Professional Documents
Culture Documents
Konsumverhalten und neue Vermarktungswege
Schriftliche
Hausarbeit
zur
Erlangung
des
akademischen
Grades
Bachelor
of
Arts
an
der
Fakultät
02
–
Gestaltung
–
der
Universität
der
Künste
Berlin
Gesellschafts‐
und
Wirtschaftskommunikation
vorgelegt
von
Christian
Lippert
aus
Berlin
(Deutschland)
Eingereicht
am
26.07.2010
1.
Gutachter:
Prof.
Klaus
Gasteier
Universität
der
Künste
Berlin
2.
Gutachter:
Prof.
Dr.
Franz
Liebl
Universität
der
Künste
Berlin
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Inhalt
___________________________________________________________
___________________
3
Abbildungsverzeichnis 3
1. Hintergrund
4
1.1 Anliegen der Arbeit
4
1.2.2 Verbreitung 7
1.2.4 Napster 10
1.2.6 Heute 13
2. Konsument
15
2.1 Versuch einer Definition: Digital Native
15
3. Musikindustrie
31
3.1 Wertschöpfungskette
31
3.3 Alternativen 41
3.3.2 Musikflatrates 43
3.3.3 Streaming 44
2
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
4. Perspektiven
48
4.1 Ausblick: Experteninterviews
48
4.2 Fazit 56
Anhang
59
Leitfaden Experteninterviews
59
Quellenverzeichnis 60
______________________________________________________________________________
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Diversifizierung der Audio-Zugänge
18
Abbildung 5: Vorstellung der Verletzung des Urheberrechts bei verschiedenen Austauschmöglichkeiten von
Musik beim Konsumenten
29
3
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
1. Hintergrund
Im
ersten
Teil
dieser
Arbeit
wird
der
Konsument
vorgestellt.
Was
zeichnet
den
Digital
Native
aus,
wie
unterscheidet
er
sich
im
Vergleich
zum
Digital
Immigrant
vor
allen
Dingen
im
Konsum‐
und
Rezeptionsverhalten?
Dabei
spielt
auch
die
Entwicklung
des
MP3s
und
des
File‐Sharings
als
Plattform
zum
Austausch
von
legalen
und
illegalen
Daten
eine
große
Rolle.
Hierbei
wird
zu
Gunsten
der
möglichst
facettenreichen
Beschreibung
eine
internationale
Betrachtungsweise
dieser
Generation
gewählt.
Nachdem
geklärt
wurde,
wer
der
Digital
Native
ist,
wie
er
mit
Informationen
und
Daten
umgeht
und
welche
Bedürfnisse
diesem
Verhalten
zugrunde
liegen,
gilt
es
im
zweiten
Teil
dieser
Arbeit
herauszu_inden,
wie
die
Musikindustrie
auf
diese
Zielgruppe
reagiert.
Dabei
wird
im
ersten
Schritt
die
klassische
Wertschöpfungskette
beschrieben
und
der
Absatz
von
CDs
und
Online
Verkäufen
der
letzten
Jahre
statistisch
gegeneinandergestellt.
Dabei
beschränke
ich
mich
vorrangig
auf
den
deutschen
Markt,
da
eine
internationale
Betrachtung
aufgrund
der
verschiedenen
Angebote,
Künstlerkataloge
und
Marktsituationen
der
Musikindustrie
in
unterschiedlichen
Ländern
den
Rahmen
dieser
Bachelorarbeit
sprengen
würde.
Zudem
wird
die
herkömmliche
Wertschöpfungskette
der
Musikindustrie
auf
Grundlage
der
neuen
Konsumenten‐/Anbieterrelation
analysiert
und
verändert.
Im
dritten
Teil
der
Arbeit
werden
mögliche
zukünftige
Entwicklungen
vorgestellt,
die
auf
Grundlage
der
im
vorherigen
Kapiteln
aufgestellten
Erkenntnisse
einen
Ausblick
auf
die
möglichen
Folgen
der
aktuellen
Das
MP3‐Format
gilt
seit
nunmehr
über
zehn
Jahren
als
weit
verbreiteter
Standard
zur
Komprimierung
und
Dekomprimierung
von
digital
gespeicherten
Audiodaten.
Trotz
vieler
Weiterentwicklungen
im
Bereich
der
möglichst
verlustfreien
Komprimierung
von
Audiodaten
ist
dieses
Format
immer
noch
sehr
weit
verbreitet.
Scheinbar
revolutionäre
Formate
wie
zum
Beispiel
das
patentfreie
OGG
Vorbis
aus
dem
Jahre
1999
wurden
von
Fachleuten
zwar
bejubelt,
fanden
aber
nur
wenig
Gehör
bei
den
Konsumenten.6
Das
MP3
war
nicht
zuletzt
der
Beginn
der
File‐Sharing‐Welle,
die
Anfang
dieses
Jahrtausends
die
Existenzgrundlage
der
Major‐Labels,
die
zu
dieser
Zeit
immer
noch
auf
die
konventionelle
Audio‐CD
setzten,
veränderte.
Hier
beginnt
bereits
der
Ein_luss
der
ersten
Digital
Native‐
Generation:
Es
fällt
auf,
dass
es
zum
großen
Teil
junge
Studenten
zwischen
18
und
25
Jahren
waren,
die
das
Potential
des
neuen
Audioformates
mittels
der
Etablierung
der
P2P‐Technologie
erkannten
und
die
Musikwelt
bis
heute
nachträglich
beein_lussen.
Initiiert
wurde
die
Entwicklung
des
MP3s
bereits
1977
durch
den
deutschen
Professor
Dieter
Seitzer
vom
Frauenhofer
Institut
in
Erlangen.
Er
hatte
die
Idee,
Musik
nahezu
verlustfrei
über
Telefonleitungen
zu
übertragen.
Diese
Vorstellung
galt
damals
als
so
utopisch,
dass
das
Patentamt
ihm
die
Patentierung
dieser
Idee
verwehrte.
Angespornt
durch
diese
Ablehnung
gab
er
seinem
Doktoranden
Karlheinz
Brandenburg
die
Aufgabe,
einen
Weg
zu
_inden,
Audiodaten
ohne
größere
Verluste
zu
komprimieren.
Da
Brandenburg
auf
keinerlei
vorhandenes
Forschungsmaterial
zu
diesem
Thema
zurückgreifen
konnte,
dauerte
es
knapp
zehn
Jahre
bis
er
1986,
in
Zusammenarbeit
mit
dem
französischen
Elektronikunternehmen
Thomson,
6
Haring, B., MP3 – Die digitale Revolution in der Musikindustrie, 2002, S. 38f.
6
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
einen
geeigneten
Weg
zur
für
das
menschliche
Ohr
nahezu
verlustfreien
Komprimierung
von
Audiodaten
gefunden
hatte.
Sein
Verfahren
ermöglichte
es,
die
Rohdaten
(meistens
unkomprimierte
WAV‐Dateien)
um
den
Faktor
zwölf
zu
komprimieren.7
Zusammen
mit
dem
im
Patentrecht
starken
Partner
Thomson
(der
zuvor
bereits
das
PAL‐System
durchgesetzt
hatte)
ließ
sich
das
Frauenhofer
Institut
im
Jahre
1989
das
Verfahren
patentieren.
Den
Namen
MP3 8
bekam
diese
Art
der
Komprimierung
erst
sechs
Jahre
später,
im
Jahre
1995.9
1.2.2 Verbreitung
Der
Ursprungsgedanke
des
Frauenhofer
Instituts
im
Umgang
mit
dem
neuen
Komprimierungsformat
war
dabei
in
der
industriellen
Verwertung
angesiedelt:
Sowohl
für
den
Encoder
(Verschlüsselung)
als
auch
den
Decoder
(Entschlüsselung)
wollte
das
Institut
und
das
Unternehmen
Thomson
Geld
verlangen.
Während
die
großen
Unternehmen
für
das
Encoding
viel
Geld
bezahlen
sollten
um
die
Software
im
Anschluss
über
ihre
Kanäle
zu
distribuieren,
kam
der
Konsument
für
das
Dekodieren
der
Daten
weniger
kostenintensiv
weg.
Dieses
Finanzmodell
sollte
das
MP3‐Format
für
alle
Zielgruppen
attraktiv
machen.
Die
Firma
Opticon
war
der
erste
große
Partner,
der
erst
nach
sieben
Jahren
nach
der
Einführung
des
Patents
im
Jahre
1986
den
En‐
als
auch
Decoder
anbot.
Unter
den
vielen
Käufern
war
auch
ein
junger
Student
aus
Australien,
der
die
Encoding‐Software
mit
einer
gestohlenen
Kreditkarte
bezahlte
und
das
gesamte
Geschäftsmodell
von
Opticon
und
dem
Frauenhofer
Institut
unterlief:
Er
knackte
die
Software,
verbesserte
sie
und
stellte
sie
als
Freeware
auf
seinen
FTP‐Server
zum
freien
Download
zur
Verfügung.
Innerhalb
eines
Jahres
war
das
Programm
tausendfach
vervielfältigt.
Als
einige
Jahre
später
noch
wesentlich
einfachere
und
optimierte
Codecs10
wie
zum
Beispiel
MusicMatch
auf
den
Markt
kamen,
war
es
auch
für
den
Heimanwender
und
weniger
technikaf_inen
Nutzer
möglich,
alle
CDs
als
MP3
zu
konvertieren
und
sich
Musik
von
Freunden
und
Bekannten
auf
seinem
Computer
anzuhören.
Es
dauerte
nicht
lange,
bis
erste
Unternehmen
auf
die
Idee
kamen,
diese
MP3s
über
das
Internet
zu
verkaufen.
Einer
der
Ersten
war
der
Brite
Ricky
Adar,
der
Mitte
der
1990er
Jahre
in
England
an
der
ersten
„digitalen
Jukebox“
arbeitete
und
sich
mit
dem
Frauenhofer
Institut
in
Verbindung
setzte.
Pro
MP3
wollte
Adar
1
Pfund
verlangen.
Dabei
dachte
er
schon
an
ein
Ausschüttungskonzept
für
die
Rechteinhaber
(Musikverlage
beziehungsweise
die
Künstler),
welche
die
Musik
bereitstellten:
sie
sollten
20
Prozent
der
Einnahmen
bekommen.
Doch
zu
dieser
Zeit,
im
Jahre
1996,
verbreitete
sich
das
MP3
schon
explosionsartig
im
Netz.
Dabei
waren
es
vor
allen
Dingen
amerikanische
Studenten,
die
Gefallen
am
neuen
Format
fanden
und
ihre
nun
digitalisierte
und
komprimierte
Musik
auf
Universitäts‐Server
stellten.
Einer
von
ihnen
war
der
23‐jährige
David
Weekly
von
der
kalifornischen
Stanford
Universität.
Er
sammelte
auf
seiner
Webseite
alle
Informationen,
die
er
zum
neuen
Komprimierungsformat
_inden
konnte,
und
stellte
zudem
eine
Handvoll
MP3s
zum
kostenlosen
Download
zur
Verfügung.
Mit
großem
Erfolg:
zeitweilig
nahm
seine
Webseite
80
Prozent
der
Netzwerkkapazität
der
Hochschule
ein.11
Zwar
ließ
der
amerikanische
Phonoverband
RIAA12
knapp
ein
Jahr
später
alle
großen
MP3‐Seiten,
die
er
aufspüren
konnte
(unter
ihnen
auch
die
von
David
Weekly),
schließen,
doch
bereits
jetzt
hatten
sich
die
MP3s
bereits
hunderttausendfach
im
noch
jungen
Medium
Internet
verbreitet.
Ricky
Adars
angedachtes
Vertriebsmodell
fand
dadurch
schnell
ein
Ende.
11Renner, T., Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm – Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie,
2004, S. 138f.
12Abk. für „Recording Industry Association of America“. Ein 1952 gegründeter Verband der die Interessen
der Musikindustrie und seiner Unternehmen in den USA vertritt.
8
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
ihm
passender
Musik,
war
er
ohne
gekonnte
Beratung
durch
den
Plattenhändler
seines
Vertrauens
auf
sich
allein
gestellt.13
Das
Problem
sollte
durch
einen
semantisch
sinnvoll
verknüpften
und
auf
dem
Geschmack
des
Hörers
basierenden
CD‐Online‐Handel
gelöst
werden;
Man
hoffte
darauf,
dass
der
Konsument
zugunsten
des
Angebots
und
der
bereitgestellten
Informationen,
also
der
viel
zitierten
„Convenience“,
CDs
legal
bestellten
als
sie
mühsam
illegal
herunterzuladen.
Der
Kunde
konnte
auf
CDNow
jede
Platte
vorhören
und,
dank
Kooperationen
mit
den
Musikmagazinen
Rolling
Stone,
Spin
und
Q,
Rezensionen
zu
jeder
der
zum
damaligen
Zeitpunkt
100
angebotenen
Alben
lesen.
CDNow
bediente
damit
den
musikalischen
Sektor
wie
es
Amazon
zur
gleichen
Zeit
mit
Büchern
tat.14
Doch
das
Konzept
währte
nicht
lange:
Aufgrund
des
stetig
wachsenden
Marktes
und
der
damit
zunehmenden
Konkurrenz
kam
das
Portal
in
eine
_inanzielle
Krise
und
wurde
schlussendlich
im
Jahre
2002
an
Amazon
verkauft.
Die
Deutsche
Telekom
war
eines
der
ersten
Unternehmen,
das
den
großen
Schritt
in
Richtung
MP3‐Distribution
im
Internet
unternahm.
Im
Zusammenarbeit
mit
dem
Er_inder
des
MP3s,
Karlheinz
Brandenburg,
gründete
das
Unternehmen
die
erste
digitale
Vertriebsplattform
für
MP3s
namens
„Music
on
Demand“,
kurz
„MoD“.
Erstmalig
wurde
diese
Form
des
Online‐Musikverkaufs
auf
der
Internationalen
Funkausstellung
1997
in
Deutschland
vorgestellt,
bevor
sie
im
Zuge
der
CeBIT
ein
Jahr
später
online
ging.
Man
versprach
sich
viel
vom
neuen
Vertriebsmodell:
Bis
zum
Jahre
2003
sollte
der
Handel
mit
Musikdaten
im
Internet
1,64
Milliarden
Dollar
betragen
–
das
entspräche
einem
Anteil
von
7,5
Prozent
des
Gesamtumsatzes
durch
Tonträgerverkäufe
im
Jahre
1998.15
Dieses
Niveau
hat
man
allerdings
erst
im
Jahre
2009,
also
mehr
als
zehn
Jahre
nach
der
Einführung
dieses
ersten
Musikdownload‐Portals,
erreicht.
Grund
dafür
war
vor
allem,
dass
die
Internetanbindung
trotz
der
stark
komprimierten
Daten
noch
nicht
mit
den
14Renner, T., Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm – Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie,
2004, S. 143f.
15Verhandlung mit Medienriesen, Deutsche Telekom testet Musik on demand, Online-Artikel der
COMPUTERWOCHE vom 23.01.2008, http://www.computerwoche.de/heftarchiv/1998/4/1085334/, Zugriff
am 17.06.2010
9
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Datenmengen
zurecht
kam.
