You are on page 1of 4

Colditz –

eine “national befreite Zone” in Sachsen

gamma Nr. 183 – Sommer 2008

Antifa-Newsflyer für
Leipzig & Umland Hundert Nazis randalierten am Abend des 23.02. in Colditz, beschädigten u.a. dieses Geschäft

Der südliche Muldentalkreis ist seit langem ein Elektrogeschäft, eine Turnhalle sowie einen Döner-
Tummelplatz von Nazis. Nach einigen Jahren imbiss. Die Angreifer warfen mehrere Brandsätze,
Vor 10 Jahren, genauer: am bescheidener Ruhe nahmen deren Aktivitäten eine Nebelgranate und demolierten das Ladenge-
in den letzten Monaten wieder massiv zu. schäft des Elektrohändlers. Dieser hatte zuvor ei-
9. Juli 1998, erschien nigen alternativen Jugendlichen die Nutzung der

der erste GAMMA- B esonders die Stadt Col-


ditz sowie die angren-
zenden Gemeinden haben
Turnhalle für Konzerte erlaubt.
Dieser Höhepunkt rechter Gewalt stellt frühere
Vorfälle in den Schatten und führte dazu, dass die
Newsflyer sich zur „No-Go-Area“ für Situation auch überregional bekannt wurde. Dabei
Migrant_innen und nichtrechte wurde sichtbar, dass Nazis in Colditz das Stadtbild
Damals gehörten wir zum Menschen entwickelt. Die prägen. Die Reaktion des Bürgermeisters bestand
Antifa-Info-Telefon. Eine enge Vernetzung der einzelnen sinnigerweise darin, die Durchführung weiterer al-
Zeit lang erschienen wir Neonazi-Strukturen findet dort ternativer Konzerte zu verbieten. Dadurch wird die
mehrfach im Monat, auch Rückhalt in den politischen Behauptung aufgestellt, frühere Punkkonzerte hät-
dann mal ein Weilchen Vorstellungen der Mehrheitsge- ten die Nazigewalt erst provoziert. Dabei stehen in
gar nicht. Dafür haben sellschaft. Zudem dominieren jener Stadt Brandstiftungen, Sachbeschädigungen,
wir mit unserem zehn- rechte Jugendliche in den lokalen Körperverletzungen und Propagandadelikte durch
ten Jubiläum andere Jugendzentren, Schulen und ande- Nazis nunmehr kontinuierlich auf der Tagesord-
Projekte und Gruppen ren Treffpunkten. Dadurch konnte nung.
locker überlebt. Dass Antifaschis- sich die Region, von Außenstehen- Die Naziszene in der Region muss allerdings
mus nur organisiert und kontinu- den kaum wahrgenommen, tatsächlich zur „national differenzierter betrachtet werden. Neben zahl-
ierlich funktioniert, bleibt daher befreiten Zone“ entwickeln. Die aktuelle Zunahme reichen rechtsorientierten Jugendlichen und dem
unsere Antrieb. der Naziaktivitäten lässt sich am ehesten mit dieser typischen „Dorfnazi“-Klientel gibt es einige gut
Entwicklung erklären – sie ist eine direkte Folge der organisierte Strukturen mit festem Personalstamm
Nazihegemonie und kein zufälliges Phänomen. und wachsendem Mobilisierungspotential. Zu dem
Mittlerweile kann die Stadt Colditz samt Um- zählen sich „erlebnisorientierte“ Jugendliche, die oft
land in einem Atemzug mit Orten wie Wurzen, der lokalen Freefight-Szene entstammen.
Updates Mügeln oder Mittweida genannt werden. Und die Bemerkenswert sind auch die Kontakte der Col-
Nazihegemonie vor Ort ist bereits so verfestigt, dass ditzer Naziszene zu benachbarten Regionen. Hier
Herrenmenschen obdachlos (Nach- KritikerInnen und GegnerInnen Gefahr laufen, gibt es organisatorische Querverbindungen und per-
