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Uwe Fengler

Hinter Gardinen

Ich trete in das mir gut bekannte Treppenhaus und habe das Gefhl mich in einem Paralleluniversum zu befinden. Whrend die Tr hinter mir ins Schloss fllt, nehme ich all diese merkwrdigen Gerche war. Ich wohne im vierten Stock. Einen Aufzug gibt es in meiner Altbauwohnung nicht. Also bewege ich mich langsam, Stufe fr Stufe, abwrts. Direkt neben mir wohnt eine ltere Dame, die wohl gerne Bohnen mag. Den Geruch nach gekochten Bohnen nehme ich jeden zweiten Tag war. Unter mir hre ich die

Schreie eines Kindes. Eine weitere Etage tiefer kommt mir der alte Schmidt entgegen. Er ist eigentlich der Einzigste, der mir regelmig begegnet, wenn ich mich auf dem Weg zur Arbeit befinde. Es riecht heute pltzlich nach altem, totem Fisch im Treppenhaus. Und whrend ich zurckblicke, um dem alten Schmidt nachzusehen, erkenne ich, dass er einen in irgendein billiges Papier eingeschlagenes Stck Fisch die Treppe hinauf trgt. Wahrscheinlich eine Makrele, denke ich, genauso haben immer die Makrelen gerochen, die mein Grovater mit gebeugten Rcken, aber immer lchelnd, in seine kleine Wohnung getragen hatte, um sie dort in aller Ruhe und mit groem Genuss zu verspeisen.

Im Erdgeschoss angekommen, nehme ich heute einen extrem suerlichen Geruch war. Ich denke mir, dass irgendeiner meiner Mitmieter in der Nacht eine erhebliche Menge Wein zu sich genommen hat, und diese nun schlafend ausdnstet. In ein paar Minuten wird mein Bus abfahren, der mich zu meinem Arbeitsplatz bringt. Und whrend ich die Strae berquere, um die Bushaltestelle zu erreichen, die sich auf der gegenberliegenden Seite der Strae befindet, wei ich genau, dass sie mir zusehen. Ich wei, dass sie sich hinter ihren Gardinen befinden. Dort knnen sie ihre Gesichter, die ich nie gesehen habe, verbergen.

Hinter den zugezogenen Gardinen spielt sich ihr einsames Leben ab.
Uwe Fengler

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