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Kerstin Funk (Hrsg.

): Aspekte des Wohneigentums


Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums. Zahlreiche Menschen
in Deutschland, aber auch in anderen europäischen und nichteuropäischen
Ländern streben nach dieser Form des Eigentums. Menschen, die Wohnei-
gentum besitzen, sind – so heißt es – glücklicher. Sie haben ihr Kapital in
einer Immobilie angelegt: einem unbeweglichen Sachgut. Mit dieser Anlage
haben sie viel Freiheit erlangt, sie haben aber auch eine große Verantwor-
tung für dieses Eigentum übernommen. Für die Stabilität der Gesellschaft
und der Demokratie ist Eigentum eine wichtige Voraussetzung. Denn die Ver-
antwortung, die mit dem Gebrauch des individuellen Eigentums verbunden
ist, erzeugt die umfassende Anerkennung von rechtstaatlichen Regeln.

Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene Aspekte des Wohnei-


gentums. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Situation in Deutsch-
land, sondern schaut auch über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die
Wohnungspolitik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist.

Mit Beiträgen von:


Reiner Braun
Gijs Dröge
Kerstin Funk
Peter King
Arnold Kling
Ulrich van Suntum
Michael Voigtländer
Peter Westerheide

Argumente der Freiheit, Band 25


ISBN 978-3-920590-39-4 Aspekte des Wohneigentums
Kerstin Funk (Hrsg.)
Argumente der Freiheit 25

liberal Verlag
  
Kerstin Funk (Hrsg.)

Aspekte des Wohneigentums


Argumente der Freiheit
Aspekte des Wohneigentums

Kerstin Funk (Hrsg.)

liberal Verlag GmbH, Berlin 2010


Impressum:
1. Auflage, Januar 2010
© 2010 liberal Verlag GmbH, Berlin

Umschlag
Gestaltung: altmann-druck GmbH

Satz und Druck: altmann-druck GmbH, Berlin


Printed in Germany - ISBN 978-3-920590-39-4

Titelbild: Fotolia

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Inhalt

Vorwort............................................................................ 7

Reiner Braun
Analyse des Wohnungsmarktes in Deutschland.............. 15

Ulrich van Suntum


Gesellschaftspolitische Vorteile des Wohneigentums..... 52

Peter Westerheide
Staatliche Förderung des Wohneigentums...................... 82

Arnold Kling
Amerikas Subprimekrise................................................ 116

Michael Voigtländer
Die Privatisierung kommunalen Wohneigentums........... 154

Peter King
Die Privatisierung von Sozialwohnungen:
Das „Right to Buy“ in Großbritannien............................... 185

Gijs Dröge
Der niederländische Wohnungsmarkt: gegenseitige
Behinderung von Miete und Eigentum........................... 232

Über die Autoren......................................................... 254

5
6
Vorwort

Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums.


Zahlreiche Menschen in Deutschland, aber auch in anderen
europäischen und nichteuropäischen Ländern streben nach
dieser Form des Eigentums. Menschen, die Wohneigentum
besitzen, sind – so heißt es – glücklicher. Sie haben ihr Ka-
pital in einer Immobilie angelegt: einem unbeweglichen
Sachgut. Mit dieser Anlage haben sie viel Freiheit erlangt,
sie haben aber auch eine große Verantwortung für dieses
Eigentum übernommen. Für die Stabilität der Gesellschaft
und der Demokratie ist Eigentum eine wichtige Vorausset-
zung. Denn die Verantwortung, die mit dem Gebrauch des
individuellen Eigentums verbunden ist, erzeugt die umfas-
sende Anerkennung von rechtstaatlichen Regeln. Der
Rechtsstaat basiert auf dieser Anerkennung und er basiert
auch auf der Notwendigkeit von Eigentum und den damit
verbundenen Rechten und Pflichten.

Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene As-


pekte des Wohneigentums. Er beschränkt sich dabei nicht
nur auf die Situation in Deutschland, sondern schaut auch
über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die Wohnungs-
politik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist. Natio-
nale und internationale Autoren haben zu diesem Sammel-
band beigetragen.

7
Eine Analyse des deutschen Wohneigentumsmarktes er-
folgt durch Reiner Braun. Seine Analyse zeigt, dass selbst-
genutztes Wohneigentum hierzulande nach wie vor von gro-
ßer Bedeutung ist. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges
wurde eine große Zahl neuer Wohnungen und Häuser ge-
baut. Dies prägt bis heute den Immobilien- und Mietmarkt in
Deutschland. Eine Entscheidung für Wohneigentum ist eine
Entscheidung über die langfristige Lebensplanung. Wohnei-
gentümer weisen daher vor allem in ihrem Spar- und Kon-
sumverhalten besondere Merkmale auf. Allerdings verän-
dert sich die Wohneigentumsquote. Diese Entwicklung hat
auch mit der zunehmender Mobilität und den Veränderungen
der sozialen Faktoren zu tun. So leben immer mehr Men-
schen in Singlehaushalten oder ohne Kinder. Diesen He-
rausforderungen müssen Anbieter und Politik in Zukunft ge-
recht werden.

Ulrich van Suntum belegt in seinem Beitrag, dass auch ge-


sellschaftspolitisch Wohneigentum durchaus wünschens-
wert ist: Es hat zahlreiche Vorteile, und zwar sowohl für die
Eigentümer, als auch für die Gesellschaft als Ganze. Denn
Eigentum ist auch Verantwortung. Und die Verantwortung
für eine Immobilie beschränkt sich nicht nur auf den Werter-
halt oder die Wertsteigerung, die hauptsächlich mit subjek-
tiven Interessen der Eigentümer verbunden ist. Im Interesse
eines lebens- und wohnenswerten Umfeldes werden Eigen-
tümer von Immobilien sich auch für die Umgebung der Im-
mobilie einsetzen. In der direkten Umgebung setzen sie sich
für die Pflege und den Erhalt der Wohnungssubstanz ein, in

8
der weiteren Umgebung für die Attraktivität des Standortes.
Dies geschieht auch durch privates Engagement, zum Bei-
spiel in Schulen, Parteien oder in Vereinen. So wird erheb-
lich zur sozialen Stabilität beigetragen. Auch gesellschaft-
liche Konflikte werden durch Eigentum eher vermieden.
Darüber hinaus erhöht der Besitz einer Immobilie die Le-
benszufriedenheit, denn sie gibt die Möglichkeit zur freien
Entfaltung, bringt Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit
mit sich. Den Vorteilen stehen freilich auch einige Nachteile
gegenüber: So ist die Mobilität von Wohneigentümern im
Vergleich zu Mietern deutlich eingeschränkt. Auch wird ar-
gumentiert, dass insbesondere Einfamilienhäuser sehr viel
Fläche verbrauchen und den Individualverkehr erhöhen, was
wiederum mit Folgen für die Umwelt verbunden ist.

Als Kapitalanlage ist Wohneigentum geeignet, Konsum und


Altersvorsorge miteinander zu verbinden. So verschulden
sich Wohneigentümer nach dem Lebenszyklus in der ersten
Lebensphase, tilgen die Schulden in der mittleren Lebens-
phase und sparen dabei gleichzeitig für die letzte Lebens-
phase, in der sie dann das Vermögen konsumieren. Späte-
stens nach der Schuldentilgung haben Immobilieneigentümer
dann im Vergleich zu Mietern meist eine geringere Bela-
stung durch die Wohnkosten. Meist ergänzen die Eigentü-
mer die Altersvorsorge durch zusätzliche Kapitalanlagen.
Dies scheint umso mehr sinnvoll, als dass die Wertbestän-
digkeit von Immobilien nicht garantiert ist und Risiken so
breiter gestreut werden können.

9
Einen Überblick über die staatliche Förderung von Wohnei-
gentum gibt Peter Westerheide. Die staatliche Förderung
begann mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Welt-
krieg. Dies geschah in erster Linie, um die Wohnungsnot zu
lindern, und zwar vor allem durch sogenannte „Vorsparför-
derung“, das heißt der Förderung von Ansammlung von Ei-
genkapital. Im Laufe der Jahre wurde diese Förderung um
verteilungsorientierte Elemente ergänzt. So konnten auch
Kleinsparer gefördert werden. Heute bietet die „Riester-
Rente“ eine staatliche Sparförderung zu diesem Zweck. Er-
gänzt wird die Vorsparförderung durch die Nachsparförde-
rung, also eine Förderung nach dem Erwerb von
Wohneigentum. Sie erfolgte zunächst durch steuerliche Ab-
zugsmöglichkeiten. Mit Einführung der Eigenheimzulage
wurde die Förderung von Einkommen abgekoppelt. Dies un-
terstützte vor allem den Eigenheimerwerb von Familien.
Nach Abschaffung der Eigenheimzulage erfüllt heute das
„Wohn-Riester“ diesen Zweck. Ein Vergleich zeigt, dass
Wohneigentum in vielen anderen Ländern ebenfalls staatlich
gefördert wird: entweder durch steuerliche Absetzbarkeit
oder durch die Förderung besonderer Gruppen bzw. für be-
stimmte Zwecke.

Die Wirkung der Wohneigentumsförderung ist jedoch um-


stritten. So hat die Bausparförderung zwar das Sparverhal-
ten breiter Bevölkerungsschichten positiv beeinflusst und zu
höherer Kapitalbildung beigetragen. Allerdings wird dieses
Kapital nicht immer zum Erwerb von Immobilien genutzt. Der
Erfolg der Nachsparförderung ist jedoch weniger eindeutig,

10
denn es lässt sich nicht klar belegen, ob zum Beispiel durch
die Eigenheimzulage tatsächlich mehr Menschen sich zum
Kauf einer Immobilie entschieden haben. Zudem ist wahr-
scheinlich, dass die Eigenheimzulage zu künstlichen Markt-
verzerrungen geführt hat, Bauland zum Beispiel verteuert
und zu höheren Preisen im Baugewerbe geführt hat.

Dass staatliche Förderung auch misslingen kann, zeigt Ar-


nold Kling in seinem Aufsatz. Denn die gegenwärtige Wirt-
schaftskrise nahm ihren Lauf mit der amerikanischen Sub-
primekrise. An der Darstellung der Hintergründe und der
Vorgeschichte dieser Krise wird deutlich, welche negativen
und gefährlichen Konsequenzen staatliche Eingriffe in den
Immobilienmarkt haben können. Zwar folgte die US-ameri-
kanische Regierung einem scheinbar hehren Ziel, der Unter-
stützung und Förderung des Eigenheimerwerbs, aber ein in-
itiativer Eingriff der Regierung machte in der Folge zahlreiche
weitere Eingriffe notwendig. Alle diese Eingriffe zusammen-
genommen haben letztlich zu einer Unübersichtlichkeit und
Marktverzerrung geführt, die schließlich mit dem Platzen
der Immobilienblase ihren Höhepunkt fand. Es folgte eine
Art „Marktbereinigung“, als zahlreiche Finanzinstitute zu-
sammenbrachen und eine weltweite Wirtschaftskrise auslö-
sten. Die Krise hat die Schwächen des US-amerikanischen
Finanzsystems und die Folgen staatlicher Eingriffe offen ge-
legt. Die Krise ist aber auch eine Chance, nun die Fehler der
Vergangenheit nicht zu wiederholen und staatliches Handeln
künftig an rein marktwirtschaftlichen Prinzipien zu orientie-
ren.

11
Michael Voigtländer diskutiert in seinem Beitrag die Privati-
sierung von kommunalem Wohneigentum. Obwohl ein aus-
reichend großer Markt privater Anbieter für Wohnimmobilen
auch für Mietzwecke vorhanden ist, ist ein großer Teil des
Wohneigentums noch immer im Besitz der öffentlichen
Hand. In einer Marktwirtschaft sollte der Staat jedoch sein
Engagement auf jene Marktfelder beschränken, in denen
der private Markt kein Angebot schaffen kann. Dies verhält
sich im Immobilienmarkt nicht anders. Der staatliche Mark-
teingriff ist aber nicht nur nicht notwendig, sondern er beein-
flusst den Markt in negativer Weise. Mietpreise werden
künstlich gemindert und Vorteile öffentlicher Unternehmen
behindern die privaten Anbieter in ihrem Marktzugang. Es ist
daher dringend geboten, dass staatliche Immobilienbestän-
de privatisiert werden. Wie dies erfolgreich gelingen kann,
zeigt das Beispiel der Stadt Dresden. Neben einer Entschul-
dung des kommunalen Haushaltes erfolgte hier eine Privati-
sierung, die marktwirtschaftlichen und sozialen Anforde-
rungen zugleich gerecht wird.

Ein weiteres erfolgreiches Beispiel für die Privatisierung öf-


fentlicher Sozialwohnungen findet sich in Großbritannien.
Peter King stellt dar, wie dort mit dem „Right to Buy“ Mietern
von Sozialwohnungen die Möglichkeit geschaffen wurde, di-
ese Wohnungen zu kaufen. Auf diese Weise wurden viele
Menschen Eigentümer von Immobilien, die ansonsten kaum
in der Lage gewesen wären, das notwendige Kapital für eine
Immobilie anzusparen. Das „Right to Buy“ war eine politische

12
Maßnahme der Regierung unter Margaret Thatcher. Es war
maßgeblich verantwortlich für den Rückgang der Sozialwoh-
nungen in Großbritannien und für den Anstieg von selbstge-
nutztem Wohneigentum vor allem in Arbeiterhaushalten.
Auch hier wurden soziale und wirtschaftliche Faktoren glei-
chermaßen berücksichtigt und führten auch zur Absiche-
rung vieler sozial schwächerer Menschen.

Vor welchen Herausforderungen nationale Wohnungsmär-


kte heute stehen, dokumentiert schließlich Gijs Dröge. Der
Wohnungsmarkt in den Niederlanden teilt sich in etwa in
zwei Hälften: Während 56% der Niederländer Eigentum be-
sitzen, sind die verbleibenden 46% Mieter. Die Wohnungs-
politik in den Niederlanden spiegelt dieses Verhältnis wider.
Die zwei Seiten des politischen Spektrums bremsen sich in
ihren politischen Maßnahmen gegenseitig aus und behin-
dern sich dabei, die Maßnahmen zu ergreifen, die für eine
Marktöffnung notwendig wären. Nicht nur infolge der Wirt-
schaftskrise bedarf der niederländische Wohnungsmarkt je-
doch einer Neuordnung. Die staatliche Einflussnahme sollte
dabei weitestgehend zurückgenommen werden. Eine Libe-
ralisierung des Marktes ist dringend geboten. Liberale in
den Niederlanden fordern dazu vor allem, dass die Förde-
rung von Wohneigentum durch steuerliche Anreize erfolgt.
Zudem soll die Effizienz des Wettbewerbes auf dem Woh-
nungsmarkt gesteigert werden, vor allem bei der Preisbil-
dung, die durch ein unausgeglichenes Verhältnis von Ange-
bot und Nachfrage derzeit nicht den realen
Marktverhältnissen entspricht.

13
Da Wohneigentum für die Eigentümer viele positive Effekte
mit sich bringt, ist es aus liberaler Sicht wünschenswert,
dass Menschen Wohneigentum bilden. Liberale Politik kann
dies unterstützen, indem sie Wohneigentum fördert. Dabei
muss sie sich auf die Wohnversorgung bestimmter Zielgrup-
pen orientieren. Zu diesen Zielgruppen gehören zum Bei-
spiel Familien oder ältere Menschen. Denn Wohneigentum
ist ein wichtiger Baustein der privaten Altersvorsorge. Dies
gilt umso mehr vor dem Hintergrund des demographischen
Wandels, in dem der Einzelne gefordert ist, selbst mehr für
sein Einkommen auch im Alter vorzusorgen und sich nicht
nur auf staatliche die Vorsorge verlassen darf. Der Subjekt-
förderung ist daher grundsätzlich der Vorrang vor der Ob-
jektförderung zu geben. Eine gute Steuerpolitik ist daher
auch eine gute Wohnungspolitik. Denn eine niedrige steuer-
liche Belastung der Einkommen ermöglicht es den Men-
schen, bereits im Erwerbsleben Wohneigentum zu erwer-
ben und abzuzahlen und damit einen eigenverantwortlichen
Beitrag zur sozialen Absicherung zu leisten.

14
Reiner Braun

Analyse des Wohnungsmarktes


in Deutschland

Wohnungen sind technisch einfache Güter, gesellschaftlich-


ökonomisch aber sehr komplex. Sie sind kapitalintensiv und
langlebig, Fehlallokationen entsprechend teuer. Besondere
Bedeutung haben Wohnungen auch für ihre Nutzer, die sie
individuell ausstatten, die umliegende Infrastruktur nutzen
und Beziehungsnetze in der Nachbarschaft pflegen. Daraus
wurden vielfach ein besonderer Schutz der Bewohner abge-
leitet und Staatseingriffe sowie massive staatliche Subven-
tionen begründet. Der Wohnungsmarkt hat eine weitere
Achillesferse: Die Neuproduktion ist im Vergleich zum Be-
stand sehr gering. Dies führt bei zyklisch schwankender
Nachfrage immer wieder zu Engpässen und sprunghaft stei-
genden Neuvertragsmieten. Eine weitere Besonderheit:
Von jedem Neubau profitieren alle Mieter, weil das größere
Angebot – ob Mietwohnung oder selbst genutzt, kostengün-
stig oder Luxuswohnung – die Mietforderung dämpft. Durch
diesen Filteringprozess wurden Wohnungen relativ zum Ein-
kommen in den letzten Jahrzehnten immer preiswerter. Was
sonst die letzten hundert Jahre den deutschen Wohnungs-

15
markt geprägt hat, wird in einem kurzen historischen Abriss
in Kapitel 1 skizziert.

Früher oder später kommt es am Wohnungsmarkt zur


Grundsatzfrage: Willst Du Mieter bleiben oder Wohneigen-
tum erwerben? Diese Frage stellen sich jährlich Tausende
junger Haushalte. Kluge Rechner präsentieren immer wie-
der Vergleiche, bei denen in einer reinen Renditerechnung
die Immobilie mal mehr, mal weniger gut abschneidet. Sol-
che Rechnungen erscheinen auf den ersten Blick überzeu-
gend. Man muss allerdings ihre Relevanz bezweifeln. Es
handelt sich um eine aus dem Lebenszusammenhang he-
rausgerissene, rein finanzmathematische Operation. In der
Wirklichkeit geht es dagegen um Fragen des Verhaltens von
Haushalten über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Es geht um
langfristige Lebensplanung und Familiengründung; es geht
um Fragen, wie man im Alter leben und wie man sich selbst
im Vergleich zu anderen darstellen will. Diese Besonder-
heiten im Verhalten der Wohneigentümer werden in Kapitel
2 geschildert.

Die Gretchenfrage auf dem Wohnungsmarkt aber lautet:


Soll die Wohnungspolitik eine Erhöhung der Eigentumsquo-
te zum Ziel haben? In der Praxis wurden in Deutschland
über Jahrzehnte Eigenheime wie auch Mietwohnungen ge-
fördert. Oft wurde dabei übersehen, dass die Investitions-
förderung für Vermieter – bei gegebenen Immobilienpreisen
– eine mietsenkende Wirkung hat. Dadurch verliert das
selbst genutzte Wohneigentum im Vergleich zur Mietwoh-

16
nung an Attraktivität. Zum Ausgleich wurde auch der Bau
oder Erwerb von Wohneigentum gefördert. Es wäre dem
Staat billiger gekommen, beides nicht zu fördern. Anders
gewendet: Es wäre effizienter gewesen, den Wohnungsbau
neutral zu fördern. Etwa durch Schaffung eines elastischeren
Bodenmarktes. Niedrigere Grundstückskosten kommen
Mietern wie Eigentümern zugute – unabhängig vom persön-
lichen Steuersatz, sowie jenseits ausgefeilter Förderkonditi-
onen und unsicherer Halbwertszeiten der Förderinstru-
mente. Wie es künftig weitergeht, wird in Kapitel 3 diskutiert.

1. Historischer Abriss

Seit der Gründerzeit dominiert in Deutschland die Miets-


kaserne

In Deutschlands Städten wurde seit der Gründerzeit der


Blockbebauung mit großen Mietshäusern der Vorzug gege-
ben. Es wäre auch anders gegangen. Das zeigt das Beispiel
England, wo es zu einer ganz anderen Weichenstellung kam.
Dort dominierte auch in Großstädten das kleine Haus. Der
Vorteil: kleine Einheiten sind einfacher, durch die Nutzer
selbst zu bewirtschaften und erleichtern den Erwerb von
Wohneigentum (vgl. Abbildung 1).

17
Schon vor dem Ersten Weltkrieg kam es in Deutschland zu
einem Dissens zwischen Wohnungsökonomen und Stadtpla-
nern. Eberstadt (1920) nannte die große Mietskaserne eine
„gewillkürte politische Schöpfung“ und zeigte, dass ein
dreistöckiger Wohnungsbau in kleinen Blöcken anders als
große Mietskasernen zu einer höheren Nutzungsqualität bei
niedrigeren Kosten geführt hätte. Die sozial engagierten
Wohnungsökonomen blieben jedoch ohne großen Einfluss.
Trotz anders lautender Empfehlungen einer Regierungskom-
mission wurden auch nach dem Ersten Weltkrieg kleine
Mietshäuser und Einfamilienhäuser regelrecht diskriminiert.
Diese Politik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt.

18
Das wohl extremste Ergebnis entstand in der Mitte des 20.
Jahrhunderts in den großen Neubausiedlungen mit erheb-
lichem Hochhausanteil am Stadtrand im sozialen Wohnungs-
bau. Herstellung und Bewirtschaftung waren aufwändig und
für die Klientel ungeeignet. Der abstrakte, moderne Städte-
bau ab Mitte der 1960er und in den 70er Jahren ist beson-
ders unwirtschaftlich und geht an den Wünschen der Nach-
frage vorbei. Viele dieser Bauten werden lange vor ihrem
technischen Verschleiß ökonomisch obsolet geworden sein.
Diese Erfahrung zeigt: Städte und Wohnungen müssen den
Anforderungen der Bewohner entsprechen und in engem
Kontakt mit den Nutzern geplant werden.

Es sollte zu denken geben, dass Bremen, die einzige deut-


sche Großstadt, die schon seit dem neunzehnten Jahrhun-
dert stärker nach englischen Prinzipien aus kleinen Häusern
entwickelt wurde, gleichzeitig die höchste Wohneigentums-
quote erreicht. Städte, zusammengesetzt aus kleinen Wohn-
bauten und bewirtschaftet von Einzeleigentümern, sind er-
lebnisreicher, lebendiger in ihrer Erscheinung und werden
als persönlicher erlebt. Wir sind im 20. Jahrhundert über
längere Zeit falschen Prinzipien, falschen Bauprozessen und
falschen Subventionsformen aufgesessen! Es sollte auch zu
denken geben, dass ein durchschnittliches Wohngebiet aus
der kapitalistischen Spekulationsphase des Wohnungsbaus
in Berlin/Prenzlauer Berg zum Mekka junger Familien wur-
de. Analoge Beispiele gibt es praktisch in jeder Großstadt.
Jede dieser Familien würde es ablehnen, im Märkischen

19
Viertel1 oder sonst einer Hochhaussiedlung zu wohnen. Di-
ese Erfahrung lehrt: Die gewinnorientierten Motive der Inve-
storen haben unter Wettbewerbsbedingungen durchaus
eine Qualität geschaffen, die bis heute anerkannt wird, wäh-
rend der wohlfahrtsstaatlich motivierte soziale Wohnungs-
bau, unter gemeinnützigen Vorzeichen errichtet, nach ersten
Pionierleistungen später meist zu geringer Wohnqualität
führte.

Die deutsche Tradition großer Häuser und hoher Baudichten


bei knapp gehaltenem Baulandangebot begünstigten ex-
trem hohe Bodenpreise und damit auch hohe Baukosten. Es
gibt kaum einen Bauformenwettbewerb. Einfamilienhäuser
in den Städten wurden de facto zu Luxusgütern, weil sie in
der Konkurrenz mit den Geschosswohnungsbauten extreme
Baulandpreise tragen mussten. Im Ergebnis hat die Domi-
nanz der großen Bauten eine breite Vermögensstreuung er-
schwert. In Deutschland wird dies im Vergleich zwischen
Berlin und Bremen besonders deutlich. Die Berliner Miets-
kasernen erschweren die Entwicklung eines leistungsfä-
higen Marktes für Eigentumswohnungen. Einfamilienhäuser
blieben extrem teuer. Das Bremer Haus mit ein bis zwei
Wohnungen ermöglicht dagegen privaten Haushalten sehr
viel leichter, Wohneigentümer zu werden. Dementspre-
chend ist die Wohneigentumsquote in der Stadt Bremen mit

1 Einer Großwohnsiedlung im Berliner Bezirk Reinickendorf (Anm. d. He-


rausg.)

20
37% höher als in irgendeiner anderen deutschen Großstadt
(vgl. Abbildung 2).

Die hohen deutschen Baupreise wurden nicht nur durch


knappes Angebot, sondern auch durch ein kostentreibendes
Regulierungs- und Planungssystem mit hervorgerufen. Da-
durch konnte sich nur ein kleiner Anteil großstädtischer
Haushalte zu erträglichen Belastungen Neubauwohnungen
als Mieter oder Eigentümer leisten. Diese Angebotspolitik
hat eine kompensierende finanzielle Förderung des Woh-
nungsbaus fast erzwungen, weil nur dadurch Mieten ent-
standen, die für breitere Schichten erschwinglich waren. Po-
lemisch zugespitzt: Auf der Angebotsseite wurde der

21
Wohnungsbau verteuert. Das erzwang Nachfragesubventi-
onen, damit Wohnen für breitere Schichten erschwinglich
wurde. Die Wohnungspolitik auf der Angebotsseite hat die
Wohnungspolitik auf der Nachfrageseite erzwungen.

Zum Wandel der Märkte in den 1960er bis 1980er Jahren

Nach der Wiederaufbauphase bis etwa zum Ende der


1960er Jahre kam es in Deutschland fast parallel zu Stadt-
erweiterungen in großen Neubausiedlungen und daneben
zu einem allmählich wachsenden Einfamilienhausbau. Die
1970er Jahre brachten zur Überraschung der meisten Ex-
perten kein Ende des Nachkriegsbooms, sondern neue Fer-
tigstellungsrekorde. Die Eltern der heutigen Baby-Boomer
wanderten in die Einfamilienhäuser im Umland der Groß-
städte. Gleichzeitig brach eine neue Begeisterung für ältere
Wohngebiete in den Innenstädten aus, die bis heute bei be-
stimmten Schichten „in“ ist. Allerdings schrumpfte die Be-
wohnerzahl in diesen Gründerzeitwohnungen, weil die Zuge-
zogenen höheren Einkommensschichten pro Kopf weit
höhere Wohnflächen beanspruchten. In der Folge explo-
dierten die Preise für attraktive Altbauwohnungen. Die neu-
en Steuervorteile für Bestandskäufe im Jahr 1976 traten
eine regelrechte Lawine los. Parallel wurde die steuerliche
Absetzbarkeit von Bestandsinvestitionen für Vermieter ver-
bessert. Ab Mitte der 1970er Jahre floss die Hälfte des
Bauvolumens in den Wohnungsbestand.

22
In den 1980er Jahren expandierten die Siedlungsflächen –
trotz des politisch immer wieder verkündeten „Vorrangs für
die Innenentwicklung“. Gleichzeitig verstärkte sich die Gen-
trifizierung älterer Bestände. Die in den Großstädten schon
in den 1970er Jahren begonnene Umverteilung der Bewoh-
ner nach Einkommensschichten, Integrationsstatus oder So-
zialprestige setzte sich fort. Aus vielen Altbaugebieten mit
ehemals geringer Wertschätzung, bewohnt von Unter-
schichten und Einwanderern, wurden nostalgisch aufgewer-
tete Wohngebiete. Daraus ergaben sich erhebliche soziale
Spannungen. Das Mietrecht – vor allem der Schutz gegenü-
ber Eigenbedarfskündigungen – kann hier Härten vermei-
den. Noch mehr aber würde ein flexibles Produktionssystem
helfen: Leere Wohnungen sind der beste Mieterschutz.

Dammbruch nach der Wiedervereinigung

Der riesige Nachholbedarf in Ostdeutschland wurde in der


Tradition der westdeutschen Wohnungspolitik nach der Wie-
dervereinigung mit exzessiven Steuererleichterungen ge-
baut (50% Sofortabschreibung). Dies löste einen beispiel-
losen Bauboom aus. Zwischen 1995 und 1999 wurden in
den neuen Ländern über eine halbe Million neue Wohnungen
gebaut. Gleichzeitig explodierte der Leerstand im Bestand.
Das Ergebnis ist bis heute in einem Überangebot an tech-
nisch durchaus bewohnbaren Wohnungen sichtbar (vgl. Ab-
bildung 3).

23
Die negative Ausstrahlung leerer Gebäude mindert in vielen
ostdeutschen Städten den Wert von Nachbargebäuden und
behindert so marktwirtschaftliche Investitionen. Es besteht
eine politische Scheu, diesen negativen externen Effekte –wie
in Großbritannien geschehen – durch Enteignungen zum Er-
tragswert zu begegnen. Das Dilemma: Auch Subventionen
entfalten jetzt problematische Wirkungen. Zum einen halten
Subventionserwartungen die Preise der untergenutzten oder
leer stehenden Immobilien künstlich hoch. Zum anderen wirken
staatlich geförderte Abrissprogramme vor allem in den großen
Plattenbausiedlungen am Stadtrand, obwohl dort die negativen
Ausstrahlungen geringer sind als in der Innenstadt. In den In-
nenstädten will man den nachhaltigen Leerstand auch in Grün-
derzeitbauten nicht eingestehen. Dafür muss man natürlich an-
gesichts der historischen Erfahrungen Verständnis haben.

24
Die aktuelle Lage

Die Wohnungsmärkte erleben einen Umbruch. Seit Ende der


1990er Jahre ist die Nachfrage schwach – zunächst noch
durch eine ungünstige Einkommensentwicklung, jetzt immer
mehr durch die geburtenschwachen Jahrgänge. Allein in den
ökonomisch starken Stadtregionen steigt die Zahl der Haus-
halte noch längere Zeit an. Langfristig wird die Zahl der Haus-
halte fast überall sinken und Wohnungen – vor allem in Mehrfa-
milienhäusern – leer stehen (vgl. Abbildung 4). Dennoch gibt es
noch Neubaubedarf, weil (wohlhabende) Haushalte mit hohen
Ansprüchen im Bestand häufig keine adäquaten Wohnungen
finden. Leerstand und Neubau schließen sich nicht aus.

25
2. Besonderheiten der Wohneigentümer

Die Entscheidung zum Wohneigentum prägt den Lebensstil


der privaten Haushalte, sie planen ihre Vermögensbildung
und Alterssicherung in der Regel langfristiger als Mieter.
Dabei konnten die Erwerber in der Vergangenheit davon
ausgehen, dass die Wertentwicklung der erworbenen Ob-
jekte günstig war, auch wenn über die lange Nutzungszeit
Veränderungen der Standortgunst und der Werte möglich
sind. In Schrumpfungsregionen können diese Risiken in der
Zukunft zunehmen.

Wohneigentum verleiht nicht nur Sicherheit und Status, es


steht meist auch für die größte Investition im Leben des ein-
zelnen Haushalts. Angesichts der hohen Werte binden sich
die einzelnen Haushalte sehr langfristig, vergleichbar mit der
Familiengründung und oft im Zusammenhang damit. Beim
Erwerb geht es um mehr als eine Portfoliooptimierung für
ein gegebenes Vermögen oder eine gegebene Ersparnis. Es
geht um eine Lebensstilentscheidung. Insbesondere be-
steht eine Bereitschaft, sich dafür stärker zu verschulden
und höhere Sparquoten als für andere Formen der Vermö-
gensanlage zu erbringen.

Vermögensbildung im Lebenszyklus

Es mag altmodisch klingen: Die meisten Menschen bauen


ihr Vermögen durch Ersparnisse aus dem laufenden Einkom-

26
men auf. Denn – anders als viele meinen – bildet man Ver-
mögen nicht, indem man Steuersparmodelle nutzt oder
Sparzulagen kassiert. Nein, Vermögen bildet man vorwie-
gend durch Konsumverzicht. Weil die Einkommen während
der Ausbildung und zu Beginn der Erwerbstätigkeit gering
sind, wachsen die Vermögen im Laufe der Zeit aber nur all-
mählich an (vgl. Abbildung 5). Gleichzeitig fordern hohe Aus-
gaben zum Erwerb langlebiger Konsumgüter (Möbel, größe-
re Haushaltsgeräte, PKW) ihren Tribut: Ein Großteil des
zunächst angesparten Vermögen wird mittelfristig wieder
konsumiert.

Wichtige Weichenstellungen mit Einfluss auf das Sparver-


halten ergeben sich durch Heirat, Familiengründung und den

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Erwerb von Wohneigentum. Diese Ereignisse gehen in
Deutschland oft Hand in Hand. Viele Haushalte brechen
dann in eine neue Spardimension auf: Im dritten Lebens-
jahrzehnt vervierfacht sich nahezu der Anteil Haushalte mit
selbst genutztem Wohneigentum und steigt nahezu auf
50% (vgl. Abbildung 6). Immobilienvermögen wird zur do-
minanten Vermögensanlage. Die Kehrseite dieser Entwick-
lung besteht in der – selbst auferlegten – Verpflichtung,
regelmäßige Zahlungen zur Bedienung der Kreditraten zu
leisten.

Entwarnung signalisieren die Budgets der privaten Haus-


halte erst im fünften Lebensjahrzehnt. Dann sind die Bau-

28
schulden ein ganzes Stück abgetragen und fließen die Er-
sparnisse wieder verstärkt in Geldanlagen. Familien werden
zusätzlich entlastet, weil die Kinder finanziell selbständig
werden und beide Lebenspartner einer Vollzeit-Erwerbstä-
tigkeit nachgehen können.

Wohneigentum als Vermögensturbo

Die Sparprozesse für Wohneigentum in Form der Tilgungs-


zahlungen für Baukredite hinterlassen tiefe Spuren in der
Vermögensbildung der Haushalte (vgl. Abbildung 7). Zu-
nächst einmal ist die „normale“ Sparquote in Geldvermögen
bei Wohneigentümern ähnlich hoch wie bei Mietern. Hinzu
kommt das Tilgungssparen. Anders gewendet: Das ge-
samte Tilgungssparen der Selbstnutzer repräsentiert zu-
sätzliches Sparen. Der Vorteil des Tilgungssparens: Der
Vermögensaufbau wird nicht durch den Kauf langlebiger
Konsumgüter, die Buchung von Urlaubsreisen und andere
„Luxusausgaben“ gestört. Die Bereitschaft, vorhandenes
Vermögen zu konsumieren, ist bei den allermeisten Haus-
halten groß. Ein Zwangssparcharakter in Form von Bauspar-
verträgen, Lebensversicherungen oder eben Schuldentil-
gung kann dagegen Anreize geben, diese „Ungeduld“ und
„Unvernunft“ zu bremsen. In diesem Sinne begünstigt der
Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum eine hohe Be-
reitschaft zum Konsumverzicht.

29
Die gute Nachricht lautet also: Wohneigentümer sind finan-
ziell besser abgesichert als Mieterhaushalte, weil sie über
fast doppelt so hohe Geldvermögen verfügen wie gleich-
altrige Mieter derselben Einkommensklasse (vgl. Abbildung
8). Allerdings erreichen typische Geldvermögen allenfalls
ein Niveau von einem halben oder einem Jahresnettoein-
kommen und sind deswegen angesichts der Lücken in der
Altersvorsorge nur Peanuts. Außerdem haben Wohneigen-
tümer auch zusätzliche Ausgaben in Form von Instandhal-
tungskosten zu bewältigen. Aber Wohneigentümer haben
neben ihren Sparkonten auch eine Immobilie. Und diese hat
im Durchschnitt einen Gegenwert von 5-6 Jahresnettoein-
kommen. Zum Eintritt in den Ruhestand können die Selbst-
nutzer des Jahres 2003 dann auf ein Gesamtvermögen in
Höhe von rund acht Jahresnettoeinkommen verweisen (96

30
Monatseinkommen; vgl. Abbildung 8). Für alle Mieterhaus-
halte zwingt sich deswegen die Frage auf: Wie schaffen es
die Selbstnutzer, bei gleichem Einkommen ein rund zehnmal
höheres Vermögen anzuhäufen?

Wieso können Wohneigentümer mehr sparen als andere?

Was mit Einführung des Elterngeldes erreicht werden sollte,


ist bei den allermeisten Wohneigentümern schon heute Re-
alität: Junge Väter und Mütter mit Wohneigentum haben
eine höhere Erwerbsneigung als vergleichbare Mieterhaus-
halte. Das zeigen empirische Untersuchungen.

31
Frisch gebackene Wohneigentümer können die hohen an-
fänglichen Zins- und Tilgungsleistungen leichter tragen,
wenn der Ehe- oder Lebenspartner ebenfalls eine Erwerbs-
tätigkeit aufnimmt. Insofern stehen hinter den überdurch-
schnittlichen Haushaltseinkommen auch andere Lebenspla-
nungen als bei Mieterhaushalten. Tatsächlich finanzieren
Haushalte mit selbstgenutztem Wohneigentum ihren Kon-
sum aber auch seltener als Mieterhaushalte mithilfe eines
Ratenkredites. Selbst wenn die Wohnungseigentümer einen
Konsumentenkredit aufnehmen, dann weisen diese – ge-
messen am Einkommen – vergleichsweise geringe Volumina
auf. Darüber hinaus wird insbesondere in den Jahren unmit-
telbar nach dem Erwerb von selbstgenutztem Wohneigen-
tum weniger für Luxusgüter (Uhren, Schmuck etc.) sowie
für Restaurantbesuche und Urlaubsreisen ausgegeben (vgl.
Abbildung 10). Hier wird die bisweilen fast schon irrationale
Sparfreude von Wohneigentümern sichtbar.

32
Entlastung im Zeitablauf
Die Vermögensunterschiede zwischen Mietern und Eigentü-
mern erklären sich aber auch durch niedrigere Wohnkosten
der Selbstnutzer. Nach den Jahren mit hohen Zins- und Til-
gungsbelastungen steht ihnen ein höheres verfügbares Ein-
kommen nach Wohnkosten zur Verfügung. Bereits zehn
Jahre nach Erwerb, also typischerweise im Alter von Mitte
bis Ende 40 Jahren, liegt die mittlere Kreditbelastung unter
20%, bis zum Vorabend des Ruhestandes unter 10% und
damit weit unter vergleichbaren Mietbelastungen (vgl. Abbil-
dung 11). Selbst unter Berücksichtigung der laufenden Ko-
sten für Instandhaltung oder Grundsteuer liegt der Einkom-
mensanteil für Wohnen im Alter von 60 Jahren mit etwa
10% weit unterhalb der Einkommensbelastung gleichaltriger
Mieterhaushalte.

33
Sobald die Wohnkosten hinter den sonst üblichen Mietko-
sten zurückbleiben, steht dem Wohneigentümer bei iden-
tischem Nettoeinkommen nach Abzug der Wohnkosten ein
größeres Resteinkommen zur Verfügung. Wohneigentümer
müssen demnach nur eine geringere Geldrente ansparen,
um sich im Ruhestand denselben Lebensstandard wie ver-
gleichbare Mieter leisten zu können.

Macht Wohneigentum sparsam oder kaufen nur die Sparsamen?


Zuweilen wird eingewendet, die Gruppe der Wohneigentü-
mer entstehe durch Selbstselektion der „Sparfreudigeren“.
Dem steht entgegen, dass durch günstigere Preise für
Wohneigentum in verschiedenen Phasen der wirtschaft-

34
lichen Entwicklung jeweils mehr Haushalte Wohneigentum
erworben haben und dann die typischen Verhaltensweisen
der Eigentümer entwickelt haben (z.B. in der Nachwende-
zeit Ostdeutschlands). Wäre Wohneigentum teuer und un-
erreichbar geblieben, dann hätten die zusätzlichen Eigentü-
mer auch die besondere Vermögensorientierung nicht
praktiziert. Offensichtlich gibt es diese rationalen, schon
sehr früh feststehenden Präferenzstrukturen nicht. Die
Präferenzen der Wohneigentümer zu Gunsten einer hohen
Vermögensbildung und hohen Erwerbsbeteiligung entste-
hen durch ein learning by doing. Man erwirbt Wohneigentum,
weil es besonders attraktiv ist und verschiedene Zwecke
erfüllt. Ist man dann Eigentümer geworden, muss man sich
an die sperrige Unteilbarkeit des Wohneigentums anpas-
sen. Es entsteht ein gewisser Zwang zur Mehrarbeit, zum
höheren Sparen und zur Einschränkung bestimmter For-
men des Konsums. Zumindest von den niedrigeren Wohn-
kosten im Alter profitieren dann aber alle Eigentümer –
auch die sonst weniger Sparsamen.

Die Wohneigentumsquote steigt am „falschen Ende“

Die Wohneigentumsquote im früheren Bundesgebiet ist seit


der Nachkriegszeit kontinuierlich gestiegen: von rund 25%
im Jahr 1950 im früheren Bundesgebiet auf fast jeden zwei-
ten Haushalt (vgl. Abbildung 12). Was im Westen ein Viertel
Jahrhundert gedauert hat, wurde im Osten innerhalb eines
Jahrzehnts vollbracht: Die Wohneigentumsquote stieg in
den neuen Ländern von rund 27% im Jahr 1993 auf 37% im

35
Jahr 2003. Hier entstand in Abweichung zum westdeut-
schen Markt vor allem durch die hohe Bereitschaft der Kom-
munen, preiswertes Bauland zu schaffen, ein sehr ela-
stisches Angebot. In der Folge können sich auch
vergleichsweise junge und einkommensschwache Haus-
halte den Erwerb von Wohneigentum leisten. Es zeigt sich:
„hohe Bodenpreise sind Ausdruck von Knappheit, also Aus-
druck der Armut, nicht des Reichtums“ (vgl. Engels, Sablot-
ny, Zickler, 1974: 29).

Die steigende Wohneigentumsquote in Westdeutschland ist


jedoch ein „Echo aus der Vergangenheit“. Die westdeut-
sche Wohneigentumsquote ist in den vergangenen zwei
Jahrzehnten nur deswegen gestiegen, weil ganze Generati-

36
onen von älteren Mieterhaushalten jetzt sterben und an de-
ren Stelle jüngere Rentner aus der Wirtschaftswunderge-
neration mit hoher Quote der Eigentümerhaushalte
„nachwachsen“, die in den eigentumsfreundlichen 60er
und 70er Jahren zu vergleichsweise günstigen Preis-Ein-
kommens-Relationen Wohneigentum erworben hatten
(vgl. Abbildung 13). Für die jüngeren Haushalte der 80er
und 90er Jahre dagegen waren die ökonomischen Rah-
menbedingungen weniger eigentumsfreundlich. Zwar be-
wegen sich die Zinsen seit Ende der 90er Jahre auf einem
historisch niedrigen Niveau, dafür stiegen die Grundstück-
spreise und Baukosten z.T. weit schneller als die Löhne
und Gehälter.

37
Preis- und Kostensteigerungen erklären jedoch nicht das
gesamte Ausmaß der Verschiebungen. Hinzu kommen Ver-
änderungen in den Haushaltsstrukturen. Junge Haushalte
wohnen immer öfter alleine, Paare bleiben öfter als früher
kinderlos. Weil aber Familien mit Kindern eher als kinder-
lose Paare und diese wiederum eher als Singles im Woh-
neigentum leben, ist die Quote der Wohneigentümer bei
den jungen Haushalten nicht mehr angestiegen. Dies gilt,
obwohl jeder dieser „Typen“ für sich betrachtet häufiger
als früher Wohneigentümer wird (vgl. Abbildung 14). Nach
dem statistischen Bild haben Kinderlose eine geringe Affi-
nität zum Wohneigentum.

38
Dennoch sind solche Verhaltenweisen nicht konstant. Ein
stärker differenziertes Angebot kann neue Nachfrager-
schichten erreichen. So ist es in Großbritannien üblich,
dass auch junge Singles frühzeitig eine kleine Wohnung
kaufen, die beim Einzug eines Lebenspartners oder zur
Geburt des ersten Kindes gegen eine größere einge-
tauscht wird. Später, nach dem Auszug der Kinder oder im
Ruhestand, wechselt man auch wieder in eine kleine Seni-
orenwohnung. Dieses Lebenszykluswohnen führt zu hö-
heren Wohneigentumsquoten. Es wird in Deutschland ge-
rade auch als Folge des starren und teuren Angebots
weniger praktiziert. Als Voraussetzung für die Erschlie-
ßung des Alterssicherungspotentials von Wohneigentum
müsste Wohneigentum auch in Deutschland für mobile
und kinderlose junge Leute interessanter werden.

