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Verfassungslehre 1929
Verfassungslehre behandelt keine konkrete Verfassung, sondern das, was an und in Bezug auf
Verfassungen verallgemeinerungsfähig ist.
Schmitt war der erste, der bewusst eine Theorie der Verfassung, und zwar insbesondere des modernen
Verfassungstypus des bürgerlichen Rechtsstaates, ausführte,während bis 1928 nur Werke zur
(allgemeinen)Staatslehre existierten, zu deren bekanntesten wohl die von Johann Campari Bluntschli,
Friedrich Julius Stahl, Georg Jellinek und Hans Kelsen gehören.
Schmitt behandelt in der Verfassungslehre erstmals systematisch genuin verfassungstheoretische Fragen.
Begriffsbestimmung
positiver
absoluter<----------------------------------------------->relativer
idealer
§1 Absoluter Verfassungsbegriff
In beiden Fällen ist der Verfassungsbegriff absolut, weil er ein (wirkliches oder ideelles)
Ganzes bedeutet.
Erster Hinweis des Übergangs zum relativen Verfassungsbegriff: Verfassung als eine
Reihe von Gesetzen=> Verfassung und Verfassungsgesetz werden gleich behandelt und
nicht mehr unterschieden. Dieser relative Verfassungsbegriff bezeichnet dann nicht mehr
ein Ganzes als Einheit, sondern einige besonders gearteten gesetzliche
Einzelbestimmungen.
I. Verfassung im absoluten Sinne kann zunächst die konkrete, mit jeder existierenden
politischen Einheit von selbst gegebene Daseinsweise bedeuten.
1. Erste Bedeutung
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Verfassung ist der konkrete Gesamtzustand politischer Einheit und sozialer
Ordnung eines bestimmten Staates. Nach dieser Definition bezeichnet der Begriff der
Verfassung eigentlich nur den konkreten einzelnen Staat in seiner konkreten politischen
Existenz.
d.h. Der Staat hat nicht eine Verfassung, der gemäß ein staatlicher Wille sich bildet,
sondern der Staat ist Verfassung ein Status von Einheit und Ordnung.
Der Staat hört auf zu existieren wenn die Verfassung aufhört, sie ist die Seele, konkretes
Leben und die individuelle Existenz des Staates.
2. Zweite Bedeutung
Mit einer Revolution ist ohne weiteres eine neue Form und eine neue Verfassung
gegeben. Vgl. Weimarer Republik 9.12. 1918 „durch die Revolution gegebene Verfassung.
3. Dritte Bedeutung
Staat wird in dieser Bedeutung als ein immer von neuem Entstehendes aufgefasst.
Zusatz: Verfassung als aktives Prinzip eines dynamischen Prozesses wirksamer Energien,
ein Element des Werdens, aber wirklich, nicht eine geregelte Prozedur von Sollens-
Vorschriften und Zurechnungen.
Staatsverfassungen(franz. Revolution) im Gegensatz zu Staatsordnungen(Napoleon)
Staatsverfassungen ist diejenige Ordnung, welche die Übereinstimmung der Einzel-Willen
mit dem staatlichen Gesamtwillen herbeiführt und die Einzelnen zu lebendigen des
staatlichen Organismus zusammenfasst.
Staatsordnung dagegen betrachtet den Einzelnen und die Behörden schon als Glieder des
Staates und verlangt von ihnen Gehorsam.
In der Staatsverfassung steigt das staatliche Leben von unten nach oben während in der
Staatsordnung es von oben nach unten.
Staatsverfassung ist freie Bildung des Staatswillens, während die Staatsordnung
organische Vollziehung des so gebildeten Willens.
II. Verfassung im absoluten Sinne kann eine grundgesetzliche Regelung, d.h ein
einheitliches, geschlossenes System höchster und letzter Normen bedeuten
(Verfassung =Norm der Normen)
1. Verfassung in dieser Bedeutung ist weder ein seinsmäßiger Zustand noch ein
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dynamisches Werden, sondern etwas normatives, ein bloßes Sollen.
Es handelt sich nicht um einzelne für wichtig gehaltene Normen, sondern um die
Gesamtnormierung des staatlichen Lebens überhaupt, Grundgesetz als
geschlossene Einheit, um das „Gesetz der Gesetze“. Alle anderen Gesetze müssen
auf diese zurückgeführt werden.
=> Staat = Einheit von Rechtsnormen
Auch in dieser Bedeutung ist die Verfassung eine Einheit und Ganzheit, doch ist die
Relation von Staat und Verfassung umgekehrt. Nicht der Staat ist die Verfassung, sondern
die Verfassung ist der Staat, weil der Staat als etwas Sein Sollendes behandelt wird und er
nur als Normensystem oder Rechtsordnung sieht, die nicht einfach ist(existiert) sondern
sollensmäßig gilt.
2. In Wahrheit gilt eine Verfassung, weil sie von einer verfassungsgebenden Gewalt
ausgeht und durch deren Willen gesetzt ist. Wille als seinsmäßige Größe, die dem
bloßen Sollen vorausgehen muss.