trag). Bereits zum 31. Januar wurden dem durch ihr Engagement selbst Opfer nazistischer Ge- sonelle Schnittmengen mit Nazis aus dem Landkreis
„Aryan Brotherhood“ in Mockau die Räum- walttaten zu werden. BürgerInnen und alternative Döbeln und der verbotenen Mittweidaer Kamerad-
lichkeiten gekündigt und das zugehörige Ge- Jugendliche, die sich gegen die bestehende Nazihe- schaft „Sturm 34“.
schäft geräumt. Grund ist ein Verstoß gegen das gemonie positionieren, müssen mit Denunziation, Zentrale Institution in der Region ist das
Gewerberecht - der Naziverein hatte in seinem Einschüchterung und körperlichen Angriffen rech- „Bündnis für Deutschland“. Es versteht sich als
Objekt ohne Genehmigung T-Shirts und ähn- nen. „Heimatschutz“-Netzwerk, besteht aus 30 Personen
liche Textilien verkauft. Im Haus in der Volbe- Neben Körperverletzungen, „Outing“-Flugblät- und tritt mit einer eigenen Website an die Öffent-
dingstraße hat die Gruppierung außerdem ei- tern und Telefonterror sind diese Menschen auch lichkeit. Das zugehörige Postfach führt zu einem
nen Schießstand betrieben. Die Mitglieder sind dem Risiko ausgesetzt, zum Ziel eines Anschlags Michael Valentin, der schon seit Jahren aktiver Neo-
nun auf der Suche nach einer neuen Bleibe. zu werden: An einem Februarabend versammelten nazi ist. Unterstützt wird das Bündnis auch durch
sich etwa 100 Neonazis in Colditz und überfielen ein Jens Schober aus Leisnig. Schober war früher Kopf
Colditz – eine “national befreite Zone” (Forts.)
Versuchter Angriff. Vom 17. bis 19. April der aufgelösten „Nationalen Sozialisten Leisnig“ tionsschwerpunkt nach Colditz verlagert und baut
führte das „Ladenschluss-Bündnis“ Kundge- und schon mehrfach Anmelder von Kundgebungen die Zusammenarbeit mit lokalen Nazis weiter aus.
bungen gegen vier Naziläden in Grünau und und Aufmärschen, unter anderem in Delitzsch und Zudem nutzen große Teile des Umfelds der verbote-
in der Innenstadt durch. Während der Kund- Merseburg. Einst soll er versucht haben, eine Orts- nen Kameradschaft „Sturm 34“ die Region als neues
gebung gegen das „Boombastic“ im Grünauer gruppe des im Juli 2008 aufgelösten „Kampfbundes Domizil, nachdem ihnen dies in Mittweida und Um-
Allee-Center am 18. April sammelte sich ein Deutscher Sozialisten“ (KDS) in Leipzig aufzubauen, gebung nicht mehr gelingt.
kleiner Nazimob. Am 19. April versuchte eine hat sich dann aber mit dessen Führungsfigur Axel Selbst im Umlad von Colditz ist nichts bes-
Gruppe rechter Fußball-Hools, die Kundge- Reitz überworfen. Nach weiteren Streitereien kam es ser: Der nahe gelegenen Ort Koltzschen wurde zu
bung gegen das „Tønsberg“ von der gegenüber zum Bruch zwischen Jens Schober und Figuren der Pfingsten von der „Heimattreuen Deutschen Ju-
liegenenden Straßenseite aus mit Wurfgeschos- überregionalen Neonaziszene. Mittlerweile hat er gend“ (HDJ) besucht. Sie hielte dort ihr diesjähriges
sen und Pyrotechnik anzugreifen. Die Polizei seine Aktivitäten deshalb auf Leisnig und den süd- „Pfingstlager“ mit über 150 Kindern und Jugend-
unterband eine direkte Konfrontation. Als Er- lichen Muldentalkreis beschränkt. lichen ab.
