedeutet wird.
4:
Red Ochre and Human Evolution: A Case for Discussion
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Die Seilerei
Eines der wichtigsten technischen Hilfsmittel der Menschheit
war und ist das Seil. In ägyptischen Pyramiden beispielsweise
ist auf Wandbildern deren Erbauung unter Verwendung von
Seilen dargestellt. Das wohl älteste Seil fand man bei
Ausgrabungen in Ägypten – es ist um die 3300 Jahre alt.
Man unterscheidet zwischen 3- und 4-schlägigen Seilen. Beim
3-schlägigen Seil werden 3 Stränge zu einem Seil
zusammengedreht, die einfachste Form, ein Seil herzustellen.
Dreht man 4 Stränge zu einem Seil zusammen, entsteht in der
Seilmitte ein Hohlraum, der mit einem Kern aus Hanf
ausgefüllt werden muss. Das Fertigen eines 4-schlägigen Seiles
ist zwar komplizierter, man erhält jedoch ein festeres Seil.
Schiffstaue wurden normalerweise 4-schlägig hergestellt.
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Das einfachste Gerät zum Spinnen ist die Spindel. Es handelt
sich um ein Stäbchen aus Holz, an dessen Ende ein meist
rundes Gewicht aus Ton, Holz oder Stein angebracht ist, der
Wirtel. Über Jahrtausende hatten die Menschen ausschließlich
die Spindel zur Verfügung.
Für die Drehrichtung gilt grundsätzlich, dass ein Faden zwar
immer in der selben Richtung gedreht werden muss, diese kann
aber sowohl rechts wie links herum laufen.
Will man einen Faden zwirnen, d.h. zwei oder mehr
gesponnene Fäden zusammendrehen, so muss dies in der
Gegenrichtung zum einfachen Faden geschehen. Man zwirnt
ebenfalls mit der Spindel die Fäden zusammen, es geht
wesentlich schneller als das Spinnen.
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Abb. 4: Frauen beim Spinnen und Weben.
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Bezug zur androgynen Symbolik
Gespiegelte Bestattungspositionen beziehen sich ggf. auch auf
andere symbolischen Elemente, zum Beispiel:
• Platons androgyne Schöpfungslegende im Symposium
• Die androgyne Schöpfungslegenden des Sohars und
weiteren Bibelauslegungen
• Die zwei-gesichtigen Skulptur von Roquepertuse
• Die Etymologie der Götternamen (z.B. Dyaeus, IHVH,
IU-piter ,Tuisco und dUI).
• und so weiter...
Eine Übersicht dieser Symbolik befindet sich in dem
Dokument Der Himmelsgott Dyaeus .
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