Wohneigentum wird erst spät erworben

Die schnelle Anpassung in Ostdeutschland darf nicht da-


rüber hinwegtäuschen, dass Deutschland nach wie vor
nur niedrige Eigentumsquoten erreicht: Von zehn Haushal-
ten wohnen in Spanien und Irland acht, in Großbritannien
und USA sieben, in Frankreich und Österreich fast sechs,
in Niederlande und Dänemark etwa fünf, aber in Deutsch-
land nur rund vier Haushalte in den eigenen vier Wänden.
Das hat auch Folgen für die Altersvorsorge: Bis zum Ein-
tritt in den Ruhestand lebt nur die Hälfte aller deutschen
Haushalte, aber rund zwei Drittel aller Franzosen und
Schweden sowie rund drei Viertel aller Dänen oder US-

39
Amerikaner in eigenem Wohnraum. Steigende Mieten
sind für große Mehrheiten im Alter in diesen Ländern kein
Thema. In der Umkehrung dieser Aussage wird der rela-
tive Lebensstandard der Mieter im Alter deutlich niedriger
sein, als der Einkommensabstand signalisiert. Armut der
Mieter im Alter wird angesichts der absinkenden Renten-
niveaus wahrscheinlich zum wachsenden Problem in vie-
len Ländern und vor allem auch zum Problem in den ty-
pischen Mieterstädten.

Die Unterschiede in den Wohneigentumsquoten korrelie-


ren stark mit dem Ersterwerbsalter für Immobilien. Bis die
Hälfte aller Haushalte eines Geburtsjahrgangs Wohnei-
gentümer wird, sind die Deutschen 45 Jahre alt (früheres
Bundesgebiet: 42 Jahre). Die Franzosen erreichen diese
Marke bereits mit 39 Jahren, die US-Amerikaner mit 31
Jahren und die Briten bereits mit 24 Jahren (vgl. Abbil-
dung 15). Allerdings steigt das Einstiegsalter dort gerade
wieder. Der Zusammenhang dieser Altersgrenzen mit der
Wohneigentumsquote insgesamt macht deutlich, dass ein
wichtiger Schlüssel zur Erhöhung der Wohneigentums-
quote – und damit der Schlüssel für eine verbesserte Al-
tersvorsorge – in einer Absenkung des Ersterwerbsalters
liegt. Wer einmal Wohneigentümer geworden ist, wird in
aller Regel nie wieder zur Miete wohnen.

40
Auch innerhalb der Bundesrepublik sind hohe Unterschiede
im Ersterwerbsalter festzustellen. So erreichen mit Sach-
sen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen nur in drei neuen
Ländern überhaupt ein Geburtsjahrgang die 50%-Marke
der Wohneigentümer (vgl. Abbildung 16). Mit Mitte 40 Jah-
ren sind die Haushaltsvorstände dann allerdings recht alt
und die Kinder schon bald aus dem Haus. Mit Ausnahme
von Berlin wird die 50%-Marke in allen alten Bundesländern
erreicht, wobei die Hamburger dafür 62 Jahre alt werden,
während im Saarland bereits jeder zweite 32-jährige Haus-
haltsvorstand im Eigentum wohnt.

41
3. Zur Zukunft des Wohneigentums

Angesichts der vielfältigen z.T. historisch zufälligen Einflüsse


auf die Eigentumsquote und den oft erst nach Jahrzehnten
deutlichen Wirkungen von Maßnahmen lässt sich keine ge-
schlossene Theorie und darauf aufbauenden Prognosen der
Wohneigentumsbildung entwickeln. Es zeigen sich verschie-
dene partielle, z.T. sehr eindeutige Wirkungsketten, die eini-
ge Folgerungen für die Politik ermöglichen.

Wohneigentümer müssen sich häuten, Wohneigentum muss atmen


Eine Steigerung der Wohneigentumsquote bei den jüngeren
Haushalten würde verschiedene Veränderungen erforder-

42
lich machen. Am Wohnungsmarkt wäre ein größeres Ange-
bot an kleinen, preiswerten Objekten dringlich. Ähnlich wie
bei der Altersvorsorge sind neue Verhaltensweisen und ein
anderes Selbstverständnis erforderlich. Insbesondere das
Konzept des Wohneigentums als lebenslange „Trutzburg“
müsste aufgegeben werden. Die Vorteile der Immobilie in
einer „Investitionskette“ mehrmaliger Transaktionen
müssten konzeptionell und real auf den Märkten dominie-
ren. Vor allem die Planungspolitik der Kommunen kann eine
solche Differenzierung der Märkte hin zum „Lebenszyklus-
wohnen“ fördern. Subventionen sind dafür nicht erforder-
lich, sondern sogar ungeeignet.

Wohneigentumsquote unberührt von Eigentumsförderung


Es ist nach den Erfahrungen nicht zu erwarten, dass z.B.
sehr hohe Programmförderungen zu Gunsten von Familien
ungünstige Angebotsbedingungen kompensieren könnten.
Die typischen Risiken jeder Förderung (Mitnehmereffekte,
Lotterieeffekte) bleiben bestehen. Vielmehr sind die Ange-
botsbedingungen entscheidend für einen Anstieg der Eigen-
tumsquote. Bessere Angebotsbedingungen bedeutet ein
ausreichendes Baulandangebot und damit niedrigere Preise
sowie ein in den Bauformen und Standorten nachfragege-
rechtes Wohnungsangebot. Unter solchen Bedingungen
kann dann auch eine spezielle Förderung von Familien deren
Marktposition und reale Kaufkraft verbessern, weil die er-
höhte Nachfrage dann nicht in Preiseffekten verpufft.

43
Eine restriktive Baulandpolitik nützt vor allem den älteren Im-
mobilienbesitzern, die künstliche Knappheit steigert deren
Immobilienwerte. Eine restriktive Baulandpolitik geht zulas-
ten der jungen Familien, sie können die hohen Preise nicht
finanzieren. Wenn aber bei den jungen Haushalten nichts
passiert, dann wird die Wohneigentumsquote im früheren
Bundesgebiet nicht mehr weiter steigen. Die beschriebenen
Kohorteneffekte bei den Älteren sind weitgehend „durch“,
ein nennenswerter Anstieg der Eigentumsquoten allein
durch Alterung – der Motor der letzten Jahrzehnte – ist nicht
mehr zu erwarten.

Zurück in die Stadt?


Die Struktur der Bauformen wird das Niveau der Wohnei-
gentumsquote weiterhin stark beeinflussen. Allerdings kann
im Zuge der Alterung die Bereitschaft steigen, Wohneigen-
tum in Geschoßwohnungen zu bilden. Die gegenwärtige Er-
wartung einer steigenden Bereitschaft zum innerstädtischen
Wohnen übersieht, dass ein großer Teil dieser Bestände aus
den 60er und 70er Jahren mit ausgesprochen unattraktiver
Architektur stammt. Urbanes Wohnen richtet sich jedoch
auf bestimmte Qualitäten, die im Wohnungsbau der 60er
und 70er Jahre kaum geboten werden. Steigende Qualitäts-
ansprüche in den Städten können deshalb künftig häufig nur
durch Abriss und Neubau, durch Schließung von Baulücken
oder größere Recyclingprojekte erfüllt werden. Hier beste-
hen erhebliche politische Handlungsmöglichkeiten. Es ist of-
fen, wie intensiv und zu welchen Preisen diese ausgeschöpft
werden. Hilfreich wäre eine Reform der Grundsteuer, bei

44
der der Boden stärker belastet wird als heute. Dadurch wür-
den Brachflächen und untergenutzte Grundstücke schneller
mobilisiert und „Spekulation“ eingedämmt. Die politischen
Widerstände sind aber groß.

Wertverfall durch Alterung?


Für die Bundesrepublik und andere Länder mit niedrigen
Geburtenraten stellt sich langfristig die Frage, ob die Zahl
der Regionen zunehmen wird, in denen die Eigentümer kei-
ne stabile Wertentwicklung mehr erwarten (können) und die
Neigung zur Wohneigentumsbildung abnimmt. Die bishe-
rigen Erfahrungen zeigen, dass solche Wertminderungsregi-
onen sich auf sehr kleine Bereiche mit geringer Bevölke-
rungsdichte und mit Abwanderung beschränken. Die
Nachfrager werden die jeweiligen langfristigen Marktbedin-
gungen in ihren Regionen durchaus rational erkennen und
sich dementsprechend verhalten und ihre Nachfrage redu-
zieren. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Ei-
gentumsquoten fallen. Sinkt die Nachfrage in Schrump-
fungsregionen, dann werden die Preise der Objekte noch
rascher fallen. Die Eigentumsquoten könnten bei sinkenden
Preisen sogar zunehmen.

Planungsentscheidungen der Kommunen behalten ihre Bedeutung


Die Wohneigentumsmärkte waren in der Vergangenheit
stark zyklisch. Auch in Zukunft wird die Nachfrage nach
Wohneigentum zyklisch schwanken. Die Nachfragezyklen
wurden durch die schwerfälligen und langwierigen staatli-
chen Prozesse zur Bereitstellung von Bauland und die ent-

45
sprechenden Verzögerungen der Angebotsentwicklung zum
Teil extrem verschärft. In der Diskussion verweisen die
Kommunen darauf, dass die privaten Baulandanbieter zu
dieser Verschärfung beitragen, weil Bodeneigentümer in
der Phase rasch steigender Bodenwerte ihre Flächen vom
Markt zurückhalten und zusätzliche Verknappungseffekte
erzeugen. Zwischen planerischen Entscheidungen und Aus-
weitung des effektiven Angebots schiebt sich die Verkaufs-
bereitschaft des Eigentümers. Dieser wichtige Hinweis
übersieht allerdings, dass vorausschauende Kommunen im-
mer einen ausreichenden Vorrat an Bauland geschaffen hät-
ten, um einen Anbieterwettbewerb zu garantieren. Knappe
Baurechte sind die Grundlage spekulativer Zurückhaltung
des Angebots vom Markt.

Eigenkapital verbessert: Integration des Wohneigentums in die Altersvorsorge


Mit Beginn des Jahres 2009 gibt es den Wohnriester: Wer
selbst genutztes Wohneigentum erwirbt, kann sein bis dahin
im Geld-Riestervertrag Angespartes als Eigenkapital in die
Immobilie stecken. Darüber hinaus können die bisherigen
Monatsbeiträge für den Riestervertrag nach dem Kauf di-
rekt in die Tilgung der Baukredite umgeleitet werden. Ge-
nauso wie bei Geld-Riesterverträgen ist das in der Immobi-
lie gebundene, mit Riesterzulage geförderte Kapital im Alter
zu versteuern.

Wohnriester ist jedoch keine eierlegende Wollmilchsau. Der


Hauptzweck von Wohn-Riester besteht darin, das private
Altersvorsorgesparen attraktiver zu gestalten, um so die

46
freiwillige Beteiligung zu erhöhen. Denn nach wie vor küm-
mern sich zu wenige Erwerbstätige ausreichend um ihre Al-
tersvorsorge. Die Attraktivität wurde nun durch mehr Anla-
gevielfalt erhöht. Als Nebenzweck kann es zu einer
Entlastung von Familien und einer Erhöhung der Wohneigen-
tumsquote kommen. Vorsichtige Schätzungen zeigen je-
doch, dass die Quote durch Wohn-Riester mittelfristig nicht
mehr als einen Prozentpunkt höher liegen wird. Angesichts
seit Jahren stagnierender Wohneigentumsquoten junger
Haushalte wäre das allerdings ein Niveausprung. Der An-
stieg resultiert im übrigen nicht aus der vergleichsweise ge-
ringen Riesterzulage, sondern aus Vorzieheffekten durch
die Vergrößerung des Eigenkapitals. So könnte Riester hel-
fen, dass die Deutschen nicht erst 45 Jahre alt werden müs-
sen, bis die Mehrheit einer Generation im Wohneigentum
lebt.

47
Literatur

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tiale in Deutschland, empirica-Studie im Auftrag der LBS-
Bundesgeschäftsstelle.

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Nach der Rentenillusion droht eine Erbschaftsillusion, In:
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48
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baus zum Jahresbeginn 2004, in: S-Immo-Brief, Nr. 10, Ok-
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bilden absolute Mehrheit, hrsg. von LBS Bundesgeschäfts-
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Wo schränken die Selbstnutzer ihren Konsum ein? hrsg. von
LBS Bundesgeschäftstelle, Berlin.

Braun, R., (2004e), Wohneigentum muss keine Familienkut-


sche sein, In: S-Immo-Brief, Nr. 5, Mai 2004.

Braun, R., (2004f), Die Lebensplanung effizienter und ratio-


naler organisieren, In: Sparkasse, Manager-Magazin für die
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49
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nar für Städtebau an der TH Berlin, Band IX, Heft 7, Wilhelm
Ernst Verlag, Berlin.

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vermögen – seine Verteilungs- und wohlstandspolitische
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– was Deutschland von anderen Ländern lernen kann, empi-
rica-Studie im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvor-
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Pfeiffer, U., (2005), Ergänzende alternative Instrumente zur


Verminderung der Flächeninanspruchnahme in Deutsch-
land, empirica-Studie.

50
Pfeiffer, U., Faller, B., Braun, R. und Möhlenkamp, R.,
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stigen demographischen Entwicklung, erschienen in der
BBR-Reihe „Forschungen“, Heft 117, Bonn.

Pfeiffer, U., Zeitzen, B., (1994), Mehr Wohnungen für weni-


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Simons, H., Braun, R., Pfeiffer, U., Schmidt, M. und Metz-


ger, H. (2005), Wirtschaft und Wohnen in Deutschlands Re-
gionen, empirica-Studie im Auftrag der Deutschen Kredit-
bank AG.

51
Ulrich van Suntum

Gesellschaftspolitische
Vorteile des Wohneigentums

1. F
 unktionen des Privateigentums
in einer Marktwirtschaft

Bei Walter Eucken, dem wichtigsten Vertreter des Ordolibe-


ralismus, ist das Pri­vateigentum eines von sieben konstituie-
renden Prinzipien der Marktwirtschaft.1 Lud­wig von Mises
schätzte seine Bedeutung als noch grundlegender ein als
die des Wettbewerbsprinzips, was freilich von anderen libe-
ralen Ökonomen wie etwa F. A. von Hayek in dieser Eindeu­
tigkeit nicht geteilt wurde. Weithin unumstritten ist in­dessen,
dass eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung ohne
Privateigentum – auch an den Produktionsmitteln – nicht
funktionieren könnte.

Schon Thomas von Aquin hat die Bedeutung des Privateigen-


tums erkannt. Er leitet das Eigentum aus dem Naturrecht ab.

1 Die anderen sechs sind Wettbewerb, Geldwertstabilität, offene Märkte,


Vertragsfreiheit, Haftung und Konstanz der Wirtschaftspolitik, vgl. Eucken
(1952).

52
So stehe der Mensch in der natürlichen Ordnung Gottes über
den Tieren und erst recht über den leblosen Dingen, woraus
sich eine entspre­chende Verfügungsgewalt ergebe. Ebenso
wie Aristoteles hat aber auch Thomas von Aquin sehr deutlich
auf die positiven Wirkungen hin­ge­wiesen, die mit dem Privat-
eigentum verbunden sind. Demnach verschafft erst das Pri-
vateigentum dem einzelnen Freiheit und Sicherheit und zwar
nicht nur vor den Risiken des Alters, der Krankheit und der
Arbeitslosigkeit, sondern auch vor der Fremdbestimmung
durch andere, insbesondere den Staat. Gerade alte Men-
schen, die ihren Lebensabend ohne ausrei­chende eigene
Mittel in einem Heim verbringen müssen und dort ganz von
der Gnade staatlicher Fürsorge abhängig sind, bekommen die
Folgen der Eigentumslosig­keit sehr praktisch zu spüren.

Insoweit ist Privateigentum geradezu eine Voraussetzung


der Men­schenwürde, worauf die katholische Soziallehre im-
mer wieder hinge­wiesen hat. Nur scheinbar kann beispiels-
weise auch ein lebenslanges Mietrecht dem Individuum ähn-
liche Si­cherheit und Rechte geben wie das Eigentum an
einer Wohnung. Denn wie wir oben gesehen haben, würde
das zwar die Übertragung wesentlicher Eigentumsrechte
be­deu­ten, doch ohne entsprechende Pflichten und Verant-
wortlichkeiten. Im Alltagsleben kann man an vielen Stellen
beobachten, dass dies nicht wirklich funk­tioniert. Geteilte
Verantwor­tung läuft meist darauf hinaus, dass in Wirk­lichkeit
niemand verantwortlich handelt, und Nutzungsrechte ohne
Interesse und Verantwortung für den Werterhalt der Sache
führen tendenziell zu Übernutzung und Verfall. Das ist bei

53
einem gemeinschaftlich genutzten Garten nicht anders als
in bei der Überfischung eines frei zugänglichen Meeres.

Deswegen ist ein vernünftig gestaltetes Privateigentum nicht


zuletzt auch eine friedenssichernde Institution. Wo die ver-
schiedenen Dimensionen des Eigentums in einer Person ver-
eint sind, können Konflikte etwa zwischen Nutzungs- und
Veräußerungsinteressen natur­gemäß nicht auftreten. Es blei-
ben na­türlich immer noch genügend Kon­fliktfelder übrig, wie
etwa das Nachbarschaftsrecht oder der Umweltschutz. Aber
viele andere gesellschaftliche Streitpunkte erledigen sich
durch die Schaffung von Privateigentum praktisch von selbst.
Der Privat­eigentümer einer Wohnung braucht zum Bei­spiel
nicht erst dazu angehalten zu werden, sich um den Werterhalt
zu kümmern – er tut dies schon allein aus eigenem Interesse.

Allerdings ist der Unterschied zwischen naturrechtlichen


Begründungen einerseits und nüchternen Zweckmäßigkeits-
kalkülen andererseits in der Praxis geringer, als es auf den
ersten Blick erscheinen mag. Auch moderne Naturrechts-
vertreter wie etwa James Buchanan argumentieren durch-
aus mit den gravierenden Vortei­len, wel­che diese Rechte für
die Gesellschaft insgesamt haben (Schüller 1988: 158).

Welches sind nun die positiven Wirkungen, welche man


dem Privat­eigentum grundsätzlich zu­erkennen kann? Im
Sinne der modernen Property-Rights-Theorie ist hier zu-
nächst zwischen drei Dimensionen zu unterscheiden, näm­
lich den Ertragsrechten, den Verfügungsrechten und den

54
Nutzungsrechten des Eigentums. Gerade am Beispiel der
Wohnimmobilien kann man sich diese Dimensionen gut klar-
machen (van Suntum 2008):

– Der Eigentümer einer unkündbaren Mietwohnung hat das


Ertrags­recht, aber kein Nutzungsrecht und auch nur ein
stark einge­schränktes Verfügungsrecht. Zum Bei­spiel
kann er die Wohnung nicht einfach umbauen lassen, ohne
den Mieter zu fra­gen.
– Der Pächter eines Grundstückes hat das Ertragsrecht und
das Nut­zungsrecht, aber kein Verfügungsrecht über das
Grundstück. Er darf es insbesondere nicht verkau­fen.
– Der Mieter eines Wohnhauses wiederum hat das Nut-
zungsrecht, aber nur einge­schränkte Verfügungs- und Er-
tragsrechte. Er kann es zum Beispiel nicht einfach zu ei-
ner Pension umwidmen.

Man sieht an diesen Beispielen, dass das Privateigentum


insbesondere an der vermieteten Wohnung sehr stark ein-
geschränkt sein kann und in Deutschland auch tatsächlich
ist. So hat das Bundesver­fassungsgericht in einem Aufse­
hen erregenden Urteil im Jahr 1993 dem Mieter einer Woh-
nung explizit Eigentumsrechte zuerkannt, womit sie gleich-
zeitig dem eigent­lichen Eigentümer entzogen wurden.2 Die

2 Siehe die Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsge-


richts vom 26. Mai 1993. Der seitdem mehrfach vom Bundesverfassungs-
gericht bestä­tig­te Satz lautet: „Das Besitzrecht des Mieters an der gemie-
teten Wohnung ist Eigentum im Sinne des Artikels 14, Absatz 1, Satz 1
Grundgesetz“.

55
vermietete Wohnung darf zum Beispiel nur unter sehr einge-
schränkten Voraussetzungen gekündigt werden, selbst
wenn der Eigentümer sie gerne selbst nutzen möchte.

Auch das Eigentum an einem Grundstück be­deutet noch


lange nicht, dass man darauf bauen oder machen kann, was
man will. Bebauungspläne, Umwelt- und Lärmschutzvor-
schriften, Abstandserlasse und unter Umständen der Denk-
malschutz sind zu beachten, wobei es durchaus vorkommen
kann, dass der Wert des Grundstücks durch entsprechende
Auflagen auf Null oder sogar auf einen negativen Wert sinkt.
So kann der formale Eigentümer eines Mietshauses in Wirk-
lichkeit gänzlich vermögenslos sein, wenn nämlich die einge-
nommenen Mieten seine Kosten nicht de­cken und eine an-
derweitige Verwendung der Im­mobilie nicht möglich ist, z. B.
aus Gründen des Denkmal- oder des Mieterschutzes. Eine
solche Immobilie hätte den Wert Null oder sogar einen ne-
gativen Wert, d.h. man würde sie nur veräußern kön­nen,
wenn man dem Käufer noch eine Ausgleichszahlung für den
künftigen Er­hal­tungsaufwand mitgibt. Wird die Instandhal-
tung jedoch mangels jeder Aussicht auf Kostendeckung un-
terlassen, drohen Mietkürzungen und gesellschaftspoli-
tische Sanktion.

Auf diese Weise sind beispielsweise in Tschechien die eigent-


lichen Eigentümer der Wohnungen schleichend enteignet
worden. Während sie selbst nur eine staatlich festgesetzte,
weit unter den Kosten liegende Miete erhalten, werden ihre
Wohnungen von den Mietern zum wahren Marktwert unter-

56
oder weitervermietet. Es versteht sich von selbst, dass unter
solchen Umständen private Investitionen in fremdvermieteten
Wohnraum auf das Notwendigste beschränkt werden. Die
langfristigen Folgen hinsichtlich Zahl und Qualität des Wohn-
raums sind dementsprechend negativ.

Es ist deshalb bei sozial- oder umweltpolitisch motivierten


Eingriffen in das Privateigentum stets abzuwägen, ob nicht
elementare Eigentumsfunktionen dabei verloren zu gehen
drohen. Dabei ist gerade bei einem langlebigen Gut wie der
Wohnung nicht nur auf die kurze Frist zu sehen. Der Neubau
von Wohnungen macht im Durchschnitt nur etwa 1% des
Wohnungsbestandes aus. Die Folgen unterlassener Investi-
tionen werden deshalb erst nach vielen Jahren wirklich
spürbar und sind dann auch nicht schnell zu korrigieren.

Eine weitere ökonomische Funktion des Privateigentums


besteht in den Sparan­reizen, die es bietet. Sieht man von
konjunkturellen Sonder­situationen einmal ab, dann ist das
Sparen ökonomisch prinzipiell positiv zu beurteilen. Ohne
Sparen gibt es keine Investitionen, und ohne Inves­titionen
ist es kaum möglich, den Lebensstan­dard der Bevölkerung
zu steigern. Mit den sich abzeichnenden demografi­schen
Problemen gewinnt das Sparen noch weiter an Bedeutung,
da künftig immer mehr Rentner durch immer weniger Er-
werbstätige finanziert werden müssen. Die im Umlagever­
fahren der Rentenversicherung erworbenen Altersversor-
gungsansprüche sind in einer solchen Situation für echte
Vermögensbildung kein Ersatz. Sie stellen zwar individuell

57
zurechenbare Ansprüche auf künftiges Sozialprodukt dar,
aber es steht ihnen keine realwirtschaftliche Substanz für
die spätere Einlösung des Rentenversprechens gegenüber.
Dagegen wird bei privater Altersvorsorge nicht nur schein­
bar, sondern tatsächlich ein realer Kapitalstock aufgebaut,
der später in gesamtwirtschaftlicher Sicht die Aufbringung
der Alterseinkünfte erleich­tert.

Das gleiche gilt für die Beamten­pensionen, für die nicht ein-
mal ein individueller Eigentumsanspruch besteht. Da Pensi-
onen nämlich nicht aus Beiträgen, son­dern unmittelbar aus
Steuermitteln finanziert werden, können sie prak­tisch belie-
big gekürzt oder auch – etwa durch Anrechnung anderer
Ein­künfte – fak­tisch ganz gestrichen werden. Private Vermö-
gen und Versicherungen, und insbesondere eben auch Im-
mobilien, sind weit weniger stark staatlicher Willkür ausge-
setzt, da sie von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG
geschützt werden.

Es besteht nicht nur aus individueller, sondern auch aus


gesamt­wirt­schaftlicher Sicht ein großes Interesse daran, die
Altersvorsorge wenigstens teilweise auf eine private Kapi-
talbasis zu stützen. Zwar könnte man im Prinzip auch inner-
halb der gesetzlichen Rentenversicherung entspre­chende
Kapitalrücklagen bilden. Diesen würde dann allerdings der
individuelle Eigen­tumsschutz fehlen. Vor allem aber zeigt die
Erfahrung, dass Kollektive letztlich wenig Sparanreize bie-
ten. Stattdessen verschulden sie sich im Zwei­fel sogar noch
um des heutigen Konsums willen. Die Rentenversicherung,

58
in der sogar die mini­male Kapitalbasis einer dreimonatigen
Schwankungs­reserve inzwischen aufgegeben wurde, ist
der beste Beleg dafür. Auch in den übrigen staatlichen Haus­
halten des Bundes, der Länder oder der Kommunen finden
sich kaum Beispiele für das Anlegen einer Kapitalreserve.
Sie sind im Gegenteil durch ständig steigende Verschul-
dungsquoten gekennzeichnet, vielfach bei gleich­zeitiger
Vernachlässigung auch nur der notwendigsten Ersatzin­
vestitionen etwa in die Verkehrswege oder die kommunale
Versor­gungsinfrastruktur. Dagegen sind private Immobilien
echte Kapital­rücklagen für die Zukunft der al­ternden Gesell-
schaft, die zudem in aller Regel im Zeitverlauf immer stärker
entschuldet werden.

2. V
 orteile des privaten Wohneigentums
im Einzelnen

Pflege und Erhalt der Wohnungssubstanz

Schon Aristoteles und Thomas von Aquin wussten, dass die


Menschen mit ihrem Privateigentum sorgsamer umgehen
und es besser pflegen als die Dinge, die sie zwar nutzen
dür­fen, welche ihnen aber nicht gehören. In der ökono-
mischen Literatur wird dieses Phänomen, bezogen auf das
Wohnen, als rental externality bezeichnet (Henderson und Io-
annides 1983). Damit ist gemeint, dass der Mieter weniger
Nutzen von der Pflege und Instandhaltung der von ihm be-
wohnten Wohnung hat als der Eigentümer. Das erscheint
auch nur na­türlich – warum soll man viel in eine Wohnung

59
investieren, aus der man viel­leicht schon bald wieder auszie-
hen will oder muss?

Der marode Zu­stand, in dem sich der Wohnraum in der End-


zeit der DDR befan­d, war ein besonders drastischer Beleg
für diese These. Da die Wohnungen dort praktisch nieman-
dem gehörten, wurde in sie auch kaum investiert. Das Phä-
nomen der rental externality lässt sich aber auch für andere
Länder nachweisen. So haben Galster (1983) und Shilling
u.a. (1991) für die USA zeigen können, dass die Qualität ver-
mieteter Immobilien unter sonst gleichen Umständen signifi-
kant schlechter ist als die entsprechender Eigenheime. Dies
gilt insbesondere dann, wenn die Mieten gesetzlich nach
oben begrenzt sind, weil die Eigentümer dann die Kosten
von Modernisierungsmaßnahmen schlecht amortisieren
können. Takakura (2008) hat diese Ergebnisse anhand von
Daten des sozio-ökonomischen Panels auch für Deutsch-
land bestätigen können. Dies gilt trotz des in Deutschland
stark ausgebauten Kündigungsschutzes, der dem Mieter ein
zeitlich fast unbegrenztes Wohnrecht einräumt und ihm da-
mit eigentlich Anreize geben sollte, in die von ihm bewohnte
Wohnung zu investieren (Takakura 2008: 18).

Vermeidung von Streit und Nutzungskonflikten

Man kann natürlich versuchen, das Problem durch Hausord­


nungen, Renovierungspflichten für Mieter und ähnliche Vor-
schriften abzumildern. Aber das sind konfliktträch­tige und
stark überwachungsbedürftige Hilfs­kon­struktionen, die des-

60
wegen oft zu per­manenten gesellschaftlichen Konflikten
führen. In der Ökonomie ist dies als das Prinzipal-Agenten-
Problem bekannt: Der Prinzipal (hier der Wohnungseigentü-
mer) kann nur unvollkommen festlegen und kontrollieren,
welche Renovierungsleistungen der Agent (hier der Mieter)
erbringt. Das komplizierte deut­sche Mietrecht und die hohe
Zahl der deswegen geführten Prozesse (im Jahr 2007 wa-
ren es rund 275.000) veranschaulichen diese Problematik
sehr deutlich.

Selbstgenutztes Wohneigentum trägt daher nicht unerheb-


lich zur Vermeidung gesellschaftspolitischer Konflikte bei.
So werden die Kosten von Renovierungen, Lärmschutz und
energiesparenden Maßnahmen hier automatisch von demje-
nigen getragen, der davon auch profitiert. Das kommt nicht
nur der Effizienz entsprechender Investitionsentscheidungen
zugute, es macht auch bürokratische und konfliktträchtige
gesetzliche und vertragliche Regelungen dazu weitgehend
entbehrlich. Gäbe es in Deutschland wie in anderen Län-
dern überwiegend selbst genutztes Wohneigentum, so
wäre eine Vereinfachung und Entschlackung des überaus
komplizierten Mietrechts politisch vermutlich leichter durch-
setzbar.

Soziale Stabilität von Stadtvierteln und bürgerschaft-


liches Engagement

Oft er­streckt sich das Engagement des Wohneigentümers


auch auf die unmittelbare Nachbarschaft und die Kommune

61
– wer will schon Eigentum in einer unattraktiven oder gar
herunter­ge­kom­menen Gegend haben? Wohnungsgesell-
schaften, die einen Teil ih­rer Wohnungen an die Mieter ver-
kaufen, machen darum oft die Erfah­rung, dass dadurch das
ganze Wohngebiet an Attraktivität gewinnt. Dies ist auch
durch eine Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für
Bauwesen und Raumordnung (BBR) anhand von 21 Fallbei-
spielen in 14 westdeutschen Großstädten bestätigt worden
(Vogt u.a. 2003). Demnach führt der Verkauf von Bestands-
wohnungen an Selbstnutzer in sozial benachteiligten Stadt-
teilen in der Regel zu einer engeren Bindung der Bewohner
an „ihr“ Wohnviertel und erhöht sowohl die soziale Stabilität
der Viertel als auch die Zufriedenheit der dort lebenden
Menschen. Durch eine stärkere soziale Kontrolle verändere
sich zudem das Verhalten der Bewohner zum Gemein-
schaftseigentum positiv. In den untersuchten Fällen waren
Wohnungen sowohl an ihre bisherigen Mieter als auch an
neu Hinzugezogene verkauft worden, insbesondere auch an
nichtdeutsche Käufer und an junge Familien. Letzteres trug
zu einer stärkeren Durchmischung der Wohngebiete bei, die
sich ebenfalls positiv auf die Attraktivität und die soziale
Stabilität auswirkte.

Diese Ergebnisse decken sich mit internationalen Erfah-


rungen. Demnach trägt Wohneigentum zur Stabilität der Fa-
milien, zum Schutz der Umwelt, zum Wohl und zum Bil-
dungserfolg der Kinder und zur Reduktion von Kriminalität in
den betreffenden Gegenden bei (vgl. Dietz 2003 zu einem
umfassenden Literaturüberblick). Der positive Einfluss auf

62
Kinder und Jugendliche erklärt sich u.a. durch das stärkere
Interesse der Wohneigentümer an ihrer sozialen Umgebung
und der daraus entstehenden stärkeren sozialen Kontrolle
(Green and White 1997; Haurin u.a. 2002). Was die schu-
lischen Leistungen betrifft, beschränkt sich der positive Ein-
fluss des Wohneigentums allerdings auf die Kinder der Ei-
gentümer und strahlt offenbar nicht auf die Nachbarn aus,
so dass sich hieraus zumindest kein positiver externer Ef-
fekt ergibt (Voigtländer 2006: 32). Nach Dietz (2003: 13)
ist für die Erklärung regional unterschiedlicher Kriminalitäts-
raten die Wohneigentumsquote die zweitwichtigste Größe
neben dem Einkommen, wobei allerdings Ursache und Wir-
kung nicht immer genau getrennt werden können.

Es lässt sich anhand der Daten des sozio-ökonomischen Pa-


nels für Deutschland auch zeigen, dass selbstnutzende Woh-
nungseigentümer signifikant stärker in Bürgerinitiativen und
Parteien aktiv sind als Menschen, die zur Miete wohnen (van
Suntum/Uhde 2009). Dabei dürften vor allem kommunalpoli-
tische Aktivitäten im Vordergrund stehen, da insgesamt nur
sehr wenige Menschen in der Landes- oder Bundespolitik en-
gagiert sind. Auch dieser Befund deckt sich mit internationa-
len Erfahrungen (Dietz 2003; DiPasquale und Glaeser 1999).
Demnach pflegen Eigentümer nicht nur mit höherer Wahr-
scheinlichkeit den Garten, sondern nehmen auch stärker an
Kommunalwahlen teil und kümmern sich stärker um lokale
Probleme als Mieterhaushalte. Für Deutschland sind die ent-
sprechenden Unterschiede zwar geringer als in den USA,
aber gleichwohl signifikant (Voigtländer 2006: 32).

63
Geeignete Form der Altersvorsorge

Für das Wohnen in den eigenen vier Wänden wird oft das Ar-
gument vorgetragen, hier lasse sich Konsum und Altersvor-
sorge in idealer Weise miteinander verbinden („Die einzige
Altersvorsorge, in der Sie heute schon wohnen können“). Tat-
sächlich ermöglicht der kreditfinanzierte Kauf oder Bau eines
Eigenheims eine Optimierung des Lebenskonsums im Sinne
der Lebenszyklushypothese (Abb. 1). Diese geht davon aus,
dass das Haushaltseinkommen in den mittleren Lebensjahren
am höchsten ist, während es in der Frühphase der Erwerbstä-
tigkeit und in der Rentenphase jeweils geringer ausfällt. Der
Euro ist also in der mittleren Lebensphase gewissermaßen
weniger knapp als in den beiden Phasen davor und danach.
Unter diesen Umständen ist es in der Tat sinnvoll, sich in der
ersten Lebensphase zu verschulden, in der mittleren Lebens-
phase die Schulden zu tilgen und gleichzeitig für das Alter zu
sparen, um in der letzten Lebensphase schließlich neben der
Rente noch ein Zusatzeinkommen zu haben bzw. sein Vermö-
gen ganz oder teilweise in Konsum umzuwandeln.

64
Eben eine solche Konsumglättung über den Lebenszyklus
erfolgt beim kreditfinanzierten Eigenheimerwerb. Sie ist ins-
besondere für Familien mit Kindern sinnvoll, da die Zeit der
Familiengründung meist gleichzeitig durch geringes Einkom-
men und hohe Wohnbedürfnisse gekennzeichnet ist. Sind
die Kinder später aus dem Haus, können die Schulden ge-
tilgt und der Wohnkonsum wieder reduziert werden. Typi-
scherweise ist in der Praxis nach etwa nach 25 Jahren die
Belastung von Wohneigentümern mit Wohnkosten geringer
als diejenige vergleichbarer Mieter (Krings-Heckemeier u.a.
1997: 36).

Es lässt sich zwar zeigen, dass eine entsprechende Konsu-


moptimierung theoretisch auch dem Mieter in gleicher Wei-
se möglich wäre (van Suntum 2009). Dies gilt allerdings nur
unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes
und in einer Welt ohne Steuern. In der Praxis scheitert eine
entsprechende Schuldenaufnahme des Mieters in jungen
Jahren dagegen schon an den geringeren Sicherheiten, die
er der Bank im Vergleich zum Hauseigentümer in der Regel
bieten kann. Außerdem hat der selbstnutzende Eigentümer
einen weiteren Vorteil gegenüber dem Mieter, denn er muss
die impliziten Erträge seiner Wohnung (die ersparte Miete)
nicht versteuern. Jedenfalls gilt dies bei Anwendung der so-
genannten Konsumgutlösung, welche in Deutschland seit
1987 gilt und die auch in den meisten anderen Ländern in
mehr oder weniger reiner Form zur Anwendung kommt. Da-
gegen muss der Mieter alle Erträge aus (finanziellen) Ver-
mögensanlagen versteuern, was ihn bei der Altersvorsorge

65
prinzipiell benachteiligt. Selbst eine Rückkehr zu der früher
in Deutschland geltenden Investitionsgutlösung würde die-
sen Nachteil nicht vollständig beseitigen. Denn dann könnte
der selbstnutzende Eigentümer die Schuldzinsen auf sein
Haus steuerlich absetzen, während der Mieter die Zinsen für
einen entsprechenden Konsumkredit aus voll versteuertem
Einkommen bezahlen müsste (van Suntum 2009).

Erhöhung der Lebenszufriedenheit

Abseits aller rein ökonomischen Gesichtspunkte im engeren


Sinne scheint das Wohnen im eigenen Heim ein tief verwur-
zeltes Bedürfnis der Menschen zu sein, welches durch das
Wohnen zur Miete nicht in gleicher Weise befriedigt werden
kann. Vier von fünf Bundesbürgern wollen statt zur Miete
lieber in den eigenen vier Wänden wohnen (Jokl 1997: 5).
Das ist durchaus ein auch gesamtwirtschaftlich gewichtiges
Argument, wenn man Ökonomie als die Wissenschaft da-
von versteht, die Menschen mit begrenzten Mitteln mög-
lichst zufrieden zu machen. Bloße Rentabilitätsberech-
nungen in Euro und Cent greifen jedenfalls zu kurz, wenn
man ökonomisch sinnvolle Entscheidungen treffen will. Wo-
rauf es wirklich ankommt, sind die Wünsche der Menschen,
denen natürlich die entsprechenden Kosten gegenüberzu-
stellen sind.

Die noch relativ junge ökonomische Glücksforschung hat


gezeigt, dass das Wohneigentum – bei sonst gleichen Um-
ständen – signifikant die Lebenszufriedenheit der Betrof-

66
fenen erhöht (Kittiprapas u.a. 2007: 12). Dieser Zusammen-
hang gilt sowohl für Schwellenländer wie Thailand (Gray and
Kramanon 2007) als auch für Industrieländer wie Großbri-
tannien und Japan (Powdthavee 2007; Kusago 2007). Auch
für Deutschland lässt sich aus den Daten des sozioökono-
mischen Panels ein entsprechender Zusammenhang nach-
weisen (van Suntum/Uhde 2009).

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Wohneigentum ver-


schafft Sicherheit und Geborgenheit, es kann sich wandeln,
den individuellen Bedürfnissen ohne Rücksicht auf die Zu-
stimmung eines Vermieters angepasst werden und es ist ein
Rückzugsraum aus dem immer stärker fremdbestimmten
beruflichen und öffentlichen Leben. Gerade der – von Kriti-
kern des Wohneigentums oft belächelte – Freiheitsaspekt
steht bei den Gründen, welche von der Bevölkerung für
Wohneigentum angegeben werden, ganz oben, noch vor
den finanziellen Vorteilen. So waren nach einer von Jokl
(1997) angeführten Umfrage die wichtigsten von insgesamt
16 abgefragten Vorteilen des Wohneigentums im Urteil der
Befragten folgende (Mehrfachnennungen möglich):

Bewegungsfreiheit für Kinder (64%)


Freie Entfaltung (61%)
Freie Gestaltung (59%)
Unabhängigkeit vom Vermieter (58%)
Finanzielle Vorteile (49%)

67
Als bevorzugte Wohnform steht das Einfamilienhaus nach
einer von Jokl (1997: 12) zitierten Emnid-Umfrage mit 75%
der Nennungen ganz vorne, vor allem wenn es freistehend
ist (32% der Nennungen, Mehrfachnennungen jeweils mög-
lich). Dies steht in deutlichem Kontrast zu wohnungspoli-
tischen Vorstellungen, nach denen es eine Stadtwohnung,
eventuell mit Gemeinschaftsgarten, eigentlich genauso gut
tun würde. Auch hier führt es nicht viel weiter, die jeweiligen
Vor- und Nachteile „objektiv“ gegeneinander abzuwägen.
Was ökonomisch zählt, sind letztlich die Präferenzen der
Menschen, und diese gehen nach allem, was wir wissen, in
eine andere Richtung. So haben sich Versuche, die Vermö-
gensbildung in Deutschland durch staatliche Förderung
mehr in Richtung von Finanzvermögen zu lenken, empirisch
als weitgehend wirkungslos erwiesen – die Förderung wur-
de zwar angenommen, floss dann aber über entsprechende
Substitutionsprozesse letztlich doch wieder bevorzugt in
das Wohneigentum (Westerheide 1998: 245).

Wohneigentumsquoten international
Spanien 86% Österreich 56%
Belgien 74% Frankreich 55%
Griechenland 74% Dänemark 53%
Italien 72% Niederlande 53%
Großbritannien 69% Deutschland 43%
Schweden 65% Schweiz 36%
Quelle: Institut für Städtebau

68
Darauf weisen auch die international hohen Wohneigen-
tumsquoten hin. Deutschland liegt hier mit 43% mit Aus-
nahme der Schweiz (36%) 3 am unteren Ende der Skala,
wenn auch mit steigender Tendenz (Tabelle). Dies liegt
zweifellos auch an der historischen Sondersituation
(Behring/Helbrecht 2002: 15).

Zum einen wurde im Zweiten Weltkrieg ein Großteil des


Wohnraums in Deutschland zerstört und musste in sehr
kurzer Zeit wieder aufgebaut werden. Dies wäre ohne den
staatlich geförderten Mietwohnungsbau kaum möglich ge-
wesen. Die daraus erwachsene, jahrzehntelange finanzielle
und rechtliche Begünstigung des Wohnens zur Miete hat
zweifellos die Bildung von Wohneigentum tendenziell be-
hindert. Zum zweiten hat die Deutsche Vereinigung die ge-
samtdeutsche Wohneigentumsquote statistisch nochmals
sinken lassen, da in der früheren DDR die Wohnungen
überwiegend Kollektiveigentum waren. Seit 1990 steigt je-
doch auch in Ostdeutschland die Wohneigentumsquote
kontinuierlich an, 2002 lag sie mit 34% bereits um acht
Prozentpunkte höher als 10 Jahre zuvor.

3 In der Schweiz gilt anders als international üblich das Investitionsgutprin-


zip, d.h. der selbstgenutzte Wohnraum muss wie eine monetäre Zinseinnah-
me versteuert werden.

69
3. G
 esellschaftliche Nachteile des selbstge-
nutzten Wohneigentums

Einschränkung der Mobilität

Kritisch wird gegen das selbstgenutzte Wohneigentum vor-


gebracht, dass es die Mobilität der Bevölkerung mindere.
Darin wird vor allem eine Belastung des Arbeitsmarktes
durch zunehmendes Mismatch gesehen, indem offene Stel-
len und Arbeitsuchende aufgrund ihrer unterschiedlichen
Standorte schwerer zueinander finden (Oswald 1997; Voigt-
länder 2006).

Tatsächlich ist empirisch mehrfach nachgewiesen worden,


dass selbstnutzende Wohnungseigentümer tendenziell weni-
ger mobil sind als Mieter (Frick 1996; Kemper 1994). Vor
allem in Perioden niedriger Hauspreise scheuen sie einen
Wohnungswechsel, um Verluste zu vermeiden (Stein 1995).
Allerdings gilt nach einer entsprechenden Untersuchung von
Nolte (2000) Ähnliches auch für die Bewohner von Sozial-
wohnungen, da diese bei einem Umzug befürchten müssen,
nicht wieder eine ähnlich günstige (weil subventionierte) Woh-
nung zu finden. Ähnliches gilt für langjährig bestehende Miet-
verhältnisse im frei finanzierten Wohnungsbau, deren Miet-
preisniveau oft deutlich unter dem entsprechender
Neumietverhältnisse liegt, was ebenfalls mobilitätshemmend
wirkt (Nolte 2000: 121f). Zudem hängt demnach die Mobilität
der Bevölkerung noch von einer Reihe weiterer Faktoren ab,

70
so etwa von der Wohndauer (negativ), dem Einkommen (po-
sitiv), dem Alter (negativ) und dem Bildungsgrad (positiv).

Die mobilitätshemmende Wirkung des Wohneigentums


könnte verringert werden, wenn die fixen Kosten eines Ei-
gentumswechsels geringer wären. Insbesondere ist hier an
eine Senkung oder Abschaffung der Grunderwerbsteuer zu
denken, welche ohnehin steuersystematisch kaum zu be-
gründen ist (Hellmann 2003: 156 ff). Auch das restriktive
Mietrecht kann sich als mobilitätshemmend für Wohnungs-
eigentümer erweisen, weil es die Option einer – ggfs. vorü-
bergehenden – Vermietung des eigenen Heims aus Grün-
den eines Berufswechsels unattraktiv macht. Umgekehrt
zeigen empirische Studien aus dem Ausland, dass eine Ver-
steuerungspflicht von Veräußerungserlösen im privaten
Wohnungsmarkt die Mobilität der Wohneigentümer beein-
trächtigt (Dietz 2003: 12).