Für
den
Download
einer
ganzen
CD
mit
Rund
660
MB
brauchte
der
Internetnutzer
mit
einer
damals
aktuellen
ISDN‐Verbindung
knappe
zwölf
Stunden.16
Zudem
musste
der
Nutzer
Kunde
von
T‐Online
sein
und
den
portaleigenen
MoD‐Player
benutzen,
um
die
Daten
abspielen
zu
können.
Die
größte
Einstiegshürde
für
den
legalen
Kauf
von
Online‐Musik
waren
allerdings
die
Kosten:
Aufgrund
von
Au_lagen
der
Musikindustrie
musste
die
Deutsche
Telekom
ein
MP3
zu
einem
Preis
von
4,50
–
7,85
Deutsche
Mark
anbieten
(Albumpreis:
circa
60
DM,
umgerechnet
ca.
30
Euro).
Im
Musikfachhandel
zahlte
der
Kunde
dafür
weniger
als
die
Hälfte.
Zudem
kamen
noch
Kosten
für
die
Internetverbindung
dazu
–
eine
Flatrate
gab
es
zu
diesem
Zeitpunkt
noch
nicht.
Der
Nutzer
zahlte
in
Datenpaketen
und
kam
pro
Album
auf
eine
stolze
Summe
für
die
Internetkosten
von
knapp
13,80
Deutsche
Mark.
17
Die
Deutsche
Telekom
war
den
Ansprüchen
der
Nutzer
an
das
Angebot
und
den
technischen
Vorraussetzungen
noch
nicht
gewachsen.
Zudem
lag
ein
starker
Druck
von
der
Musikindustrie
auf
den
Schultern
der
Deutschen
Telekom,
sodass
„Music
on
demand“
am
30.
Juni
2003
abgeschaltet
wurde
–
genau
in
dem
Jahr,
als
die
oben
genannten
Marktanteils‐Prognosen
Realität
werden
sollten.
1.2.4 Napster
16
Online-Artikel
der COMPUTERWOCHE vom 23.01.2008, http://www.computerwoche.de/heftarchiv/
1998/4/1085334/, Zugriff am 17.06.2010
17Renner, T., Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm – Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie,
2004, S. 141
10
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
immer
noch
auf
die
Nutzung
von
sogenannten
Newsgroups18
oder
IRCs19
angewiesen.
Im
letzteren
schrieb
Fanning
mit
dem
Usernamen
Napster
im
Jahre
1998
von
seiner
Idee,
eine
Tausch‐Software
für
MP3s
namens
Musicshare
zu
entwickeln.
Denn:
Wie
auch
die
meisten
seiner
Kommilitonen
macht
sich
Fanning
die
schnelle
Internetanbindung
der
Universität
zu
Nutze
um
über
einschlägige
Suchmaschinen
nach
MP3s
zu
suchen.
Problem
dabei
war
es
aber,
dass
die
meisten
(privaten)
Server,
auf
denen
die
Daten
lagen,
schon
nach
kurzer
Zeit
geschlossen
wurden.
Seine
Idee
war
es,
die
Audiodaten
direkt
von
den
Festplatten
anderer
Nutzer
herunterzuladen
anstatt
auf
übergeordnete
Server
zu
vertrauen.
Die
Software
dient
dabei
nur
als
Vermittler,
als
sogenannter
Client.
Dieser
nahm
die
Suchanfragen
auf
und
indexierte
die
verfügbaren
MP3s.
Nun
verband
er
die
IP‐Adresse
der
Suchanfrage
mit
einer
passenden
IP‐Adresse
des
Nutzers,
der
das
gesuchte
MP3
auf
seinem
Rechner
hatte.
Die
zugrundeliegende
Technologie
war
schon
seit
den
1970er
Jahren
bekannt
und
nannte
sich
„Peer
to
Peer“
(kurz:
P2P),
wurde
hier
jedoch
das
erste
Mal
im
großen
Stil
durch
eine
große
Nutzergemeinde
verwendet;
Da
der
Nutzer
nicht
nur
Daten
anderer
Nutzer
herunterladen
(Download),
sondern
auch
eigene
Daten
hochladen
und
der
Community
nutzbar
machen
sollte
(Upload),
gingen
keine
Daten
verloren
sondern
vermehrten
sich
nach
dem
Schneeballprinzip.
Es
sollte
ein
Geben
und
Nehmen
werden;
Das
Grundprinzip
des
Filesharings,
einer
digitalen
Tauschbörse
für
Daten,
war
geboren.
Nach
einem
Jahr
intensiver
Entwicklungsarbeit
stellte
Fanning
1999
seine
erste
Beta‐Version
von
Napster,
nun
benannt
nach
seinem
Usernamen
im
IRC,
online.
Die
Reaktionen
waren
überwältigend,
die
Server
überlastet.
Bereits
16
Monate
nach
dem
Start
der
Plattform
waren
bereits
30
Millionen
Nutzer
aktiv
und
tauschten
in
18
Newsgroups sind Internetforen zu einem bestimmten Thema. Über E-Mails können User Informationen,
Nachrichten oder Artikel an die Mitglieder schicken. Die bekannteste Newsgroup-Technologie ist das
UseNet. Newsgroups wurden zur Entstehungsphase des Internets vor allen Dingen von technikaffinen
Nutzern und Hackern benutzt, um sich unter dem Deckmantel der Anonymität über aktuelle Entwicklungen
und Sicherheitslücken auszutauschen.
19IRC („Internet Relay Chat“) ist ein Chatsystem das Ende der 1990er Jahre vor allen Dingen bei
technikaffinen Nutzern beliebt wurde. Die Textnachrichten werden in sogenannten Channels an alle im Kanal
anwesenden Nutzer übertragen. Diese Channels können von jedem beliebigen Nutzer erstellt und u.a. auch
verschlüsselt oder passwortgeschützt werden. Zur Teilnahme am IRC wird ein sogenannter IRC-Client sowie
eine Server-Adresse, auf dem sich die Channels befinden, benötigt.
11
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Doch
andere
Angebote
standen
zu
dieser
Zeit
schon
in
den
Startlöchern
und
boten
den
tauschwilligen
Nutzern
verbesserte
Alternativen:
Gnutella
arbeitete
zwar
vollkommen
dezentral
(das
heißt,
dass
keine
Daten
auf
S e r ve r n
g e s p e i c h e r t
w u rd e n .
D e r
C l i e n t
ü b e r n a h m
n u r
d i e
Vermittlungsfunktion),
war
aber
den
Millionen
von
Nutzern,
die
nach
der
drohenden
Schließung
von
Napster
im
Jahre
2000
innerhalb
weniger
Stunden
nach
einer
Alternative
suchten,
nicht
gewachsen.
Die
zweite
Generation
der
P2P‐Netzwerke,
darunter
die
Größen
Grokster
und
Kazaa,
wurden
zu
den
neuen
Anlaufstellen
der
File‐Sharing‐Nutzer.
Mit
Kazaa,
entwickelt
von
zwei
niederländischen
Internet‐Unternehmern,
wurde
den
Internutzern
die
erste
technisch
verbesserte
Plattform
angeboten,
die
es
mit
der
Popularität
des
langsam
aber
sicher
eingehenden
Napsters
aufnehmen
konnte.
Neben
MP3s
konnte
hier
auch
Software,
Filme
und
E‐Books
getauscht
werden.
Während
in
Amerika
der
Rechtsstreit
zwischen
Napster
Inc.
und
den
Anwälten
der
Musikindustrie
seinen
Höhepunkt
fand,
schaffte
es
Kazaa
ohne
jegliche
Werbung
oder
Promotion
zur
ersten
Wahl
in
Alternative
zu
Shawn
20Palfrey, J., Gasser, U., Generation Internet, Die Digital Natives: Wie sie leben, Was sie denken, Wie sie
arbeiten, 2008, S. 163
21
Röttgers, J., Mix, Burn & R.I.P. – Das Ende der Musikindustrie, 2003, S. 14ff.
22Green, M., Napster Opens Pandoraʼs Box: Examining How File-Sharing Services Threaten the
Enforcement of Copyright on the Internet, http://moritzlaw.osu.edu/lawjournal/issues/volume63/number2/
green.pdf, Zugriff am 20.06.2010
12
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
1.2.6 Heute
Die
P2P‐Technologie
wurde
und
wird
stets
weiterentwickelt
um
der
stetig
wachsenden
Filesharing‐Gemeinde
eine
Plattform
zu
bieten.
Nach
Napster
und
Kazaa
ist
es
heute
die
dritte
Generation
der
P2P‐Netzwerke,
die
auf
einem
hybriden
System
basieren;
Sie
stellen
eine
Mischung
aus
der
zentralen
Serververwaltung
(die
schlussendlich
das
Aus
für
Napster
bedeutete)
sowie
der
dezentralen
Struktur
von
Kazaa
und
Grokster
dar,
die
Daten
direkt
von
User
zu
User
(„friend‐to‐friend“)
schickten,
und
nutzen
mehrere,
zeitgleich
agierende
Server,
die
als
„Superknoten“
fungieren
und
die
Daten
unter
den
Nutzern
verwalten.
Ist
ein
Server
überlastet
oder
stillgelegt,
wird
automatisch
ein
anderer
genutzt.
Prominente
Netzwerke
und
Clients
wie
eDonkey
oder
Gnutella2
erreichen
heute
weitaus
mehr
Nutzer
als
zu
Napsters
Höchstzeiten.
Das
ebenfalls
populäre
Filesharing‐Protokoll
BitTorrent
nutzt
die
Bereitstellung
von
sogenannte
Torrent‐Dateien.
Mit
einem
geeigneten
Client
ist
der
Nutzer
in
der
Lage,
sich
mit
allen
Usern
zu
verbinden,
die
entweder
den
gesamten
Dateiinhalt
(„Seeder“)
oder
nur
Bruchstücke
bereitstellen
und
die
Daten
selbst
gerade
downloaden
(„Leecher“).
Je
mehr
User
sich
also
eine
Datei
herunterladen,
desto
schneller
wird
der
Download,
da
sich
der
Client
automatisch
die
Teile
der
Datei
sucht,
23 Röttgers, J., Mix, Burn & R.I.P. – Das Ende der Musikindustrie, 2003, S. 21
24Palfrey, J., Gasser, U., Generation Internet, Die Digital Natives: Wie sie leben, Was sie denken, Wie sie
arbeiten, 2008, S. 166
25
Napster, Offizielle Website, http://www.napster.de/product_info.html, Zugriff am 20.06.2010
13
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
die
dem
Nutzer
noch
fehlen.
Dadurch
stehen
die
Nutzer
nicht
in
direkter
Verbindung
mit
einem
großen
Netzwerk,
sondern
es
entsteht
für
jede
einzelne
Torrent‐Datei
ein
separates
Netzwerk.
26
Zwar
wurde
die
Entwicklung
des
MP3s‐Formates,
das
bis
heute
die
Grundlage
des
sowohl
legalen
als
auch
illegalen
File‐Sharings
ist,
von
Wissenschaftlern
und
Entwicklern
initiiert;
Die
Popularität
und
Verbreitung
dieses
Formates
begründet
sich
allerdings
durch
das
Interesse
und
dem
technischen
Know‐How
der
Digital
Natives,
der
jungen
Generation,
die
das
Potential
dieses
Formates
Mitte
der
1990er
erkannt
und
auf
revolutionäre,
wenn
auch
leichtfertige
Weise
innerhalb
weniger
Jahre
in
den
Fokus
der
jungen
Internetnutzer,
der
Urheberrechtsbesitzer
und
der
Medien
gerückt
haben.
2. Konsument
Der
in
den
Medien
und
der
Fachpresse
vielzitierte
Digital
Native
ist
nur
schwierig
zu
de_inieren,
da
sich
der
Begriff
im
stetigen
Wandel
be_indet.
Neue
Technologien
und
digitale
Angebote
fordern
und
verändern
jede
neu
heranwachsende
Generation
aufs
neue
und
prägen
das
Informations‐
und
Sozialverhalten.
In
diesem
Kapitel
soll
deutlich
werden,
wie
vielschichtig
und
facettenreich
der
Digital
Native
ist
und
wie
sich
die
junge
Internetgeneration
von
den
Digital
Immigrants,
der
späteren
Generation,
abgrenzt.
27
Die Artikel
sind kostenlos als PDFs downloadbar:
http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-
%20Part1.pdf und:
http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-
%20Part2.pdf
15
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Lernstoff
anders
aufnehmen
und
verarbeiten
als
die
Generationen
vor
ihnen.
Im
stetigen
Kommunikations‐
und
Informationsstrom
der
digitalen
Welt
fällt
es
ihnen
schwer,
sich
auf
herkömmliche
Prozesse
wie
schulische
Aufgaben
und
Lektüren
zu
konzentrieren.
Ihre
Denkstrukturen
haben
sich
verändert:
Sie
sind
„Native
Speaker“
der
„digitalen
Sprache“.
Dagegen
stellt
Marc
Prensky
die
Menschen,
die
vorrangig
mit
analogen
Technologien
aufgewachsen
sind
und
sich
erst
zur
späteren
Zeit
ihres
Lebens
mit
den
neuen,
digitalen
Angeboten
auseinandergesetzt
haben:
die
Digital
Immigrants
(„Digitale
Immigranten“).28
Hier
sieht
der
Autor
eine
starke
Kluft
(„Immigrant/Native
divide“),
die
sich
vor
allen
Dingen
in
der
unterschiedlichen
Habitualisierung
zu
den
neuen,
digitalen
Medien
äußert:
So
können
sich
Digital
Immigrants,
zum
Beispiel
Pädagogen,
in
der
Regel
nicht
vorstellen,
schulische
Aufgaben
beim
Fernsehschauen
und
dem
gleichzeitigem
Chatten
mit
Freunden,
beantworten
von
E‐Mails
oder
dem
Hören
von
Musik
zu
bearbeiten.
Sie
sind
es
zwar
gewohnt,
mit
den
neuen
Technologien
die
digitalisierten
Welt
zu
arbeiten,
sind
aber
nicht
so
stark
an
permanente,
mehrkanalige
Informationsströme
gewöhnt
wie
die
Digital
Natives.
Das
liegt
vor
allen
Dingen
daran,
dass
die
Immigrants,
im
Gegensatz
zu
den
Natives,
in
der
Lage
sind,
die
digitalen
Technologien
der
heutigen
Zeit
gegen
die
analogen
Vorgänger
zu
stellen,
mit
denen
sie
groß
geworden
sind.
Dadurch
entstehen
auf
beiden
Seiten
Vorurteile:
Während
die
Digital
Natives
nach
Auffassung
der
Immigrants
nicht
mehr
wirklich
„zuhören“
können,
sind
die
Digital
Immigrants
in
den
Augen
der
Natives
die
Leute,
die
sich
ihre
E‐Mails
und
Dokumente
immer
noch
ausdrucken
müssen
um
damit
arbeiten
zu
können.29 Als
einzige
Lösung
zur
Überbrückung
dieser
Kluft
sieht
Marc
Prensky
die
Annäherung
der
Immigrants
an
die
Natives,
also
die
Änderung
im
28
Prensky,
M., Digital Natives, Digital Immigrants, Artikel im On The Horizon, Oktober 2001, http://
www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-
%20Part1.pdf,
Seite 1f.