Eine Norm kann gelten, weil sie richtig ist => Naturrecht
oder: ein Norm gilt, weil sie positiv angeordnet ist, d.h Kraft eines existierende
Willens.
Eine Norm setzt niemals sich selbst, sondern sie wird als richtig anerkannt.
Es gibt kein geschlossenes Verfassungssystem rein normativer Art. Eine Reihe
einzelner Bestimmungen kann nicht als systematische Einheit und Ordnung behandelt
werden. Z.B. die 181 Artikel der Weimarer Verfassung als logische Einheit zu betrachten
ist Fiktion (auf Grund der inhaltlichen Verschiedenheit der einzelnen Bestimmungen)=> die
Einheit des Deutschen Reiches beruht nicht auf den Artikeln und ihrem Gelten sondern auf
der politischen Existenz des Volkes=> Der Wille des deutschen Volks begründet über die
einzelnen Widersprüche hinweg seine politische Einheit. Die Weimarer Verfassung gilt weil
das deutsche Volk „sich diese Verfassung gegeben hat“(Text der Verfassung)
3. Vorstellung der Verfassung als normative Einheit und als etwas absolutes erklärt
sich historisch aus einer Zeit, in der man die Verfassung für eine geschlossene
Kodifizierung hielt.
Dieser Glaube (seit der franz. Revolution) existiert nicht mehr, sondern stattdessen
herrscht das Bewusstsein, das der Text jeder Verfassung von dem sozialen und
politischen Kontext seiner Zeit abhängig ist.
Die Verfassung verwandelt sich in eine Reihe von einzelnen positiven
Verfassungsgesetzen.
Übergang zum relativen Verfassungsbegriff.
§2 Relativer Verfassungsbegriffe
(Die Verfassung als eine Vielheit einzelner Gesetze)
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Die Relativierung besteht darin, dass statt der einheitlichen Verfassung im Ganzen, nur
das einzelne Verfassungsgesetz, der Begriff es Verfassungsgesetzes aber nach formalen
Kriterien bestimmt wird.
I. Verfassung im relativen Sinne bedeutet also das einzelne Verfassungsgesetz.
Jede sachliche Unterscheidung geht verloren durch die Auflösung der einheitlichen
Verfassung in eine Vielzahl, einzelner, gleicher Verfassungsgesetze.
Für diesen formalen Begriff ist der konkrete Inhalt einer Bestimmung gleichgültig.
Diese Betrachtungsweise macht alles unterschiedslos was in der Verfassung steht
gleich relativ.
Zusatz: Weimarer Verfassung Zahlreiche verfassungsgesetzliche Bestimmungen,
von denen ohne weiteres ersichtlich ist, dass sie nicht grundlegend sind im Sinne
eines Gesetzes der Gesetze.
Erklärt sich aus der politischen Situation, in dem die Mehrheiten in der
Nationalversammlung diesen einzelnen Bestimmungen den Charakter von
verfassungsgesetzlichen Normen zu geben.
Durch diese Relativierung erreicht man nicht, den fundamentalen Charakter einzelner
Bestimmungen zu erhöhen, sondern im Gegenteil werde die echten
Fundamentalbestimmungen auf die Stufe der verfassungsgesetzlichen Einzelheit
herabgedrückt(Man erreicht also genau das Gegenteil von dem was man erreichen
wollte).
Formale Merkmale des relativen Verfassungsbegriff:
a) Gleichsetzung von Verfassung als Einheit und Verfassungsgesetz als
Einzelheit
b) Verfassung im formalen Sinne und Verfassungsgesetz im formalen Sinne
nicht unterschieden
c) Verfassung im formalen Sinne =geschriebene Verfassung; andererseits soll das
formale des Verfassungsgesetzes in seiner erschwerten Abänderung bestehen
Das Formale der geschriebenen Verfassung kann nicht darin liegen, dass eine schriftliche
Urkunde vorliegt, sondern das bestimmte Eigenschaften der beurkundeten Person oder
Stelle oder des beurkundeten Inhalt es rechtfertigen von einer Verfassung im formalen
Sinne zu sprechen
Es muss ein maßgebend anerkanntes Verfahren vorausgesetzt werden.
Niederschrift und Beurkundung kommen nur hinzu und sind nicht das entscheidende.
Sondern das Verfahren des zustandekommens ist entscheidend
Zusatz: Weimarer Verfassung: Systematischer und vollständiger was ihren
organisatorischen Teil angeht(im Vergleich zu franz. Verfassungsgesetzen), aber sie
enthält eine Reihe von einzelnen Gesetzen und heterogenen Prinzipien, so dass es
unzulässig ist von einer Kodifikation im materiellen Sinne zu sprechen. Auch die Weimarer
Verfassung löst seine Einheit in verfassungsgesetzliche Einzelbestimmungen auf.
Formale Begriffsbestimmung besagt also heute nichts als Verfassung= eine Reihe von
geschriebener Verfassungsgesetze und dadurch geht der Begriff der Verfassung verloren.