Aus einer geringeren Umzugsbereitschaft von Wohneigen-


tümern folgt noch nicht unbedingt eine Verstärkung des
Mismatch am Arbeitsmarkt. So kann anstelle eines Woh-
nungswechsels beispielsweise auch gependelt werden.
Nolte (2003: 215) findet anhand der Daten des sozioökono-
mischen Panels in der Tat eine signifikant höhere Pendelbe-
reitschaft von selbstnutzenden Eigentümern, zumindest bei
mittleren Entfernungen (zwischen 35 und 50 km). Hinzu
kommt, dass Wohneigentümer aufgrund ihrer Schuldenbela-
stung und ihrer sozialen Integration besonders stark moti-
viert sind, möglichst nicht arbeitslos zu werden und es auch

71
weniger häufig sind (Bover u.a. 1989; Voigtländer 2006:
35). Die Frage, inwieweit das Wohneigentum tatsächlich die
Flexibilität des Arbeitsmarktes beeinträchtigt, kann daher
bisher nicht eindeutig beantwortet werden.

Bündelung von Risiken

Die Eignung des Wohneigentums als Altersvorsorge ist


nicht unbestritten. Zum einen wird auf eine relativ geringe
Rentabilität – etwa gegenüber der Vermögensanlage in Ak-
tien – verwiesen (Verhülsdonk 2004). Zum anderen wird ein
Risiko darin gesehen, den Großteil der privaten Altersvor-
sorge in einem einzelnen Objekt zu bündeln. Insbesondere
unter den demografischen Vorzeichen einer alternden Ge-
sellschaft wird auch befürchtet, dass größere Wohnimmobi-
lien im ländlichen Raum sich nicht als wertbeständig erwei-
sen könnten. Dahinter steht die sogenannte capital-melt
down-Hypothese (Mankiw und Weill 1989), die wiederum am
Lebenszyklus-Konzept des Sparens ansetzt: Wenn die äl-
tere Generation in der Überzahl ist und beginnt, ihre Vermö-
gen zu verkonsumieren, müsse dies zum Preisverfall von
Vermögenswerten führen. Speziell für den amerikanischen
Häusermarkt sagten Mankiw und Weil 1989 einen Preisver-
fall von 47% in den kommenden Jahrzehnten voraus. Die
Immobilien- und Finanzkrise 2008 kann nicht als Bestätigung
dieser These gelten, denn diese hatte geldpolitische und
konjunkturelle Ursachen und nichts mit den langfristigen de-
mografischen Problemen zu tun. Zudem hat sie gerade auch
finanzielle Formen der Altersvorsorge wie Aktien und Be-

72
triebspensionen getroffen, während speziell in Deutschland
(und Österreich) die Immobilienpreise stabil geblieben sind.

Gleichwohl ist das Risiko einer einseitigen Altersvorsorge in


Form von selbstgenutztem Wohneigentum nicht von der
Hand zu weisen. In Deutschland haben die meisten Eigen-
heimbesitzer im Alter aber zusätzlich sowohl Ansprüche an
die Rentenversicherung oder in Pensionsform als auch er-
hebliche weitere finanzielle Reserven. Auch sind Wohnim-
mobilien hierzulande mit weitaus höheren Eigenkapitalantei-
len und anderen Sicherheiten finanziert als etwa in
Großbritannien und den USA, so dass die Gefahr einer
Überschuldung im Normalfall sehr gering ist. Die wenigen
Fälle, in denen es dennoch dazu kommt, gehen i.d.R. nicht
auf das Wohneigentum selbst, sondern auf andere Faktoren
wie Scheidung und Arbeitslosigkeit zurück.

Flächenverbrauch und Verkehrserzeugung

Häufig wird dem Wohneigentum in der politischen Diskussi-


on vorgehalten, es sei mit einem höheren Flächenverbrauch
als die Mietwohnung verbunden und erzeuge zudem mehr
Individualverkehr. Diese (vor allem in Deutschland geübte)
Kritik richtet sich namentlich gegen das freistehende Einfa-
milienhaus im ländlichen Raum, erweist sich aber bei ge-
nauerer Betrachtung als fragwürdig. In Deutschland entfal-
len 12,3% der Bodennutzung auf Siedlungs- und
Verkehrsflächen und davon wiederum ca. ein Viertel (3,2%)
auf Wohnflächen (Statistisches Bundesamt 2005). Unter-

73
stellt man, dass von dieser Fläche etwa die Hälfte Freiflä-
chen, insbesondere Gärten sind, dann beläuft sich der An-
teil der durch Wohngebäude einschließlich Garagen,
Zufahrten und Wege tatsächlich „versiegelten“ Flächen auf
lediglich 1,6% der insgesamt genutzten Fläche. Die Flä-
cheninanspruchnahme („verbrauchen“ kann man Flächen
nicht!) durch das Wohnen ist in Deutschland also insgesamt
vergleichsweise gering, was örtlich begrenzte Probleme na-
türlich nicht ausschließt.

Die Kritik beruht zudem im Kern auf der Annahme, es wür-


den durch das Wohnen im eigenen Heim externe (Umwelt-)
kosten zulasten der Allgemeinheit erzeugt. Dies ist jedoch
schon von der Grundannahme her durchaus fraglich: So
dürfte die ökologische Vielfalt in ländlichen Wohngebieten
deutlich größer sein, als dies auf den landwirtschaftlichen
Nutzflächen der Fall war, auf denen sie entstanden sind. Ob
der Individualverkehr tatsächlich mehr externe Kosten als
Nutzen (einschließlich der von ihm aufgebrachten Steuern)
verursacht, ist ebenfalls umstritten (Link 2005), zumal die
Ermittlung der externen Kosten mit massiven methodischen
Problemen und Bewertungsspielräumen verbunden ist (van
Suntum 2006: 145ff; Maibach et. al. 2008). Selbst wenn
dem so wäre, hätte eine entsprechende Korrektur beim Ver-
kehr anzusetzen und nicht bei einer politischen Umlenkung
der Wohnwünsche. Diese Argumentationslinie gegen das
selbstgenutzte Wohneigentum soll darum hier nicht weiter
behandelt werden.

74
4. Fazit

Insgesamt überwiegen nicht nur aus individueller Sicht, son-


dern auch gesamtwirtschaftlich wohl die Vorteile des selbst-
genutzten Wohneigentums. Die wenigen Gegenargumente
sind zumindest im Falle Deutschlands wenig relevant und
empirisch nicht gut belegt. Daraus ist allerdings noch nicht
ohne Weiteres ein Argument für die staatliche Förderung
des Wohneigentums abzuleiten, denn viele der gesamtwirt-
schaftlichen Vorteile schlagen sich ohnehin bereits positiv
bei den Eigentümern selbst nieder (Voigtländer 2006; Eek-
hoff 2002: 139 ff). Zumindest aber sollte das selbstgenutzte
Wohneigentum gegenüber dem Wohnen zur Miete nicht dis-
kriminiert werden. Die Einbeziehung der selbstgenutzten Im-
mobilie in die Riesterförderung im Jahr 2008 war in diesem
Sinne deshalb durchaus konsequent.

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81
Peter Westerheide

Staatliche Förderung
des Wohneigentums

1. Einleitung

In vielen Ländern hat die Förderung des Wohneigentums


eine lange Tradition. Es werden beträchtliche öffentliche
Mittel dafür eingesetzt. Im Folgenden werden zunächst auf
theoretischer Basis mögliche Ziele und Begründungszusam-
menhänge der Wohneigentumsförderung herausgearbeitet.
Anschließend werden Entwicklung und Kosten der Wohnei-
gentumsförderung in Deutschland beschrieben.

Im folgenden Abschnitt wird die aktuelle deutsche Förderku-


lisse mit der anderer europäischer Länder verglichen. Ein
weiteres Kapitel befasst sich mit den Wirkungen der Woh-
neigentumsförderung. Der Beitrag schließt mit einem Zu-
kunftsausblick.

82
2. Ziele und Begründungen der Wohneigentums-
förderung

Die staatliche Förderung des Wohneigentums wird üblicher-


weise mit einer Reihe übergeordneter Ziele verknüpft. All-
gemein können diese Ziele in drei Kategorien eingeordnet
werden: Eine erste Kategorie bildet die Verbesserung der
Wohnungsversorgung (wohnungspolitische Ziele). Eine
zweite Kategorie stellt auf die Förderung der Vermögensbil-
dung der privaten Haushalte ab (vermögenspolitische Ziele).
Einer dritten Kategorie sind alle spezielleren Förderzwecke
zuzurechnen, wie z.B. die Förderung des energiesparenden
Bauens, die Förderung bestimmter Wohnformen bzw. Ob-
jekttypen – z.B. Mehrgenerationenhäuser oder altenge-
rechtes Bauen – oder die Förderung bestimmter Regionen
(Sonderziele).

Aus ordnungspolitischer Sicht ist in jeder dieser Kategorien


zu fragen, warum ein staatliches Eingreifen in den Markt als
erforderlich angesehen wird bzw. warum die Allokation nicht
einfach dem Markt überlassen werden sollte. Dabei können
sozialpolitische Motive sowie meritorische Bedürfnisse und
externe Effekte als Legitimationsaspekte unterschieden
werden, die in jeder der genannten Kategorien eine Rolle
spielen können (vgl. Abbildung 1).

83
Verteilungs- und gesellschaftspolitische Begründung der
Wohneigentumsförderung

Die Wohneigentumspolitik kann einerseits der sozialpolitisch


motivierten Verteilungspolitik zugerechnet werden. Dies gilt
insbesondere dann, wenn gezielt Bevölkerungsgruppen mit
niedrigen Einkommen und kinderreiche Familien gefördert
werden sollen. Die Wohneigentumspolitik kann dann auch als
Teil der Sozialpolitik bzw. der Familienpolitik angesehen wer-
den (Vgl. Kühne-Bühning/Nordalm/Steveling 2005: 234ff.).

84
Die damit verbundene Umverteilung von Markteinkommen
zugunsten von Bevölkerungsschichten mit geringer Ressour-
cenausstattung ist Ergebnis der politischen Willensbildung
und ökonomischer Beurteilung nur in Grenzen zugänglich.
Eine – nicht leicht konkret definierbare – ökonomische Gren-
ze ist sicher dort gegeben, wo Leistungsanreize durch die
Umverteilung so stark verringert werden, dass die Wachs-
tumschancen einer Volkswirtschaft signifikant beeinträchtigt
werden.

Allerdings ist die Frage zu stellen, ob die Förderung des


Wohneigentums tatsächlich ein geeignetes Instrument der
Sozialpolitik ist. Eine adäquate Versorgung bedürftiger
Haushalte mit Wohnraum kann schließlich auch durch den
Mietwohnungsmarkt gewährleistet werden, der seinerseits
durch Subventionierung des sozialen Wohnungsbaus und
Wohnkostenunterstützung für bedürftige Haushalte geför-
dert wird. Diese Argumentation verkennt allerdings einer-
seits, dass Eigentums- und Mietwohnungsmärkte verbun-
den sind und eine Angebotsausweitung auf dem
Eigentumsmarkt auch den Mietwohnungsmarkt entlasten
kann. Darüber hinaus wird mit der Wohneigentumsförde-
rung auch eine gesellschaftspolitische Stabilisierung ange-
strebt. Diese integrative Funktion der privaten Vermögens-
bildung – in der die Wohneigentumsbildung eine zentrale
Rolle spielt ­­– wird in der Literatur zu den Grundlagen der
Sozialen Marktwirtschaft und in der vermögenspolitischen
Literatur ausführlich gewürdigt: Grundlegendes Argument
ist, dass eine auf privaten Eigentumsrechten basierende

85
Wirtschaftsordnung umso besser funktioniert, je breiter der
Kreis der Vermögensbesitzer ist (Westerheide 1990: 14f.).

Meritorische Begründung der


Wohneigentumsförderung

Ein weiterer wesentlicher Grund für staatliches Eingreifen in


die private Ressourcenallokation durch staatliche Förderung
ist die Vermutung der Minderschätzung künftiger Bedürf-
nisse, sog. meritorische Bedürfnisse (Musgrave 1959). Die-
se Begründung wird traditionell für die Notwendigkeit einer
staatlichen Pflichtsozialversicherung gegen Großrisiken (Ar-
beitslosigkeit, Krankheit) und insbesondere für die Alters-
vorsorge im Rahmen einer Pflichtrentenversicherung ange-
führt. In der Bundesrepublik Deutschland wird diese
Legitimation für staatliches Eingreifen in die private Res-
sourcenallokation traditionell recht weitgehend interpretiert.
Dies wird insbesondere sichtbar im Ziel der Lebensstan-
dardsicherung als Leitbild in der gesetzlichen Pflichtrenten-
versicherung. Auch die Einführung der Riester-Rente wurde
damit begründet, dass das umlagefinanzierte Rentenversi-
cherungssystem das Ziel der Lebensstandardsicherung
nicht mehr erfüllen kann und daher staatliche Anreize zum
Aufbau einer ergänzenden privaten Altersvorsorge erforder-
lich sind.1 Auf ein Obligatorium hat man hier gleichwohl ver-
zichtet, auch wenn hierüber vielfach diskutiert wurde.

1 „Bei einer Begrenzung des demografisch bedingten Anstiegs des Bei-


tragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung ist zudem der eigenver-

86
Aus ordnungspolitischer Sicht bestehen erhebliche Interpre-
tationsspielräume für die Legitimität staatlichen Eingreifens
aus meritorischen Gründen.2 Auch bei weiter Auslegung fällt
es jedoch schwer, die Wohneigentumsförderung direkt mit
meritorischen Argumenten zu begründen, da private Haus-
halte im Allgemeinen eine hohe Präferenz für Wohneigen-
tum haben und sie ihre Wohnbedürfnisse tendenziell wohl
kaum unterschätzen. In der Debatte um die staatliche Woh-
neigentumsförderung wurden entsprechende Argumente je-
doch durchaus vertreten. So argumentierte Albers
(1985:  515): „Schließlich werden die Vorteile eines Woh-
nens im eigenen Haus durch den dadurch gewonnenen Frei-
heitsraum für eine gesunde Entwicklung von Kindern, aber
auch für sinnvolle Freizeittätigkeiten (Hobbies der Eltern)
vielfach unterschätzt, weil diese Vorteile erst langfristig er-
kennbar werden bzw. sich die Nachteile beengter Wohnver-
hältnisse erst auf lange Sicht auswirken.“

antwortliche Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge zur Sicherung


des Lebensstandards im Alter unerlässlich.“ Entwurf eines Gesetzes zur
Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines
kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz –
AvmG), BT Drucksache 14/4595 vom 14.11.2000, S. 1.
2 Knappe/Funk/Jobelius (1996) vertreten z.B. die Ansicht, dass eine Min-
derschätzung künftiger Bedürfnisse existenzgefährend sein müsse, um
staatliche Eingriffe zu rechtfertigen. Insofern ließe sich ein meritorisches
Eingreifen in die Alterssicherung bei bestehender sozialer Grundsicherung
generell nur schwer rechtfertigen.

87
Ein tragfähigerer Begründungszusammenhang ergibt sich
aus Effizienzüberlegungen: Wenn sich eine Förderung be-
stimmter Anlageformen als besonders geeignet erweist, die
Spar- und Vorsorgeneigung der privaten Haushalte zu stär-
ken, dann kann hier aus meritorischer Sicht ein Ansatzpunkt
für gezielte Fördermaßnahmen gesehen werden. Tatsäch-
lich zeigt sich in mehreren Untersuchungen ein positiver Zu-
sammenhang zwischen Wohneigentumsbildung und Spar-
verhalten: Danach bilden Wohneigentümer nicht nur mehr
Immobilienvermögen, sondern auch mehr Geldvermögen
als Mieter. Dieser Befund kann auch aufrechterhalten wer-
den, wenn andere Einflüsse (z.B. Einkommenshöhe, Alter,
Haushaltsgröße etc.) berücksichtigt werden.3

Externe Effekte als Begründung der


Wohneigentumsförderung

Externe Effekte sind Folgen wirtschaftlichen Handelns, die


im Entscheidungskalkül der Akteure keine Rolle spielen, da
sie diese Akteure selbst nicht direkt betreffen. In dem Maß,
in dem negative (positive) externe Effekte nicht in der Preis-
bildung berücksichtigt werden, steigt (sinkt) das Angebot
bzw. die Nachfrage über (unter) das sozial optimale Maß.
Um positive oder negative externe Effekte zu internalisie-
ren, kann der Staat grundsätzlich mit rechtlichen Regulie-

3 Siehe zu Vergleichen der Vermögen und des Sparverhaltens von Mietern


und Wohnungseigentümern Rotfuß/Westerheide (im Erscheinen), Demary
et al. (2009: 161), empirica (1999: 13), (2001: 13f.).

88
rungsmaßnahmen sowie mit fiskalischen Maßnahmen zur
Beeinflussung der Preisstruktur auf den entsprechenden
Märkten intervenieren.

Auf den Wohnungsmärkten lassen sich Beispiele sowohl für


negative als auch für positive externe Effekte der Wohnei-
gentumsbildung anführen. Negative externe Effekte können
beispielsweise daraus resultieren, dass aus Kostengründen
(z.B. um zu hohe Anfangsbelastungen zu vermeiden) bau-
liche Maßnahmen zur Energieeinsparung unterlassen wer-
den, obwohl sie aus umweltpolitischer und ökonomischer
Sicht langfristig sinnvoll erscheinen. Maßnahmen zur Förde-
rung des energiesparenden Bauens können mit diesem Ar-
gument prinzipiell dann legitimiert werden, wenn sich durch
die Energieersparnis allein entsprechende bauliche Maß-
nahmen erst spät amortisieren, der Gesetzgeber die nega-
tiven externen Effekte zu hoher Schadstoffemissionen den-
noch vermeiden möchte.

Als Beispiele für positive externe Effekte können gesell-


schaftspolitische Stabilisierungswirkungen genannt werden,
die mit der Eigentumsbildung einhergehen können. Dies be-
trifft zum einen die bereits erwähnte Integrationsfunktion
der Eigentumsbildung. Zum anderen kann hier aber auch die
Stabilisierung und Verbesserung der Wohnqualität im Wohn-
quartier angeführt werden, sofern Wohneigentümer tenden-
ziell mehr Wert auf die Pflege und Verbesserung ihres

89
Wohnumfeldes legen als Mieter.4 Im weiteren Sinne kann
auch eine wohnungspolitisch motivierte Angebotsauswei-
tung auf dem Wohnungsmarkt aus individueller Sicht als po-
sitiver externer Effekt angesehen werden: Denn sofern die
Eigentumsbildung mit der Schaffung neuen Wohnraums ein-
hergeht, werden damit potenziell Sickereffekte auf dem
Mietwohnungsmarkt ausgelöst, da die bisherigen Mietwoh-
nungen der neuen Wohneigentümer nun anderen Nachfra-
gern zur Verfügung stehen. Schließlich können positive ex-
terne Effekte auch mit einer familienpolitisch motivierten
Wohneigentumsförderung verbunden sein, soweit daraus
positive gesellschaftliche oder demographische Effekte re-
sultieren, die in der individuellen Perspektive keine Berück-
sichtigung finden.

3. E
 ntwicklung der Wohneigentumsförderung
in Deutschland

Die Förderung privaten Wohneigentums hat in Deutschland


lange Tradition. Im Rahmen der Wirtschaftsordnung der So-
zialen Marktwirtschaft ist sie im breiteren Kontext der Ver-

4 Die empirische Evidenz speziell zur sozialen Stabilisierungsfunktion der


Wohneigentumsbildung ist nicht einheitlich, positive externe Effekte der
Eigentumsbildung auf das Wohnumfeld konnten aber durchaus in einigen
Studien gemessen werden. In regionalen Fallstudien konnten diese Effekte
allerdings auch auf den mit der Wohneigentumsbildung verbundenen Zu-
zug besser situierter Haushalte zurückgeführt werden und nicht nur auf die
Wohneigentumsbildung selbst. Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raum-
ordnung (2003) und Voigtländer (2006: 31f.). Vgl. dazu auch den Beitrag
von van Suntum im vorliegenden Band.

90
mögenspolitik und ihrer im Zeitverlauf variierenden Schwer-
punktsetzungen zu betrachten. In einer Grobgliederung
können in Deutschland verschiedene Phasen der Vermö-
genspolitik unterschieden werden, in denen jeweils auch die
Wohneigentumsförderung eine entsprechende Ausrichtung
hatte. Dies gilt insbesondere für die Vorsparförderung, also
die Förderung der Ansammlung von Eigenkapital (und Darle-
hensansprüchen) für den Wohneigentumserwerb durch
Bausparen. Die Entwicklung der Nachsparförderung – also
die Förderung nach dem Erwerb von Wohneigentum – folgt
dieser Phaseneinteilung nur bedingt. Aus diesem Grund
empfiehlt es sich, die Entwicklung beider Förderlinien ge-
trennt zu betrachten.

Betrachtet man zunächst die Vorsparförderung, so lassen


sich folgende Phasen unterscheiden:
– Phase der überwiegend sparvolumenorientierten Förderung
Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg hatte die Linde-
rung der Wohnungsnot und die Bereitstellung von Kapital
für den Wiederaufbau erste Priorität Die staatliche Spar-
förderung zielte daher bis Anfang der 1950er Jahre vor
allem auf die Steigerung des Sparwillens der sparfähigen
Haushalte ab Dies kam in der Förderung von Beiträgen
für Bausparverträge wie für andere Anlageformen durch
Abzüge von der Bemessungsgrundlage der Einkommen-
steuer zum Ausdruck. Angesichts der hohen Steuerpro-
gression in diesem Zeitraum bedeutete dies erhebliche
Steuervorteile für Sparer mit hohen Einkommen und
Grenzsteuersätzen (Frerich/Frey 1993: 136f.; Peffekofen

91
1993: 308f.; Miegel 1987: 15; Albers 1985: 518f.; Ruf
1977: 427ff.).

– Phase der stärker verteilungsorientierten Förderung


Die stark volumenorientierte Förderung der ersten Nach-
kriegsjahre wurde in folgenden Jahrzehnten sukzessive
durch verteilungsorientierte Elemente ergänzt. Einen er-
sten Meilenstein bildet das bereits 1952 eingeführte
Wohnungsbauprämien-Gesetz. Die Verabschiedung des
Gesetzes wurde ursprünglich sowohl mit dem Woh-
nungsmangel als auch mit verteilungspolitischen Argu-
menten begründet. Ziel war es zum einen, die Wohnungs-
not nach dem zweiten Weltkrieg zu lindern, zum anderen
aber auch, die Kleinsparer zu fördern.5 Flankiert wurde
das Wohnungsbauprämiengesetz ab 1959 durch das
ähnlich aufgebaute Sparprämiengesetz. Beide Gesetze
hatten starke familienpolitische Komponenten, da Ehe-
paare und besonders Familien mit Kindern stärker geför-
dert wurden als Alleinstehende. Ergänzt wurde diese För-
derung ab 1961 durch die Vermögensbildungsgesetze,
die die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand fördern
sollten. Auch in diesem Rahmen war das Bausparen seit
Einführung des ersten Vermögensbildungsgesetzes 1961
förderberechtigt.

5 Vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Woh-


nungswesen über den Entwurf eines Wohnungsbau-Prämiengesetzes. An-
lage zum Stenographischen Bericht der 188. Sitzung des Deutschen Bun-
destages am 18.01.1952.

92
– Phase des asymmetrischen Abbaus der Förderung
Ein vorläufiger Höhepunkt der Sparförderung in der Bun-
desrepublik wurde in den 1970er Jahren erreicht. Bereits
Anfang der 1980er Jahre wurde die Förderung abge-
schmolzen. So wurde die Förderung nach dem Sparprä-
miengesetz abgeschafft und das Förderniveau auch in
den anderen Bereichen der Geldvermögensbildung ge-
senkt: Die asymmetrische Absenkung des Förderniveaus
führte zu einer zunehmende relativen Begünstigung von
Familien und Haushalten mit geringem Pro-Kopf-Einkom-
men.

Im Zeitablauf stieg die relative Bedeutung vor allem der


Bausparförderung sowie der Förderung des Wertpapier-
und Beteiligungssparens. Für diese Phase galt: Je höher
das Pro-Kopf-Einkommen des Haushalts war, desto se-
lektiver wurde die Vermögensbildung gefördert. Die Bau-
sparförderung wurde in dieser Phase in absoluter Be-
trachtung ebenfalls zunehmend eingeschränkt.
Gleichzeitig wurden die Einkommensgrenzen für den För-
deranspruch lange Zeit nahezu unverändert beibehalten.
Dies führte dazu, dass viele Haushalte zunehmend die
Einkommensgrenzen überschritten.

Im Gegensatz zur allgemeinen Sparförderung fand 1996


jedoch eine maßgebliche Erhöhung der Einkommens-
grenzen für Bausparer (von zuvor 27.000/54.000 DM auf
dann 50.000 DM/100.000 DM) bei gleichzeitiger Erhö-

93
hung der Förderhöchstbeträge statt. Im Gegenzug wurde
allerdings die einkommenssteuerliche Abzugsfähigkeit
von Bausparbeiträgen ganz abgeschafft. In der Begrün-
dung für die Aufstockung der Förderung wurde einerseits
auf die Förderung der Schaffung von Wohneigentum all-
gemein, zum anderen aber bereits auf den Altersvorsor-
geaspekt („eigene Wohnung als wesentlicher Bestand-
teil der Altersvorsorge“6) Bezug genommen.

– Phase der altersvorsorgeorientierten Vermögenspolitik


Das Inkrafttreten des Altersvermögensgesetzes im Jahr
2002 leitete eine explizit auf den Aufbau privaten Kapitals
für die Alterssicherung ausgerichtete Periode der Vermö-
genspolitik ein. Ziel der staatlichen Förderung der Vermö-
gensbildung ist es seither vor allem, Anreize für den Auf-
bau einer betrieblichen und privaten Altersvorsorge zu
geben, die angesichts der sinkenden Leistungsfähigkeit
der gesetzlichen Rentenversicherung immer dringlicher
wird. Kennzeichnend für diese Phase ist die breite steuer-
liche Förderung und Zulagenförderung der privaten und
betrieblichen Altersvorsorge im Rahmen der sog. Rie-
ster-Rente, die ebenfalls breite Förderung der betrieb-
lichen Altersvorsorge im Rahmen von § 3 Nr. 63 EStG
und die zusätzliche Förderung privater Leibrentenversi-
cherungen im Rahmen der sog. Rürup-Rente. Wich-
tigstes Kennzeichen dieser Fördermaßnahmen sind Re-
striktionen bzgl. der Auszahlung der angesparten

6 BT-Drucksache 13/2235 vom 04.09.1995.

94
Vermögen: In allen Fällen kann das erworbene Vermö-
gen gar nicht (Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG, Rürup-
Rente) oder nur zu einem kleinen Teil (30% bei der Rie-
ster-Rente) als Einmalauszahlung vereinnahmt werden.
Ein förderunschädlicher Zugriff auf das Vermögen vor Er-
reichen der Rentenphase ist – mit Ausnahme des sog.
Entnahmemodells nach § 92 a/b EStG bei der Riester-
Rente – nicht möglich. Diese Phase ist zugleich gekenn-
zeichnet durch den Abbau der Förderung spezifischer
Anlageformen, insbesondere die Einschränkung der steu-
erlichen Förderung des Sparens in kapitalbildenden Le-
bensversicherungen.

Auch in der Bausparförderung wurde der Fördersatz


2004 auf die heute noch gültigen 8,8% gesenkt. Aus der
Förderung der Altersvorsorge nach dem Altersvermö-
gensgesetz wurde das Bausparen zunächst nicht de jure,
aber de facto ausgeschlossen. § 1 Abs. 1 AltZertG7 er-
wähnt zwar explizit die Förderung des selbst genutzten
Wohneigentums im Rahmen von Altersvorsorgeverträ-
gen. Allerdings hätten Bausparverträge dann auch alle
Zertifizierungskriterien (u.a. die Auszahlung einer lebens-
langen Rente frühestens mit Erreichen des 60. Lebens-
jahres bzw. des Beginns der Auszahlung einer gesetz-
lichen Rente) erfüllen müssen. Diese Kriterien waren mit

7 Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenver-


trägen (Anm. d. Herausg.)

95
dem kollektiven Bausparen in seiner bisherigen Form
nicht kompatibel.

Die Förderung der Wohneigentumsbildung nach dem Woh-


neigentumserwerb (Nachsparförderung) entwickelte sich
stetiger als die Vorsparförderung:

– Bis zur Einführung der Eigenheimzulage 1996 erfolgte die


Nachsparförderung selbst genutzten Wohneigentums im
Grundsatz durch erhöhte steuerliche Absetzungen bzw.
steuerliche Sonderausgabenabzüge. Die Förderung war
daher grundsätzlich positiv mit dem Einkommen korreli-
ert, da Haushalte mit höheren Einkommen höhere Grenz-
steuersätze haben und stärker von der Förderung profi-
tieren konnten.

Die Förderung war bis 1986 in die Systematik der Be-


steuerung selbst genutzten Wohneigentums als Investiti-
onsgut integriert. In diesem System wurde selbst ge-
nutztes Wohneigentum steuerlich grundsätzlich wie
vermietetes Wohneigentum behandelt. Statt der Mieter-
träge wurde bei Eigennutzern ein (pauschalierter) Nut-
zungswert als Bemessungsgrundlage für die Einkom-
mensteuer unterstellt. Im Gegenzug konnten die
Fremdkapitalzinsen bis zur Höhe des pauschalierten Nut-
zungswertes von der Bemessungsgrundlage abgesetzt
werden. 1987 wurde die Wohneigentumsförderung von
der Investitionsgutlösung auf die Konsumgutlösung um-
gestellt: Im Rahmen der Konsumgutlösung waren zwar

96
die Zinsen nicht mehr abzugsfähig. Im Gegenzug musste
aber der Nutzungswert selbst genutzten Wohneigentums
nicht mehr versteuert werden.

Familienstandsabhängige Komponenten und spezielle


Regelungen für Haushalte mit niedrigen Einkommen gab
es in der Förderung lange Zeit nicht. Eine Ausnahme stell-
te lediglich der sogenannte Objektverbrauch dar: Ehe-
paare konnten die Förderung zweimal im Leben in An-
spruch nehmen, Alleinstehende nur einmal. Erst 1982
wurde das sogenannte Baukindergeld eingeführt, das ei-
nen Abzug von der Steuerschuld ermöglichte und damit
eine progressionsunabhängige Förderung darstellte. Die-
ser war aber zunächst nur ab dem 2. Kind möglich und
wurde erst 1987 auf das erste Kind ausgedehnt. Anfang
der 1990er Jahre wurde die Förderung für Haushalte ver-
bessert, deren Steuerschuld in bestimmten Jahren zu ge-
ring war, um alle Fördermöglichkeiten auszuschöpfen.
1994 wurden erstmals Einkommensgrenzen in die Förde-
rung eingeführt.

– Eine echte Zäsur in der Fördersystematik ist jedoch erst


1996 zu verzeichnen, als die Eigenheimzulage eingeführt
wurde. Damit wurde Wohneigentum nach dem Eigentum-
serwerb erstmals im Rahmen sehr weit bemessener Ein-
kommensgrenzen einkommensunabhängig gefördert.
Ehepartner erhielten die doppelte Förderung, für Kinder
wurden Kinderzulagen gezahlt. Wie bei der steuerlichen
Förderung wurden auch die Zulagen für 8 Jahre gewährt.

97
Ab dem 01.01.2004 wurde das Fördervolumen der Eigen-
heimzulage (für Neufälle) durch eine Absenkung der Ein-
kommensgrenzen sowie eine Reduzierung und Anglei­
chung der Fördersätze für Alt- und Neubauten (vgl.
Tabelle 1) um ca. 30% gekürzt. Zu Jahresbeginn 2006
wurde die Eigenheimzulage für Neuanträge wieder abge-
schafft.

Tabelle 1: Entwicklung der Eigenheimzulage


Einkommensgrenzen
ledig verheiratet je Kind Grundlage
1.1.1996 240.000 480.000 DM Gesamtbetrag der Einkünfte
1.1.2000 160.000 320.000 60.000 DM Gesamtbetrag der Einkünfte
Gesamtbetrag der positiven
1.1.2004 70.000 140.000 30.000 Euro
Einkünfte

Förderhöhe
Neubau Grundzulage Kinderzulage Bemessungsgrundlage
1.1.1996 5.000 1.500 DM 5,0% der AHK*
1.1.2004 1.250 800 Euro 1,0% der AHK*

Bestand Grundzulage Kinderzulage Bemessungsgrundlage


1.1.1996 2.500 1.500 DM 2,5% der AHK*
1.1.2004 1.250 800 Euro 1,0% der AHK*

*AHK: Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.


Quelle: Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen (2006)

98
Integration der Wohneigentumsförderung in die Förde-
rung der privaten Altersvorsorge

Mit der Abschaffung der Eigenheimzulagenförderung für


neue Anträge zu Jahresbeginn 2006 hatte sich der Staat in
dieser Phase zunächst vollständig aus der Eigenkapitalför-
derung nach dem Wohneigentumserwerb zurückgezogen.
Allerdings wurde bereits im Koalitionsvertrag vom 11. No-
vember 2005 vereinbart, künftig die Wohneigentumsförde-
rung stärker als bisher in die staatliche Förderung der pri-
vaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nach dem
Altersvermögensgesetz (AVmG, allgemein bekannt als
„Riester-Rente“) einzubeziehen. Zum 1. Januar 2008 ist
schließlich das Eigenheimrentengesetz in Kraft getreten, mit
dem die Förderung selbst genutzter Wohnimmobilien in die
Riester-Rente integriert wurde (sog. „Wohn-Riester“). För-
derberechtigte (Pflichtversicherte in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte,
Beamte und Empfänger von Amtsbezügen, Arbeitssuchen-
de ohne Leistungsbezug wegen mangelnder Bedürftigkeit,
Kindererziehende während der rentenrechtlich zu berück-
sichtigenden Zeiten sowie mittelbar berechtigte Ehegatten)
erhalten eine Grundzulage von max. 154 € sowie von 185 €
für jedes Kind (300 € für nach dem 1.1.2008 geborene Kin-
der). Um die Förderhöchstbeträge zu erhalten, müssen in-
klusive der Zulagen 4% des sozialversicherungspflichtigen
Vorjahreseinkommens bis zu einer Obergrenze von 2.100 €
eingezahlt werden. Alternativ kann ein einkommensteuer-

99
licher Sonderausgabenabzug von max. 2.100 € je Förderbe-
rechtigen steuerlich geltend gemacht werden (steuerliche
Günstigerprüfung).

Das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung, das der staatli-


chen Förderung der privaten Altersvorsorge in Deutschland
zugrunde liegt und auch sukzessive auf die gesetzliche Rente
übertragen wird, gilt nun auch für die Förderung des Wohnei-
gentums: Da aus selbst genutztem Wohneigentum keine
Gelderträge erzielt werden, die der Besteuerung zu­grunde
gelegt werden können, musste eine fiktive Bemessungs-
grundlage geschaffen werden. Diese Bemessungsgrundlage
ist das sogenannte Wohnförderkonto, auf dem alle in die Im-
mobilie fließenden Förderbeträge und Eigenbeiträge verbucht
und bis zum Rentenalter – mit einem moderaten Zinssatz von
2% p.a. – verzinst werden. In der Rentenbezugsphase wird
dieses Konto dann wieder entlastet, indem vom Beginn der
Rentenbezugsphase bis zum 85. Lebensjahr jährlich gleich
bleibende fiktive Auszahlungen getätigt werden, die der Ein-
kommensteuer unterliegen. Alternativ ist die sofortige Tilgung
durch eine Einmalzahlung möglich: Um die Progressionsef-
fekte zu vermindern, kann dann die Bemessungsgrundlage
um 30% gekürzt werden.

Die Riester-Förderung kann sowohl in der Vorsparphase vor


dem Wohneigentumserwerb als auch in der Nachsparphase
(Tilgungsphase) in Anspruch genommen werden. In der Vor-
sparphase kann ein beliebiges förderfähiges Finanzanlagepro-
dukt gewählt werden, dessen Guthaben zum Zeitpunkt des Im-

100
mobilienerwerbs als Eigenkapital in die Immobilie umgeschichtet
werden kann. Anschließend können Eigenbeiträge und Einzah-
lungen direkt für die Tilgung des Immobilienkredits verwendet
werden. Die Bausparkassen als spezielle Anbietergruppe bie-
ten darüber hinaus riesterfähige Bausparverträge an, die so-
wohl die Anspar- als auch die Tilgungsphase umfassen.

Öffentliche Ausgaben für die Wohneigentumsförderung in


Deutschland

Im Jahr 2005 – dem letzten Jahr vor Abschaffung der Eigen-


heimzulage – gaben Bund und Länder für die Eigenheimzula-
ge und die zugehörigen Kinderzulagen rund 10 Mrd. Euro aus.
Hinzu kamen knapp 500 Mio. Euro an Wohnungsbauprämien
für Bausparen sowie Arbeitnehmersparzulagen, die auf Bau-
sparverträge eingezahlt wurden (insgesamt 390 Mio. Euro,
die allerdings auch anderen Anlageformen zugute kommen).

Im Jahr 2008 – dem dritten Jahr nach Abschaffung der Eigen-


heimzulage – ist die Förderung nach den Planansätzen im 21.
Subventionsbericht bereits erheblich zurückgegangen. Für
die Eigenheimzulage sollen in diesem Jahr nur noch rund 7
Mrd. Euro ausgegeben werden. Die Ausgaben für die Rie-
ster-Förderung steigen dagegen nach den Soll-Vorgaben im
Subventionsbericht erst langsam an: Für 2008 waren 560
Mio. Euro vorgesehen, von denen – da die ersten Verträge
erst im November des Jahres zertifiziert wurden – nur ein
kleiner Teil auf Wohn-Riester-Verträge entfallen sein dürfte.
Langfristig ist gleichwohl mit einem erheblichen Wachstum

101
des Volumens an Fördergeldern zu rechnen, das über Wohn-
Riester-Verträge in den Wohnungsmarkt fließt. Die Budget-
belastungen könnten vorübergehend sogar die Eigenheim-
zulagenförderung übersteigen, weil die Riester-Förderung
nicht wie die Eigenheimzulage auf 8 Jahre befristet ist und die
Rückflüsse aus der nachgelagerten Besteuerung erst spät
einsetzen werden.

Entsprechende Abschätzungen sind mit einer Reihe von Unsi-


cherheiten behaftet, insbesondere hängen sie auch von den
voraussichtlichen Lohnsteigerungsraten und natürlich vom An-
teil der Eigenheimerwerber ab, die ihre Riester-Förderung ent-
sprechend verwenden. Es ist jedoch zu vermuten, dass insbe-
sondere Haushalte mit niedrigen Einkommen und mehreren
Kindern, die ansonsten kein Wohneigentum bilden könnten,
die Wohn-Riester-Förderung in Anspruch nehmen werden.
Aber auch für Haushalte, die zugleich einen Riester-Vertrag in
anderen Anlageformen besparen und Wohneigentum bilden
könnten, kann es sich als vorteilhaft erweisen, einen Wohn-
Riester-Vertrag abzuschließen. Schließlich werden die Gutha-
ben auf dem Wohnförderkonto in der Rentenbezugsphase
nicht weiter verzinst, was sich im Vergleich zur Finanzanlage
genauso steuermindernd auswirkt wie der in der Ansparphase
unterstellte Zinssatz von lediglich 2% p.a.

Förderung des Wohneigentums in Europa

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten an-


deren Ländern wird Wohneigentum vom Staat gefördert.

102
Dies geschieht einerseits dadurch, dass Wohneigentum
steuerlich generell besser gestellt wird als andere Anlage-
formen, zum anderen dadurch, dass besondere Förde-
rungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen und Förder-
zwecke angeboten werden.

Ein internationaler Gesamtüberblick, der alle Fördermaßnah-


men umfasst, kann im Rahmen der vorliegenden Analyse
nicht gegeben werden. Die Darstellung muss sich daher auf
eine vergleichende Darstellung der steuerlichen Behand-
lung des selbst genutzten Wohneigentums beschränken.

Tabelle 2: Steuerliche Behandlung selbstgenutzten Wohnei-


gentums

Grund- Mehrwertsteuer
Steuern Abzugs- Vermö- steuer/ auf neue
auf fähigkeit Besteuerung des Erbschaftsteuer gens- Immobi- Immobilien wie
Eigentü- von Wertzuwachses steuer ilien- auf andere
mermiete Zinsen steuer Gebrauchsgüter
Unter- Unter-
schiedliche schiedliche
Auf
Auf selbst Behandlung Behandlung
selbst
genutztes von von
ge-
Wohnei- Wohnei- Wohnei-
nutztes
gentum gentum und gentum und
Woh-
nach 10 anderen anderen
neigen-
Jahren Vermö- Vermö-
tum
gensanla- gensanla-
gen gen
Belgien Ja Ja Nein Nein Ja Nein Nein Nein Ja
Deutschland Nein Nein Nein Ja Ja Ja Nein Ja Frei
Irland Nein Ja Nein Ja Ja Nein Nein Nein Ermäßigt
Griechenland Nein Ja Ja1 Nein Nein Nein Nein Ja Ja
Spanien Nein Ja Ja11 Ja Ja Ja Ja Ja Ermäßigt
Frankreich Nein Ja Nein Ja Ja Nein Ja Ja Ja
Italien Nein Ja Nein Ja Ja Ja Nein Ja Ermäßigt
Niederlande Ja Ja Nein Nein Ja Ja Nein Ja Ja
österreich Nein Ja Nein Nein Ja Ja Nein Ja Frei
Portugal Nein Ja Ja11 Ja Nein Nein Nein Ja Frei
Finnland Nein Ja Nein Nein Ja Nein Nein Ja Frei

Stand 2008 (Mehrwertsteuer 2007), Quelle: ECB 2009,


Wolswijk 2008.

103
Tabelle 2 macht deutlich, dass in vielen europäischen Län-
dern Wohneigentum steuerlich bevorzugt behandelt wird. In
nahezu allen Ländern – Deutschland stellt hier eine Ausnah-
me dar – können Fremdkapitalzinsen steuerlich geltend ge-
macht werden. Dennoch muss mit Ausnahme von Belgien
und den Niederlanden in keinem der betrachteten Länder
die Selbstnutzung des Eigentümers in Form der ersparten
Mietausgaben – die sogenannte unterstellte Eigentümermie-
te – versteuert werden. In den meisten Ländern bleibt darü-
ber hinaus der Wertzuwachs selbst genutzten Wohneigen-
tums steuerfrei. In einigen Ländern gibt es darüber hinaus
Ermäßigungen bei der Erbschaftsteuer. In allen hier ver­
glichenen Ländern werden schließlich private Immobilien-
transaktionen von der Umsatzsteuer befreit oder unterlie-
gen einer Umsatzsteuerermäßigung.

3. Wirkungen der Wohneigentumsförderung

Entscheidend für die Beurteilung der Wohneigentumsförde-


rung ist die Frage, ob die Fördermaßnahmen tatsächlich ge-
wirkt haben oder ob lediglich Mitnahmeeffekte zu verzeich-
nen sind und die bau- bzw. anschaffungswilligen Haushalte
auch ohne die Förderung zu Wohneigentümern geworden
wären.

Ein positives Fazit ist zunächst für die Bausparförderung zu


ziehen: Empirische Analysen der Bausparförderung bele-
gen, dass Bausparen in breiten Bevölkerungsschichten

104
stattfindet und besondere Zielgruppen der Vermögenspoli-
tik (junge Sparen und Sparer mit niedrigen Einkommen) in
besonderem Maße am Bausparen partizipieren. Bausparer
in den unteren Einkommensklassen und in den unteren Al-
tersgruppen verfügen über ein deutlich höheres Vermögen
als Nicht-Bausparer. Diese deskriptiven Ergebnisse bestäti-
gen sich auch in detaillierten ökonometrischen Analysen, in
denen eine signifikant höhere Sparquote für Bausparer er-
mittelt werden kann. Diese Unterschiede lassen sich zum
Teil damit erklären, dass Haushalte mit höherer Sparneigung
auch mit größerer Wahrscheinlichkeit Bausparverträge ab-
schließen. Erkenntnisse der verhaltensorientierten Finanz-
marktforschung lassen aber auch vermuten, dass die Flexi-
bilität der Vertragsgestaltung, der hohe Bekanntheitsgrad
und die staatliche Förderung die Akzeptanz von Bauspar-
verträgen und das Sparverhalten positiv beeinflussen (Rot-
fuß/Westerheide 2009).

In Analysen auf der Basis von Haushaltsbefragungen lassen


sich signifikante positive Zusammenhänge zwischen der
Wohnungsprämienförderung, der Wahrscheinlichkeit, Bau-
sparverträge abzuschließen und auch der Gesamtersparnis
erkennen. Die Ergebnisse deuten also nicht auf eine Ver-
drängung konkurrierender Sparformen durch die Bauspar-
förderung hin.

Da bis zur jüngsten Modifikation der Bausparförderung An-


fang 2009 geförderte Bausparmittel auch für andere als
wohnungswirtschaftliche Zwecke verwendet werden konn-

105
ten, implizieren diese positiven Ergebnisse aber noch keine
Effekte auf dem Wohnungsmarkt. Allerdings gaben in einer
aktuellen Befragung im Durchschnitt rund 70% der Bauspa-
rer an, ihre Bausparguthaben ausschließlich oder teilweise
wohnungswirtschaftlich zu verwenden (Rotfuß/Wester-
heide 2009). Besonders hoch ist der Anteil mit rund 80% in
mittleren Einkommensklassen zwischen 2.000 und 3.000
Euro monatlichem Haushaltsnettoeinkommen. Empfänger
von Wohnungsbauprämie weisen einen etwas höheren
durchschnittlichen Anteil von 74% aus, Nicht-Empfänger von
Wohnungsbauprämie dagegen einen geringeren Anteil von
67%. Wohnungsbauprämienempfänger, die die gesamte
Sparzeit über Prämie erhalten haben, geben zu über 80%
wohnungswirtschaftliche Verwendungen an. Darunter domi-
niert klar die Modernisierung und Renovierung von Immobi-
lien: Mehr als 40% aller Bausparer und mehr als 50% der
Empfänger von Wohnungsbauprämie über die gesamte
Sparzeit geben diesen Verwendungszweck an.