29
Prensky, M., Digital Natives, Digital Immigrants, Artikel im On The Horizon, Oktober 2001, http://
www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-
%20Part1.pdf, Seite 3
16
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Als
ein
Standardwerk
über
die
heutige
Internet‐Generation
gilt
das
2008
erschienene
Werk
„Born
Digital:
Understanding
The
First
Generation
Of
Digital
Natives“
von
John
Palfrey
und
Urs
Gasser31.
Die
Autoren
de_inieren
die
Digital
Natives
als
die
Generation(en),
die
ab
dem
Jahr
1980
geboren
wurde(n)
‐
zum
heutigen
Zeitpunkt
sind
sie
also
nicht
älter
als
30.32
Die
Autoren
untersuchen
die
digitale
Generation
nicht
als
eine
zeitlich
festgelegte
Altersspanne,
sondern
beschreiben
eine
durch
die
Digitalisierung
hervorgerufene
Mediensozialisation,
die
Auswirkungen
auf
die
jetzige
aber
auch
alle
weiteren
Generationen
hat.
Schon
jetzt
ist
der
Digital
Native
laut
einer
zehnjährigen
Langzeitstudie
des
JIM
aus
dem
Jahre
2008
in
Deutschland
zweigeteilt:
Zum
Zeitpunkt
der
ersten
Untersuchung
1998
nutzten
zum
Beispiel
nur
5%
der
knapp
über
1.000
befragten
Jugendlichen
zwischen
12
und
19
Jahren
das
Internet
mehrmals
die
Woche
–
2008
waren
es
84%.33
Gaben
bereits
1998
35%
an,
einen
Computer
zu
besitzen,
hat
sich
die
Zahl
zehn
Jahre
später
in
der
selben
Altersspanne
mit
71%
mehr
als
verdoppelt .
Auch
war
die
Nutzung
von
MP3‐Playern
vor
der
Jahrtausendwende
noch
nicht
annähernd
so
etabliert
wie
heute
–
der
Siegeszug
dieses
Gerätes
fand
erst
2001
mit
der
Einführung
von
Apples
iPod
statt.
30
Prensky, M., Digital Natives, Digital Immigrants, Artikel im On The Horizon, Oktober 2001, http://
www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-
%20Part1.pdf, Seite 6
31
Anmerkung: In dieser Arbeit wird die deutsche Fassung „Generation Internet“ verwendet.
32Palfrey, J., Gasser, U., Generation Internet, Die Digital Natives: Wie sie leben, Was sie denken, Wie sie
arbeiten, 2008, Seite 1
33 vgl. Klingler, W., Eine Analyse auf Basis der Studienreihe Jugend,
Information und (Multi-)Media/JIM, Jugendliche und ihre Mediennutzung 1998 bis 2008, Artikel im Magazin
MEDIA PERSPEKTIVEN, Dezember 2008, S. 1f.
17
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Abb. 1: Diversifizierung der Audio-Zugänge, 12-19 Jahre, mindestens mehrmals pro Woche
genutzt, in %
34 aus: Klingler, W., Eine Analyse auf Basis der Studienreihe Jugend,
Information und (Multi-)Media/JIM, Jugendliche und ihre Mediennutzung 1998 bis 2008, Artikel im Magazin
MEDIA PERSPEKTIVEN, Dezember 2008, S. 8
18
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
ihres
Lebens
Kontakt
zum
großen
Repertoire
der
sie
umgebenen
digitalen
Welt.
Dadurch
zeichnet
sich
bereits
jetzt
eine
generationsbasierte
Teilung
der
Digital
Natives
in
„Twens“
(20‐
bis
30‐Jährige),
die
zumeist
arbeitstüchtig
sind,
und
12‐
bis
19‐jährige
Jugendliche
ab,
die
ganz
besonders
von
den
Entwicklungen
des
Web
2.0 35
geprägt
sind.
Dieser
Umstand
beweist,
dass
die
Gruppe
der
Digital
Natives
nicht
klar
zu
de_inieren
und
einem
stetigen
Wandel
unterworfen
ist.
Was
sie
verbindet,
ist
der
natürliche
Umgang
mit
digitalen
Medien
als
Bestandteil
ihrer
erzieherischen,
gesellschaftlichen
und
kulturellen
Erfahrungen.36
Dabei
ist
vor
allen
Dingen
ein
Wandel
im
Sozial‐
und
Informationsverhaltes
festzustellen.
Die
Digital
Natives
p_legen
ihre
sozialen
Kontakte
sowohl
off‐
als
auch
online.
Diese
„Hybrid“‐Existenz37 ist
für
die
junge
Internetgeneration
völlig
selbstverständlich
und
unterscheidet
sie
grundlegend
von
den
Digital
Immigrants,
die
mit
den
neuen
Kommunikationsmöglichkeiten
durch
das
Internet
erst
spät
in
Berührung
gekommen
sind.
Die
realen
und
virtuellen
Existenzen
verschmelzen
dadurch
mehr
und
mehr.
Jürgen
Fritz,
deutscher
Professor
für
Spielpädagogik,
Interaktionspädagogik
und
komplexe
Kommunikation
im
Fachbereich
Sozialpädagogik,
stellt
dabei
fest:
„Die
virtuelle
Welt
verwandelt
unsere
leiblich‐konkrete
Existenzweise
in
eine
geisthafte.
Wir
werden
zu
einem
Mischwesen,
konkret
und
leiblich
in
der
realen
Welt
verankert
und
gleich
geisthaft
in
die
virtuelle
Welt
so
hineinwirkend,
dass
wir
in
ihr
zu
leben
glauben.“38
35
Web 2.0 ist eine durch Tim OʼReilly geprägte Bezeichnung für die heutige Form des Internets. Signifikant
ist die zum Teil vertauschte Rollenverteilung Sender und Empfänger. Der Internetnutzer wird im Web 2.0
mehr und mehr selbst zum Erschaffer von Inhalten („User Generated Content“) und prägt somit die
Internetlandschaft. Zudem zeichnet sich das Web 2.0 durch eine hohe Vernetzbarkeit zwischen Nutzern aus.
Der Nutzer konsumiert, produziert und kommuniziert in Echtzeit.
36
Frieling,
J., Zielgruppe Digital Natives, Wie das Internet die Lebensweise der Jugendlichen verändert,
2010, Seite 32
37Palfrey, J., Gasser, U., Generation Internet, Die Digital Natives: Wie sie leben, Was sie denken, Wie sie
arbeiten, 2008, Seite 5
38 Fritz, J., Ich chatte also bin ich, Virtuelle Spielegemeinschaften zwischen Identitätsarbeit und
Internetsucht, http://snp.bpb.de/referate/fritzvsg.htm, 2005, Zugriff am 30.06.2010
19
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Die
„virtuelle
Welt“
ist
also
identitätsstiftend
und
stellt
eine
Erweiterung
der
eigenen,
realen
Person
dar.
Der
Digital
Native
macht
sich
im
Internet,
ebenso
wie
im
realen
Leben,
Gedanken
darüber,
wie
das,
was
er
zum
Beispiel
über
ein
Statusupdate
bei
Facebook
kommuniziert,
auf
seine
Außenwelt
wirkt.
Es
ist
nicht
unüblich,
dass
ein
postkommunikativer
Austausch
außerhalb
der
virtuellen
Welt
statt_indet,
bei
dem
man
sich
über
das
im
Internet
veröffentlichte
„real“
austauscht.
Die
Grenze
zwischen
Of_line‐
und
Online‐
Welt
verschwimmt
mehr
und
mehr.
Die
Kommunikation
zwischen
den
Grenzen
ist
anschlussfähig
und
wandelt
von
indirekter
(Internet)
zu
direkter
(face‐to‐face‐Kommunikation)
und
zurück.
Die
dabei
aufgestellten
Prognosen
und
Thesen
zur
Auswirkung
auf
die
reale
Kommunikation
_inden
sich
bereits
in
den
frühen
Theorien
zur
„Medialisierung
des
Alltags“
unterschiedlicher
Medientheoretiker
im
Bereich
der
Virtualität
wieder.
So
beschreibt
Vilém
Flusser
schon
1985,
dass
sich
die
Gesellschaft
in
fünf
Stufen
vom
„konkreten
Erleben
der
Umwelt
zur
Abstraktion
in
das
Universum
der
technischen
Bilder“
entwickeln
wird.39
Konkret
auf
die
Beziehung
zwischen
den
Menschen
und
deren
Kommunikation
bezieht
es
Pierre
Lévy
1997
und
beschreibt
die
Theorie
einer
kollektiven
Intelligenz,
die
zu
einer
„Cyber‐
Demokratie“
führt.
Diese
ist
überall
verteilt,
koordiniert
sich
in
Echtzeit
und
zeichnet
sich,
begünstigt
durch
die
effektive
Mobilisierung
von
Kompetenzen,
durch
eine
stetige
Wertschaffung
aus.
Dabei
wird
auf
Macht
und
Hierarchie
verzichtet
–
viel
eher
beschreibt
Lévy
eine
gegenseitige
Anerkennung
und
Bereicherung
des
menschlichen
Wissens
und
Handelns.
Damit
hat
Pierre
Lévy
bereits
vor
13
Jahren
das
vorausgesagt,
was
wir
heute
als
User
Generated
Content,
also
von
Internetnutzern
selbst
bereitgestellte
Informationen
und
Inhalte,
bezeichnen.40
Betrachten
wir
die
neuen
Kommunikationskanäle
in
Bezug
auf
die
Kommunikation
zwischen
Künstler
(Musiker)
und
Fan
intensiviert
sich
das
Verhältnis
im
Gegensatz
zu
früher.
Wo
der
Anhänger
einer
bestimmten
Band
oder
Musikers
noch
Fanbriefe
schreiben
und
auf
Antworten
warten
musste,
ist
es
ihm
nun
möglich,
über
die
vermehrt
von
Künstlern
eingerichteten
Twitter‐,
Facebook‐
und
Myspace‐Pro_ile
direkten
Kontakt
zum
Musiker
Bereits
2004
indexierte
Google
acht
Milliarden
Websites,
die
durch
den
Suchalgorithmus
durchforstet
wurden.
Für
das
Jahr
2010
wird
eine
Produktion
von
998
Milliarden
Gigabyte
digitaler
Informationen
vorhergesagt
–
im
Jahre
2007
waren
es
noch
161
Milliarden.
Die
Masse
der
Daten,
die
jedes
Jahr
ins
Internet
gestellt
und
damit
der
ganzen
Welt
(und
vor
allen
Dingen
den
Digital
Natives)
zur
Verfügung
gestellt
wird,
steigt
von
Jahr
zu
Jahr
an.41
In
Anbetracht
dieser
unvorstellbaren
Masse
an
Information
in
textlicher
sowie
audiovisueller
Form
ist
der
Digital
Native
dazu
gezwungen,
sein
Informations‐
und
vor
allem
Selektionsverhalten
zu
ändern.
Aufgrund
der
Komplexität
und
Fülle
der
Informationen
kann
der
Digital
Native
einzelnen
Inhalten
im
Schnitt
weniger
Zeit
widmen
als
die
Generation
zuvor.
Dabei
hilft
ihm
vor
allen
Dingen
der
gekonnte
Umgang
mit
den
aktuellen
Technologien
und
Tools,
die
ihm
das
Internet
zur
Verfügung
stellt;
Viele
Filterungssysteme,
das
Abonnement
von
RSS‐Feeds
und
die
gezielte
Suche
nach
zum
Beispiel
Büchern
und
Filmen
auf
dafür
zugeschnittenen
Portalen
erhöht
die
Chance,
schneller
zu
der
Information
zu
kommen,
die
gesucht
wurde.
Zudem
sind
die
Digital
Natives
mit
dem
Prinzip
des
Multi‐Taskings
aufgewachsen,
dem
gleichzeitigen
Ausführen
verschiedener
Tätigkeiten.
Die
serielle
Abarbeitung
von
Information
hat
sich
zu
einer
parallelen
Anordnung
von
Aufgaben
gewandelt,
die
allesamt
zur
gleichen
Zeit
zum
Beispiel
im
Browser
oder
der
Taskleiste
des
Nutzers
bearbeitet
werden.
Aber
auch
Informationen
aus
der
umgebenen
Of_line‐Welt
sind
oft
zur
gleichen
Zeit
aktiv
und
wirken
auf
den
Nutzer
ein;
So
surfen
2007
mehr
als
die
Hälfte
der
41Palfrey, J., Gasser, U., Generation Internet, Die Digital Natives: Wie sie leben, Was sie denken, Wie sie
arbeiten, 2008, Seite 225
21
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Abb. 2: Musiknutzung (höre Musik mit…), 12-19 Jahre, Deutschland, JIM Studie 2009
Rezipiert
wird
Musik
allerdings
immer
noch
am
meisten
über
das
klassische
Medium
Radio
(70%),
dicht
gefolgt
vom
MP3‐Player
(64%,
siehe
Abb.
245).
Signi_ikant
ist
der
Anstieg
der
Musiknutzung
über
das
Internet,
die
innerhalb
eines
Jahres
von
40%
auf
58%
gestiegen
ist.46
Die
Flatrate
im
Kinderzimmer
macht
das
Internet
zu
einer
globalen
Musicbox.
Die
Möglichkeit,
immer
und
überall
genau
das
zu
hören
oder
(il)legal
herunterzuladen,
was
man
gerade
hören
möchte,
begünstigt
diese
Aussage,
fördert
aber
auch
die
Beliebigkeit:
Die
Summe
an
MP3s
und
anderen
Audiodaten,
die
auf
externen
Festplatten,
USB‐Sticks,
Notebooks
oder
anderen
Medien
gespeichert
wurden,
hat
sich
in
Deutschland
von
8,8
Milliarden
(2005)
innerhalb
von
vier
Jahren
im
Jahre
2009
mit
47,1
Mrd.
Dateien
fast
verfünffacht
(siehe
Abbildung
3) 47.
45aus: JIM 2009, Jugend, Information, (Multi-)Media, Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in
Deutschland, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2009, Seite 23.
46
ebd., Seite 22ff.
47Bundesverband Musikindustrie, Musikindustrie in Zahlen 2009, 2010, Seite 28. Anmerkung: Betrachtet
man diesen Anstieg ohne die 2009 hinzugezogenen externen Festplatten, so hat sich die Speichermenge
verdreifacht.
23
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Laut
einer
im
Sommer
2009
durch
UK
Music48
bei
der
University
of
Hertfordshire
in
Auftrag
gegebenen
Studie
über
die
Musiknutzung
von
Jugendlichen
von
14
bis
24
Jahren
in
Großbritannien
kam
heraus,
dass
die
MP3‐Musiksammlungen
der
1.808
befragten
durchschnittlich
8.159
Titel
umfasst.
Das
entspricht
bei
einer
durchschnittlichen
Titellänge
von
3
Minuten
einer
Gesamtdauer
von
408
Stunden
(17
Tage)
Musik,
also
680
Alben
(12
Titel
pro
Album).
In
Einzelfällen
wurden
aber
auch
75.000
und
mehr
Tracks
angegeben.
Davon
wurden,
laut
Studie,
im
Schnitt
48%
illegal
erworben 49.
Diese
Masse
an
Musikdaten
bewusst
und
regelmäßig
zu
hören
scheint
dabei
unmöglich,
da
im
Schnitt
nur
1.800
Musikstücke,
also
22%
der
durchschnittlichen
Gesamtmasse,
auf
einem
herkömmlichen
MP3‐Player
gespeichert
werden
können.