folg der Aktionstage erklärte der Betreiber des Das „Bündnis für Deutschland“ verteilt regel- Neben Parteistrukturen und Kameradschaften
„Miss Liberty“, keine weitere Ware der Medi- mäßig eigene Flugblätter, organisiert unter dem existiert in der Region mit den „Shamrock Fighters“
atex GmbH (die bekanntlich die Marke „Thor Slogan „Heimat, Familie, Freunde, Gemeinschaft“ ein Freefight-Club, der gerade in Colditz Fuß fasst.
Steinar“ produziert und vertreibt) ins Sorti- eine monatliche Veranstaltungsreihe, die einen re- Personen aus dem Umfeld dieser Gruppe waren am
ment zu nehmen. gionalen Vernetzungscharakter hat. Bis zu 70 Per- Angriff auf eine antifaschistische Demonstration am
sonen nehmen regelmäßig an diesen Ausflügen und 16. März in Wurzen beteiligt. Bekanntestes Mitglied
Neuer JN-„Sützpunkt“. Am 20. April Kameradschaftsabenden teil. dieser „Sportgemeinschaft“ ist der Thaiboxer Ricky
gründete sich offenbar eine Gliederung des Wie gut die Vernetzung der einzelnen Gruppen Hartung aus Hausdorf bei Colditz. Er ist auch bei
NPD-Jugendverbandes „Junge Nationaldemo- im Detail funktioniert, zeigt folgendes Beispiel: Am den „Fighting Fellas“ in Wurzen aktiv. In Wurzen
kraten“ (JN) in Leipzig. Einer NPD-Pressemit- 14. April wurde ein Friedensgebet in der Colditzer befand er sich beim Angriff auf die Antifademo un-
teilung zufolge würden der neuen Ortsgruppe Schlosskirche von etwa 40 NPD-Anhängern, darun- ter den 70 AngreiferInnen.
auch Mitglieder der „Freien Kräfte“ angehören. ter der NPD-Landtagsabgeordnete Winfried Petzold Einer der Förderer der lokalen Freefight-Sze-
In Zukunft wolle man NPD-Wahlkämpfe un- aus dem nahe gelegenen Mutzschen, und partei-frei- ne und nachweislicher Nazi-Sympathisant ist ein
terstützen und „ein eigenes Zentrum als An- en Nazis gestört. Sie besetzten die letzten Bänke der ortsansässiger Unternehmer. Jene - juristisch ent-
laufpunkt ausbauen“. In Erscheinung getreten Kirche, verteilten Flugblätter, hielten Transparente sprechend vorbelastete - Person tritt als Scharnier
ist die JN-Leipzig bisher nur mit einer „Som- in die Luft und fotografierten alle Anwesenden ab. zwischen Nazigruppen, organisierter Kriminalität
mersonnenwendfeier“ am 21. Juni, die auch auf Schon zwei Tage zuvor referierte der bekannte Alt- und Roltlichtszene auf. Durch seine Hilfe erhält die
der Website „Freies Netz Leipzig“ dokumentiert nazi Manfred Röder im Gasthof Zollwitz, unweit örtliche Naziszene finanzielle Zuwendungen und
wurde. von Colditz. Etwa 100 ZuschauerInnen besuchten anderweitige Unterstützung aus diesem Umfeld.
seinen Vortrag, darunter nicht nur NPDler, sondern Kein Wunder also, dass selbst eine bundesweit
FKL-Aufmarsch in Grünau. Ungefähr auch „freie Nationalisten“. tätige Gruppe wie die HDJ die Region für ihre Ak-
100 Nazis kamen am 29. April nach Grünau, Besonders die NPD profitiert von der Nazihe- tivitäten auswählt. Die funktionierende Zusam-
um auf einem Aufmarsch der Freien Kräfte gemonie der Region und holt ortsansässige Kader menarbeit von NPD, Kameradschaften und Sympa-