Während für die Wohnungsbauprämie damit ein positives


Fazit gezogen werden kann, ist die empirische Evidenz zu
den Wirkungen der Nachsparförderung weniger eindeutig.
Mit Einführung der Eigenheimzulage 1996 wurde die Förde-
rung erheblich ausgebaut, Anfang 2004 um ca. 30% redu-
ziert und Anfang 2005 für Neufälle gänzlich abgeschafft.
Eine einfache deskriptive Betrachtung der Entwicklung der
Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser deutet
zunächst auf einen positiven Effekt der Förderung hin. So ist
nach der Einführung zunächst ein Anstieg der Baugenehmi-

106
gungen zu verzeichnen, nach Kürzung der Ansprüche 2004
und schließlich nach Abschaffung der Eigenheimzulage
2006 dagegen ein erheblicher Rückgang. Seit 2007 bewe-
gen sich die Baugenehmigungen auf vergleichsweise nied-
rigem Niveau (vgl. Abbildung 2).

Trotz dieser auf der ersten Blick erkennbaren Zusammen-


hänge ist bei der Interpretation Vorsicht geboten: Einerseits
ist zu berücksichtigen, dass viele Haushalte mit Bauab-
sichten ihre Pläne früher als ursprünglich geplant realisiert
haben, um die Förderung noch mitnehmen zu können. Inso-
fern ist der aktuelle Rückgang 2006 möglicherweise ein Re-
flex dieser Vorzieheffekte.

Auch die Entwicklung der Fördervolumina und Baugenehmi-


gungen in der Zeit vor und nach Einführung der Eigenheim-
zulage stimmt nachdenklich. Auf dem Höhepunkt ihrer Inan-
spruchnahme wurden im Jahr 2004 rund 11 Mrd. Euro an
Eigenheimzulagen gezahlt. Im Jahr 1996 war dagegen ein
Maximum bei der Inanspruchnahme der steuerlichen Vor-
gängerregelung zu verzeichnen, das Fördervolumen war
hier mit rund 5,5 Mrd. Euro jedoch nur etwa halb so hoch.
Die Anzahl der Baugenehmigungen war dagegen 1996 hö-
her als 2004. Über einen längeren Zeitraum betrachtet: Die
durchschnittliche Anzahl der Baugenehmigungen für Ein-
und Zweifamilienhäuser lag in den 10 Jahren vor Einführung
der Eigenheimzulage nur um rund 5.200 je Jahr niedriger als
in den zehn Jahren der Eigenheimzulage. Auch die im inter-
nationalen Vergleich geringe und im Westen seit Anfang der

107
1990er Jahre bei rund 44-46% der Haushalte stagnierende
Wohneigentumsquote in Deutschland liefert keine unmittel-
bare Evidenz für positive Effekte der Förderung.

Solche einfachen Vergleiche, die von allen anderen Einfluss-


faktoren – insbesondere auch von der Bevölkerungsent-
wicklung und der Konjunkturlage – abstrahieren, sollten je-
doch nicht überbewertet werden. Insbesondere sagen sie
nichts über die soziale Treffsicherheit der Förderung aus.
Umfassendere Untersuchungen zu den Wirkungen der Ei-
genheimzulage kommen in dieser Hinsicht zu unterschied-
lichen Aussagen: So wird bemängelt, dass die Förderung zu
Preiserhöhungen insbesondere bei Bauland geführt habe,
ein Teil der Fördereffekte damit von den Bodenbesitzern ab-
geschöpft worden sein könnte und die Förderung per saldo
vor allem den wohlhabenderen Haushalte genutzt haben
könnte (Färber 2003: 106). Andere Untersuchungen legen
aber aufgrund von Nachfragestruktureffekten positive Ef-
fekte auf das Wohnungsangebot, das Preisniveau im Miet-
wohnungsmarkt und eine Verbesserung der Wohnungssitu-
ation auch sozial schwacher Haushalte nahe (Voß 2001:
249ff.). Darüber hinaus haben vermutlich Familien in beson-
derem Maße von der Eigenheimzulage profitiert (ARGEBAU
2002; Sigismund 2003: 2ff.).

108
4. Zusammenfassung und Ausblick

Die Wohneigentumsförderung kann in Deutschland auf eine


lange Tradition zurückblicken. Wie in vielen anderen europä-
ischen Ländern wurde die Wohneigentumsbildung in
Deutschland bisher mit erheblichem öffentlichen Mittelein-
satz gefördert. In Deutschland wurde mit der Abschaffung
der Eigenheimzulage für Neufälle zu Jahresbeginn 2006
eine Zäsur vollzogen. In der Folge sind die Baugenehmi-
gungen zunächst eingebrochen, dies kann aber durchaus
noch mit Vorzieheffekten begründet werden. Erst langfristig
wird sich zeigen, welche Effekte die neue Förderung des
selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen der Riester-
Rente haben wird. Das Instrument ist komplex konstruiert
und stellt daher hohe Anforderungen an die Kompetenz der
Nutzer und die Beratungsqualität der Finanzdienstleister.

109
Nach ersten Zahlen – die ersten Wohn-Riester-Produkte
wurden Anfang November 2008 zertifiziert – scheint das
Produkt, seiner Komplexität und Erklärungsbedürftigkeit
zum Trotz, auf hohe Akzeptanz zu stoßen.8

8 Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schätzt die bis zum
Jahresende 2008 abgeschlossenen Wohn-Riester-Verträge auf 40.000
(BMAS 2009). Nach Branchenberichten sind im ersten Quartal 2009 wei-
tere 60.000 Verträge hinzugekommen (Handelsblatt 2009).

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115
Arnold Kling

Amerikas Subprimekrise1

Der Immobiliensektor spielt in der Geschichte der Vereini-


gten Staaten seit jeher eine wichtige wirtschaftliche Rolle.
Die Regierung verfolgte dabei immer die politische Linie,
den Eigenheimerwerb zu fördern und zu unterstützen. Die-
ser Prozess ging einher mit einer Struktur, die durch Fremd-
finanzierungen, spekulative Maßlosigkeit und finanzielle Eng-
pässe geprägt war. Das jüngste dramatische Kapitel dieser
Geschichte ist die 2007 ins Rollen gekommene Finanzkrise.

Bei Subprime-Hypotheken handelte es sich um Darlehen für


Schuldner, die weder über die Fähigkeit noch die Erfahrung
verfügten, mit den aufgenommenen Schulden angemessen
umzugehen. Für viele dieser Darlehen mussten nur niedrige
Anzahlungen geleistet werden. Die Darlehensnehmer spe-
kulierten häufig auf steigende Hauspreise, um die erwor-
bene Immobilie gewinnträchtig wieder verkaufen oder neue,
auf gestiegenen Häuserwerten beruhende Darlehen auf-
nehmen zu können.

1 Übersetzung aus dem Englischen von Tanja Felder.

116
Das Risiko der Hypothekendarlehen wurde durch den Pro-
zess der Verbriefung weiter erhöht, was Banken und ande-
ren Finanzinstituten die Möglichkeit einer starken Hebelwir-
kung eröffnete. Dies bedeutete das Eingehen von Risiken
mit relativ wenig Kapital zum Schutz der eigenen Zahlungs-
fähigkeit. Die Institute erfüllten dabei zwar die geltenden
Vorschriften hinsichtlich ihrer Eigenkapitalausstattung, doch
boten diese Vorschriften keinen ausreichenden Schutz für
die Sicherheit und Unversehrtheit von Banken und anderen
großen Finanzinstituten.

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Situation in den


USA. Die globale Dimension der Krise ist dabei jedoch nicht
aus den Augen zu verlieren, denn unabhängig von den US-
amerikanischen institutionellen Besonderheiten entstanden
auch in Spanien, Großbritannien und anderen Ländern Im-
mobilienblasen. Darüber hinaus standen amerikanische
Mortgage Backed Securities – durch Hypotheken unterlegte Wert-
papiere – weltweit hoch im Kurs, so dass der Zusammen-
bruch auch Auswirkungen auf Bankensysteme in Europa
und anderen Teilen der Welt hatte.

Der erste Teil dieses Beitrags bietet einen Überblick über


den institutionellen Hintergrund und die Geschichte der Sub-
primekrise. Im zweiten Teil wird der Begriff der Verbriefung
erläutert und genauer beleuchtet, welche Rolle diesem Pro-
zess in der Krise zukam. Teil drei befasst sich mit der Locke-
rung der Vergabebedingungen für Kredite sowie mit der Im-
mobilienblase. In Teil vier werden Missverständnisse und

117
der Wissensabstand näher beleuchtet, der quantitative Risi-
komodellierer von den verantwortlichen Führungskräften in
den Unternehmen und den Regulierungsbehörden unter-
schied, bevor abschließend ein Ausblick auf mögliche Sze-
narien einer Reform der bestehenden Vorschriften skizziert
wird.

1. Hintergrund

Die Institutionen und politischen Leitlinien des amerika-


nischen Immobilienfinanzierungssystems bildeten sich im
Zuge historischer Krisen und regulatorischer Eingriffe he-
raus. Die Probleme von 2007 gingen zurück auf die Maß-
nahmen, die als Lösung für die Savings-and-Loans-Krise der frü-
hen 1980er Jahre ergriffen worden waren, die ihrerseits aus
den Antworten auf die finanziellen Schwierigkeiten der
Großen Depression entstanden war.

In den USA nahm die Große Depression 1930 ihren Anfang


und endete nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Rezession
war dabei maßgeblich durch den Kollaps des Immobilienfi-
nanzierungssystems bedingt, das zwei grundlegende
Schwächen aufwies.

Eine der Schwächen des damaligen Systems war die Mög-


lichkeit des Immobilienerwerbs auf Grundlage so genannter
„Ballon“-Hypotheken. Die gesamte Tilgung dieser Hypothe-
ken war zu dem vereinbarten Endtermin fällig, der für ge-
wöhnlich auf fünf Jahre nach der Ausgabe datiert war. Die-

118
ser Fünf-Jahres-Zeitraum war jedoch für die
Darlehensnehmer nicht ausreichend, um genügend Gelder
zusammenzutragen, um die „Ballon“-Zahlung leisten zu kön-
nen, so dass das gesamte System allein davon abhing, ob
der Darlehensnehmer bei Fälligkeit des Ausgangsdarlehens
ein neues Darlehen erhalten würde.

Eine andere Schwäche bestand darin, dass die Banken, die


Hypothekendarlehen ausgaben, selbst Vertrauenskrisen
ausgesetzt waren. Bei ersten Zweifeln an der Integrität einer
Bank zogen Anleger schnellstmöglich ihre Gelder aus einer
solchen Bank zurück. Durch einen solchen Ansturm konnte
eine Bank in den Ruin getrieben werden, wenn es ihr nicht
gelang, all ihre ausstehenden Darlehen einzufordern, um der
plötzlichen Nachfrage ihrer Anleger gerecht zu werden.

In den frühen 1930er Jahren machte ein Viertel aller ameri-


kanischen Banken Bankrott, viele davon infolge solcher An-
stürme. Dieser Umstand führte zu einer Austrocknung des
Marktes für Hypothekendarlehen, so dass Darlehensneh-
mer mit Ballon-Hypotheken keine neuen Darlehen aufneh-
men konnten. Die Folge davon war eine Welle von Zahlungs-
ausfällen und Zwangsversteigerungen.

Die Antwort der Politik des New Deal von Franklin Roosevelt
auf diese Probleme sah zur Beruhigung der Anleger eine
Einlagensicherung vor. Ziel dieser Einlagensicherung war es,
Anstürme auf die Banken zu verhindern; ein Ziel, das auch
nahezu vollständig erreicht werden konnte. Eine andere

119
Maßnahme des New Deal bestand in der Förderung von Hy-
potheken mit einer Laufzeit von 30 Jahren, also Darlehen,
zu deren Tilgung ein monatlicher Teil des Nominalwertes so-
wie Zinsen bezahlt wurden, so dass der ausstehende Darle-
hensbetrag bis zum festgelegten Endtermin schrittweise auf
null sank und die Gefahr einer fällig werdenden „Ballon“-
Zahlung ausgeschlossen war.

Zur Förderung dieser sichereren Hypothekenform wurde im


Zuge des New Deal die Federal Housing Administration (FHA) ins
Leben gerufen, deren Aufgabe die Besicherung von 30-Jah-
res-Darlehen war, die für den erstmaligen Eigenheimerwerb
bestimmt waren. Darüber hinaus wurde durch den New Deal
die Federal National Mortgage Association (Fannie Mae) gegründet,
um die Hypotheken der FHA und vergleichbare, von Darle-
hensgebern an Eigenheimkäufer mit niedrigem Risikoprofil,
die nicht für von der FHA subventionierte Darlehen infrage
kamen, ausgegebene Darlehen aufzukaufen.

Hypothekendarlehen wurden nach dem zweiten Weltkrieg


vorrangig von den als Sparkassen fungierenden so genann-
ten Savings-and-Loans-Instituten (S&L-Instituten) vergeben. Die
Einlagen in diese Institute, die Festhypotheken mit einer
Laufzeit von 30 Jahren ausgaben, waren durch die Einlagen-
sicherung der Regierung geschützt. Diese Kombination ver-
hinderte, dass sich ein mit der Großen Depression ver-
gleichbarer Kollaps wiederholte, ebnete jedoch den Weg für
einen finanziellen Kollaps anderer Art.

120
In den 1970er Jahren kam es zu einem Anstieg von Inflation
und Zinssätzen. Höhere Zinssätze senkten den Marktwert
der ausstehenden Hypotheken der S&L-Institute, die in
Zeiten geringer Inflation mit Zinssätzen 6% oder weniger
ausgegeben worden waren. In den frühen 1980er Jahren
erreichten die Hypothekenzinssätze im Zuge der strengeren
Währungspolitik zur Senkung der Inflation Werte von 12%.
Zudem schnellten die Zinsen für kurzfristige Darlehen in die
Höhe, so dass die S&L-Institute entweder hohe Zinssätze
bezahlen mussten, um an Geld zu kommen, oder Einlagen
an Wettbewerber verloren.

Mitte der 1980er Jahre waren die meisten S&L-Institute in-


solvent und die Einlagen wurden über die Einlagensicherung
der Regierung zurückbezahlt. Zur Verwaltung der Vermö-
genswerte der insolventen S&L-Institute wurde eine neue
vorübergehende Agentur namens Resolution Trust Corporation
gegründet. Die Gesamt-Nettokosten für die amerikanischen
Steuerzahler werden auf etwa 150  Milliarden US-Dollar in
dessen damaligem Wert geschätzt.

Die Diagnose der S&L-Krise konzentrierte sich auf drei Fak-


toren: Ein kausaler Faktor war das von den S&L-Instituten
bei der Ausgabe von durch kurzfristige Einlagen finanzierten
langfristigen Hypotheken eingegangene Zinsänderungsrisi-
ko. Das zweite Problem bestand darin, dass die S&L-Insti-
tute ihre Rechnungslegung auf den Anschaffungskosten ba-
sierten. Dadurch wurden die Schwierigkeiten, mit denen sie
tatsächlich konfrontiert waren, verschleiert und die Auf-

121
sichtsbehörden wurden daran gehindert, von den S&L-Insti-
tuten rechtzeitig eine Kapitalerhöhung zu verlangen bzw. in-
solvente Einrichtungen zu schließen. Im Rahmen der auf den
Anschaffungskosten beruhenden Rechnungslegung wurden
Hypotheken mit niedrigen Zinssätzen, deren Wert aufgrund
von steigenden Marktzinssätzen gesunken war, zu ihrem ur-
sprünglichen Wert verbucht. Durch dieses Vorgehen wur-
den das ausgewiesene Kapital und der Nettowert der S&L-
Institute zu hoch angesetzt. Der dritte Faktor betraf die
Tatsache, dass es keine formellen Kapitalstandards mehr
gab, so dass ein zu großer Teil des Risikos von den Steuer-
zahlern und ein zu geringer Teil von den S&L-Instituten selbst
getragen wurde.

Auf Grundlage dieser Diagnose wurde eine neue politische


Marschroute eingeschlagen. Einlageninstitute wurden durch
regulatorische Maßnahmen entmutigt, Zinsänderungsrisiken
einzugehen. Stattdessen förderte die Politik die Verbriefung
von Hypotheken (siehe Teil zwei dieses Beitrags), mit einem
stetig wachsenden Anteil von Fannie Mae und der 1970 ge-
gründeten Freddie Mac an der Vergabe von Hypothekendarle-
hen. Die Rechnungslegung auf Grundlage der Anschaf-
fungskosten wurde von der Rechnungslegung auf Grundlage
des Marktwertes abgelöst. Schließlich wurden auf Grundla-
ge der Basler Akkorde Eigenkapitalvorschriften erlassen,
die eine Veränderung der Kapitalanforderungen von Banken
je nach Risiko verschiedener Anlageklassen vorsahen.

122
Im Folgenden soll nun aufgezeigt werden, wie all diese Maß-
nahmen zur Beilegung der S&L-Krise zum Entstehen der
Subprimekrise beitrugen. Der Verbriefungsprozess führte
zu einer hohen Anzahl von Vermögenswerten, die durch un-
solide Hypothekendarlehen unterlegt waren. Die Nachfrage
nach diesen Vermögenswerten wurde durch risikobasierte
Eigenkapitalvorschriften geschürt, wie der zweite Teil dieses
Beitrags aufzeigen wird. Diese risikobasierten Eigenkapital-
vorschriften und die Rechnungslegung auf Grundlage des
Marktwertes griffen schließlich in einer Weise ineinander,
die den Finanzzyklus verstärkte. Angesichts euphorischer
Märkte und aufgeblähter Anlagewerte schien das Banken-
kapital stark zu sein. Mit nachlassendem Vertrauen der Mär-
kte mussten die Banken den Wert ihrer Anlagen jedoch
nach unten korrigieren, was eine Schwächung ihrer Kapital-
ausstattung, die Notwendigkeit, mehr Anlagen zu verkaufen
und schließlich eine weitere Entwertung zur Folge hatte.
Die­se Abwärtsspirale war einer der Hauptgründe für die Un-
zufriedenheit bei Bankern und Politikern.

2. Die Rolle der Hypothekenverbriefung

Verbriefte Hypothekendarlehen, die durch das Zusammen-


legen Hunderter von Hypotheken entstehen, deren Rück-
zahlungsbeträge an die Inhaber von Wertpapieren durchge-
reicht werden, kam in der Subprimekrise eine besondere
Rolle zu.

123
Angenommen, die große Hypothekenbank Countrywide Fun-
ding gibt in diesem Monat zweihundert Standard-Hypothe-
kendarlehen mit einem durchschnittlichen Umfang von je-
weils 300.000 US-Dollar aus, was einem Gesamtwert von
60 Millionen US-Dollar entspricht. Countrywide verkauft diese
Darlehen an Freddie Mac, die ihrerseits ein durch die Hypothe-
ken unterlegtes Wertpapier ausgibt. Anteile an diesem
Wertpapier können daraufhin von Banken oder Pensions-
fonds aufgekauft werden, die monatlichen Zahlungen der
Schuldner werden direkt an die Banken und Pensionsfonds
weitergeleitet.

Kommt ein Darlehensnehmer seinen Zahlungen für eine


durch eine von Freddie Mac verbriefte Hypothek nicht nach,
zieht Freddie Mac das Darlehen aus dem Wertpapier zurück
und entrichtet den Tilgungsbetrag an die Wertpapierinhaber.
Auf diese Weise bietet Freddie Mac eine Garantie gegen Hy-
pothekenausfälle, die bei den Banken und Pensionsfonds
wiederum Vertrauen in die Wertpapiere von Freddie Mac
schafft. Um diese Garantie abzusichern, baut Freddie Mac wie
eine Versicherungsgesellschaft Kapital und Verlustrückla-
gen auf. Zudem waren die meisten Anleger – wie sich später
herausstellte zu Recht – davon überzeugt, dass die US-Re-
gierung nicht zulassen würde, dass Freddie Mac seinen Garan-
tieversprechen nicht nachkommt.

Die Wall Street entwickelte im Verlaufe des letzten Jahr-


zehnts eine Alternative zu den Garantien von Freddie Mac. Die
von Unternehmen der Wall Street ausgegebenen Wertpa-

124
piere wurden als so genannte Private-Label-Wertpapiere bekannt.
Diese bieten einzelnen Wertpapierinhabern Schutz vor Hy-
pothekenausfällen, während andere Wertpapierinhaber
gleichzeitig höheren Risiken ausgesetzt werden. Dies ge-
schieht durch die Unterteilung der Wertpapiere in Tranchen,
wobei die Inhaber einzelner Tranchen sämtliche Verluste tra-
gen, solange nicht mehr als beispielsweise 5% der Hypothe-
ken ausfallen. Die Inhaber der übrigen Tranchen tragen folg-
lich keinerlei Risiko, sofern die Ausfälle 5% nicht übersteigen.

In den USA gibt es eine Handvoll privater Firmen, die als


Ratingagenturen bezeichnet werden. Diesen Ratingagen-
turen kommt auf den Wertpapiermärkten traditionell eine
bedeutende Rolle zu. Sobald ein Unternehmen eine Anleihe
ausgibt, wird diese von einer solchen Ratingagentur bewer-
tet. Die höchste Bewertung wird dabei mit AAA gekenn-
zeichnet, was bedeutet, dass die Anleihe so gut wie kein
Ausfallrisiko in sich birgt. AA, A, BBB usw. sind niedrigere
Bewertungen bis hin zu einem B-Rating für Anleihen, die als
hochriskant gelten.

Der Verkauf von durch Forderungen aus Hypothekendarle-


hen unterlegten Wertpapieren, insbesondere der Tranchen
aus Private-Label-Wertpapieren, setzt den Erhalt eines Ratings
durch eine der genannten Agenturen voraus. Am be-
gehrtesten ist dabei das AAA-Rating, da für mit AAA be-
wertete Wertpapiere gemäß den Basler Eigenkapitalverein-
barungen die geringsten Anforderungen für die
Eigenkapitalbeschaffung gelten. Banken werden weltweit

125
darin bestärkt, AAA-Wertpapiere zu halten. Für Wertpa-
piere mit einem AAA-Rating ist nur die Hälfte des Kapitals
erforderlich, das für ein als riskant eingestuftes Wertpapier
vorgeschrieben ist, so dass die Bank durch das Halten von
AAA-Wertpapieren anstelle von riskanteren Anlagen ihre Ei-
genkapitalrendite effektiv verdoppelt.

Gibt eine Bank beispielsweise ein Hypothekendarlehen aus


und belässt das Darlehen in ihrer Bilanz, kann dies mögli-
cherweise dazu führen, dass sie dafür doppelt so viel Eigen-
kapital benötigt, wie wenn sie dasselbe Darlehen als Teil
eines mit AAA bewerteten und mit einer Hypothek unter-
legten Wertpapiers hält. Die Basler Eigenkapitalvorschriften
schufen so einen enormen Anreiz, Hypothekendarlehen in
Wertpapiere einzubringen.

Um die Probleme verstehen zu können, die mit der Verbrie-


fung einhergehen, versetze man sich in die Position eines
Bankdirektors, der für den Erhalt von Hypothekendarlehen
die Wahl zwischen einem direkten und einem indirekten
Weg hat. Auf dem direkten Weg werden seine Darlehen
durch sein eigenes Personal ausgegeben. Er erlässt Vor-
schriften, Richtlinien und Verfahren zur Ausgabe von Darle-
hen, entscheidet darüber, auf welchen Märkten Darlehen
angeboten werden sollen und fokussiert sich dabei vermut-
lich auf diejenigen Märkte, deren örtliche Begebenheiten
ihm bekannt sind. Er stellt das für das Befolgen der internen
Richtlinien erforderliche Personal ein und schult es. Die Ver-
gütungspolitik sieht Anreize für die Mitarbeiter vor, be-

126
stimmte Antragsteller in Übereinstimmung mit der Unter-
nehmenspolitik zu akzeptieren oder abzulehnen. Nach
erfolgter Ausgabe des Darlehens befolgen die Beschäf-
tigten im Falle eines Zahlungsausfalls des Darlehensneh-
mers die vorgesehenen Unternehmensrichtlinien, setzen
sich mit dem Schuldner in Verbindung und lösen das Pro-
blem.

Bei Beschreiten des indirekten Weges werden die Darlehen


auf Grundlage von Richtlinien ausgegeben, die von Unbe-
kannten aufgestellt werden. Die Darlehen können so aus
Märkten stammen, mit denen der Bankdirektor nicht ver-
traut ist. Die Initiatoren können auf Grundlage einer Provisi-
on bezahlt werden, die sie nur bei Abschluss eines Darle-
hensvertrags erhalten, nicht jedoch bei Ablehnung eines
Antragstellers. Gerät das Darlehen in Schwierigkeiten, be-
steht keine Möglichkeit, den Umgang mit dem Zahlungsaus-
fall zu kontrollieren.

Kein vernünftiger Bankdirektor würde den indirekten Weg


dem direkten Weg vorziehen. Im Wirtschaftsjargon gelten
die „Agenturkosten“, die bei Beschreiten des indirekten
Weges zu bezahlen sind, als unerschwinglich. Die indirekten
Initiatoren handeln mit Blick auf Anreize, die den Interessen
der Bank entgegengesetzt sind. Die Schieflage der Anreize
zwischen der Bank und den für diese zur indirekten Vergabe
tätigen Agenturen zwingt Banken dazu, zusätzliche Kosten
für die Überwachung und Prüfung der Arbeit der Initiatoren
aufzuwenden. Selbst bei gewissenhaftesten Bemühungen

127
steht zu erwarten, dass der Bank dadurch, dass Initiatoren
faule Kredite durch die Risse in den Überwachungssyste-
men der Banken schleusen, höhere Verluste aus Zahlungs-
ausfällen entstehen.

Es ist daher erstaunlich, dass 2008 nahezu drei Viertel der


Hypothekenschulden in den USA in Anwendung der indi-
rekten Methode entstanden. Um an diesen Punkt zu gelan-
gen, war eine Kombination aus Einfallsreichtum der Wall-
Street-Banken und Regelungslücken nötig.

Eine Verbriefung von Hypotheken wurde erstmals im Jahr


1968 durchgeführt, dem Jahr, in dem der unpopuläre Präsi-
dent Lyndon B. Johnson einen unpopulären Krieg in Viet-
nam führte. Den Kongress unter diesen Umständen darum
bitten zu müssen, die Grenzen der Staatsverschuldung nach
oben zu korrigieren, führte zu Reibungen und Verlegenheit
in der Regierung. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Staats-
verschuldung auch die von regierungseigenen Immobiliena-
genturen beschafften Geldmittel. 1968 fand die Regierung
zwei Möglichkeiten, diese Verschuldung aus ihren Büchern
zu verbannen.

Die Federal National Mortgage Association, die 1938 gegründet


worden war, um das Vakuum aufzufüllen, das nach den
Bankpleiten entstanden war, basierte auf dem Erwerb von
Immobiliendarlehen von unabhängigen Initiatoren, den so
genannten Hypothekenbanken. Fannie Mae, wie die Federal Na-
tional Mortgage Association später genannt wurde, agierte wie

128
eine nationale Großbank und finanzierte US-weit Darlehen.
Damals gab sie jedoch noch keine verbrieften Hypotheken-
darlehen aus, sondern finanzierte ihre Vermögenswerte als
Agentur der US-Regierung durch die Ausgabe von Anlei-
hen. Um die Schulden von Fannie Mae aus ihren Büchern zu
tilgen, privatisierte die Regierung Fannie Mae 1968 durch den
Verkauf ihrer Anteile an Investoren. Die Regierung mag da-
bei zwar ein implizites Versprechen abgegeben haben, eine
Insolvenz von Fannie Mae nicht zuzulassen, doch tauchte
dieses Versprechen in keiner Regierungsbilanz auf.

Nach dem Verkauf von Fannie Mae emittierte die Regierung


weiterhin Schuldtitel zur Finanzierung von Hypotheken im
Rahmen von Darlehensprogrammen der Federal Housing Admi-
nistration (FHA) und der Veterans Administration (VA). Um diese
Hypothekendarlehen aus ihren Büchern zu nehmen, gründe-
te die Johnson-Regierung die Government National Mortgage As-
sociation (GNMA), die von der FHA/VA besicherte Darlehen
in Wertpapieren zusammenfasste und diese an Investoren
verkaufte. Das bedeutete, dass die Regierung nicht länger
eigene Anleihen ausgeben musste, um diese Hypotheken
zu finanzieren. Die Regierung stand jedoch weiterhin für die
Ausfallsicherheit der FHA/VA-Hypotheken ein.

Die Verbriefung von Hypotheken hatte immer schon zwei


bedeutende Vorteile. Einer dieser Vorteile besteht darin,
dass sie buchhalterische Möglichkeiten eröffnet, wie zum
Beispiel die Streichung der Hypotheken aus den Regie-
rungsbüchern und damit eine Senkung der offiziellen Staats-

129
verschuldung. Ähnliche Buchhaltungstricks können bei allen
größeren Verbriefungswellen beobachtet werden. Der an-
dere große Vorteil einer Verbriefung ist, dass diese weniger
regulierten Unternehmen die Möglichkeit bieten, schneller
zu handeln als Einlageninstitute. Wenn der regulierte Ban-
kensektor nicht in der Lage war, die Nachfrage nach Hypo-
theken zu decken, trat die Verbriefung mit all ihren Vor- und
Nachteilen ein und füllte die Lücke. Während Einlageninsti-
tute (Banken und S&L-Institute) von den Regulierungsbe-
hörden oder -agenturen in Washington strenger im Zaum
gehalten wurden, konnten die Emittenten von durch Hypo-
theken unterlegten Wertpapieren Kapital bereitstellen. Hät-
te jedoch immer ein so genanntes Level Playing Field bestan-
den, wäre ein solches Verbriefungsphänomen vermutlich
nicht möglich gewesen. Die Agenturkosten hätten Verbrie-
fungen ohne Ausgleich durch regulatorische Vorteile ins
Aus katapultiert.

1970 wurden die S&L-Institute als die zur damaligen Zeit do-
minierenden Hypothekenemittenten durch zahlreiche regu-
latorische Vorschriften in ihrem Handeln eingeschränkt. Die
von ihnen für Einlagen angebotenen Zinssätze wurden durch
die Regierung im Rahmen der so genannten „Regulation Q“
nach oben begrenzt. Aufgrund der stetig wachsenden Infla-
tion lagen die Kapitalmarktzinsen deutlich über den Ober-
grenzen gemäß der Regulation Q, so dass das Geld der Spar-
kassen bald knapp wurde. Kleinere, weniger regulierte
Wettbewerber – Geldmarktfonds – schöpften Geld aus Pri-
märeinlagen ab.

130
Die Sparkassen in Kalifornien waren von der Kapitalver-
knappung besonders betroffen. Zur damaligen Zeit konnten
Einlageninstitute noch nicht über die Grenzen der einzelnen
Bundesstaaten hinweg operieren, so dass die recht hohen
Spareinlagen aus dem Osten der USA nicht in den Westen
gelangen konnten.

Um das Ungleichgewicht zwischen den im Osten vorhan-


denen Spareinlagen und der Hypothekennachfrage im We-
sten zu kompensieren, gründete der Kongress Freddie Mac
mit dem Ziel, einen nationalen „Sekundärmarkt“ für Hypo-
theken zu schaffen. Freddie Mac wurde der Aufsicht der US-
amerikanischen Bundesaufsichtsbehörde für das Bauspar-
kassenwesen, dem Federal Home Loan Bank Board, unterstellt.
Anders als die Sparkassen selbst hatte Freddie Mac die Mög-
lichkeit, Gelder von einer Küste an die andere zu transferie-
ren. So konnte Freddie Mac beispielsweise von einer Sparkas-
se in Kalifornien ausgegebene Hypothekendarlehen in
Wertpapieren bündeln und diese an eine in New York ansäs-
sige Sparkasse verkaufen.

Mit dem Ziel einer effizienteren Gestaltung des sekundären


Hypothekenmarktes sicherte Freddie Mac Wertpapierinhaber
gegen Hypothekenausfälle ab. Wurden für ein Wertpapier
von Freddie Mac keine Zahlungen mehr geleistet, sprang Freddie
Mac ein, zog die Hypothek aus dem Fonds zurück und be-
zahlte den Investoren die volle, für diese Hypothek fällige
Tilgung aus. Anschließend versuchte Freddie Mac, so viel Geld

131
wie möglich über die Zwangsversteigerung wieder hereinzu-
holen.

In den 1970er Jahren handelten Fannie Mae und Freddie Mac


unterschiedlich. Freddie Mac kaufte vornehmlich Darlehen
von Sparkassen auf, brachte diese in Wertpapiere ein und
verkaufte diese Wertpapiere an Investoren. Fannie Mae kaufte
in erster Linie Darlehen von Hypothekenbanken auf und glie-
derte diese in ihr durch Schulden finanziertes Portfolio ein.
Fannie Mae ging damit neben einem Zinsänderungsrisiko auch
ein Hypothekenkreditrisiko ein. In den 1980er Jahren entwi-
ckelte Freddie Mac jedoch ein Programm, das Sparkassen die
Möglichkeit eröffnete, Hypotheken, deren Wert aufgrund
höherer Zinssätze nach der Darlehensvergabe gesunken
war, gegen Wertpapiere einzutauschen, ohne einen Verlust
zu verbuchen. Dieses Programm erwies sich als so einträg-
lich, dass Fannie Mae, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ein
vergleichbares Programm auflegte und damit selbst in das
Wertpapiergeschäft einstieg.

1988 wurden die Anteile an Freddie Mac unter den Sparkas-


sen aufgeteilt und 1989 an der New Yorker Börse der Öf-
fentlichkeit zum Kauf angeboten, womit Freddie Mac ebenso
wie Fannie Mae zwanzig Jahre zuvor privatisiert wurde. In ihrer
neuen Form übernahm Freddie Mac von Fannie Mae die Strate-
gie des Aufkaufs von Darlehen und verbrieften Hypotheken
für ihr durch Schulden finanziertes Portfolio und setzte diese
in immer größerem Umfang um. Bald waren beide Unter-

132
nehmen im Verbriefungsgeschäft aktiv und hielten Portfo-
lios.

2003 hielten Freddie Mac und Fannie Mae gemeinsam 50% der
in den USA ausstehenden Hypothekenschulden. Die Einla-
geninstitute konnten nicht länger mit den beiden als so ge-
nannte Government Sponsored Enterprises (GSE) bekannten Unter-
nehmen Schritt halten.

Einer der grundlegenden Wettbewerbsvorteile der GSE lag


in den Kapitalanforderungen. Von Banken wird eine Eigen-
kapitalquote von 8% bezogen auf ihre risikogewichteten Ak-
tiva gefordert. 1989 verabschiedeten die USA die von der
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ausgearbeiteten
Anforderungen, die aufgrund des Baseler Sitzes der BIZ un-
ter dem Namen Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel  I)
bekannt wurden. Gemäß Basel I liegt das Risikogewicht von
Hypothekendarlehen bei 50%, woraus sich für Hypotheken-
darlehen eine erforderliche Eigenkapitalquote von 4% er-
gibt. Als Basel II weiter ausgearbeitete Kapitalanforderungen
ermöglichen für risikoarme Hypotheken mit Anzahlungen
von über 40% ein Risikogewicht von 20%, wohingegen das
Risikogewicht von Darlehen mit Anzahlungen von 20 bis
40% bei 35% liegt.

Für Hypothekendarlehen mit Anzahlungen von 20% oder


mehr gelten deutlich höhere Kapitalanforderungen als für
Freddie Mac und Fannie Mae. Freddie Mac und Fannie Mae unterlie-
gen anderen Vorschriften, die in der Praxis zu einer Eigenka-

133
pitalquote von unter 3% führten, was deutlich unter der für
Banken geltenden Eigenkapitalquote liegt.

Das Ergebnis der für risikobasiertes Kapital geltenden Vor-


schriften war, dass Freddie Mac und Fannie Mae mit den von ih-
nen ausgegebenen risikoarmen Hypotheken eine höhere Ei-
genkapitalrendite erzielten als Banken. Das risikoarme Ende
des Hypothekenmarktes verschob sich damit in Richtung
auf die GSEs.

2004 entstand durch eine Reihe von Marktentwicklungen


ein besonderes, durch niedrige Anzahlungen gekennzeich-
netes Hypothekendarlehen, das von Hypothekenmaklern
ausgegeben und von Unternehmen der Wall Street verbrieft
wurde. Diese durch Hypotheken unterlegten Wertpapiere
wurden zur Unterscheidung der von den GSEs ausgege-
benen Wertpapiere als Private-Label-Wertpapiere bezeichnet.

Die Private-Label-Verbriefung zielte auf ein Marktsegment ab,


das von den GSEs als zu riskant angesehen wurde. Dieses
Segment richtete sich an Darlehensnehmer mit geringer
Kreditwürdigkeit oder mit Einkommen, die in der Vergangen-
heit als zu gering für die Vergabe eines Wohnimmobiliendar-
lehens erachtet worden wären. Dieser so genannte Subpri-
me-Markt wurde von der Private-Label-Verbriefung dominiert.

Eine der Entwicklungen, die zu diesem Phänomen der Pri-


vate-Label-Verbriefung führte, war das als Credit Scoring bezeich-
nete Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung. In den späten

134
1990er Jahren hatte das Credit Scoring bei den GSEs die nicht
automatisierte Vergabe von Darlehen abgelöst. Diese ko-
stengünstige und hinreichend genaue Methode trug zudem
zu einer Senkung der mit der indirekten Darlehensvergabe
verbundenen Agenturkosten bei. Die objektive Berechnung
von Credit Scores erfolgt durch unabhängige Spezialunterneh-
men wie bspw. dem bekanntesten Anbieter Fair Isaac. Beden-
ken, der Initiator könnte Makel in der Kredithistorie des Dar-
lehensnehmers verschleiern, können auf diese Weise
beseitigt werden.

Eine weitere Entwicklung war das so genannte Financial Engi-


neering. Wir erinnern uns, dass die Basler Eigenkapitalvor-
schriften eine Nachfrage nach Wertpapieren mit AAA-Ra-
ting begründeten. Diese Nachfrage war nicht auf die USA
begrenzt, sondern war weltweit zu beobachten. Um dieser
Nachfrage gerecht zu werden, entwickelten die Finanzinge-
nieure der Wall Street Techniken, um hochriskante Darlehen
in AAA-Wertpapieren zu verbriefen.

Der Cash Flow aus einem Hypothekenfonds konnte so aufge-


teilt werden, dass etwa die ersten 5% Hypothekenausfälle
von den nachgeordneten Wertpapieren, den so genannten
Junior Securities, getragen wurden und die mit besonderen Vor-
rechten ausgestatteten Senior Securities von diesem Teil des
Ausfallrisikos unberührt blieben. Die auf diese Weise iso-
lierten Senior Securities konnten dadurch von den Agenturen ein
AA- oder AAA-Rating erhalten, so dass diese Wertpapiere
in institutionelle Portfolios aufgenommen werden konnten.

135
Eine Bank konnte so beispielsweise ein AA-Wertpapier mit
einem Risikogewicht von 20% halten.

Im Zentrum der Finanzkrise, die 2007 ihren Lauf nahm, stan-


den Verluste bei Wertpapieren, die durch Hypotheken un-
terlegt waren. Die meisten Verluste entstanden dabei durch
Wertpapiere, die durch riskante Darlehen, die so genannten
Subprime-Hypotheken, unterlegt waren. Dabei handelt es
sich um Darlehen, die ohne Überprüfung der für die Rück-
zahlung der Darlehen ausreichenden Einkommenssituation
an Darlehensnehmer mit unzulänglichem Kreditmanagement
vergeben wurden. Mit den weiter fallenden Preisen für Woh-
nimmobilien in den Jahren 2007 und 2008 und der in eine
Rezession abrutschenden Wirtschaft begannen jedoch
auch Darlehen, die an verlässliche Darlehensnehmer verge-
ben worden waren, hohe Ausfallraten aufzuweisen. Die Hy-
pothekenausfälle betrafen besonders Institute mit einem
großen Anteil an durch Hypotheken unterlegten Wertpapie-
ren wie Bear Stearns, Lehman Brothers, Freddie Mac, Fannie Mae und
die Citigroup. Darüber hinaus war auch der US-Versiche-
rungskonzern AIG, der die Inhaber von verbrieften Hypothe-
ken durch Credit Default Swaps versichert hatte, von den Pro-
blemen im Zusammenhang mit diesen Wertpapieren
betroffen. AIG war damit gewissermaßen Versicherer von
durch Hypotheken unterlegten Wertpapieren, so dass die
Geschäftspartner von AIG angesichts der hohen Wertpa-
pierausfallraten das Vertrauen in das Unternehmen verlo-
ren. Ihre Nachfrage nach Sicherheiten zwang die Versiche-

136
rungsgesellschaft, Hilfszahlungen von der US-Regierung in
Anspruch zu nehmen.

Der Vorgang der Verbriefung trug dadurch vermutlich we-


sentlich zum Entstehen und Platzen der Immobilienblase in
den USA bei, da er in den Köpfen von Investoren und Auf-
sichtsbehörden die Illusion schuf, die Unternehmen wären
vor Hypothekenausfällen sicher, obwohl das System dieses
Risiko weiter in sich barg und sich durch die Einbeziehung
ungeeigneter Darlehensnehmer sogar ausweitete.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass in anderen


Ländern auch ohne die beschriebenen Verbriefungen Immo-
bilienblasen entstanden. Die Verbriefungen in den USA wa-
ren es jedoch, die die komplexen Verbindungen zwischen
den Finanzeinrichtungen schufen, die zu den so weit rei-
chenden Folgen dieser Krise führten.

3. D
 ie US-Immobilienblase und
Subprime-Hypotheken

In den USA verstärkten sich der Verbriefungsprozess und


die Immobilienblase gegenseitig. Mit den steigenden Haus-
preisen sank die Anzahl der Hypothekenausfälle. Ein Darle-
hensnehmer, der bei steigendem Wert seiner Immobilie
nicht in der Lage ist, sein Hypothekendarlehen zurückzube-
zahlen, nimmt entweder ein neues Darlehen auf oder ver-
kauft sein Haus, um so von der Aufwertung zu profitieren,

137
anstatt einen Kreditausfall und damit die Übernahme seiner
Immobilie durch den Darlehensgeber in Kauf zu nehmen.

Die sinkende Anzahl an Hypothekenausfällen führte jedoch zu


einer Lockerung der Vergabekriterien seitens der Darlehens-
geber. Sie begannen, große Darlehensvolumina zu vergeben,
bei denen es sich um so genannte Subprime-Hypotheken han-
delte. Im Zuge dessen vergaben Darlehensgeber Darlehen an
Antragsteller mit einer schlechten Kredithistorie und geringen
Einkommen. Gängige Regel in den USA ist es eigentlich, dass
Familien Häuser kaufen, deren Wert das Zwei- bis Dreifache
ihres Jahreseinkommens nicht übersteigt. Auf dem Höhepunkt
der Immobilienblase 2006 lag der durchschnittliche Hauspreis
in einigen Bezirken Kaliforniens hingegen zehn Mal über dem
durchschnittlichen Haushaltseinkommen.

Exkurs
Was ist eine Subprime-Hypothek?

Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Subpri-


me-Hypothek gibt es nicht. Einfach formuliert handelt es
sich um ein Hypothekendarlehen, das mit höherem Risiko
behaftet ist als erstklassige Darlehen.

Bei der Vergabe von Hypothekendarlehen spricht man im


anglophonen Sprachraum im Allgemeinen von den „drei
C’s“:

– Collateral (Sicherheiten)

138
– Capacity (Zahlungsfähigkeit)
– Credit (Kreditwürdigkeit)

Das erste „C“ steht für „Collateral“ und bezeichnet den


Wert der Immobilie, der hinter dem Darlehen steht. Bei einer
Hypothek handelt es sich um ein durch eine Immobilie besi-
chertes Darlehen. Hypothekendarlehen für den Immobilie-
nerwerb sehen für gewöhnlich monatliche Zahlungen des
Darlehensnehmers vor. Kommt der Darlehensnehmer sei-
ner Zahlungsverpflichtung nicht fristgemäß nach, erhält er
vom Darlehensgeber eine schriftliche Zahlungserinnerung.
Bleibt der Darlehensnehmer mehr als drei monatliche Zah-
lungen schuldig, leitet der Darlehensgeber normalerweise
die Zwangsversteigerung ein. Bei einer Zwangsversteige-
rung handelt es sich um ein gesetzliches geregeltes Verfah-
ren zur Versteigerung der betreffenden Immobilie, deren Er-
lös an den Darlehensgeber geht. Der Darlehensgeber kann
dabei ein Gebot mindestens in der Höhe des ausstehenden
Darlehensbetrages verlangen. Ergeht kein Gebot in dieser
Höhe, geht die Immobilie in das Eigentum des Darlehensge-
bers über. Der Darlehensgeber wird daraufhin versuchen,
die ausstehenden Beträge soweit wie möglich durch die Sa-
nierung und den Verkauf der Immobilie wieder zu erlangen.