Der formale Begriff führt dazu, den Begriff der Verfassung zu relativieren=>
aus der Verfassung im Sinne einer geschlossenen Einheit wird eine Menge gesetzlicher
Bestimmungen,die man dann als Verfassungsgesetze bezeichnet. Weitere formale
Kennzeichen=> erschwerte Abänderbarkeit
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Durch die erschwerte Abänderbarkeit soll die Dauer und die Stabilität geschützt und
die Gesetzeskraft erhöht werden.
Zuerst leichte Abänderbarkeit:
1. flexible Verfassungen: alle gesetzlichen Bestimmungen könne durch ein
einfaches Gesetz abgeändert werden. Fehlender Schutz gegen Änderung und
keine Unterscheidung von Verfassungsgesetzen und einfachen Gesetzen. Dann
kann man nicht mehr sinnvoll von Verfassung und Verfassungsgesetz sprechen.
Zusatz: England als Hauptbeispiel eines Landes ohne Verfassung im formalen
Sinne:
Keine Unterscheidung von wichtigen organisatorischen Bestimmungen und
einfachen Gesetzen.
Erschwerte Abänderbarkeit
Starre Verfassungen: in diesem Absoluten Sinne gibt es nicht mehr.
Doch einzelne Verfassungsbestimmungen könne einem verfassunggesetzlichem
Verbot der Abänderung unterliegen.
Aber auch Verfassungen als starr bezeichnet in welchen die Möglichkeit von
Verfassungsänderungen vorgesehen ist aber an besonders erschwerte Bedingungen
geknüpft ist.
Ein Begriff von Verfassung ist nur möglich, wenn Verfassung(Allg.) und
Verfassungsgesetz(Besonderes) unterschieden werden.
I. a) Die Verfassung im positiven Sinne entsteht durch einen Akt der
verfassungsgebenden Gewalt.
Dieser Akt enthält keine einzelnen Normierungen, sondern bestimmt durch
einmalige Entscheidung das Ganze der politischen Einheit hinsichtlich ihrer
besonderen Existenzform.
Dieser Akt konstituiert die vorausgesetzte politische Einheit.
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Die Verfassung enthält nur die bewusste Bestimmung der besonderen
Gesamtgestalt, für welche sich die politische Einheit entscheidet, wobei neue
Formen entstehen können ohne das der Staat, d.h. Die politische Einheit aufhört.
Notwendige Bedingung: ein handlungsfähiges Subjekt, mit dem Wille eine
Verfassung zu geben.
Eine solche Verfassung ist eine bewusste Entscheidung, welche die politische
Einheit durch den Träger der verfassungsgebenden Gewalt für sich selber trifft und
sich selber gibt (Setzten der Voraussetzungen Hegel)
b) Die Verfassungsgesetze dagegen gelten erst auf Grund der Verfassung und
setzen diese voraus. Jedes Gesetz bedarf zu seiner Gültigkeit eine vorhergehende
politische Entscheidung.
Vor jeder Normierung liegt eine grundlegende politische Entscheidung des Trägers
der verfassungsgebenden Gewalt, d.h. In der Demokratie des Volkes, in der echten
Monarchie des Monarchen.
Das die Verfassung geändert werden kann, bedeutet nicht, dass die grundlegenden
politischen Entscheidungen welche die Substanz der Verfassung ausmachen vom
Parlament beseitigt werden können.
Unterschied Verfassungsgebung und Verfassungsänderung
a) Laut Art. 76 RV. Können Verfassungsgesetze aber nicht die Verfassung als Ganze
geändert werden.
Das die Verfassung geändert werden kann bedeutet nicht das die grundlegende politische
Entscheidung vom Parlament jederzeit beseitigt werden kann.
Verfassungsgebung- und änderung müssen unterschieden werden, das eine mal ist die
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Totalentscheidung das andere mal eine einzelne Bestimmung gemeint. Wäre es nicht so
könnte ein Parlament alle anderen künftigen Mehrheiten an seine Entscheidungen binden.
g) Trotz der Beseitigung der Verfassung könne einzelne Bestimmungen weiter Gültigkeit
haben.
h) nach Art. 148 RV enthält jeder Schüler die Verfassung als Abdruck überreicht,
jedoch nicht die Sammlung aller Änderungen und äußere Bindungen (Versailler Vertrag)
I. Aus politischen Gründen wird nur als wahre Verfassung bezeichnet, was einem
bestimmten Ideal von Verfassung entspricht.
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Bürgertum setzt den Idealbegriff der Verfassung: nur das kann Verfassung genannt
werden, wenn die Forderungen bürgerlicher Freiheit erfüllt sind
Politische Parteien wollen per se Begriffen es staatlichen Lebens ihren konkreten
Inhalt geben. Dann verändert sich der Begriff der Verfassung je nach politischem
Selbstverständnis der Parteien(liberal<=>sozialistisch; laizistisch<=>religiös)
II. Idealbegriff der bürgerlich-rechtsstaatlichen Verfassungen
Seit dem 18. Jahrhundert hat sich ein besonderer Idealbegriff der Verfassung
durchgesetzt und es werden seit dem nur solche Verfassungen als Verfassungen
anerkannt, welche die Forderungen bürgerlicher Freiheit und bestimmte Garantien
enthalten, bezeichnet.