Leipzig (FKL) mitzulaufen. Etwa ebensoso viele in ihre Strukturen. Zur Kommunalwahl trat neben thisanten in der rechts-dominierten Jugendkultur
Antifas hatten vorher den Startpunkt der Nazi- dem Colditzer Stephan Behne auch der 22-jährige haben dazu geführt, dass sich Colditz - samt Umge-
Route besetzt, sehr zum Verdruss der drei schon Hannes Hübel für die NPD an. Hübel, selbst aus bung - zur Nazihochburg entwickelt hat. Neben dem
anwesenden Winkeltrinker-Nasen. Allerdings Colditz, war an zahlreichen Überfällen auf Jugendli- Landkreis Mittweida und der Sächsischen Schweiz
wurden die Antifas abgedrängt, so dass sich die che beteiligt und ist regelmäßiger Gast bei wichtigen ist diese Region derzeit eine der dunkelbraunsten
Nazis wie geplant sammeln konnten. Mit dabei Nazievents, so etwa im Herbst 2007 beim „Fest der Flecken im ohnehin schon braunen Sachsen.
waren fast alle Kader der FKL, aber auch Grün- Völker“ in Jena. Wir danken unseren GastautorInnen des antifaschis-
auer LOK-Hools. Als Redner traten diesmal der Die regionale NPD hat folgerichtig ihren Ak- tischen Infoportals Colditz für diesen Artikel.
Anmelder Tommy Naumann sowie Christian
Trosse und zum ersten Mal Jan Häntzschel auf.
Alle drei nehmen schon seit längerem an beina-
he jeder FKL-Aktion teil. Die Polizei verhinder- zu sein. Vortrags-BesucherInnen und die Polizei aufgrund ihres Aussehens Linke vermuteten. Die
te rabiat jede weitere Annäherung von Antifas wiesen ihnen dann den Heimweg. Täter seien dem rechten Teil der Ultras von Chemie
an den Aufmarsch. und LOK zuzuordnen.
Nachtbus überfallen. In der Nacht zum 1.
Störversuch. Der Stadtteil Großzschocher Mai überfielen 20 Vermummte in der Essener Stra- Erster Mai. Während sich die Fußballfraktion der
kann mittlerweile als einer der Schwerpunkte ße in Mockau einen Nachtbus. Sie zerschlugen alle Leipziger Nazis also der Demolierung des Nahver-
der Leipziger Naziszene bezeichnet werden. Scheiben und verletzten einen Fahrgast schwer. Wo- kehrs widmete, tanzte der Kameradenkreis noch auf
So tauchten nach Augenzeugenberichten am 9. chenlang blieb unklar, wer hinter der Attacke stand. anderen Hochzeiten. Einige beteiligten sich am Vor-
Juni Nazis auf einer Informationsveranstaltung Ende Juni konnte die Polizei dann die Ermittlung abend an einem Fackelmarsch der „Freien Kräfte“ in
über extreme Rechte auf. Einige setzten sich in von 15 Tatverdächtigen im Alter von 17 bis 26 Jah- Cottbus. Am 1. Mai selbst fuhren sieben Vertreter
den Saal, andere warteten vor der Tür. Mitdis- ren melden. Bei mindestens zwei von ihnen (20 und und eine Vertreterin der FKL zum NPD-Aufmarsch
kutieren wollten sie allerdings nicht und verlie- 21 Jahre alt) fand eine Hausdurchsuchung statt, sie nach Nürnberg, darunter die üblichen Verdächti-
ßen den Saal wieder. Danach wurden sie nicht kamen in Untersuchungshaft. Laut Polizei seien die gen Christian Trosse, Istvan Repaczki und Tommy
wieder eingelassen, obwohl sie beteuerten, kei- Angreifer „überwiegend rechtsorientiert“ und hät- Naumann. Nach eigenem Bekunden wollen einige
ne Faschisten, sondern „nationale Sozialisten“ ten den Bus attackiert, weil sie unter den Fahrgästen andere, die sich eher dem schwarzen Block als der