Durch
die
wachsende
Omnipräsenz
von
Informationen,
die
zum
Beispiel
durch
die
Werbung
in
TV,
Radio
und
Internet
auf
die
junge
Internetgeneration
wirken
und
um
seine
Aufmerksamkeit
kämpfen,
ist
zudem
zu
vermuten,
dass
die
Digital
Natives
weniger
Zeit
und
Konzentration
als
frühere
Generationen
zur
Verfügung
haben,
um
sich
vollends
auf
das
Medium
Musik
einzulassen.
Die
besonders
in
den
Medien
als
homogene
Währung
geltende
„Aufmerksamkeit“,
die
Georg
Franck
in
seinem
Werk
„Ökonomie
der
Aufmerksamkeit“
als
ein
Substitut
für
Geld
und
mögliche
Reichweite
beschreibt50,
lässt
den
Schluss
zu,
dass
Musik
eher
ein
beiläu_iges
als
bewusst
rezipiertes
Medium
ist
und
gerade
bei
jungen
Konsumenten
eher
der
Sammelleidenschaft
als
der
Passion
zum
Künstler
und
dessen
Musik
zugehörig
ist.51
Heruntergeladen
wird
Musik
vor
allen
Dingen
wegen
ihrer
kostenlosen
Verfügbarkeit,
weniger
wegen
eines
bestimmten
Anlasses,
die
Musik
jetzt
unbedingt
hören
zu
wollen.
Das
bestätigt
auch
das
Ergebnis
aus
der
besagten
Studie
von
UK
Music:
40%
der
File‐Sharing‐Nutzer
betreiben
das
illegale
Downloaden
vor
allen
Dingen
wegen
der
kostenlosen
Verfügbarkeit
von
Daten.
Hier
spielt
die
Form
des
„Besitzens“
eine
große
48
UKMusic/British Music Rights ist die Vertretung fü̈r 34.500 Komponisten und Textautoren sowie 2.500
Musikverleger und die zuständige Verwertungsgesellschaft in Großbritannien.
49Diese Zahl kann aufgrund von Hemmschwellen der Jugendlichen in Bezug auf die Ehrlichkeit bei der
Angabe eigener gesetzlicher Vergehen durch File-Sharing bei der Befragung auch größer ausfallen.
50
Nolte, K., Der Kampf um Aufmerksamkeit, 2005, Seite 50ff.
51 Krömer, J., Sen, E., No Copy, Die Welt der digitalen Raubkopie, 2006, Seite 226
24
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Rolle;
Zwar
kann
ein
Großteil
der
Musik
schon
kostenlos
und
legal
von
Streaming‐Portalen
bezogen
werden
(siehe
Kapitel
3.3.3),
doch
geben
89%
der
befragten
Jugendlichen
an,
Musik
trotzdem
noch
„besitzen“
zu
wollen.
52
Zu
untersuchen
wäre,
ob
es
sich
bei
den
Digital
Natives
und
deren
zum
Teil
Sammelwut‐ähnlichen
Konsum
um
die
Erfüllung
einer
Opinion
Leader‐Rolle
handelt,
durch
welche
sie
sich
in
ihrem
Freundes‐
und
Bekanntenkreis
eine
besondere
Position
als
„Musikkenner“
und
„‐Besitzer“
verschaffen
wollen.
Zum
Zeitpunkt
dieser
Arbeit
lassen
sich
dahingehend
noch
keine
statistischen
Erhebungen
oder
wissenschaftlichen
Arbeiten
_inden.
Neben
der
passiven
Rezeption
soll
an
dieser
Stelle
aber
auch
das
aktive
kreieren
und
bearbeiten
von
Musik
auf
kreativer
Basis
erwähnt
werden.
Denn
dank
der
vielen
Möglichkeiten
mit
leistungsstarker
und
zumeist
kostenloser
Hard‐
und
Software
selbst
Musikinhalte
zu
kreieren
wandelt
sich
der
Digital
Native
vom
Konsument
zum
Prosument.
Benötigte
man
früher
noch
teures
Equipment
und
viel
technisches
Wissen
um
ein
Video
oder
Musikstück
professionell
aufzunehmen,
bieten
die
neuen
Technologien
sowie
das
Internet
großes
schöpferisches
Potential.
Dadurch
hat
jeder
die
Möglichkeit,
sich
an
eigenen
Werken
zu
versuchen
und
diese
einer
großen
Masse
an
Zuschauern
und
–Hörern
zu
präsentieren.
Kostengünstige
Audiointerfaces,
Handykameras
und
leistungsstarke
Ton‐
sowie
Videobearbeitungssoftware,
die
zum
Teil
billig
oder
gar
kostenlos
(Freeware)
im
Internet
zur
Verfügung
stehen,
machen
es
den
Digitale
Natives
leicht,
ihren
kreativen
Output
in
hoher
Qualität
zu
verarbeiten.
Sie
kreieren
damit
User
Generated
Content
in
ganz
unterschiedlicher
Qualität;
Der
Begriff
„Kreativität“
ist
weit
gefasst
und
reicht
von
einer
simplen
Textnachricht
auf
Twitter
(„Tweet“)
bis
hin
zu
ganzen
Online‐Shows
und
Musikstücken,
die
zum
Beispiel
auf
YouTube
gepostet
werden.
52
UK Music, Music Experience and Behaviour in Young People, Studie, http://www.ukmusic.org/files/
musically_focusgroups.pdf, 2009, Zugriff am 05.07.2010
25
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Abb. 4: Screenshot eines Literal Videos zu „Total Eclipse of the Heart“ (Quelle: http://
www.youtube.com/watch?v=lj-x9ygQEGA)
Auffallend
ist
die
Akribie,
mit
denen
die
Videos
bearbeitet
werden.
Man
meint
fast,
hier
die
Originalinterpreten
zu
hören.
Andere
Bearbeitungen
im
Musikbereich
sind
die
mit
neuen
Audiospuren
versehenen
„Shred“‐Videos
die
2008
und
2009
auf
YouTube
populär
wurden.
Der
Internetnutzer
mit
dem
Nicknamen
„StSanders“
parodiert
hier
bekannte
und
virtuose
Gitarristen
und
54
Knoke,F., Spiegel Online, Akustischer Fleischwolf, Gitarrenhelden auf der Schlachtbank, http://
www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,654292,00.html, 10.10.2009, Zugriff am 04.07.2010
55Wortham, J., Wired Online, Banned From YouTube: Parody Guitar Videos, http://www.wired.com/
underwire/2008/02/watch-the-parod/, 08.02.2008, Zugriff am 04.07.2010
56 vgl. StSanders offizielle Webseite, http://www.stsanders.com, Zugriff am 04.07.2010
27
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
erfolgreicher
und
sogar
in
klassischen
Printmedien
wie
dem
Rolling
Stone
besprochen
und
rezensiert
wurde.57
57
Palfrey,J., Gasser, U., Generation Internet, Die Digital Natives: Wie sie leben, Was sie denken, Wie sie
arbeiten, 2008, Seite 143
58 ebd., Seite 166ff.
28
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Dr.
Stephen
Harrington.59
Dabei
waren
die
Gesetze
auf
diesem
Gebiet
international
nicht
einheitlich:
gerade
in
den
ersten
Jahren
des
Filesharings
waren
die
rechtlichen
Rahmenbedingungen
des
Datentausches
weltweit
mehr
als
unklar,
sodass
die
Nutzer
nicht
sicher
sagen
konnten,
ob
das,
was
sie
taten,
in
ihrem
Land
illegal
ist.
So
war
es
zum
Beispiel
in
der
Schweiz
nicht
rechtswidrig,
Daten
herunterzuladen.
Das
Hochladen
urheberrechtlich
geschützter
Inhalte
ist
dagegen
nahezu
überall
illegal.
59Queensland University of Technology, Harrington, S. Dr., Online pirates police themselves, http://
www.news.qut.edu.au/cgi-bin/WebObjects/News.woa/wa/goNewsPage?newsEventID=29402, Juli 2009,
Zugriff am 05.07.2010
60
UK Music, Music Experience and Behaviour in Young People, Studie, http://www.ukmusic.org/files/
musically_focusgroups.pdf, 2009, Zugriff am 05.07.2010, Seite 23
29
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Es
mangelt
daher
immer
noch
an
Bewusstsein,
dass
der
Austausch
von
urheberrechtlich
geschützten
Werken
ohne
Genehmigung
des
zuständigen
Lizenzträgers/Urheberrechtsträgers
illegal
ist
‐
egal,
auf
welchem
Kanal
die
Daten
getauscht/heruntergeladen
werden.
Die
Musikindustrie,
dabei
vorrangig
die
Major‐Labels,
versucht
schon
seit
Jahren,
dieses
Bewusstsein
bei
den
Konsumenten
zu
schaffen.
Dabei
arbeiteten
die
Labels
weniger
mit
als
viel
eher
gegen
die
Masse
der
Filesharer,
kamen
gegen
das
Argument
der
kostenlosen
und
immerwährenden
Verfügbarkeit
von
Musik
in
der
digitalen
Welt
aber
bisher
nur
bedingt
an.
30
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
3. Musikindustrie
3.1 Wertschöpfungskette
61
Kromer, E., Wertschöpfung in der Musikindustrie, Zukünftige Erfolgsfaktoren bei der Vermarktung von
Musik, 2009, Seite 24ff.
62
Abkürzung für „Artist & Repertoire“
31
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
musikalische
Entwicklungen
und
Trends
zu
erkennen
und
diese
durch
das
Heranholen
passender
Künstler
zu
bedienen.
Der
A&R‐Manager
ist,
zusammen
mit
dem
Product
Manager,
zeitgleich
das
kommunikative
Bindeglied
zwischen
dem
Künstler
bzw.
dessen
Management
und
der
Platten_irma.
Er
muss
beiderlei
Interessen
in
Einklang
bringen.
In
der
anschließenden
Produktion
werden
die
ausgewählten
Musiker
durch
die
Platten_irma,
den
Produzenten
sowie
Management
beraten,
gegebenenfalls
werden
in
sogenannten
Songwriting‐Sessions
passende
Titel
von
unterschiedlichen
Komponisten
für
die
Musiker
geschrieben.
Als
Ziel
der
Produktion
steht
in
der
Regel
ein
Album
mit
zugrundeliegender
Veröffentlichungsstrategie,
in
der
bereits
Zeiten
und
Budget
für
Au_lage,
Marketing
und
Promotion
bei
Radio,
TV
und
Presse
geregelt
sind.
Durch
einen
sogenannten
Bandübernahmevertrag
oder
Künstler(‐Exklusiv)vertrag
übergibt
der
Künstler
und
sein
Management
die
fertigen
Aufnahmen
an
das
Label,
das
sich
nun
um
die
Pressung
sowie
Preiskalkulation
kümmert
(„Packaging
&
Pricing“).
Darin
enthalten
sind
auch
immer
die
Veröffentlichung
von
zwei
bis
vier
Singles,
die
den
Albumverkauf
vor
sowie
nach
der
Veröffentlichung
durch
punktuelle
Medienpräsenz
fördern
sollen.
Hier
übernimmt
in
der
Regel
der
Product
Manager
die
Kontrolle
über
den
weiteren
Verlauf
des
Albums,
der
Vertrieb
kümmert
sich
derweil
um
die
Promotion
bei
den
Händlern.
Der
Product
Manager
muss
Marketing‐
und
Promotion‐Aktivitäten
wie
zum
Beispiel
Anzeigenschaltung
und
Plakatierung
im
Auge
behalten
und
koordinieren
sowie
ein
stimmiges
Corporate
Design
des
Künstlers
garantieren.
Es
hängt
zum
großen
Teil
von
ihm
ab,
ob
ein
Künstler
und
dessen
Produkt
(Veröffentlichung)
auf
dem
Markt
Erfolg
hat.
Nach
der
Herstellung
gehen
das
Album
und
die
Singles
über
den
Vertrieb
der
Platten_irma
zu
den
Händlern,
die
nun,
je
nach
Verhandlungsgeschick
der
Vertriebsmitarbeiter
und
Popularität
des
Künstlers,
das
physische
Album
präsent
in
ihrer
Verkaufs_läche
positionieren.
Dieses
Point‐of‐Sale‐Marketing
stellt
zeitgleich
den
Abschluss
der
Wertschöpfungskette
für
die
Labels
dar.
Das
Label
hat
also
keinen
direkten
Kontakt
zum
Kunden,
sondern
vermarktet
das
Produkt
des
Künstlers.63
Durch
die
gezielte
Positionierung
von
Alben
und
Singles
auf
der
Verkaufs_läche
sowie
im
Radio
und
Musikfernsehen
war
es
den
Major‐Labels
möglich,
ihre
Künstler
gezielt
und
sehr
präsent
an
den
Kunden
zu
bringen.
Durch
diese
Präsenz,
die
kleinere
Labels
aufgrund
ihrer
Marktposition
und
den
begrenzten
Ausstell_lächen
beim
Händler
nicht
bieten
konnten,
bestimmten
größtenteils
die
großen
Platten_irmen
die
Positionen
der
Top100
Single‐
und
Album‐Charts,
die
wöchentlich
vom
Marktforschungs‐
unternehmen
Media
Control
im
Auftrag
des
Bundesverbandes
der
Phonographischen
Wirtschaft
(Bundesverband
Musikindustrie)
erhoben
werden.
Die
Major‐Labels
betrieben
damit
Agenda
Setting
und
bestimmten
den
Musikmarkt.
Mit
dem
Au_kommen
von
P2P
gab
es
allerdings
keine
Grenzen
in
Verkaufs_lächen
mehr;
jeder
Künstler
von
jedem
Label
war
über
das
Internet
auf_ind‐
und
hörbar.
Zudem
wurde
die
Produktion
eigener
Musik
durch
moderne
Software‐
und
billige
Hardware‐Lösungen
immer
einfacher,
sodass
der
Markt
der
Nischenkünstler
immer
größer
und
unüberschaubarer
wurde;
der
Long
Tail
wächst
stetig.
Musik
musste
sich
nicht
erst
10.000
mal
verkaufen
oder
als
CD
im
Schaufenster
der
Plattenladens
liegen,
um
von
musikfreudigen
Konsumenten
Beachtung
zu
_inden.
64
Als
zwischen
1999
und
2001
die
File‐Sharing‐
und
P2P‐Welle
der
CD‐Brenner
das
vorrangig
junge
Publikum
vermehrt
zum
illegalen
Kopieren
und
Downloaden
von
Musik
greifen
ließ,
ging
der
Umsatz
der
deutschen
Musikindustrie
trotz
merkbar
höherer
Musiknutzung
innerhalb
dieser
zwei
Jahre
um
40%
zurück.
Besonders
stark
traf
es
dabei
den
physischen
Verkauf:
Der
Absatz
in
Deutschland
sank
zwischen
1999
und
2003
von
184,6
Millionen
verkauften
Einheiten
(2001)
auf
146,8
Millionen
im
Jahre
2003
um
fast
38
Millionen.
Dagegen
wurde
die
CD‐R,
also
der
CD‐Rohling,
immer
64 Anderson, C., The Long Tail, Der lange Schwanz, 2007, Seite 8f.
33
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Die
Platten_irmen
erkennen
das
Potential
der
neuen
Handlungsoptionen
und
partizipieren
vermehrt
an
Einnahmen,
die
keinen
direkten
Bezug
zur
Kernkompetenz,
also
dem
Au_bau
von
Künstlern
und
Verkauf
derer
Alben
haben.