Je höher die Anzahlung des Darlehensnehmers, desto bes-


ser ist der Darlehensgeber gegen Verlust geschützt. Bei ei-
ner Anzahlung in Höhe von $ 40.000 auf eine Immobilie mit
einem Wert von $ 200.000, umfasst das Hypothekendarle-
hen $160.000. Werden die Zahlungen eingestellt und die

139
Zwangsversteigerung der Immobilie zugelassen, trägt der
Darlehensgeber keinerlei Verlustrisiko, solange die Immobi-
lie nach wie vor mindestens $ 160.000 wert ist. Hingegen ist
es unwahrscheinlich, dass der Darlehensnehmer die
Zwangsversteigerung seiner Immobilie zulassen wird, wenn
sie noch beispielsweise $  180.000 wert ist. Eine bessere
Alternative für einen Darlehensnehmer, der seine Hypothe-
kenzahlungen nicht mehr leisten kann, wäre es, die Immobi-
lie zu verkaufen, den Darlehensgeber auszubezahlen und
selbst nur $  20.000 von den als Anzahlung geleisteten
$ 40.000 zu verlieren.

Der Wert der Sicherheiten wird in einer Schätzung ermittelt.


Hierzu wird die Immobilie von einem Gutachter in Augen-
schein genommen und unter Bezugnahme auf den Wert an-
derer Immobilien, die kürzlich in derselben Gegend verkauft
wurden, bewertet. Der Darlehensgeber trägt ein gewisses
Risiko, wenn der in dem Gutachten bestimmte Wert künst-
lich in die Höhe getrieben wird. Bei Hypothekendarlehen für
den Eigenheimerwerb sind diese Gutachten in der Regel
verlässlich, sofern sich nicht mehrere der Beteiligten auf das
Erzielen eines falschen Transaktionspreises verständigt ha-
ben. Bei Refinanzierungen, für die der Darlehensnehmer ein
neues Hypothekendarlehen aufnimmt, um ein altes abzube-
zahlen, liegt hingegen keine Kauftransaktion vor, die als Be-
zugspunkt für die Bewertung herangezogen werden könnte.
Bei einem bestimmten Verhältnis zwischen dem Betrag des
Darlehens und dem geschätzten Wert ist die Sicherheit bei

140
Refinanzierungstransaktionen mit einem größeren Risiko
behaftet als bei Kauftransaktionen.

Das zweite „C“ steht für „Capacity“ und bezeichnet die Fä-
higkeit des Darlehensnehmers, die monatlichen Zahlungen
zur Tilgung des Hypothekendarlehens leisten zu können. Bei
der Vergabe eines erstklassigen Darlehens (Prime Loan) ist
der Darlehensgeber darauf bedacht, dieses an eine Person
zu vergeben, die einer geregelten beruflichen Tätigkeit nach-
geht, die ein ausreichend hohes Gehalt erzielt, damit die Til-
gung des Darlehens für den Darlehensnehmer keine über-
mäßige Last darstellt. Ist der Darlehensnehmer arbeitslos
oder übt dieser eine Tätigkeit mit stark schwankendem Ein-
kommen aus wie beispielsweise als Schauspieler oder freier
Autor, prüft der Darlehensgeber, ob der Darlehensnehmer
über ausreichende Vermögenswerte verfügt, um seiner
Zahlungspflicht auch in Zeiten geringerer Einkünfte weiter-
hin nachkommen zu können.

Bei erstklassigen Hypothekendarlehen werden die beruf-


liche Tätigkeit, die Einkünfte und das vorhandene Vermögen
des Darlehensnehmers durch Dritte wie etwa den Arbeitge-
ber oder die Bank des Darlehensgebers beigebrachte Nach-
weise überprüft. Bei zweitklassigen Darlehen (Subprime Loans)
werden hingegen auch schwächere Nachweise akzeptiert.
Den Extremfall stellen dabei so genannte NINJA-Darlehen
(„no verification of income, job or assets“) dar, bei deren Vergabe kei-
ne Überprüfung des Einkommens, der beruflichen Tätigkeit
oder der vorhandenen Vermögenswerte erfolgt. Ein anderer

141
Begriff ist das so genannte „Stated-Income“-Darlehen, bei dem
der Darlehensgeber den Angaben des Darlehensnehmers
bezüglich der Haushaltseinkünfte ohne jegliche Überprü-
fung Glauben schenkt. Diese Darlehen werden auch als
„Liar Loans“ (Lügner-Darlehen) bezeichnet, da für den Darle-
hensnehmer ohne Überprüfung kaum Veranlassung be-
steht, die Wahrheit zu sagen. Für die meisten Darlehensneh-
mer ist die Überprüfung ihres Einkommens, ihrer beruflichen
Tätigkeit oder ihres Vermögens unnötiger Papierkram. An-
dererseits lädt ein Unterlassen dieser formellen Überprü-
fungen zu Missbrauch und falschen Angaben ein. Nahezu
alle Darlehen mit unvollständiger Dokumentation gelten als
zweitklassige Darlehen.

An dritter Stelle steht die Kreditwürdigkeit des Darlehens-


nehmers („Credit“). In den USA gibt es privatwirtschaftliche
Unternehmen („Credit Bureaus“), die überprüfen, wie es um die
Zahlungsmoral einzelner Personen im Umgang mit ihren
Kreditkarten, Hypothekendarlehen und Automobildarlehen
bestellt ist. Diese Unternehmen geben auch Auskunft über
mögliche Vorstrafen. Bewirbt sich eine Privatperson um ei-
nen Kredit, einschließlich Hypothekendarlehen, ist der Dar-
lehensgeber gesetzlich befugt, von diesen Kreditbüros be-
stimmte Kreditauskünfte (so genannte „Credit Reports“)
einzuholen.

Bis Mitte der 1990er Jahre wurde bei der Auswertung die-
ser Credit Reports auf Einzelkreditprüfer zurückgegriffen. Seit-

142
her hat sich die Praxis hin zu einem Punktesystem mit so
genannten „Credit Scores“ verlagert. Dieses Punktesystem ba-
siert auf einer statistischen Auswertung des Credit Reports.
Während bei einer Auswertung durch Einzelkreditprüfer der
Fokus einzig auf erkennbar nachteiligen Merkmalen eines
Credit Reports wie ausstehenden Tilgungsraten lag, werden bei
einer auf Credit Scores beruhenden Auswertung andere Fak-
toren berücksichtigt. Einer dieser Faktoren ist die Inan-
spruchnahme: Eine Person mit einer Kreditlinie von $ 20.000
und einem ausstehenden Saldo in Höhe von nur $  1.000
weist eine geringe Inanspruchnahme und damit einen gün-
stigen Credit Score auf. Ein ausstehender Saldo in Höhe von
$ 18.000 weist hingegen auf eine starke Inanspruchnahme
hin und führt zu einem nachteiligen Credit Score.

Einer der Indikatoren für ein zweitklassiges Darlehen ist ein


relativ geringer Credit Score des Darlehensnehmers. Je nach
angewandtem System kann somit ein Punktestand von 730
oder mehr als erstklassig, ein Punktestand von 690 oder
weniger als zweitklassig betrachtet werden. Credit Scores zwi-
schen 690 und 730 können je nach Vergabekriterien der
unterschiedlichen Darlehensgeber sowohl als erst- als auch
als zweitklassig behandelt werden.

Bei der Vergabe von Hypothekendarlehen werden meist bei


einem der beschriebenen drei „C‘s“ Abstriche gemacht.
Stehen sowohl die Sicherheiten als auch die Zahlungsfähig-
keit und die Kreditwürdigkeit auf einer sicheren Grundlage,
so deutet dies auf ein erstklassiges Darlehen hin. Sind sta-

143
bile Sicherheiten vorhanden und weisen die Zahlungsfähig-
keit und die Kreditwürdigkeit hingegen Schwächen auf, so
handelt es sich um ein zweitklassiges Darlehen, auch wenn
das Risiko durch die Anzahlung des Darlehensnehmers ver-
ringert wird.

Der Umgang mit erst- und zweitklassigen Darlehen hängt


von den Kriterien der einzelnen Darlehensgeber ab. Manche
Darlehensgeber lehnen die Vergabe von zweitklassigen
Darlehen strikt ab. Andere vergeben zwar zweitklassige
Darlehen, belegen diese jedoch mit einem sehr viel höheren
Zinssatz, um das größere Risiko zu kompensieren. Viele
Darlehensgeber verfügen über mehrere Risikokategorien
und umfassende Regeln für die Einstufung der Darlehen in
diese Kategorien und die Festlegung verschiedener Zinssät-
ze für die einzelnen Kategorien.
Exkurs Ende

Mit dem Wachsen der Immobilienblase tolerierten die Darle-


hensgeber immer höhere Risiken. Eine vielfach genutzte
Möglichkeit, die Vergabestandards zu lockern, bestand da-
rin, geringere Anzahlungen zu verlangen. In den 1980er Jah-
ren lag die Anzahlung für den Erwerb einer Standard-Wohn­
immobilie bei 20% des Kaufpreises, die übrigen 80% wurden
über ein Hypothekendarlehen finanziert. 2005 waren Anzah-
lungen von nur 3% und Darlehen in Höhe von 97% des Häu-
serwertes die Regel und manche Darlehensgeber vergaben
Hypothekendarlehen ganz ohne Anzahlung. Einigen Hausei-
gentümern wurden sogar Hypotheken von über 100% des

144
Werts ihrer Immobilie zur Refinanzierung ihres Hauses an-
geboten.

Durch diese Hypotheken mit niedrigen Anzahlungen wurde


der Wohnungsmarkt destabilisiert. Leistet ein Käufer weni-
ger als 5% des Kaufpreises als Anzahlung, stammt der
Großteil der Eigenmittel des Käufers aus einer Hauspreis-
steigerung. Das bedeutet, dass bei steigenden Häuserprei-
sen so gut wie jeder in der Lage ist, ein Haus zu kaufen, da
nur geringe bzw. gar keine Anzahlungen erforderlich sind.
Andererseits ist bei sinkenden Häuserpreisen so gut wie
niemand in der Lage, ein Haus zu kaufen, da die Darlehens-
geber die mit Grenzkreditnehmern einhergehenden Risiken
nicht länger tragen können.

Die Antwort auf steigende Häuserpreise waren ein Bau-


boom und spekulative Häuserkäufe. Der Wirtschaftswis-
senschaftler William Wheaton schätzt, dass die Baurate in
dem Jahrzehnt des Booms die Rate der Haushaltsbildung
um 6% überstieg. Experten der US-Notenbank fanden he-
raus, dass der Anteil von Häuserhypotheken für nicht als
Eigenheim genutzte Immobilien (also von Spekulanten ge-
kaufte Immobilien) von weniger als 5% in den 1990er Jah-
ren auf etwa 15% in den Jahren 2005 und 2006 anstieg.

Und auch der Eigenheimerwerb erfolgte oft in hochspekula-


tiver Weise. Die Darlehensnehmer waren nicht in der Lage,
ihre Hypothekenzahlungen abzuleisten. Stattdessen verlie-
ßen sie sich darauf, dass sie ihre Hypotheken durch die Re-

145
finanzierung über neue Darlehen würden abbezahlen kön-
nen. Ziel dieser Strategie war es, die Vorteile aus steigenden
Häuserpreisen dafür zu nutzen, andere Kreditgeber dazu zu
bringen, Kapital für die Refinanzierung zur Verfügung zu stel-
len.

Der Anstieg der Immobilienwerte sowie der ausstehenden


Hypothekenschulden sind in Abbildung  1 am Ende dieses
Beitrags dargestellt. Der inflationsbereinigte Gesamtwert
der Wohnimmobilien in den USA verdreifachte sich von
1975 bis 2005, während sich der Umfang der ausstehenden
Hypothekenschulden mehr als verfünffachte.

Diese übermäßige Bautätigkeit und spekulativen Exzesse


machten den Markt für einen Zusammenbruch anfällig. Mit
sinkenden Preisen schnellte die Anzahl der Ausfälle bei spe-
kulativen Häuserkäufen und Käufen in die Höhe, die von
Darlehensnehmern getätigt wurden, die nicht über das nöti-
ge Einkommen verfügten, um ihre Hypothekenzahlungen ab-
leisten zu können, und die stattdessen auf die Möglichkeit
einer Refinanzierung gezählt hatten. Eine Refinanzierung
schied angesichts sinkender Preise jedoch aus, so dass
viele Darlehensnehmer plötzlich ihre Hypothekenzahlungen
schuldig blieben. Dies wiederum führte dazu, dass das Ei-
gentum an den Häusern auf die Darlehensgeber überging
und die Preise weiter in die Tiefe gingen, als all diese Häuser
zum Verkauf angeboten wurden. Die spekulative Spirale
kehrte sich um.

146
Angesichts der signifikanten Verluste, die Darlehensgeber
und spekulative Darlehensnehmer erlitten haben, ist die
Stimmung auf dem US-amerikanischen Wohnungsmarkt äu-
ßerst zurückhaltend. Es wird wohl noch einige Jahre dauern,
bevor Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht
kommen.

4. „Suits“ vs. „Geeks“

Ein Merkmal der Verbriefung von Hypotheken war die Kom-


plexität des Prozesses. Eine genaue Beschreibung der ver-
schlungenen Wege, auf denen die Wall Street durch Hypo-
theken unterlegte Wertpapiere strukturierte, um dadurch
die Anzahl der Wertpapiere mit AAA-Rating zu maximieren,
würde den Rahmen dieses Beitrags übersteigen. Allein
maßgeblich ist, dass strukturierte Finanzierungen eine aus-
geklügelte Modellierung voraussetzten, für welche kom-
plexe computerbasierte Simulationen statistischer Szenari-
en erforderlich waren.

Unternehmen, die mit durch Hypotheken unterlegten Wert-


papieren handelten, insbesondere die Unternehmen der
Wall Street, die diese entwickelt hatten, beschäftigten junge
Analysten mit mathematischem und physikalischem Hinter-
grund für die komplexen Analysen, die erforderlich waren,
um die Wertpapierstrukturen zu entwerfen. Diese Mitarbei-
ter wurden als „Quantitative Analysten“ oder „Finanzingeni-
eure“ bezeichnet. Ich bevorzuge hingegen den Begriff
„Geeks“, der im amerikanischen Englisch umgangssprachlich

147
junge Männer bezeichnet, die über besondere Fähigkeiten
im Umgang mit Computern, jedoch eine eher schwache so-
ziale Kompetenz verfügen.

In großen Unternehmen bezeichnen diese Geeks ihre Vorge-


setzten als „Suits“. Diese sind für gewöhnlich sozial ge-
wandter und legen im Gegensatz zu den Geeks, die lieber in
Jeans zur Arbeit erscheinen, meist besonderen Wert auf
ihre maßgeschneiderten Anzüge.

Eines der Hauptprobleme des Hypothekenverbriefungs-


marktes bestand darin, dass zwischen den Suits und den
Geeks eine Kommunikationslücke aufklaffte. Die Suits waren
nicht in der Lage, die von den Geeks angewendeten komple-
xen technischen Prozesse zu verstehen. Die Geeks ihrerseits
waren entweder nicht willens oder nicht fähig, die Grenzen
und Risiken ihrer Simulationsanalysen klar verständlich zu
kommunizieren.

Aufgrund dieser mangelnden Kommunikation gingen ein


großer Teil der Führungskräfte der wichtigsten Finanzunter-
nehmen davon aus, dass ihre Unternehmen besser dastan-
den, als dies tatsächlich der Fall war, und dachten, die Ge-
fahr umfangreicher Verluste läge in weiter Ferne. Tatsächlich
war die Wahrscheinlichkeit, dass Ereignisse eintraten, die
hohe Verluste auslösen konnten, deutlich höher, als die Suits
annahmen.

148
In manchen Fällen reichten selbst ausdrückliche Warnungen
nicht aus, die Führungsriege zu überzeugen. Sowohl bei
Freddie Mac als auch bei Fannie Mae hatten erfahrene Risikoa-
nalysten davor gewarnt, dass zu lockere Vergabestandards
ein erhebliches Risiko in sich bargen. Diese Warnungen
wurden von Top-Führungskräften ignoriert.

Im September 2008 entwarf die Politik kurzfristig einen Vor-


schlag für den Aufkauf von „toxischen Vermögenswerten“
– das heißt von durch Hypotheken unterlegten Wertpapie-
ren mit schwer zu bestimmendem Wert – durch die US-Re-
gierung. Ihre Hoffnung gründete sich darauf, den Wert die-
ser Wertpapiere zu steigern und es dadurch einfacher zu
ermöglichen, diese zu handeln und zu halten. Viele Geeks
warnten die Regierung, dass diese nicht in der Lage sein
würde, den Wert dieser Wertpapiere zu bestimmen; der ur-
sprünglich von US-Finanzminister Henry Paulson vorgelegte
und vom Kongress hastig verabschiedete Plan wurde aufge-
geben, bevor überhaupt der Versuch unternommen worden
war, „toxische Wertpapiere“ aufzukaufen. Dieser Misser-
folg verdeutlicht einmal mehr die Kluft zwischen Suits und
Geeks.

5. Schlussfolgerung

Die Krise am Subprime-Markt legte eine Reihe von Schwä-


chen des US-amerikanischen Finanzsystems offen. Einige
der Probleme spiegelten seit langem bestehende Mängel in
der Wohnungspolitik wider. Die meisten Politiker erwarten

149
jedoch keine Wiederholung der Immobilienblase in näherer
Zukunft. Stattdessen sind sie darüber beunruhigt, wie die
Probleme bei der Vergabe von Hypothekendarlehen inner-
halb des Finanzsystems verstärkt wurden. Die starke Ver-
wundbarkeit so vieler großer Unternehmen der Immobilien-
branche hatten sie nicht vorhergesehen und das Ziel ihrer
Bemühungen besteht nunmehr darin, weitere Überra-
schungen durch die Anhäufung so vieler systemischer Ri-
siken zu vermeiden.

Eine Darstellung der Vorschläge dazu, wie mit diesen syste-


mischen Risiken umgegangen werden könnte, würde den
Rahmen dieses Beitrages übersteigen. Stattdessen möchte
ich mich auf mögliche Änderungen der Wohnungsmarktpoli-
tik konzentrieren, auch wenn solche Änderungen in den
USA derzeit keine allzu große Priorität zu haben scheinen.

Die Regierung verfolgt traditionell die politische Linie, den


Erwerb von Wohneigentum zu fördern und zu unterstützen.
Politiker blicken auf die Wohneigentumsrate als Erfolgsindi-
kator für ihre Wirtschaftspolitik. Für die Bush-Administration
war es Anlass zu Stolz, dass die Wohneigentumsrate wäh-
rend Bushs Präsidentschaft von etwa 65% auf einen Eigen-
heimanteil der US-Haushalte von rekordverdächtigen 69%
anstieg.

Rückblickend scheint es so, als wäre das Wohneigentum zu


stark forciert worden, da zu viele Menschen Häuser kauf-
ten, die sie sich nicht leisten konnten. Viele Experten schla-

150
gen vor, dass Darlehensgeber von Hypothekendarlehen die
Darlehensnehmer genauer betrachten, um sicherzustellen,
dass diese sich die Häuser, die sie kaufen, auch leisten kön-
nen.

Diese Bedenken hinsichtlich der Eignung von Darlehens-


nehmern ist relativ neu. Vor der Subprimekrise wurden Dar-
lehensgeber von Kongressmitgliedern vielmehr gescholten,
nicht genügend Hypothekenkapital für das „unterversorgte“
Wohnungsmarktsegment bereit zu stellen. Darlehensgeber
wurden unter Druck gesetzt, größere Anstrengungen hin-
sichtlich einer Ausweitung der Darlehensvergabe an Min-
derheiten und Familien mit geringeren Einkommen für den
erstmaligen Eigenheimerwerb zu unternehmen. Dieser auf
Freddie Mac, Fannie Mae und den Banken lastende Druck äu-
ßerte sich in Form von „Zielvorgaben für den erschwing-
lichen Erwerb von Wohneigentum“, wobei es sich um Ziel­
vorgaben für die Vergabe von Darlehen an unterversorgte
Märkte handelte, die von den genannten Unternehmen er-
reicht werden sollten. Unklar ist jedoch, wie der Druck, die-
se Märkte zu bedienen, in Zukunft mit den neuen Bedenken
in Einklang gebracht werden soll, dass Antragsteller keine
Darlehen erhalten sollten, die ihre Finanzen über die Maßen
strapazieren.

Ein weiteres Merkmal der US-amerikanischen Wohnungs-


politik ist, dass sie die Verschuldung durch Hypotheken för-
dert. Amerikaner haben die Möglichkeit, die zur Tilgung der
Zinsen eines Hypothekendarlehens geleisteten Zahlungen

151
steuerwirksam von ihrem Einkommen abzuziehen. Dies
schafft Anreize dafür, das Eigenheim im Wege der Verschul-
dung zu finanzieren, anstatt Geld für eine Anzahlung zu spa-
ren. Zudem wird der Erwerb von Wohneigentum durch eine
Reihe anderer Regierungsstrategien und Institutionen, die
den Hauskauf dadurch unterstützen, dass sie Hypotheken-
darlehen mit niedrigen Zinssätzen bereitstellen, subventio-
niert (FHA, Fannie Mae, Freddie Mac usw.).

Wie sinnvoll diese Politik der Förderung von Hypotheken-


darlehen tatsächlich ist, sei dahingestellt. Fest steht, dass
die Wohnungsmärkte stabiler wären, wenn die Regierung
den Eigenheimerwerb auf Grundlage höherer Anzahlungen
anstelle höherer Hypotheken fördern würde. Doch die Poli-
tik der Förderung der Hypothekenzinsraten ist fest im poli-
tischen System der USA verankert und bislang liegen keine
Vorschläge vor, dies zu ändern.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass der Gesetzgeber trotz


der Erfahrungen mit den auf Immobiliengeschäften beru-
henden Finanzkrisen der 1930er, 1980er und der ver-
gangenen Jahre weiterhin eine Politik aufrechterhalten
möchte, die den Hauskauf über regierungsgeförderte Hypo-
thekendarlehen unterstützt. Die Reformvorschläge bezie-
hen sich bislang allgemein auf die Regulierung der Finanz-
märkte und systemische Risiken, ohne dabei jedoch die
Politik der Immobilienfinanzierung einer grundlegenden
Überprüfung zu unterziehen.

152
Schließlich muss auch das Versagen der Vorschriften der
Basler Eigenkapitalvereinbarungen hinsichtlich des risikoba-
sierten Kapitals näher untersucht werden.

Die Aufsichtsbehörden werden


den Fehler, es Banken zu ge-
statten, Kapitalanforderungen
zu umgehen und von den Ra-
tingagenturen ein AAA-Rating
für riskante Darlehenportfolios
zu erhalten, wohl nicht noch ein-
mal machen. Doch auch wenn
diese einzelne Lücke in der Auf-
sichtsstruktur geschlossen wird,
sollte man sich immer der Tatsa-
che bewusst sein, dass Banken
aufgrund ihres ureigenen Ziels
der Steigerung ihrer Eigenkapi-
talrendite in Zukunft neue Lü-
cken finden könnten. Es stellt
sich daher grundlegend die Fra-
ge, ob es angesichts finanzieller
Innovationen und stetiger Be-
strebungen des Privatsektors,
die Grenzen der Vorschriften
auszutesten, überhaupt möglich
ist, einen stabilen regulato-
rischen Rahmen zu schaffen.

153
Michael Voigtländer

Die Privatisierung
kommunalen Wohneigentums

1. Einleitung

Wer in Deutschland eine Wohnung mieten möchte, ist es


gewohnt auf private Vermieter zu treffen. Hierzulande gibt
es rund 24 Millionen Mietwohnungen, 90% davon werden
von privaten Vermietern angeboten. Diese bieten von der
Luxuswohnung bis zur einfach ausgestatteten Wohnung in
der Plattenbausiedlung alle Wohnungstypen an. Auch Sozi-
alwohnungen gehören dazu, also öffentlich geförderte Ob-
jekte, die nur an bestimmte Haushalte und nach festgelegten
Mietgrenzen vermietet werden dürfen. Der gut funktionie-
rende private Mietwohnungsmarkt hebt Deutschland inter-
national ab und kann als eine besondere Stärke des Woh-
nungsmarktes angesehen werden (Voigtländer 2009).
Andere Länder, wie Spanien oder Großbritannien, verfügen
dagegen nur über einen sehr begrenzten Mietwohnungs-
markt, weil die Regierungen in der Vergangenheit den Markt
durch exzessive Interventionen, vor allem hinsichtlich der

154
Mietanpassungen, für Investoren unattraktiv gemacht ha-
ben.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Verkauf öffentlichen


Wohneigentums naheliegend. Schließlich stellt es ein Gebot
der marktwirtschaftlichen Ordnung dar, dass der Staat nur
dort unternehmerisch tätig wird, wo der Markt kein Angebot
schaffen kann. Die Vermietung durch private Investoren ist
offensichtlich eine bewährte und erprobte Praxis. Nichtsde-
stotrotz stellt die Privatisierung öffentlicher Wohnungen und
Wohnungsgesellschaften ein Politikum dar. Mehrere Privati-
sierungen, wie etwa in Freiburg oder Schwerin, sind an dem
massiven Protest von Bürgerbewegungen gescheitert. In
Berlin haben die politischen Vorbehalte gegenüber Privati-
sierungen dazu geführt, dass Real Estate Investment Trusts
– das sind Immobilienaktien nach internationalem Standard
– nicht in Wohnungen investieren dürfen.

Im Folgenden werden daher die wesentlichen Vorteile der


Privatisierung aufgezeigt. Dabei wird auch auf die Argu-
mente der Gegner eingegangen, die vor allem eine gerin-
gere soziale Absicherung und überhöhte Mietforderungen
befürchten. Außerdem werden die Erfahrungen Dresdens
vorgestellt, die bislang einzige deutsche Großstadt, die ih-
ren Wohnungsbestand vollständig verkauft hat. Weiterhin
werden Privatisierungsstrategien diskutiert und ein Ausblick
gegeben. Infolge der Finanzkrise ist das Interesse an öffent-
lichen Wohnungen eingebrochen, jedoch ist zu erwarten,
dass sich Investoren wieder in diesem Segment engagieren

155
wollen, da der deutsche Wohnungsmarkt als sehr stabil gilt.
Als erstes folgt jedoch eine Darstellung des öffentlichen
Wohnungsmarktes in Deutschland.

2. Öffentliche Wohnungen in Deutschland

Die meisten öffentlichen Wohnungsgesellschaften in West-


deutschland entstanden in der Zeit nach dem Ersten und
Zweiten Weltkrieg (Peters 1984). Die Wohnungsnot nach
den Weltkriegen war besonders groß, so dass sich der
Staat für ein umfangreiches Engagement in der Wohnungs-
wirtschaft entschied. Da die Kapitalmärkte in dieser Zeit
wenig funktionstüchtig waren und kaum privates Kapital zur
Verfügung stand, sah man nur wenig Alternativen zu dem
öffentlichen Unternehmertum. Mit dem sozialen Wohnungs-
bau wurde jedoch alsbald ein Programm aufgelegt, das
auch die privaten Unternehmen einbezog. Hierdurch stand
automatisch nach der Mietbindungsdauer ein rein privates
Angebot zur Verfügung – ein Schlüssel zur Erklärung des
gut aufgestellten Mietwohnungsmarktes in Deutschland.

Im Osten Deutschlands entstanden die kommunalen Woh-


nungsgesellschaften hingegen im Zuge des Transformati-
onsprozesses. Etwa 57% der Mietwohnungen in der DDR
waren in Staatsbesitz. Sofern die ursprünglichen Eigentums-
verhältnisse nicht geklärt werden konnten, gingen diese
Wohnungen an die jeweiligen Städte und Gemeinden über,
denen jedoch das Altschuldenhilfe-Gesetz die schrittweise
Teilprivatisierung auferlegte.

156
Abbildung 1 zeigt die Eigentümerstruktur des deutschen
Wohnungsmarktes im Jahr 2006. Knapp 16 Millionen Woh-
nungen befinden sich in der Hand von Selbstnutzern, wei-
tere 14,5 Millionen Wohnungen werden von privaten Klein-
vermietern bewirtschaftet. Nur 9,15 Millionen Wohnungen
werden von größeren Wohnungsgesellschaften vermietet,
zu denen auch öffentliche Wohnungsgesellschaften zählen.
Insbesondere innerhalb des Segments der professionell ge-
werblichen Vermieter gab es in den letzten zehn Jahren Ver-
schiebungen. So reduzierte sich der Bestand an öffentlichen
Wohnungen zwischen 1999 und 2006 um knapp 600.000
Wohnungen (Veser et al. 2007). Nach Angaben des Bun-
desamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR 2008)

157
verkauften der Bund und die Länder zwischen 2006 und
2008 noch einmal 142.000 Wohnungen. Der Gesamtbe-
stand der öffentlichen Hand hat sich hierdurch jedoch kaum
verändert, da es auch Zukäufe gab. Gekauft wurden die
Wohnungen vor allem von ausländischen Beteiligungsge-
sellschaften, die erstens auf steigende Preise setzten und
zweitens Effizienzpotenziale in der Bewirtschaftung heben
wollten. Trotz der Bestandsreduzierungen verfügt die öffent-
liche Hand noch über 2,3 Millionen Wohnungen. Der Groß-
teil von 2,1 Millionen Wohnungen entfällt dabei auf die Kom-
munen, der Rest verteilt sich auf Bund und Länder. Etwa 1,1
Millionen Wohnungen finden sich in Hand ostdeutscher
Kommunen.

Zwischen 1999 und 2008 wurden für die öffentlichen Woh-


nungen durchschnittlich 44.000 Euro pro Wohnung gezahlt.
Auf Basis dieser Verkäufe kann der Wert des öffentlichen
Wohneigentums grob auf 101 Milliarden Euro geschätzt
werden.

3. Argumente für den Verkauf öffentlicher


Wohnungen

Nach diesem kurzen Überblick über den Markt für öffent-


liche Wohnungen in Deutschland wird nun erläutert, warum
eine Privatisierung des Bestandes – angemessene Preise
vorausgesetzt – geboten ist. Dabei ist die Argumentation so
aufgebaut, dass auch die Argumente der Privatisierungs-
gegner diskutiert werden. Neben den grundsätzlichen Pro-

158
blemen von öffentlichen Unternehmen in der Wettbewerbs-
ordnung wird dargestellt, dass öffentliche
Wohnungsgesellschaften mit Risiken für Steuerzahler ver-
sehen sind und dass öffentliche Wohnungen ein ungeeig-
netes Umverteilungsinstrument sind. Schließlich zeigt die
Analyse auch, dass öffentliche Unternehmen privates sozi-
ales Engagement verdrängen.

Öffentliche Unternehmen – ein Widerspruch zur


Wettbewerbsordnung

Öffentliche Unternehmen haben – nicht nur im Wohnungs-


sektor – eine lange Tradition. Schon die mittelalterlichen
Herrscher erzielten einen Großteil ihrer Einnahmen über ei-
gene Unternehmen, wobei sie sich oftmals über staatliche
Monopole eine komfortable Wettbewerbssituation gesi-
chert hatten. Beispiele hierfür sind etwa die Salzgewinnung
oder auch die Postdienstleistungen.

Nicht zuletzt aufgrund dieser Monopol-Erfahrungen stehen öf-


fentliche Unternehmen in einem freiheitlichen Gesellschafts-
system unter besonderer Beobachtung. Generell gilt, dass es
zwischen dem Staat und den Unternehmen eine Arbeitstei-
lung gibt. Der Staat gibt den Ordnungsrahmen vor, innerhalb
dessen Haushalte und Unternehmen agieren und ihre Ziele
verfolgen. Als Anbieter tritt der Staat nur bei der Herstellung
öffentlicher Güter auf, bei denen gemäß Definition keine pri-
vate Bereitstellung erwartet werden kann. Tritt er als Anbieter
privater Güter auf, folgen unweigerlich Interessenskonflikte.

159
Schließlich nimmt der Staat als Unternehmer sowohl die Rolle
des Schiedsrichters ein, der die gesellschaftlichen Regeln
überwacht, als auch diejenige des Spielers, der unter den ge-
gebenen Umständen den größtmöglichen Gewinn erzielen
möchte (Brennan und Buchanan 1993). Es besteht daher la-
tent die Gefahr, dass die öffentlichen Unternehmen Vorteile
zulasten der Konkurrenz ausspielen. Allerdings ist ein anderer
Fall wahrscheinlicher und auch häufiger belegt. Da die öffent-
lichen Unternehmen von ihren Eigentümern, den Bürgern, nur
unzureichend kontrolliert werden können, bestehen für sie we-
niger Anreize wirtschaftlich zu arbeiten. Ähnlich wie Bürokra-
tien wachsen daher auch öffentliche Unternehmen über das
effiziente Maß hinaus und neigen zur Ressourcenverschwen-
dung (Niskanen 1971). Bekannt ist auch, dass bei der Beset-
zung der Unternehmensführung bisweilen politische vor wirt-
schaftlichen Erwägungen stehen. Nach Angaben des
Statistischen Bundesamtes summierten sich die Verluste öf-
fentlicher Wohnungsunternehmen zwischen 2000 und 2005
auf 3,3 Milliarden Euro (Abbildung 2). Aktuellere Ergebnisse
liegen leider nicht vor. Es ist nicht auszuschließen, dass die
Gesellschaften andere Bereiche quersubventionieren und da-
her so schlechte Ergebnisse ausweisen. Für die politischen
Entscheidungsträger besteht schließlich der Anreiz, die öffent-
lichen Unternehmen für eigene Zwecke einzusetzen. So wer-
den gegebenenfalls über die Unternehmen Projekte finanziert,
die über den Haushaltsprozess nur schwer durchgesetzt wer-
den können. Doch auch bei Betrachtung der Jahresergeb-
nisse aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ergibt sich ein
Fehlbetrag von 1,5 Milliarden Euro. Die öffentlichen Haushalte

160
bzw. die Steuerzahler werden daher mit dem öffentlichen En-
gagement im Wohnungssektor belastet.

Aus diesen Überlegungen folgt, dass es einer guten Be-


gründung für ein Festhalten an öffentlichen Wohnungsunter-
nehmen bedarf. Nur wenn öffentliche Wohnungsunterneh-
men zur Beseitigung von Marktunvollkommenheiten benötigt
werden oder aber sie als besonders effiziente Instrumente
zur Erfüllung der sozialpolitischen Ziele gewertet werden,
lässt sich die Fortführung der Unternehmen trotz marktge-
rechter Angebote von privater Seite legitimieren. Entgegen
der öffentlichen Diskussion muss aus ökonomischer Sicht
die Beweislast also umgedreht werden: Es bedarf keiner Ar-

161
gumente für den Verkauf, sondern überzeugender Argu-
mente, warum nicht verkauft werden sollte.

Sozialpolitik ohne öffentliche Wohnungen

Mit der Gründung der meisten öffentlichen Wohnungsge-


sellschaften wurden soziale Ziele verfolgt. Schließlich sollten
in Zeiten der Wohnungsnot bedürftige Haushalte mit bezahl-
barem Wohnraum versorgt werden. Diese Zielsetzung wur-
de auch steuerlich unterstützt, indem den Gesellschaften
der Status der Gemeinnützigkeit zugestanden wurde. Dem-
nach waren sie von der Besteuerung ausgeschlossen, so-
lange sie nur eine moderate Rendite erzielten und sich ihr
Angebot vornehmlich an niedrige und mittlere Einkommens-
klassen richtete. Im Jahr 1990 wurde die Gemeinnützigkeit
der öffentlichen Wohnungsgesellschaften jedoch abge-
schafft. Seitdem sind die öffentlichen Wohnungsgesell-
schaften in ihrer Zielsetzung frei und bestimmen ihre Mie-
tenpolitik im Rahmen der gesetzlichen Regelungen selbst.
Wie eine Umfrage unter kommunalen Wohnungsgesell-
schaften zeigt, vermieteten etwa 43% der Gesellschaften
im Jahr 2006 zu den gleichen Konditionen wie die privaten
Anbieter (PWC 2006). Die Unterstützung sozial schwä-
cherer Haushalte mit verbilligtem Wohnraum ist unter den
kommunalen Wohnungsgesellschaften demnach längst kei-
ne Selbstverständlichkeit mehr.

Unter Effizienzgesichtspunkten ist dies ausdrücklich zu be-


grüßen. Eine Subvention über verringerte Mieten weist

162
schließlich die typischen Nachteile eines gebundenen Trans-
fers auf. Bei freier Verfügung über die Subvention können
die Haushalte regelmäßig ein höheres Nutzenniveau erzie-
len, weil ihre Nachfrageentscheidung nicht zugunsten eines
bestimmten Gutes verzerrt wird. Vor allem zeigt jedoch das
Beispiel des sozialen Wohnungsbaus, dass subventionierte
Mieten eine sehr geringe Treffsicherheit aufweisen. Die
Fehlbelegungsquote im sozialen Wohnungsbau wird auf 40
bis 50% geschätzt (Kirchner 2006). Dabei ist zu berücksich-
tigen, dass etwa ein Viertel aller Mieterhaushalte Anspruch
auf einen Wohnberechtigungsschein hat, also das Bedürf-
tigkeitskriterium sehr weit gefasst wurde. Durch Wohngeld-
zahlungen oder die Übernahme von Unterhaltskosten im
Rahmen der sozialen Grundsicherung kann den Haushalten
wesentlich zielgenauer geholfen werden, weil die Bedürftig-
keit regelmäßig überprüft wird. Alle Versuche, die mangeln-
de Treffsicherheit des sozialen Wohnungsbaus über eine
Fehlbelegungsabgabe zu kompensieren, sind bislang fehlge-
schlagen, weil es neben Verwaltungsproblemen vor allem
an dem politischen Willen mangelt, einmal gewährte Vorteile
wieder abzuschöpfen.

Aus theoretischer Sicht könnte die Bereitstellung verbilligter


Wohnungen nur dann überzeugen, wenn hiermit ein Informa-
tionsproblem gelöst werden soll. Bei Transfers kann die Lei-
stungsbereitschaft der Empfänger oft nur unzureichend ge-
prüft werden. So ist es für die Sozialämter beispielsweise
nicht ohne weiteres feststellbar, ob ein Transferempfänger
das gebotene Engagement zeigt, um seine Hilfsbedürftig-

163
keit zu überwinden. Sofern nun die verbilligten Wohnungen
in einer Qualität angeboten werden, bei der nur Haushalte
mit einer tatsächlichen Bedürftigkeit eine Nachfrage entfal-
ten, könnten Fehlanreize aufseiten der Empfänger gemin-
dert werden. In der Diskussion um öffentliche Wohnungen
wird jedoch der Verkauf der Wohnungen gerade mit der
Angst vor fallenden Qualitätsstandards begründet. Außer-
dem zeigt die hohe Fehlbelegungsquote im sozialen Woh-
nungsbau, dass die Qualität der Wohnungen auch Haushalte
aus der Mittelklasse anspricht. Rund die Hälfte der Sozial-
wohnungen befindet sich in der Hand öffentlicher Woh-
nungsgesellschaften. Daneben sprechen vor allem Segre-
gationsprobleme dagegen, Sozialpolitik über qualitativ
minderwertige Wohnungen zu betreiben.

Neben dem Zahlungsproblem kann auf dem Wohnungs-


markt auch ein Zugangsproblem auftreten. Bestimmte
Gruppen von Haushalten können unabhängig von ihrer fi-
nanziellen Situation Schwierigkeiten haben, auf dem Woh-
nungsmarkt eine passende Wohnung zu finden, weil die
Wohnungseigentümer ein erhöhtes Risiko in der Vermietung
an diese Gruppen vermuten. Da eine Preisdifferenzierung
nicht möglich ist, kommt es zu einer Rationierung des Woh-
nungsmarktes für diese Gruppen. Betroffen hiervon sind
vor allem Haftentlassene und Drogenkranke, aber auch
Ausländer, Alleinerziehende oder Familien mit vielen Kin-
dern (Eekhoff et al. 2000). Nach Sautter (2005) sind nun
besonders die öffentlichen Wohnungsgesellschaften gefor-
dert, diesen Gruppen den Zugang zum Wohnungsmarkt zu

164
gewähren. Allerdings sind die öffentlichen Gesellschaften
hierzu genauso wenig verpflichtet wie zu einer Vermietung
unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete. Ob den frag-
lichen Gruppen der Zugang also tatsächlich erleichtert wird,
hängt von dem Gutdünken der jeweiligen Wohnungsgesell-
schaft ab. Darüber hinaus ist es zur Lösung des Zugangs-
problems nicht nötig, dass die Kommunen über eigene Woh-
nungen verfügen.

Im Kern besteht das Zugangsproblem darin, dass die Ver-


mieter für die Übernahme der Vermietungsrisiken bei be-
stimmten Gruppen nicht entschädigt werden. Daher ent-
scheiden sie sich im Zweifelsfall immer für die Vermietung
an das geringere Risiko. Über den Kauf von Belegungs-
rechten aus dem Bestand kann dieses Problem jedoch ge-
löst werden. Im Gegenzug für einen Einmalbetrag oder eine
laufende Vergütung erhält die Kommune das Recht, die
Wohnung mit von ihr ausgewählten Haushalten zu belegen.
Das Belegungsrecht kann sehr unterschiedlich ausgestaltet
werden. So könnte die Kommune sich beispielsweise bereit
erklären, eine Bürgschaft für die Mietzahlungen zu überneh-
men oder eine besondere Betreuung der Haushalte zu ge-
währleisten, um die Kosten für das Belegungsrecht gering
zu halten. Wichtig ist es in jedem Fall, dass die Auswahl der
Haushalte vonseiten der Kommune eng gefasst wird, bei-
spielsweise indem sie dem Vermieter bei Freiwerden einer
Wohnung mit Belegungsrecht eine Liste mit drei Mietern
vorlegt, von denen der Vermieter einen aussuchen muss.
Damit hat die Kommune die Möglichkeit, gezielt Haushalte

165
aus einer Notfallkartei zu berücksichtigen. Im Vergleich zu
dem Einsatz eigener Wohnungen besteht für die Kommunen
der große Vorteil darin, dass die Belegungsrechte flexibler
an den Bedarf angepasst werden können. Schließlich kön-
nen weitere Belegungsrechte gekauft werden, sobald der
Bedarf sehr hoch ist, oder man verzichtet auf eine Verlänge-
rung der Belegungsrechte, wenn der Bedarf zurückgeht. Im
Fall der öffentlichen Wohnungen müssten dagegen neue
Wohnungen gebaut oder gekauft werden, die auch dann
fortbestehen, wenn es keinen adäquaten Bedarf gibt. Letzt-
lich werden durch die Bewirtschaftung von eigenen Woh-
nungen erhebliche Mittel gebunden und größere Risiken ge-
tragen als beim Kauf von Belegungsrechten. Indem die
Kommunen Belegungsrechte im Bestand räumlich differen-
ziert erwerben, wird außerdem der sozialen Segregation
sehr effizient entgegengewirkt. Bei kommunalen Wohnanla-
gen können sich dagegen die Problemhaushalte kumulieren,
was hohe soziale (Folge-)Kosten nach sich zieht.
Je nach Ausgestaltung der Belegungsrechte fallen unter-
schiedliche Kosten für die Kommune an. Generell gilt, dass
der Wert des Belegungsrechts von der Lage und Qualität
des Mietobjekts, dem Umfang der Mitspracherechte bei der
Mieterauswahl, den Gewährleistungspflichten der Kommu-
ne und vor allem von der allgemeinen Lage am Wohnungs-
markt abhängt. Die Kalkulation der Preise für die Belegungs-
rechte ist damit nicht einfach. Die Erfahrungen aus Belgien,
wo es dieses Instrument seit Anfang der achtziger Jahre
gibt, zeigen, dass es eine Weile dauert, bis Angebot und
Nachfrage zusammenfinden. In Deutschland ist es erst seit

166
2001 möglich, die Mittel aus dem sozialen Wohnungsbau für
den Erwerb von Belegungsrechten aus dem Bestand einzu-
setzen. Um angemessene Marktpreise zu finden, hat die Ex-
pertenkommission Wohnungspolitik (1995) schon 1995 vor-
geschlagen, die Preise für die Belegungsrechte über ein
Auktionsverfahren zu bestimmen.

Für den Verkauf der kommunalen Wohnungen spielt die


Marktpreisbestimmung für Belegungsrechte jedoch nur eine
untergeordnete Rolle. Ähnlich wie bei solchen Verkäufen
eine Sozial-Charta ausgehandelt wird, können sich die Kom-
munen schließlich die Belegungsrechte für einen Teil der
Wohnungen sichern. So hat beispielsweise die Stadt Dres-
den beim Verkauf der Woba 8.000 Belegungsrechte behal-
ten. Dabei ist es ratsam, dass sich die Kommune bei einem
Verkauf an einen Investor nicht die Belegungsrechte für be-
stimmte Wohnungen, sondern für eine bestimmte Anzahl an
Wohnungen sichert. Damit verhindert sie die Konzentration
der Problemhaushalte auf einzelne Standorte. Sofern sich
auch andere Kommunen bei einem Verkauf die Belegungs-
rechte für einen Teil des Wohnungsbestands sichern, könnte
nicht nur dem Zugangsproblem vorgebeugt werden, son-
dern auch der Markt für Belegungsrechte in Schwung kom-
men.