2
NPD-Erfolge bei Wahlen in Sachsen
“Freie Kräfte” mischen auf Partei-Listen mit

Wenig überraschend verliefen am 8. Juni und Jens Gatter (22) beteiligten sich zwei weitere, zum parteiunabhänigen Spektrum der dort ansäs-
die sächsischen Kreistags-, Landrats- und bemerkenswert junge Mitglieder der „Freien Kräfte“ sigen Naziszene. Die 25-jährige Nicole Fortak spielt
Bürgermeisterwahlen an der NPD-Liste. Die enger werdende Zusammen- inzwischen eine wichtige vermittelnde Rolle beim
arbeit der „Freien Kräfte“ mit der nordsächsischen Schulterschluss der sächsischen Naziszene. Sie ist ei-

Z war muss die NPD weiterhin auf ihren ersten


eigenen Bürgermeister oder ihre erste eige-
ne Bürgermeisterin warten, dennoch wird sie den
NPD dürfte maßgeblich dem von „Freien“ und NPD
angemeldeten Aufmarsch „Für ein gastfreundliches
Leipzig – kriminelle Ausländerbanden abschieben“
nerseits Mitglied der JN-Sachsen und hält anderer-
seits enge Kontakte zum „Freien Netz Plauen“. In der
NPD erhofft man sich durch ihr Engagment, junge
Ausgang der Kreistagswahlen als Erfolg verbucht am 15. März in Leipzig geschuldet sein. Die Ver- Leute in die Partei zu integrieren. Das zeigte sich zu
haben. Mit 45 Kreistagsmandaten wird die NPD den Kreistagswahlen
in den nächsten sechs Jahren die sächsiche Kom- daran, dass die NPD-
munalpolitik begleiten. Erstmals in der Geschichte Vogtland die jüngste
der Partei sitzten somit Mitglieder der NPD in allen Kandidatenliste –
Kreistagen eines Bundeslandes. Das bedeutet, dass Durchschnittsalter:
die faschistische Partei in Sachsen offensichtlich flä- 28 Jahre – des ganzen
chendeckend und kontinuierlich WählerInnen mo- Freistaates aufstellte.
bilisieren kann, im Landesschnitt 5,1 Prozent, mit Mit Sandro
nur wenigen regionalen Ausnahmen (3,3 Prozent im Kempe (Kreis Mit-
Kreis Zwickau, 7,5 Prozent im Landkreis Sächsische telsachsen) und Rico
Schweiz/Osterzgebirge). Das 25-Prozent-Ergebnis Hentschel (Kreis
der Kreistagswahl in der Gemeinde Reinhardtsdorf- Erzgebierge) haben
Schöna (Sächsische Schweiz) dürfte also kaum noch zwei weitere ehema-
jemanden überrascht haben. lige Kameradschafts-
Die Zahlen an sich sind wohl weniger interes- nazis den Sprung in
sant. Mit äußerst kritischen Augen muss hingegen sächsische Kreistage
der Schulterschluss zwischen NPD und den „Freien hingelegt. Im Kreis
Kräfte“ gesehen werden, der sich in der Aufnahme bindungsperson zwischen den beiden Lagern stellt Zwickau konnten die angetretenen „Autonomen Na-
einiger Nazis aus dem Kameradschaftsspekturm auf offensichtlich Maik Scheffler dar. Von den drei ge- tionalisten“ aus dem Umfeld des „Freien Netz Zwi-
NPD-Listen widerspiegelt. Wie sich seit geraumer nannten Personen erreichte aber nur Jens Gatter, der ckau“, Daniel Peschke, Ronny Krüger und Christian
Zeit andeutet, versuchen Partei und „Freie Kräfte“ zwar mit „Freien Kräften“ zusammenarbeitet, aber Gernegroß, kein Mandat erlangen.
intensiver miteinander zu kommunizieren und, wie eher zum biedern Stamm der NPD zu zählen ist, ein Sicher auch aus Mangel an geschulten Kandi-
im Fall der sächsischen Kommunalpolitik, enger zu- Mandat im zukünftigen Kreistag. daten in den eigenen Reihen hat sich die NPD be-
sammenzuarbeiten. Dies war vor allem in den NPD- reit erklärt, parteiunabhänige Nazis auf ihren Listen
Kreisverbänden Nordsachsen und Vogtland zu
beobachten. Im April dieses Jahres teilte der Kreis-
verband Nordsachsen mit, eine „offene Liste“ zu den
D ass es mit Nicole Fortak (Plauen) und Olaf
Martin (Mylau) zwei Personen aus dem dem
Umfeld der Kameradschatfsszene in den neuen
kandidieren zu lassen. Das ist sowohl ein Einge-
ständnis von Schwäche für die Partei, als auch eine
Stärkung der Vernetzung der sächsischen Naziszene.
Kreistagswahlen ins Rennen zu schicken. Wie be- vogtländischen Kreistag geschafft haben, war eben- Am Beispiel der vergangenen Kreistagswahlen hat
reits erwartet, nahm Maik Scheffler, Protagonist des falls zu erwarten, ist doch die Zusammenarbeit der sich gezeigt, dass Bündnisse zwischen überwiegend
„Freien Netzes“ und Delitzscher Kameradschafts- freien Kräfte und der Parteikader im Vogtland die jungen Kameradschafts-Nazis und der NPD durch-
nazi, das Angebot an und trat für die „offene Liste“ intensivste in Sachsen. Olaf Martin hat als Besitzer aus erfolgreich sein können. Nun sitzt diese Partei in
im Wahlkreis Delitzsch an. Mit Oliver Maaß (18) des Naziladens „Ragnarök“ in Mylau enge Kontakte allen Kreistagen Sachsens.

