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Ist Ihre Marke schon Obama?

Mirko Kaminski, Geschäftsführer von achtung! kommunikation, darüber, was sich


Marken bei Obama abgucken können und welchen Kardinalfehler sie nicht machen
sollten.

Was Barack Obama und seinem Wahlkampfapparat in den Vereinigten Staaten gelungen
ist, erscheint – zunächst – wie der wahr gewordene Traum eines jeden Marketers. Bislang
Inaktive, spricht Nicht-Wähler, sind mobilisiert und zur Abgabe ihrer Stimme für Obama
bewogen worden. Selbst Menschen, die bislang als Fans des Wettbewerbs, also der
Republikaner, galten, konnten zur Einstellungs- und Verhaltensänderung bewogen
werden. Und nicht nur das. Die gewonnen Fans selbst sind zu einem wachsenden und
aktiven Netzwerk aus Fürsprechern und Empfehlern geworden.

Relevant und aktuell: Change

Wenn 70 Prozent der amerikanischen Wahlberechtigten meinen, das eigene Land


bewege sich in die falsche Richtung, dann ist das Versprechen des „Change“ für sie von
hoher Relevanz. Obama und Team ist es gelungen, ein Bedürfnis und eine Botschaft von
enormer Wichtigkeit zu identifizieren und diese für sich zu pachten. Der Clou: Durch
stetiges und lautstarkes Wiederholen dieser Botschaft zwang er seine Wettbewerber,
darauf zu reagieren, und nahm ihnen so weitgehend die Möglichkeit, eine eigene Agenda
zu setzen. Plötzlich predigte auch McCain den „Change“ – allerdings weit weniger
glaubwürdig. Neben höchster Relevanz wohnte dieser Botschaft auch größtmögliche
Aktualität inne. Schließlich verschlimmert sich die Situation im Irak – gefühlt – von Tag zu
Tag und verlieren jeden Tag mehr und mehr Amerikaner neben Job und Haus auch den
Glauben an die Zukunft. Sie als Marketing- bzw. Kommunikationsentscheider sollten sich
fragen: Ist die Botschaft meiner Marke von ausreichend hoher Aktualität und Relevanz?

Einfach: Change

Welch eine einfache Botschaft: „Change“. Simpel, kompromisslos intensiv und kraftvoll
über alle relevanten Kanäle vermittelt. Einfachheit meint, verstanden zu werden.
Einfachheit meint, eingängig zu sein und sich verankern zu können. Einfachheit meint für
den Absender indes, sich zu konzentrieren und den Mut zu haben, nicht alles womöglich
Interessierende zu adressieren. Weniger ist wie so oft mehr. Und dies bedeutet
keineswegs, substanzlos sein zu müssen. Die denkbar simple Google-Suchmaske ist zur
Oberfläche des Systems Internet geworden: Augenscheinlich einfach, dahinter aber mit
komplexer Substanz. Sie sollten sich fragen: Mache ich es meiner Zielgruppe ausreichend
einfach – oder eher mir selbst?

Konsistent: Change

Hillary Clinton und John McCain haben während des Kampagnenrennens mehrmals ihre
Rösser gewechselt. Clinton sattelte unter anderem von „Experience“ zu „Countdown to
change“ und dann zu „Solutions for America“ um. Ähnlich oft wechseln heute Marken ihre
Positionierung und Botschaft. Dabei gilt: Wenn die Marketers und Kommunikatoren im
Unternehmen sowie deren Agenturen ein Thema oder eine Botschaft schon nicht mehr
hören können, wenn sie ihnen aus den Ohren herauskommt, erst dann beginnt die
Botschaft, „da draußen“ zu verfangen. Barack Obama und Team haben sich von der
Redundanz nicht schrecken lassen. Sie haben die „Change“-Botschaft immer und immer
wieder wiederholt. Und sie hat sich nachhaltig verankert. Sie sollten sich fragen: Ist meine
Markenkommunikation ausreichend konsistent und kontinuierlich?
Anders und authentisch: Change

Ein junger Senator, bislang noch nicht etabliert in der Washingtoner Community, kann das
„Change“-Versprechen weit besser verkörpern als eine Frau, die bereits als First Lady im
Weißen Haus residiert hat, oder ein senioriger Politiker, der bereits lange Jahre im
Washingtoner Establishment tätig gewesen ist. Und er kann es anders als die anderen
verkörpern und vermitteln, womit er sich stark vom Wettbewerb abhebt. Die Frische, der
Mut, die Aufbruchstimmung, die Barack Obama bei jedem Auftritt hat greifbar und
lebendig werden lassen, vermittelten: „Change!“. Und nicht nur das: Seine Vita zeugt
authentisch von Empathie, von dem „sich um andere kümmern“, von einer sozialen
Einstellung. Das Versprechen erscheint anders als das der anderen und es erscheint
authentisch, der Kandidat auch – mit Erfolg. Sie sollten sich fragen: Hebt sich meine
Marke ausreichend von anderen ab und ist dabei authentisch?

