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Herzog
von
Karl Wilhelm Vöttiger,
Doctor der Philosophie und Privatdocent der
Geschichte auf der Universität zu Leipzig.
Hannover, 1819.
In der Hahnschen Höf-Buchhandlung.
1163 Mathilde, damals eben schwanger, blieb zu
Braunschweig zurück; zu ihrem Schutz und Dienst
wurde Heinrich, Vogt von Lüneburg und Ecbert von
Wolfenbüttel, Vogt von Braunschweig bestimmt;
Männer; auf deren Treue Heinrich damals rechnen zu
können glaubte. Des Landes Obhut und Regentschaft
wurde dem Erzbischof Wichmann von Magdeburg
anvertraut. So wußte selbst der Herzog einen seiner
ehemaligen Feinde durch Großmuth und Vertrauen zu
besiegen. Allein Heinrich wollte auch nicht, wie ein
einzelner armseliger Pilger den Wandelstab er-
greifen; schon seiner Sicherheit, dann seinem Range
und dem griechischen Kaiser, der ihn mit einer
Gesandtschaft beehrt hatte, glaubte er es schuldig zu
sehn, mit einem wohlgerüsteten und stattlichen Gefolge
einherzuziehen. Auch lag es wohl nicht außer seinem
Plane, wenn sich anders die Gelegenheit dazu
ergeben wollte, mit den Saracenen einen Kampf zu
seines Glaubens Ehre zu bestehen. Viele mag der
eigene Antrieb unter Heinrichs mächtigem Schutze das
wunderreiche Land des Heils zu sehen, ihm zugesellt
haben,, viele aber erwählte er selbst mit kluger
Umsicht, Männer, deren Gegenwart ihm nützlich oder
deren Zurückbleiben ihm bedenklich scheinen mochte.
Also zog mit ihm Fürst Pribislaw, jetzt auf Leben
und Tod dem Herzoge treu, Konrad, Bischof von
Lübeck, den das Unglück gebessert und dem Herzoge
wieder zum Freunde gemacht hatte, der
unvergleichliche Abt Heinrich von St. Aegidien zu
Braunschweig, Abt Berthold von Lüneburg, Graf
Gunzelin von Schwerin und Graf Siegfried von
313) Es geht dem Arnold von Lübeck wie den meisten, die
eine Sache beschreiben die sie nicht selbst gesehen haben, und sich
nicht deutlich versinnlichen können. Ob die curia venationis ein
Hippodrom oder ein Thiergarten sey, wird sich aus ihm schwerlich
erkennen lassen. Im erstern Falle wären, die kostbaren Zelte die
Zuschauerlogen, die mit prächtigen Teppichen verziert seyn
mochten, und die semita tota purpurea ein Porticus oder
Säulengang, Iampades et coronae vielleicht Lampen in Form
unserer Kronleuchter. Vielleicht ist es der Park Philopation
außerhalb der Stadt vor dem goldnen Thore, den Otto d e
Diog. (bey Wilken lll. 1 p. 130) beschreibt. Die am griechischen
Hofe herrschende Pracht wird von den meisten Schriftstellern der
Kreuzzüge bestätigt. Ob sie aber eben so wie die Menge ängstlich
beobachteter Ceremonien wohl etwas anders als eine glänzende,
täuschende Hülle innerer Schwäche und Gebrechlichkeit
war?
1172 Throne und auf einem andern der Herzog saß.
Nach gehaltenem Hochamte kamen die Freuden
der Tafel. Genüsse, wie der verfeinerte Grieche sie
bieten konnte, mochte der Herzog noch nicht gekannt
haben. Als die Gemüther fröhlicher, die Geister
lebhafter geworden wären, brachten die Deutschen
Bischöfe das Gesprach mit den gelehrten
griechischen Geistlichen auf die Streitfrage: ob
der heilige Geist vom Vater allein, wie die
Griechen lehren, oder auch vom Sohne, nach
der Römer Meinung, ausgehe.
Da erwies mit tiefer Gelehrsamkeit Heinrich,
der Abt von Braunschweig, aus Srellen der Schrift,
ja aus den griechischen Kirchen-Vätern selbst, die
Lehre der Lateiner, daß die Griechen vor solcher
Weisheit schweigen und ihm nach: geben mußten.