NPD nahe fühlen, in Hamburg unterwegs gewesen hof und in Kleinzschocher. Außerdem sprühten sie Prozess gegen Repaczki. Isztvan Repaczki,
sein. Einige Leipziger Kameraden schlossen sich Graffitis (darunter Hakenkreuze) und verklebten Kader der Freien Kräfte Leipzig, musste sich am 17.
außerdem einer „Propaganda-Fahrt“ der NPD über Aufkleber und Plakate. Auf ihrer Tour wurden sie- Juli vor dem Amtsgericht verantworten. Ihm wur-
sachsen-anhaltinische Dörfer an. (Bericht Seite 4) ben der Nazis in Kleinzsocher (Rolf-Axen-Straß) de Beleidigung vorgeworfen. Hintergrund: Er soll
von der Polizei aufgegriffen. Noch während sie un- bei einem der Überfälle der „Freien Kräfte“ auf das
Am 8. Mai marschierten unter dem Motto „Unsere terwegs waren, erschien auf „Freies Netz Leipzig“ Grünauer AJZ „Bunte Platte“ eine der dort Anwe-
Kinder - Unsere Zukunft“ etwa 150 Nazis in Borna der offenbar vorgefertigte und rasch wieder entfernte senden mittels Naziparolen beschimpft haben. Zum
auf. Der Aufruf ging zurück auf das „Freie Netz“, als Aktionsbericht, der später mit neuer Datierung wie- ersten Prozesstag brachte er sich 30-40 Kameraden
Redner wurde u.a. Tommy Naumann eingesetzt. der eingesetzt wurde. mit, die teilweise im Saal saßen, teils vor dem Gericht
herumlungerten und PassantInnen anpöbelten. An-
Schiefgelaufen. In der Nacht zum 8. Mai ver- GroSSzschocher-Kundgebung. Am 19.Juni schließend lieferte man sich mit einer eintreffenden
teilten Nazis der FKL Holzkreuze - nach eigenen versammelten sich ca. 80 Nazis, vor allem aus dem Gruppe Antifas eine Auseinandersetzung. Am 23.
Angaben über einhundert Stück mit Inschriften zu Umfeld der FKL, zu einer angemeldeten Kundge- Juli, zum zweiten Prozesstag, tauchten trotz groß-
deutschen „Opfern“ des 2. Weltkrieges und der so bung in Großzschocher. Die Polizei hielt protestie- spuriger Ankündigung keine Nazis auf, nicht einmal
genannten „Vertreibung“ - in Mölkau, am Südfried- rende Antifas wie üblich mit Gewalt auf Abstand. Repaczki. Er wurde in Abwesenheit freigesprochen.