Gefühlt: Change

Wer fühlt, braucht kaum noch Argumente. Obama hat diesen US-Wahlkampf nicht mit
Argumenten und nüchternen Fakten gewonnen, sondern durch Gefühl und Glauben, die
er entfachen konnte. Einige sehen in ihm einen Heilsbringer, ja einen Messias. Hat
jemand im Wahlkampf Bush gegen Kerry bei Wahlkampfauftritten so viele Menschen sich
umarmen oder weinen sehen? Hoffnung, Zuversicht und gemeinschaftlich empfundene
Wärme – powered by Barack Obama. Starke Gefühle wecken zu können dürfte eine der
wichtigsten Quellen des Wahlsiegs gewesen sein. Sie sollten sich fragen: Wecken meine
Marke und Markenkommunikation Gefühle? Ausreichend und die richtigen?

Integriert präsent: Change

„Change“ ist in den vergangenen Monaten in den USA omnipräsent gewesen – auf
Schildern am Straßenrand, auf Transparenten, auf Stickern, in Blogs. Eine solche Präsenz
lässt sich nicht per Mediaagentur schalten. Sie hat sich aufgrund des explosionsartig
wachsenden Netzwerks aus überzeugten Fans, aus Werbern entfalten können. Diese
Fans griffen zum Telefon, um für die Sache zu werben, und gingen auf die Straße, um
Zaudernde umzustimmen. Sie taten es weit intensiver und erfolgreicher als die Anhänger
der Republikaner. Darüber hinaus sind Obama und „Change“ stärker in neuen Kanälen
präsent gewesen. Massen sind gerade via Web, also über den von ihnen oft bevorzugten
Kanal zu einer beeindruckenden Graswurzel-Bewegung mobilisiert worden. Gigantische
Spendenrekorde sind einer der Effekte gewesen. Nie ist in einem Wahlkampf so
umfassend und intensiv die Social Media-Klaviatur gespielt worden. Allein diese
Innovation sorgte für Gesprächsstoff und zusätzliche Aufmerksamkeit. Zudem
ermöglichten die Internet-Aktivitäten eine zielgruppenspezifische Ansprache gerade
jüngerer Wähler. Sie erfuhren Anerkennung ihrer Anliegen und wurden mobilisiert und zu
Botschaftern. Obama bediente auch Nischen, die unter dem Strich eine zusätzliche Masse
ausmachten.
Gleichzeitig ist die Kommunikation in allen Kanälen integriert und konsistent gewesen.
Hier ist nicht nur über Online-Kommunikation, nicht nur über PR, nicht nur über Werbung,
nicht nur über Events/Auftritte ein nie da gewesener Erfolg erzielt worden. Er wurde über
und mit Kommunikation erreicht. Punkt. Sie sollten sich fragen: Planen wir noch in
Kanälen oder bereits Kommunikation an sich? Sind wir dort, wo neue Kunden sind, aber
unsere Wettbewerber bislang nicht? Tun wir ausreichend, um Kunden zu Fans und Fans
zu Werbern unserer Marke werden zu lassen?
Kardinalfehler: Over-Promise

Einen Fehler sollte eine Marke, sollte ein Unternehmen nicht begehen: den „Over-
Promise“. Ein großes Versprechen mag zwar helfen, kurzfristig und in Scharen Anhänger
– sprich Kunden – zu gewinnen. Das Risiko ist allerdings immens. Obama hat im
Wahlkampf Versprechen mit einem Gegenwert von rund 2 Billionen Dollar abgegeben,
während der US-Haushalt für 2009 bereits jetzt einen Fehlbetrag von einer Billion Dollar
ausweist. Wer sein gerade gewonnenes Klientel durch Brechen eines großen
Versprechens enttäuscht, verliert es rasch wieder. Dann könnte erneut die Stunde der
Konkurrenz kommen, die man vorübergehend weit hinter sich wähnte. Daher sollten Sie
sich fragen: Hält meine Marke, was sie verspricht? Oder wecken wir Erwartungen, die wir
gar nicht halten können?

www.achtung.de

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