Verdrängung sozialen Engagements

In jüngerer Zeit wurde als weiteres Argument für öffentliche


Wohnungsunternehmen das Thema „Stadtrendite“ in die

167
Diskussion eingeführt. Unter der Stadtrendite werden dabei
die Leistungen der Wohnungsunternehmen subsumiert, die
der Stadt neben dem rein betrieblichen Gewinn zugute kom-
men. Vor allem Maßnahmen, die die soziale Stabilität in den
Wohnvierteln erhöhen, also im weitesten Sinn das Quar-
tiersmanagement, werden zu den relevanten Aktivitäten ge-
zählt. Beispiele hierfür sind etwa der Abriss baufälliger Ge-
bäude, die Organisation von Jugendtreffs, die Beratung und
Unterstützung von Arbeitslosen und Obdachlosen oder
aber die Förderung der örtlichen Kindergärten und Schulen.
Es wird argumentiert, dass diese Leistungen so gewichtig
für die Stadt sind, dass sie den oftmals geringen betriebs-
wirtschaftlichen Gewinn der öffentlichen Unternehmen
deutlich kompensieren. Besonders seit ein Gutachten von
Schwalbach et al. (2006) zur Stadtrendite der DEGEWO
veröffentlicht wurde, wird hiermit vielfach das Festhalten an
öffentlichen Wohnungsunternehmen gerechtfertigt.

Maßnahmen, die zu einer Erhöhung der sozialen Stabilität


beitragen, dienen immer auch der Internalisierung externer
Effekte. Ein baufälliges Gebäude zum Beispiel kann den
Vermietungserfolg in den angrenzenden Gebäuden oder
aber in ganzen Stadtvierteln beeinträchtigen. Darüber hi-
naus können solche Gebäude zu Vandalismus anregen und
die Hemmschwelle für weitere Beschädigungen an anderer
Stelle senken. Durch den Abriss werden also negative ex-
terne Effekte beseitigt, was der Allgemeinheit zugute kommt.
Das Problem ist jedoch, dass bei einer kleinteiligen Eigentü-
merschaft die Einnahme der Freifahrerposition die dominan-

168
te Strategie darstellt. Übernimmt nun ein öffentliches Unter-
nehmen diese Aufgabe, ist also tatsächlich mit einer
Wohlfahrtsverbesserung zu rechnen. Allerdings stellt dies
nur ein notwendiges, aber noch kein hinreichendes Kriteri-
um für den Staatseingriff dar.

Im Kern stellt sich das Freifahrerproblem als ein Koordinati-


onsproblem dar. Alle Eigentümer stellen sich besser, wenn
die soziale Stabilität in einem Wohnviertel erhalten bleibt
oder verbessert wird. Schließlich droht bei einer Verschlech-
terung des Wohnumfelds, beispielsweise auch im Zuge stei-
gender Arbeitslosigkeit und zunehmender Resignation der
Mieter, Leerstand und damit einhergehend ein geringerer
Vermietungserfolg. Allerdings lohnt sich in den meisten Fäl-
len die Internalisierung für den Einzelnen nur dann, wenn die
Kosten geteilt werden. Da jedoch jeder den größtmöglichen
Nutzen erzielt, wenn er sich nicht an den Kosten beteiligt
und stattdessen andere die Maßnahme umsetzen, gestalten
sich die entsprechenden Verhandlungen als sehr schwierig
und führen oftmals nicht zu dem gesamtgesellschaftlichen
Optimum. Anders sieht es hingegen aus, wenn es in dem
Wohnviertel ein größeres Wohnungsunternehmen gibt. Je
mehr Wohnungen ein Unternehmen in einem bestimmten
Wohnviertel besetzt, desto wahrscheinlicher wird es, dass
es die Internalisierung der externen Effekte aus einem eige-
nen Anreiz heraus betreibt. Schließlich konzentriert sich
dann der Nutzen aus der Maßnahme auf die eigenen Be-
stände, so dass sich die alleinige Kostenübernahme auch
rentiert.

169
Die Erzielung einer „Stadtrendite“ hängt also nicht von dem
Eigentümerstatus, sondern im Wesentlichen von der Größe
der Wohnungsunternehmen ab. Von daher kann es nicht
überraschen, dass gerade auch Unternehmen mit expliziten
Renditeinteressen, die zur Optimierung ihrer Bewirtschaf-
tungskosten besonders große Wohnungsbestände erwor-
ben haben, soziale Verantwortung übernehmen. So verfol-
gen alle großen privaten Wohnungsunternehmen explizite
Corporate-Social-Responsibility-Strategien und richten in
diesem Rahmen Stiftungen für in Not geratene Mieter ein,
sanieren Kindergärten oder organisieren Jugendtreffs
(Voigt­länder 2007). Selbst dann, wenn nur ein kurzfristiges
Engagement in der Wohnungswirtschaft geplant ist, können
sich die Investoren nur schwer ihrer sozialen Verantwortung
entziehen. Schließlich wird der Käufer eines Wohnungsport-
folios genau überprüfen, wie es um das Wohnumfeld be-
stellt ist.

Da der Verkauf der öffentlichen Wohnungen im Regelfall im


Ganzen erfolgt, ist mit einer Verschlechterung der Stadtren-
dite folglich nicht zu rechnen. Im Gegenteil, durch die private
Übernahme sozialer Aktivitäten werden aufseiten der Kom-
mune Mittel eingespart, die dann für die Bereitstellung wei-
terer öffentlicher Güter, entweder im sozialen Bereich oder
im Infrastrukturbereich, genutzt werden können. Durch die
Aktivitäten öffentlicher Wohnungsgesellschaften werden di-
ese privaten Engagements dagegen verdrängt. Dabei ist zu
betonen, dass die Wohnungsunternehmen und die Kommu-

170
nen gleiche Interessen verfolgen. Daher eröffnen sich für
beide Seiten umfangreiche Kooperationsmöglichkeiten zu
beiderseitigem Vorteil. Konterkariert werden könnte der ge-
samtwirtschaftliche Vorteil allenfalls durch die Entstehung
von Marktmacht. Da der Wohnungsmarkt jedoch nach wie
vor kleinteilig organisiert ist und die Haushalte genügend Al-
ternativen auf der Anbieterseite vorfinden, ist dies nicht zu
erwarten.

4. Erfahrungen mit der Privatisierung


öffentlicher Wohnungen

Die bisherige Diskussion zeigt, dass öffentliche Wohnungs-


gesellschaften nur schwer zu rechtfertigen sind. Öffentliche
Wohnungsgesellschaften stehen in einem Widerspruch zur
marktwirtschaftlichen Ordnung, sie belasten die öffentlichen
Haushalte, sie leisten keinen Beitrag zu einer effizienten So-
zialpolitik und sie verdrängen privatwirtschaftliches soziales
Engagement. Allerdings war die bisherige Analyse theore-
tisch geprägt. Daher wird nun auf die Erfahrungen mit der
Privatisierung näher eingegangen, insbesondere mit Blick
auf Dresden, der einzigen Großstadt, die ihre öffentlichen
Wohnungsbestände vollständig veräußert hat.

Im März 2006 hat Dresden seine Wohnungsgesellschaft


WOBA, die 48.500 Wohnungen bewirtschaftete, an die Be-
teiligungsgesellschaft Fortress verkauft. Fortress zahlte
hierfür nach Abzug der Verbindlichkeiten der WOBA 981,7
Millionen Euro an die Stadt Dresden. Die Bestände gehören

171
mittlerweile zur GAGFAH Group, an der Fortress noch eine
Beteiligung hält.

Die Stadt Dresden konnte durch den Verkauf ihrer Woh-


nungsbestände ihre Schulden in Höhe von 748 Millionen
Euro tilgen. Hierdurch entstehen in den Jahren zwischen
2007 und 2012 laut Angaben der Finanzverwaltung Einspa-
rungen zwischen 57 und 63 Millionen Euro jährlich, vor allem
aufgrund des Wegfalls von Zins- und Tilgungszahlungen.
Ohne die Privatisierung wäre der öffentliche Haushalt in eine
deutliche Schieflage geraten. So betrug der Fehlbetrag im
Jahr 2004 67 Millionen Euro und im Jahr 2005 62 Millionen
Euro (Nagler 2007). Erwartet wurde, dass sich die Fehlbe-
träge bis Ende des Jahres 2007 auf bis zu 200 Millionen
Euro summieren (Regierungspräsidium Dresden 2004).
Dies hätte die Handlungsfähigkeit der Stadt Dresden mas-
siv eingeschränkt.

Stattdessen war es mit dem Verkauf der WOBA möglich,


die Investitionen in die Schulen von bislang 17,9 Millionen
Euro jährlich auf 84,1 Millionen Euro im Jahr 2007 zu stei-
gern. Auch die Zuschüsse für Kindertagesstätten konnten
um 11 Millionen Euro pro Jahr gesteigert werden (Ostrow-
ski 2007). Außerdem wurden eine Kultur- und eine Sozial-
stiftung mit einem Volumen von 25 Millionen Euro gegrün-
det. Dies verdeutlicht, dass sich die Städte stets zwischen
alternativen Verwendungsmöglichkeiten entscheiden müs-
sen: Das Festhalten an Immobilien bedeutet eben, dass we-

172
niger Mittel für Investitionen und soziale Zwecke zur Verfü-
gung stehen.

Auf Seiten der Mieter gab es hingegen kaum Verände-


rungen (Ostrowski 2007). Zwischen April 2006 und Februar
2007 wurden in insgesamt 7199 Fällen, also bei knapp 15%
aller Wohnungen, die Mieten erhöht, in 61% der Fälle lag die
Erhöhung dabei unter 5%. Nur in 5% der Fälle gab es eine
Mieterhöhung von über 15% – diese Erhöhungen waren ent-
sprechend dem Mietrecht jedoch deshalb möglich, weil die
Mieten bislang deutlich unter der Vergleichsmiete lagen.
Durchschnittlich wurden die Mieten im Jahr 2007 um 11,42
Euro pro Monat erhöht. Im öffentlichen Besitz wurden die
Mieten teilweise noch wesentlich stärker angehoben: Allein
im Jahr 2005 um 24,39 Euro. Weiterhin liegen die Mieten
der WOBA mit durchschnittlich 4,50 Euro pro Quadratmeter
immer noch unter dem durchschnittlichen Mietpreisniveau
von 5,00 Euro in Dresden.

Auffällig ist ferner, dass es nach der Privatisierung keine


Proteste mehr auf Seiten der Mieter gegeben hat. Auch bei
anderen Privatisierungen liegen kaum Beschwerden über
die neuen Eigentümer vor. Lediglich in Kiel gab es Proteste,
weil der neue Eigentümer säumige Mieter mit auffälligen
Aufklebern an den Briefkästen versah – diese Praxis wurde
jedoch nach den ersten Beschwerden schnell wieder einge-
stellt.

173
Das Beispiel Dresden verdeutlicht auch, dass die Befürch-
tung, die neuen Eigentümer würden nicht investieren, eben-
falls unzutreffend ist. So hat die GAGFAH unmittelbar nach
der Übernahme der Bestände 70 Millionen Euro in die Sa-
nierung der Wohnungen investiert. Auch eine Untersuchung
von Weiß (2007) bestätigt, dass private Investoren in die
erworbenen Bestände investieren. Nach einer Auswertung
des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) wurden in 66,7%
der Wohnungen nach der Privatisierung Modernisierungen
durchgeführt. Im Durchschnitt erfolgt nach einem Eigentü-
merwechsel jedoch nur in 32% der Fälle eine Modernisie-
rung. Bestätigt wird dieses Bild auch durch eine Umfrage
von PriceWaterhouseCoopers (2006) unter deutschen
Kommunen. 54% derjenigen Kommunen, die den Verkauf
ihrer Bestände erwägen, wollen dies tun, um den Investiti-
onsstau aufzulösen.

5. Strategien für die Privatisierung


öffentlicher Wohnungen

Zwischen 1999 und 2006 wurden bei der Privatisierung öf-


fentlicher Wohnungsbestände große Erfolge erzielt. Insbe-
sondere angelsächsische Beteiligungsgesellschaften haben
öffentliche Wohnungen in dieser Zeit gekauft. Wie die Erfah-
rungen zeigen, fehlt der vorgebrachten Kritik an diesen
Transaktionen die Grundlage. Nachweise über tatsächliche
Fehlentwicklungen gibt es jedenfalls nicht. Dennoch ist die-
ser Weg der Privatisierung vermutlich in den nächsten Jah-
ren versperrt. Erstens weil der Widerstand in den Kommu-

174
nen gegen Verkäufe an Beteiligungsgesellschaften so groß
und so emotional ist, dass Politiker kaum bereit sein wer-
den, diese Option zu vertreten. Gerade nach der Finanzkrise
ist zu erwarten, dass die Vorbehalte gegen Beteiligungsge-
sellschaften noch zunehmen werden. Zweitens werden je-
doch auch die Beteiligungsgesellschaften weniger Interesse
an deutschen Wohnungspaketen haben. Schließlich verlan-
gen die Banken wieder mehr Eigenkapital und höhere Risi-
koprämien, was die Attraktivität der Investitionen schmälert.
Renditen von 15% und mehr konnten die Beteiligungsgesell-
schaften nur deshalb mit Wohnungen verdienen, weil sie die
Gewinne auf ein geringes Eigenkapital konzentrieren konn-
ten. Da zu erwarten ist, dass die Kreditvergabe zumindest in
den nächsten Jahren konservativer ist, werden sich die Be-
teiligungsgesellschaften wieder verstärkt anderen Anlage-
formen zuwenden.

Dennoch sollte die Privatisierung vorangetrieben werden,


so dass Alternativen zu überlegen sind. Zwei Aspekte sind
dabei besonders wichtig. Zum einen sollte sichergestellt
werden, dass die Bestände zu angemessenen Preisen ver-
äußert werden, zum anderen sollten die Wohnungsbestän-
de nicht zu kleinteilig werden. Wie die Diskussion um die
Stadtrendite zeigt, gibt es für große Wohnungseigentümer
ein Eigeninteresse an der Erhaltung der sozialen Stabilität.
Solange also Wohnungsbestände, zumindest in den einzel-
nen Vierteln, in der Hand eines Investors bleiben, ist davon
auszugehen, dass genügend Maßnahmen ergriffen werden,
um eine Verschlechterung des Umfelds zu vermeiden. Un-

175
ter dieser Prämisse scheidet damit ein Verkauf an die Mieter
aus. Der Einzelverkauf an Mieter hat sich ohnehin als sehr
schwierig erwiesen. Einzelne Kapitalanleger wiederum inte-
ressieren sich weniger für die soziale Stabilität eines Vier-
tels. In der Folge sinkt damit in den Augen der Nutzer die
Attraktivität der Wohnanlagen (Voigtländer 2008).

Als eine Alternative zum Verkauf an einen Investor werden


immer wieder Genossenschaften genannt (König 2007).
Dies ist gerade aus Sicht der Privatisierungsgegner ver-
ständlich, da Genossenschaften eine Zwischenlösung zwi-
schen Staat und Markt darstellen. Genossenschaften ver-
pflichten sich der Förderung ihrer Mitglieder und verzichten
auf die Maximierung ihrer Gewinne. Praktisch würden bei
einer Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände die
Mieter damit Anteilseigner einer Genossenschaft. Entweder
wird dabei eine neue Wohnungsgenossenschaft gegründet
oder aber eine bereits bestehende Genossenschaft erwirbt
die Bestände und die Mieter werden Mitglieder dieser Ge-
nossenschaft. Sichergestellt wäre damit, dass die Bestände
weiterhin gemeinsam bewirtschaftet werden. Allerdings ist
der Verkauf der Bestände an eine Genossenschaft in der
Regel mit dem ersten Ziel nicht kompatibel. Zunächst stellt
sich als Problem dar, dass nicht alle Mieter der Genossen-
schaft beitreten wollen. Selbst wenn dies jedoch gewährlei-
stet ist, können die Genossenschaften oft nicht das erfor-
derliche Kapital aufbringen, um die Bestände zu erwerben.
Jedes Mitglied muss Kapital in die Genossenschaft einbrin-
gen, welches der Finanzierung des Erwerbs und gegebe-

176
nenfalls der Sanierung der Bestände dient. Selbst wenn ein
Großteil des Erwerbs mit Fremdkapital finanziert wird, müs-
sen die Mitglieder oft noch mehrere 10.000 Euro aufbrin-
gen, um den Erwerb der Bestände und den Aufbau der Ge-
nossenschaft zu realisieren. Dies überfordert jedoch die
Mehrzahl der bisherigen Mieter. Daher müssen zusätzliche
Investoren gewonnen werden, die sich an der Genossen-
schaft beteiligen. Da die Genossenschaften jedoch ver-
gleichsweise geringe Renditen bieten, fällt es ihnen schwer,
externe Finanziers zu gewinnen. Faktisch kann die Privati-
sierung dann nur mit Hilfe staatlicher Unterstützung erfol-
gen. König (2007) nennt als Beispiele hierfür den vergünstig­
ten Verkauf kommunaler Immobilien, die Gewährung
subventionierter Kredite an die Mitglieder zur Ermöglichung
des Kaufs der Genossenschaften und die Wiederbelebung
von Zulagen, die früher für den Kauf von Genossenschafts-
anteilen gewährt wurden. Hiermit würde jedoch das Ziel der
Privatisierung obsolet werden. Schließlich besteht das we-
sentliche Ziel darin, dass der Staat sein finanzielles Engage-
ment im Wohnungsmarkt beendet und sich ausschließlich
auf die Unterstützung hilfebedürftiger Haushalte konzentrie-
ren kann.

Präferiert wird daher eine andere Lösung: Die graduelle Pri-


vatisierung über die Bildung von Immobilienaktiengesell-
schaften. Die Idee dabei ist, dass die Kommunen ihre Be-
stände bündeln und in eine Aktiengesellschaft einbringen.
Durch die Zusammenführung der Bestände sollen Syner-
gien geschaffen werden. Außerdem sind größere Bestände

177
für private Investoren interessanter. Die Kommunen, die zu-
nächst alleinige Aktionäre sind, verkaufen dann einen Groß-
teil der Aktien an private Investoren, beispielsweise im Rah-
men eines Börsengangs. Bereits im Vorfeld – also bei der
Zusammenstellung der Portfolien – sollten möglichst poten-
zielle Investoren mit einbezogen werden, um die Ver-
kaufschancen zu erhöhen. Wichtig ist dabei, dass private
Investoren die Mehrheit an dem Unternehmen erhalten, um
Veränderungen anstoßen zu können und um das Unterneh-
men zu entpolitisieren. Ansonsten wird es wahrscheinlich
nur wenig Interesse an der Beteiligung an einem Staatsun-
ternehmen geben. Die Kommunen können jedoch zunächst
eine Sperrminorität behalten. Der Vorteil dieses Ansatzes
ist, dass die Kommunen auf den richtigen Zeitpunkt für die
Veräußerung warten können, um so einen angemessenen
Preis zu erzielen und sie andererseits dafür sorgen können,
dass größere Einheiten bestehen bleiben. Vorteilhaft ist au-
ßerdem, dass die Kommunen sich schrittweise von den
Wohnungsunternehmen trennen können, was die politische
Akzeptanz merklich erhöhen wird. Allerdings muss verbind-
lich geregelt werden, dass am Ende des Prozesses der voll-
ständige Verkauf des Wohnungsunternehmens steht.

Begünstigt würde dieser Privatisierungsweg, wenn zukünf-


tig auch Real Estate Investment Trusts (REITs) in Bestandswoh-
nungen investieren dürfen. REITs sind Immobilienaktien nach
internationalem Vorbild, die sich durch ihre Konzentration
auf Immobilien und ihre hohen Transparenzstandards aus-
zeichnen. Außerdem ist es ihnen als Bestandshalter unter-

178
sagt, größere Teile ihres Portfolios zu verkaufen. Die Fokus-
sierung auf die Bewirtschaftung sowie die hohe Transparenz,
die unter anderem durch die obligatorische Börsennotierung
unterstrichen wird, machen den REIT zu einer idealen Unter-
nehmensform für privatisierte Wohnungsunternehmen.
Schließlich kann es sich ein an der Börse gelistetes und da-
mit in der Öffentlichkeit stehendes Unternehmen kaum lei-
sten, Mieter zu überfordern oder wichtige Investitionen oder
Instandhaltungen zu unterlassen. Umso unverständlicher ist
es, dass es REITs als einziger Unternehmensform untersagt
wurde, in Wohnimmobilien zu investieren.

6. Ausblick

Mit der Finanzkrise hat die Privatisierung öffentlicher Woh-


nungsunternehmen eine Pause eingelegt. Wie die Analyse
jedoch zeigt, sollte der Prozess baldmöglichst wieder aufge-
nommen werden. Weder aus der theoretischen Diskussion
noch aus den bisherigen Erfahrungen lassen sich Gründe
für ein Festhalten an öffentlichen Wohnungsunternehmen
ableiten. Im Gegenteil, durch den Verkauf der Bestände ge-
winnen die Kommunen finanziellen Spielraum, der es ihnen
erlaubt, eine effizientere Sozialpolitik zu betreiben und Schul-
den zu tilgen. Durch die Sicherung von Belegungsrechten
können die Kommunen außerdem gewährleisten, dass sie
Haushalten mit Zugangsproblemen zum Wohnungsmarkt
weiterhin helfen können.

179
Es ist zu erwarten, dass es in näherer Zukunft wieder ein
größeres Interesse an der Privatisierung öffentlicher Woh-
nungen geben wird. Bei den Kommunen haben sich die fi-
nanziellen Schieflagen durch die Rezession verstärkt. Auf-
grund des Gewinneinbruchs bei den Unternehmen und der
höheren Arbeitslosigkeit sind die Steuereinnahmen deutlich
zurückgegangen. Das Interesse an dem Verkauf von Woh-
nungsbeständen wird daher wieder zunehmen. Auch auf
Seiten der Käufer ist von einem höheren Interesse auszuge-
hen. Der deutsche Wohnimmobilienmarkt zeichnet sich
durch eine sehr hohe Stabilität aus. Von allen OECD-Staaten
weist der deutsche Markt die geringste Volatilität auf (De-
mary et al. 2009). Diese Eigenschaft macht den Markt nach
den Erfahrungen aus der Finanzkrise für Investoren attraktiv.
Vor allem institutionelle Investoren wie Pensionsfonds oder
Versicherungen wollen wieder verstärkt in sichere Anlagen
investieren. Gerade diese Investoren bevorzugen jedoch li-
quide und handelbare Anlageformen. Umso wichtiger ist es
daher, dass die kommunalen Bestände in Aktiengesell-
schaften überführt werden und der Gesetzgeber den Woh-
nimmobilienmarkt auch für REITs öffnet.

180
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184
Peter King

Die Privatisierung von Sozial-


wohnungen: Das „Right to Buy“
in Großbritannien1

1. Einleitung

Viele Initiativen der Wohnungspolitik werden als wegwei-


sende und grundlegende Änderungen angekündigt. Es wäre
natürlich befremdlich, wenn Politiker eine bestimmte Politik
auf den Weg bringen und dabei nicht behaupten würden,
dass diese von ganz besonderer Bedeutung ist. Oft gelingt
es politischen Initiativen jedoch nicht, irgendetwas zu verän-
dern und sie werden meist schnell von anderen Themen ab-
gelöst. Angesichts immer neuer Initiativen, auf die sich alles
stürzt und die dieses Mal „wirklich funktionieren werden“ ist
über die alten Ideen schnell Gras gewachsen.

In Großbritannien sind im Bereich der Wohnungspolitik nur


zwei Maßnahmen zu nennen, die tatsächliche Änderungen
und einen reellen nachhaltigen sozialen Wandel bewirkt ha-

1 Übersetzung aus dem Englischen von Tanja Felder.

185
ben. Die erste dieser politischen Maßnahmen bestand in
der nach dem ersten Weltkrieg getroffenen Entscheidung,
den Bau von Mietwohnungen durch die örtlichen Behörden
finanziell zu unterstützen. Die örtlichen Behörden erhielten
im Rahmen dieser Maßnahme die Möglichkeit, eine örtliche
Grundsteuer zu erheben und gestützt durch regelmäßige
Staatszuschüsse Kredite aufzunehmen, um Wohnungen für
Arbeiterhaushalte zu bauen. Im Zuge dieser Politik wurden
zwischen 1919 und 1980 in Großbritannien über sechs Milli-
onen Wohnungen gebaut (Malpass und Murie 1999), was
einem Anteil von 29% des Wohnungsbestandes im Jahr
1980 entsprach. Diese Wohnungen wurden größtenteils zu
subventionierten Mieten (die jedoch immer noch höher wa-
ren als in bestimmten Bereichen des einer Mietpreiskontrol-
le unterliegenden Privatsektors) an Arbeiterhaushalte ver-
mietet. Dieses Muster der sozialen Bereitstellung von
Wohnraum war in seiner Art nahezu einzigartig und wurde
nur von der Republik Irland (die bis 1922 formell Teil des
Vereinigten Königreichs war) in ähnlicher Weise umgesetzt.

Die zweite reformpolitische Maßnahme, die eine Verände-


rung bewirkte, bestand in dem von der konservativen Regie-
rung unter Margaret Thatcher 1980 eingeführten Vorkaufs-
recht für Sozialwohnungen, dem so genannten Right to Buy
(RTB). Dieses Recht bot Mietern mit einem bestehenden
Mietvertrag, ihre Sozialwohnung zum Vorzugspreis zu kau-
fen. Selbstverständlich baute diese Politik auf dem ersten
beschriebenen Ansatz auf, da zunächst einmal Sozialwoh-
nungen vorhanden sein mussten, um diese überhaupt ver-

186
kaufen zu können. Doch insbesondere in Haushalten der Ar-
beiterklasse zeigten sich vergleichbare Folgen im Hinblick
auf eine Veränderung der Betrachtungsweise des Woh-
nungswesens (King 2010). Seit 1981 wurden auf diese Wei-
se 2,5  Millionen Wohnungen verkauft. Diese Verkäufe
brachten eine deutliche Senkung des Anteils von Sozial-
wohnungen auf unter 10% (wobei Wohnungsbaugesell-
schaften einen ähnlichen Anteil besitzen, sodass der Sozial-
sektor nach Wilcox (2008) insgesamt auf einen Anteil von
18,5% kommt) und einen beträchtlichen Anstieg des Woh-
neigentums mit sich.

Ein Verständnis der britischen Wohnungspolitik ist nur unter


Berücksichtigung der Dominanz des selbstgenutzten Woh-
neigentums möglich. Diese Form des Wohnens ist für knapp
70% der Haushalte Realität und gilt heutzutage als bevor-
zugte Wohnsituation. Die Vermietung von Sozial- und Privat-
wohnungen wurde unter lediglich geringer Interaktion zwi-
schen diesen beiden Wohntypen an den Rand gedrängt.
Angesichts eines Anteils der Mieter von Sozialwohnungen,
die von Wohngeld und anderen Sozialhilfeleistungen abhän-
gig sind, von über 60% haben sich die Wohnverhältnisse
immer mehr polarisiert. Sozialwohnungen werden dabei
streng auf Grundlage der Bedarfsprioritäten vergeben, wo-
durch das hohe Maß an wirtschaftlicher Abhängigkeit auf-
recht erhalten wird. Im Ergebnis hat die Mehrheit der bri-
tischen Haushalte keine direkte Erfahrung mit Sozialwoh-
nungen und keine besondere Haltung zu diesem Thema.

187
Das RTB war sicher mit für den Rückgang von Sozialwoh-
nungen und den Anstieg von selbstgenutztem Wohneigen-
tum vor allem in Haushalten der Arbeiterklasse verantwort-
lich. Es setzte dabei auf die Popularität des selbstgenutzten
Wohneigentums in Großbritannien und trug gleichzeitig zu
dessen weiterer Entwicklung bei.

Der vorliegende Aufsatz soll zunächst das RTB etwas ge-


nauer betrachten und den Hintergrund dieser politischen
Maßnahme sowie ihre Folgen beschreiben. Dabei wird auf-
gezeigt, dass das RTB beispielhaft für eine wirkungsvolle
Privatisierung von Staatsvermögen ist. Darüber hinaus ist
es jedoch auch eines der wenigen Beispiele für eine funkti-
onierende Politik, welche die 1980 von den Konservativen
gesteckten Ziele weithin erreicht hat. Dieser Erfolg liegt da-
rin begründet, dass die Politik den Kern der menschlichen
Natur anspricht: Sie basiert auf klaren Anreizen und legt ihr
Augenmerk auf das Eigeninteresse des Einzelnen, anstatt
davon auszugehen, dass Wohnraum ein kollektives Gut mit
übergreifendem sozialem Zweck ist.

2. Einführung des Right to Buy

Das Right to Buy wurde in einer Zeit des politischen und wirt-
schaftlichen Umbruchs entwickelt. Die 1970 gewählte kon-
servative Regierung von Edward Heath hatte es mit einer –
möglicherweise hausgemachten – Immobilienblase, einer
Ölkrise und einer Reihe industrieller Auseinandersetzungen
zu tun. Als Heath im Februar 1974 unter dem Motto „Wer

188
regiert Großbritannien?“ zur Wahl antrat, entschied die
Wählerschaft sich nicht für ihn, sondern gab einer Minder-
heitsregierung der Labour-Partei den Vorzug (Ramsden
1998). Im weiteren Verlauf des Jahres 1974 wandte sich der
Premierminister Harold Wilson erneut an die Wähler und er-
hielt eine geringe Mehrheit, die mit der Zeit jedoch brüchig
wurde. Die gewählte Labour-Regierung tat nur wenig, um
die wirtschaftlichen und politischen Probleme des Landes
in den Griff zu bekommen. Die Krise erreichte ihren Höhe-
punkt 1976, als die Regierung den Internationalen Wäh-
rungsfonds – eigentlich eine zur Unterstützung von Ent-
wicklungsländern bestehende Einrichtung – um ein
Notfalldarlehen ersuchte, um den Fortbestand des öffent-
lichen Dienstes zu gewährleisten. Die konservative Opposi-
tion in Person ihrer neuen Leitfigur Margaret Thatcher er-
hielt damit für einen Regierungswechsel bei den
Parlamentswahlen 1979 neuen Auftrieb, da die sozialistische
Regierung die Kontrolle über die Ereignisse verloren zu ha-
ben schien.

Im Nachhinein erscheinen die Veränderungen seit 1979 na-


türlich als unumgänglich und fast schon selbstverständlich.
Nach über 30 Jahren, in denen zahlreiche politische Um-
strukturierungen erfolgten und die wichtigsten politischen
Parteien sich neu orientierten, ist es einfach, die von den
Konservativen vorgeschlagenen Änderungen als präskrip-
tiver und sicherer zu erachten, als sie es damals tatsächlich
waren. Dabei wird bisweilen vergessen, in welchem Maße
das, was die Konservativen vorschlugen, einen radikalen

189
Bruch mit dem Konsens der Nachkriegszeit darstellte. Bei
der Lektüre von Dokumenten der Konservativen aus den
späten 1970er Jahren wird jedoch erkennbar, mit welcher
intellektuellen Zuversicht diese präsentiert wurden. Die Do-
kumente waren unmissverständlich und wanden sich nicht
mit schönen Worten um Tatsachen. Hier ging es nicht um
einen Konsens, sondern um die Überzeugung, dass die La-
bour-Regierung das Land in die falsche Richtung geführt
hatte und die Position der Konservativen die Meinung der
Mehrheit widerspiegelte. Im Gegensatz zu jüngeren Doku-
menten und Debatten ist dieses Material voller Ideen und
Argumente und sorgt sich nicht um die formelle Präsentati-
on und markige Sprüche. Es wird deutlich, dass die Argu-
mente auf einer bestimmten ideologischen Position fußen
und es wird kein besonderer Versuch unternommen, dies zu
verbergen.

1976 veröffentlichten die Konservativen ein Dokument mit


dem Titel The Right Approach (Konservative Partei 1976). In
diesem bedeutenden Dokument wurde eine allgemeine phi-
losophische Position skizziert, die von den Konservativen
mit dem Wohnen im Eigenheim und dem Verkauf von Sozi-
alwohnungen verknüpft wurde. Es handelte sich dabei nicht
nur um ein politisches Statement. Das Dokument verfolgte
vielmehr das ehrgeizigere Ziel einer Sozialismuskritik und
wollte eine kohärente und begründete Alternative dazu bie-
ten.

190
Im Hinblick auf die Bedeutung von privatem Wohneigentum
ist das Dokument unmissverständlich:
„Was wir anstreben müssen, liegt im Wesen des Konser-
vativismus selbst begründet. Es handelt sich dabei um
eine politische Philosophie, die über den Staat und das
Individuum hinaus geht und beginnt, das komplexe Netz
aus wechselseitigen Rechten und Pflichten in einer ge-
ordneten Gesellschaft menschlich zu formulieren.

Eine solche Philosophie erkennt an, dass privates Wohn­


eigentum wesentlich ist, wenn wir die persönliche Verant-
wortung und die Freiheit, die damit einhergeht, stärken
möchten. Eigentum verleiht Macht, erweitert die Ent-
scheidungsmöglichkeiten und ist eine wesentliche Quelle
der Unabhängigkeit. Da bestimmte Menschen bessere
Voraussetzungen und größere Chancen als andere ha-
ben, Eigentum zu erwerben, sind soziale und wirtschaft-
liche Ungleichheiten vorherbestimmt. Wir Konservativen
sind keine Verfechter des Egalitarismus. Wir glauben da-
ran, Chancen zu verbessern und zu fördern, nicht daran,
diese einzuschränken, da jegliche Vorhaben und Bemü-
hungen dadurch im Keim erstickt würden. Dies hätte
letztlich eine Verringerung der Ressourcen für die Unter-
stützung der sozial Benachteiligten zur Folge. Feindselig-
keit gegenüber dem Erfolg, die davon ausgeht, dass Er-
folg zu Ungleichheiten führt, ist oft nur schwer von Neid
und Habgier zu unterscheiden. Dies gilt insbesondere
dann, wenn sie – wie Alexander Solschenizyn betonte –

191
in die Sprache des „Klassenkampfes“ eingebettet ist.“
(S. 17-18)

Im Einzelnen wird insbesondere aus drei Gründen ange-


strebt, selbstgenutztes Wohneigentum zu fördern:

„Zunächst verleiht Wohneigentum den Menschen Unab-


hängigkeit: Das Bewusstsein, ein eigenes Heim zu besit-
zen, stärkt die Freiheit der Familie. Zweitens möchten die
meisten Menschen vor allem aus genau diesem Grunde
Wohnungseigentümer werden und sind als Eigentümer
glücklicher als sie es als Mieter waren. Und drittens ist
die Unterstützung von Menschen beim Eigenheimkauf
von Vorteil für die Steuerzahler: Während der Neubau
von Sozialwohnungen im ersten Jahr durchschnittlich mit
Subventionen von bis zu 1.300  £ gefördert wird, ergibt
sich für eine durchschnittliche neue Hypothek eine Steu-
ererleichterung von etwa 300 £.“ (S. 51)

Es gibt also gute Gründe dafür, selbstgenutztes Wohneigen-


tum zu fördern: Es stärkt die Freiheit und macht die Men-
schen glücklicher, so dass sie nach weiterem Glück streben,
und es ist im Vergleich zu Sozialwohnungen für den Steuer-
zahler günstiger. Der erste Grund stimmt überein mit der
konservativen Position bezüglich der Bedeutung von Eigen-
tum und wie dieses die Formulierung der Rechte und Pflich-
ten innerhalb einer Gesellschaft ermöglicht. Der zweite
Grund lässt jedoch erkennen, dass die konservative Partei
den Wahlkampf noch nicht vollständig vergessen hatte. Sie

192
anerkennt die Popularität von Wohneigentum und unter-
stützt es daher. Der dritte genannte Punkt zeigt eine wich-
tige politische Verbindung auf, denn die Konservativen argu-
mentieren, dass die Förderung von selbstgenutztem
Wohneigentum einen Mehrwert gegenüber der Vermietung
von Sozialwohnungen darstellt und führen an, dass Steuer-
zahler dadurch nicht unerhebliche Geldsummen sparen kön-
nen.

Der dritte Grund bietet eine Rechtfertigung des Right to Buy.


Selbstgenutztes Wohneigentum wird als günstiger und da-
mit als bessere Geldwertnutzung betrachtet. Dieses Argu-
ment wird unter Hervorhebung der praktischen Elemente
einer Politik des Verkaufs von Sozialwohnungen recht ge-
nau ausgeführt:

„Wir möchten die ungerechten Beschränkungen, die für


den Verkauf ihrer Wohnungen an Mieter von Sozialwoh-
nungen und Wohnungen in den New Towns2 gelten, ein
für alle Mal beseitigen. Wir sind der Ansicht, dass diese
Mieter per Gesetz das Recht haben sollten, ihre Woh-
nungen nach drei Jahren Mietdauer als Grundeigentum
oder, bei Wohnungen in England und Wales, als Mietei-
gentum zu erwerben. In der Praxis könnte dies so gestal-
tet werden, dass Mieter ihre Sozialwohnung kündigen

2 New Town (Neue Stadt): aus Großbritannien stammender städtegeogra-


fischer Begriff für eine im 20. Jahrhundert nach modernen funktionalen Ge-
sichtspunkten geplante und neu erbaute Stadt. (Anm. d. Ü.)

193
und ihnen der Rechtsweg offen steht, wenn die Gemein-
de den Antrag des Mieters auf Kauf der Wohnung ab-
lehnt bzw. behindert.

Geplant ist eine Finanzierung des Verkaufs von Sozial-


wohnungen durch Hypotheken von Wohnungsbau- und
Versicherungsgesellschaften sowie durch Hypotheken
der örtlichen Behörden. Die geringen Kosten für die
Steuerentlastungen auf zusätzliche Hypotheken würden
durch die höheren Einnahmen aus einem umfassenden
Programm zum Verkauf von Sozialwohnungen mehr als
kompensiert werden.

Die Bereitstellung von Wohnraum durch örtliche Behör-


den ist kostspielig und nicht immer effizient. Bei vielen
städtischen Behörden steht zu bezweifeln, dass sie den
Wohnungsbestand überhaupt erweitern werden. Viele
von örtlichen Behörden durchgeführte Neubauprojekte
bestehen im Wesentlichen darin, dass in einem teuren
Prozess ganze Gegenden plattgewalzt und zu Schutthau-
fen aufgeschoben werden und innerhalb des Mietsektors
ein Hebel von privat zu staatlich umgelegt wird.

Der Wohnungsbestand übersteigt heute die Anzahl der


Haushalte um mehr als eine Dreiviertelmillion; die Nach-
frage nach Sozialwohnungen wurde dabei künstlich in die
Höhe getrieben, und zwar durch immer mehr stark sub-
ventionierte Mieten (die die Gemeinden „zwingen“, neue
Bauvorhaben umzusetzen, da nur relativ wenige leere

194
Wohnungen zur Weitervermietung zur Verfügung stehen)
und durch eine Gesetzgebung, die für einen stark verrin-
gerten zur Miete zur Verfügung stehenden Privatbestand
gesorgt hat.“ (S. 52-3)

Der Duktus dieser Passage ist negativ und konzentriert sich


auf eine Kritik des sozialen Wohnungsbaus sowie dessen
Finanzierung. Die implizite Aussage dieses Arguments ist,
dass Mieter ohne Grund durch ihre Vermieter davon abge-
halten werden, ihre Wohnungen zu kaufen. Tatsächlich hatte
die Heath-Regierung ein freiwilliges System zum Verkauf
von Sozialwohnungen eingeführt (Sillars 2007), das jedoch
von der 1974 gewählten Labour-Regierung nicht weiterge-
führt wurde. Wenn diese Politik auf eine gesetzliche Grund-
lage gestellt würde, erhielten Mieter die Möglichkeit, ihren
Kaufwünschen Ausdruck zu verleihen. Implizit würde da-
durch zudem das verhindert, was sie als die verschwende-
rischen und destruktiven Gepflogenheiten von Gemeinden
betrachten, die als Vermieter und Bauherren agieren.

Bei den Parlamentswahlen 1979 wurde die RTB-Politik be-


reits deutlich konkreter formuliert:

„Viele Familien, die in Sozialwohnungen und New Towns


leben, würden gerne Wohneigentum erwerben, haben
aber entweder nicht die Mittel dazu oder werden von den
örtlichen Behörden oder der Labour-Regierung daran ge-
hindert, dies zu tun. Es ist an der Zeit, diesen Beschrän-
kungen ein Ende zu setzen. In der ersten Sitzung des

195
neuen Parlamentes werden wir daher Mietern von Sozial-
wohnungen und Wohnungen in New Towns unter Be-
rücksichtigung der besonderen Gegebenheiten in länd-
lichen Gebieten und des Bedarfs an Einrichtungen für
betreutes Wohnen für ältere Menschen per Gesetz das
Recht verleihen, ihre Wohnungen zu kaufen. Vorbehalt-
lich besonderer Regeln im Falle eines Weiterverkaufs,
bieten die von uns vorgeschlagenen Bedingungen beim
Kauf einer Sozialwohnung einen Nachlass auf deren
Marktwert, der die Tatsache widerspiegelt, dass den
Mietern solcher Wohnungen nicht ohne weiteres gekün-
digt werden kann. Diese Nachlässe steigen von 33%
nach drei Jahren mit Fortdauer des Mietverhältnisses bis
auf 50% nach zwanzig Jahren an. Darüber hinaus werden
wir sicherstellen, dass für den Kauf von Sozialwohnungen
und Wohnungen in New Towns eine Vollfinanzierung über
Hypotheken möglich ist. Die genannten Mieter sollen zu-
dem das Recht haben, befristete Optionen auf ihre Woh-
nungen zu erhalten, sodass sie schon im Voraus den
Preis, zu dem sie kaufen können, kennen und darauf spa-
ren können.“ (Abschnitt 5, keine Seitenangabe)

Diese Politik wird durch die Selbstverpflichtung der Partei,


bei der ersten Gelegenheit nach der Wahl eine entspre-
chende Gesetzgebung auf den Weg zu bringen, als eine Pri-
orität dargestellt. In der Folge wurde diese Politik überdacht
und verfeinert. Mögliche Optionen wie die Bereitstellung
von Wohnungen in ländlichen Gebieten und Einrichtungen
für betreutes Wohnen wurden dabei ebenso berücksichtigt

196
wie die praktische Umsetzung von Bewertungen und der
tatsächliche Entscheidungsfindungsprozess der Haushalte.
Den Haushalten sollte dabei über einen für einen bestimmten
Zeitraum festgelegten Wert eine gewisse Sicherheit gege-
ben werden.

Wie man an der sehr knappen Art, in der die Konservativen


ihre Leitlinien in ihrem Wahlprogramm von 1979 darlegen
konnten, sehen kann, war das Vorhaben zu dieser Zeit durch
eine besondere Schlichtheit und Verlockung gekennzeich-
net. Zu seiner Rechtfertigung waren weder eine besondere
Sprache noch komplexe Argumentationsketten erforderlich,
wie dies früher oder später in der Wohnungspolitik häufig
der Fall war. Das RTB konnte in einfacher Sprache mit Be-
griffen erklärt werden, die alle verstehen konnten. Der zu-
grunde liegende Mechanismus war klar – Stellen eines An-
trags, Erhalt einer für einen bestimmten Zeitraum geltenden
Bewertung, Anspruch auf eine Hypothek – und ebenso klar
waren auch die Anreize in Form eines großzügigen Nach-
lasses. Im Folgenden soll untersucht werden, warum das
Gesetz sich nach seiner Umsetzung so schlecht verkaufte.

Die Vorschläge im Rahmen des RTB für England und Wales


waren im Wohnungsbaugesetz von 1980 verankert, das
schottische Mietrecht von 19803 stimmte in weiten Teilen
mit den oben dargestellten Vorschlägen überein. Das Er-

3 Das schottische Wohnrecht unterscheidet sich wie viele Aspekte der


Gesetzgebung von den in England geltenden Vorschriften.

197
messen der örtlichen Behörden, ihre Wohnungen zu verkau-
fen, wurde durch ein Gesetz ersetzt, das Mietern, die ihre
Wohnung seit mindestens drei Jahren bewohnten, ein Recht
auf den Kauf dieser Wohnung verlieh. Diese Regelung galt
für die meisten Bestandsmieter einschließlich aller Sozial-
wohnungen, New Towns und nicht gemeinnützigen Woh-
nungsverbände. Bestimmte Wohnungstypen wie betreute
Einrichtungen für ältere Menschen und Wohnungen in länd-
lichen Gebieten waren von der Regelung ausgenommen.
Insgesamt war das Ziel jedoch, so viele Wohnungen wie
möglich mit in das Programm aufzunehmen. Um die Verfah-
ren und die Verwaltung Bürgern im gesamten Land gleicher-
maßen zugänglich zu machen, wurde ihnen Unterstützung
angeboten und der Minister erhielt die Befugnis, in das Ver-
fahren einzugreifen und dieses zu überwachen. Die dem zu-
grunde liegende Befürchtung war, dass bestimmte Gemein-
den versuchen würden, ihre Mieter in der Ausübung ihrer
Rechte zu behindern. Diese Befürchtung sollte sich als be-
gründet erweisen (Malpass und Murie 1999).