Gleichzeitig
arbeiten
sie
an
neuen
digitalen
Angeboten
im
Internet
wie
zum
Beispiel
Musik_latrates
(s.
Kapitel
3.3.2)
um
die
Gunst
des
Konsumenten
zu
gewinnen.
Dadurch
erweitert
sich
die
klassische
Wertschöpfungskette:
So
67Electronic Arts GmbH, Pressemitteilung, FIFA 09 gibt den Ton an, http://www.pressebox.de/
pressemeldungen/electronic-arts-gmbh/boxid/197596, 15.08.2008, Zugriff am 19.07.2010
68 Der Begriff Folksonomie ist eine Wortneuschöpfung aus den Wörtern „Folk“ (englisch für „Volk“, „Laie“)
und „Taxonomie“. Die Folksonomie bricht die monohierarchische Struktur der Taxonomie auf und ist
Grundlage des „Social Tagging“, also der freien Verschlagwortung durch ein kollaboratives System an
Nutzern. Dabei stehen keine Regeln für die Struktur der Daten über der Informationseingabe des Nutzers.
Die dabei entstehenden Sammlungen an Tags werden „Folksonomien” genannt und bilden eine Grundlage
für das Semantic Web. Die Nutzer sortieren und strukturieren ihre Informationen selbst. Die daraus
ergebene Ordnung ist die Basis für den weiteren Umgang mit Information.
35
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
69Kusek, D., Leonhard, G., Die Zukunft der Musik, Warum die Digitale Revolution die Musikindustrie retten
wird, 2005, Seite 21f.
70Offizielle Fanpage von Warner Music Germany auf Facebook, http://www.facebook.com/warnermusicde,
Zugriff am 19.07.2010
71Offizielle Fanpage von EMI Music Germany auf Facebook, http://www.facebook.com/emimusicgermany,
Zugriff am 19.07.2010
36
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
unterschiedlichen
Methoden
der
Bekämpfung
von
illegalen
Musikdownloads
entgegenzutreten.
In
den
letzten
zwölf
Jahren
haben
die
Major‐Labels
und
internationale
Urheberrechts‐Vertretungen
auf
vielen
Wegen
versucht,
dem
illegalen
Download
sowie
den
Raubkopien
Einhalt
zu
gebieten.
Als
Kritik
an
diesem
Vorgehen
wurde
in
vielen
Fällen
angegeben,
dass
die
Musikindustrie
die
Konsumenten,
also
die
Menschen,
die
physischen
CDs
kaufen
sollten,
an
den
Pranger
stellten
anstatt
sie
zu
umwerben
und
attraktive
Alternativen
anzubieten.
In
Deutschland
gab
es
bereits
1999
die
erste
Initiative
namens
„Copy
Kills
Music“
vom
deutschen
Phonoverband.
Diese
bezog
sich
vor
allen
Dingen
auf
das
illegale
Raubkopieren
von
CDs.
Die
Kampagne
behauptete
unter
anderem,
dass
10.000
gebrannte
Audio‐CDs
das
Au_kommen
einer
Nachwuchsband
verhindere
und
dass
jährlich
10
Millionen
schwarz
gebrannte
CDs
in
Deutschland
in
Umlauf
gebracht
werden.
Diese
Zahlen
waren
jedoch
bar
jeder
statistischen
Belegbarkeit72
und
verschafften
der
deutschen
Musikindustrie
ein
schlechtes
Image,
da
hier
der
eigene
Kunde
bekämpft
wurde.
Auch
Diamond
Media,
die
1998
den
ersten
tragbaren
MP3‐Player
entwickelten,
gerieten
in
die
Schusslinie
der
Recording
Industry
Association
of
America.
Dieser
Versuch,
das
Abspielen
von
MP3s
auf
tragbaren
Endgeräten
zu
verbieten,
scheiterte
vor
Gericht.
Nichtsdestotrotz
erreichten
beide
Parteien
eine
Einigung
und
gründeten
1998
die
Secure
Digital
Music
Initiative
(SDMI)
die
es
sich
zur
Aufgabe
gemacht
hat,
einen
funktionalen
Kopierschutz
für
MP3s
zu
entwickeln
–
der
Beginn
des
Digital
Rights
Management
(DRM 73).
Nach
Veröffentlichung
der
ersten
SDMI‐geschützten
72
Bei10 Millionen CDs im Jahr wären das 1.000 Nachwuchsbands jährlich, deren Karriere durch das
Raubkopieren vermeintlich verhindert worden wäre. Im Jahr wurden aber nur knapp 100 Bands bei den
Major-Labels in Deutschland unter Vertrag genommen.
73DRM („Digital Rights Management“) ist ein durch die amerikanische RIAA initiierter Kopierschutz für
digitale Audioformate. Durch „digitale Wasserzeichen“ ist es möglich zu kontrollieren, woher die Datei kommt
und wie oft sie schon kopiert wurde. Dieses Verfahren findet heute, aufgrund heftiger Kritik von
Konsumenten und Händlern, kaum noch Anwendung.
37
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
MP3s
rief
die
Initiative
alle
Programmierer
und
Hacker
auf,
den
Kopierschutz
zu
knacken.
Als
Belohnung
waren
10.000
US‐Dollar
ausgeschrieben.
Kurz
darauf
schaffte
es
der
Princeton‐Professor
Edward
Felten,
den
Kopierschutz
zu
entschlüsseln
–
und
wurde
nach
dem
Vorhaben,
seine
Erkenntnis
der
Öffentlichkeit
zu
präsentieren,
von
der
RIAA
prompt
darauf
hingewiesen,
dass
er
nach
Veröffentlichung
mit
einer
Klage
rechnen
könne.
Im
Jahre
2001
führten
schlussendlich
Kon_likte
zwischen
Technologieherstellern
und
Platten_irmen
dazu,
dass
SDMI
von
der
Bild_läche
verschwand.
74
Von
jetzt
an
war
jeder
auf
sich
allein
gestellt:
Sowohl
Apple
als
auch
Sony
und
Microsofts
Real
Networks
arbeiten
zum
Teil
bis
heute
mit
eigenen
Technologien,
die
das
Kopieren
von
MP3s
beschränkt
oder
gar
verhindert.
Aber
auch
Audio
CDs
wurden
nicht
vor
Kopierschutzsystemen
verschont:
Im
Jahre
2000
kam
mit
Philip
Boas
„My
Private
War“
und
HIMs
„Razorblade
Romance“
die
ersten
mit
dem
Cactus
Media
Shield‐Kopierschutz
versehenen
CDs
in
Deutschland
heraus.
Eine
kopiergeschützte
CD
konnte
von
keinem
CD‐Rom
Laufwerk
gelesen
werden.
Das
Problem:
Solche
Laufwerke
gab
es
auch
im
Auto
oder
in
bestimmten
CD‐Playern
von
HiFi‐Anlagen.
So
kam
es,
dass
tausende
Käufer
ihre
CD
nicht
auf
der
Fahrt
oder
zu
Hause
hören
konnten,
die
illegal
gebrannten
CDs
aber
sehr
gut
funktionierten.
Außerdem
hatten
auch
ältere
Audio
CD‐Player
ihre
Problem
mit
den
kopiergeschützten
CDs.
Das
war
nicht
nur
ein
Problem
für
den
Konsumenten,
sondern
auch
für
Radio‐
und
Club‐
DJs,
welche
die
Alben
promoten
sollten:
Nach
Ankündigung
der
neuen
Single
des
jeweiligen
Künstlers
folgte
oft
sekundenlange
Stille
und
letztlich
der
Abbruch,
da
die
CD
nicht
abgespielt
werden
konnte.
Auch
die
Qualität
der
Aufnahmen
war
mit
64
KiloBit
nur
halb
so
gut
wie
bei
herkömmlichen
MP3s.
die
in
der
Regel
mit
128
KiloBit
pro
Sekunde
komprimiert
werden.
Den
Unmut
über
die
mit
Kopierschutz
versehenen
CDs
bekamen
in
erster
Instanz
die
Künstler
zu
spüren,
deren
Websites
von
den
enttäuschten
Käufern
mit
Beschimpfungen
überhäuft
wurden.
Nachdem
bereits
130.000
CDs
an
den
deutschen
Handel
ausgeliefert
wurden,
beendete
die
EMI
die
weitere
Pressung
von
CDs
mit
eingebautem
Kopierschutz.
Doch
ließen
sich
die
großen
Platten_irmen
nicht
beirren
und
veröffentlichten
ihre
geschützten
Produkte
2001
auch
in
den
USA,
wo
sie
prompt
nach
der
Veröffentlichung
74 Röttgers, J., Mix, Burn & R.I.P. – Das Ende der Musikindustrie, 2003, S. 58 - 63
38
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
von
einer
Konsumentin
verklagt
wurden.
Auch
in
Großbritannien
ließ
der
Unmut
der
Käufer
über
den
fragwürdigen
Kopierschutzmechanismus
die
Labels
dazu
übergehen,
allen
Konsumenten
nach
weniger
Zeit
einen
kostenlosen
Umtausch
der
CD
anzubieten.75
Klaus
Petri,
damaliger
Pressesprecher
vom
Elektronikkonzern
Philips,
welcher
Ende
der
1970er
Jahre
zusammen
mit
Sony
die
Compact
Disc
entwickelte,
bezeichnete
die
neue,
kopiergeschützte
CD
als
„Un‐CD“
und
sagte
bei
einem
Interview
mit
der
Financial
Times
Anfang
2002:
„Das
[die
kopiergeschützten
CDs,
Anm.
d.
Verf.]
sind
Silberscheiben
mit
Musik
drauf,
die
CDs
ähneln,
aber
keine
sind.“ 76
Neben
dem
Cactus
Media
Shield
gab
es
noch
weitere
Technologien,
deren
Entwicklung
vor
allen
Dingen
von
den
Majors
angespornt
wurde;
So
arbeiteten
die
Veröffentlichungen
der
EMI
mit
den
Kopierschutz
Mediamax,
die
Künstler
von
BMG
wurden
dagegen
mit
Mediacloq
und
die
CDs
von
Sony
mit
dem
Key
2
Audio‐Kopierschutz
herausgebracht.
Kurzum:
Da
sich
die
Platten_irmen
auf
keinen
einheitlichen
Standard
einigen
konnten,
war
schlussendlich
der
Konsument
derjenige,
der
darunter
leiden
musste.
Jeder
CD‐Kauf
geriet
damit
zu
einem
Glücksspiel,
ob
das
CD‐Player,
den
man
zu
Hause
(oder
im
Auto)
hatte,
den
Audiodatenträger
abspielen
konnte
oder
gar
der
Computer
nach
dem
Einlegen
der
CD
nicht
einfach
abstürzen
würde
(siehe
Celina
Dions
Album
„A
new
day
has
come“
aus
dem
Jahre
2002).
Die
Labels,
allen
voran
Universal,
stellten
nach
tausenden
Beschwerden
darauf
um,
den
Kopierschutz
zwar
auf
dem
Cover
des
Albums
zu
vermerken,
diesen
aber
im
Endeffekt
nicht
in
die
Audio‐CDs
zu
implementieren.
Dadurch
erhofften
sie
sich,
Raubkopierer
bereits
vor
dem
Kauf
abzuschrecken.
Die
Methode
war
legitim:
Es
konnte
Major‐Labels
keiner
daran
hindern,
ihr
Produkt
als
schlechter
zu
verkaufen
als
es
eigentlich
sei.77
Seit
2008
nutzen
nur
noch
die
wenigsten
physischen
Veröffentlichungen
einen
Kopierschutz,
zumal
auch
die
digitalen
Vertriebsplattformen
wie
iTunes
und
AmazonMP3
seit
2008
auf
den
digitalen
Kopierschutz
DRM
verzichten.
Die
Musikindustrie
75 Röttgers, J., Mix, Burn & R.I.P. – Das Ende der Musikindustrie, 2003, S. 89ff.
76CD-Erfinder Philips kritisiert Kopierschutz, TecChannel vom 10.01.2002 mit Berufung auf Financial Times
Deutschland, http://www.tecchannel.de/news/themen/business/410205/
cd_erfinder_philips_kritisiert_kopierschutz/, Zugriff am 18.07.2010
77Renner, T., Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm – Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie,
2004, S. 251 - 245
39
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
bekämpft
jeher
nicht
mehr
die
physischen
sondern
mit
Nachdruck
die
digitalen
Raubkopierer.
Dabei
nutzt
sie
das
Versenden
von
kostenintensiven
Abmahnungen
an
Nutzer
mit
einer
IP‐Adresse,
die
aus
den
P2P‐Tauschbörsen
herausge_iltert
wurden.
Waren
es
in
Deutschland
im
Jahre
2004
noch
20
abgeschlossene
Zivilverfahren,
ist
die
Zahl
im
Jahre
2008
auf
13.562
gestiegen.
Laut
der
Untersuchungen
der
GfK
im
Auftrag
des
Bundesverbandes
Musikindustrie
e.V.
zeigt
dieses
Vorgehen
Wirkung:
So
ging
die
Zahl
der
illegalen
Downloads
von
Musik
über
Tauschbörsen,
Sharehostern
oder
ftp‐
Servern
laut
der
Studie
von
316
Millionen
Songs
(2008)
auf
258
Millionen
Titel
(2009)
zurück.
Durch
das
gleichzeitige
Ansteigen
der
legalen
Onlineverkäufe
von
digitaler
Musik
verbessert
sich
zwar
das
Verhältnis
vom
illegalen
zum
legalen
Download,
jedoch
kommen
auf
einen
legal
erworbenen
Song
immer
noch
sechs
illegal
heruntergeladene
Titel.78
Dabei
möchte
die
deutsche
Musikindustrie
in
Zukunft
auf
das
Abmahnen
verzichten.
Stattdessen
soll
hierzulande
ein
Modell
durchgesetzt
werden,
das
gerade
in
Frankreich
verabschiedet
wurde:
Dort
werden
im
Sommer
2010
die
ersten
Warnhinweise
an
Nutzer
verschickt,
die
beim
illegalen
Download
von
Musik
und
Filmen
ertappt
wurden.
Dabei
tritt
das
neue
Gesetz
"zur
Verbreitung
und
zum
Schutz
kreativer
Inhalte
im
Internet"
in
Kraft.
Wird
ein
Nutzer
erwischt,
erhält
er
zunächst
zwei
warnende
E‐Mails
und
ein
anschließendes
Einschreiben.
Lädt
er
sich
weiterhin
Urheberrechtlich
geschütztes
Material
illegal
herunter,
wird
eine
Internetsperre
über
bis
zu
einem
Jahr
verhängt.
In
dieser
Zeit
muss
der
Nutzer
seinen
Provider
weiterhin
bezahlen.
Die
Verabschiedung
dieses
Gesetzes
spaltet
sowohl
Politiker
als
auch
Sozialisten;
Nach
ihrer
Ansicht
darf
niemand
kommunikativ
ausgegrenzt
werden.