Des Mannes Gelehrsamkeit erregte all- gemeine
Bewunderung. Der Kaiser aber schenkte dem
Herzoge und seinen Leuten sammtene Kleider,
Zobel und anderes Pelzwerk 314 ). Der Herzog
aber erhielt noch besonders ein festes und mit
allem Bedarfe reich versehenes Schiff und so
segelte man (die Pferde blieben zurück) durch den
Propontis und den Hellespont dem ageischen
Meere zu. Auch hier droheten Klippen und
Stürme den Unter- gang, aber das Schiff trug
einen Heinrich und sein Glück. Bey Accon
wurde endlich gelandet und auf Pferden und
Eseln der gelobten Stadt zugeeilt. Ihm kamen
die Tem- pler und Ritter vom Spitale mit
großer Begleitung und Ehrerbietigkeit entgegen.
V I . 2 te s H e f t. S. 1 79 . u . 1 99 . A uf de r z u d ie se m
Werke gehörigen Charte liegt es auf dem Wege von
Iconium nach Constantinopel, kann also das hier gesuchte
nicht seyn, weil Heinrich der Löwe auf seiner weitern
Reise erst nach Iconium kam. Schmid l. c. hält es für
Cäsarea in Cappadocien.
324) Es möchte schwer seyn, außer Nicäa einen Ort dieses oder
ähnlichen Namens zu finden, man müßte denn das
von Mannert I. c. p. 263 u. 276. angeführte
und auf der Charte verzeichnete Indshelle zwischen
Cäsarea und Iconium dafür halten.
Unwillkürlich wird man bey solchen Namen an
Schlözers beliebtes Gleichniß von dem durch viele
Hände bis zum schmutzigen Pfennig entstellten
Accisgroschen erinnert. Iconium stellt Domherr
Radewich an Größe der Stadt Cöln gleich. (ap.
Urst. I. 562)
325) Ueber Konrads Unglück s. Wilken III. 1ste
Abth. 161. Der Beschreibung nach stimmt dies
mit Helenopolis und Kibotus (Civitot), bey
Wilken I. 89. überein. So auch Schmid l. c.
79. Arnold von Lübeck: venit ad urbem regum
Graeciae quae dr. castellum Alemannorum,
Aber eine neue Schwierigkeit erhebt sich über die Zeit, wenn
Heinrich dies Vorrecht vom Friedrich erhalten habe.
Helmold, der freylich wie sein Commentator Bangert in der
Chronologie oft schwankend ist, scheint es dem Kontert
nach ins Jahr 1162 zu setzen. Das Chron. Stederb. ap. Meib. I.
454. sägt blos im Allgemeinen, daß Heinrich um 1160 die
Bischöfe investiert habe, so auch des Chron.M. S. ad 1160
bey Menken II. 188. Albert. Stad. ap. Schilter 289 setzt er
in die Jahre 1160 und 1163. Die Chronogr. Saxo bey
Leibn. access. hist. p. 306. de sgle ic he n. E be n so die
H ist. A E pp. Bre m . be y L inde nbr og p. 104 (ed. 1609)
u. a. m. Alle diese (bis auf Helmold) führen aber blos an,
daß Heinrich damals Bischöfe investirt habe. Nur Helmold
elzählt, daß damals Friedrich dem Herzoge die ausdrückliche
Erlaubniß dazu gegeben habe. Diesen Stellen nach ist
allerdings jene Erwerbung des Investiturrechts erst in die
Jahre 1160 oder 1162 zu setzen.
fähig ist. Dagegen ist eine Urkunde vom Jahre 1154 bey dem
jüngern Pfeffinger in der Braunschweigischen Historie, (II. 672)
wo Heinrich für dies Investiturrecht auf die Welfischen Erb -
länder in Schwaben und Bayern verzichtet, schon in den Orr.
Guelf. praef. III. p. 41. mit Recht für unächt erklärt worden.
Vergl. F. A. Rudloff: pragmat. Handbuch der Meklenb.
Gesch. I. 115. not. c.
B e y l a g e II.
Ueber die Besitzungen der Welfen und besonders
Heinrichs des Löwen in Italien, in Süd- und Nord-
Deutschland.
Es soll und kann hier keineswegs eine erschöpfende Untersuchung über
die sämmtlichen einzelnen Besitzungen der Welfen gegeben werden.