Das Gesetz sah eine Methode zur Immobilienbewertung


und ein auf der Dauer des Mietverhältnisses beruhendes
Nachlasssystem vor, das nicht zwangsläufig auf die aktuelle
Wohnung bezogen sein musste. So konnten Mieter nach
drei  Jahren einen Kauf gemäß RTB mit einem Nachlass von
33% beantragen. Der Nachlass stieg dabei um 1% jährlich
bis auf maximal 50%.

198
Verkauften die Mieter ihre Wohnung innerhalb der ersten
fünf Jahre, sah das Gesetz die Rückzahlung des gesamten
bzw. eines Teils des Nachlasses vor, der sich für jedes volle
Jahr um 20% verringert.

Ein weiterer dem Wahlprogramm entnommener Aspekt be-


traf den Anspruch auf eine Vollfinanzierung durch eine Hy-
pothek zu vom Ministerium festgelegten Konditionen. Für
den Fall, dass ein Mieter seinen Kauf verschieben wollte,
bestand zudem die Möglichkeit, die ermittelte Bewertung
für bis zu zwei Jahre einzufrieren.

All diese Maßnahmen zeigen das Bild eines genau ausgear-


beiteten Gesetzes, das einige der zentralen Probleme der
Umsetzung eines solchen Programms wie den Widerstand
der örtlichen Behörden und die Schwierigkeit der Bereitstel-
lung von Wohnungen mit besonderen Merkmalen aufgreift.
Seit seinem Bestehen wurde das RTB jedoch vielfach er-
gänzt und angepasst. Unter der konservativen Regierung
zielten diese Änderungen größtenteils auf eine Ausweitung
des Systems ab, während die seit 1997 durch die Labour-
Regierung beschlossenen Anpassungen restriktiver waren.
Trotz dieser Änderungen bleibt das RTB weiterhin in Kraft
und scheint, soweit heute absehbar, unumstößlich zu sein.

3. Die Folgen des Right to Buy

Wie bereits angedeutet und wie in Tabelle 1 dargestellt hat-


te das RTB beachtliche Folgen. An erster Stelle ist hierbei

199
die Tatsache zu nennen, dass das RTB knapp über 2,5 Milli-
onen Mietern zu einem Eigenheim verhalf. Man kann dem
gleichgültig gegenüberstehen, doch handelt es sich um eine
durchaus beeindruckende Zahl. Bedenkt man, dass es 2006
in Großbritannien insgesamt nur 2,6  Millionen Sozialwoh-
nungen gab, erhält man vielleicht eine Vorstellung von den
tatsächlichen Folgen dieser politischen Maßnahme. Knapp
40% der Sozialwohnungen wurden in Eigentumswohnungen
umgewandelt und 2,5 Millionen Haushalte erhielten Zugang
zu einem eigenen Vermögenswert, finanzieller Unabhängig-
keit und persönlicher Verantwortung, Faktoren, die die kon-
servative Partei für den Aufbau einer postsozialistischen
Gesellschaft für wichtig erachtete.

Eine andere Wohnungspolitik mit ähnlich umfassenden Fol-


gen ist nur schwer vorstellbar. Einzig der soziale Wohnungs-
bau selbst, mit über sechs Millionen neuen Wohnungen zwi-
schen 1923 und 1980, kommt dieser Entwicklung nahe,
wenn auch in einem deutlich längeren Zeitrahmen.

Das RTB hatte gegenüber anderen politischen Maßnahmen 


– einschließlich des sozialen Wohnungsbaus – sicher einen
wesentlichen Vorteil: Die einfache Tatsache, dass die Res-
sourcen für dieses Gesetz unmittelbar zur Verfügung stan-
den. Die direkten Kosten des RTB im Vergleich zu einem
massiven Wohnungsbau waren zu vernachlässigen und ein
großer Teil davon entfiel nicht direkt auf die Zentralregie-
rung, sondern wurde von den örtlichen Behörden als Eigen-
tümer des Bestands getragen. Das RTB konnte eine solche

200
direkte Wirkung entfalten, da sechs  Millionen Wohnungen
unmittelbar für den Verkauf infrage kamen. Eine langwierige
und umfangreiche Vorbereitung zur Bereitstellung der Res-
sourcen für das Gesetz war damit nicht erforderlich. Zudem
erforderte das RTB keine umfangreichen Veränderungen
bei den betroffenen Haushalten; sie konnten Wohnungsei-
gentümer werden, ohne erst umziehen zu müssen. Das RTB
war also von einer großen Einfachheit geprägt. Insgesamt
kann das Projekt als eine politische Maßnahme für eine Ge-
neration angesehen werden, die von dem glücklichen Zu-
sammentreffen von Angebot, Nachfrage, Gelegenheiten
und einem besonderen System profitierte, was folgende
Zahlen verdeutlichen:

Tabelle 1: RTB-Verkäufe

Jahr England Schottland Wales Großbritannien


1980 55 2157 0 2212
1981 66321 10096 7196 84333
1982 174697 13544 16088 204329
1983 120659 17321 9088 147208
1984 86315 15248 5650 107213
1985 78433 14473 5622 98328
1986 77144 13322 5420 95856
1987 86845 18594 5609 111048
1988 132980 31480 9605 174065
1989 144754 38443 12753 195950
1990 96729 32535 6487 135751

201
1991 53462 22694 3503 79659
1992 42280 23521 3823 68624
1993 42034 19787 2814 63635
1994 45875 21128 3132 70135
1995 34553 16636 2369 53558
1996 34161 13023 2093 49277
1997 44375 17369 2632 64376
1998 44256 14948 2614 61818
1999 58462 14227 3466 76155
2000 61956 14935 3522 80413
2001 58955 14095 3446 76496
2002 68996 17343 4288 90627
2003 85934 20698 6924 113556
2004 67160 15203 5063 87426
2005 36353 13033 2090 51376
2006 24190 10487 1366 36043
2007 16410 7420 1017 24847
Gesamt 1884214 483560 137540 2505314
Quelle: Wilcox, 1999, 2008.

Noch deutlicher werden die Folgen des RTB bei der Betrach-
tung der in Tabelle 2 zusammengefassten Daten über die Ver-
änderung der Wohnsituation zwischen 1981 und 2006. Die
hier aufgeführten Zahlen zeigen, inwiefern sich die Wohnsitu-
ation in den einzelnen Teilen Großbritanniens verändert hat.
Daraus geht hervor, dass der Eigentumsanteil seit Einführung
des RTB-Gesetzes deutlich gestiegen und der Wohnungsbe-
stand der örtlichen Behörden in noch höherem Maße gesun-
ken ist. Letzteres ist auf das RTB zurückzuführen, jedoch

202
auch auf eine Verlagerung des Bestandes (der teilweise für
das Wachstum von Wohnungsbaugesellschaften verantwort-
lich ist, ebenso wie die Tatsache, dass alle neu gebauten So-
zialwohnungen in diesem Sektor erfolgten). Der Rückgang
der Sozialwohnungen schlägt sich am deutlichsten in Schott-
land nieder, wo nur noch 35% des Bestands von 1981 (ge-
genüber 43,5% in England) vorhanden sind, wenngleich die-
ser Anteil in Bezug auf den Gesamtbestand noch immer
höher ist.

Tabelle 2: Änderung der Wohnsituation, 1981-2006 (%)

1981 2006
England
Eigennutzung 59,8 70,2
Privatvermietung 11,3 11,9
Wohnungsbaugesellschaft 2,3 8,4
Örtliche Behörde 26,6 9,5

Schottland
Eigennutzung 36,4 67,1
Privatvermietung 9,7 7,4
Wohnungsbaugesellschaft 1,8 10,5
Örtliche Behörde 52,1 15,1

Wales
Eigennutzung 61,9 72,7
Privatvermietung 9,6 10,4
Wohnungsbaugesellschaft 2,2 5,0
Örtliche Behörde 26,4 11,9

203
Großbritannien
Eigennutzung 57,7 70,1
Privatvermietung 11,1 11,4
Wohnungsbaugesellschaft 2,2 8,4
Örtliche Behörde 29,0 10,1
Quelle: Wilcox, 2008.,

Angesichts dieser Zahlen sollte festgehalten werden, dass


zwar der Wohnungsbestand der Wohnungsbaugesell-
schaften (um bislang knapp 400%) angestiegen ist, dass
dies jedoch nicht ausgereicht hat, den Rückgang bei den
Sozialwohnungen auszugleichen. Beide Sektoren gemein-
sam kamen 1981 auf 31,2% gegenüber 18,5% im Jahr 2006.
Das zeigt deutlich, dass die Absicht der Konservativen Er-
folg hatte, die Bedeutung von Sozialwohnungen zu reduzie-
ren. Die politische Folge ist, dass Sozialwohnungen selbst in
Schottland, wo diese einst die am weitesten verbreitete
Wohnsituation darstellten, heute politisch zu vernachlässi-
gen sind. Sozialwohnungen sind heute eine Wohnform, die
zwar existiert, die den Politikern und der Bevölkerung allge-
mein aber nur geringfügige Unterstützung abverlangt. Es be-
steht weiterhin Bedarf an Sozialwohnungen (Hills 2007) und
die Regierung akzeptiert das, doch bedeutet dies keines-
wegs, dass das Thema eine Priorität wäre. Einzig hinsichtlich
der Vorherrschaft selbstgenutzten Wohneigentums sind
Sozialwohnungen nach wie vor von politischer Bedeutung,
so dass die Regierung der Auffassung ist, dass es notwen-
dig ist, die Wohnungsmärkte zu verwalten und Immobilienei-
gentümern ihre Unterstützung anzubieten (CLG, 2007).

204
4. Argumente gegen das Right to Buy

Hat sich das RTB unter vielen Mietern als populär erwiesen
und genießt breite politische Unterstützung, so äußert sich
ein Großteil der akademischen Literatur grundsätzlich ableh-
nend gegenüber dieser politischen Maßnahme. Die Literatur
über das RTB bietet ein breites Spektrum an Kritik. Zahl-
reiche Studien erheben den Anspruch, die nachteiligen Fol-
gen des RTB aufzuzeigen und argumentieren für seine Ab-
schaffung. Es ist jedoch nur allzu deutlich, dass den Kritikern
die Argumente ausgehen. Die Labour-Partei war anfangs
gegen das RTB, wurde jedoch durch die Realität der Wahl-
kampfpolitik gezwungen, diesen Weg 1987 zu akzeptieren
und unterstützt seither das RTB und selbstgenutztes Woh-
neigentum allgemein ebenso lautstark wie die Konserva-
tiven. Viele der Argumente gegen das RTB können daher
ignoriert werden und sei es nur deshalb, weil sie von gerin-
ger praktischer Bedeutung waren. Worauf in diesem Zu-
sammenhang hingewiesen werden sollte ist, dass sich die
Kritik in weiten Teilen nicht gegen die Vorteile selbstge-
nutzten Wohneigentums an sich richtete, sondern gegen die
Folgen des RTB für den Sozialwohnungssektor. Das RTB
wurde daher nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern
vielmehr deshalb, weil es als ein Einschnitt in den Sozial-
staat empfunden wurde. Wie aus obigen Tabellen hervor-
geht, hatte das RTB einen nicht unerheblichen Einfluss auf
den Sozialwohnungssektor. Dies führte dazu, dass Kritiker
vorbrachten, die Gesellschaft sei durch dieses Gesetz we-

205
niger gut in der Lage, mit Bedarfsprioritäten und Obdachlo-
sigkeit umzugehen.

Dieses Argument legt nahe, dass zwischen einer kollektivi-


stischen und einer individualistischen Sichtweise der Woh-
nungspolitik unterschieden werden sollte. Die Kritiker des
RTB sehen das Gesetz mit kollektivistischen Augen und blei-
ben daher mit Themen wie Maßnahmen zur Sicherung der
Wohnstandards und allgemeinen Fragen zur Wohnungs- und
Finanzpolitik abstrakt an der Oberfläche. Bei jedem Haushalt,
der sich für einen Wohnungskauf entschied oder einen sol-
chen anstrebte, handelte es sich jedoch um eine individuelle,
auf den eigenen Wünschen und Zielen beruhende Entschei-
dung. Dies setzte keine Abstraktion, sondern vielmehr die
Entschlossenheit voraus, eine bestimmte Beziehung zur eige-
nen Wohnung aufzubauen. Dies vorausgesetzt kann unter-
sucht werden, aus welchen Gründen das RTB für viele so
reizvoll war und warum es so einfach war, sich über die Kriti-
ker dieses politischen Ansatzes hinwegzusetzen. Gemein-
schaftliche Fragen konnten und sollten nicht schwerer wiegen
als die materiellen Belange Einzelner.

Trotz allem soll auf drei Argumente gegen das RTB etwas ge-
nauer eingegangen werden. Das erste Argument betrifft die
Tatsache, dass der große Erfolg des RTB größtenteils, wenn
nicht ganz, auf die angebotenen Preisnachlässe zurückzufüh-
ren war. Das RTB bot Mietern mit einem bestehenden Miet-
vertrag die Möglichkeit, ihre Wohnung mit einem Preisnach-
lass von mindestens 32% bis zu maximal 60% zu kaufen. Der

206
tatsächliche Grund für den Erfolg des RTB hatte folglich nichts
mit dem sehnlichen Wunsch nach einem Eigenheim zu tun,
sondern beruhte auf finanziellen Anreizen. Mit anderen Wor-
ten: 2,5 Millionen Haushalte in Großbritannien wurden gewis-
sermaßen „bestochen“, eine Eigentumswohnung zu kaufen,
so dass davon auszugehen ist, dass die meisten dieser Haus-
halte ohne das RTB und die im Zuge dessen gebotenen finan-
ziellen Anreize vermutlich kein Wohneigentum erworben hät-
ten.

Die Nachlässe trugen also dazu bei, die Politik attraktiver zu


machen und verleiteten sicher viele Haushalte dazu, das ih-
nen auf dem Silbertablett dargebotene Angebot anzuneh-
men. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass viele dieser
Haushalte wenig bis keine Erfahrung mit Wohneigentum hat-
ten. Es handelte sich um Haushalte, die noch nie eine eigene
Immobilie besessen hatten und die nicht aus Verhältnissen
stammten, in denen Wohneigentum die Regel war. Diese
Arbeiterhaushalte benötigten vielleicht gerade deshalb eine
Art Belohnung dafür, dass sie, wie die konservative Regie-
rung es wünschte, Eigentum erwarben. Diese Haushalte, so
könnte man sagen, mussten erst an den Gedanken selbst-
genutzten Wohneigentums gewöhnt werden.

Dieses Argument rechtfertigt jedoch noch nicht die ge-


währten Preisnachlässe. Meist wird an dieser Stelle vorge-
bracht, dass die Mieter bereits einige Jahre über Miete be-
zahlt hatten und die Nachlässe dies honorieren sollten. Darauf
könnte man entgegnen, dass es sich bei Mietzahlungen um

207
eine Art Nutzungsgebühr handelt und damit nur die Bereit-
stellung von Wohnraum betrifft. Mietzahlungen sind insofern
nichts anderes als eine Kinokarte oder das Mieten eines Au-
tos. In keinem der genannten Fälle wird angeregt, aufgrund
dieser Zahlungen einen Nachlass zu gewähren.

Mietzahlungen stehen jedoch in keinerlei Zusammenhang zu


Produktionskosten oder laufenden Kosten, die eher durch
nationale Gesetze festgesetzt werden. Mietzahlungen ba-
sieren auch nicht auf Ist-Kosten, sondern werden von der
Regierung auf Grundlage von bestimmten Zielen festgelegt,
die je nach gewünschter Höhe der Unterstützung bestimmt
werden. Darüber hinaus besteht auch keine Verbindung zwi-
schen Mietzahlungen und den Bedingungen von Angebot
und Nachfrage. Eine Marktmiete oder marktbasierte Miete
gibt es ebenso wenig wie einen besonderen Bezug zu den
laufenden Bereitstellungskosten. Entsprechend hat ein Mie-
ter in einem älteren Wohnhaus möglicherweise deutlich
mehr bezahlt, als den Investitionskostenbetrag der Woh-
nung sowie die Verwaltungs- und Instandhaltungskosten.

In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden,


dass Mieter von Sozialwohnungen schon immer finanziell
unterstützt wurden. Die Mehrheit der Mieter erhält das in
Großbritannien gesetzlich vorgesehene Wohngeld und ge-
gebenenfalls geleistete Mietzahlungen liegen unterhalb der
üblichen Marktwerte. Es ist also nicht zutreffend, dass nur
RTB-Haushalte vom Staat unterstützt wurden. Der durch-

208
schnittliche Nachlass 2006/074 in England belief sich auf
24.970 £. Dabei handelt es sich wie gesagt um eine einma-
lige Beihilfe; eine weitergehende staatliche Unterstützung
erfolgt nicht.

Mieter von Sozialwohnungen haben hingegen über weite


Zeiträume eine finanzielle Unterstützung in beträchtlichem
Umfang erhalten. 2006 betrug die durchschnittliche Wo-
chenmiete in England 57,69  £ gegenüber einem durch-
schnittlichen Mietzins in Höhe von 115,55  £ auf dem pri-
vaten Mietmarkt. Das bedeutet, dass die Mieter von
Sozialwohnungen eine effektive Unterstützung in Höhe von
57,86 £ pro Woche bzw. 3008,72 £ pro Jahr erhalten (Wil-
cox 2008).

Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Mieter von


Sozialwohnungen die Möglichkeit haben, in zweierlei Weise
finanzielle Unterstützung zu erhalten. 2006 wurde an 53%
der Bewohner von Sozialwohnungen Wohngeld in Höhe von
durchschnittlich 51,70  £ pro Woche bzw. 2.688,40  £ pro
Jahr bezahlt. Summa summarum greift der Staat folglich ei-
nigen dieser Mieter mit 5.697,12 £ pro Jahr finanziell unter
die Arme (Wilcox 2008). Insgesamt betrachtet kann ein Mie-
ter einer Sozialwohnung damit innerhalb von 4,3 Jahren auf
eine staatliche Hilfe in Höhe des durchschnittlichen RTB-
Nachlasses kommen. Diese Tatsache ist insbesondere aus

4 Die Wahl fiel auf dieses Bezugsjahr, da für dieses zum Zeitpunkt des
Verfassens dieses Beitrages die letzten vollständigen RTB-Daten vorlagen.

209
dem Grund von Bedeutung, dass Mieter ihre Wohnung heu-
te fünf Jahre bewohnen müssen, um einen Antrag auf RTB
stellen zu können.

Mieter von Sozialwohnungen, die zudem Wohngeld bezie-


hen, erhalten demnach eine beträchtliche staatliche Finanz-
hilfe, die vergleichbar ist mit dem Betrag, der RTB-Haushal-
ten gewährt wird. Im Gegensatz zu diesen müssen diese
Mieter sich jedoch nicht erst über einen bestimmten Zeit-
raum für diese Beihilfe qualifizieren und müssen zudem kei-
ne eigenen Ressourcen aufwenden. Anders als von RTB-
Haushalten wird von Haushalten, die Wohngeld beantragen,
keine Gegenleistung für die Unterstützung verlangt. Man
könnte vorbringen, dass Haushalte, die Wohngeld beziehen,
die Hilfe aufgrund der Situation, in der sie sich befinden,
eher verdienen als die RTB-Haushalte. Dies würde jedoch
voraussetzen, dass die Situation dieser Haushalte nicht von
diesen selbst verschuldet ist und dass ihnen keine Alterna-
tiven offen stehen.

Was hierdurch suggeriert werden soll ist, dass RTB-Haus-


halte nicht die einzigen sind, die in den Genuss einer staatli-
chen Unterstützung kommen, und dass die Mieter von Sozi-
alwohnungen vergleichbare Beihilfen erhalten, die zudem
unter weniger scharfen Bedingungen gewährt werden. Das
bedeutet, dass die diesen Haushalten gewährten Beihilfen
im Vergleich zu den aktuellen finanziellen Regelungen in Be-
zug auf Sozialwohnungen nicht übermäßig hoch sind. Es
muss daher zu der normativen Frage zurückgekehrt wer-

210
denn, ob Bedürftigkeit – im Sinne der Unterstützungsfähig-
keit durch Wohngeld – schwerer wiegt als konsequentes
Verhalten und der Bedarf nach einer persönlichen finanzi-
ellen Unterstützung.

Es gibt natürlich viele weitere finanzielle Fragen, die an die-


ser Stelle diskutiert und als Gegengewicht zu den hier dar-
gelegten Argumenten vorgebracht werden könnten. So
könnten zum Beispiel entgangene Mieteinnahmen, die Ge-
rechtigkeit von Kapitalerträgen für Käufer usw. berechnet
werden. Das zentrale Anliegen dieser kurzen Diskussion be-
stand jedoch darin aufzuzeigen, dass die finanziellen Fragen
sich keineswegs eindeutig darstellen und dass sich stets
nachweisen lassen wird, dass Nachlässe im Vergleich zu
Beihilfen für die Mieter von Sozialwohnungen in finanzieller
Hinsicht gerechtfertigt sind.

Dennoch rechtfertigt diese auf die Finanzen bezogene Dis-


kussion nicht zwangsläufig die betroffenen Grundsätze. Un-
abhängig von der jeweiligen Situation der Mieter von Sozial-
wohnungen stellt sich die Frage, ob es grundsätzlich
gerechtfertigt sein kann, Eigenheimbesitzern Beihilfen zu
gewähren. Diese Frage führt zu unserem zweiten Argument
gegen das RTB, das vom rechten Flügel des politischen
Spektrums vorgebracht wurde.

Man könnte annehmen, dass das RTB von der gesamten


Rechten begrüßt würde. Doch wäre dies eine eher vereinfa-
chende Annahme bezüglich der Homogenität der Rechten.

211
Während viele Konservative nichts Falsches an einer Inter-
vention der Regierung finden können (je nachdem, worauf
eine solche Intervention abzielt), gibt es bei der so genann-
ten Neuen Rechten, die die Regierung von Margaret That-
cher beeinflusste, eine starke Strömung, die klassisches li-
berales bzw. libertäres Gedankengut verficht (Green 1987;
King 2006). Diese besondere Strömung stellt infrage, ob
eine Regierung in die Wohnungsmärkte eingreifen sollte.
Stattdessen sind ihre Vertreter der Ansicht, dass die Rolle
der Regierung einzig darauf begrenzt sein sollte, für niedrige
und stabile Zinssätze zu sorgen. Wenn Mieter von Sozial-
wohnungen folglich eine Wohnung kaufen möchten, steht es
ihnen selbstverständlich frei, dies zu tun – doch sollten sie
dabei nicht auf finanzielle Beihilfe durch den Staat vertrauen
können. Einzelne Libertäre akzeptieren zwar, dass Mietern
die Möglichkeit geboten werden sollte, ihre Sozialwohnung
zu kaufen, um sie dadurch von der Kontrolle durch den Staat
zu befreien, doch möchten auch sie keinen Preisnachlass
gewährt wissen.

Von diesem Standpunkt aus wird das RTB als illegitimes So-
cial Engineering betrachtet, da es versucht, die Entschei-
dungen Einzelner zu manipulieren und ihr Verhalten durch
besondere Anreize zu beeinflussen, mit dem Ziel, die be-
stimmten Ziele anderer zu erreichen. Selbstgenutztes Woh-
neigentum ist aus dieser Sicht zwar eine gute Sache, doch
sollte dies nicht anderen durch den Einsatz von Anreizen
aufgenötigt werden. Dabei ist es kaum relevant, dass das
Ziel dieser besonderen Form des Social Engineering das

212
Schaffen von Unabhängigkeit und persönlicher Verantwor-
tung ist.

Dies wirft die allgemeinere Frage auf, ob der Staat in der


Lage ist, Menschen durch sein Handeln freier zu machen
oder ob alle Entscheidungen von den Individuen selbst ge-
troffen werden sollten (Narveson 1988). Hier könnte es zu
einer gewissen Spannung zwischen Freiheit und Verantwor-
tung kommen. Das RTB zeigt in der Tat die Unterschiede
zwischen den libertären und konservativen Positionen auf,
von denen gesagt wird, sie haben die konservative Partei in
der Thatcher-Ära beeinflusst. Erstens: Das RTB fördert Un-
abhängigkeit, persönliche Verantwortung, Selbstständigkeit
und Freiheit von staatlicher Intervention. Doch zweitens ist
dies nur in Ausübung der Staatsgewalt einer Regierung
möglich, die zu wissen glaubt, was für ihre Bürger am be-
sten ist. Das RTB beruht also auf einem Top-down-Ansatz
und auf staatlichen Beihilfen, die sich an besonders bedürf-
tige Gesellschaftsgruppen wenden.

Eine Möglichkeit, damit umzugehen besteht darin, das RTB


nicht als Social Engineering zu begreifen, sondern einfach
als eine Art Privatisierung. Unter diesem Blickwinkel ver-
setzt das RTB Wohnraum schlicht in seinen „natürlichen“
Zustand als Teil eines Marktes zurück und zwar dorthin, wo
er vor der staatlichen Intervention gewesen wäre. An dieser
Stelle könnte die Frage diskutieren werden, was genau mit
„natürlich“ gemeint ist: Es könnte im Sinne Hayeks als Er-
gebnis nicht zielgerichteter Gestaltung, sondern einfacher

213
menschlicher Interaktion verstanden werden (Haye 1988).
Dies wäre jedoch Haarspalterei, denn Fakt ist, dass das
RTB Wohnraum in dem Zustand belässt, in dem er sich auch
ohne staatliche Intervention befände.

Unabhängig vom Wert dieses Arguments müssen wir je-


doch anerkennen, dass das RTB primär auf einer konserva-
tiven und nicht auf einer libertären Politik fußte. Wie bereits
in A Conservative Consensus? (King 2006) dargelegt, stellte das
RTB wie viele politischen Handlungen der Thatcher-Ära die
Dominanz der praktischen und pragmatischen Reaktion auf
das unmittelbar Ideologische unter Beweis. Solange das
RTB auf einer klaren ideologischen Grundlage stand, ging
es den Konservativen darum, dass eine bestimmte poli-
tische Entscheidung, wenn sie erst einmal getroffen war,
auch so gut wie möglich umgesetzt werden sollte. Der bri-
tische Konservatismus ist eine Ideologie, der es eher auf
den Prozess als auf das Ergebnis ankommt. Dieser extrin-
sische Ansatz ist von Bedeutung für das Verhältnis zu Sach-
verhalten wie Eigeninteresse, persönliche Verantwortung
und Erwartungen sowie für das Gespür dafür, was praktika-
bel und möglich ist. All diese Begriffe betreffen ein ober-
flächliches Gespür für die Dinge und eine Unmittelbarkeit
von Erfahrungen und Reaktionen. Der Konservativismus ist
im Gegensatz zum Libertarismus und den Ideologien des
linken Spektrums willkürlich und befasst sich damit, wie Ein-
zelne auf Anreize zur Schaffung einer sozialen Stabilität rea-
gieren. Das RTB ist ein konkretes Beispiel für diesen kon-
servativen Ansatz. Das mag alle Libertäre enttäuschen,

214
Konservative hingegen würden sicher argumentieren, dass
der Zweck die Mittel rechtfertigt.

Doch verschafft sich heute noch ein weiteres Argument


über die Rolle der Regierung bei der Unterstützung des Ei-
genheimerwerbs Raum, das auf den Zusammenbruch der
Immobilienmärkte infolge der Kreditverknappung in den
Jahren 2007 und 2008 zurückzuführen ist. Sicher kann an
dieser Stelle argumentieren werden, dass es deshalb zu die-
ser Krise kam, weil die Regierung selbstgenutztes Wohnei-
gentum unterstützt und das Ziel verfolgt hat, Haushalten zu
einem Leben im Eigenheim zu verhelfen (Ferguson 2008;
Shiller 2008). Der Subprime-Immobilienskandal in den USA
und der Zusammenbruch von Northern Rock in Großbritan-
nien im Jahr 2007 entstanden auf Grundlage der allgemei-
nen Förderung des Erwerbs von Wohneigentum durch die
Regierungen und ihre Aufsichtsbehörden.

Auch das RTB wurde von dem Wunsch geleitet, Wohnei-


gentum zu besitzen, sodass angesichts der Geschehnisse
seit 2007 die Frage aufgeworfen werden kann, ob die Re-
gierung diesen Wunsch unterstützen und zu seiner Befriedi-
gung öffentliche Ressourcen verwenden sollte. Dabei kann
wie von anderen Kommentatoren und Politikern auch nach
den Auswirkungen der Kreditverknappung und der Immobi-
lienrezession auf das RTB gefragt werden. Verändert sich
dadurch die Haltung gegenüber dem RTB wesentlich?

215
Im Dezember 2008 forderte die National Housing Federati-
on5 (NHF) angesichts der Immobilienkrise die Aussetzung
des RTB (Beattie 2008). Sie stützte ihre Forderung darauf,
dass die hohe Anzahl von Wiederinbesitznahmen und der
Mangel an Neubauten die Nachfrage nach Sozialwohnungen
steigern würden und es daher nicht sonderlich sinnvoll sei,
eben diese nicht in ausreichender Anzahl vorhandenen So-
zialwohnungen zu verkaufen.

Austin Mitchell, Parlamentsabgeordneter der Labour-Partei,


geht noch einen Schritt weiter als die NHF und fordert die
Abschaffung des RTB (Beattie 2008). Mitchell ist Vorsitzen-
der des Ausschusses für sozialen Wohnungsbau des bri-
tischen Unterhauses und führt an, dass nach dem Rückzug
privater Investoren aus dem Geschäft die Förderung des so-
zialen Wohnungsbaus das einzige Mittel sei, die Baubran-
che anzuregen. Auf den ersten Blick erscheint dieses Argu-
ment sehr reizvoll: Ist es nicht unmoralisch, Sozialwohnungen
unter Gewährung von Preisnachlässen zu verkaufen, wäh-
rend viele Haushalte gleichzeitig darum kämpfen, ihre Hypo-
theken ableisten und ihr Haus behalten zu können?

Doch nach einem Augenblick des Nachdenkens wird klar,


wie opportunistisch eine solche Forderung nach einer Aus-
setzung bzw. Abschaffung des RTB tatsächlich ist. Keine
der 2008 verkauften Wohnungen und auch keine der Woh-
nungen, die 2009 verkauft werden, stünde leer und damit

5 Englischer Interessenverband der Wohnungsbaugesellschaften.

216
zur Neuvermietung zur Verfügung. Würde das RTB ausge-
setzt, kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass
diese Mieter nicht ausziehen würden, da sie kaum auf ande-
rem Wege als über das RTB an ein Eigenheim kommen
könnten. Die Lage auf den Wohnungsmärkten hat dieser
Gesellschaftsgruppe sowie Personen mit Hypothekenrück-
ständen alle anderen Alternativen verbaut. Zudem war eine
Folge der Rezession ein starker Einbruch bei den RTB-Ver-
käufen. Dies bedeutet, dass eine Abschaffung des RTB nur
wenig Wirkung zeigen würde, selbst wenn alle Wohnungen
neu vermietet werden könnten. Die Äußerungen der NHF
sind daher eher zu verstehen als ein Beispiel für unzuläng-
liche Gedankengänge oder als Versuch, die Rezession auf
den Immobilienmärkten dazu zu nutzen, eine Politik anzu-
greifen, der sie seit jeher ablehnend gegenüberstand.

Interessant war jedoch zu beobachten, wie schnell und wie


nachdrücklich die Antwort der Regierung an die NHF er-
folgte. Die Argumentation der Regierung lautete, dass das
RTB ein wesentlicher Teil ihrer wohnungspolitischen Strate-
gie sei und daher keinesfalls ausgesetzt werden könne.
Ebenso interessant war die Tatsache, dass die NHF in ihrem
Anliegen von anderer Seite kaum offen unterstützt wurde
und das Thema damit schnell ad acta gelegt war. Es kam zu
keiner Kampagne gegen das RTB. Dies deutet darauf hin,
dass offenbar kein echtes Interesse daran bestand, das
Thema anzugreifen, vielleicht in dem Wissen, dass die Re-
gierung seine Abschaffung als politischen Selbstmord be-
greifen würde. Und obwohl das RTB heute nur noch margi-

217
nale Wirkung zeigt, hat die namentlich links von der Mitte
angesiedelte Regierung noch immer das Gefühl, diese Poli-
tik offen unterstützen zu müssen.

Aber wirkt das RTB trotz der nachhaltigen Unterstützung


durch die Regierung in Zeiten einer Rezession nicht doch
etwas unangebracht? Man könnte vorbringen, dass die Bei-
hilfen für den Wohneigentumserwerb besser an diejenigen
ausbezahlt werden sollten, die Gefahr laufen, ihre Wohnung
zu verlieren, anstatt andere zu einer Änderung ihrer Wohnsi-
tuation zu ermutigen. Doch auch hier zeigt eine genaue Be-
trachtung der zentralen Wesenseigenschaften des RTB,
dass diese Überlegungen inkohärent sind. Um Zugang zu
den Beihilfen für RTB-Haushalte zu erhalten, müssten die
Vermieter von Sozialwohnungen ihre Wohnungen verkau-
fen. Das liegt daran, dass die im Rahmen des RTB ge-
währten Beihilfen nicht wie die Sozialhilfe oder andere Zu-
schüsse einfach ausbezahlt werden, sondern die Form von
Kapital annehmen, das vom Verkaufswert der Immobilie ab-
gekoppelt wird. Die Beihilfe ist damit so lange in der Woh-
nung gebunden, bis ein RTB-Antrag gestellt und der Verkauf
bewilligt wird6 und kann daher nicht für andere Zwecke ver-
wendet werden, sofern die Regierung nicht beschließt, RTB-
Haushalte mit einem Betrag in Höhe eines Teils oder des
gesamten gewährten Preisnachlasses zu besteuern. Eine
solche Steuer würde nur im Falle eines Weiterverkaufs wirk-

6 Man könnte auch argumentieren, dass die Beihilfe nur dann realisiert
wird, wenn die Wohnung vom RTB-Haushalt weiterverkauft wird.

218
sam und könnte dabei als eine Art Dauerüberweisung fun-
gieren. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine Regierung
auf der einen Seite die Unterstützung von Wohneigentum
fordert und auf der anderen Seite eine solche Steuer vor-
schlägt.

Besonders interessant ist bei allen genannten Argumenten


zum RTB, dass die Kritik nicht aus Sorge um den sozialen
Wohnungsbau an sich, sondern aufgrund der schweren Kri-
se des Wohneigentums entstanden ist. Das von Austen Mit-
chell vorgetragene Argument für mehr Sozialwohnungen be-
ruht auf der Notwendigkeit, Ersatz für die Wohnungen zu
schaffen, die nicht von privaten Investoren gebaut werden.
Die NHF wendet ein, dass die wachsende Anzahl von Wie-
derinbesitznahmen und der Mangel an Neubauten die Nach-
frage nach Sozialwohnungen steigern wird. Doch keines der
genannten Argumente fußt auf einer klaren und auf Prin-
zipien beruhenden Unterstützung des sozialen Wohnungs-
baus. Vielmehr scheinen diese Argumente sich auf die Nor-
malität von Wohneigentum als Hauptform des Wohnens und
die Möglichkeit, der soziale Wohnungsbau könne in einer
Krise unterstützend wirken, zu berufen. Darin verborgen lie-
gen die implizite Annahme der zentralen Rolle von Wohnei-
gentum sowie die These, der soziale Wohnungsbau könne
nur als diesem untergeordnete Form des Wohnens gerecht-
fertigt werden. In diesen Argumenten, mit denen zur Been-
digung einer Politik aufgerufen wird, die Wohneigentum för-
dert, liegt eine geradezu bewusste Perversion, da gerade

219
Sozialwohnungen zur Unterstützung von Wohneigentum be-
nötigt werden.

Die Diskussion hat eine Veränderung im Wesen der geäu-


ßerten Kritik aufgezeigt. Es ist heute nicht mehr die Sorge
um den sozialen Wohnungsbau, welche die Gemüter be-
wegt, sondern die Lage auf den Immobilienmärkten und die
mögliche Rolle anderer Wohnformen bei deren Unterstüt-
zung. Wir könnten nun darauf verweisen, dass wir in einer
Zeit nach dem RTB leben, in der die Argumente, die gegen
dieses vorgebracht werden, von der ernsthaften oder gleich
wie anders gearteten Sorge um die Lage des Wohneigen-
tums herrühren. Vielleicht ist diese Haltung rein opportuni-
stisch und die Kritiker, die diese vorführen standen dem
RTB schon immer ablehnend gegenüber. Doch unabhängig
davon zeigt sie uns, dass sich die Debatte über das RTB
grundlegend geändert hat. Vieles weist darauf hin, dass di-
ese Veränderung zumindest teilweise den Folgen des RTB
im Bereich der Förderung des selbstgenutzten Wohneigen-
tums geschuldet ist.

Es kann davon ausgegangen werden, dass es auch in Zu-


kunft Kritik am RTB geben wird, weil es immer Verfechter
der Interessen des sozialen Wohnungsbaus geben wird. Es
gibt jedoch keinen Grund anzunehmen, dass diese Kritik
mehr Erfolg haben wird. Alle großen politischen Parteien
stehen klar für eine Förderung von selbstgenutztem Woh-
neigentum und dem RTB kommt als Nachweis dieser Förde-
rung eine symbolische Bedeutung zu. Das wurde durch die

220
Rezession nur noch deutlicher. Die Frage, die offen bleibt
ist, was das RTB so einzigartig macht: Ist sein Erfolg rein
zufällig und auf ein bloßes glückliches Zusammentreffen von
Interessen und Umständen zurückzuführen oder können da-
raus für künftige politische Entscheidungen allgemeinere
Lehrengezogen werden?

5. Gründe für den Erfolg des Right to Buy

Die Wohnungspolitik hat einen großen Vorteil bei der Re-


form der öffentlichen Ordnung (King 2003; 2009). Sie bietet
mehr Raum für die Privatwirtschaft als dies bei Gesund-
heits- und Bildungspolitik der Fall ist. Dies ist auf die Tatsache
zurückzuführen, dass der Bedarf an Wohnraum beständig
und vorhersehbar ist. Wohnraum wird immer benötigt und
unsere Bedürfnisse verändern sich in dem Bereich für ge-
wöhnlich nicht so schnell wie der unvorhersehbare Bedarf
im Gesundheitswesen. Selbst die Bedürfnisse von obdach-
losen Haushalten können einfach erfasst werden und blei-
ben stabil. Bedeutend ist dabei natürlich die Fähigkeit einzel-
ner Haushalte, ihre Bedürfnisse zu befriedigen (King 2003).
Diese Vorhersehbarkeit führt im Ergebnis dazu, dass wir un-
sere Wohnraumbedürfnisse besser begreifen und entspre-
chend planen können. Das wiederum bedeutet, dass Wohn-
raum eher marktbasiert verfügbar gemacht werden kann.
An dieser Stelle kann der Einwand vorgebracht werden,
dass Wohnraum schon immer eher Zielscheibe von Privati-
sierungsbestrebungen war als andere Sozialleistungen.

221
Doch erklärt das allein noch nicht die verändernde Wirkung
des RTB. Worauf ist der Erfolg des RTB also zurückzufüh-
ren? Hierfür gibt es eine Reihe stichhaltiger Gründe. Einige
davon sind der Maßnahme inhärent, andere eher allgemei-
ner Natur.

Der erste Punkt ist, dass das RTB immer sehr klare Ziele
verfolgte. Die Absicht dieser Maßnahme war immer leicht
verständlich und auch der Nutzen lag auf der Hand. Sie ge-
reichte offenkundig dem Einzelnen zum Vorteil. Ein zweiter
wesentlicher Faktor ist, dass das RTB als politische Maß-
nahme nicht schon bald wieder abgeschafft wurde. Im Ge-
genteil: Es gelang ihm, schnell Fuß zu fassen und die ge-
wünschte Wirkung zu erzielen. Das RTB verfügte über eine
enorme Triebkraft und wurde schnell Teil des wohnungspo-
litischen Arbeitsalltags. Nach den Parlamentswahlen im Jahr
1983 wurde schnell klar, dass es sich breiter politischer Un-
terstützung erfreute und nicht untergehen würde. Drittens
war es ebenso wichtig, dass mit der Maßnahme ein kon-
kretes Ziel verfolgt wurde und die Zielgruppe dieses Ge-
setzes war groß genug, um eine echte Rolle zu spielen. Die
Anzahl berufstätiger Mieter von Sozialwohnungen, die aus-
reichend Kapital für einen Wohnungskauf angespart hatten,
die aber bereits in einer Wohnung lebten, die ihnen vertraut
war und in der sie sich wohl fühlten, war sehr hoch. Diese
Haushalte verfügten über ein ausreichend hohes, regelmä-
ßiges Einkommen, das ihrem Wunsch nach einem Eigen-
heim den Rücken stärkte. Das RTB hatte dadurch einen
Vorteil gegenüber anderen politischen Maßnahmen z.B. zur

222
Förderung von Teileigentum (was bedeutet, dass ein Haus-
halt einen Prozentsatz der Immobilie kauft und für den ande-
ren weiterhin Miete bezahlt), die nur einen Teilbereich um-
fassen, den Menschen nur eine geringe Auswahl bieten und
sich an diejenigen richten, die per definitionem nicht genug
Geld haben, um auf dem freien Markt eine Immobilie zu kau-
fen. Viertens handelte es sich um etwas, was sich sehr viele
Mieter wünschten.

Fünftens handelte es sich beim RTB um eine begrenzte po-


litische Maßnahme, die sich nur an bestimmte Wohnungen
und Haushalte richtete und wenige Variablen aufwies, die
von der Regierung problemlos kontrolliert werden konnten.
Zudem konnten Widerstände gegen dieses Gesetz einfach
durch Regulierung und Anreize gelenkt werden (Malpass
und Murie 1999; Sillars 2007). Mit anderen Worten: Die Re-
gierung hatte die Möglichkeit, die Maßnahme zu kontrollie-
ren und sicherzustellen, dass sie Mietern und ihr selbst zum
Vorteil gereichte. Es handelte sich um eine Maßnahme, die
nicht ohne weiteres von bestimmten Branchen oder ande-
ren Interessensgruppen für sich beansprucht werden konn-
te.

Sechstens: das RTB war eine rein proaktive politische Maß-


nahme, die bis ins Detail geplant werden konnte und daher
bei null anfing. Es ergab sich nicht als Reaktion auf be-
stimmte Ereignisse, Probleme oder Krisen. Die Regierung
konnte diese Politik ganz nach ihren Vorstellungen und ih-

223
rem Zeitplan gestalten und sie daher mit einer gewissen
Überzeugung umsetzen.

Die oben genannten Faktoren sind recht allgemeiner Natur


und beziehen sich nicht zwangsläufig auf die besonderen
Merkmale des Kaufs und Verkaufs von Sozialwohnungen.
Es gibt jedoch eine Reihe spezifischerer Gründe, weshalb
das RTB so gut funktionierte und als Vorbild für andere Po-
litikbereiche herangezogen werden kann. Ein wichtiger
Punkt ist in dem Zusammenhang, dass sich das RTB eher
an Einzelne als an die Öffentlichkeit wendet. Es beruht auf
dem Eigeninteresse und nicht auf einem abstrakten Altruis-
mus. Es knüpft an die tatsächlichen Hoffnungen und Sehn-
süchte des Einzelnen an, Wohneigentum zu besitzen und
nicht an eher vage Begriffe wie Solidarität, die von uns ein
starkes Gefühl gegenüber uns unbekannten Dritten ver-
langt. Darüber hinaus ermutigt das RTB Haushalte dazu, die
ständige und kontinuierliche Kontrolle über ihre Ressourcen
zu behalten und bietet ihnen damit eine gewisse Planungssi-
cherheit für die Zukunft und die Möglichkeit, ihr Vermögen
nach Belieben einzusetzen. Das RTB ist nicht bedarfsab-
hängig oder umstandsbedingt. Es verhilft Haushalten zu ei-
ner reellen und dauerhaften Veränderung. Und diese Verän-
derung, die ebenfalls für Sicherheit und Beständigkeit in den
Entscheidungen der Haushalte sorgt, rückgängig zu ma-
chen, zöge hohe politische und finanzielle Kosten nach sich.

Das RTB ist deshalb so wichtig, weil es das Verhältnis zwi-


schen dem Einzelnen und dem Staat grundlegend und nach-

224
haltig verändert. Es setzt einer späteren staatlichen Inter-
vention in den Haushalt Grenzen. Haushalte sind damit nicht
länger an eine bürokratische Intervention und Entschei-
dungen gebunden, die andere gemäß Prioritäten treffen, die
nicht die des Haushaltes sind. Das RTB besteht in einer Bei-
hilfe, die jedoch auf einen anfänglichen Preisnachlass be-
grenzt ist und keine weitergehende Unterstützung bietet.
Diese Beihilfe hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die
Regierungsausgaben oder die Steuerlast der Einzelnen. Im
Gegenteil könnte man sogar sagen, dass es die Finanzlast
der Regierung durch eine Senkung der Staatsverschuldung
auf längere Sicht erleichtert. Das RTB hat so den deutlichen
Vorteil, dass die Verantwortung gegenüber dem Steuerzah-
ler im Gegensatz zur Leistung von Wohngeld begrenzt ist,
denn der Zugang eines Haushalts zu anderen Beihilfen wie
z.B. Wohngeld wird durch den Kauf eines Eigenheims ver-
sperrt7.