3
Termine Noch eine offene Rechnung
16. August: Der traditionelle „Trauermarsch“ In der Nacht vom 19. auf den 20. April wurde ein Anschlag auf den
zu Rudolf Heß‘ Todestag wird nach aktueller
Rechtslage weder in Wunsiedel, noch an einem „Fischladen“, das Fan-Geschäft des „Roten Stern Leipzig“, verübt
Ausweichort stattfinden dürfen. Derzeit berei-
ten Nazis eine geschlossene Saalveranstaltung Die unerkannt gebliebene Besatzung eines Autos hat auf der Wolfgang-Heinze-
für mehrere hundert Teilnehmer vor. Straße zunächst mit einem Pflasterstein ein Schaufenster des Ladens durch-
schlagen. Anschließend wurde ein „Molotow-Cocktail“ geworfen, der sein Ziel
6. September: Bundesweite „Anti-Kriegs“- jedoch verfehlte und im Eingangsbereich eines benachbarten Gardinenge-
Demonstration freier Kräfte in Dortmund. schäfts zündete.

13. September: „Fest der Völker“ in Jena, In-


fos zu Gegenaktivitäten: http://jena.antifa.net.
Achtung: Datum wurde schon mehrfach ver-
schoben, Ausweichort der Nazis ist Altenburg.

19.–21. September: Rechter „Anti-Islam-


Kongress“ in Köln, Infos zu Gegenaktivitäten:
http://september.web-republic.de/September/
wordpress/

Mehr Infos
• Leipzig-Blog - Schwerpunkt Leipziger Osten
http://leipzig.noblogs.org