Gelbst wenn es überhaupt noch möglich wäre, ganz genau
ihnen nachzukommen und mir möglich gewesen wäre, alle dazu
nöthigen Quellen herbeyzuschaffen, so wäre es doch ein
Gegenstand, der mit den gehörigen Belegen, und Urkunden ein
ganzes Buch erfordern würde, während ich mich hier nur auf
wenige Selten beschränken muß.
Ueber die
Grafschaft Bomeneburg, dem Erbstücke Heinrichs des
Löwen und seine Erben, siehe Braunschweigische Anzeigen
1756, Nro. 66. Orr. Guelf. III. 48. IV. 523 sqq. Ueber die
Gränzen der Grafschaft W. siehe Lucae Grafensaal. 755 II.
Homburg, Grene, Hörer (?) (Huxaria). Uebrigens war
Hermann auch Vogt von Corvey und Gandersheim
gewesen. Leukf. ant. Gand. 297. Falke trad. Corbej. 906.
Daher schrieb sich auch wohl Heinrich des Löwen,
Advocatie über das Kloster Kemnate, welches zu Corvey
gehörte, Orr. Guelf, III. 436, Von der Katlenburgi-schen
Erbschaft und der Grafschaft im Lisgau ist bereits gesprochen.
(cf. Orr. Guelf. III. 468.)
Um dieselbe Zeit (1151) machte er mit dem Kaiser
einen vortheilhaften Tausch mit dem von seiner
Zäringischen Gemalin ihm zugebrachten Schlosse Baden
(siehe oben im Terte S. 179, Note 195), 100 Ministerialen
und 500 Mansus Land gegen die Schlösser und Höfe
Scharzfeld, Herzberg und Pölde. Orr. Guelf. III. 466.
(Vergl. Gottfr. Dan. Hoffmann: diplomatische Belustigung
mit des niedersächsischen Grafen Utonis und des Herzogs
Heinrich des Löwen an die Kaiser Konrad II und
Friedrich I vertauschten schwäbischen Gütern Nürtingen
und Baden. Frankf. und Leipz. 1760. 4.)
Woher Koch p. 36 den Beweis hat, daß Heinrich
etwas Eigen in Goslar gehabt habe, mag er selbst am
besten wissen. Die Urkunde Heinecc. ant. Gosl. 149 hat
wenigstens nichts davon. Dagegen kommt eine
Grafschaft Heinrichs ante Hartum juxta rivum qui dicitur
Goltbecke bey Kettner ant. Quedlinb. 189 vor. Helm. II. 6.
erwähnt ferner der Erbschaft von Otto von Assel. Das
Schloß Assel kommt allerdings in der Theilung von 1203
als Kaiser Ottos Antheil vor. Aber Ottos von Assel
Tochter, Adelheid, Gemalin Adolfs von Schaumburg,
schenkte schon einen Theil davon an die Kirche in
Lockum, und nach ihrem Tode gab ihre Mutter die ganze
Erbschaft an das Biß-thum Hildesheim. S. die merkw.
Urkunden Philipps von Köln, Orr. Guelf. III. praef. 39.
not. u. Drey Jahre später schenkte aber Heinrich der
Löwe dieselben 18 Mansus, nur mit einer Mühle in
Oedelen vermehrt. 1. c. p. 40. Er muß also die frühere
Schenkung als ungültig betrachtet haben. Die Stadt
Hildesheim gehörte ihm schon von früherer Zeit
(in
civitate nostra Hildeshemensi Orr. Guelf. III. 520).
Das Schloß
Peine nahm er Ludolf von Peine (1192) selbst ab, und das
benachbarte Gebiet. Ob aber auch das Halbgericht
(dimidia comitia) und das Amt Lichtenberg, lasse ich dahin
gestellt seyn. Schon 1189 gründete Adelhog von Hildesheim
die Capelle Oberg i m jetzigen Amte Peine)
in fundo Henrici Ducis, Orr.
Guelf. III 558.
Daß mit dem Tode des Pfalzgrafen Albrecht von Sommer-
schenburg, der schon bey seinen Lebzeiten sein Schloß Löwenburg
oder Lauenburg bey Quedlinburg an Heinrich den Löwen ver-
loren hatte, das Pfalzgrafen Amt nicht an Heinrich den Löwen,
sondern an Landgraf Ludwig gekommen, ist oben bemerkt; ver-
gleiche
J. Bohme dc Henrico Leone nunquam comite
Palatino
Saxoniae, Leipz. 1758. 4.