Andere
sehen
dahingehend
eine
Chance,
extreme
Downloader
und
Raubkopierer
effektiv
zu
bekämpfen,
ohne
sie
gleich
in
_inanzielle
Engpässe
zu
zwängen.79
Seit
neuestem
versucht
die
Industrie
jedoch,
die
junge
Generation
der
internetaf_inen
Internetnutzer
durch
neue
Musikplattformen
und
attraktive
Distributionsmöglichkeiten
zu
erreichen
und
ihnen
die
Vorteile
des
legalen
Erwerbs
digitaler
Musik
näher
zu
bringen.
3.3 Alternativen
„Die
größte
Herausforderung
für
die
Musikindustrie
war
schon
immer,
das
Kaufen
von
Musik
leichter
zu
machen
als
das
Stehlen.“
John
Kennedy,
Vorsitzender
der
IFPI 80
Die
Hauptgründe
für
den
Boom
der
digitalen
und
physischen
Raubkopie
fußen
vor
allen
Dingen
auf
der
nahezu
kostenfreien
Beschaffung.
Das
Manko:
die
Bequemlichkeit.
Die
Digital
Natives
müssen
sich
durch
den
Dschungel
der
illegalen
Angebote
forsten,
viele
Quellen
ausprobieren
und
sich
immer
um
aktuelle
Updates
für
Filesharing‐Clients
und
Rapidshare‐Konten
bemühen.
Selbst
dann
muss
der
geneigte
Downloader,
vor
allen
Dingen
bei
älteren
Musikveröffentlichungen,
manchmal
stunden‐
und
tagelang
warten,
um
das
zu
bekommen,
was
er
will.
Im
Anschluss
muss
die
illegal
beschaffte
Musik
in
der
Regel
noch
der
eigenen
Katalogisierung
des
Computers
sowie
in
der
Bezeichnung
der
ID3‐Tags
angepasst
werden,
um
sie
überhaupt
lokal
auf
dem
Computer
und
mobil
auf
MP3‐Playern
wiederauf_indbar
zu
machen.
Die
Musikindustrie
hat
in
den
letzten
Jahren
erkannt,
dass
sie
der
Welle
der
illegalen
Raubkopierer
nur
dann
entgegentreten
kann,
wenn
das
Angebot
sowohl
von
der
Verfügbarkeit,
vom
Preis‐/Leistungsverhältnis
und
schlussendlich
beim
Abrufen
und
Ordnen
der
Daten
klare
Vorteile
gegenüber
den
aktuellen
Filesharing‐
und
P2P‐Angeboten
aufweisen
kann.
Dabei
sind
es
weniger
die
Major‐Labels
selbst
als
viel
eher
dritte
Unternehmen,
die
als
Dienstleister
Inhalte
der
Platten_irmen
im
Internet
auf
verschiedene
Arten
distribuieren.
Hierbei
haben
sich
in
letzter
Zeit
einige
Distributions‐
und
Re_inanzierungsmodelle
herauskristallisiert,
die
den
oben
genannten
Komfort
bieten
und
nun
vorgestellt
werden
sollen.
Dabei
stellen
die
vorgestellten
Modelle
und
Plattformen
nur
eine
Auswahl
der
wichtigsten
neuen
Distributionsformen
dar
und
beziehen
sich
ausschließlich
auf
den
Internetbereich.
Eine
Betrachtung
von
zum
Beispiel
den
in
den
letzten
Jahren
forcierten
Kooperationen
mit
Mobilfunkunternehmen
und
‐Herstellern
wie
Nokia,
die
zum
Kauf
eines
Produktes
ihrer
„Comes
With
Music“‐Reihe
Gerade
der
deutsche
Markt
weist
in
den
letzten
Jahren
eine
steigende
Zahl
an
digitalen
Distributionsplattformen
für
Musik
auf.
Waren
es
2002
nur
zwei
Anbieter
(Pop_ile
und
MP3.de),
sind
es
mittlerweile
mehr
als
40
verschiedene
Plattformen
auf
denen
der
Nutzer
Musik
herunterladen
kann.
Damit
bietet
Deutschland
den
Musikkäufern
die
weltweit
größte
Auswahl
an
digitalen
Musikdiensten.
Marktführer
sind
jedoch
trotzdem
die
internationalen
Anbieter
iTunes,
Musicload
und
AmazonMP3.
Diese
Portale
bestechen
vor
allen
Dingen
durch
einen
riesigen
Künstlerkatalog,
allen
voran
AmazonMP3
mit
12
Millionen 82
und
iTunes
mit
über
11
Millionen
Titeln.83
Sie
_inanzieren
sich
durch
den
Verkauf
von
Audotiteln,
deren
Preis
sich
bei
allen
Anbietern
zwischen
0,69
EUR
und
1,29
EUR
eingependelt
hat,
und
durch
Werbung
für
Künstler,
die
durch
Verhandlungen
mit
den
jeweiligen
Platten_irmen
und
Managements
der
Künstler
auf
den
plattformeigenen
Seiten
gefeatured
werden.
Jede
der
drei
großen
Plattformen
bedingt
das
Herunterladen
von
einem
Client,
der
sich
mit
dem
Katalog
des
Anbieters
verbindet,
die
Daten
herunterlädt
und
die
Kosten
für
den
Konsumenten
abwickelt.
Das
geht
in
der
Regel
vollautomatisch,
der
Download
eines
Albums
dauert
nicht
länger
als
wenige
Minuten,
ist
klar
betitelt
und
bereit
zum
Übertragen
auf
den
mobilen
MP3‐Player.
Diese
hohe
Convenience
stellt
einen
klaren
Vorteil
gegenüber
illegalen
Angeboten
dar.
Die
Anbieter
kostenp_lichtiger
Musikdownloads
werben
vor
allen
Dingen
mit
dem
riesigen
Künstlerkatalog
sowie
dem
unregelmäßigen
Aktionsangebot
von
besonders
günstigen
Produkten.
Das
sind
in
der
Regel
sogenannte
„Bundles“,
also
Alben
oder
Compilations,
und
seltener
Einzeltitel.
Das
zeigt
Wirkung:
In
Deutschland
ist
die
Zahl
der
digitalen
Albumverkäufe
von
2008
81mehr Informationen zu diesem Thema u.a. hier: ZDNet.de, Nokias "Comes with Music" startet am 4. Mai in
Deutschland, http://www.zdnet.de/news/
mobile_wirtschaft_nokias__comes_with_music__startet_am_4__mai_in_deutschland_story-39002365-4100
3358-1.htm, Zugriff am 24.07.2010
82 AmazonMP3, Offizielle Seite, http://www.amazonmp3.de, Zugriff am 18.07.2010
83 Apple, Offizielle Webseite, http://www.apple.com/de/itunes/what-is/, Zugriff am 18.07.2010
42
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
auf
2009
um
65
%
gestiegen
und
beträgt
nun
7,6
Millionen
Einheiten.84
Dabei
versuchen
die
digitalen
Musikanbieter
ihren
Alben
vermehrt
sogenannten
Rich
Media‐Content
wie
Videos,
PDF‐
oder
Flash‐Booklets
und
zusätzliches
Audiomaterial
wie
Interviews
zum
digitalen
Albumkauf
mitzuliefern.
Vorreiter
in
diesem
erweiterten
Angebot
ist
iTunes
LP,
ein
erweitertes
Format
das
es
dem
Käufer
ermöglicht,
während
des
Hörens
beispielsweise
Songtexte
oder
Videos
des
Künstlers
anzuschauen.85
Um
dies
den
Fans
des
Künstlers
bereitzustellen
ist
aber
noch
ein
hoher
organisatorischer
Aufwand
seitens
der
Platten_irma
nötig:
Die
zusätzlichen
Daten
müssen
erst
passend
zur
Plattform
programmiert
und
anschließend
von
iTunes
geprüft
und
freigegeben
werden.
Da
dieser
Prüfungsvorgang
mehrere
Monate
dauern
und
daher
noch
nicht
in
den
Veröffentlichungsplan
des
Albums
eingeplant
werden
kann,
ist
die
Zahl
der
zur
Verfügung
stehenden
Alben
bisher
aber
noch
begrenzt
und
in
der
Regel
nur
großen
Platten_irmen
und
deren
Künstlern
vorbehalten.86
3.3.2 Musikflatrates
Ein
modernes
Konzept
bieten
die
Flatrate‐Plattformen
an,
die
es
dem
Konsumenten
ermöglicht,
immer
und
nahezu
überall
die
Musik
zu
hören,
die
er
oder
sie
sich
wünscht.
Dabei
zahlt
der
Hörer
eine
monatliche
oder
jährlich
abgerechnete
Pauschale
und
kann
in
der
Zeit
seiner
Mitgliedschaft
auf
den
gesamten
Musikkatalog
des
Anbieters
zurückgreifen.
Signi_ikant
ist,
dass
vor
allen
Dingen
die
ehemaligen
P2P‐Riesen
Kazaa
und
Napster,
die
ursprünglich
die
beliebtesten
Plattformen
für
das
illegale
Filesharing
waren,
nach
ihrer
Schließung
auf
diese
Systeme
umgestellt
haben.
So
ist
Kazaa
(vergleiche
Kapitel
1.2.5)
seit
Februar
2009
nur
noch
mit
der
Zahlung
einer
monatlichen
Pauschale
von
$19,98
als
Musikdownload‐Flatrate
nutzbar.
Jedoch
können
die
gekauften
Daten
nicht
auf
MP3‐Playern
abgespielt
und
aufgrund
des
DRM‐
Kopierschutzes
auch
nicht
kopiert
werden.87
Ebenso
erging
es
der
Vorreiter‐
3.3.3 Streaming
Doch
auch
hier
stellt
sich
die
Frage
der
Lizensierung
der
urheberrechtlich
geschützten
Songs:
Grooveshark
hat
bisher
nur
mit
der
EMI
einen
Lizenzvertrag
zur
Nutzung
des
Künstlerkatalogs
abgeschlossen.
Die
Plattform
beruft
sich
dabei
auf
die
„Takedown
Provisions“
des
Digital
Millennium
Copyright
Act,
der
bereits
1998
in
Amerika
unterzeichnet
wurde
und
die
Rechte
von
Copyright‐Besitzern
im
digitalen
Raum
klärt.
In
diesen
„Provisions“
heißt
es,
dass
ein
(Musik‐)Portal,
das
keine
direkte
Kontrolle
über
die
Daten
hat,
die
User
auf
die
Plattform
stellen,
und
keine
Einnahmen
durch
zum
Beispiel
den
Download
der
Inhalte
erzielt,
erst
nach
dem
Wunsch
der
Platten_irmen
zur
Beseitigung
der
Daten
in
der
P_licht
ist,
diese
Titel
aus
ihrem
System
zu
nehmen.91
Dabei
bewegt
sich
die
Plattform
in
einer
gesetzlichen
Grauzone:
Zwar
macht
Grooveshark
keine
direkten
Umsätze
mit
den
Titeln,
die
User
in
das
System
laden,
nichtsdestotrotz
wird
Bannerwerbung
sowie
das
Angebot
kostenp_lichtiger
Premium‐Accounts,
welche
diese
Bannerwerbung
ausblenden
und
die
Nutzung
von
Grooveshark
auf
mobilen
und
internetfähigen
Endgeräten
ermöglicht,
zur
Re_inanzierung
genutzt.92
Grooveshark
steht
mit
seinem
Angebot
auf
wackligen
Beinen,
wächst
aber
trotzdem
zu
einem
weltweiten
Konkurrenten
zu
Streaming‐
Pionieren
wie
Spoti_iy93
und
Pandora94 ,
deren
Dienste
in
Deutschland
aufgrund
von
fehlenden
Lizenzen
für
die
Bereitstellung
der
Musik
nicht
nutzbar
sind.
Zum
Streaming
zählt
auch
die
große
Gruppe
der
Internetradios
und
Podcasts95 .
Gerade
aufgrund
der
nahezu
kostenfreien
Möglichkeit,
diese
Radios
auf
seinem
eigenen
Server
oder
auf
sogenannten
„Hosts“
wie
zum
Beispiel
http://www.live365.com/
bereitzustellen,
ist
der
im
Internet
zur
Verfügung
stehende
Long
Tail
an
Webradio‐Stationen
nur
schätzbar.
91Hoffman, I., The Notice and Take Down Provisions of the DMCS, http://www.ivanhoffman.com/dmca.html,
Zugriff am 18.07.2010
92Bonanos, P., Grooveshark Has a New Look, But Itʼs Still Streaming Unlicensed Content, http://
gigaom.com/2009/10/26/grooveshark-has-a-new-look-but-its-still-streaming-unlicensed-content/, Zugriff am
18.07.2010
Nichtsdestotrotz
erfreuten
sich
diese
Stationen
gerade
in
den
letzten
drei
Jahren
wachsender
Beliebtheit.
Nach
der
ARD/ZDF‐Onlinestudie
2009
nutzen
12%
der
Internetsurfer
in
Deutschland
mindestens
einmal
wöchentlich
Webradio
per
Livestream.
Im
Jahr
2003
waren
es
noch
7%.
Im
Jahre
2009
gaben
10,9
Millionen
Internetnutzer
in
Deutschland
an,
zumindest
„gelegentlich“
Webradios
zu
hören.96
Seit
zwei
Jahren
stagniert
die
Hörerzahl
jedoch
um
die
10
Millionen‐Grenze.
Man
kann
vermuten,
dass
Internetradios
ihren
Sättigungspunkt
erreicht
haben,
zumal
das
reibungslose
Abrufen
der
D a t e n
ü b e r
d e n
S t r e a m
e i n e
s c h n e l l e
l o k a l e
o d e r
m o b i l e
(Breitband‐)Internetverbindung
voraussetzt,
die
in
Deutschland
bereits
im
Jahre
2009
bei
72%
der
Internetnutzer
in
den
Haushalten
verfügbar
war
(2006
waren
es
nur
48%)97.
Es
stellt
sich
heraus,
dass
Internetradios
besonders
für
den
Nischenmarkt
interessant
sind,
denn
hier
_inden
vor
allen
Dingen
unabhängige
Indenpendent‐Labels
und
‐Künstler
Platz.
Nach
einer
Untersuchung
des
großen
Online‐Radiosenders
Live365
aus
dem
Jahre
2007
mit
über
10.000
unterschiedlichen
Radiostationen
stammen
56%
der
gespielten
Künstler
nicht
von
den
Major‐Labels.
98
Hier
_inden
Konsumenten
abseits
des
Mainstreams
ihre
Künstler.
Ein
Trend
geht
dabei
vor
allen
Dingen
in
Recommendation‐Systeme,
die
dem
Nutzer
anhand
seiner
Hörgewohnheiten
neue
Künstler
vorschlagen.
Populärster
Anbieter
dieser
Funktion
ist
die
Musik‐Community
und
‐Radio‐Plattform
Last.fm.
Der
Nutzer
hat
hier
die
Möglichkeit,
seinen
Lieblingskünstler
auszuwählen
und
sich
dann
ein
dynamisches
Radioprogramm
durch
Last.FM
zusammenstellen
zu
lassen.
Dabei
werden,
neben
dem
angegebenen
Künstler,
ähnliche
Titel
anderer
Musiker
in
das
Programm
genommen.
Eine
simple
Bewertungsfunktion
lässt
den
Nutzer
nun
wählen,
ob
Last.FM
seinen
Geschmack
getroffen
hat
oder
nicht.