Das RTB zwingt die Menschen, für sich selbst und ihre
Nächsten zu sorgen und diese Verantwortung kann nicht
einfach auf den Staat zurückprojiziert werden. Nach
Schmidtz (1998) sollte die Politik ihre Anstrengungen darauf
verwenden, bei den Menschen ein eigenes Verantwor-
tungsbewusstsein zu verinnerlichen, anstatt sie zu zwingen,
sich auf externe Kräfte wie den Staat zu verlassen. Schmidtz

7 Wohngeld steht ausschließlich Haushalten mit geringem Einkommen in


Mietverhältnissen zur Verfügung, nicht jedoch Besitzern selbstgenutzten
Wohneigentums.

225
stellt fest, dass Verantwortung „verinnerlicht wird, wenn die
Betreffenden selbst Verantwortung übernehmen: für ihr ei-
genes Wohlergehen, ihre Zukunft oder die Konsequenzen
ihres Handelns“ (S. 8). Er weist darauf hin, dass „Eigentums-
rechte für Einrichtungen, die die Menschen dazu bringen,
selbst Verantwortung für ihr Wohlergehen zu übernehmen,
von herausragender Bedeutung sind“ (S. 22). Er geht sogar
so weit zu behaupten, dass der „Aufbau von Eigentum das
umfänglichste und erfolgreichste Experiment im Hinblick auf
eine Verinnerlichung von Verantwortung ist“ (S. 25). Einzel-
nen Eigentumsrechte zu verleihen schafft also mehr als alles
andere Verantwortungsbewusstsein.

Etwas kontroverser könnte man vielleicht sagen, dass das


RTB die Möglichkeit eröffnet, Immobilienvermögenswerte
zu recyceln und damit Einfluss auf die Wirtschaft im wei-
teren Sinne nimmt. Sozialwohnungen sind gewissermaßen
totes Vermögen, das nicht für die Aufnahme von Darlehen
herhalten kann und damit unzugängliches Kapital darstellt.
Über das RTB wird dieses Kapital für die Wirtschaft freige-
setzt, indem es Wohnungen und Haushalte in den allgemei-
nen Wohnungsmarkt eingliedert, anstatt sie in einem Rand-
bereich zu isolieren.

Einige der hier genannten Faktoren sind freilich von eher un-
tergeordneter Bedeutung. Voraussetzung für das RTB wa-
ren ein vorhandener Wohnungsbestand und eine Reihe be-
reitwilliger Teilnehmer. Sein Erfolg ist jedoch mit Sicherheit
mehr als den bloßen Umständen geschuldet. Mit der poli-

226
tischen Maßnahme wurden nachhaltige und unumkehrbare
Veränderungen herbeigeführt, die den Beteiligten materiell
zum Vorteil gereichten. Aus diesem Grund nutzte es private
Interessen in deutlicher und leicht zu verstehender Weise
aus. Dabei kam es besonders darauf an, dass die betref-
fenden Haushalte infolge der politischen Maßnahme in der
Lage waren, ihre Wohnung in anderer Weise zu nutzen.

6. Schlussfolgerungen

Das RTB ist nicht nur ein erfolgreiches, sondern auch ein
besonderes Beispiel einer Privatisierung. Es umfasste den
Ausverkauf von Staatsvermögen, doch im Gegensatz zu an-
deren Privatisierungen in Großbritannien in den 1980er und
1990er Jahren handelte es sich dabei um eine direkte Über-
tragung der Vermögenskontrolle an Privatpersonen. Die Pri-
vatisierung öffentlicher Gas- und Elektrizitätsbetriebe sowie
der Eisenbahn setzte voraus, dass an die Stelle staatlicher
Einrichtungen private Einrichtungen traten, was jedoch nicht
zwangsläufig unmittelbare Folgen für den Einzelnen hatte.
Das RTB übergab die Kontrolle hingegen direkt an den Nut-
zer und übertrug diesem auch die Verantwortung für den
betreffenden Vermögenswert. Die Veränderung war somit
unmittelbar greifbar. Zudem handelte es sich dadurch, dass
die Regierung jegliche Einflussmöglichkeit auf den Vermö-
genswert verloren hatte, im Gegensatz zu privatisierten
Versorgungsbetrieben, bei denen die Aufsichtsbehörden
der Regierung nach wie vor Preise, Kapitalrendite und Be-
dingungen und die erbrachten Dienstleistungen festlegen

227
konnte, um eine dauerhafte Übertragung der Verantwor-
tung. Das RTB kann damit als eine grundlegende Form der
Privatisierung betrachtet werden, mit welcher die Kontrolle
direkt an Einzelhaushalte übertragen wurde.

In den vergangenen Jahren hat das RTB an Bedeutung ver-


loren und die Rezession des Jahres 2007 hat dazu geführt,
dass kaum noch Verkäufe auf Grundlage dieses Gesetzes
abgewickelt werden. Doch ist das RTB nach wie vor weit
davon entfernt, abgeschafft zu werden und man kann davon
ausgehen, dass es auch in Zukunft weiter Bestand haben
wird. Man könnte nun einwenden dass es heute nurmehr
eine symbolische Rolle spielt, doch verringert dies die
Macht, die es noch immer auf die politischen Entscheider
ausübt, in keiner Weise. Das RTB ist und bleibt ein starkes
Symbol für den Wunsch nach Wohneigentum.

Und auch wenn die Verkaufszahlen heute kaum mehr nen-


nenswert sind, lässt sich die historische Bedeutung des
RTB, das 2,5 Millionen Haushalten und damit nahezu allen
Angehörigen der Arbeiterklasse die Möglichkeit eröffnet
hat, Wohneigentum zu erwerben und damit zum ersten Mal in
ihrem Leben zu spüren, was es bedeutet, Eigentümer zu sein,
nicht von der Hand weisen. Das RTB hatte dadurch eine en-
orme Wirkung auf die Wünsche und Ziele von Millionen von
Menschen und trug wesentlich zur Schaffung einer ganzen
neuen Generation bei, für die der Traum vom Eigenheim Wirk-
lichkeit wurde.

228
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Chartered Institute of Housing/Council for Mortgage Len-
ders.

231
Gijs Dröge

Der niederländische
Wohnungsmarkt: gegenseitige
Behinderung von
Miete und Eigentum1

1. Einleitung

Wohnen ist Politik

Der niederländische Wohnungsmarkt unterteilt sich in zwei


Hauptsegmente: den Mietmarkt (44%) und den Eigentums-
markt (56%). Diese Teilung ist symbolisch für die Herange-
hensweise der Politik an beide Segmente: Menschen mit
geringeren Einkommen, Studenten und jüngere Menschen
werden vorrangig über den Mietmarkt bedient und dabei
stark finanziell unterstützt, um die Mietwohnungen für sie
erschwinglich zu machen, wohingegen Eigentümer (begin-
nend mit mittleren Gehältern) als Ausgleich für die progres-
sive Einkommenssteuer von Steuerabzügen profitieren. Po-

1 Übersetzung aus dem Englischen von Tanja Felder.

232
litiker der linken Parteien interessieren sich eher für den
Mietmarkt, die der Parteien des rechten Spektrums fördern
Wohneigentum.

Diese Situation hat sich seit den 1960er und 1970er Jahren
nach und nach in dieser Form entwickelt, als Mietbeihilfen
für Privatpersonen eingeführt und durch die Möglichkeit,
Hypothekenzinsen von den Steuern abzuziehen, Anreize für
den Erwerb von Wohneigentum geschaffen wurden.

Die beiden Seiten des politischen Spektrums bremsen sich in


dieser Situation gegenseitig aus und hindern einander daran,
die Maßnahmen zu ergreifen, die für eine Marktöffnung nötig
sind. Die aktuelle Wirtschaftskrise zeigt, dass der niederlän-
dische Wohnungsmarkt einer Neuordnung bedarf, um als
Markt richtig funktionieren zu können. Die staatliche Einfluss-
nahme lastet schwer auf allen Beteiligten, die regierenden
Sozialisten halten jedoch weiterhin große Stücke darauf. Der
Wohnungsmarkt sollte liberalisiert werden – zumindest nach
Meinung der niederländischen Liberalen (VDD), die in dieser
Legislaturperiode Teil der parlamentarischen Opposition sind.

Die Finanzkrise

Die Finanzkrise führte zu einem Stillstand auf dem nieder-


ländischen Wohnungsmarkt: Neubauprojekte werden ver-
schoben, weil die Bauherren keine Käufer finden können,
Eigentümer können keine Käufer finden, weil keine Hypothe-
ken vergeben werden. Die Banken zögern aufgrund der ver-

233
schärften Regeln (höchstens das Fünffache des persön-
lichen Jahreseinkommens des Darlehensnehmers),
Hypotheken zu gewähren und fürchten, dass die Immobilien-
preise einbrechen und Darlehen zu einem Risiko werden
könnten.

Die niederländische Regierung hat zur Bekämpfung der Kri-


se ein Paket geschnürt, das finanzielle Beihilfen für neue
Wohnungsbauprojekte (insbesondere Sozialwohnungen)
und Investitionen in Isolierungen und erneuerbare Energien
(Wind- und Solarenergie), höhere Darlehensbürgschaften
von bis zu 350.000 Euro sowie Hilfsprogramme für die Ret-
tung und Umstrukturierung der am stärksten betroffenen In-
dustriezweige der großen Städte vorsieht. Dies verlieh den
sozialen Wohnungsbaugesellschaften neuen Aufschwung,
der private Wohneigentumsmarkt leidet hingegen noch im-
mer unter den Folgen der Krise. Die Eigenheimkäufe sind
auf 50% und weniger zurückgegangen. Unter den Liberalen
wurden Forderungen nach weiteren Maßnahmen insbeson-
dere zur Unterstützung von Wohneigentümern laut. Die Re-
gierung stimmte lediglich der steuerlichen Abzugsfähigkeit
von Zinszahlungen für Hypotheken in den Fällen zu, in denen
eine neue Immobilie gekauft, die alte jedoch noch nicht ver-
kauft wurde und ein Käufer damit einer doppelten Belastung
ausgesetzt ist.

In der Zwischenzeit fallen die Immobilienpreise weiter um


durchschnittlich 10%, was an sich noch nicht besonders
problematisch ist. Die Anzahl der Zwangsversteigerungen

234
liegt bei unter 1%. Der Preisverfall um nahezu 50% in man-
chen Gegenden muss unter dem Blickwinkel der Preisent-
wicklung der vergangenen Jahre betrachtet werden. Sicher
ist die Anzahl der Angebote auch deshalb gesunken, weil
die Menschen mit dem Verkauf ihrer Immobilie warten, bis
der Preis stimmt und sie einen angemessenen Gewinn er-
zielen können. Dieses Verhalten sowie die Verknappung
neuer Immobilien sorgen dafür, dass die Preise auf ihrem
aktuellen Niveau verharren.

Es wird erwartet, dass es weitere zwei Jahre dauern wird,


bevor der Wohnungsmarkt in den Niederlanden wieder das
Niveau erreichen kann, auf dem er sich vor der Krise be-
fand. Die derzeitige Regierungskoalition aus Christdemo-
kraten (CDA) und Sozialdemokraten (PvdA) stellte von Be-
ginn an bereits weit vor der Krise klar, dass sie keine
Umstrukturierung des Marktes anstrebt. Die Regierung ist
aufgrund der Krise gezwungen, scharfe Einschnitte in ihren
Haushalt vorzunehmen; die Ausgaben für das Wohnungs-
wesen dürften einen Teil davon ausmachen. Eine Möglich-
keit bestünde darin, die Steuerabzugsmöglichkeit auf Hypo-
theken bis zu einer Million Euro auszuweiten. Derzeit ist
noch unklar, welche Maßnahmen die Regierung tatsächlich
plant und kritische Kommentare aus Opposition und Gesell-
schaft sind an der Tagesordnung.

Vorausgesetzt, die aktuelle Regierung bleibt im Amt, wer-


den die nächsten Wahlen 2011 über die Zukunft der Woh-
nungspolitik zu entscheiden haben.

235
2. Der Wohnungsmarkt: ein kurzer Blick zurück

Der Wohnungsbestand nach Bereichen

Die Niederlande sind ein dicht bevölkertes Land. Die Bevöl-


kerungszahl von 11,4 Millionen Menschen im Jahr 1960 war
Anfang 2007 auf mehr als 16,3 Millionen Einwohner ange-
stiegen. Die Anzahl der Haushalte ist in Relation dazu noch
sprunghafter in die Höhe gegangen: von drei auf knapp sie-
ben  Millionen innerhalb desselben Zeitraums. Die durch-
schnittliche Bevölkerungsdichte lag am 1. Januar 2007 bei
482  Menschen pro Quadratkilometer. Im städtisch ge-
prägten Westen des Landes liegt diese Zahl bei knapp
1.000.

In den Niederlanden gibt es über 6,9 Millionen Wohnimmo-


bilien. 80% davon wurden nach dem Zweiten Weltkrieg ge-
baut. Dieser Wohnungsbestand kann in drei Bereiche unter-
teilt werden:

– Sozialwohnungen;
– Mietwohnungen;
– Eigentumswohnungen.

Zu den Sozialwohnungen zählen auch Wohnimmobilien im Ei-


gentum von sozialen Wohnungsbaugesellschaften. Der Be-
reich der Mietwohnungen setzt sich zusammen aus Wohnim-
mobilien in Privatbesitz und Wohnimmobilien gewerblicher
Investoren (wie Pensionsfonds und Versicherungsgesell-

236
schaften). Der Wohneigentumssektor (Eigentumswoh-
nungen) schließlich umfasst Immobilien, die den Menschen
gehören, die in ihnen wohnen.

Anteile der einzelnen Bereiche am niederländischen Woh-


nungsbestand

Bereiche 1993 1997 2001 2006


Eigentumswohnungen 47% 50% 53% 56%
Mietwohnungen 15% 13% 11% 10%
Sozialwohnungen 35% 37% 35% 34%
Gesamt (x 1.000) 6.044 6.366 6.649 6.913
Quelle: Ministerium für Wohnungswesen

Innerhalb des niederländischen Wohnungsbestandes ist ins-


besondere der Anteil der von ihren Eigentümern selbstge-
nutzten Wohnungen im Anstieg begriffen. Im Vergleich zu
den meisten anderen europäischen Ländern ist Wohneigen-
tum in den Niederlanden jedoch nicht allzu stark verbreitet.
Die Vermieter von Sozialwohnungen spielen bei der Förde-
rung von Wohneigentum durch den Bau von Eigentumswoh-
nungen (7.200 im Jahr 2005) und durch den weitreichenden
Verkauf ihres eigenen Wohnungsbestands (durchschnittlich
19.000 jährlich zwischen 2001 und 2006) eine bedeutende
Rolle. Darüber hinaus wurde es Wohnungsbaugesellschaften
jüngst gestattet, Anfangsdarlehen zu vergeben, so dass die
Möglichkeit, ein Eigenheim zu erwerben nun auch für Familien
mit geringeren Einkommen in greifbare Nähe gerückt ist.
Steuervergünstigungen tragen ebenfalls stark zu den Wachs-

237
tumszahlen von Wohneigentum bei. Selbst nach einer grund-
legenden Revision der Steuervorschriften im Jahr 2001 kann
in den Niederlanden (für selbstgenutztes Wohneigentum) der
Hypothekenzins über einen Zeitraum von bis zu 30  Jahren
beinahe nahezu uneingeschränkt von der Einkommenssteuer
abgezogen werden. Steuerliche Vergünstigungen sind zum
Teil mit dafür verantwortlich, dass das Verhältnis zwischen
Angebot und Nachfrage auf dem niederländischen Woh-
nungsmarkt aus dem Gleichgewicht geraten ist und der Markt
damit für einige Zeit zusammenbrach.

Anstieg der Wohnungsnachfrage

Holland ist von einer starken Wohnungsbauaktivität geprägt.


Dennoch besteht weiterhin eine große Nachfrage nach
Wohnimmobilien. Hierfür können verschiedene Erklärungen
angeführt werden. Die niederländische Bevölkerung wächst
stetig, wenn auch etwas langsamer als früher. Die starke
Nachfrage hat jedoch unter anderem auch mit neuen Immi-
granten zu tun. In den vergangenen Jahren hat sich diese Si-
tuation etwas beruhigt, da die Regierung eine strenge Ein-
wanderungspolitik verfolgt hat. Für das Jahr 2030 wird eine
Bevölkerung von 17,9 Millionen erwartet.

Mehr als alles andere kann der Wohnungsbedarf jedoch dem


Anstieg der Anzahl der Haushalte zugeschrieben werden.
Dieses Wachstum ist insbesondere auf die sinkende Anzahl
an Personen je Haushalt zurückzuführen, was wiederum mit
der veränderten Zusammensetzung von Haushalten zu tun

238
hat. Die Anzahl der Haushalte wächst unter anderem aus dem
Grund, dass die Menschen deutlich länger leben und länger
ein unabhängiges Leben führen können. Ein weiterer Grund
sind die hohen Scheidungs- und Trennungsraten.

Holland sieht sich einem Reife- und Alterungsprozess der Be-


völkerung gegenüber, was bedeutet, dass die Anzahl junger
Menschen in den vergangenen Jahrzehnten gesunken ist und
es immer mehr ältere Menschen gibt.

Nach Angaben des Niederländischen Zentralamts für Stati-


stik (CBS) wird die Anzahl der Ein-Personen-Haushalte bis
2010 auf 2,7 Millionen ansteigen. Dem stehen 2,4 Millionen
Haushalte, in denen zwei Personen leben, gegenüber. Da-
raus ergibt sich nicht nur, dass ein hoher Bedarf an Neubau-
wohnungen bestehen wird, sondern auch, dass genau ge-
prüft werden muss, welche Art von Wohnungen für wen und
zu welchem Preis gebaut wird.

Entwicklung der Haushaltsanzahl


Bevölkerung Haushalte Durchschnittl.
Jahr (x 1.000) (x 1.000) Personenanzahl
1900 5.104 1.113 4,51
1930 7.832 1.958 4,00
1960 11.417 3.171 3,56
1680 14.091 5.006 2,97
2000 15.848 6.824 2,32
2006 16.357 7.146 2,29
2012 16.,497 7.450 2,21
(Prognose)
Quelle: CBS

239
Momentan liegt die Zahl der Ein-Personen-Haushalte bei
2,6 Millionen. Für 2050 sehen die Prognosen 3,6 Millionen
Ein-Personen-Haushalte voraus, was auf einen geringeren
Nutzungsdurchschnitt (heute etwa 2,2 Personen je Haus-
halt), wachsenden Wohlstand und die Überalterung der Ge-
sellschaft zurückzuführen ist.

Raumplanungspolitik

In den Sechzigerjahren unternahm die Regierung den Ver-


such, Bevölkerung und Beschäftigung über das Land zu ver-
teilen. In den 1980er Jahren wurde in den so genannten Tra-
bantenstädten wie Almere, Zoetermeer und Nieuwegein so
viel wie möglich gebaut. Der in den großen Städten im We-
sten des Landes (der so genannten „Randstad“) verfügbare
Raum reichte nicht aus, um der Wohnungsnachfrage ge-
recht zu werden. Aus diesem Grund wurden neue Städte
gebaut, bestehende Städte erweitert und Kleinstädte in
große Wohngebiete umstrukturiert. Kleinere Gemeinden er-
hielten nur die Genehmigung, in kleinerem Rahmen zu bau-
en, was für gewöhnlich nicht ausreichte, um mit dem natür-
lichen Bevölkerungswachstum Schritt zu halten.

Diese Politik der Trabantenstädte wurde beendet und zwar


vornehmlich deshalb, weil die Beschäftigung den Menschen
nicht in die neuen Wohngebieten folgte, was zu einem
starken Anstieg des Pendlerverkehrs auf den Straßen
führte.

240
Eine weitere nachteilige Folge war, dass Familien mit Kin-
dern in diese Trabantenstädte zogen und in den übrigen
Städten nur Senioren, junge Menschen und Bewohner ko-
stengünstigerer Wohnungen zurückblieben. Im Gegensatz
zu Großstädten wie London und Paris ist in niederländischen
Städten der Anteil an preisgünstigeren Wohnungen recht
hoch.

In den 1990er Jahren wurde im Zuge des Landschafts-


schutzes einer Städtepolitik der Vorzug gegeben, die Neu-
bauten soweit wie möglich innerhalb der größeren Städte
bzw. in deren Einzugsgebiet konzentrierte. Diese Standorte
erhöhten die Aufnahmekapazitäten der Städte insbesonde-
re im Dienstleistungs- und Kulturbereich.

Menschen mit höheren Einkommen ziehen häufig aus Woh-


nungen mit niedrigerer Miete aus und eröffnen so Haushal-
ten mit geringerem Einkommen die Möglichkeit, eine (finan-
ziell) geeignete Wohnung zu finden. Das Grundsatzpapier
zur Raumordnung von 2005 gewährt kleineren Gemeinden
und Ortschaften das Recht, sich in ihren Baumaßnahmen
am eigenen Bevölkerungswachstum zu orientieren.

241
3. Aktuelle Politik und Beteiligte

Der Einflussnahme der Regierung im Einzelnen

Die Einflussnahme der Regierung auf den Wohnungsmarkt


hat eine lange Geschichte und es ist per definitionem sehr
viel einfacher, neue, ergänzende Vorschriften zu verabschie-
den als bestehende Vorschriften abzuschaffen. Die Anzahl
der Vorschriften neigt daher dazu, sich in jeder Legislaturpe-
riode weiter zu erhöhen, was jedoch von der letzten Regie-
rung ernsthaft zu ändern versucht wurde. Der Erfolg dieses
Vorhabens ist dem liberalen Minister Dekker zuzuschreiben.
Die gegenwärtige Regierung mit einem sozialistischen Mini-
ster hat nicht zuletzt in Anbetracht der aktuellen Krise und
der sozialen Schwierigkeiten in 40 Großstadtbezirken ande-
re Prioritäten. Das Interesse der Politik für die Problematik
schrumpfender Städte und Ortschaften wächst.

Die Wohnungspolitik legte ihr Augenmerk in den ver-


gangenen Jahren auf eine kontrollierte Planung, Anreize für
den Eigentumserwerb durch die Abzugsfähigkeit von der
Einkommenssteuer und Maßnahmen, mit denen angemes-
sene Häuser auch für Menschen mit geringeren Einkommen
erschwinglich gemacht werden sollten. Das Ministerium war
in sozialistischer Hand, was sich in den Regelungen und
Vorschriften sowie der dem Sozialwesen beigemessenen
Priorität niederschlug.

242
Nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten Maßnah-
men:

1. Hypothekenzinsen für den Eigentumserwerb sind vorbe-


haltlich einiger Beschränkungen von der Einkommens-
steuer abzugsfähig. Dieser Steuerabzug wird jedoch
gleichzeitig durch die Tatsache gemindert, dass ein be-
stimmter Prozentsatz des Häuserwertes auf das Einkom-
men aufzurechnen ist. Für Personen ohne Hypothek be-
steht die Möglichkeit, sich von dieser Steuer befreien zu
lassen. Die Steuerabzüge übersteigen insgesamt einen
Betrag von 10 Milliarden Euro und schlagen sich deutlich
im Staatshaushalt nieder.

2. Hauseigentümer bezahlen bei Kauf eines bestehenden


Hauses eine Transaktionssteuer in Höhe von 6%. Neu-
bauten sind von dieser Steuer befreit, unterliegen jedoch
einer Mehrwertsteuer in Höhe von 19% auf die Gesamt-
kosten für den Bau des Hauses.

3. Hauseigentümer bezahlen eine örtliche Grundsteuer auf


den Gesamtwert ihres Hauses an die örtlichen Behör-
den. Diese Steuer wurde für Mieter vor einigen Jahren
abgeschafft.

4. Bauprojekte (vor allem für den sozialen Wohnungsmarkt),


die Sanierung von Altbauten sowie zusätzlich anfallende In-
frastruktur- und Baukosten werden als Ausgleich für die
Grundstückskosten von der Regierung subventioniert. Die-

243
se Subventionen werden zwischen den örtlichen Behörden
für gewöhnlich im Rahmen von Verträgen mit sozialen
Wohnungsbaugesellschaften aufgeteilt und können je Haus
bis zu 20% der Grundstücks- und Baukosten erreichen.

5. Etwa einer von drei Miethaushalten erhält je nach persön-


lichem Einkommen und Mietkosten Sonderzuschüsse.

6. Renovierungsmaßnahmen mit ökologischem Hintergrund


wie bspw. Isolierungen zur Senkung der Energiekosten
und Anlagen zur Energieerzeugung aus erneuerbaren
Ressourcen (Wind, Solar) werden besonders bezu-
schusst.

7. Haushalte mit geringeren Einkommen können zur Förde-


rung des Wohneigentumserwerbs von besonderen Kon-
struktionen und Zuschüssen profitieren: Bis zu
350.000 Euro können sich Hauseigentümer um eine Dar-
lehensbürgschaft bewerben (durch die sich der Zinssatz
verringert), Haushalte mit geringeren Einkommen können
besondere Finanzierungsmöglichkeiten in Anspruch neh-
men (einkommensbasierte monatliche Zinszahlung, Ge-
winnaufteilung bei Verkauf des Hauses).

8. Die Entscheidung darüber, in welchen Gebieten neue Häu-


ser gebaut werden dürfen, obliegt den örtlichen Behörden
und muss der Politik und den Richtlinien der Staatsregie-
rung und der Provinzverwaltungen folgen. In der Praxis
sind diese Verfahren für gewöhnlich langwierig.

244
9. Die Regierung stellt hohe Anforderungen an die Errich-
tung neuer oder den Umbau bestehender Häuser. Für
Räume, Türen und Fenster gelten so beispielsweise be-
stimmte Abmessungen, für den Energieverbrauch be-
stimmte Kriterien (mit den Kraftstoffverbrauchsnachwei-
sen für Autos vergleichbarer Energiepass).

10. Darüber unterliegen die Architektur, Entwürfe und Ab-


messungen neuer Häuser bestimmten Vorschriften der
örtlichen Behörden, die von diesen jedoch unterschied-
lich streng gehandhabt werden.

Rolle des Privatsektors

Der Privatsektor spielt bei der Entwicklung und der Errich-


tung neuer Häuser eine wichtige Rolle, da ein Großteil der
Grundstücke sich in der Hand privater Unternehmen befin-
det. Seit den 1980er Jahren wurde der meiste Grund und
Boden, der für den Siedlungsbau verfügbar gemacht wer-
den konnte, von Immobiliengesellschaften aufgekauft.

Diese Entwicklungsgesellschaften, bei denen es sich häufig


um Tochtergesellschaften großer Baukonzerne handelt, do-
minieren das Siedlungswesen heute. Der Grundbesitz ver-
leiht diesen Gesellschaften die Sicherheit eines anhaltenden
Baustroms. Sie einigen sich mit den örtlichen Behörden da-
rüber, was geplant und gebaut werden soll, sowie über
Preiskategorien, Stil und Architektur. Bisweilen kontrollieren

245
sie angesichts eines Mangels an Alternativen auch den lo-
kalen Neubaumarkt.

Aufgrund dieser Verknappung sind die Grundstückspreise


gegenüber den Immobilienpreisen deutlich angestiegen, so
dass diese heute etwa ein Drittel der Gesamtkosten eines
Neubaus ausmachen. In manchen Gegenden beläuft sich
der Anteil der Grundstückskosten auf bis zu 50%. Die ört-
lichen Behörden, die Grundstücke verkaufen, profitieren da-
bei von den steigenden Preisen sowie nach dem Verkauf
von der örtlichen Grundsteuer, die auf dem Gesamtwert der
Immobilie beruht.

Das System, in dem Immobiliengesellschaften tätig sind, ar-


beitete in den vergangenen Jahrzehnten profitabel und
bricht nun aufgrund der Krise in sich zusammen. Es bedarf
daher einer neuen Herangehensweise an den Bau neuer
Häuser, durch die die Kosten (insbesondere für die Grund-
stücke) gesenkt und die Produktion zur Bekämpfung der
Neubauknappheit angeregt werden können. Die Umsetzung
eines solchen Wandels hin zu Grundstückspreisen, die im
Hinblick auf mehr Wettbewerb ausreichend niedrig sind,
wird ein weiteres Jahrzehnt in Anspruch nehmen. Ideale
Marktbedingungen zu schaffen wird immer schwierig sein,
da Grund und Boden in den Niederlanden aufgrund einer
Bevölkerungsdichte, die (insbesondere im Westen des
Landes) zu den höchsten weltweit zählt, besonders knapp
sind.

246
Der Anteil der pro Jahr neu gebauten Häuser liegt gerade
einmal bei 1% der Gesamtanzahl an Häusern in den Nieder-
landen. Die Regierung möchte diesen Prozentsatz gerne
steigern, sieht sich jedoch mit dem Problem konfrontiert,
dass Raumplanungsverfahren langwierig und die Subventi-
onsmöglichkeiten aufgrund von Haushaltsbeschränkungen
begrenzt sind. Und sowohl Immobiliengesellschaften als
auch Grundbesitzer (bei denen es sich oft um örtliche Be-
hörden handelt) profitieren im Grunde von einer solchen auf
die beschriebene Knappheit zurückzuführenden Preisent-
wicklung.

Soziale Wohnungsbaugesellschaften bauen ihre Position


auf dem Eigentumsmarkt durch den Verkauf ihres Mietei-
gentums und die Umsetzung von gemischten Eigentums-
und Mietbauprojekten weiter aus, um dadurch die Kosten
vom Miet- auf den Eigentumssektor zu verlagern und die
Mietkosten innerhalb eines sozial verträglichen Rahmens zu
halten.

Verbesserte Verbraucherposition

Verbraucher nehmen beim Hauskauf die Dienste von Mak-


lern in Anspruch und greifen daneben immer häufiger auch
auf Informationen aus dem Internet zurück. Die dafür zur
Verfügung stehenden Seiten stärken die Position der Ver-
braucher und bieten eine bessere Übersicht über die Markt-
situation. Bei ausgeglichenen Marktbedingungen können
Verbraucher so stärker auf den Markt Einfluss nehmen. Bis

247
zum Beginn der Krise schränkte das knappe Angebot den
Handelsspielraum insbesondere der Haushalte mit nied-
rigeren Einkommen leider erheblich ein. Die Anzahl neu ge-
bauter Häuser konnte die Nachfrage dabei nicht ausglei-
chen. Die Preise richteten sich damals (aufgrund der
niedrigen Zinssätze und der Steuerabzugsmöglichkeiten)
eher danach, was Käufer zahlen konnten, als nach dem tat-
sächlichen Immobilienwert. In manchen Jahren stiegen die
Preise für die schönsten Häuser infolge der hohen Nachfra-
ge überdurchschnittlich an.

Aufgrund der Krise und einiger Regierungsmaßnahmen wie


den Beschränkungen bei der Vergabe von Hypotheken ist
der Markt insgesamt verbraucherfreundlicher geworden, da
diese nun ihre Wünsche äußern können und nicht darauf an-
gewiesen sind zu akzeptieren, was ihnen der Markt bietet.
Bestehende Häuser stehen durchschnittlich mindestens
sechs Monate zum Verkauf, was dazu führt, dass sinkende
Preise und Sonderangebote (kostenloses Auto bei Kauf
eines Hauses) nicht mehr die Ausnahme, sondern vielmehr
die Regel sind. Um der Nachfrage von Erstkäufern auf dem
Häusermarkt (meist junge Paare) gerecht zu werden und
den Erwerb von Wohneigentum für Mieter von Sozialwoh-
nungen attraktiver zu gestalten, werden günstigere Häuser
gebaut. Der durchschnittliche Baupreis für ein kleines Einfa-
milienhaus liegt so häufig bei nur 100.000 Euro oder weni-
ger, wobei der Gesamtpreis vom Grundstückspreis be-
stimmt wird. Bei den aktuellen Zinssätzen ist es möglich, für
Hypothekenraten von nur wenigen Hundert Euro im Monat

248
Wohneigentum zu erwerben; ein Preis, der sich kaum mehr
von den üblichen Mietpreisen unterscheidet.

4. Schlussfolgerungen

Die liberale Position

2008 debattierte die VVD das Thema Wohnungspolitik und


verständigte sich auf eine neue Position. Zentraler Punkt da-
bei ist die Überzeugung, dass jeder Einwohner der Nieder-
lande selbst entscheiden können sollte, wie und wo er leben
möchte. Jeder sollte auf Grundlage realistischer Preise und
ohne allzu starke Eingriffe durch die Regierung die Wahl zwi-
schen Mietwohnung oder Eigenheim haben. Die Aufgabe
der Regierung sollte dabei nur in der Überwachung von Min-
destqualitätsstandards bestehen. Der Markt muss von den
meisten bestehenden Vorschriften, insbesondere den häu-
fig durch eine finanzielle Unterstützung der örtlichen Behör-
den und sozialen Wohnungsbaugesellschaften verschlei-
erten Beihilfen für Sozialwohnungen befreit werden. Nur
diejenigen, die nicht in der Lage sind, sich einen grundle-
genden Lebensstandard zu finanzieren, sollten von der Re-
gierung unterstützt werden. Diese Personengruppe sollte
dabei 10% der Gesamtbevölkerung nicht übersteigen. Ein
Beispiel: Etwa 50% des Gesamtwohnungsbestandes in
Amsterdam sind Sozialwohnungen und werden damit in der
einen oder anderen Weise subventioniert.

249
Die VVD schlägt vor, die sechsprozentige Transaktionsab-
gabe abzuschaffen, da diese Steuer all diejenigen benach-
teiligt, die in die Nähe ihre Arbeitsstätte oder ihre Familie
ziehen oder aus anderen Gründen umziehen möchten. Zu-
dem ist diese Steuer nach Meinung der VVD mit für die all-
täglichen Verkehrsstaus verantwortlich und erhöht die Prei-
se, da die Menschen diese Steuer im Falle eines Verkaufs
wieder hereinholen möchten. Um hinsichtlich des Vor-
schlags, die Transaktionsabgabe abzuschaffen, zu einem
politischen Konsens zu gelangen, muss zunächst eine Fi-
nanzierungsmöglichkeit im Staatshaushalt eröffnet werden,
was sich angesichts notwendiger Budgetkürzungen als nicht
ganz einfach erweisen dürfte.

Die steuerliche Abzugsfähigkeit von


Hypothekenzinsen – ein besonders sensibles Thema

Nach Auffassung der VVD sollte das System der steuer-


lichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen Teil der Steu-
erpolitik, nicht der Wohnungspolitik sein. Es handelt sich da-
bei um ein politisch sensibles Thema, da die Politiker unter
den Wählern keine Angst und Unsicherheit hinsichtlich ihrer
finanziellen Zukunft schüren wollen. Der Steuerabzug von
bezahlten Zinsen ist Teil desselben Systems, in dem für
Sparanlagen erhaltene Zinserträge besteuert werden. Wenn
also bezahlte Zinsen nicht länger abzugsfähig sein sollen,
sollte auch die Besteuerung von Zinserträgen entfallen. Die
Frage ist, ob dies für das Finanzministerium eine attraktive
Alternative darstellt. Steuerabzüge sind auch ein Mittel, die

250
progressiven Besteuerungssätze im niederländischen Steu-
ersystem und insbesondere die Zinsen, die auf höhere Ein-
kommen erhoben werden, auszugleichen. Träfe die Regie-
rung also die Entscheidung, das System der steuerlichen
Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen neu zu gestalten,
würde dadurch im Grunde das gesamte Steuersystem in-
frage gestellt.

Die auf dem nationalen Parteitag der VVD im vergangenen


Jahr verabschiedete Position gibt einen wichtigen Input für
das Parteiprogramm für die Wahlen 2011. Im Falle einer Re-
gierungsbeteiligung der VVD erhielte sie damit die Möglich-
keit, ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Im Falle der poli-
tischen Opposition ist eine kurzfristige Umsetzung der
liberalen Position hingegen eher unwahrscheinlich. Das be-
weist allein die Tatsache, dass es im vorigen Kabinett selbst
unter liberaler Führung nicht gelang, eine Liberalisierung des
Mietmarktes durch das Parlament zu bringen. Fest steht,
dass sich die Parteien des linken und des rechten Flügels
gegenseitig daran hindern, ihre Ideen und politischen Visi-
onen umzusetzen. Die Unterschiede in den Auffassungen
sind zu grundlegend und die Gefahr einer Abstrafung durch
die Wähler zu groß. Die im vergangenen Jahrzehnt geführten
Debatten über den Wohnungsmarkt zeigen, wie schwierig
und offenbar nicht dringlich genug es bis heute ist, Kompro-
misse zu finden.

251
Breite Akzeptanz

In dieser Situation verfolgt die VVD die offizielle Linie, das


Steuerabzugssystem nicht zu debattieren, da dies nur zu
Unruhe unter den Eigenheimbesitzern führen und den Par-
teien des linken Flügels die Möglichkeit bieten würde, die
Realbesteuerung (Steuersatz abzüglich aller Abzüge) für hö-
here Einkommensstufen anzuheben. Eine Reihe wichtiger
Stellen wie der Rat des Ministeriums für Wohnungswesen,
der frühere Parlamentsbeirat und im Übrigen auch die OCDE
fordern eine Überprüfung des Steuerabzugssystems und
die Suche nach anderen Möglichkeiten der Einflussnahme
durch die Regierung auf den Markt.

Eine Veränderung des niederländischen Wohnungsmarktes


ist den meisten Berufsverbänden, Regierungsberatern und
Branchenvertretern zufolge unabdingbar. Auch verschie-
dene politische Parteien fordern einen Wechsel – mit unter-
schiedlichen Schwerpunkten und Schlüssen. Bis es soweit
ist, könnten noch einige Jahre ins Land ziehen, doch fest
steht: Wenn der Markt weiterhin unter Ineffizienz und man-
gelnder Dynamik leidet, wird früher oder später politische
Einigkeit über die Notwendigkeit eines Wechsels herrschen.

Ziel des gewünschten Wandels sind weniger Unterschiede


im Umgang mit dem Miet- und dem Eigentumsmarkt, eine
geringere Einflussnahme der Regierung und eine höhere
Markteffizienz durch Wettbewerb, eine den Tatsachen ent-
sprechende Preisbildung, eine schnelle Planung und ein

252
ausgeglichenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage.
Gleichzeitig wird der Druck auf die Kosten der steuerlichen
Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen und Beihilfen für
das soziale Wohnungswesen steigen und die Lösungsfin-
dung weiter erschweren und verkomplizieren. Ein neues
Steuersystem (Pauschalsteuer) könnte dem Wohnungs-
markt die so dringend notwendige Öffnung bringen. Die
VVD sollte in diesem Prozess eine führende Rolle überneh-
men.

253
Über die Autoren

Dr. Reiner Braun, Diplom-Volkswirt, Mitglied des Vor-


standes der empirica AG Forschung und Beratung (Berlin),
Studium der Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Os-
nabrück und Bonn, Promotion an der Universität zu Köln.
1994 bis 1998 war Reiner Braun Projektleiter bei der empi-
rica GmbH, Bonn. Von 1999 bis 2003 war er als selbstän-
diger Autor und Berater tätig, im Jahr 2003 wurde er in den
Vorstand der empirica AG Berlin berufen. Die Arbeits-
schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen im Bereich Wohnungs-
märkte, Einkommens- und Vermögensanalysen sowie Al-
tersvorsorge.

Gijs Dröge ist niederländischer Unternehmer im Bereich


Kommunikation, public affairs und soziale Verantwortung in
seinem Unternehmen „Public Green“. Seine Interessenge-
biete sind die Entwicklung des Immobilienmarktes, Bauwirt-
schaft und Finanzdienstleistungen. Gijs Dröge ist langjäh-
riges Mitglied der niederländischen liberalen Partei VVD. Er
ist Mitglied des Ausschusses für Raumplanung und Woh-
nungswesen und veröffentlichte jüngst einen Artikel über
die liberale Sicht des Wohnungsmarktes im wissenschaft-
lichen Magazin der VVD.

Dr. Kerstin Funk ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Li-


beralen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei-
heit. Sie studierte Politikwissenschaften, Philosophie und
Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in Mün-

254
chen und promovierte an der Freien Universität Berlin. Im
Liberalen Institut der Stiftung für die Freiheit ist sie zustän-
dig für die Stiftungsinitiative „umSteuern – Freiheit braucht
Mut!“

Dr. Peter King ist Lektor für Sozialphilosophie an der De


Montfort Universität in Großbritannien. Er ist der Autor von
13 Büchern und zahlreichen Artikeln über so unterschied-
liche Themen wie Immobilienfinanzierung, Subventionen,
Bedarf, Auswahl und die Bedeutung von Immobilien. Sein
jüngstes Buch ist „Housing Policy Transformed: the Right to
Buy and the Desire to Own” (Reformierte Wohnungspolitik:
Das “Right to buy” und das Streben nach Besitz), das im
Januar 2010 von Policy Press veröffentlicht werden wird.

Arnold Kling ist Mitglied der “Financial Markets Working


Group” am Mercatus Centre der George Mason Universität
in Fairfax, Virginia. Er ist der Autor von „Not What they Had
in Mind: A History of Policies that Produced the Financial Cri-
sis of 2008,“ (papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_
id=1474430). Seine aktuellen Bücher sind “Crisis of Abun-
dance: Rethinking How We Pay for Health Care”,
herausgegegeben vom Cato Institut, “From Poverty to Pro-
sperity: Intangible Assets, Hidden Liabilities and the Lasting
Triumph over Scarcity” (gemeinsam mit Nick Schulz) sowie
“Unchecked and Unbalanced: How the Discrepancy Bet-
ween Knowledge and Power Caused the Financial and Thre-
atens Democracy”,. Er schreibt außerdem für econlog
(econlib.org).

255
Prof. Dr. Ulrich van Suntum hat in Münster und Bochum
Ökonomie studiert. Er lebt mit seiner Familie in Nordkirchen
im Münsterland. Er war Generalsekretär des Sachverstän-
digenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung und lehrte an den Universitäten Bochum, Köln
und Witten-Herdecke. Seit 1995 ist er Professor für Volks-
wirtschaftslehre an der Universität Münster. Dort leitet er
das Institut für Siedlungs-und Wohnungswesen und ist Grün-
der und Geschäftsführender Direktor des Centrums für an-
gewandte Wirtschaftsforschung der Universität. In der For-
schung beschäftigt er sich neben Regionalprognosen und
Wohnungspolitik auch mit Steuerfragen sowie mit Kapital-
und Zinstheorie, zuletzt im Rahmen eines mehrmonatigen
Forschungsaufenthaltes an der Universität Cambridge
(2008).

Dr. rer. pol. Michael Voigtländer studierte Volkswirtschafts-


lehre in Münster und Köln und war von 2000 bis 2005 wis-
senschaftlicher Assistent am Wirtschaftspolitischen Semi-
nar der Universität zu Köln, Lehrstuhl Prof. Dr. J. Eekhoff.
Seit Oktober 2005 ist er am Institut der deutschen Wirt-
schaft Köln tätig und seit Januar 2008 ist er Leiter der For-
schungsstelle Immobilienökonomik innerhalb des Wissen-
schaftsbereichs Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik. Er ist
außerdem Dozent für Immobilienwirtschaft an der Ber-
gischen Universität Wuppertal und an der Bauakademie Bi-
berach.

256
Dr. Peter Westerheide ist stellvertretender Leiter des For-
schungsbereichs „Internationale Finanzmärkte und Finanz-
manangement“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsfor-
schung GmbH (ZEW) in Mannheim. Er hat an der Universität
Witten-Herdecke Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach
seinem Abschluss als Diplom-Ökonom im September 1994
war er zunächst für ein Jahr im Forschungsbereich Internati-
onale Finanzmärkte und Finanzmanagement am ZEW tätig.
Von September 1995 bis Ende 1998 war er Assistent von
Prof. Dr. Ulrich van Suntum an der wirtschaftswissenschaft-
lichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Mün-
ster. Dort promovierte er im Herbst 1998 mit einer Disserta-
tion über Ziele und Wirkungsmöglichkeiten der
Vermögenspolitik im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Im-
mobilienmärkte und Immobilienfinanzierung, kapitalgedeckte
Alterssicherung sowie Vermögensbildung und Vermögens-
politik. Er koordiniert das Leibniz-Netzwerk Immobilien und
Kapitalmärkte (www.recapnet.org).

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Kerstin Funk (Hrsg.): Aspekte des Wohneigentums
Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums. Zahlreiche Menschen
in Deutschland, aber auch in anderen europäischen und nichteuropäischen
Ländern streben nach dieser Form des Eigentums. Menschen, die Wohnei-
gentum besitzen, sind – so heißt es – glücklicher. Sie haben ihr Kapital in
einer Immobilie angelegt: einem unbeweglichen Sachgut. Mit dieser Anlage
haben sie viel Freiheit erlangt, sie haben aber auch eine große Verantwor-
tung für dieses Eigentum übernommen. Für die Stabilität der Gesellschaft
und der Demokratie ist Eigentum eine wichtige Voraussetzung. Denn die Ver-
antwortung, die mit dem Gebrauch des individuellen Eigentums verbunden
ist, erzeugt die umfassende Anerkennung von rechtstaatlichen Regeln.

Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene Aspekte des Wohnei-


gentums. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Situation in Deutsch-
land, sondern schaut auch über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die
Wohnungspolitik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist.

Mit Beiträgen von:


Reiner Braun
Gijs Dröge
Kerstin Funk
Peter King
Arnold Kling
Ulrich van Suntum
Michael Voigtländer
Peter Westerheide

Argumente der Freiheit, Band 25


ISBN 978-3-920590-39-4 Aspekte des Wohneigentums
Kerstin Funk (Hrsg.)
Argumente der Freiheit 25

liberal Verlag
  

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