• Antifa-Rechercheteam Dresden:
http://venceremos.antifa.net/art/review/

• Recherche Roßwein-Döbeln-Leisnig
http://aardl.blogsport.de/recherche/
1. Mai: Nazi-Aktionstag in Sachsen gefloppt
• Antifa-Rechercheteam Nordbayern
http://www.art-nb.de D as Begehen des 1. Mai als „Kampftag der Arbeit“
ist seit langem eine feste Tradition in der Na-
ziszene. Nicht zuletzt gelang es in den letzten Jahren,
u.a. Dorffeste an, um dort Flugblätter zu Themen wie
„Globalisierung“ zu verteilen.
Bereits am Vorabend des 1. Mai fand ein unange-
• Antifa-Rechercheteam Thüringen (ArtThur)
http://artthur.antifa.net an diesem Tag „Großaufmärsche“ durchzuführen und meldeter Fackelmarsch durch ein Cottbusser Neubau-
dafür Klientel aus allen relevanten Nazispektren zu gebiet statt. Vertreten waren hier etliche „Freie Kräfte“
• Antifa-Pressearchiv und Bildungszentrum
mobilisieren. Noch im letzten Jahr gab es eine - für die - nach Eigenangaben etwa 350 -, inklusive Leipziger
http://www.apabiz.de
zerstrittenen Kader ungewöhnliche - Koordination der Nazis. Nach dem Aufmarsch nahm die Polizei offen-
• Zeitschrift “Antifa-Infoblatt” (AIB) rechten Aktivitäten an diesem Tag. Damals fanden die bar einige abreisende Nazis fest. Am Abend des 1.
http://www.nadir.org/nadir/periodika/aib/ beiden zentralen Aufmärsche in Dortmund und Erfurt Mai schließlich griff ein Nazimob einen Jugendclub
• Zeitschrift “Der Rechte Rand” statt. Diesmal konnte zwischen Nürnberg und Ham- im sächsischen Rochlitz an. Hierbei kam es zu hand-
http://www.der-rechte-rand.de burg gewählt werden, die Region „Mitteldeutschland“ greiflichen Auseinandersetzungen mit nicht-rechten
wurde ausgespart. Deswegen waren AntifaschistInnen Personen. Die Polizei nahm die Personalien von 50 Be-
• Zeitschrift “Lotta” (NRW)
davon ausgegangen, dass hiesige Nazis versuchen wür- teiligten auf. Das Umfeld, von dem die Aktion ausging,
http://projekte.free.de/lotta/
den, ihre „dezentrale Taktik“ auszuweiten. In den letz- ist allerdings unklar.
ten Jahren fanden an Tagen wie dem 1. Mai nämlich Klar ist dagegen, dass die Ankündigung Thomas
auch mehrere kleine, „spontane“ Aufmärsche statt, au- Gerlachs nicht in die Tat umgesetzt wurde: Der hatte
Redaktionelles ßerdem Demo-Touren in Auto-Kolonnen. nach dem letztjährigen 1. Mai angekündigt, zu solchen
Vielleicht ahnten das auch örtliche Nazis, die sich Gelegenheiten künftig das Leipziger Umland besonders
GAMMA ist ein antifaschistischer Newsflyer. Er scheinbar schon im Vorfeld entschlossen haben, klei- ins Visier zu nehmen. Womöglich haben sich die per-
wird von AntifaschistInnen nach Bedarf heraus- ne Brötchen zu backen. Der Kern der „Freien Kräfte sonellen Möglichkeiten der Kameradschafts-Nazis an-
gegeben und informiert über Nazistrukturen und Leipzig“ nahm an der „bundesweiten Demonstration“ gesichts der Vielzahl von Aktionsangeboten erschöpft,
-aktionen in Leipzig und dem näheren Umland. der NPD in Nürnberg teil. Internetberichten zufolge schließlich ist die in der rechten Szene geführte Diskus-
schlossen sich allerdings etliche Kameraden nicht an sion um zentrale und dezentrale Konzepte an solchen
• Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 31.07.2008 - sie bevorzugten das Reiseziel Hamburg. Dort hatte Tagen noch immer unausgefochten. Gerlachs Umfeld
• Kontakt-Adresse: gammazine@no-log.org sich ein „nationaler schwarzer Block“ angesagt, der beschränkte sich am 1. Mai übrigens auf eine Flugblatt-
• Kontakt-Adresse: http://gamma.antifa.net sich dadurch hervortat, JournalistInnen anzugreifen. verteilung im Thüringischen Altenburg. Gerlach zeigte
Parallel dazu tourte eine kleine Gruppe Leipziger Nazis sich zudem erfreut darüber, dass wenigstens in Thürin-
Hinweis: Ihr könnt euch das GAMMA auf gemeinsam mit örtlichen Kameraden über sachsen-an- gen - mit den Stationen Meiningen, Zella-Mehlis und
Wunsch regelmäßig zumailen lassen. Schreibt haltinische Dörfer. Mit einem mit Transparenten und Altenburg - eine kleine Serie von Aufmärschen mit 50
uns einfach eine E-Mail. schwarz-weiß-roter Fahne behangenen Auto fuhren sie Kameraden stattgefunden habe.

You might also like