Die
Plattform
registriert
dabei,
was
der
Nutzer
wie
oft
gehört
und
was
ihm
gefallen
oder
nicht
gefallen
hat.
Zusätzlich
kann
der
User
seine
iTunes‐
Playlist
„scrobblen“
lassen.
Das
bedeutet,
dass
die
Musik,
die
der
Nutzer
lokal
auf
seinem
Rechner
hat,
auf
Hörverhalten
analysiert
wird.
Auch
diese
Daten
_ließen
in
das
System.
Je
mehr
Musik
der
Nutzer
auf
Last.fm
hört,
desto
mehr
passt
sich
die
Plattform
an
den
eigenen
Geschmack
an.
Dabei
greift
Last.fm
auf
eine
folksonomisch
vernetzte
(siehe
Fußnote
Nummer
68,
Seite
35)
Tag‐
Struktur
zurück,
die
Merkmale
ähnlicher
Künstler
wie
zum
Beispiel
Genre
und
Erscheinungsjahr
miteinander
verbindet.
Die
Nutzer
können
alle
Informationen
der
Künstler
wie
zum
Beispiel
Beschreibung
und
passende
Tags
verändern
und
damit
die
Funktionalität
der
Plattform
verbessern.
Last.fm
greift
damit
auf
ein
Wiki‐ähnliches,
auf
User
Generated
Content
basierendes
System
der
nutzereigenen
Selbstkontrolle
und
‐Verbesserung
der
Daten
zurück.99
Ähnliche
Recommendation‐Systeme
nutzen
seit
einigen
Jahren
auch
junge,
sehr
erfolgreiche
deutsche
Musikvideo‐Portale
wie
tape.tv100
und
putpat101.
Sie
verstehen
sich
als
kostenfreie
Musikfernsehsender
wie
MTV
und
VIVA
im
Online‐Kontext.
Auch
hier
kann
der
Nutzer
auswählen,
was
ihm
(nicht)
gefällt
(tape.tv)
oder
sogar
den
eigenen
Geschmack
über
Equalizer‐ähnliche
Eingabemaske
anhand
präferierter
Künstler
festlegen
(putpat,
nur
nach
Anmeldung)
und
nun
Musikvideos,
die
diesen
Kriterien
entsprechen,
streamen.
Das
Videostreaming
als
Musikquelle
wird
in
Deutschland
vermehrt
genutzt
und
führt
das
derzeitige
Hörverhalten
der
Onliner
im
digitalen
Raum
mit
36%
an
(„mindestens
einmal
im
Monat
genutzt“).102
4. Perspektiven
Werdegang
Tina
Funk
fand
ihren
Weg
in
die
Musik‐
und
Plattenindustrie
durch
den
Journalismus
und
die
Arbeit
bei
Musikmagazinen.
Seit
1994
hat
sie
viele
Stationen
der
Major‐
und
Independent‐Labels
durchlaufen.
Unter
anderem
arbeitete
sie
als
Labelmanagerin
für
Mute
Records
bei
der
Intercord
Tonträger
GmbH,
einem
großen,
unabhängigen
Indie
der
internationale
Acts
wie
Depeche
Mode
betreute
und
baute
im
Anschluss
mit
Patrick
Orth
48
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Musik wird nicht mehr bewusst konsumiert und recherchiert.
Für
Tina
Funk
ist
ein
typischer
Digital
Native
jemand,
der
Musik
in
erster
Linie
als
ein
Nebenbei‐Medium
versteht.
Musik
wird
ständig,
aber
nicht
bewusst
konsumiert.
Musik
ist
den
Natives
zwar
immer
noch
sehr
wichtig,
erfüllt
dabei
keine
primäre
Rolle
zum
Au_bau
von
Stimmungen
und
Atmosphären.
Bei
der
jungen
Generation
spielt
vor
allen
Dingen
der
„Besitz“
von
Musik
eine
große
Rolle
und
erfüllt
damit
einen
anderen
Wert
‐
selbst
wenn
sie
legal
über
Napster
oder
andere
Portale
bezogen
wurde
‐
als
früher.
Gerade
auf
sozialen
Netzwerken
wie
Facebook
_indet
dahingehend
ein
reger
49
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Labels müssen ihre Künstler breit kommunizieren.
Damit
Labels
ihre
Künstlern
in
der
heutigen
Zeit,
in
der
die
jungen
User
ständig
mit
Informationen
konfrontiert
werden,
erfolgreich
vermarkten
können,
benötigt
es
einer
breiten
Streuung
der
Information
auf
kommunikativer
Ebene:
Da
die
Durchfallrate
in
zum
Beispiel
sozialen
Netzwerken
sehr
hoch
ist,
muss
das
Label
sich
sehr
breit
aufstellen
um
möglichst
viele
Kontakte
zu
erreichen.
Eine
gezielte
Promotion
von
Künstlern
bei
einer
spitzen
Zielgruppe
ist
nicht
mehr
ausreichend,
eine
hohe
Rotation
bei
MTV/VIVA
sind
kein
Garant
für
gute
Absatzzahlen
des
Produktes.
Neue
Musikfernsehformate
wie
putpat
oder
tape.tv
(siehe
Kapitel
3.3.3)
sind
dabei
eine
Alternative,
aber
kein
Substitut
für
das
klassische
Musikfernsehen,
da
der
Konsument
genau
auswählen
kann,
was
er
hören
möchte
und
nicht
mehr
auf
seinen
Lieblingsclip
im
Fernsehen
warten
oder
gar
abstimmen
muss.
Beim Bild zählt die Idee, beim Ton die Qualität.
Tina
Funk
glaubt,
dass
die
Qualität
eines
Musikstückes
vor
allen
Dingen
beim
Ton
sehr
wichtig
ist.
Da
Musikvideos
im
Internet
keiner
professionellen
Aufmachung
wie
zum
Beispiel
HD
benötigen,
zählt
hier
vor
allen
Dingen
die
Idee
und
die
Originalität
(siehe
zum
Beispiel
das
Video
„Here
it
goes
again“
von
„OK
GO“103).
Dies
sind
gleichzeitig
die
Argumente,
die
einen
Künstler
vor
allen
Dingen
im
Internet
und
im
besonderen
durch
virale
Streuung
nach
vorn
bringen
können.
103 YouTube, Video zu „Here it goes again“ von „OK GO“, http://www.youtube.com/watch?v=oPmhTCaDkGA
50
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Digital Natives zahlen für Qualität.
Lernt
der
Digital
Native
einen
Künstler
kennen,
ist
er
oder
sie
beim
ersten
Hören
nur
bedingt
darauf
aus,
ein
qualitativ
genauso
hochwertiges
Produkt
wie
beim
Kauf
zu
vor
sich
zu
haben.
Das
ändert
sich
laut
Tina
Funk
aber
genau
dann,
wenn
der
Künstler
gefallen
beim
Konsumenten
_indet
und
dadurch
eine
Wertschätzung
entsteht.
Als
Paradebeispiel
gibt
sie
dabei
die
Guerilla‐Marketingkampagne
von
der
Band
Nine
Inch
Nails
an,
die
ihr
2007
noch
unveröffentlichtes
Album
„Year
Zero“
als
USB‐Sticks
bei
ihrer
Europa‐
Tour
in
verschiedenen
Konzerthallen
verteilten
und
damit
ihre
Stücke
schon
vor
Veröffentlichung
an
die
Konsumenten
herausgaben.
Die
Titel
lagen
dabei
ungeordnet
und
in
einer
minderen
Qualität
vor.
Trotz
dieser
kostenlosen
Abgabe
der
Stücke
(die
sich
wie
ein
Lauffeuer
im
Internet
verbreiteten),
schaffte
es
das
Album
nach
Veröffentlichung
auf
Platz
1
der
Amazon‐
Download‐Charts.
Diesen
Umstand
führt
Tina
Funk
auf
die
Treue
der
Fans
und
der
Wunsch
nach
qualitativ
hochwertigen
Produkten
zurück.
Die Industrie muss „zuhören“ lernen.
Die
Musik‐
und
vor
allen
Dingen
Plattenindustrie
ist
sich
noch
nicht
sicher,
wie
sie
mit
den
Digital
Natives
kommunizieren
soll.
Derzeit
wird
viel
probiert,
die
Labels
„stochern“
(O‐Ton)
noch
mit
Versuchen
herum,
eine
erfolgreiche
(=
absatzfördernde)
Kommunikation
mit
dem
Konsumenten
zu
führen.
Tina
Funk
sieht
den
Schlüssel
dafür
aber
eher
in
der
zumeist
passiven
Rolle
des
Zuhörers,
der
offen
ist
für
Anregungen
und
Wünsche
der
jungen
Internetgeneration.
Das
Label
ist
„Dienstleister,
nicht
König“
(O‐Ton):
Es
funktioniert
nicht
mehr,
dem
Konsumenten
nur
ein
„Produkt“
vorzusetzen
und
darauf
zu
warten,
dass
er
oder
sie
es
kauft.
Eine
zweiseitige
Kommunikation
läuft
dahingehend
am
besten
über
den
Künstler
selbst,
der
direkt
und
ehrlich
über
zum
Beispiel
Social
Media‐Kanäle
wie
Twitter
und
Facebook
kommunizieren
muss.
Dabei
stellt
Tina
Funk
eine
Parallele
zur
frühen
ZDF
Hitparade
auf:
Hier
waren
die
Künstler
am
beliebtesten,
die
ihre
Fanpost
live
vor
der
Kamera
beantwortet
haben.
Der Konsument muss beteiligt werden.
Um
eine
möglichst
hohe
Bindung
zum
Künstler
(und
damit
auch
zum
Label)
zu
schaffen,
muss
der
Konsument
so
weit
es
geht
in
die
Produktion
eines
51
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Produktes
involviert
werden.
Wenn
das
schon
nicht
auf
kreativer
Ebene
geht,
dann
auf
administrativer.
Je
mehr
der
Konsument
merkt,
dass
er
oder
sie
seinen
Teil
zum
Werk
beigetragen
hat,
desto
eher
kauft
er
das
Produkt.
Tina
Funk
ist
der
Meinung,
dass
die
steigende
Zahl
der
abgeschlossenen
Zivilverfahren
im
Bereich
des
illegalen
Downloads
und
der
Raubkopie
bei
den
meisten
Digital
Natives
zu
dem
Wissen
geführt
hat,
dass
diese
Tätigkeiten
gegen
das
Urheberrecht
verstoßen.
Dieser
Weg
ist
jedoch
nicht
die
Patentlösung,
denn
immer
noch
ist
das
Unrechtsbewusstsein
gegenüber
der
illegalen
Musikbeschaffung
sehr
gering
‐
nicht
nur
bei
der
jungen
Gruppe
der
Digital
Natives.
Dieses
Bewusstsein
lässt
sich
nur
über
Kommunikation
und
Interaktion
schaffen.
Zudem
sollte
die
Musikindustrie
und
deren
Tätigkeitsfelder
transparenter
an
den
Konsumenten
gebracht
werden.
Nur,
wenn
der
Konsument
(und
damit
auch
der
Digital
Native)
merkt,
dass
hinter
einer
CD
nicht
nur
Geld,
sondern
vor
allen
Dingen
auch
Menschen
und
Künstler
stehen,
die
davon
leben
müssen,
lässt
sich
Empathie
und
Enthusiasmus
erzeugen.
Als
Beispiel
führt
Tina
Funk
hier
die
Künstler
und
Bands
an,
die
sich
im
„alten
System“
vor
der
Digitalisierung
eine
große
und
immer
noch
wachsende
Fangemeinde
erspielt
haben
(zum
Beispiel
„Die
Ärzte“
oder
„Die
Toten
Hosen“).
Zwar
laden
sich
die
Fans
die
Tracks
in
der
Regel
immer
noch
kostenlos
herunter,
doch
das
sind
zumeist
die
Early
Adopters,
welche
die
Musik
ihrer
Lieblingsband
schon
vor
Veröffentlichung
hören
möchten.
Interessant
ist,
dass
sich
diese
Fans
die
Musik
nach
Veröffentlichung
trotzdem
kaufen;
Sie
wollen
„ihren“
Künstler
unterstützen
und
live
dabei
sein,
wenn
das
„Ritual“
der
Veröffentlichung
statt_indet.
Professionelles Marketing, Promotion und Vertrieb sind unverzichtbar.
Die
Musikindustrie
und
‐Business
sind
als
Dienstleistung
auch
in
Zukunft
unumgänglich.
Zwar
bietet
das
Internet
die
Möglichkeit,
nahezu
kostenfrei
Musik
auf
iTunes
und
andere
Plattformen
zu
bringen,
jedoch
hat
es
immer
noch
einen
anderen
Effekt,
wenn
eine
Pro_i
aus
dem
Musikbereich
mit
Know‐
How
und
_inanziellen
Ressourcen
die
Veröffentlichung
betreut,
promotet,
vermarktet
und
in
die
richtigen
Kanäle
bringt
(O‐Ton
Tina
Funk:
“Ein
Künstler
ohne
Plattenvertrag
wird
nie
auf
die
Frontpage
des
iTunes‐Stores
kommen
52
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
können“).
Ein
Künstler
sollte
vorrangig
Künstler
bleiben
und
lediglich
die
Vorteile
der
digitalen
Kommunikationsmöglichkeiten
mit
den
Fans
für
den
Dialog
nutzen
(O‐Ton
Tina
Funk:
„Wenn
dem
nicht
so
wäre,
dann
wären
in
den
letzten
zehn
Jahren
aus
den
vielen
hunderttausenden
MySpace‐Acts
[...]
schon
Stars
geboren
worden,
die
alle
nicht
da
sind.“).
Die Pornoindustrie als Vorbild
Werdegang
Diplom
Multimedia
Producer
Corie
Rappich
studierte
Multimedia‐Informatik
und
hat
nebenher
immer
schon
praktisch
gearbeitet.
Sie
betreibt
sei
elf
Jahren
Online
Marketing
und
hat
die
Entwicklung
und
Promotion
des
Internets
von
Beginn
an
mitbekommen.
Das
meiste
lernte
sie
über
Praxiserfahrungen
im
Beruf:
Sie
war
bei
verschiedenen
Musiklabels
wie
Mute
Records,
Virgin,
Labels
und
der
EMI
für
Online
Promotion
und
‐Marketing
zuständig.
Zuletzt
war
sie
als
Managerin
für
New
Media
für
den
Bereich
53
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Nationale
Künstler
„Pop“
bei
Universal
Music
tätig.
Derzeit
ist
sie
selbstständige
Online‐Marketing‐Beraterin
und
erstellt
sowie
betreut
Online‐
Strategien
für
verschiedene
Unternehmen.
Digital Natives unterscheiden sich.
Unmittelbare Verfügbarkeit wichtiger als Qualität.
Nach
Corie
Rappichs
Beschreibung
ist
es
dem
Digital
Native
nicht
wichtig,
ob
die
Musik,
die
er
oder
sie
gerade
hört,
qualitativ
hochwertig
komprimiert
oder
wiedergegeben
wird;
Die
Wiedergabe
durch
den
Handylautsprecher
oder
auf
YouTube
reicht
der
jungen
Generation
oftmals
aus.
Viel
wichtiger
ist
die
Verfügbarkeit:
Die
Internetgeneration
ist
damit
aufgewachsen,
Informationen
und
Antworten
überall
sofort
und
kostenlos
zu
bekommen.
Das
gleiche
gilt
auch
für
Musik.
Der
Native
möchte
nicht
mehr
auf
Veröffentlichungstermine
eines
Albums
warten
oder
in
den
Plattenladen
gehen
und
sich
die
CD
kaufen
müssen.
Freunde und Bekannte bestimmen Musikgeschmack.
Musik
bezieht
die
junge
Generation
vor
allen
Dingen
von
Menschen
aus
ihrem
unmittelbaren
Umfeld.
Hier
werden
Songs
und
Alben
innerhalb
von
Sekunden
von
einem
Handy
auf
zehn
weitere
übertragen.
Kein Unrechtsbewusstsein bei der jungen Generation.
Aus
eigener
Erfahrung
kann
Corie
Rappich
berichten,
dass
die
jüngste
Generation
kein
Bewusstsein
darüber
hat,
dass
Musik
eigentlich
Geld
kostet.
So
erhielt
sie
in
der
Vergangenheit
als
Betreuerin
von
Social
Media‐Pro_ilen
ihrer
Künstler
viele
Nachrichten
von
Fans,
die
sich
das
Album
XY
des
Künstlers
illegal
heruntergeladen
haben
und
nun
anfragen,
ob
man
ihnen
nicht
die
Titel
in
besserer
Qualität
(kostenlos)
zukommen
lassen
könne.
54
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Zurechtweisung mit erhobenen ZeigeQinger ist der falsche Weg.
Um
das
Unrechtsbewusstsein
zu
schärfen
ist
es
falsch,
die
jungen
Konsumenten
von
oben
herab
mit
Marketing‐Kampagnen
und
gerichtlichen
Abmahnungen
an
den
Pranger
zu
stellen.
Die
Musikindustrie
muss
viel
eher
verstehen,
wie
die
junge
Generation
kommuniziert.
Kommunikation auf Augenhöhe.
Laut
Corie
Rappich
sind
es
die
Digital
Natives
gewohnt,
auf
gleicher
Ebene
mit
ihrem
Gegenüber
zu
kommunizieren.
Das
gilt
sowohl
für
die
Künstler
als
auch
die
Musik‐
und
Plattenindustrie.
Sie
sind
es
gewohnt,
ihre
Meinung
immer
und
überall
preiszugeben
und
angehört
zu
werden.
Corie
Rappich
sieht
dahingehend
eine
Chance.
Digital Natives sind bereit für den Dialog.
Aus
eigener
Erfahrung
kann
Corie
Rappich
berichten,
dass
die
jungen
Konsumenten
gerne
in
den
kommunikativen
Austausch
gehen.
Sie
glaubt
daher,
dass
man
durch
Gespräche
und
Unterhaltungen
mit
den
Konsumenten
verdeutlichen
kann,
dass
die
Mitarbeiter
der
Industrie
„zu
ihnen“,
also
den
Musikliebhabern,
gehören.
Eine
ausschließlich
einseitige
Kommunikation
durch
die
klassischen
Medien,
die
keinen
Dialog
zulassen,
hält
Corie
Rappich
für
nicht
mehr
zeitgemäßg.
Transparenz als bestes Argument
Ähnlich
wie
Tina
Funk
sieht
es
Corie
Rappich
als
wichtig
an,
dem
Konsumenten
die
Strukturen
und
Entstehungsprozesse
der
großen
„Maschine
Musikindustrie“
offenzulegen.
Der
Konsument
kriegt
von
der
Musikbranche
in
der
Regel
nur
Preisverleihungen,
Partys,
Luxus
und
Hochglanz‐Musikvideos
sowie
eine
fertige
CD/Album
mit,
die
er
sich
im
Laden
oder
Online
kaufen
kann.
Nur
wenn
man
zeigt,
dass
hinter
den
Produkten
und
Kampagnen
„echte
Menschen“
stehen,
die
von
dem,
was
sie
da
tun,
ihren
Lebensunterhalt
begleichen
müssen,
schafft
man
es,
eine
persönliche
Bindung
zum
(jungen)
Konsumenten
zu
schaffen
und
das
Bild
der
Industrie
zu
verändern.
55
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Bewusstsein des „Fans“ reaktivieren.
Auf
lange
Sicht
ist
es
laut
Corie
Rappich
wichtig,
wieder
das
Gefühl
das
„Fan‐
Seins“
in
die
Köpfe
der
Digital
Natives
zurückzuholen.
Wer
Fan
ist,
kauft
nicht
nur
die
CDs
und
andere
Produkte
des
Künstlers,
sondern
promotet
ihn
dabei
zeitgleich.
Dieser
Support
stellt
dann
auch
die
Möglichkeit
der
kostenlosen
Beschaffung
in
Frage:
Zwar
kriegt
man
das
neue
Album
von
XY
auch
kostenlos,
jedoch
will
das
ein
„Fan“
gar
nicht,
da
er
„seinen“
Künstler
in
allen
Belangen
unterstützen
will.
Den Konsumenten am Produkt beteiligen.
Hier
sind
sich
Corie
Rappich
und
Tina
Funk
einer
Meinung:
Die
Industrie
erzeugt
am
ehesten
eine
Bindung
zum
Konsumenten,
wenn
man
ihn
so
weit
es
geht
in
die
Produktions‐
und
Vermarktungsvorgänge
des
Künstlers
einbezieht.
Wird
der
Konsument
aktiviert
und
hält
ein
Produkt
in
den
Händen,
an
dessen
Verfügbarkeit
er
beteiligt
war,
ist
er
eher
dazu
geneigt,
auch
anderen
Leuten
davon
zu
erzählen
(„Word
of
Mouth“‐Marketing).
Dieser
exklusive
Mehrwert
führt
zu
einer
neuen
Wertschätzung
des
Künstlers
und
Musik
im
Allgemeinen.
Die Trennung zwischen Konsument und Industrie wird sich auQheben.
4.2 Fazit
Es
wurde
gezeigt,
dass
die
junge
Zielgruppe
der
Digital
Natives
äußerst
heterogen
und
damit
sehr
komplex
ist.
Eine
einheitliche
De_inition
ist
nicht
möglich,
sie
zeichnet
sich
eher
durch
einige,
sie
verbindende
Merkmale
auf,
die
jedoch
unterschiedlichste
Ausprägungen
haben.
Die
junge
Internet‐
56
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Eines
steht
jedoch
fest:
Wie
sich
das
Angebot
und
der
Konsum
in
den
nächsten
zehn
Jahren
verändern
entscheiden
die
Personen,
die
zu
dieser
Zeit
in
den
Chefsesseln
und
Büros
der
Musikbranche
sitzen
werden:
die
Digital
Natives.
58
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Anhang
Leitfaden Experteninterviews
Erkenntnisinteresse:
Die
Interviews
sollen
dazu
dienen,
einen
praktischen
Insight
durch
die
Ansichten
der
Menschen
zu
bekommen,
die
sich
tagtäglich
mit
dem
Thema
Musikvermarktung
im
digitalen
Zeitalter
auf
beru_licher
Basis
befassen.
Konsument
(Digital
Native)
‐ Was
ist
das
persönliche
Bild
der
Befragten
vom
„Digital
Native“?
‐ Wie
unterscheidet
sich
dessen
Musikrezeptionsverhalten
von
früheren
Generationen?
‐ Wie
sieht
das
heutige
Rezeptionsverhalten
im
Detail
aus?
‐ Wie
groß
ist
der
Ein_luss
des
Digital
Natives
auf
die
jetzige
(und
zukünftige)
Entwicklung
der
Musikbranche?
(Musik)Industrie
‐ Wie
geht
in
die
Industrie
mit
der
verhältnismäßig
neue
Konsumenten
um?
‐ Seit
wann
wurde
diese
Gruppe
ernstgenommen?
‐ Welche
Strategien
wurden
seitdem
angewandt,
um
diese
zu
erreichen?
‐ Wie
wurde
auf
die
technischen
Neuerungen
durch
P2P,
Web
2.0
und
dem
damit
verbundenen
UGC
seitens
der
Industrie
reagiert?
Zukunft
(Ausblick)
‐ Wie
wird
sich
das
Machtverhältnis
Konsument
zu
Industrie
in
den
nächsten
Jahren
entwickeln?
‐ Was
muss
die
Industrie
tun,
um
den
Konsumenten
in
dieser
Zukunft
befriedigen
zu
können?
‐ Ist
das
klassische
Konzept
der
Major‐Labels
dahingehend
tragbar?
‐ Wird
sich
das
das
Urheberrecht
und
das
Rechtsbewusstsein
des
Konsumenten
in
den
kommenden
Jahren
wandeln?
‐ Wird
Musik
ein
Allgemeingut?
Oder:
Wie
selbstverständlich
wird
es
sein,
Musik
immer
und
überall
(und
möglicherweise
kostenlos
oder
_latratebasiert)
zu
konsumieren?
59
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Quellenverzeichnis
Anderson, C., The Long Tail, Der lange Schwanz, München: Carl Hanser Verlag, 2007
ARD/ZDF
Online
Studie
2009,
Analyse
der
Audionutzung
in
Deutschland,
http://
www.ard‐zdf‐onlinestudie.de/index.php?id=169,
Zugriff
am
19.07.2010
Bonanos,
P.,
Grooveshark
Has
a
New
Look,
But
It’s
Still
Streaming
Unlicensed
Content,
Artikel
auf
Gigaom.com
vom
26.10.2009,
http://gigaom.com/
2009/10/26/grooveshark‐has‐a‐new‐look‐but‐its‐still‐streaming‐unlicensed‐
content/,
Zugriff
am
18.07.2010
Frieling,
J.,
Zielgruppe
Digital
Natives,
Wie
das
Internet
die
Lebensweise
der
Jugendlichen
verändert,
Neue
Herausforderungen
an
die
Medienbranche,
Hamburg;
Diplomica
Verlag,
2010
Fritz,
J.,
Ich
chatte
also
bin
ich,
Virtuelle
Spielegemeinschaften
zwischen
Identitätsarbeit
und
Internetsucht,
Referat
vom
Dezember
2005,
http://snp.bpb.de/
referate/fritzvsg.htm,
Zugriff
am
30.06.2010
Green,
M.,
Napster
Opens
Pandora’s
Box:
Examining
How
File‐Sharing
Services
Threaten
the
Enforcement
of
Copyright
on
the
Internet,
Ohio
State
Law
Journal,
Ohio/USA:
The
Ohio
State
University,
Ausgabe
63/2002,
http://moritzlaw.osu.edu/
lawjournal/issues/volume63/number2/green.pdf,
Zugriff
am
20.06.2010
Haring,
B.,
MP3
–
Die
digitale
Revolution
in
der
Musikindustrie,
Freiburg:
orange
press,
2002
60
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Harrington,
S.
Dr.,
Online
pirates
police
themselves,
Queensland
University
of
Technology,
Juli
2009,
http://www.news.qut.edu.au/cgi‐bin/WebObjects/
News.woa/wa/goNewsPage?newsEventID=29402,
Zugriff
am
05.07.2010
IFPI:
05,
Digital
Music
Report,
International
Federation
of
the
Phonographic
Industry,
Zürich,
Januar
2005,
http://www.ifpi.org/content/library/digital‐music‐
report‐2005.pdf,
Zugriff
am
18.07.2010
Kazaa.com,
of_izielle
Webseite,
http://www.kazaa.com/about/about.aspx,
Zugriff
am
20.06.2010
Kessel,
Prof.
Dr.
Thomas,
Digital
Natives,
in:
economag.de,
Wissenschaftsmagazin
für
Betriebs‐
und
Volkswirtschaftslehre,
7‐8/2010,
http://www.economag.de/magazin/
2009/7‐8/250+Digital+Natives,
Zugriff
am
14.06.2010
Klingler,
W.,
Eine
Analyse
auf
Basis
der
Studienreihe
Jugend,
Information
und
(Multi‐)Media/JIM,
Jugendliche
und
ihre
Mediennutzung
1998
bis
2008,
Frankfurt
am
Main:
Media
Perspektiven
(Hg.),
Dezember
2008
Krömer,
J.,
Sen,
E.,
No
Copy,
Die
Welt
der
digitalen
Raubkopie,
Leipzig:
Tropen
Verlag,
2006
Kromer,
E.,
Wertschöpfung
in
der
Musikindustrie,
Zukünftige
Erfolgsfaktoren
bei
der
Vermarktung
von
Musik,
Baden‐Baden:
Nomos
Verlagsgesellschaft,
2009
Kusek,
D.,
Leonhard,
G.,
Die
Zukunft
der
Musik,
Warum
die
Digitale
Revolution
die
Musikindustrie
retten
wird,
München:
Musikmarkt
Verlag,
2005
Lévy,
Pierre,
Die
kollektive
Intelligenz,
Für
eine
Anthropologie
des
Cyberspace,
Köln:
Bollman
Verlag,
1998
61
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Macht,
W.,
Netzpiloten
Blog,
Die
10
besten
Literal
Videos,
Juli
2009,
http://
www.netzpiloten.de/2009/07/03/die‐10‐besten‐literal‐videos/,
Zugriff
am
04.07.2010
MTV‐Networks,
Jugendstudie
in
Zusammenarbeit
mit
MSN,
Circuits
of
Cool‐Germany,
2007,
http://www.kjr‐stormarn.de/assets/Downloads/Studien/Circuits‐of‐
CoolDeutschland.pdf,
Zugriff
am
04.07.2010
Nolte, K., Der Kampf um Aufmerksamkeit, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 2005
Prensky,
M.,
Digital
Natives,
Digital
Immigrants,
in:
On
The
Horizon,
Dezember
2001,
http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20‐%20Digital%20Natives,
%20Digital%20Immigrants%20‐%20Part2.pdf,
Zugriff
am
22.06.2010
Putpat, Of_izielle Webseite, http://www.putpat.tv/, Zugriff am 19.07.2010
Rhapsody,
Of_izielle
Website,
http://www.rhapsody.com/‐discover/plans,
Zugriff
am
18.07.2010
Röttgers,
J.,
Mix,
Burn
&
R.I.P.
–
Das
Ende
der
Musikindustrie,
Hannover:
Heise
Zeitschriften
Verlag,
2003
62
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Tape.tv, Of_izielle Webseite, http://www.tape.tv/, Zugriff am 19.07.2010
UK
Music,
Music
Experience
and
Behaviour
in
Young
People,
2009,
http://
www.ukmusic.org/_iles/musically_focusgroups.pdf,
Zugriff
am
05.07.2010
Wortham,
J.,
Banned
From
YouTube:
Parody
Guitar
Videos,
in:
Wired
Online,
08.02.2008,
http://www.wired.com/underwire/2008/02/watch‐the‐parod/,
Zugriff
am
04.07.2010
Greif,
B.,
Nokias
"Comes
with
Music"
startet
am
4.
Mai
in
Deutschland,
Artikel
auf
ZDNet.de,
München:
CBS
Interactive
GmbH,
27.04.2009
http://www.zdnet.de/news/
mobile_wirtschaft_nokias__comes_with_music__startet_am_4__mai_in_deutschland_st
ory‐39002365‐41003358‐1.htm,
Zugriff
am
24.07.2010
63
Musik im Zeitalter der Digital Natives
Christian Lippert
Erklärung
Berlin, den _______________________
____________________________________
Christian
Lippert
64